Über die wilsonsche krankheit

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Zeitschrift fiir Kinderheilkunde 84, 125--136 (1960) Aus der Medizinischen Universit~tsklinik Bonn (Direktor: Prof. Dr. A. I-IEYMEI~) und der Universitiits-Kinderklinik KS]n (Direktor: Prof. Dr. C. BE~HOLDT- THOMSEN) Uber die Wilsonsche Krankheit Zugleich ein Beitrag zur Penicillamin-Therapie ~ Vo12 J. LANGE und H. HAGER ~ Mit 3 Textabbildungen (Eingegangen am 22. Februar 1960) Die hepatocerebrale Degeneration (WEsTPHAL-STI~LTMI)ELL-WILsoN) ist zwar ein seltenes aber umso interessanteres Leiden. Trotzdem unsere Kenntnis von ihrem Wesen in den letzten Jahren erheblieh vermehrt werden konnte, bieten vor allem Pathogenese und Therapie noch vide ungelSste Probleme. Ein besonderes klinisehes Interesse ergibt sich aus der vielgestaltigen Symptomatologie, die im Frfihstadium oft, recht un- charakteristisch nnd daher auch in differentialdiagnostischer Hinsicht bedeutsam ist. Der M. WILSON gehSrt zu den heredodegenerativen Leiden. Er tritt h/~ufig in einer Filialgeneration mehrfach auf. Fast ebenso oft sind aber auch Einzelfalle beobachtet worden. Auf Grund statistiseher Unter- suchungen nimmt BEA~ ~ einen recessiven Erbgang an und weist darauf hin, da~ in der Ascendenz ein recht groi]er Prozentsatz yon Verwandten- ehen zu finden ist. Entspreehend den pathologisch-anatomischen Ver~nderungen vor- zugsweise in Leber und Gehirn ist die Klinik dutch die Kombination yon hepatischen und neurologischen Erseheinungen geprs Itinzu- kommen -- allerdings sehr viel diskretere -- renale Symptome infolge tubul~rer Sch~digungen und bei Manifestation im Kindesalter eventue]l innersekretorische sowie Pigmentstoffwechselst6rungen. Von praktischer Wiehtigkeit ist es, dab zeitweise oder aueh wahrend des ganzen Krank- heitsverlaufs die neurologisehen Symptome gegeniiber den Zeichen der eirrhotisehen Lebererkrankung im Vordergrund stehen kSnnen nnd umgekehrt. Die Einordnung des Einzelfalles in einen der klassischen Typen (Westphal-Stri~mpellsche Pseudoslderose, M. Wilson im engeren * tterrn Prof. Dr. DE RUDDE~zum 65. Geburtstag gewidmet. ** Unter technischer Mitarbeit yon FrL E. ECKHOFF. Z. Kinderheflk., Bd. 84: 9

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Page 1: Über die Wilsonsche Krankheit

Zeitschrift fiir Kinderheilkunde 84, 125--136 (1960)

Aus der Medizinischen Universit~tsklinik Bonn (Direktor: Prof. Dr. A. I-IEYMEI~) und der Universitiits-Kinderklinik KS]n (Direktor: Prof. Dr. C. BE~HOLDT-

THOMSEN)

Uber die Wilsonsche Krankheit

Zugleich ein Beitrag zur Penicillamin-Therapie ~

Vo12

J. LANGE und H. HAGER ~

Mit 3 Textabbildungen

(Eingegangen am 22. Februar 1960)

Die hepatocerebrale Degeneration (WEsTPHAL-STI~LTMI)ELL-WILsoN) ist zwar ein seltenes aber umso interessanteres Leiden. Trotzdem unsere Kenntnis von ihrem Wesen in den letzten Jahren erheblieh vermehrt werden konnte, bieten vor allem Pathogenese und Therapie noch vide ungelSste Probleme. Ein besonderes klinisehes Interesse ergibt sich aus der vielgestaltigen Symptomatologie, die im Frfihstadium oft, recht un- charakteristisch nnd daher auch in differentialdiagnostischer Hinsicht bedeutsam ist.

Der M. WILSON gehSrt zu den heredodegenerativen Leiden. Er tritt h/~ufig in einer Filialgeneration mehrfach auf. Fast ebenso oft sind aber auch Einzelfalle beobachtet worden. Auf Grund statistiseher Unter- suchungen nimmt B E A ~ ~ einen recessiven Erbgang an und weist darauf hin, da~ in der Ascendenz ein recht groi]er Prozentsatz yon Verwandten- ehen zu finden ist.

Entspreehend den pathologisch-anatomischen Ver~nderungen vor- zugsweise in Leber und Gehirn ist die Klinik dutch die Kombination yon hepatischen und neurologischen Erseheinungen geprs Itinzu- kommen -- allerdings sehr viel diskretere -- renale Symptome infolge tubul~rer Sch~digungen und bei Manifestation im Kindesalter eventue]l innersekretorische sowie Pigmentstoffwechselst6rungen. Von praktischer Wiehtigkeit ist es, dab zeitweise oder aueh wahrend des ganzen Krank- heitsverlaufs die neurologisehen Symptome gegeniiber den Zeichen der eirrhotisehen Lebererkrankung im Vordergrund stehen kSnnen nnd umgekehrt. Die Einordnung des Einzelfalles in einen der klassischen Typen (Westphal-Stri~mpellsche Pseudoslderose, M. Wilson im engeren

* tterrn Prof. Dr. DE RUDDE~ zum 65. Geburtstag gewidmet. ** Unter technischer Mitarbeit yon FrL E. ECKHOFF.

