Über die rolle der hypophyse in der Ätiologie des chronischen glaukoms

9
(Aus der Universitg~s-AugenMinik Debrecen. --- Direkgor: Prof. Dr. A. Kettesy.) Uber die Rolle der gypophyse in der Jitiologie des chronischen Glaukoms. Von Dr. Josef Tat~h', Assistent der tKlinik. Die Frage der Genese des I)rimgren Glaukoms liegt -- obwohl unsere Kenntnisse yore Glaukom in den letzten Jahrzehnten erweitert und seine Pat,hologie yon versehiedenen Seiten beleuehtet wurden -- in fast v611igem Dnnkeln. Zahlreiehe Theorien sind entstanden, die die tokMen anatomisehen Ver~nderungen (Abfhlgbehinderung), andere wieder, die die Vermehrung der Kammerwasserprodnktion (Hypersekretion) als aussc.hlaggebende Faktoren hervorhoben. Die Theorie der Volumen- vermehrnng yon GlaskSrper and Aderhant f~nd Anhgnger in der neueren Zeit. Obwoht diese Theoriei1 a, nerkannte, manchmM aueh bewiesene Grfinde hal ten, konnten sie nieht einen Mlgemein gewiirdig~en Platz einnehmen, da die Grundgedanken sehr wenig praktiseh Verwendbares (vielleicht auger den Fistelopexationen) hervorbmehten. Dagegen wnrden die im ganzen Organismns liegende Ursaehen in den legzten Jahren in immer st'~rkerem Mage bea,chtet, da~ dies auch in der Therapie Nutzen brachte. Seit den Publikationen yon Imre fanden dis Hormone ein Mlgemeines Interesse. Vor allem sehefl~t die I-Iyl0ophyse in der Frgge des intra. oknlaren Druckes und des Glaukoms die gr68te P~olle zu spielen. Die gxundlegende Axbeit yon Imrs zeigte anf diesem Gebiete die l~iehtungen, in denen weitere Untersnchnngen und Versuche zur KI/~rung der Frage nOtig waren. Die erst.en Beobaehtnngen fiber den Zusammenhang der Itypophyse nnd des intraokularen Druekes bzw. Glaukoms ma.ehte er bei sehwangeren Frauen. Er fand bei 42 yon 50 Sehwangeren einen uuffMlend niedrigen Tensionsdurehsehnitt (12 mm ttg). Die niedrigsten ~¥erte der Tension sah er bei Schwangeren, die i~ugerlieh Anzeiehe~ eines tIyperpitnitarismus wghrend der GraviditSot armghmen. Bestand aueh keine tIypogonie, so war eine ungew6hnlieh groi3e Differenz zwisehen dem intraokularen Druek der Angen zu best~itigen. Ansnahmsweise be- obachtete er relativ nnd absolnt h6here Tensionswerte, jedoeh ohne andere Symptome des Gta, ukoms. Seiner ~Beobaehtung nach tritt ein wirkliehes Glaukom wSohrend der Schwangerschgft besonders selten anf. Zo~hlreiehe Nachuntersuehungen zeigten, dab der niedrige Augendruek ein fast st~ndiges [Begleitsymptom der Gravidit~t ist. So ist der durchsehnitttiehe Weft des intraokularen Druckes nach Marx 14,8 (r. A.)- 16,3 (1. A.) mm tIg, ungef~hr 4 mm niedriger Ms die dnrehsehni~ttiehe Tension der I7"

Upload: josef-tatar

Post on 18-Aug-2016

212 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Über die Rolle der Hypophyse in der Ätiologie des chronischen Glaukoms

(Aus der Universitg~s-AugenMinik Debrecen. --- Direkgor: Prof. Dr. A. Kettesy.)

Uber die Rolle der gypophyse in der Jitiologie des chronischen Glaukoms.

Von Dr. Josef Tat~h',

A s s i s t e n t der tKlinik.

