Überlegungen zur gründung oder Übernahme einer arztpraxis

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Pneumologe 2014 · 11:444–448 DOI 10.1007/s10405-014-0818-4 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 T.C. Stiller Uslar-Volpriehausen Überlegungen zur Gründung   oder Übernahme einer Arztpraxis Endlich frei – der Weg in die Praxis Etwa ein Drittel aller Ärzte ist in der ambulanten Versorgung von Patien- ten tätig. Die meisten tun dies als Ver- tragsarzt und können (und müssen) mit einer sog. Zulassung Kassenpa- tienten gegen Entgeld behandeln. Nicht wenige sitzen nach einem lan- gen Arbeitstag auf der Station, grü- beln über der ICD-10 1 -Kodierung eines Patienten für die DRGs 2 und überlegen, ob es nicht auch Alterna- tiven zum Krankenhausdasein gibt. Einige spielen mit dem Gedanken, sich selbstständig zu machen und nur noch für die eigene Praxis tätig zu werden. Dieser Beitrag soll wichtige Überlegungen und Schritte in der Pla- nung auf dem Weg in die Selbststän- digkeit aufzeigen. Gebührenordnungen statt DRG In der ambulanten Medizin wird das Geld nicht mehr in Form von DRG-Fallpau- schalen erwirtschaftet. Es gibt hier sog. Gebührenordnungen, welche die Vergü- tung einzelner Tätigkeiten am Patienten regeln. Grundsätzlich wird hierbei die Be- handlung von Privat- und Kassenpatien- ten unterschieden. Die ambulante Medi- zin lebt von den beiden Geldquellen Ge- bührenordnung für Ärzte (GOÄ) und Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM). Die GOÄ ist ein allgemeiner Gebüh- renkatalog, der nach jahrelangem Ver- handeln jetzt kurz vor einer Novellie- rung steht. Privatpatienten und Leistun- gen außerhalb der gesetzlichen Kranken- kasse werden nach der GOÄ abgerechnet. 1  International Statistical Classification of  Diseases and Related Health Problem-10. 2  Diagnosis Related Groups. In diesem Katalog gibt es noch die Mög- lichkeit, besondere Leistungsschwere mit einem höheren Multiplikationsfaktor ab- zubilden (z. B. 2,3-facher Satz). Daneben gilt für die Kassenpatien- ten, also die Mehrheit der Patienten, der EBM. Dieser wird regelmäßig modifiziert und stellt die Hauptumsatzgrundlage für die meisten Niedergelassenen dar. Er ist unterteilt in Kapitel mit Leistungsziffern für die jeweiligen Arztgruppen. Neben diesen im EBM geregelten Leistungen gibt es noch sog. individuelle Gesundheitsleis- tungen (IGeL), die nicht von der Kasse be- zahlt werden, aber dennoch medizinisch sinnvoll sein können und vom Patienten selbst bezahlt werden müssen. Die IGeL- Vergütung lehnt sich an die GOÄ an. Für die Behandlung von Kassenpatien- ten braucht es eine „Zulassung“ der kas- senärztlichen Vereinigung (KV). Privat- patienten können prinzipiell von appro- bierten Ärzten behandelt werden und de- ren Leistung nach GOÄ in Rechnung ge- stellt bekommen. Nur etwa jeder 10. Pa- tient ist privat versichert, sodass in der Regel kein Weg an einer Kassenzulassung vorbeigeht, um von einer Praxis leben zu können. D Die Zulassungen sind limitiert  und richten sich nach der  Bedarfsplanung der KV. Diese legt eine für jede Fachgruppe be- stimmte Versorgungsdichte von Arzt- gruppe zu Bevölkerungszahl fest (z.B. kommt ein Hausarztsitz in Niedersachen auf 1680 Menschen). Aus dieser Bedarfsplanung, für die die KV den „Versorgungsauftrag“ gemäß dem Sozialgesetzbuch hat, ergibt sich die Zahl möglicher Stellen, als Facharzt in eigener Praxis tätig werden zu können. Die Ent- sperrung eines Bedarfsplanungsbereichs tritt grundsätzlich bereits bei einem Ver- sorgungsgrad unter 110% ein (also ab 109,9% abwärts und auch in der Spanne von 109,9–100%). Dann wird bedarfsab- hängig von der Prozentzahl ermittelt, ob die Ausschreibung eines hälftigen Sitzes als kleinste Einheit ausreicht oder ob ein oder mehrere ganze Sitze ausgeschrieben wer- den müssen. Unter 100–75% gilt ein Ge- biet entsperrt und offen für Neugründung. Unter 75% (hausärztliche Versorgung) und unter 50% (fachärztliche Versorgung) ent- spräche einer Unterversorgung, die in die- sem Land eher nicht zu erwarten ist. Die KV bietet neben vielen Regeln und Vorschriften auch eine sehr gute Nieder- lassungsberatung an. Sie sitzt schließlich auch an der „Quelle“ und hat den Versor- gungsauftrag. Hier ist es am besten, den ersten Kontakt zu suchen. In gesperrten Gebieten können nur bestehende Zulassungen ganz oder hälf- tig übernommen werden. Weiterhin be- steht dort die Möglichkeit, als Angestell- ter oder „Job-Sharer“ in der ambulanten Versorgung zu arbeiten. Zulassungs- und EBM-Vergütungsfragen müssen von der KV per Gesetz eng mit den Krankenkas- sen abgestimmt werden. Dadurch gibt es natürlich auch immer wieder Streit zwi- schen den Leistungserbringern und den Krankenkassen. Festgehalt vs. Umsatz Klinikärzte erhalten ein monatliches Fest- gehalt mit evtl. variablen Zulagen, z. B. Dieser aktualisierte Beitrag erschien ursprüng- lich in der Zeitschrift Der Diabetologe 2013,  9:512–514. DOI 10.1007/s11428-013-1141-0. Redaktion B. Jany, Würzburg  M. Rolke, Aschaffenburg 444 | Der Pneumologe 5 · 2014 Strategie in Klinik und Praxis