Z. Kinderheflk., Bd. 84: 9

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126 J. LANGE und H. HAG~:

Sinn, abdominelle Form) ist zwar meist m5glich. Die Grenzen sind aber nicht immer scharf zu ziehen.

Den Pseudos]~lerose-Typ TM 33 sehen Pi~diater und Internist seltcner, da er vorwiegend im 3. oder 4. Lebensja.hrzehnt beginnt und die neuro- logische Symptomatologie ganz im Vordergrund steht. Beherrsehend ist ein langsam progredienter, grobsch]~gig werdender Waekeltremor, der sich bei Intension welter verst~rkt und den ganzen KSrper erfassen kann. Das Reflexverhalten pflegt normal zu sein, Pyramidenzeichen und grSbere Veriinderungen des Muskeltonus fehlen. Leber- und Milz- vergr613erungen, ikterisehe Schfibe oder gar eine Dekompensation der gleiehwohl immer vorhandenen Lebereirrhose sind selten.

Anders ist dies beim eigentlichen Wilson-Typ 34. Hier geht bei Mani- /estation im Kindesalter der Entwieklung einer neurologischen Sympto- matologie yon recht vielgestaltiger, vorwiegend parkinsonistiseher Pr~- gung (l%igor, Akinese, Propulsion, Hypomimie, I{ypersalivation, Dys- arthrie, Dysdiadochokinese, torsionsdystonisehe und verwandte Be- wegungsstSrungen) ein l~ngeres Stadium mit interner Symptomatik voraus. Die oft beobaehteten ikterisehen Sehfibe werden meist auf eine Lebererkrankung bezogen. Wahrseheinlich handelt es sich aber h~ufiger um fliichtige hi~molytische Krisen, wozu GROT~E~ 1~ kfirzlich einen interessanten Beitrag gelieferg h a t . Leber- und Milzvergr61~erungen, Zeichen des Hypersplenismus, Ani~mien, leiehte Thrombopenien und voriibergehende hiimorrhagische Erscheinungen sind weitere Symptome dieser frtihen Phasen des M. Wilson. An innersekretorischen StSrungen sieht man Itoehwuchs, Gyn&komastie, verzSgerte Pubertiit usw. Die Haut kann besonders an den belichteten Partien dunkel, rauchgrau his blau pigmentiert sein. Die Lebercirrhose wird oft nur zufi~llig entdeekt, z. B. intra operationem anl~Blich einer Milzexstirpation. Es ist dabei fast typiseh, dab die Leberfunktionsproben nut wenig oder gar nieht yon der Norm abweiehen. Allerdings sterben die Patienten sp~ter meist trotzdem an ihren Leberleiden, vorwiegend aber an Oesophagusvarieenblutungen und seltener im Leberkoma.

Der yon K ] ~ 15 abgegrenzte und ebenfalls vorwiegend im Kindes~ alter auftretende abdominelle Typ nimmt einen besonders b6sartigen, evtl. akuten Verlauf mit sehwerem Ikterus, Fieber, Diarrhoen, I{s rhagien und Benommenheit bis zum tSdliehen Leberkomu. Neurologische Symptome k6nnen ganz fehlen und auch dank gering sein, wenn der Ablauf protrahierter ist, wie dies z. B. der frfiher mitgeteilte Fall K. D. gezeigt hat, der naeh 21~j~hriger Krallkheitsdauer an rezidivierenden Oesophagusvaricenblutungen starb 16.

t)athophysiologisch liegt der hepatocerebralen Degeneration eine kom~ binierte und angeborene Kupfer- undEiweiBstoffweehselstSrung zugrunde, die zu abnormer Ablagerung yon Kupferpigmenten vor ahem in Leber

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~ber die Wilsonsche Kranl~eit 127

Gehirn und Nieren 7, s, 1~, 14, 17 oft aber auch im Auge in Form des Kayser-Fleischerschen Cornealrings ~v ffihrt. Sein Nachweis ist zwar nach wie vor das einzige pathognomonische und dabei leicht faBbare Symptom. Fehlt aber der Cornealring, ist ein M. Wilson nicht mit Sieherheit aus -~ gesehlossen. Weitere charakteristische Befunde sind eine Verminderung des Serumkupfers bei vermehrter Ausseheidung yon Kupfer und Amino- ss im Urin. Erstere geht aussehlieBlieh zu Lasten des im Coerulo- plasmin lest gebundenen Kupfers, das normalerweise 90~o des Serum- kupfers ausmaeht und die Oxydaseaktivit~t des Blutserums bestimmt. W~hrend F/~lle mit nieht signifikant erniedrigtem Gesamtkupfer im Serum mehrfaeh besehrieben sind (Literatur bei 6, 16), liegen bisher erst zwei Mitteilungen vor, in denen ein gesieherter M. Wilson normalhohe Coerulo- plasminwerte aufwies 10, 2~. Die Coeruloplasminkonzentration l~13t sieh auf verschiedene Weise bestimmen (Literatur bei 16), am einfaehsten mit dem orientierenden Test yon t~AVIN 22, der aueh in kleineren Laboratorien ohne Sehwierigkeiten durchffihrbar ist. Eine weitere praktisch wichtige Beobachtung ist eine Herabsetzung der Harns~urekonzentration im Serum, die Folge einer erhShten renalen Harns~ureelearanee ist 2b, 5