Die Frage der Genese des I)rimgren Glaukoms liegt - - obwohl unsere Kenntnisse yore Glaukom in den letzten Jahrzehnten erweitert und seine Pat, hologie yon versehiedenen Seiten beleuehtet wurden - - in fast v611igem Dnnkeln. Zahlreiehe Theorien sind entstanden, die die tokMen anatomisehen Ver~nderungen (Abfhlgbehinderung), andere wieder, die die Vermehrung der Kammerwasserprodnktion (Hypersekretion) als aussc.hlaggebende Faktoren hervorhoben. Die Theorie der Volumen- vermehrnng yon GlaskSrper and Aderhant f~nd Anhgnger in der neueren Zeit. Obwoht diese Theoriei1 a, nerkannte, manchmM aueh bewiesene Grfinde hal ten, konnten sie nieht einen Mlgemein gewiirdig~en Platz einnehmen, da die Grundgedanken sehr wenig praktiseh Verwendbares (vielleicht auger den Fistelopexationen) hervorbmehten. Dagegen wnrden die im ganzen Organismns liegende Ursaehen in den legzten Jahren in immer st'~rkerem Mage bea,chtet, da~ dies auch in der Therapie Nutzen brachte.

Seit den Publikationen yon Imre fanden dis Hormone ein Mlgemeines Interesse. Vor allem sehefl~t die I-Iyl0ophyse in der Frgge des intra. oknlaren Druckes und des Glaukoms die gr68te P~olle zu spielen. Die gxundlegende Axbeit yon Imrs zeigte anf diesem Gebiete die l~iehtungen, in denen weitere Untersnchnngen und Versuche zur KI/~rung der Frage nOtig waren. Die erst.en Beobaehtnngen fiber den Zusammenhang der Itypophyse nnd des intraokularen Druekes bzw. Glaukoms ma.ehte er bei sehwangeren Frauen. Er fand bei 42 yon 50 Sehwangeren einen uuffMlend niedrigen Tensionsdurehsehnitt (12 mm ttg). Die niedrigsten ~¥erte der Tension sah er bei Schwangeren, die i~ugerlieh Anzeiehe~ eines tIyperpitnitarismus wghrend der GraviditSot armghmen. Bestand aueh keine tIypogonie, so war eine ungew6hnlieh groi3e Differenz zwisehen dem intraokularen Druek der Angen zu best~itigen. Ansnahmsweise be- obachtete er relativ nnd absolnt h6here Tensionswerte, jedoeh ohne andere Symptome des Gta, ukoms. Seiner ~Beobaehtung nach t r i t t ein wirkliehes Glaukom wSohrend der Schwangerschgft besonders selten anf. Zo~hlreiehe Nachuntersuehungen zeigten, dab der niedrige Augendruek ein fast st~ndiges [Begleitsymptom der Gravidit~t ist. So ist der durchsehnitttiehe Weft des intraokularen Druckes nach Marx 14,8 (r. A . ) - 16,3 (1. A.) mm tIg, ungef~hr 4 mm niedriger Ms die dnrehsehni~ttiehe Tension der

I7"

Page 2: Über die Rolle der Hypophyse in der Ätiologie des chronischen Glaukoms

254 Josef Tat~r:

nicht Sehwangeren. Der intraokulare Druek erh0h~ sieh 18 Tage nach der Entbindung durehsehnittlieh um 2--2,5 mm Hg. Diese Zahlen- angaben wurden von Illa~iotti, Ga~'o/alo, Savignoni und GrOsz best~tigt. Rizzo land normMe Werte, anerkennt jedoeh, daB die Tension der Schwangeren niedriger ist a.ls die der YV6chnerinnen. Gurvic land bei den meisten Schwangeren normMe Tensionswerte und nur in 6,6% Werte unter 13 mm Hg.

IYeitere Untersuchungen yon Imre beweisen, dab die Graviditgt nieht nur den intraokularen Druek herabsetzt, sondern auch das Glaukom giinstig beeinflu6t. Diese Best/ttigung wird neben anderen Beobachttmgen durch einen charakteristischen Fall unterstiitzt, bei dem die Patientin am Tage vor der 2vIenstruation einen akuten Gtaukomanfall bekam. Das Glaukom heilte w~hrend der Gravidit~t aus, um nach einem kfinst- lichen Abort eine schwere Form anzunehmen. In der Sehwangersehaft kommt Glankom ~ugerst selten 'gor.

