Über „kolloide“, „hyaline“ degeneration und über „koagulationsnekrose“ im gehirn

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t~ber ,,kolloide", ,,hyaline" Degeneration und fiber ,,Koagulationsnekrose" im Gehirn. Von Prof. Dr. E. 8triiussler und Dr. G. Koskinas. (Aus dem Laboratorium der Psyehiatrisehen Klinik in Wien.) Mit 17 Textabbildungen. (Eingegangen am 21. August 1925.) Das Gehirn, dessen histologisehe Untersuchung den hier zu besprechenden bemerkenswerten Befund ergab, stammt yon einem 43]/~hrigen Bankbeamten, welcher an die Klinik am 7. XI. 1918 aufgenommen wurde, den Symptomen- komplex einer Lissauerschen Paralyse geboten hatte und am 25. XII. 1918 starbl). Wir stieBen auf das Pri~parat gelegentlich der histologischen Verarbeitung des pathologisch-anatomisehen Materials der Klinik an mit Malaria behandelten Para- lysen. Aus der Krankengeschiehte des Fal|es ist zu entnehmen, dab die psychisch- nerv6sen Krankheitserscheinungen am 8. II. 1918 nachts mit einem Anfall yon aphasischer Sprachst6rung eingesetzt hatten; 17 Jahre vorher hatte eine luetische Infektionstattgefunden. Die Aphasie hielt durch 14Tagean, im Laufedes Sommers wiederholten sich die Anfi~lle mehrere Male, es trat eine dysarthrische Sprach- st6rung hinzu. Der Patient wurde reizbar und verschwendete sein Geld. An der Klinik zeigte er bei der Ankunft, neben sehr ausgesprochenem Silben- stolperu, eine aphasisehe SprachstSrung motorisch-amnestischer Art und Intelligenz- defekte bei erhaltener Orientierung und deutlichem Krankheitsgeftihl. Pupillen different und entrundet, Licht- und Konvergenzreaktion erhalten; rechter Achilles- sehnenreflex nicht ausl6sbar. WaR. im Serum und Liquor @, 30 Zellen, ]gonne- Apelt ++, GesamteiweiB vermehrt. Am 4. XI[. 1918 wurde auf ihn yon einem Paralytiker mit Tertianaimpf- malaria tiberimpft. Er zeigte am 10. XII. 1918 die ersten Temperatursteigerungen bis auf 38,4. Da sich aber h~rausgestellt hatte, dag der Blutspender eine Tropica in sich getragen hatte, wurde bereits am ll. XII. Chinin verabreicht. Patient war dann vom 14. XII. bis zum 21. XII. 1918 friih fieberfrei, wiederholt zeigten sich subnormale Temperaturen. Die aphasisehen StSrungen traten in dieser Zeit zuriick, um am 21. XII. 1918, gleichzeitig mit dem Wiederauftreten yon Temperatur- steigerungen, eine Verst~rkung zu erfahren. Es hatte sieh eine Phlegmone der Thoraxwand mit kontinuierlichemFieber entwickelt und unter rasehem allgemeinen Verfall trat am 25. XII. 1918 der Exitus ein. Bei der Obduktion wurde eine vereiterte Fraktur der 4. Rippe links und yon da ausgehend eine Phlegmone der Thoraxwand vorgefunden, welche yon py~imischen 1) Der Fall ist einer der yon Gerstmann in seinem Buche: ,,Die Malaria- behandlung der progressiven Paralyse" S. 24 u. 25 erw~hnten FMle.

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Page 1: Über „kolloide“, „hyaline“ degeneration und über „koagulationsnekrose“ im Gehirn

t~ber ,,kolloide", ,,hyaline" Degeneration und fiber ,,Koagulationsnekrose" im Gehirn.

Von

Prof. Dr. E. 8triiussler und Dr. G. Koskinas.

(Aus dem Laboratorium der Psyehiatrisehen Klinik in Wien.)

Mit 17 Textabbildungen.

(Eingegangen am 21. August 1925.)

Das Gehirn, dessen histologisehe Untersuchung den hier zu besprechenden bemerkenswerten Befund ergab, stammt yon einem 43]/~hrigen Bankbeamten, welcher an die Klinik am 7. XI. 1918 aufgenommen wurde, den Symptomen- komplex einer Lissauerschen Paralyse geboten hatte und am 25. XII. 1918 starbl). Wir stieBen auf das Pri~parat gelegentlich der histologischen Verarbeitung des pathologisch-anatomisehen Materials der Klinik an mit Malaria behandelten Para- lysen.

Aus der Krankengeschiehte des Fal|es ist zu entnehmen, dab die psychisch- nerv6sen Krankheitserscheinungen am 8. II. 1918 nachts mit einem Anfall yon aphasischer Sprachst6rung eingesetzt hatten; 17 Jahre vorher hatte eine luetische Infektionstattgefunden. Die Aphasie hielt durch 14Tagean, im Laufedes Sommers wiederholten sich die Anfi~lle mehrere Male, es trat eine dysarthrische Sprach- st6rung hinzu. Der Patient wurde reizbar und verschwendete sein Geld.

An der Klinik zeigte er bei der Ankunft, neben sehr ausgesprochenem Silben- stolperu, eine aphasisehe SprachstSrung motorisch-amnestischer Art und Intelligenz- defekte bei erhaltener Orientierung und deutlichem Krankheitsgeftihl. Pupillen different und entrundet, Licht- und Konvergenzreaktion erhalten; rechter Achilles- sehnenreflex nicht ausl6sbar. WaR. im Serum und Liquor @, 30 Zellen, ]gonne- Apelt + + , GesamteiweiB vermehrt.

Am 4. XI[. 1918 wurde auf ihn yon einem Paralytiker mit Tertianaimpf- malaria tiberimpft. Er zeigte am 10. XII. 1918 die ersten Temperatursteigerungen bis auf 38,4. Da sich aber h~rausgestellt hatte, dag der Blutspender eine Tropica in sich getragen hatte, wurde bereits am l l . XII. Chinin verabreicht. Patient war dann vom 14. XII. bis zum 21. XII. 1918 friih fieberfrei, wiederholt zeigten sich subnormale Temperaturen. Die aphasisehen StSrungen traten in dieser Zeit zuriick, um am 21. XII. 1918, gleichzeitig mit dem Wiederauftreten yon Temperatur- steigerungen, eine Verst~rkung zu erfahren. Es hatte sieh eine Phlegmone der Thoraxwand mit kontinuierlichem Fieber entwickelt und unter rasehem allgemeinen Verfall trat am 25. XII. 1918 der Exitus ein.

Bei der Obduktion wurde eine vereiterte Fraktur der 4. Rippe links und yon da ausgehend eine Phlegmone der Thoraxwand vorgefunden, welche yon py~imischen

1) Der Fall ist einer der yon Gerstmann in seinem Buche: ,,Die Malaria- behandlung der progressiven Paralyse" S. 24 u. 25 erw~hnten FMle.

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E. Str~tussler und G. Koskinas: l)ber ,,kolloide '', ~hyaline '~ De~'eneration. 345

Abscessen im Myokard, in der Lunge und yon beiderseitigem Thoraxempyem ge- folgt war.

Die makroskopische Untersuchung des in Formol konservierten Gehirnpr~pa- rates ergab: Allgemeine m~Bige Atrophie, deutlicher im Frontal-, Temporal- und Parietallappen. Starke Triibung und Verdickung der Meningen, die streckenweise ein fellartiges Aussehen darboten.

Die Gehirnsubstanz lieB zwei Arten yon Ver~nderungen erkennen: 1. An vielen Stellen erschien die Rinde eigentfimlich rotbri~unlich

verfi~rbt, manchmal in einem gleichmi~Bigen Farbenton, manchmal fleckig, infolge des Wechsels von dunkleren und lichteren Partien, die mehr oder weniger scharf gegeneinander abgegrenzt waren. Diese Ver- fi*rbung erstreckte sich auf ganze Windungen oder nur auf Teile, betraf die ganze Breite der t~inde oder auch nur Partien derselben, bald die oberfli~chlichen Schichten, bald die tieferen. Die Veri~nderung fiber- schritt auch nicht selten die Grenze der Rinde gegen das Mark zu, reichte mit einem Streifen in die Marksubstanz hinein. Mit der Ver- fi~rbung war an vielen Stellen eine Gewebslockerung, die zu einer schwammigen Struktur des Gewebes fiihrte, verbunden; die Rindensub- stanz sah an manchen Stellen wie zerfressen aus.

Diese Art der Verimderung land sich: In der Gegend des rechten Frontalpols in groBer Ausdehnung, sp/~rlicher im rechten Abb. l,

Schliifelappen; links ebenfalls im Pol des Stirnlappens, weniger ausgedehnt als rechts, in der vordercn und hinteren Zentralwirkung, mittlercs Drittel, und im angrenzcnden Toil des Parietallappens ; hier in zahlreichen Windungen. ])ann im Schli~felappen, ebenfalls in grol~er Aus- dehnung, besondcrs auch im Uncus und im Nucleus amygdalac. Endlich in der Substantia perforata anterior.

2. In den gleichen Gegenden der Rinde bzw. der grauen Substanz fanden sich an zahlreichen Stellen hanfkorn- bis linsengrol3e Herdchen, welche sich durch ihre grauschwarze Verfi~rbung in auffi*lliger Weise von der Umgebung abhoben. Der grSl~te Herd dieser Art befand sich in der Gegend der Substantia perforata anterior; er imponierte als Cyst- chert, wi~hrend die kleineren Herde keine Kontinuiti~tsunterbrechung der Gehirnsubstanz zu bedingen schienen.

Bei der Darstellung des mikroskopischen Befundes, dessen Mannig- faltigkeit im ersten Momente geradezu verwirrend wirkt, wollen wir yon einem Pri~parate, welches aus dem rechten Stirnhirn s tammt und der F~rbung nach van Gieson unterzogen wurde, ausgehen (Abb. 1). Es bietet alle Formen und Stadien des pathologisehen Prozesses dar.

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In diesem (/bersichtsbilde fi~llt vor allem auf: das die Rinde repri~- sentierende Band, welches sich in der Norm im van Gieson-Pr~parat durch eine etwas dunklere Fiirbung vom Mark schwaeh abhebt, zeigt hier sehr verschiedene Nuancen, erseheint an vielen Stellen besonders dunkel -- im Priiparate bis bordeauxrot --, zuweilen fleckig; an manchen Stellen ist es durch ganz helle Partien unterbrochen, zeigt aber anderer- seits streckenweise eine Verbreiterung, welche nicht durch eine tangen- tiale Schnittrichtung bedingt ist.

Die mikroskopische Untersuchung ergibt nun, dab die dunkelsten Partien des Rindenbandes (bei a Abb. 1) und die unregelmi~gigen dun- keln Flecken und Felder auf liehtem Grunde (b, Abb. 1) die am weitesten

Abb. 2.

]ortgeschrittenen Grade des hier vorliegenden Hirnprozesses repriisentieren, weleher in seiner schwiicheren Ausbildung geringgradigere Obeffiirbungen im Verlaufe des Rindenbandes verursacht (c, Abb. 1).

Die Fleclcen yon intensiver Fgirbung (bei b, Abb. 1) sind ihrer mikro- skopischen Struktur nach sofort als etwas/i~r die Rinde Fremdes zu er- kennen; sie werden durch eine dichte, grobkSrnige, glitzernde Masse gebildet, in welcher sowohl das feinretikuliire Grundgewebe, als auch alle normalen Formelemente nervSser und gli5ser Natur untergegangen zu sein scheinen (Abb. 2, 3 and 4).