Die Gesamtheit der genannten bioehemisehen Abnomit~tten haben die heutigen Vorstellungen fiber die Pathogenese der hepatocerebralen Degeneration matlgeblich beeinflul3t, ohne zu einer befriedigenden LSsung zu ffihren. Unter Hinweis auf die spezielle Literatur 2b, 6, 1G, 25 sei hier nut soviel gesagt, dal] vor allem von U z ~ ~8~ urs~ehlieh eine noch nicht ganz genau zu deilnierende, genetisch bedingte StSrung hmerhalb des Eiweitlauf- oder abbaus mit Bildung abnorm Cu-affiner Oligopeptide angenommen ~ r d . Andere Autoren 3, a, 24 stellen einen angeborenen Coeruloplasminmangel in den Vordergrund. Sieher ist, dal3 infolge einer erhShten enteralen Cu-gesorption die Bilanz trotz der verst~irkten renalen Ausseheidung yon Kupfer positiv ist 28, 35. Weitgehende Einigkeit herrseht auch in der Auffassung fiber den w ahrseheinlich sch~digenden Einflul3 der abnormen Kupferablagerung auf die besonders betroffenen Organe und deren Funktion. Die Aminoacidurie wird meist auf eine sekund/ire Tubulusl~sion im Gefolge der verst~rkten Cuprurese bezogen. Uz~AN sieht in ihr allerdings das Zeiehen einer kompeti t iven I-Iemmung der l~fiekresorption dureh bevorzugte tubuls Wiederaufnahme yon Cu- Oligopeptiden.

Vor Besprechung der therapeutischen M6glichkeiten sollen 3 in letzter Zeit beobaehtete Patienten geschildert werden, da sie die Vielf/iltigkeit der Symptomatoiogie sehr eiadrueksvoll zeigen:

1. Kurt D., 27. J., stammt aus einer schwer belas~eten Wilson-Familie, in der Verwandtenehen nicht aufgefunden werden konnten~. Die Diagnose wurde 1955 anl~l~lich einer Familienuntersuchung im pr~klinisehen Stadium gestellt (typische biochemlsehe Befunde, Cornealring). Milz und Leber waren in dieser Zeit gering vergrSllert. Im Laufe yon 2 Jahren en~wiekelte sich ein reiner Pseudosklerosetyp

9*

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128 J. LANCE und H. HATER:

mit generalisiertem grobschlagigem Tremor bei praktisch normalem Reflexver- halten. Durch BAL- und kurzfristige Penicillaminbehandlungen konnten voriiber- gehende, aber inkomplette Remissionen erreieht werden. Bei vSllig normalen Leber- funktionsproben ergab die histologische Untersuchung (1958) einc beginnende Lebereirrhose. Die Hypocuprgmie ist konstant, die Oxydaseaktivit~t mit 0,01 Ra- vin-Einheiten erheblich vermindert (normal 0,1--0,3 E).

2. Manfred Kr., 13 J., bietet jetzt das klassische Wilson-Bild mit Rigor, Akinesc, Hypomimie, Hypersalvation, Dysarthrie bis zur Unverstgndlichkeit und leichtem Tremor bei l~ngerem Vorhalten der Arme. Psychisch ist er etwas affektinkontinent und distanzlos, intelIigenzmg/~ig aber noch nieht gr5ber abgebaut. Er ist einziges Kind, Verwandtenehen in der Ascendens sind mit Sicherheit auszusehlie~en.

Die genannten Symptome haben sich im Laufe des Jahres 1959 voll entwickelt. Die Diagnose wurde in der Universit~ts-Nervenk]inik Bonn (Direktor: Profi Dr. J. W~ITB~SC~T) klinisch geste]l~, der Cornealring war m~kroskopisch sichtbar. Die weitere Untersuchung erfolg4e in der Medizinischen Universitgtsklinik Bonn*.

Diese ergab einen hochaufgeschossenen Jungen ohne auffgllige Pigmentierungen mit normalgro]]er Leber und Zustand nach N[ilzexstirpation. H~matologisch land sieh nichts besonderes. Serumkupfer 42 y-C/o, Oxydaseaktivit~t 0,036 E nach I~AVIS, verstgrkte Cuprurese (37 y-% = 409 y/die als Mittel an 23 behandlungsfreien Tagen) und Aminoacidurie (37,2 mg-~o ~ 404 rag/die, Methode nach PoPE u. STEVENS'1). Serum]abilit~tstests, Bilh'ubin im Serum, Aldehydprobe, Bromsulfalein- test und die gerinnungsphysiologischen Untersuchungen (Priv.-Doz. Dr. EGLI, Physiologisehes Institut der Universit~t Bonn) boten keine Abweichungen yon der Norm. Papierelektrophorese: geringe Albumin-Verminderung bei leicht vermehrten y- Globulinen.