Imre glaubte, dab die Hypotonie des Auges wi~hrend der Graviditit h~Tophysi~ren Urswungs sei, ebenso wie die gtinstige Beeinflussung des Glaukoms dureh die Sehwangersehaft. Daher wollen wit die Veri~nde- rungen, die sieh in der Hypop.hyse w/ihrend der Schwangerschaft ab- spielen, n/~her betraehten.

Es ist bekarmt, dab der Hypophysenvorderlappen sich w&hrend der Gravidit~ vergrSgert und dab in seinen chromophoben Zellen eosinophile KSrnehen erseheinen. Diese vergrSBerten ehromophoben Hauptzellen mit feinen eosinophilen KSrnehen werden nach .Erdheim nnd Ntumme Sehwangersehaftszellen genannt. Die KSrnehen erseheinen im 3. Monat tun nach der Gebm't zu versehwinden.

Nach diesen Beobaehtungen hat Imre seine Untersuehungen fiber das Verhalten des intraokularen Druekes bei den verschiedensten Stgrungen der Hypophyse dargelegt. Bei dem eosinophflen Adenom des Hypo- physenvorderlap~ens (Akromegalie) land er niedrige Tensionswerte. Es ist bemerkenswert, dab er in einem FMle yon Akromegalie mit herab- gesetztem intraokul~ren Druek nach Besserung der Hypophysenerkran- kung durch RSntgenbestrahlnng normale Werte fand. Diese Beob- achtungen wurden, sp~er dutch die Angaben yon Csapody und Freytag unterst/itzt,.

Imre nahm fiir den niedrigen intraokularen Druek, sowie das/~uBerst seltene Vorkommen wie auch den gtinstigen Vertauf des Glaukoms wfi, hrend der Gravidit~& ebenso ftir die niedmigen Tensionswerte bei intra- sell~ren Tumoren hypophys/~re Ursaehen an. Andere Beobachter, die diese Angaben best~tigten, versnehten die Hypotonie meistens mit physikoehemisehen Vergnderungen des Blutes oder mit den Einfltissen anderer endokriner Organe zu erklgren.

Die wiehtige golle der Hypophyse in der gegutierung des intra- okularen Druckes wurde seit den Beobaehtungen yon Imre vielfaeh be-

Page 3: Über die Rolle der Hypophyse in der Ätiologie des chronischen Glaukoms

Rolle der Hypophyse in der ~tiologie des chronischen Glaukoms. 255

wiesen. So land Ndnay im Jahre 1924 eine beiderseitige starke Hypotonie (8 mm Hg) bei dem Gumma der PIypophyse. Die Versuche yon Yama- shita, die auf Grund der ]3eobachtungen yon Imre bei Kaninchen aus- geffihrt wurden, zeigen, dab die I-Iypophyse eine groBe l%olle in der Regulierung des intraokularen I)ruckes spielt. Nach der partiellen Ex- stirpation der Hypophyse fand er ngmlich hohe intraokulare Druckwerte ohne sonstige Glaukomzeichen. Diese ErhShung des intraoku]aren Druekes war unabhgngig yon dem Blutdruck. Vor der Menstruation zeigt die Tension erhShte \Verte (Larsen), wghrend der Menstruation finden wir dagegen einen niedrigen intraokularen Druck. Wir wissen, da.B die rhythmiseh alternierende Gesehleehtsfunktion der Fran yon den Hypophysenprolanen ausge]Sst xvird, die yon den basophilen Ze]len des Hypophysenvorderlappens dutch die Blutbahn an die Keimdriisen abgegeben werden. Wir vermnten yon dieser physiologischen Sehwanknng der Tension, dal~ die basophflen Zellen an der Regulierung des intra- okularen Druekes im 8inne einer Steigerung teilnehmen, da die Prolane bekanntlich in den Tagen vor der Menstruation in erhShtem Mal~e ab- gegeben werden. Eben diese rhythmisehe Sehwankung der Tension zeigt, da{~ die l%egulierung des intraokularen Druekes nieht yon den Hormonen der Ovarien, sondern yon der Hypophysentgtigkeit abhgngt.