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Page 1: Überlegungen zur Gründung oder Übernahme einer Arztpraxis

Pneumologe 2014 · 11:444–448DOI 10.1007/s10405-014-0818-4© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

T.C. StillerUslar-Volpriehausen

Überlegungen zur Gründung  oder Übernahme einer ArztpraxisEndlich frei – der Weg in die Praxis

Etwa ein Drittel aller Ärzte ist in der ambulanten Versorgung von Patien-ten tätig. Die meisten tun dies als Ver-tragsarzt und können (und müssen) mit einer sog. Zulassung Kassenpa-tienten gegen Entgeld behandeln. Nicht wenige sitzen nach einem lan-gen Arbeitstag auf der Station, grü-beln über der ICD-101-Kodierung eines Patienten für die DRGs2 und überlegen, ob es nicht auch Alterna-tiven zum Krankenhausdasein gibt. Einige spielen mit dem Gedanken, sich selbstständig zu machen und nur noch für die eigene Praxis tätig zu werden. Dieser Beitrag soll wichtige Überlegungen und Schritte in der Pla-nung auf dem Weg in die Selbststän-digkeit aufzeigen.

Gebührenordnungen statt DRG

In der ambulanten Medizin wird das Geld nicht mehr in Form von DRG-Fallpau-schalen erwirtschaftet. Es gibt hier sog. Gebührenordnungen, welche die Vergü-tung einzelner Tätigkeiten am Patienten regeln. Grundsätzlich wird hierbei die Be-handlung von Privat- und Kassenpatien-ten unterschieden. Die ambulante Medi-zin lebt von den beiden Geldquellen Ge-bührenordnung für Ärzte (GOÄ) und Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM).

Die GOÄ ist ein allgemeiner Gebüh-renkatalog, der nach jahrelangem Ver-handeln jetzt kurz vor einer Novellie-rung steht. Privatpatienten und Leistun-gen außerhalb der gesetzlichen Kranken-kasse werden nach der GOÄ abgerechnet.

1  International Statistical Classification of  Diseases and Related Health Problem-10.2  Diagnosis Related Groups.

In diesem Katalog gibt es noch die Mög-lichkeit, besondere Leistungsschwere mit einem höheren Multiplikationsfaktor ab-zubilden (z. B. 2,3-facher Satz).