Besonders interessant ist die weiter zurfieldiegende Vorgeschichte des Jungen: Mit 7 ~ Jahren (1954) traten Hautblutungen, H~maturie, Bauch- und Gelenk-

schmerzen auf. Es wurden eine An~mie und Thrombopenie, spgter Leukopenie und MilzvergrSl3erung festgestellt. Wiederholt traten ]eichte BilirubinerhShungen, z. T. mit geringer Retieulocytose auf. Schon darnels war der Junge ausgesproehen hoeh- wiichsig. 1956 wurde eine Milzexstirpation vorgenommen, wobei man eine grob- knotige Lebercirrhose fund. Die hgmatologischen Befunde blieben seitdem unauf- f~llig, auch traten hgmorrhagische Sehiibe nicht mehr aus 1957 wurde die Leber- cirrhose bioptisch ernent gesichert, das Grundleiden abet noch nieht diagnostiziert.

Als die Anamnese 1959 mi~ den Eltern noehmals besproehen wurde, ergab sich, dal~ der Junge bereits im 2. Sehuljahr durch seine monotone und wenig artiku]ierte, schnelle Spraehe aufgefallen war. Sp~ter wurde auch das Schreiben unsauber, vor allem, wenn der Junge mfide war. Diese Symp~ome wurden yon den Eltern ebenso wie 1957/58 gelegentlieh beobaehtete ausfahrende Bewegungen, Fallenlassen yon Gegenstgnden usw. als Unart und allgemeine Nervositgt gedeutet.

~. Franz Ke., 9 J., win'de im September 1958 der Universit~ts-Kinderklinik K61n /iberwiesen (Arch. Nr. 1719 u. 2999/58/59). Er stammt aus einer weitgehend gesunden Familie und hat einen jetzt 5~j5hrigen Bruder (Heinz Ke. s. u.). Ver- wandtenehen sind auch bier auszusehlieBen.

Naeh asphyktischer Geburt und den tibliohen Kinderkrankheiten war die Ge- samtentwicklung des Jungen verz6gert. Er war immer ein mgBiger Sehfiier, ging abet bis zum Sommer 1958 zur Sehule. Von April 1958 ab fiel ein etwas steifer, un- beholfener und unsicherer Gang auf. Der linke Arm wurde etwas nach hinten ge- streekt gehalten und wenig mitbewegt. Ab August entwiekelte sich eine zunehmende

* Ffir die Erlaubnis, den Patienten in die Arbeit einzubeziehen, sind wir Herrn Prof. Dr. W~wsg~c~r~ nnd Herrn Priv.-Doz. Dr. ZEI~ zu besonderem Dank ver- pfliehtet.

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Uber die Wilsonsehe Krankheit 129

Nervositgt und dann sehr schnell ein schweres parkinsonistisohes Krankheitsbild mit lZigor, Hypomimie, Hypersalivation, Akinese und Dysarthrie.

Bei der Aufnahme war neben diesen Symptomen vor allem die ZwangshMtung des Iinken Armes im 8inne einer Torsionsdystonie auffgllig (Abb. 1), der IZigor kaum zu fiberwinden. Die Symptomatologie war links star- ker ausgeprggt, der Babinskilinks angedeutet positiv. Bei weiten Pupillen fand sich eine tr~ge Lichtreak- tion. Psychisch fiel der Junge durch eine unterdureh- schnittliche Intelligenz (I. Q. nach BINET-Sh~ION 0,91), Unbestgndigkei~, Antriebsschwgche and Af- fektlabilitgt auf. Die Stimmung war meisb lgppiseh- eupborisch, zeitweise abet gereiz~ his zu unmotivier- ten Wutausbriichen.

Internistiseh bestand ein Milztumor ohne Zeiehen einer portalen Hypertonie. Der Junge war iibergrog. und nicht auffgllig pigmentiert. Die ~berprfifung der Leberfunktion ergab niehts besonderes. Bei einer Angmie yon 9,8 g-~ waren die Leukoeyten eher erh6ht.

Die Diagnose wurde dureh Naehweis des Corneal- rings und die typisehen biochemischen Befunde ge- sichert: Serumkupfer 40 Y-~o, Oxydase-Aktivit~t 0,017 P~avin-E, Urinkupfer 53 y - ~ o - ~45 y/die (Mit- !!i ~!i~/i~ tel aus 35 behandhmgsfreien Tagen). Die Amino- aeidurie lag trotz des fortgesehrittenen Krankheits- " i,,;~,~ bildes mit 27 mg-% -- 234 rag/die nicht sieher fiber :: den Normalwerten.

BAL and kurzfristige PenicilIaminbehandtung braehten eine passagere Besserung der Parkinson- symptome and ein Abblassen der Farbintensitgt des CorneaMngs (Untersuchung in der Universitgts- Augenklinik KSln, Direktor: Prof. v. HOFE). Sparer sehritt die Krankheit wieder fort. Eine konsequente Weiterbehandlung war aus gul3eren Grtinden bisher nieht mSglich*.