Der normale Bau der Rinde ist aber auch in der ganzen Umgebung der dunkel tingierten Flecken verloren gegangen; es findet sich hier ein loclceres, weitmaschiges Gewebe, welches aus protoplasmareicher zelliger und aus faseriger Glia besteht und eine reichliche Menge von Gef~i~en enthiilt -- das typisehe Bild eines ,,Statue spongiosus" (Spielmeyer)

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(Abb. 2, a, 3 und 4). Die Gebiete des ,,spongiSsen Rindenschwunds" [0. Fischer1)] bilden die lichtesten Stellen der Rinde.

Nur an wenigen Stellen besitzt die Rinde die normale Struktur und

Abb. 8.

Architektonik (bei d, Abb. 1); sie folgen im Helligkeitsgrade sofort auf die vom Status spongiosus betroffenen, im Pr~parate hellsten Partien. Dort, wo das Gehirn die ,,normale" Struktur aufweist, sind in diesem

Abb. 4.

Pr~parat, sowie auch in allen anderen Hirnregionen mehr oder weniger deutlich die Vertinderungen, welche der progressiven Paralyse zukommen, nachwcisbar; mit ihnen wolleu wir uns nicht welter besch~ftigen.

1) O. Fischer, Der spongiSsc Rindenschwund, ein bcsonderer Destruktions- proze~ der Hirnrinde. Diese Zeitschr. 7. 1911.

Z. f. d. g. Neut . u. Psych. C. 23

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Fassen wir nun die einzelnen Windungen bzw. Windungsteile in der Stufenleiter der zunehmenden F~rbbarkeit ins Auge, so ergibt sich: dort, wo die Farbnuance die erste, noch unbedeutende, aber doch schon merkliche Verst~irkung effahren hat, macht sich im mikroskopischen Bilde eine Verdichtung de8 Grundgewebe8 bemerkbar; es ist wohl noch die retikul~re Struktur vorhanden, die Trabekeln des in der Norm so feinen Netzes erscheinen aber plumper, die Maschenr~ume infolgedessen enger. Die Ganglienzellen, deren Protoplasma und Kerne, sind ge- schrumpft; bei Toluidinfarbung erkennt man an zahlreichen Zellexem- plaren reichliche ,,Inlerustationen der Golginetze" (Abb. 5).

Sobald die Intensitat der Fdirbung eine weltere Zunahme erfahren hat, is~ im mikroskopischen Bride die Verdichtung des Grundgewebes

Abb. 5.

noch deutlicher geworden; die retikul~re Struktur ist gar nicht mehr erkennbar, das Gewebe besitzt eine dicht groblr bis schollige Strulc- tur. Die Ganglienzellen erscheinen geschwollen, ihre F~rbbarkeit hat stark gelitten, und zwar Protoplasma und Kerne in gleich hohem Grade; der Zelleib besitzt meist noch eine feine, blasse Granulierung, der Kern hebt sich kaum vom Protoplasma ab, die Kernmembran ist unsichtbar und nur das KernkSrperchen, ebenfalls ganz blaB, deutet die Lage des Kerns an. Viele der Ganglienzellen bieten aber gleichzeitig auch schon Anzeichen eines Zerst6rungsprozesses; man findet haufig die Forts~tze fehlend, wie abgeschmolzen, die Abschmelzung erstreckt sich dann auch vielfach bereits auf den Zelleib, welcher entweder abgerundet ist oder durch unregelm~Bige Einkerbungen und Buchten zackige Kon- turen erhalten hat. Derartige Abschmelzungen sind hin und wieder auch bereits in dem friiher beschriebenen Stadium der Ganglienzell- ver~inderungen zu beobachten.

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Die Abnahme der F~rbbarkeit erstreckt sich auch auf die Gliakerne der ursprfinglichen, normalen gliSsen Elemente; daneben tauchen aber pathologische, offenbar neugebildete Gliazellen auf, die einen grol]en homo- genen Protoplasmaleib und einen scharfbegrenzten, wenn auch chroma- tinarmen, so doch gut gef~rbten, blasigen Kern besitzen.

In den dunkelsten Partien endlich sind nur noch ganz vereinzelt Ganglienzellen zu sehen; dagegen ist eine deutliche Zunahme yon wieder gutgef~rbten Gliakernen, meist mit Anzeichen proliferativer Wucherung neben den friiher erw~hnten protoplasmareichen Gliazellen und zahl- reichen st~bchenfSrmigen, meist senkrecht zur Oberfl~che gestellten Zellen zu sehen. Die Grundsubstanz hat die grobkSrnige Struktur be- halten, die KSrner sind aber besser gegeneinander abgegrenzt und oft,

Abb. 6.

sind die Massen der eingelagerten Substanz yon senkrecht gegen die Gehirnobeffl~che verlaufenden kanalartigen Lichtungen durchzogen, zwischen welchen die KSrnergruppen palisadenfSrmige Reihen bilden.

Die beschriebenen Ver~nderungen der Gewebstruktur betreffen bald ganze Windungen, bald nur Teile derselben und nehmen meist die ganze Rinde in allen ihren Schichten ein; manchmal bleibt die zonale Schichte, manchma] auch noch dazu die zweite Rindenschichte verschont. An vielen Stellen reicht die Affektion aber in die Marksubstanz hinein; sie erstreckt sich oft tief in die Markradien, wodurch bei der makroskopi- schen Betrachtung das Rindenband verbreitert erschien. Die Abgrenzung gegen das normale Gewebe ist meist eine ganz schar]e; die verschiedenen Grade der Ver~nderung sind einander nicht nach der Stufenleiter ihrer Intensit~t benachbart, eine Partie mit schweren Ver~nderungen kann sich unmittelbar an das normale Gewebe anschliegen, aber auch yon

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schw~cher affizierten Teilen umgeben sein. Die Grenzen zwischen dem ver~nderten und normalen Hirngewebe, sowie auch zwischen den Ver- ~nderungen verschiedener Intensit~t sind ganz unregelm~ig, meist in ungleichm~tBigen Wellenlinien verlaufend, deren Hauptrichtung bald mehr senkrecht, bald mehr parallel zur Gehirnoberfl~che liegt (Abb. 1); wellenfSrmig erscheint auch gewShnlich die Begrenzungslinie gegen die Marksubstanz.

Innerhalb der einzelnen betroffenen Territorien ist nicht selten eine gleich/6rmig und gleichgradig di//use Verteilung des Prozesses zu beobachten; regelm~i]3ig gilt dies ftir die beschriebenen geringen Grade der Affektion. In Partien mit st~rkerer Ausbildung des Prozesses heben sich aber oft unregelmi~fiig fiber das Gebiet verteilte Flecken durch eine

Abb. 7.

st~rkere Tinktion heraus (Abb. 1, e) und die n~here Untersuchung ergibt, dal~ die dunkeln Flecken durch eine dichtere Massierung der beschrie- benen KOrner um Blutge/dfle zustandekommen. Ein anderes Bild yon rdumlicher Beziehung zwischen der A//ektion de8 Hirngewebes und den Ge/dflen ergibt sich mitunter dort, wo starkgef~rbte Partien, KSrner- massen, im spongi0sen Gewebe in Form yon scharf umschriebenen Flecken erscheinen: Kr~nze der grobscholligen, in das spongiSse Ge- webe eingelagerten Substanz kreisen einzelne Gefi~e ein (Abb. 6).

Die Ge/d[3e erregen in dem pathologischen Prozesse, um welchen es sich hier handelt, aber an sich in mehrfacher Beziehung in hohem MaBe die Aufmerksamkeit; in allen Gebieten des Gehirns, in welchen die beschriebene Affektion in Erscheinung tritt, bieten die Gef~Be, welche eine, fiber das in den anderen Gehirnpartien beobachtete und der Er- krankung an progressiver Paralyse zugehSrige MaB welt hinausgehende Infiltration aufweisen, ausnahmslos das typische Bild der hyalinen

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~,byaline" Degeneration nnd tiber ,,Koagulationsnekrose L' im Gehirn. 351

Degeneration in sehr lebhafter Auspr~gung (Abb. 2, 3, 6, 7, 8, 9, 10); einige Einzelheiten sollen noch sparer besprochen werden.

Gleichzeitig scheinen die Gefal~e an Zahl bedeutend zugenommen zu haben; das gilt besonders ffir die Gebiete des Status spongiosus, welche die fleckigen Einlagerungen umgeben (Abb. 2, 4 und 6). Ob es sich um eine wahre oder nur scheinbare Ge]~ifivermehrung handelt, darauf soll hier nicht n~her eingegangen werden. Abb. 10 zeigt in der oberen H~lfte die charakteristisch ver~nderte Rinde (bei Toluidinblauf~rbung) in einem mittelweit fortgesehrittenem Grade mit zahlreiehen infiltrierten und hyalinver~nderten Gef~l~en ; an der Grenze gegen das Mark ist stellen- weise ein Wall von stark ~in/iltrierten Ge[iifien aufgerichtet (Abb. 10, a).

Die hyaline Degeneration erstreckt sieh im Bereiche der Affektion

Abb. 8. Abb. 9.

der Rindensubstanz auch noeh auf die Gef~Be der sonst vonde r Ver- ~nderung freien Marksubstanz der Windungen. Uberall dort, wo die Gehirnsubstanz in der charakteristischen Weise ver~ndert erscheint, zeigen aber auch die Meningen, sowohl in ihrem Eigengewebe, als auch in den Wanden der Gef~[~e eine weit entwickelte hyaline Degeneration: eine Aufquellung der Bindegewebsbfindel zu breiten gl~nzenden, oft wie gallertigen B~ndern.

Diese Darstellung, welche der allgemeinen Ubersicht fiber die im makroskopischen Befunde unter 1. beschriebene Ver~nderung dienen sollte, muir nun durch manche Details erg~nzt werden. Vor allem bedfirfen die Partien, in welchen die dunkeltingierte Substanz in Form von unregelma~igen Flecken auftritt, einer eingehenderen Beschreibung.

Die in das loekere, schwammige Gewebe eingebetteten dunkeln Flecken (Abb. 2, 3, 4, 6) grenzen sich gegen die Umgebung nicht mehr in wellenfSrmigen Linien ab, wie es bezfiglich der zusammenh~ngenden

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Verdichtungen des Gewebes beschrieben wurde; ihre Grenzen erscheinen vielmehr ganz unregelnwiflig, zackig, wie angenagt, ausgefranst. Das Gebiet der spongi6sen Substanz schiebt sich an vielen Stellen in die k6rnigen Massen vor, unregelm~l~ige Mulden und Einsehnitte bildend; as ragen aus dem dunkeltingierten Feld Fortsi~tze, Halbinseln, in die spongi6se Substanz hinein. Oft schrumpft die K6rnermasse zu einem schmalen, in den obersten Rindenschichten befindlichen und gegen die tiefere Rinde unregelmi~13ig begrenzten Band zusammen; an anderen Stellen wieder bieten die obersten Rindenschichten den spongiSsen Schwund, w~hrend tiefere Schichten der Rinde noch yon der k6rnigen Substanz eingenommen sind.

Die K6rnermassen werden dann auch in ihrer Kontinuit~t durch-

Abb. 10.

brochen, es erscheinen mitten in dem dunkeln Feld kleinere und grSl~ere Liehtungen (Abb. 2, 3, 4), weiterhin freie Wege und Stra~en (Abb. 4) ; zuletzt bleiben evtl. nur kleine, fiber ein grSl~eres Gebiet verstreute kleine Inseln der Substanz iibrig. Haufig liit~t sich die Zerkli~/tung der K6rner- massen und der schlieflliche Zer/all zu loekeren Gruppen yon distinkten, stark lichtbrechenden, kleinen KSrnern verfolgen (Abb. 4, a, 9).