Daneben gilt für die Kassenpatien-ten, also die Mehrheit der Patienten, der EBM. Dieser wird regelmäßig modifiziert und stellt die Hauptumsatzgrundlage für die meisten Niedergelassenen dar. Er ist unterteilt in Kapitel mit Leistungsziffern für die jeweiligen Arztgruppen. Neben diesen im EBM geregelten Leistungen gibt es noch sog. individuelle Gesundheitsleis-tungen (IGeL), die nicht von der Kasse be-zahlt werden, aber dennoch medizinisch sinnvoll sein können und vom Patienten selbst bezahlt werden müssen. Die IGeL-Vergütung lehnt sich an die GOÄ an.

Für die Behandlung von Kassenpatien-ten braucht es eine „Zulassung“ der kas-senärztlichen Vereinigung (KV). Privat-patienten können prinzipiell von appro-bierten Ärzten behandelt werden und de-ren Leistung nach GOÄ in Rechnung ge-stellt bekommen. Nur etwa jeder 10. Pa-tient ist privat versichert, sodass in der Regel kein Weg an einer Kassenzulassung vorbeigeht, um von einer Praxis leben zu können.

D Die Zulassungen sind limitiert und richten sich nach der  Bedarfsplanung der KV.

Diese legt eine für jede Fachgruppe be-stimmte Versorgungsdichte von Arzt-gruppe zu Bevölkerungszahl fest (z.B. kommt ein Hausarztsitz in Niedersachen auf 1680 Menschen).

Aus dieser Bedarfsplanung, für die die KV den „Versorgungsauftrag“ gemäß dem Sozialgesetzbuch hat, ergibt sich die Zahl möglicher Stellen, als Facharzt in eigener Praxis tätig werden zu können. Die Ent-sperrung eines Bedarfsplanungsbereichs tritt grundsätzlich bereits bei einem Ver-sorgungsgrad unter 110% ein (also ab 109,9% abwärts und auch in der Spanne von 109,9–100%). Dann wird bedarfsab-hängig von der Prozentzahl ermittelt, ob die Ausschreibung eines hälftigen Sitzes als kleinste Einheit ausreicht oder ob ein oder mehrere ganze Sitze ausgeschrieben wer-den müssen. Unter 100–75% gilt ein Ge-biet entsperrt und offen für Neugründung. Unter 75% (hausärztliche Versorgung) und unter 50% (fachärztliche Versorgung) ent-spräche einer Unterversorgung, die in die-sem Land eher nicht zu erwarten ist.

Die KV bietet neben vielen Regeln und Vorschriften auch eine sehr gute Nieder-lassungsberatung an. Sie sitzt schließlich auch an der „Quelle“ und hat den Versor-gungsauftrag. Hier ist es am besten, den ersten Kontakt zu suchen.

In gesperrten Gebieten können nur bestehende Zulassungen ganz oder hälf-tig übernommen werden. Weiterhin be-steht dort die Möglichkeit, als Angestell-ter oder „Job-Sharer“ in der ambulanten Versorgung zu arbeiten. Zulassungs- und EBM-Vergütungsfragen müssen von der KV per Gesetz eng mit den Krankenkas-sen abgestimmt werden. Dadurch gibt es natürlich auch immer wieder Streit zwi-schen den Leistungserbringern und den Krankenkassen.

Festgehalt vs. Umsatz

Klinikärzte erhalten ein monatliches Fest-gehalt mit evtl. variablen Zulagen, z. B.

Dieser aktualisierte Beitrag erschien ursprüng-lich in der Zeitschrift Der Diabetologe 2013, 9:512–514. DOI 10.1007/s11428-013-1141-0.