Bei einer Famfl ienunte rsuchung warden yon 31 lebenden Mitgliedern I9 Personen er- faBt (Abb. 2). Sie boten in ihrer pers6nliehen Abb. 1. Pat. Franz lre. mit torsionsdystoniseher IIaltung Anamnese niehts besonderes. Bes t immt wur- des linken Armes. Charakte-

ristisch sired tier vorgeneigte den Serum- a n d Urinkupfer , zum/iberwiegen- Kop~ bei vermehrter Lenden-

lordose trod tier offenstehende den Tell auch Serumeisen, Bluteiweil3k6rper ~u~a

* Nachtrag bei der Korrektur. Am 1, 3. 1960 verstarb der Patient unter dem Bild einer hyperpyretisehen Grippe. Die im Pathologiseh-anafomischen Institu~ der Universitgt K61n (Direktor: Prof. Dr. Dr. H~I~LEI~) dureh Prof. Dr. VOL- LAXD durchgeffihrte Obduktion ergab die fiir die Wilsonsehe Krankheit typisehe grobknotige Leberdrrhose mit Milzsehwellung. Das Getdrn war makx'oskopisch bis auf einen leiehten Hydrocephalus internus unauffgllig. Mikroskopisch fanden sich im Nissl-Prgparat, namentlieh im Stirnhirn, sehr reiehlieh Alzheimersehe Glia- zellen besonders vom Typ I I (naekte Glia-Kerne). Daneben bestand eine teils ka~arrhalische, teils hamorrhagisehe Tracheobronchitis.

Z. Kiuderhei lk . , Bd. 8~ 9 a

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130 J , LANGE und H. HAGER:

und a-NII2N im Urin. Mit einer Ausnahme konnten keine Abweiehungen yon der Norm gefnnden werden (Serumkupfer 103--178 y-~ Urin-Cu 0--13 Y-~o, a-NH~N 15--35,6 mg-~o, Serumeisen und Elektrophorese- werte unauffallig). Der Brnder des Kranken (Heinz Ke. Arch. Nr. 2467 u. 3000/58/51) zeigte hingegen bei Fehlen yon Wilson-Symptomen und Cornealring eine ko~stante Kypoeupr/~mie (29,5 y-c/o), verminderte Oxy- daseaktivit/it (0,02 E nach RAvin) und erhbhte Cuprurie (22 y-% = 112 y/die). Wie bei dem schwerkranken Bruder Franz Ke. war die Amino- acidurie mit 39 mg-% ~ 172 mg/die nicht eindeutig vermehrt.

#.Ks. /l.Ke.

Nbb. 2. Stammbaum tier Famflie Ke. O nicht untersueht, G u~tersueht, �9 krank, ID latent krank

In di//erentialdiagnostischer Hinsicht haben Ps und Internist vor allem die Friihstadie~ des Wilson-Typs und die abdominelle Verlau/s/orm zu ber/ieksiehtigen. Der Milztumor kann hierbei sehr groB sein (Abb. 3), so dab die mit Milzvergr6Berung einhergehenden Blutkra,nkheiten ab- zugrenzen shad. Wie der mitgeteilte FaiI 2 besonders gut zeig~, smite man auch bei unklaren Panhgmocytopenien im Kmdesalter ebenso an einen incipienten M. Wilson denken wie bei fltiehtigen hgmolytisehen Krisen. Weiterhin kommen das sog. Banti-Syndrom und vor ahem die kindliehe bzw. jugendliche Lebereirrhose in Betraeht. I-Iierbei sollten immer spezielle Untersuehungen angestellt werden, um einen oligosymptoma- tisehen M. Wilson nieht zu fibersehen. Von den neurologisehen Krank- heitsbildern im Kindesalter sind bei entspreehender Symptomatik die idiopathisehe Torsionsdystonie, die zwisehen dem 5. und 13. Lebensjahr beginnt, und f}fihauftretende versteifende F~lle yon Chorea Huntington auszuschliegen. Eehte ehoreatisehe BewegungsstSrungen shad beim M. Wilson allerdings selten. Aueh verh~lt sieh die familiare Belastung infolge des untersehiedliehen Erbgangs anders. Die beim M. Wilson im fort- gesehrittenen Stadium hgufigen psyehisehen Alterationen kSnnten ge- legentlieh an eine beginnende Hebephrenie denken lassen. Das Fehlen oder Vorhandenseha neurologiseher Symptome wird aber die Unter- seheidung in der Regel leieht maehen.