Dort, wo der beginnende Schwund der kSrnigen Massen durch das Auftreten von einzelnen, in die KSrnermasse vorgesehobenen Buchten gekennzeichnet ist, erscheinen in diesen grol~e Massen yon homogenen, glasigen Gebilden von verschiedener GrSl~e und Form (Abb. 11); sie sind hi~ufig kugelrund, tropfenfSrmig, in der GrSl~e zwischen roten BlutkSrperchen und riesigen Makrocyten sehwankend. Man findet aber au~erdem Gebilde gleicher Tinktion und Lichtbrechung in den ver- schiedensten Gestalten, man sieht, da~ die Konturen der glasigen

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,hyaline ~ Degeneration und tiber ,,Koagutationsnekrose" im Gehirn. 353

Kugeln durch vakuolenartige Einkerbungen unregelmi~Big werden, es entstehen wie mit dem Locheisen ausgeschlagene Einbuehtungen, so dal] zuletzt unregelmi~Bige Klumpen und zackige Triimmer der glasigen Substanz iibrigbleiben. Einzelne derartige ,,hyaline" Kugeln sind auch in den Gebieten der diffusen Einlagerungen, wo noch kein Zerfallsproze8 zu erkennen ist, zu linden.

In dem spongiSsen Gewebe der Buchten beobaehtet man neben den beschriebenen Kugeln, Klumpen und Triimmern zahlreiehe, teils gut erhaltene, teils in verschiedenen Stadien der Degeneration befindliehe Plasmazellen und Zellen mit den morphologischen Eigenschaften von Makrocyten, die auch von Plasmazellen herzukommen scheinen. Plasma-

Abb. 11.

zellen mit ,,kolloider" Degeneration kommen im Gehirn, wie auch in den Meningen nur vereinzelt vor.

Die Scharlach]drbung ergibt in dem eben besehriebenen Gebiete die Anwesenheit einer reichlichen Menge yon lipoiden Abbauprodukten; Gliazellen und mesodermale Gebilde, Plasmazellen und die makro- cyteni~hnlichen Zellelemente, sind dicht besetzt mit kleinen Fett- tr6pfchen.

Nun bediirfen die bereits flfichtig erw~hnten Ver~tnderungen der Ge fi~Be und insbesondere das Verhalten der Glia noch einer eingehenderen Bespreehung.

Schon dort, wo der Proze$ durch die Verdichtung des Reticulums eben nur angedeutet ist, erscheint die hyaline Degeneration der Ge]difle ; sie ist in den Gegenden der dichten Anh~iufungen der K6rner vorhanden und findet sich innerhalb des Gewebes yon spongi6sem Charakter; hier

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in besonders hochgradiger Ausbildung und infolge der Unmenge der hier befindliehen Gefi~i~e in sehr auffi~lliger Weise hervortretend, und zwar aueh in weiter Entfernung yon den Einlagerungen.

Die Wi~nde der Capillaren sind stark verdickt, sie besitzen eine homo- gene glasige Struktur (Abb. 2, 3, 4, 6, 7), an Toluidinpritparaten tritt am auffi~lligsten das starke LichtbrechungsvermSgen der Capillarwi~nde hervor. Das Lumen ist weit often, die Gefi~f~wandzellen nehmen die Fi~rbung gut auf. Doeh gibt es auehCapillaren, die sieh als solide, hyaline, kernlose Strdinge pri~sentieren (Abb. 3 und 6, a); diese tragen dann hi~ufig nach auf3en vorspringende, buckelf6rmige VorwSlbungen yon der gleichen homogenen glasigen Beschaffenheit, wie sie die Capillarwande selbst bieten (Abb. 3,a). Es erweekt den Eindruck, als ob an diesen Stellen die Endothelzellen, welche die Wand vorgew61bt haben, in der hyalinen Masse untergegangen wi~ren. Verfolgt man verschiedene Grade der Veri~nderung, so sieht man, da$ das Endothel am li~ngsten intakt bleibt. An den gr6fleren Ge/a:flen bemerkt man, dal~ das adventitielle Bindegewebe eine sehr bedeutende Vermehrung erfahren hat und die Faserbiindel zu dicken, homogenen, glasigen, stark lichtbrechenden Str~ngen angeschwollen sind, welche sich in zahlreichen Lagen konzen- trisch um die Intima lagern. Oft hat es den Anschein, dal~ die Binde- gewebsbalken in versehiedenen Richtungen verlaufen. An manchen Querschnitten, besonders aber an Schr~gschnitten der Gefi~[~e pr~sentiert sieh ein Bild von wurm]6rmig verschlungenen, dichten Faserkonvoluten infolge des verschieden gerichteten Verlaufes der dicken succulenten Strange (Abb. 7, 8). Seltener beobachtet man Gefi~13e, in welehen die gequollenen Bindegewebsbalken der W~tnde zusammengeflossen er- scheinen, so dal~ die Gefaf~wand eine homogene, stark lichtbreehende gequollene Masse bildet, die in vakuolenartigen R~umen einzelne Infil- trationselemente enthKlt (Abb. 9). In solchen Gef~$en kann man mit- unter Ans~tze zu Verkalkungsvorgdingen beobachten.

Sowohl in der Gehirnsubstanz, als auch in den Meningen sind hi~ufig Blutaustritte zu konstatieren (in Abb. 2, b ist eine fli~chenhaft ausgebrei- tete Blutung in der zonalen Schichte vorhanden). Die hochgradige Ver- ~nderung der Gef~l~w~nde macht die Neigung zu Blutungen ohne weiteres verst~ndlich. In den Meningen findet man auBerdem gelegentlieh thrombosierte Venen. Die Klteren Koagula, in welchen gar keine Blut- elemente mehr erkennbar sind, besitzen an manchen Orten das morpho- logische und fiirberische Verhalten der kSrnigen Massen, welche in die Hirnsubstanz eingelagert sind; anscheinend den gleichen pathologischen Produkten, in kleineren Hi~ufchen, begegnet man zuweilen zwischen den meningealen Bindegewebssepten dort, wo Blutaustritte stattgefunden haben. Ob tatsiichlich eine Identiti~t mit den Einlagerungen in die Gehirnsubstanz besteht -- in den Blutgefi~Ben und Blutungen innerhalb

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des Gehirns wurde niemals etwas J~hnliches beobachtet -- konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden.

Besonders viel Interessantes bietet die Gila, sowohl in ihren Erschei- nungsweisen an sich, wie auch insbesondere in ihren Beziehungen zu den Gefiti3en.

Schon in den Stadien der k6rnigen Umwandlung des Grundgewebes, wo noch die nerv6sen Elemente zum Tell erhalten sind, blicken unter den K6rnermassen die schon frfiher erw~hnten, grofien Gliazellen hervor; die Abb. 11 (Toluidinf~rbung) l~il~t trotz der schwachen Vergr6•erung die zahlreichen Gliazellen in der auf dem Bilde homogen erscheinenden Einlagerung erkennen (b). Auf dem Bilde sieht man aui3erdem eine gro~e Zahl yon gewucherten Gliazellen (Kerne mit einem breiten, zarten

Abb. 12.

Protoplasmaschatten) in dem an die Einlagerung anschlie~enden Teile der Marksubstanz (im Bilde unten). Wie die Gliafaserfiirbungen ergeben, handelt es sich um riesenha/te Spinnenzellen. Exzessive Grade nimmt die Produktion von Gliazellen dort an, wo die K6rnermassen dem spon- gi6sen Gewebe Platz machen (Abb. 3, 7, 12, 13). Monstrezellen sind in Massen in den Lichtungen und mulden/Srmigen Unterbrechungen der ]remdartigen Substanz, sowie auch im weiteren Bereiche des Status spongiosus zu sehen. Das histologische Bild erhi~lt sein Geprage durch die oft dicht aneinander stehenden Gliazelleiber, die o]t zu zwei oder mehreren zusammengedr~ingt, nur durch einen ganz schmalen Spalt von- einander getrennt und an der bogenf6rmigen oder verschieden gekriimm- ten Trennungslinie einander so angepa~t sind, als ob eben erst die Tei- lung stattgefunden h~tte (Abb. 12,a). In der Abb. 12 bei b ist auch eine

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Gliazelle dargestellt, in deren Protoplasmaleib kleine gli6se Zellelemente einzudringen scheinen, ein Befund, der hier h~ufig zu erheben ist und der ,,Gliophagie" [ Ranke, Schilder, Spielmeyerl)] entsprieht.

Die Kerne der Zellen zeigen grol3e Versehiedenheiten in bezug auf Gr613e, Gestalt und Chromatinreiehtum. An GrSl3e fibertreffen sie dureh- wegs die normalen Gliazellkerne, es kommen aber besonders gro[3e, man kann sagen gigantisehe Formen vor; sie sind bald von kreisrunder Gestalt, bald sind sie oval, bald ei-, nieren., kipfel-, wurstf5rmig usw. Sehr hi~ufig enthalten die Zellen zwei und mehr solcher Kerne; nicht selten finder sich eine dichte Anh~ufung von Kernen in einer Zelle, so dab riesenzellenartige Gebilde entstehen.

Abb. 13.

Haufig sind Beziehungen der protoplasmatischen Glia zu Ge/g[3en in der Art zu beobachten, dai~ das Protoplasma die Gefal3e umflie~t (Abb. 12, 13). Es kommt nicht nur vor, da~ Gliazellen sieh an Teile der Peripherie eines Gef~I3es anschmiegen, dal3 das Gef~{~ in einer runden, der Begren- zung des Gefi~l~es angepa~ten Bucht einer Gliazelle ruht (Abb. 13, a), oder daI~ ein langgezogener, breiter, gegen sein Ende sich verjfingender Protoplasmafortsatz pseudopodenartig ein Gefi~]3 umfai3t (Abb. 13~ b), sondern man findet auch Capillaren vollst~ndig von Gliaprotoplasma- masse umflossen (Abb. 14); die Capillare erscheint in eine Gliazelle versenkt. Sind solche Gliazellen mit vielen Kernen versehen, wie friiher beschrieben, so entstehen Bilder von an Ge/gfle angeschlossenen Riesen. zellen (Abb. 15, a).

1) Splelmeyer, Histopathologie des Nervensystems. Berlin, Julius Springer 1922.

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,hyaline" Degeneration und.tlber ,Koagulationsnekrose" im Gehirn. 357

Die sonstigen Beziehungen der Glia zur Umgebung gestalten sich verschieden, und zwar scheint dabei das Alter des spongiSsen Gewebes, in welches die Zellen eingelagert sind, eine Rolle zu spielen. In Gebieten, wo sich die spongi(ise Substanz fiber ein grOi~eres Areal verbreitet, sind die Gliazellen in das schwammige Netz eingeschaltet, die Forts~tze der Zellen gehen in dem Gerfiste der netzfSrmigen Trabekeln auf. An Stellen aber, die sich unmittelbar an das Gebiet der KSrnermassen anschliei~en und insbesondere in den in die KSrner getriebenen Buchten sind die Gliazellen isoliert, erscheinen selbst~ndig. Viele yon ihnen zeigen den Charakter von Spinnenzellen; andere sind aber abgerundet, bieten kreisrunde, ovale, eifSrmige oder ganz unregelm~Bige Formen dar, Forts~tze sind nicht sichtbar. In solehen Elementen erscheinen

Abb. 14. Abb. 15,

dann nicht selten scharf konturierte Buchten, wie yon geplatzten Vakuolen herrfihrend; wenn mehrere solcher Buchten sich in den ZeUkSrper eingenistet haben, so resultieren zackige Bruchstficke in Gestalten, wie sie in einer Masse nach dem Ausstanzen von kreis- fSrmigen Seheiben zurfickbleiben. Diese Gebilde entbehren sowie auch die frfiher beschriebenen abgerundeten Protoplasmaleiber hi~ufig des Kernes; sie s t immen in Farbe -- bei van Gieson braunrot bis gelb, bei H~matoxylin-Eosinfi~rbung leuchtend rot, bei Toluidin- blau grfinlichblau, bei der Spielmeyerschen Markscheidenfi~rbung schwarz - - und hinsichtlich des starken LichtbrechungsvermSgens mit den Gebilden iiberein, welche, wie frfiher gesehildert, sich in groi3er Zahl in den Buchten zwischen der fremdartigen Substanz vorfinden.