RedaktionB. Jany, Würzburg M. Rolke, Aschaffenburg

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Strategie in Klinik und Praxis

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durch Nachtdienste. Vielleicht gibt bzw. gab es noch eine „Pool-Beteiligung“ aus der Mitbehandlung von Privatpatienten in der Ambulanz. In der Praxis sieht das et-was anders aus: Hier müssen Ärzte durch die Abrechnung ihrer Tätigkeit einen va-riablen Umsatz erwirtschaften, von dem nach Abzug der Praxiskosten ihr „Brut-toentgeld“ abhängt. Die Abrechnung er-folgt mithilfe der Gebührenziffern, die in der Praxis-EDV mit der Dokumenta-tion verknüpft, am Ende des Quartals eine Quartalsabrechnung ergeben, die dann an die Abrechnungsabteilung der jeweiligen Landes-KV gesendet und nach Prüfung sowie Fehlerkorrektur vergütet wird.

Die Gesamthonorarmenge in der Ver-tragsarztwelt verhandelt die Kassenärzt-liche Bundesvereinigung (KBV) mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen. Bei Einigung gibt es auf Landesebene weite-re Verteilungsübereinkünfte. Die Men-ge des zu verteilenden Gelds richtet sich nach der im Vorjahr durch die Vertrags-ärzte angeforderte Leistungsmenge und der Morbidität der Patienten gemäß den übermittelten Diagnosen. Die Kranken-kassen zahlen dann an die jeweilige Lan-des-KV eine Geldmenge, die nach einem sog. Honorarverteilungsmaßstab (HVM) innerhalb der Fachgruppen verteilt wird. Hier ist also ein Budget vorgegeben, in-nerhalb dessen die Vergütung und Leis-tungserbringung erfolgt.

»  Entscheidend für den Umsatz ist das Patientenspektrum

Keine Angst, mit guter Planung ist es machbar, das bisherige Gehalt (und etwas mehr) auch in der Praxis zu erwirtschaf-ten. Das „Oberarztgehalt“ gilt bei der Pra-xisplanung immer als Richtschnur. Wer in eigener Praxis vollzeitig arbeitet, soll-te bei der Übernahme einer bestehenden Praxis auch dieses Gehalt erwirtschaften können. Dies bedeutet nicht zwingend, dass jede Praxisgröße automatisch diesen Umsatz erwirtschaften muss. Entschei-dend ist hier das Patientenspektrum. Im Vorfeld gibt es aber auch seitens der KV Beratungsangebote zu den ausgeschriebe-nen Praxen, bei denen Interessenten über die Zusammensetzung des jeweiligen Pra-xisleistungsspektrums informiert werden.

Dies geschieht aber unter strenger Diskre-tion. Hier kann noch unverbindlich ge-prüft werden, ob der individuelle Finanz-bedarf auch durch die jeweiligen Praxis-umsätze vom Übernehmer erreicht wer-den kann.

Die Auszahlung der Vergütung erfolgt in monatlichen Abschlägen mit Quartals-restzahlungen seitens der KV. Beim Über-gang vom Gehalt zum Abschlag ist beson-ders wichtig zu bemerken, dass diese Gel-der noch nicht versteuert und auch noch keine Leistungen für Krankenkasse und Versorgungswerk davon abgebucht wor-den sind. Die Höhe des Umsatzes hängt, wie im Krankenhaus auch, von der Zahl der behandelten Patienten ab.

Arbeitsmöglichkeiten in der ambulanten Medizin

Viele Banken haben die Freiberufler wie-der als Kunden entdeckt und bieten neben der Praxisfinanzierung alle weiteren Leis-tungen an. Die Ärzte und Apotheker Bank ist als Branchenbank allerdings besonders mit den Bedürfnissen der Praxisgründer und Übernehmer vertraut.

Es gibt grundsätzlich 5 Arten, mit ärzt-licher Tätigkeit in die ambulante Versor-gung zu starten:FAusschließliche Behandlung von Pri-

vatpatienten, Eröffnen oder Überneh-men einer Privatpraxis

FMit Zulassung Neugründung einer Praxis, Aufbau des Patientenstamms von Null auf

FÜbernahme einer schon bestehenden Praxiszulassung mit Zugriff auf den vorhanden Patientenstamm

FPartner werden mit Zulassung in einer bestehenden Berufsausübungs-gemeinschaft

FAnstellung in einer bestehenden Pra-xis oder in einem medizinischen Ver-sorgungszentrum, Arbeit in der am-bulanten Medizin ohne unternehme-risches Risiko

Für eine Praxistätigkeit müssen zusätzlich folgende Überlegungen erfolgen und Vor-aussetzungen geschaffen sein:FFacharztstatus: Nur ein Facharzt kann

vertragsärztlich mit einer KV-Zulas-sung tätig sein.