Die Therapie kann so lange nieht kausal sein, als die pathogenetisehen Zusammenh~nge noeh nicht klargestellt sin& Die bislang zur Verftigung

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13ber die Wilsonsche Kr~nkheit 131

stehenden Mal3nahmen richten sieh, wenn man yon den Versuchen der Coeruloplasmin-Substitution dutch BmKEL und Mitarbeiter 4 absieht, aus- sehlieBlieh gegen die pathologisehe Kupferanh'~ufung. Eine entspreehende Digtftihrung unter Zugabe yon Kaliumsulfid (3real 0,02/die), dutch das das Nahrungskupfer in eine unresorbierbare Form iibergef/ihrt wird, reieht zur Negativierung der Bilanz nicht aus. Auf MASD~LB~OTE und Mi~- arbei~er is gehen Versuehe zuriiek, dutch Gabe yon Komplexbildnern die Cuprurese zu verstgr- ken. Relativ zahlreiche Untersuehungen befassen sich mit British-Anti-Lewisit (BAL), dureh das deutliehe Besserungen erzielt werden konnte 9, i6 Weitere Versuehe sind mit den Salzen der Aethy- lendiamintetraessigsgure (ADTE) unternommen worden s, 7. Da einige Autoren eine quantitat ive Beziehung zwisehen Cuprurie und Aminoaeidurie festgestellt haben, hat man den Effekt yon par- enteralen EiweiBgaben auf die Kupferaussehei- dung gepriift. Die ErgebnLsse all dieser Versuehe waren sehr untersehiedtieh und wenig befriedi- gend. Uber eigene Erfahrungen hat der eine yon uns 1958 beriehtet 16. Eine mfil3ige und bald er- sehSpfbare Anregung der Cuprurese wurde nnr dutch BAL (Sulfaetin-Homburg) erzielt, das im Falle K. D. aueh eine gewisse Besserung gebraeht hatte.

Wenn man davon ausgeht, dab Kupfer die Organe seh~digt und damit letzten Endes das klinisehe Bfld maggeblieh bestimmt, so sind vor allem die Substanzen von Interesse, die eine starlce und anhaltende Cu2)rurese bewi~'tcen. Diese Eigen- sehaft hat bisher allein das yon WAr, SHE gefun-

A b b . 3. R i e s e n h a f t e r Milz- dene und in die Theraloie des M. Wilson einge- t~mor, Gynakomastie trod ffihrte Penicillamin 3 1 a - - d Es handelt sieh hier- ~usgesproehener t t o c h -

�9 w n e h s bei P a t . I-I. D, (16 J . )

bei um ein •, /~-Dimethylcystein, dessert SI{- Gruppen stabil sind und eine starke Cu-Affinitgt besitzen. Sein cupru- retiseher Effekt ist naeh den bisherigen Untersuchungen eindeutig besser als der yon BAL 16, ~o, sl

i~ber die kgnisehe Wirkung yon Penieillamiu bei insgesamt 25 Wilson- Kranken haben SEVEN und Mitarbeiter 2s, FISTER und ~Iitarbeiter 11 und kiirziieh WALSHE 32 beriehtet. 22 der Patienten sind in versehiedenen Krankenhgusern behandelt und yon WAnSHE gesammelt worden. Naeh mehrmon~tiger bis 2js Behandlung kam es in 8 Fs zu einer

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132 J. LAXGE und H. HAOE~:

prak~isch v611igen und ~nhaltenden Remission. Trotz gMchguten cuprure- tischen Effektes reagierten 4 Patienten klinisch nicht, ohne dab hierfiir bisher eine Erkls mSglich ist. Die iibrigen Patienten zeigten eine m~Bige bis gute Rfickbildung yon Symptomen, sie wurden zum fiber- wiegenden Teil aber nur kurzfristig behandelt. Der yon WALSHE an- gestellte VergMch mit der Wirkung von BAL fiel eindeutig zugunsten yon Penicillamin aus s2. Von 14 mit BAL behandelten Patienten wurde nur bei einem eine befriedigende Remission erzie]t. Aueh bei a]ternierender Behandlung erwies sich Pencillamin in 2 F~llen als deutlich fiberlegen.

Bei den eigenen 3 Patienten und dem asymptomatischen Bruder It. Ke. wnrde die Wirkung yon Penicillamin, BAL (Sulfaetin-Homburg), Thioctsgure (Fa. Homburg) und Reducdyn auf Cuprurese und Amino- acidurie geprfift. Das letztgenannte Prs wird zur Behandlung yon Schwermetallvergiftungen empfohlen. Es besitzt als Mischung yon Homo- cysteinthiolakton, Cystein und Fructose stoffweehselaktive SH-Grnppen ahnlich dem Penicillamin und BAL.

Die Ergebnisse bei den 3 Wilson-Kranken H. D., M. Kr. und F. Ke. sind in den Tabellen 1--3 zusammengestellt, die kurzfristige Test- behandlung yon H. Ke. in Tabelle 4. Diese zeigen:

1. Bei etwa gleichhohen Ausgangswerten fiir das Urinkupfer der 3 Kranken und geringeren Konzentrationen bei H. Ke. fiihrten geduedyn und Thioetss nicht zur Verst~rkung der Cuprurese. Zu einem ahnlieh negativen l~esultat ist WALSHE mit Methionin, Cystein, Tetramethyl- eystein, Cystamin, Alanin, Thioharnstoff und Diaethyldithioterephtal- saute gekommen 31 c. Wahrsehein]ieh werden die Sg-Gruppen dieser Sub- stanzen oxydiert und verlieren dadurch ihre F~higkeit zur Bfldung yon stabilen Metallkomplexen.