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358 E. Str~tussler und G. Koskinas: (Jber ,,kolloide ~',

Es soll hier nun auch das ]iirberische Verhalten der Einlagerungen in die Hirn- substanz gegeniiber den versehiedenen F~rbemethoden nachgetragen werden. In Pr~paraten, die mit Toluidinblau behandelt wurden, erscheinen sie am st~rksten lichtbrechend, haben einen griinlichen Farbton; die Farbnuance wird dunkler, ges~ttigter, parallel mit der Zunahme der F~rbbarkeit mit S~urefuchsin bei der van-Gieson-F~rbung; auch das LichtbrechungsvermSgen der KSrner nimmt zu und ist am st~rksten dort, wo der Zerfall der KSrnermassen in Erscheinung tritt. Ahnlich verh~lt es sich mit der Eosinf~rbung, welche aber auch schon die Anfangs- stadien in relativ starkem MaBe hervortreten I~Bt. Eine besonders starke Avidit~t zeigen die KSrner fiir Methylviolett bei der Weigertschen Gliaf~rbung und bei der Fibrinfarbung. Die Silberimpr~tgnation schwarzt die Einlagerungen, unter Zunahme der Intensitat der Sehw~rzung parallel mit der Verdichtung der KSrner- massen; ~hnlich ist das Verhalten bei Markscheiderr[arbungen. Nach der be- sehriebenen Zerkliiftung der Einlagerungen nimmt die F~rbbarkeit mit allen Farbstoffen wieder ab (Abb. 4, a). Das f~rberische Verhalten des hyalin ver- ~nderten Bindegewebes ist ein ~hnliches hinsichtlich der starken Affinit~t zu den letztgenannten Farbstoffen; die Farbnuancen des Bindegewebes sind aber unter der Einwirkung mancher Farbstoffe etwas andere, insbesondere bei Toluidinblau- und van-Gieson-F~rbung.

Nach der Durchsuchung einer sehr grol~en Zahl yon Pr~paraten ergab sich, dal~ die leichten Grade der Affektion, die sich nur in einer Verdiehtung des Reticulums ausdriicken, nicht nur in der friiher beschrie- benen fl~chenhaften Ausdehnung, sondern auch in begrenzten, auf kleine Gebiete der Rinde sich beschr~nkenden Plaques vorkommen. Diese wurden gerade in einem nach Bielschowsky behandelten Pr~parate angetroffen. Die Ver~nderung drtickte sich auch bier vor allem in einer dunkleren F~rbung aus. Man kann nun beobachten, daft die Fibrillen iiber die verdichteten und zum Teil auch schon grobkSrnig modi/izierten Partien der Gehirnsubstanz anscheinend unver~indert und in der gleiehen Menge wie in der Umgebung hinwegziehen. Eine deutliche Veriinderung zeigen aber die Ganglienzellen. W~hrend aul~erhalb der affizierten Stellen die Zellfibrillen in sch6n distinkten Ziigen dargestellt sind, findet man hier entweder eine konfluierende schwarze Masse im Protoplasma oder eine Fragmentierung der Fibrillen zu K6rnern und Schollen. Solehe Zellen haben auch schon ihre normalen Konturen infolge Zer- falls des Zellprotoplasmas von der Peripherie her verloren; es sind offenbar die Zellveranderungen, die friiher auf Grund der Toluidin- blaufarbung beschrieben wurden und den Charakter der Spielmeyer- schen isch(imischen Zellveriinderung aufweisen. Auch hier sieht man schon viele, grol~e Gliazellen in die Flecken der ver~nderten Hirn- substanz eingestreut.

Die Markscheiden[~irbungen ergeben, dal~ die Mark/asern in den yon den Einlagerungen betroffenen Gebieten erst allm~ihlich zugrunde gehen; einzelne Fasern sind noch bei ziemlich weit fortgeschrittenen Graden der Mfektion erhalten und verschwinden vollst~ndig erst in Stadien, in welchen die Einlagerungen sehr dicht geworden sind.

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,,hyaline" Degeneration und tiber ,,Koagulationsnekrose" im Gehirn. 359

Am Schlusse dieser Beschreibung ist noch auf ein interessantes Ver- halten in der Ausbreitung und Verteilung des Status spongiosus hinzu- weisen: in manchen Gegenden setzt sich der ,,spongidse Rindenschwund" fiber das Gebiet der Einlagerungen in die Umgebung fort und zeigt eine ausgesprochen schichtweise Lokalisation, beschr~nkt sieh auI die 3. und 5. Rindenschicht. Hier sind die nervSsen Elemente zum gr6Bten Teile geschwunden, und ein schwammiges, mit Glia durchsetztes Gewebe hat yon diesen Schichten Besitz ergriffen (Abb. 16).

Wie schon aus dem makroskopischen Befunde hervorgeht, sind aber die pathologischen Veri~nderun- gen mit der bisher gegebenen Schilderung nicht ersch6pft; es sind dort noch Herde, die sich in verschiedenen Gebieten der grauen Substanz befinden, er- w~hnt. In der Abb. l, f treten sie an mehreren Stellen ge- nfigend deutlich hervor.

Bei der mikroskopischen Untersuchung ergibt sich nun, dab neben den schon makro- skopisch siehtbaren, wie wir sehon jetzt sagen wollen, als abscefli~hnliche Zer/allsherde sich erweisenden ,,Cystehen" in grol3er Zahl gleichartige, mikro- skopisch kleine Herdchen in verschiedenen Gebieten der grauen Substanz, in allen Regionen, in welchen die frfiher beschriebene Affektion zur Ent-

Abb. 16. wicklung kam, vorkommen.

In vielen F~llen handelt es sich um eine schar/ begrenzte, die Hirn- substanz ersetzende, dichte Ansammlung von Lymphocyten, Plasmazellen und Leukocyten; viele dieser Elemente befinden sieh in verschiedenen Stadien des Zerfalles. Hiiufig haben in diese Herde Blutungen statt- gefunden.

In der Beschreibung der Mfektion, mit welcher wir uns im ersten Teile der Arbeit beseh~ftigt haben, wurde darauf hingewiesen, dal~ mit ihr eine Steigerung der In/iltration, sowohl innerhalb der affizierten Partien als auch an der Grenze zum normalen Gewebe, einhergeht. Diese Infiltrationen iiberschreiten nicht selten die Grenzen der Adventitialrdiume der Gefi~Be, gelangen in das umgebende Gewebe und bilden hier herd-

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360 E. Str~tussler und G. Koskinas: Uber ,,kolloide",

fSrmige Ansammlungen, ohne daft aber die Gehirnsubstanz selbst eine ZerstSrung erleidet. Es hat den Anschein, als ob solche Infiltrationen das Vorstadium der absceiti~hnlichen Herde bilden wiirden.

Was die Lokalisation der Herde mit Beziehung auf die andere Affektion betrifft, so steht ihr Erscheinen jedenfalls nicht in einer direkten Abhi~ngigkeit yon der Schwere des Prozesses. Man findet die Herde wohl in Gebieten starker Auspriigung des Prozesses und in der Naehbarsehaft yon sehwer affizierten Rindenpartien; anderer- seits kommen sie abet auch in Gegenden mit sehr geringen Ver- i~nderungen vor.

In der Peripherie der tIerde, in welehen das Hirngewebe zugrunde gegangen ist, in den erwi~hnten Anfangsstadien aueh innerhalb der Herde, trifft man hi~ufig auf, bei Hi~matoxylinfarbung tier dunkel-

blau gefi~rbte, feinkSrnige, un- regelmi~ftig begrenzte Massen, die als Kalkablagerungen impo- nieren.

In manchen Gegenden sind aueh in den Meningen kleinere und grSl~ere Leukocytenherde zwisehen den Gewebsziigen zu beobachten; aufterdem linden sich an einer Anzahl yon Venen Leukocytenansammlungen

Abb. 17. in einem zwischen der Intima und den /~ufteren, hyalin ver-

~nderten Schichten der Gef~l~wand entstandenen Raum, so dal~ Bilder entstehen, welche eine gewisse J~hnlichkeit mit der Periphlebitis nodosa besitzen (Abb. 17).

Die Versuche, Spirochi~ten darzustellen, waren fiberall ergebnislos.

Neben der diffusen, fiber das ganze Gehirn verbreiteten, typischen paralytischen Erkrankung finden sich region~ir Veranderungen, welche dem paralytischen Prozesse nicht zugehSren ; sie kommen in einer aul~er- ordentlichen Vielgestaltigkeit der histologischen Bilder zum Ausdruck, lassen sich aber auf zwei Haupt/ormen zuriickffihren. Mit der Frage, ob zwischen ihnen irgendwelche n/ihere Beziehungen bestehen, wollen wir uns sparer befassen und zun~chst nur jedem einzelnen der beiden pathologischen Prozesse an sich unsere Aufmerksamkeit zuwenden.

Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, dab die eine Gruppe von VerKnderungen mit dem pathologischen Prozesse zu iden~ifizieren ist, der in der Literatur unter den Namen ,,kolloide", ,,amyloid~hnliche",

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,,hyaline" Degeneration und llber ,Koagulationsnekrose" im Gehirn. 361

, ,hya l ine" Degenera t ion des Gehirns b e k a n n t is t [AlzheimerZ), Sioli~), Schr6der3), Di~rck4), L6wenbergS)*)].

I n den versch iedenar t igen Bezeichnungen ein und derse lben Affek-

t ion d r i i ck t sich die her rschende Uns icherhe i t h ins icht l lch des wahren Wesens des Prozesses aus. Die Ungekl / i r the i t des Gegens tandes in der Hi s topa tho log ie des Zen t ra lne rvensys tems spiegel t nur die Verh~l tnisse in der a l lgemeinen Pa tho log ie wieder. W e n n es auch n ich t an Bemiihun- gen zu einer genauen Begr i f f sbes t immung und -scheidung yon , ,kol loid", , ,hya l in" und , , amylo id" gefehl t ha t , so s ind doch die Kenn tn i s se hin- s icht l ich der N a t u r der d a m i t bezeichneten Zusti~nde oder Prozesse

noch rech t unbefr iedigend.

Alzheimer, weleher im Jahre 1898 auf Grund yon zwei selbst beobachteten Fallen von ,,Kolloidentartung des Gehirns" die Affektion einer eingehenden Be- sprechung unterzogen hat, wies in der Einleitung zu seiner Arbeit darauf hin, dab unter dem Namen ,,kolloide Entartung der HirngefaBe" in der Literatur eine Anzahl yon Fallen besehrieben ist, die sich dadurch charakterisieren, dab sich im Hirngewebe, meist in der grauen Substanz, in inself6rmigem Auftreten oder auch in grSBerer Ausbreitung eine Ver~nderung der GefaBe findet, die in einer sehr erhebliehen Verbreiterung der Gefaflwandung und deren Umwandlung in eine glasig homogene Substanz besteht, wahrend sich Schollen der gleichen Substanz in der Umgebung der GefaBe im Gewebe abgelagert linden; offenbar den gleichen pathologischen Prozeft haben andere F/~lle zur Grundlage, fiber welche als ,,hyaline" Gefaftdegeneration berichtet werde. Alzheimer erklarte welter, dal3 ein Vergleich des ,,Hyalins' in den einzelnen, in der Literatur mitgeteilten Fallen, ja in jedem einzelnen der beiden yon ihm selbst untersuehten Falle mit Sicherhei~ dartue, daft wir es nicht mit einer einheitliehen Substanz, sondern mit einem Produkt zu tun haben, das im Gewebe selbst noch wesentliche Veranderungen erf~hrt und so bei verschiedenen Fallen in einem versehiedenen Zustande aufgefunden werden kann.