FGibt es noch Zulassungsmöglichkei-ten in der Wunschregion? Sind be-stehende Praxissitze dort zur Nachbe-setzung ausgeschrieben, auf die man sich bewerben kann?

FSind die im Krankenhaus individuell wichtigen Qualifikationen erworben worden (Zusatzbezeichnungen, Ha-bilitation, wissenschaftliche Projekte, Promotion, Auslandsaufenthalt [“Ärz-te ohne Grenzen“] etc.), die außer dem Facharztstatus noch relevant sind? In der Selbstständigkeit gibt es für diese Dinge oft keine Zeit mehr.

Wer interessiert ist, aber noch keine Er-fahrungen in der „Praxis“ sammeln konn-te, weil ein Weiterbildungsgebiet ausge-übt wird, das keine Pflichtzeit in der ärzt-lichen Praxis vorschreibt, kann in einer Praxis hospitieren, um zu sehen, ob die Abläufe und Besonderheiten zu ihm pas-sen. Weiterhin besteht in Krankenhaus-ambulanzdiensten die Möglichkeit, schon mal zu testen, wie sich ambulante Medi-zin anfühlt.

D Gerade in sehr spezialisierten Fachdisziplinen ist ein Netzwerk der Aktiven sehr wichtig.

Sinnvoll kann hier die Mitgliedschaft im entsprechenden Berufsverband sein. Es lohnt sich also, dem Berufsverband der Pneumologen beizutreten, um Kontakte zu knüpfen.

Die grundsätzliche Bereitschaft sich auf Menschen mit täglichen Sorgen und Nöten (und auch kleineren medizini-schen Problemen) einzulassen, der stets respektvolle und freundliche Umgang mit nicht immer einfachen Charakteren und die kontinuierliche Geduld, das komple-xe langjährig erworbene Wissen in ein-fach erklärender Sprache an die Patien-ten zu vermitteln, sind Eckpfeiler des per-sönlichen Praxiserfolgs und die Grundla-ge einer jahrelangen stabilen Arzt-Patien-ten-Beziehung.

Es gibt neben der klassischen Praxisbe-ratung durch Berufverbände und KV auch „freie“ Berater. Hier sollte auf die Trans-parenz in der Beratung geachtet werden. Denn gerade der Praxisanfänger steht vor einem anfangs verwirrenden Angebot von Versicherungen und Vorsorgeangeboten.

445Der Pneumologe 5 · 2014  | 

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Hier gilt es, genau zu prüfen, ob alles An-gebotene auch wirklich nötig ist.

D Die richtige Arzt-Patienten-Kommunikation ist die erfolg-reichste Praxisinvestition!

Nach dem neuen Vertragsarztrecht be-steht zudem keine Residenzpflicht mehr an dem Ort, an dem man seinen Vertrags-arztsitz hat. Ärzte müssen somit nicht mehr, im Gegensatz zu früher, dort woh-nen, wo sie arbeiten. Sie können z. B. in der Stadt leben, auf dem Land arbeiten und pendeln dann wie andere auch.

Es gibt auch die Möglichkeit, eine Kli-nikstelle zu halbieren und eine halbe Zu-lassung zu übernehmen oder sich stun-denweise in einer Praxis anstellen zu las-sen, um dann Schritt für Schritt in die Pra-xisrolle hineinzuwachsen. Dies kann inte-ressant sein, wenn es in dem gewünschten Fachgebiet keine freien Sitze mehr gibt.

Neben den genannten Wegen, in einem gesperrten Gebiet doch tätig zu werden, existiert noch die Möglichkeit, den Job mit dem Inhaber einer bestehen-den Zulassung zu teilen. Diese „Jobsha-ring“-Lösung bietet Kollegen, die in we-nigen Jahren die Praxis abgeben wollen, die Chance, gemeinsam mit dem poten-ziellen Nachfolger zu arbeiten und sel-ber Entlastung zu haben. Nach 5 Jahren im Jobsharing besteht dann ein gestärkter Anspruch auf die Übernahme der Zulas-sung in einem gesperrten Gebiet. Die Ver-gabe einer Zulassung in einem gesperrten Gebiet erfolgt durch die Ausschreibung der KV-Bezirksstelle. Es kann sich dann jeder interessierte, fachgebietsgleiche Arzt darauf bewerben.