2. Su]factin hatte bei Tagesdosen von 200--300 mg in 2--3t~gigen Intervallbehandlnngen mit Einsehaltung von 3--~ therapiefreien Tagen eine mggige Vermehrnng der Cuprurese zur Folge, die abet das Doppelte der Ausgangswerte nieht fiberstieg. Eine Negativierung der Cu-Bilanz ist damit wahrseheinlieh nieht erreieht worden. Tggesdosen yon 100 mg waren bei H. Ke. und F. Ke. nieht effektiv.

3. Penlcillamin fiihrte bereits bei Dosen yon 0,3 g/die zu einer ver- st/~rkten Cuprurese, die bis zu 0,9 g/die zunahm und in eindeutiger t~e- lation zur Dosis stand. Eine weitere Dosissteigerung auf 1,2 g/die er- braehte im Falle K. D. (Tabelle 1) ebensowenig eine zusgtzliehe Mehr- ausseheidung wie die Kombination yon 1,2 g Penieillamin mit 300 mg BAL. Bemerkenswert ist die Feststellung, dag der eupruretisehe Effekt praktiseh unabhgngig yore K6rpergewieht zu sein seheint. Dieses dif- ferierte bei dem Patienten erheblich (s. Tabellen 1--r Trotzdem sehieden sie etwa gleiehe Nengen yon Kupfer aus.

Page 9: Über die Wilsonsche Krankheit

Ober die Wflsonsche N_rankheit 133

Tabelle 1. Patient K.D. (Pseu Zusammenfasung aus 2 lgngeren 1~

T h e r & p i e I

1. Ohne Therapie i 84

2 BAL (300 rag/die in 2--3 T~gesperioden) i

i 3, Reduedyn I

a) 2 • 10 ema/die i.v. i 9

b) 3 • I0 ema/die i.v.

4. Thioetsgure 3 • 2 Amp/die

5. Penicillamin ~) 1,2 g/die 30

b) 1,2 g/die + 300 mg BAL/die i 4

i c) 0,90 g/die 18

d) 0,75 g/die

e) 0,6 g/die

f) 0,45 g/die

g) 0,3 g/die

"Pseudosklerose-Typ), 27 J., 73 kg K6rpergewlcht. Behandlungsperioden der Jahre 1958 und 1959

Urin-Cu y- % y/die

74

48 593

D &net (T~ge)

987

77 705

44 669

47 637 ! - -

i

200 2985

175 3428

223 2810

! 1 166 2320

. . . . . . . i 3 3 ! 1s--iV

. . . . . . . ~ 139 i 17os

[ 1 ~ 1210

~XH2XimUrin mg-% mg/die

59,5 569

55 782

55 521

66 1007

65 902

58 710

57 800

56 ._ 728

58 i 709

53 715

Tabelle 2. Patient M. Kr. (Wilson-Typ), 13 J., 44 kg KSrpergewicht

T h e r a p i e

1. Ohne Therapie

2. BAL (200 rag/die in 3 Tagesperioden

3. Thioetsgure 2 • 2 Amp./die

4. Penieillamin a) 0,9 g/die

b) 0,6 g/die

e) 0,45 g/die

I--

Dauer Urin-Cu (Tage) y- % y/die

I 23 37 409

�9 78,2 787

43 461

22 218 2491 . . . . . i

6 i 259 2115

1824

~Nt~N ira Urm rag- % mg/die

37,2 404

37,4 370

4 3 , 4 459

43,9 509

404

oT- 544

Page 10: Über die Wilsonsche Krankheit

134 J. LA~G~ un4 H. HAGER:

4. Bei den 3 Kranken wurden an beh~ndlungsfreien Tagen im Mittel 593 7 (K. D.), 409 7 (M. Kr.) bzw. 449 y Cu (F. Ke.) im Urin gefunden, unter 0~9 g Penicillamin 3008 y, 2491 y bzw. 3078 y. Daraus ergibt sich eine t~gliche Mehrausscheidung yon 2,4, 2,1 bzw. 2,6 mg Cu. D~ die

T~belle 3. Patient F. Ke. (Wilson-Typ), 10 J., 38 kg KSrpergewicht

T h e r a p i e D a u e r ~1 U r i n - C u ' a N H ~ N i m U r i n (T~ge) y - % y /d i e r a g - % ! r a g / d i e

i

1. Ohne Therapie 35

2. BAL ~) 100 rag/die

b) 200 rag/die

3. lleduedyn ~) 10 cm3/die i.v.

b) 20 eroS/die i.v.

4. Penicillamin ~) 0,9 g/die

b) 0,45 g/die

53 i I

4 4 9 _ 27

53 545 25 . . . . . . . J

79 663 i 21

5 58 516 33

55 501 38 I - -

5 298 3078 25 . . . . I - -

234

259

177

298

339

242

278

Tabelle 4. Asymptomatischer Wilson - - Bruder H. Ke., 4 ~ J., 19 kg K6rpergewicht

Ther~pie

1. Ohne Therapie

2. BAL (100 rag/die)

3. l~eduedyn a) 2 • 5 cruZ/die i.v.

b) 3 • 2 Bohnen oral/die

I D a u e r ( T a g e )

i

3

_ _ ~ 3 - - - i 3

U r i n - C u

v- % v-d ie ]

22 112

24 100

2 2 51

10 57 38 !