Die yon Alzheimer gegebene allgemeine Definition der Affektion kann im wesentlichen auch auf die yon den genannten Autoren nach Alzheimer gemachten einschl/~gigen Beobaehtungen Anwendung finden; insbesondere bestehen die Aus- fiihrungen Alzheimers auch hinsiehtlieh des Mangels einer einheitlichen charakte-

1) A. Alzheimer, Die Kolloidentartung des Gehirns. Arch. f. Psyehiatrie u. Nervenkrankh. 30. 1898.

2) Sioli, l~ber amyloidahnliehe Degeneration im Gehirn. Diese Zeitschr. 12. 1912.

2) C. SchrSder, Konkrementbildung und ,,kolloide" Plasmazellen in der paralytisehen Hirnrinde. Diese Zeitschr. g3. 1921. - - Derselbe, l~ber Kolloident- artung im Gehirn. Diese Zeitsehr. 68. 1921.

4) H. Diirck, ~ber die sog. Kolloiddegeneration in der GroBhirnrinde. Diese Zeitsehr. 88. 1924.

5) K. LSwenberg, t~ber hyaline Degeneration der GroBhirnrinde bei progressiver Paralyse. Diese Zeitschr. 93. 1924.

*) A nmerkun 9 bei der Korrektur : Die seither erschienene interessante Arbeit von H. Ku/s: t?ber ausgedehnte Kolloiddegeneration des Gehirns bei einem 74 Jahre alten Paralytiker und andere Falle dieser Hirnentartung. Diese Zeitschr. 95, 1925 konnte nicht mehr beriieksichtigt werden. Auch nach dieser Publikation behalt unser Fall fibrigens seine Bedeutung.

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362 E. Strliussler und G. Koskinas: (Tber ,kolloide '~,

ristischen Reaktion des ,,Kolloids" und ,,Hyalins" noeh heute zu Recht. Ein ~berbliek fiber die Besehreibungen des makroskopisehen Bildes und der mikro- skopischen Einzelheiten der Ver/~nderungen sowie fiber die den Arbeiten bei- gegebenen Abbildungen zeigen, dab schon die groben morphologischen Eigenscha#en der Ablagerungen in das Hirngewebe recht mannig]altige sind. Gemeinsam ist allen F~llen nur die Ablagerung einer fremden Substanz in das Hirngewebe an sich und die hyaline Umwandlung der GefgBwgnde.

Das Interesse aller Autoren wendete sich in erster Linie der Frage nach der Herlcun# der #emdartigen Substanz zu.

Alzheimer land in seinem ersten Falle nicht nut r~umliche Beziehungen zwischen den kolloiden Maesen und den Ge[dfle~ insofern, als jedes einzelne Gef~B den Mittel- punkb fiir eine Schollenanh~ufung in dem umliegenden Gewebe bildete, sondern auch genetische; er glaubte zu beobachten, dab zuerst in der Capillarwand im Proto- plasmaleibe der Endothelzellen kolloide Einlagerungen auftreten, dab aueh an den kleineren Arterien die Ablagerung hi~ufig zuerst in den GefiiBhi~uten, bei den gr6Beren Arterien eine gleichm/~Bige Durchtrgnkung der ganzen Gefi~Bwand statt- finde, an den Venen die Kolloidsubstanz in den um das Gef~B angesammelten zelligen Elementen auftrete, die Form von Tropfen annehmend. Durch Zusammen- flieBen der einzelnen Tropfen entstehe eine ringf6rmige Kolloidmasse um das Ge- fgB, dessen Gewebsbestandteile dann auch allmi~hlich in der Kolloidsubstanz aufgehen. Alzheimer findet auch, dab in Zellen lymphoider Natur, die in Zwischen- r~umen zwischen der Gef~Bwand und den Schollen angesammelt sind, Kolloid entstehe, meint aber doch zuletzt, dab ein grofler Teil der Kolloidsubstanz ganz bestimmt im Gewebe ohne Mithilfe yon Zellen abgelagert wird. Bei der in den Markmassen der inneren Kapsel beobachteten kolloiden Entartung vermiflte Alzheimer kolloid entartete Gef/iBe nahezu v611ig, und die Zellen enthielten nirgends Kolloidsubstanz; trotzdem erkli~rt er aber kurz darauf, dab immer die Ver/~nderung an den Gef/~Ben als das Prim/~re des Prozesses erscheine, man nie einer Schollenablagerung ohne kolloid degenerierte Gef~Be in der niichsten Nach- barsehaft begegne. Im 2. Falle Alzheimers waren grSBere Rindenbezirke ganz dicht von ganz feinen kolloiden Schollen durehsi~t, so dab ein Zusammenhang der Ko!loid- degeneration des Gewebes mit den Gef~Ben weniger deutlich hervortrat. Alz- heimer erkl/~rt zuletzt, er sehlieBe sich der Meinung jener Autoren an. welehe die Kolloidsubstanz nur zum kleineren Teile in Zellen en~stehen lassen und annehmen, dab die iiberwiegende Menge derselben aus den Gewebssd/ten niedergeschlagen wird.

Auf die rgiumlichen Beziehungen der Einlagerungen zu den Ge]~iflen wurde auch von allen den Autoren, welche sich weiterhin mit dem Gegenstande befaBt haben, hingewicsen. Was die Genese der Substanz betrifft, so schien im Falle Siolis nach dessen Ausfiihrungen die Ablagerung in den Gefi~Bwi~nden und ihrer Umgebung in der Weise zu geschehen, dab das Grundgewebe einschmolz und zum Aufbau der ,,amyloidghnlichen" Subst~nz verwendet wurde; Sioli rechnet mit der M6glieh- keit, dab der endgtiltigen Bildung der Substanz erst eine Exsudation aus den Ge- faBen im Sinne eines Exsudationshyalins vorausgehe. Schr6der fand den flag- lichen Stoff bei Zusammenfassung der Befunde von zwei einschl/~gigen Fallen: 1. Umsehrieben in Gestalt von feinen B/~lkchen im ektodermalen Gewebe um und zwischen Ganglienzellen und Gliaelementen, zum Teil mindestens auch im Innern des Gliassyncytiums. 2. In breitem Strom innerhalb der Lymphscheiden um die Capillaren und gr6beren GefgBe herum, dabei vielfaeh zu etwas grSl3eren Massen abgerundet, welche dann als Konkremente imponieren und 3. innerhalb des Proto- plasmaleibes yon zahlreichen Plasmazellen in Form kleiner B16ckchen, welche durch protoplasmatische Scheidew~nde des Zelleibs getrennt sind (kolloide Plasma- zellen von Perusini); Schrgider ist auf Grund seiner Befunde der Ansicht, dab ,,der

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.hyaline" Degeneration und fiber ~Koagulationsnekrose Lr im Gehirn. 363

Stoff" ein pathologisches oder jedenfalls in solchen Mengen pathologisches Sto//- wechsel- oder Abbauprodukt des Gewebes darstellt, welches weiterhin in die Lymph- scheiden gelangt und mitunter auch in die Plasmazellen aufgenommen wird; die ,,kolloiden Plasmazellen" waren nur in dem einen der zwei beobachteten FMle vorhanden. Schr6der hdlt es /i~r nicht wahrscheinlich, daft die StrSmungsrichtung der kolloiden Substanz aus dem Ge/~flinnern in die Lymphscheiden um die Ge/dfle und dari~ber hinaus ins ektodermale Gewebe er]olge. Den Gef~13en sehreibt Schr6der nur eine passive Rolle beidem Prozesse zu; die kolloiden Massen ftillen die Lymphscheiden aus und begleiten infolgedessen die Gefiiflrohre, aber sic ersetzen nicht die Gef~B- rohrwand, sic sind nicht ein Degenerationsprodukt dieser Wand, und auch eine sekun- d~re Entartung des Gef~Brohres ist nicht die Regel. Die geschilderten Verh~ltnisse h~tten den meisten ~lteren Autoren eine kolloide Gef~I3entartung nur vorget~uscht.

Die von Di~rck gegebene Schilderung der ,,sog. Kolloiddegeneration" lautet wieder dahin, daft die eigentiimliche Substanz weitaus in der Hauptmasse ihres Au/- tretens o//ensichtlich an den Ge/Sflverlau/ gebunden sei, wo sic sieh in Form yon Wiilsten und Schollen an das Endothelrohr anlege; eine zweite Form werde dar- gestellt durch tropfenartige Einlagerungen in einzelnen Zellen, welche nur in den Randpartien der von der Ablagerung ergriffenen Rindenteile in grSBerer Anzahl vorhanden und als Plasmazellen anzusehen sind, in denen die Substanz gebildet wurde und nicht etwa phagocyt~r durch Aufnahme aus der Umgebung erscheint. Solche Zellen konnte Di~rclc auch unter den Infiltratzellen der Meningen - - es handelte sich um eine Paralyse - - vorfinden und bemerkt, dal3 das die einzige Art des Vorkommens der fraglichen Substanz in den Meningen iiberhaupt sei. Da, wo die Ablagerungen in den ergriffenen Rindentcilen einen grSBeren Umfang angenommen haben, flieBen nach Di~rcks Schilderung die den Gef~Ben angelagerten Leisten, Balken und Wtilste zu einem knorrigen Netzwerk zusammen, verdr~ngen schliel31ich das nervSse Gewebe auf weite Strecken vollkommen; dieses verh~lt sich aber ganz passiv, weist keinerlei besondere Reaktionserseheinungen auf. ,,Der ganze Vorgang ist iiberhaupt, wie es scheint, eine Angelegenheit ausschlieB- lich des mesodermalen Anteiles der Hirnsubstanz, w~ihrend die ektodermale nervSse Substanz sich in keiner Weise aktiv beteiligt, weder yon der Impregnation selbst betroffen wird noch auch sonstige umfangreichere sekund~re Degeneration zeigt." Di~rck spricht die Ansicht aus, dab die in Schollen, Bi~ndern und dem erwahnten eigenartigen Knorrenwerk abgelagerten Teile der Substanz - - also weitaus ihre Hauptmasse - - in rdumlichen und vermutlich auch in genetischen Beziehungen zum Ge/dflapparat stehen.

In einem gewissen Gegensatz zu der eben reproduzierten Sehilderung des Prozesses durch Di~rclc stehen dessen weitere Ausfiihrungen tiber die Beobachtung einer zarten, fi~digen oder in feinen Bandern strukturierten Masse, welche zwischen den kompakten hyalinen Sehollen in der nervSsen Grundsubstanz gelegen ist, sich weiterhin zu den homogenen Schollen verdichtet und fortlaufend zu deren VergrSBerung beitri~gt, aus welcher der Autor Schltisse auf die Entstehungs- geschichte der Substanz zieht: dal3 als Ursprungsort der die homogenen Massen bildenden Substanz das elctodermale Hirngewebe aui3erhalb der Gef~13e in Betracht komme. Die fiidigen Massen sind, den weiteren Ausftihrungen Di~rcks zufolge, ein Gerinnungs- oder Niederschlagsprodu~t aus einem urspriinglich in der Gewebs/li~ssig. keit gel6sten und dann in der Form yon fadigen Gerinnungen zur Abscheidung kommenden Sto//. Die fragliche Substanz entstehe durch das Auftreffen einer fermentativ wirkenden Substanz auf einen in dcr Gewebsfltissigkeit gelSst vor- handenen Stoff.