Voraussetzungen für eine Zulassung

Voraussetzungen für die Zulassung/An-stellung als Vertragsarzt sind:FApprobationFAbgeschlossene Weiterbildung in

einem Fachgebiet, das die ausge-schriebene Zulassung ermöglicht

FKeine Ausübung von Tätigkeiten, die im Widerspruch zur vertragsärztli-chen Tätigkeit stehen

FEintrag ins Arztregister

Das eigentliche Zulassungsverfahren ist 2-stufig:1. Arztregister (Antrag an die KV):FGeburtsurkundeFUrkunde über die Approbation als ArztFNachweis über die ärztliche Tätigkeit

nach bestandener ärztlicher PrüfungFUrkunden über abgeschlossene Wei-

terbildungen (u. a. Facharztanerken-nung)

2. Zulassung (Antrag an den Zulas-sungsausschuss):

FAuszug aus dem ArztregisterFBescheinigungen über die seit der

Approbation ausgeübten ärztlichen Tätigkeiten, Lebenslauf

FErklärung über bestehende Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisse

FPolizeiliches Führungszeugnis

Wenn mehrere Bewerbungen eingehen und keine die vergabelenkenden Einflüs-se (wie z. B. „Jobsharer“) vorhanden sind, werden vom Zulassungsausschuss Verga-bekriterien angewendet. Dies sind z. B:FBerufliche EignungFApprobationsalterFDauer der bisherigen ärztlichen

TätigkeitFDauer der Eintragung in die WartelisteFVerwandtschafts- oder Anstellungs-

verhältnis zum abgebenden ArztFInteressen des/der in der Berufsaus-

übungsgemeinschaft verbleibenden Kollegen

Diese Verfahren vom Erstkontakt mit einem Praxisabgeber bis zum Zulassungs-ausschuss dauern mehrere Monate.

Es ist ratsam, Diskretion über etwai-ge Praxispläne beim aktuellen Arbeitge-ber zu wahren, um keine Nachteile zu er-leiden, falls es mit der Praxis nichts wird und z. B. ein Zeitvertrag zur Verlängerung ansteht oder in der Abteilung neue Positio-nen frei werden.

Der Arztberuf ist ein freier Beruf, doch das Arbeiten als Freiberufler ist noch mehr. Für diejenigen, die gerne selbst ge-stalten, bietet diese Form der Berufsaus-übung den optimalen Freiraum. Wenn der richtige Platz dafür erst einmal ge-funden ist, kann daraus ein Lebenswerk werden. Im 2. Teil des Beitrags erfahren Sie mehr über die weiteren Details in der Gründungsphase.

Korrespondenzadresse

Dr. T.C. StillerVolperstr. 5,  37170 Uslar-VolpriehausenDeutschland [email protected]  

Dr. Thomas Carl Stiller, Jahrgang 1969, kam über den „Umweg“ Werbeagentur, Verlag und vier Semes-ter BWL-Studium zur Humanmedizin in Göttingen. Es folgte die Promotion in der Biophysik im Themenfeld der Tumorzytogenetik und Strahlenbiologie und erste klinische Tätigkeit in der Grundlagenforschung. In der klinischen Weiterbildung absolvierte er zusätzlich die Ausbildung zum Medizincontroller. Nach der Facharzt-reife folgte der Schritt in die Selbstständigkeit. Aus vie-len Gesprächen mit Kollegen in der Weiterbildung ent-stand die Idee, ein Buch für Interessierte aus der Praxis heraus zu schreiben mit möglichst konkreten Bezügen zur Machbarkeit.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  T.C. Stiller gibt an, dass kein  Interessenkonflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. 

Weiterführende Literatur

Übernahme und Gründung einer Arztpraxis (2013) ISBN 978-3-642-04544-8 Springer-Verlag, 39,95 Euro

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