I 32 251 26 I

I I ~ N H ~ N i m U r i n i

r a g - % ] nag /d i e i

39 172

145

! 42 281

189

4. Penieillamin a) 0,9 g/die 129

b) 0,45 g/die 105

Pat ienten Cu-arm ern~hr~ wurden und vor den M~hlzeitea 0,02 g K~S erhielten, kSnnte diese ErhShung der Cuprurese zur Nega~tivierung der Kupferbil~nz ausreichen.

5. Zwischen Cuprurese and Aminacidurie fanden sich keinerlei Kor- reutionen. Trotz der hohen Kupfer~usscheidungen unter PencJllamin blieben die a-NH2-N-Werte unver~ndert .

Page 11: Über die Wilsonsche Krankheit

1Jber die Wilsonsche Krankheit 135

6. Die dureh Pencillamin erreiehte Cuprurese ist erheblich gr6Ber und anhMtender als der durch BAL erzielte Effekt.

Die klinische Wirksamkeit ist bei den eigenen Patienten noeh nieht endgfiltig zu beurteilen. F. Ke. konnte bisher nur kurzfristig behandelt werden. M. Kr. erh/~lt Penieillamin seit 3 Monaten. Das Krankheitsbild ist seitdem nicht mehr fortgesehritten. M/~Big gebessert sind Spraehe und Bewegungsst6rungen, eine vermehrte Salivation besteht nicht mehr. Der Patient K. D. haste berei~s friiher mit einer passageren Besserung des Tremors reagiert. Jetzt erh/~It er Penieillamin seit 2 Monaten, ohne dab bisher eine wesentliche J~nderung eingetreten ist.

Eine langfristige Behandlung ist notwendig, die um so aussichtsreicher ist, je /riiher die Diagnose gestdlt vdrd, was bei friihzeitigem Verdacht heute m6glich sein sollte. Wfinschenswert w/ire auch die prophylaktisehe BehandIung priiklinischer Fglle, wie sie yon uns bei dem Bruder It. Ke. jetzt begonnen werden soll. Leider kann aber der klinisehe Effekt im EinzelfM1 bisher noeh nieht vorausgesagt werden. Nach den yon W~U~SHE gemeinsam mit anderen Autoren gesammelten Erfahrungen ist zudem mit einer li~ngeren Latenz bis zum Wirkungseintritt zu rechnen 32. Ein Behandlungsversueh kann daher evtl. erst naeh 4--6 Monaten als ge- lungen oder geseheitert betraehtet werden. Einem derartigen Vorgehen sollten die relativ hohen Kosten des Penieillamins*, die pro Patient tag- lich etwa 20,-- DM betragen, aber aus verschiedenen Grfinden nicht ent- gegenstehen. Einmal scheint es in einem relativ grogen Prozentsatz der F~lle zu gelingen, wesentliche l~emissionen herbeizuffihren. Zum anderen ist yon einer weiteren klinisehen Prfifung des Penieillamins am ehesten eine Antwort auf eine Reihe noch oftener pathogenetiseher Fragen zu erwarten. Es kommt hinzu, dag Penieillami~ im Vergleich zum BAL kaum je Nebenwirkungen hervorruft und peroral fiber 1/~ngere Zeit ver- abfolgt werden kann, ohne dab die Patienten st~ndiger stationarer Be- handlung bedfirfen. Die genaue /~rztliche Uberwachung ist allerdings notwendig, um die k]h~iseli-therapeutische Prfifung und spittere Aus- wertung optimal zu gestalten.

Zusammenfassung

Nach einleitender Darstellung der klinischen Erscheinungsformen der hepatocerebralen Degeneration und ihrer biochemisehen Abnormitgten wird fiber 3 eigene Beobachtungen, das Ergebnis einer Familienunter- suehung mit Auffindung eines pr~klinischen Falles und die derzeitigen therapeutischen M6g]iehkeiten berichtet. Besondere Berfieksiehtigung fand dabei das Penicillamin, das zu einer weir st~rkeren und anhaltenderen Cuprurese ffihrt als z. B. British-Anti-Lewisit (BAL). Naeh den bisherigen

* Hersteller: Distillers Company, BiochomicMs, Liverpool.

Page 12: Über die Wilsonsche Krankheit

136 J. LAlgGE n n d I-~. ~AGER: U b e r die Wilsonsehe K r a n k h e i t

Erfahrungen besitzt Penicillamin auch einen eindeutig besseren klinischen Effekt, der allerdings in einigen F/~llen trotz ausgiebiger Cuprurese aus- bleibt, ohr~e dag hierffir eine Erkl/~rung gegeben werden kann. Trotzdem eine sich aussehlieglieh gegen die Kupferanh/tufung im Organismus riehtende Therapie wahrscheinlich nieht kausal ist, sind weitere Versuehe mit Perdeillamin aus/~rztlichen und wissensehaftlichen Grtinden angezeigt.

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P r ivaMozen t Dr. J . LA~a~, Medizinisehe Universi t~tskl inik, Bonn-Venusberg, Dr. H. I-IAa~l~, Univers i t~ts-Kinderkl in ik , KSln-Lindentha l , L indenburg