L6wenberg endlich, der sich in einer jtingst erschienenen Arbeit mit der ,,hyalinen Degeneration" der Gro~hirnrinde besch~ftigt, ist geneigt, die Ge/~fl-

7. f. d. g. Neut. u. Psych. C. 24

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verdnderung als das PrimSre, die Umwandlung des Parenchyms als das Sekundi~re anzusehen. Nach den Schilderungen, welche LSwenberg von seinen Befunden gibt und nach den seiner Arbeit beigegebenen Abbildungen steht unser Fall seiner 1. Beobachtung am n~hsten; vonder Gleichartigkeit vieler Einzelheiten konnten wir uns auf Grund einiger uns yon LSwenberg freundlichst zur Verfiigung ge- stellter Pr~parate direkt iiberzeugen.

Die JkuBerungen der Autoren zu dem Thema muBten ausfiihrlich wiedergegeben werden, um die herrschende Unsicherheit bezi~glich der Entstehung und des Wesens der /raglichen A]/e]ction in augenfalliger Weise erkennbar zu machen. Die Identitdt des yon uns beobachteten Prozesses mit den yon den genannten Autoren beschriebenen Verdnderungen ergibt sich, trotz mancher Verschiedenheiten im einzelnen, ohne weiteres schon aus dem Vergleiche unserer Abbildungen mit den von den anderen Autoren gebrachten Bildern. Was uns veranlaBt, unsere Beobachtung mitzuteilen, sind - - neben verschiedenen interessanten Einzelbefunden - - vor allem die in unserem Falle sich darbietenden, besonders giinstigen VerhdItnisse zur Ver]olgung der Entstehung und des Verlau/es der A//ektion.

Aus zahlreichen Bildern in unseren Pr~paraten geht hervor, daft die mildeste Erscheinungsweise des Prozesse8 in einer Verdichtung der /ein retikuldren Grundsubstanz des Hirngewebes zum Ausdruck ]commt. Die Verdickung der feinen Gewebstrabekeln und die Verengerung der Maschenrhume nimmt im weiteren Verlaufe des Prozesses zu, und es zeigt sich, dab sie durch eine di]/use Einlagerung einer k6rnig-scholligen, bei manchen F~irbungen, insbesondere mit Toluidinblau und Eosin, stark lichtbrechend erscheinenden Substanz bedingt ist. In den an Dichte und gleichzeitig an F~rbbarkeit mittels der verschiedensten Farbstoffe zu- nehmenden k6rnig-scholligen Massen wird das nerv6se Gewebe begraben, geht zum gr6Bten Teile zugrunde. Gleichzeitig erscheinen, in die K6rner- massen eingebettet, grol~e, mit homogenem Protoplasma versehene, gli6se Zellelemente.

Alle Blutge/dfle bieten im Bereiche der Affektion das Bild der hyalinen Degeneration ihrer W~nde. Mit der Zunahme der Einlagerungen ins Hirn- gewebe n immt die Intensiti~t der Gefi~[~ver~nderungen zu; am starksten sind sie aber in dem an die Stelle der Einlagerungen tretenden spongi6sen Gewebe.

In den Gebieten, in welchen die Ver~nderungen der Gehirnsubstanz sich auf die Verdichtung des Grundgewebes beschr~nken und auch noch dort, wo die netzf6rmige Struktur des Gewebes ganz verloren gegangen und die kSrnigen Einlagerungen deutlich erkennbar geworden sind, ist die A//e]ction meist i~ber grS]3ere Streclcen ganz gleich/6rmig und gleichgradig di//us verteilt, ohne eine Abhdngig]ceit oder Beziehung zu den Ge/dflen zu zeigen. Erst im weiteren Verlaufe des Prozesses treten Bilder hervor, welche die Aufmerksamkeit auf die Gef~Be lenken: um diese werden n~mlich die K6rnermassen dichter, und es entstehen auf diese

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,hyaline" Degeneration und fiber ,Koagulationsnekrose" im Gehirn. 365

Weise verschieden breite, dunkler gefarbte Ringe um die Gefai~e -- auf der Abb. 1 driickt sich ~tiese Erscheinung in dem fleckigen Aussehen mancher, besonders dunkelgefarbter Partien des Praparates aus. Um die GefaBe ist also die Intensitat der Veriinderungen eine grSi~ere; wenn man die verschiedenen, frfiher besehriebenen Grade der Ver/~nderungen als fortschreitende Entwicklungsstufen des Prozesses ansehen darf, so kSnnte man vielleicht auch sagen, daI~ der Proze6 um die Gefal3e relativ am weitesten fortgeschritten ist.

Aus den geschilderten VerhMtnissen der Entstehung und des Verlaufes der Affektion mul~ man schliei3en, daft direkte genetische Beziehungen zwischen der ,,kolloiden Degeneration" des Hirngewebes und den Blut- ge/gi[3en nicht bestehen, wenn auch neben der friiher erSrterten Akzen- tuierung des Prozesses im Anschlu6 an Gefai3e noch andere raumliche Beziehungen zwisehen Einlagerung in das Hirngewebe und den Ge/a6en in Erscheinung treten. Dort, wo die Einlagerungen nur mehr in um- schriebenen Haufen und Flecken vorhanden sind, finden sie sieh namlich nicht selten gerade um Gefalte angeordnet, die GefMie sind mitunter yon einem kranzartigen Wall von KSrnermassen umgeben; der Kranz lef t sich aber, wie das auch sehon Alzheimer beschrieben hat, meist nicht unmittelbar an die Gefal~wand an, es bleibt vielmehr ein breiter Raum zwischen Gefal~ und Einlagerungsmasse frei; /~hnlich wie man das ge- legentlich in Fallen von reicher Ablagerung von AmyloidkSrperchen in die Gehirnsubstanz beobachten kann.

Niemals konnten wit tibrigens mit den Einlagerungen in die Gehirn- substanz morphologisch identisches Material yon hyaliner Substanz in den Adventitialscheiden der Ge/(i/3e nachweisen. Manehmal erhielt man wohl bei oberflaehlicher Betrachtung den Eindruck, als ob zwischen die brei- ten, succulenten, glasigen Bindegewebsziige eine grobschollige Substanz abgelagert ware. Die nahere Untersuchung zeigte aber, dal3 die Schollen im VerhMtnisse zu den ins Hirngewebe eingelagerten K6rnern viel gr6ber sind, in ihrer Farbnuance und Lichtbrechung mit dem hyalinen Binde- gewebe fibereinstimmen und die schollige Struktur durch zusammen- gedrangte Querschnitte yon hyalinen Bindegewebszfigen vorgetauscht wird. Es lai3t sich fiberhaupt niemals eine Einlagerung einer morpho- logisch abgrenzbaren, fremden Substanz in die Gefa6wande beobachten; man hat vielmehr den Eindruck, als ob die Veranderung der Gef~if3- wand durch eine einfache Durchtrankung und Aufquellung des Bin@- gewebes zustande gekommen ware. 1Jber die Bedeutung der Befunde von den Einlagerungen im Gehirn ahnlichen kSrnigen Massen in Throm- ben und in Blutaustritten innerhalb der Meningen konnten wir keine Klarheit gewinnen.

In der weiteren Entwieklung der Einlagerungen in die Hirnsubstanz trafen wir auf Bilder, welche ein Licht auf den Ablau/und den Ausgang

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des Prozesses zu werfen geeignet sind. Die Verfolgung der verschiedenen Stadien von den ersten Anfangen ffihrt zu dem Schlusse, da ] die in unregelm~ti3ig begrenzten Flecken erscheinenden und auf den ersten Blick als fremdartige Substanz imponierenden K6rnerkonglomerate das /ortgeschrittenste Stadium des Prozesses darstellen. Betrachtet man hier die unregelm~ig zackigen, wie zerfressenen Begrenzungen, die Ein- buchtungen in die K6rnermassen, die Durchbrfiche, dann das Schfitter- werden und Auseinanderweichen der K6rner, so erh~lt man den be- stimmten Eindruck, daft da ein Abbau, ein Zer/all, eine Au/16sung der /remdartigen Substanz stattge/unden hat bzw. noch immer vor sich geht. Hier wurden dann auch in einer tier in die K6rnermassen einschneiden- den Bucht groBe Mengen von eigentfimlichen, hyalinen, teils tropfen- f6rmigen, teils weniger scharf konturierten kugeligen oder unregelm~iger geformten Gebilden vorgefunden, welche vielleicht in eine Beziehung zu dem Zerfall der kSrnigen Massen gebracht werden dfirfen ; ob sie direkt aus dem Zerfall des in das Gewebe abgelagerten Hyalins hervorgehen oder der Durchtr~nkung von gti6sen Zellelementen mit dem aus der Aufl6sung der Einlagerungen stammenden flfissigen Stoff und der Degeneration der Gliazellen ihre Entstehung verdanken, mu~ unent- schieden bleiben. Es ist nicht wahrscheinlich, daft die hier als Einlage- rungen in mesodermalen und ektodermalen Zellen beobachteten lipoiden Abbauprodukte vom Hyalin stammen, bei dem es sich doch um eine Eiwei~substanz handeln diirfte.

Das vonder Einlagerung be/reite Hirngewebe prdsentiert sich dann im Zustande eines exquisiten Status spongiosus ; das ist der Ende/]e]ct der hya- linen Degeneration. L6wenberg ist der einzige Autor, der in seiner Arbeit ausdrficklich das Auftreten eines Status spongiosus erwi~hnt. Nichts- destoweniger zeigen viele der yon den anderen Autoren zu ihren Arbeiten fiber unseren Gegenstand ver6ffentlichten Abbildungen in der Umgebung von Einlagerungen den spongi6sen Gewebsschwund in nicht zu verken- nender Auspr~gung. L6wenberg l~Bt die Frage often, ob der Status spon- giosus irgendwelche kausale Beziehungen, sei es als Ursache, sei es als Folge, zu der hyalinen Ablagerung hat. Wir k6nnen auf Grund unserer Beobachtungen erkl~ren, dal3 das fleckweise Vorkommen weit fortge- schrittener Grade der hyalinen Degeneration stets von spongi6ser Ver- i~nderung des benachbarten Gewebes begleitet ist; dabei lii[3t sich aber die Annahme, als ob die Einlagerung etwa erst sekund~r in das in der Form des Status spongiosus alterierte Gewebe stattgefunden h~ttte, yon der Hand weisen; nicht nur auf Grund der friiher beschriebenen Bilder, welche die Entwicklung, den Verlauf und den Abbau der Einlagerungen zu verfolgen gestatten, sondern auch auf Grund der Beobachtung, da[~ nicht nur diffuse, sondern auch herdf6rmige Einlagerungen mit den Charakteren yon Anfangsstadien des Prozesses in vollstandig intaktes

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Gewebe stattfinden. Ob der spongi6se Rindenschwund bzw. der Status spongiosus bei progressiver Paralyse und der senilen Demenz etwa h~ufiger zu einem solchen hyalinen Degenerationsprozel] oder zu ahn- lichen pathologischen Vorgangen, die zu einem raschen Untergang yon nervSser Substanz fiihren, in Beziehung steht, ist noch Gegenstand von Untersuchungen unsererseits. Jedenfalls wird der Gedankc eines solehcn Zusammenhangs angesichts der hochgradigen regionaren Ver- 5dungsprozesse bei den genannten Erkrankungen, denen ihrem histo- logischen Wesen nach im allgemeinen so weitgehende und so rasche ZerstSrungen der nervSsen Substanz nicht eigentfimlich sind, rege; und das noch mehr, wenn man im raumlichen Zusammenhange mit dem die Einlagerungen umgebenden spongiSsen Gewebe die strichfSrmige, auf bestimmte Rindenschichten beschrankte spongiSse Gewebsumwand- lung sieht (Abb. 16), die mit Bildern des spongiSsen Rindenschwunds bei anderen, gewShnlichen Paralysen vollkommen iibereinstimmt.

Eine sehr bemerkenswerte Eigentiimlichkeit unseres Falles bildet die exzessive Gliawucherung. Alzheimer und Sioli berichten, dal~ in ihren Fallen eine Vermehrung der Glia nicht nachzuweisen war; nach den Beobachtungen SchrSders blieb jede Reaktion des umgebcnden ekto- dermalen Gewebes aus, Di~rck erklart, da~ die Gliazellen sich offenbar ganz passiv verhalten, keinerlei besondere Reaktionserscheinungen auf- weisen, und nur LSwenberg land erheblichere Ver~nderungcn an der Glia: in den schwerst veranderten Gebieten hie und da eine grSi~cre, mit reichlichem Protoplasmaleib versehene Gliazelle, da, wo sich die hyaline Degeneration gegen das Mark absetzt, eine schmale Lage gliSser Zellen, eine ,,ungeheure" Wucherung faserbildender Glia aber in Gegen- den, wo die eigenartige Substanz in Form grSl]erer Schollen, oft aber auch nur als kleine, eben erkennbare Ablagerungen erscheinen, zwischcn welchen ein ausgesprochener Status spongiosus zur Entwicklung gelangt ist. Es ist kein Zwei/el, dal~ LSwenberg da das Endstadium des Prozesses beschreibt, den Grad der Erkrankung, welcher auf das Stadium, in dem ,,das ganze Parenchym in eine strukturlose stark lichtbrechende Masse umgcwandelt ist" (L6wenberg), folgt, und daher, wie wir im Gegensatze zu L6wenberg erkl~ren miissen, einen weiter vorgeschrittenen Grad des Prozesses darstellt. In diesem Stadium ist eben auch in unserem Falle die Gliaproduktion an zelligen Elementen und Fasern eine ,,ungeheuere". Unsere Abbildungen zeigen, da~ iiberall dort, wo in den KSrnermassen Breschen entstanden sind, sich Monstergliazellen in ganz ungewShnlicher Menge einschieben, ahnlich, wie es LSwenberg auf Grund seiner Biel- schowsky-Pr~parate beschreibt. Das homogene Protoplasma dieser Gliazellcn weist h~ufig ein glasiges Aussehen auf, ein erhShtes Licht- brechungsvermSgen und das gleiche fi~rberische Verhalten wie die kernlosen hyalinen Schollen, die vereinzelt bereits in friiheren Stadien

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des Prozesses, in groBen Mengen an Orten des Zerfalles der hyalinen Massen angetroffen werden. Dalt die Gliazellen also in der Struktur von dem hyalinen Prozei~ beeinfluSt werden, erscheint uns unzweifelhaft, und wir glauben, die Anschauung Kromayers (zit. nach Alzheimer), dab auch die Gliazellen ,,kolloid" entarten, besti~tigen zu kSnnen.

Eine andere, in unserem Falle beobachtete Eigentfimlichkeit der Gliazellen, die besonders in den in die hyalinen Einlagerungen hinein- getriebenen Buchten zutage trit t , bedarf noch einer besonderen Wfir- digung: die Beziehungen zu den Ge/d[3en. Die massigen succulenten Protoplasmaleiber der Gliazellen um/lie[3en h~iu/ig die Ge/d[3e, Capillaren werden nicht selten von gli6sen Protoplasmamassen vollstiindig einge- schlossen. So, wie auch andere Gliazellen, abseits von Gef~Ben, weisen viele der zu den Gef~Ben in der frfiher geschilderten Weise in Beziehung tretenden Gliazellen eine Vielzahl von Kernen auf, sie erhalten den Cha- ra]cter von Riesenzellen; ihre J(hnlichkeit mit Riesenzellen von mesoder- malem Charakter springt in die Augen.

Diirc]c hat als der erste bei dem Prozesse das Vorkommen von Riesen- zellen besehrieben; er sah sie an der Grenze einzelner Schollen oder zwischen ein paar Schollen fSrmlich eingequetscht, sie schickten auch Protoplasmaarme in die engen Kan~le zwischen zwei benachbarte 8chollen hinein. Diirclc faBt die Zellen als ,,FremdkSrperriesenzellen" auf, als deren Mutterzellen nach seiner Ansicht h0chstwahrscheinlich Gef~Bendothelzellen fungieren. Bezfiglich der Lokalisation der Riesen- zellen in der N~the der eingelagerten Substanzen und der Eigentiimlich- keit der Zellen, , ,Protoplasmaarme" auszusenden, stimmen uusere Befunde mit denen Diircks fiberein. Ganz gleichartig mit den von uns beobachteten Bildern ist der von LSwenberg in seiner Abb. 4 a dargestellte Befund, nach welchem ,,riesenzellen~hnliehe Symplasmen" als breites Band eine ganze Capillare umschlieBen. Auch L6wenberg leitet die ,,Riesenzellen" vom Mesoderm ab, von einer Wucherung adventitieller Elemente. In unserem Falle steht der gli6se Chara]cter der ,,Riesen- zellen" au]3er allem Zwei/el.

Wie aus unserer friiheren Darstellung hervorgeht, setzt die Gliawuche. rung schon /riihzeitig auch innerhalb der hyalinen Massen ein ; auBerdem sind die Grenzen der Einlagerungen, besonders gegen die Marksubstanz zu, durch eine starke Gliawucherung markiert, in noch ausgesproche- nerem MaBe, als es LSwenberg in seinem ersten Falle beobachtet hat.

Die Gila zeigt also in unserem Falle eine sehr lebha/te Realction au/ den pathologischen Prozefl, und zwar scheint es, dait es sich nicht nur um Ersatzwucherung ffir das zugrundegchende nerv0se Gewebe handelt, sondern dal~ die Proliferation der Glia fiber dieses MaB hinausgeht.

Eine ganz deutliche Reaktion im Bereiche der ffaglichen Affektioa zeigt auch das mesodermale Gewebe: eine lebha/te Steigerung der In/il-

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trationserscheinungen an den Ge/dflen. Sie tr i t t bereits in den Anfangs- stadien des Prozesses auf, bei dessen Fortschreiten nimmt sie hohe Grade an, an der Grenze der Ablagerung gegen das Mark ist manchmal ein Wall von infiltrierten Gefalten zu bemerken, und besonders zahl- reich sind die Infiltrationselemente, aueh frei im Gewebe, innerhalb der spongi6sen Gewebsteile, welche an die im Abbau begriffenen und nur mehr in kleineren Flecken zurfickgebliebenen Einlagerungen angrenzen.

LSwenberg hebt auch hervor, dal~ man um die hyalin degenerierten Gefal]e im ganzen Bereiche der schwer veranderten Rindenpartien oft ganz gewaltige Mantel von Infiltratzellen findet. Die von diesem Autor gemachte Beobachtung, dal~ in den Bezirken, wo die hyaline Masse in gr56erer Menge abgelagert ist, die perivasculare Infiltration geringer wird, gilt auch teilweise, aber nicht als Regel ffir unseren Fall, jedoch hauptsachlich in dem Sinne, daf~ es im Bereiche der dichtesten Ablage- rungen der hyalinen Substanz Gebiete gibt, die durch eine auffallige Gefaitarmut ausgezeichnet sind.

An verschiedenen Stellen der vonder hyalinen Degeneration betroffe- nen Hirnpartien konnten wir aul~erdem die von Diirck beschriebenen In[iltrationsherde nachweisen, die zu der 2. Haupt/orm der von uns in unserem Falle beobachteten Veranderungen zu gehOren scheinen. Wir konnten alle Grade der Infiltration: von kleinen Zellansammlungen um Ge/dfle in/olge Austrittes der adventitiellen Ge/dflin/iltrate i~ber die Glia- grenzscheide ins ektodermale Gewebe bis zu gro[3en, massigen, absceflfihn. lichen Zellherden beobachten. Die letzteren bestehen aus Lymphocyten, Plasmazellen in verschiedenen Graden der Degeneration, Makrocyten und aus Leukocyten, welche in der dichten Masse der Zellhaufen morpho- logisch nicht immer genfigend deutlich differenziert werden konnten. In diese Herde linden haufig Blutungen statt, die aber auch in anderen Gegenden im Bereiche der hyalinen Gefaf~degeneration auftreten.

Im 2. Falle Alzheimers war die ,,kolloide Degeneration" mit ,,Erwei- chungsprozessen" im Streifenhfigel, Linsenkern und in einem Hirnschen- kel kompliziert. In dem letztgenannten Herde, vcelcher allein einer ge- naueren Untersuchung unterzogen werden konnte, hatte die Erweichung den Charakter eines sekundaren Prozesses, und aueh ffir die iibrigen Herde nimmt es Alzheimer als wahrscheinlich an, da|t eine Blutung mitten in das kolloiddegenerierte Gewebe erfolgt war. Der Gedanke liegt nahe, da6 diese Erweichungsherde den absce6ahnlichen Gewebs- einschmelzungen, die wir beobachtet haben, nahestehen. Di~rck sieht die Infiltrationsherde als den Ausdruck einer besonderen entzfindlichen Reaktion an, welche bei der Entstehung der scholligen Ablagerungs- substanz zustande kommt.

Im Hinblick auf den in unserem Falle bestandenen pyamischen 1)rozel~ mu6te man wohl in erster Linie an metastatische Abscesse denken.

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Die Leukocytenansammlungen in den Meningen und die beschriebenen Ver/~nderungen an den meningealen Venen k6nnten evtl. auch auf die Pyamie bezogen werden. Der Befund von Diirck scheint aber die An- nahme zu unterstiitzen, daf3 die in unserem Falle beobachteten Infil- trationsherde zu der hyalinen Degeneration in einer Beziehung stehen. Deren Zusammenhang mit der Pyamie kSnnte um so mehr angezweifelt werden, als der Charakter der Herde infolge der Mannigfaltigkeit der sie konstituierenden Zellen bei Zurficktreten leukocyt~rer Elemente doch yon den vulgi~ren Abscessen abweicht.

Im Hinblick auf die in jiingster Zeit yon Schob 1) publizierte Beobach- tung von abscel~ahnlichen Herden, welche in einem Falle von Paralyse in Verbindung mit den von Strdiussler zuerst beschriebenen miliaren Nekrosen aufgetreten waren und mit lokalen Spirochatenansammlungen in kausaler Beziehung stehen, muf~ man auch die M(iglichkeit in Er- w~gung ziehen, dab die im Falle Diircks und in unserem Falle beobach- teten Herde -- in Alzheimers Beobachtung schien es sich nicht um eine luetische Erkrankung zu handeln -- etwas ~hnliches darstellen. Doch mul~ diese Frage unentsehieden bleiben, da eine Spirochatendarstellung, vielleicht wegen der Impfmalaria, nicht gelang. So konnten wir auch fiber das Verhi~ltnis der hyalinen Degeneration zu der Spiroch~tenver- teilung keine Auskunft erhalten, eine Frage, welche bisher fiberhaupt noch nicht einer Prfifung unterzogen wurde.

Daf3 wir das Thema der hyalinen Degeneration trotz der in der letzten Zeit erschienenen Publikationen wieder zur Diskussion gestellt haben, dafiir war noch ein sehr wiehtiger Punkt mal3gebend: wir sind n~mlich auf Grund unserer Untersuchungen zu der Uberzeugung gelangt, dab es diese Affektion ist, welche Spielmeyer in seiner ,,Histopathologie des Nervensystems", dem berfihmten Standardwerke, unter dem Kapitel der ,,Koagulationsnekrosen" abgehandelt und auf S. 391 abgebildet hat. Wir konnten uns v o n d e r Identitdt der Spielmeyerschen ,,Koagulations- nekrose" und der hyalinen Degeneration auch auf Grund eines uns von Spielmeyer freundlichst zur Verffigung gestellten Pri~parates fiberzeugen. Der Befund wurde von Spielmeyer bei einer alten Lues erhoben und bestand in einem cellulKren und intercelluli~ren GerinnungsprozeB, wobei die Ganglienzellen isch~mische Ver~nderungen mit den sog. In- krustationen der Golgi-Netze, die Gliazellen, soweit sie erhalten blieben, regressive Umwandlungen zeigten, der Untergrund der Gehirnsubstanz aber schollig, krfimelig und deutlich glitzernd ersehien. I m Fibrin- pr~tparat entsprachen dem glitzernden Herde fibrinoide, vorwiegend krfimelige, selten f~dige Massen. Zieht man noch in Betracht, dab

1) F. Schob, tiber miliare Nekrosen und Abscesse in der ttirnrinde eines Paralytikers und ihre Beziehungen zur Spirochaeta pallida. ])iese Zeitschr. 95. 1925.

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die Blutgef~Be im Bereiche der Affektion, wie Spielmeyer selbst in der den betreffenden Abbildungen beigegebenen Legende anftihrt, hyalin ver~ndert waren, so liegt die Kongruenz des Befundes mit den in der Literatur beschriebenen und von uns hier behandelten Beobachtungen von ,,hyaliner Degeneration" auf der Hand. Merkwfirdigerweise hat Spielmeyer bei seinen Betrachtungen fiber die Koagulationsnekrose die hyaline Degeneration nicht in Diskussion gezogen, und andererseits haben es die Autoren, welehe sich nach dem Erscheinen des Spiel- meyerschen Werkes mit den ,,hyalinen" oder ,,kolloiden" Einlagerungen in die Hirnsubstanz beschifftigt haben, unterlassen, der yon Spielmeyer besehriebenen Koagulationsnekrose die gebfihrende Beachtung zu schenken.

Die Aufstellung Spielmeyers regt aber unbedingt zur Diskussion der Frage nach den Beziehungen der hyalinen Degeneration zur Koagula- tionsnekrose an.

Bei den (~berlegungen fiber das Wesen der eigentfimlichen Einlage- rungen in die Gehirnsubstanz sind schon seit langem ~bnliche Gedanken- g~nge zum Ausdruck gekommen wie bei der Diskussion der Frage der Weigertschen Koagulationsnekrose; hinsichtlich der letzteren ist an die Aufstellung des Begriffes der ,,fibrinoiden Degeneration" durch Neu- mann und den mSglichen (~bergang von ,,Fibrinoid" in , ,Hyalin" zu erinnern.

Sehon in der Anschauung Alzheimers, dab die kolloiden Massen aus den Gewebssiiften in das Gewebe niedergeschlagen werden, ist die Vor- stellung eines im Gewebe vor sich gehenden Gerinnungsvorganges enthalten. Diirck bezeichnet in seinem Falle die im nerv6sen Gewebe beobachteten f~digen Massen direkt als ein Gerinnungs- oder Nieder- schlagsprodukt aus einem ursprfinglich in der Gewebsfliissigkeit gel5sten und dann in Form yon f~digen Gerinnungen zur Abscheidung kommen- den Stoff; er nimmt an, daB die Substanz unter ganz bestimmten, uns nicht nigher bekannten, aber offenbar selten auftretenden Bedingungen durch das Auftreten einer fermentativ wirkenden Substanz auf einen in der Gewebsflfissigkeit vorhandenen Stoff entsteht, wobei die fermen- tat iv wirkende Substanz v o n d e r erkrankten und in Einschmelzung begriffenen Gehirnrindensubstanz geliefert wird. Das wfirde nach Diirck auch erkl~ren, warum die eigentfimliche Ablagerung in der sonderbaren ri~umlichen Beschri~nkung auf die am stiirksten zur Ab- schmelzung kommende Hirnrinde auftritt .

Naeh der Weigertschen Lehre v o n d e r Koagulationsnekrose -- sie hat bekanntlich zahlreiche Anfeehtungen erfahren -- kommt es nun dabei im wesentlichen darauf an, dab die Gewebe eine Substanz enthalten, die unter der Einwirkung einer zweiten, in der Blutfliissigkeit, in der Lymphe oder in Exsudationen enthaltenenen Substanz zur Bildung einer

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Gerinnung Veranlassung geben kann [v. KahldenZ)]. Entsprechend den Vorg~ngen bei der Fibringerinnung -- Koagulationsnekrose und Fibrin- gerinnung betrachtete Weigert nicht als identische, aber doch als bio- logisch zusammengeh6rige Prozesse -- ist zum Zustandekommen der Koagulationsnekrose das Aufeinandertreffen einer gerinnungsf~higen Substanz mit einem Ferment notwendig, in ~hnlicher Weise, wie es Diirck ffir die Entstehung der kolloiden Ablagerungen annimmt. Den Ausffihrungen yon Ernst 2) zufolge kann der Koagulationsnekrose nicht nur die Annahme, daf~ die Gewebe die gerinnungsfiihigen Eiweif~k6rper darbieten und das bespiilende Plasma das Ferment beistellt, zugrunde gelegt werden; die Zellgerinnung lasse sich auch so denken, daf~ das Plasma das Fibrinogen heranfiihrt und die absterbende Zelle das Gerin- nungsferment liefert. Damit st immt die oben angefiihrte Anschauung Diircks fiber die Entstehung der kolloiden Einlagerung weitgehend fiberein.

Wenn man aber bedenkt, daf3 das allerwichtigste Kriterium der Koa- gulationsnekrose das primdire Absterben des Gewebes, der prim~re Ge- webstod bildet, der erst die Bedingungen ffir die Koagulation schafft, so kann man im Hinblick auf unsere Befunde, welche eine dem Gerin- nungsvorgange vorangehende Nekrose mit Sicherheit ausschliel3en lassen, der Identifizierung unseres Prozesses mit der Koagulationsnekrose nicht zustimmen. Unsere Befunde bieten nicht einmal irgendwelche Anhaltspunkte ffir die Annahme einer st~rkeren, der Gerinnung voran- gehenden Gewebseinschmelzung, welche das Gerinnungsferment liefern sollte. Die ischdmische Zellerkrankung und der Untergang der nervSsen Substanz mit dem Ausgang in einen Status spongiosus erweisen sich nach unseren Untersuchungen als sekunddre, dem Gerinnungsprozefl und der Einlagerung des Gerinnungsproduktes nach[olgende Vorgdnge ; es handelt sich nicht um eine koagulierende Nekrose, sondern um eine nekrotisie- rende Koagulation (v. Recklinghausen).

Konnten wir auf Grund der sich in unserem Falle darbietenden iiber- sichtlichen Verh~ltnisse den Verlauf des Prozesses yore ersten Beginn an und die sich an ihn knfipfenden Reaktionserscheinungen im nerv6sen und ektodermalen Gewebe verfolgen, so erhielten wit doch weder einen AufschluI3 fiber die allgemeinen Ursachen des Prozesses noch auch iiber die Bedingungen ffir die Auswahl bestimmter Territorien des Gehirnes bei der Lokalisation. Ob die in meningealen Venen festgestell- ten Thromben, in welchen auch gelegentlich anscheinend ~hnliche Ge-

z) v. Kahlden, Koagulationsnekrose, Eulenburgs Realenzyklop/~die der gc- samten Heilkunde 3. Aufl. 1895.

2) p. Ernst, Pathologie der Zelle im Krehl-Marchandschen Handbuch der allgemeinen Pathologie 1915, Nr. 3. - - Derselbe, Tod und Nekrose, Krehl-Marchand- sches Handbuch 1921, III. Bd., 2. Abt.

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rinnungsmassen, wie sie in der Gehirnsubstanz eingelagert sind, ange- troffen wurden, und die Venenerkrankung ffir die Erklgrung des Wesens des Prozesses verwertet werden kSnnen, wollen wir dahingestellt sein lassen ; daft aber allgemeine, den Stoffwechsel betreffende ,,dyskrasische" StSrungen eine Rolle spielen, scheint uns schon daraus hervorzugehen, dab sich die Affektion nicht auf die Gehirnsubstanz beschrankt, sondern auch auf die Meningen erstreckt (in unserem Falle wie im Falle yon LSwenberg), wobei die meningeale Erkrankung nicht einfach als sekun- dgre, yon der Gehirnaffektion abh~ngige Erseheinung betrachtet werden kann.

Es wurde bereits an mehreren Stellen auf die erheblichen Di//erenzen hingewiesen, die zwischen den verschiedenen, bisher beobachtelen einschlgi- gigen F~illen sowohl hinsichtlich der morphologischen Verhgltnisse der Einlagerungen selbst als auch der Reaktionserscheinungen, insbesondere yon seiten der Glia bestehen. Warum die Glia in dem einen Falle reak- tionslos bleibt, im anderen aber zu direkt exzessiver Wucherung angeregt wird, daffir fehlt uns eine befriedigende Erkli~rung.

In der alteren yon Alzheimer zusammengestellten Literatur wird yon ,,festen kSrnigen KSrperchen", von ,,KSrnchen, wie gequollener Sago", die sieh herausheben lassen, yon starkglgnzenden homogenen Klumpen gesprochen, im 1. Falle Schrgders hatten die Einlagerungen den Charakter von kSrnigen Konkrementen, und auch die von Di~rclc gegebenen Abbildungen lassen erkennen, da6 ein gro6er Teil der Ab- lagerungen die Form von einzelnen, distinkten, ganz homogenen Sehollen besitzt. In unserem Falle nehmen die Einlagerungen nirgends eine der- artige Gestalt an. Eine nahere Betrachtung der in den neueren einschlg- gigen Arbeiten gegebenen Schilderangen und der vorliegenden Abbil- dungen ergibt aber, da6 auch in jedem einzelnen Falle der Autoren die Einlagerungen an verschiedenen Orten ein ganz verschiedenes Aussehen, verschiedene Strukturen, verschiedene Formen und Abgrenzungen, verschiedene Farbreaktionen darbieten kSnnen. Diese Differenzen sind wohl nicht nur darauf zu'rtickzuffihren, dal~ die eingelagerte Substanz im Gewebe selbst noch wesentliche Um&nderungen erfghrt und so bei verschiedenen Fallen in einem verschiedenen Zustande vor- gefunden wurde (Alzheimer) -- dieses Moment kann natfirlieh auch fiir die Erklgrung der Verschiedenheiten, die im einzelnen Falle im Aussehen der Substanz an versehiedenen (~rtlichkeiten zutage treten, herangezogen werden --, sondern auch darin begriindet, dalt auch gleiche Eiwei6kSrper in sehr verschiedener Form gerinnen kSnnen; die Art und der Zustand des betroffenen Gewebes einerseits und die Natur der die Affektion bedingenden Schgdlichkeit andererseits werden dabei wohl yon grol]em Einflusse sein. Die Ver~nderung tri~gt auch im Binde- gewebe der Meningeal- und Gehirngefgi]e und der Meningen selbst einen

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ganz anderen Charakter, sowohl was die Morphologie als auch das f~rberische Verhalten betrifft, als in der Gehirnsubstanz; das scheint auch in den Beobachtungen aller anderen Autoren der Fall zu sein. Beziiglich der Gef~13ver~nderungen ergibt sich in unserem Falle in allen vonder Affektion betroffenen Partien ein einheitliches Bild, es gibt bloB Unterschiede, die ausschliei31ich auf verschiedenen Intensit~ts- graden der hyalinen Aufquellung des Bindegewebes beruhen. Die Gleich- artigkeit der Gefi~13ver~nderung erstreckt sich aber auch, wie aus den Beschreibungen zu erschliel3en ist, auf alle bisher beschriebenen F~lle, die Ge/~i[3e bieten konstant das bekannte typische Bild der hyalinen Verdnderung. Die Bezeichnung ,,hyaline Degeneration" fiir die hier behandelte Affektion ist daher unseres Erachtens dem Namen ,,kolloide Degeneration", welcher bekanntlich yon den pathologischen Anatomen ftir epitheliale Umwandlungs- oder Abscheidungsprodukte ~hnlicher Art angewendet wird, vorzuziehen.