Im Morbus Cushing hat uns die l~*atur ein Experiment vorgeffihrt, aus dem wir reiche pathologische Erkenntnisse gewinnen kSnnen. Diese schwere Erkrankung, die das Leben der erkrankten Person ungemein schnell beendet, gibt uns wertvolle Aufsehlfisse fiber die Funktion der Hypophyse. Im Morbus Cushing beschrieben die Autoren oft Seh- stSrungen (Nebelsehen now.) aus unbekannter Ursache. Bei diesen meist jungen Individuen besteht fast regelmgBig, wie die Beobachtungen yon Tatdr, D~rer und Kop], Grdsz u.a. beweisen, eine dauernde oder in Paroxismen auftretende TensionserhShung oder sogar Glaukom. Diese Erseheinung ist um so interessanter, da diese jungen Patienten keine Glaukomzeiehen aufweisen. Die zuweilen vorkommende Einschrgnkung der Gesichtsfelder ist das einzige Begleitsymptom des Glaukoms. Be- merkenswert ist bei dieser Krankheit die grol~e Differenz zur g]eichen Zeit zwisehen der Tension beider Augen in dem Sinne, dab die Augen alternierend h6here Druckwerte aufweisen.

Auf Grund der oben genannten Beobachtungen kSnnen wir behaupten, dab die Iqypophyse zweifellos nieht nut in der Regulierung der Tension, sondern auch in der )itiologie des Glaukoms eine wichtige Rolle spielt. Die Beobachtung yon Yliiller, der yon 25 Glaukompatienten in 3 Fgllen eine Deformation der Sel]a beschrieb, zeigt, dab eine VergrSl~erung der Hypophyse bei G]aukom vorkommt.

Vergleiehen wit diese Ergebnisse unter dem Gesiehtspunkte, weleher Tell der Hypophyse beim Glaukom eine ha'ankheitverursachende Rolle spielen kann, so k6nnen wit jedenfalls feststellen, dai~ der Hinterlappen

Page 4: Über die Rolle der Hypophyse in der Ätiologie des chronischen Glaukoms

256 Josef Ta~gr:

nut in negativem Simle wirkt; yore ~tiologischen Gesichtspnnkte aus kommt er nicht in Frage.

Betra.chten wit den g~nzen Fragenkomp]ex in bezug auf das Gta.ukom bei 3~Iorbus Cushing, so entfaltet sich erst die Ro]le der tIypophyse.

Die Grundursache des Leidens hat Cushing in einer Hyperpl~sie bzw, in einer Geschwulst der basophilen Zellen des tIypophysenvordcr- lappens gngegeben. Die Zellenvermehrung k~rm in Form eines einhei> lichen Tumors, in Form yon disseminierten Kn6t, chen oder MoB in einer diffusen Vermehrung der basophflen Zetlen vorkommen. Stecknadei- kopfgTol~e Adenome k6rmen schon 8ymptome hervorrufen (Bauer).

Alle diese Symptome des Morbus Cushing sind gusschliel~lich auf eine vermehrte Absonderung yon I-Iormonen der bgsophilen Zellen zm~iick- zufiihren, auf jene Hormone, deren gr6Bter Teil - - nach der f6rdernden Wirkung a,uf die endokrinen Org~ne - - such Stimuline ge~a,nnt werden.

Betrachten wir die jungen Personen mit l~iorbus Cushing, oder deren Glaakomsymptome, oder sogar Gla, ukome ohne jede Konst&utions- anomMie der Augen, so taucht der Gedanke a~uf, dab wir diese Glaukom- erscheinungen nur auf die vermehrten basophilen Hormone zurfiek- ffihren k6nnen,

Diese Annahme wird noeh stgrker erhgrtet, wenn wir d&s Syndrom Morbus Cushing als einen pathologischen Znstand betrgchten, bei dem in einem abnorm friihen Lebensa,bschnitt eine Reihe yon mal3Ios tiber- triebenen Alterskomplik~tionen hervortreten. Ngeh Raab ist. im 3~orbus Cushing eine Reihe der hgnfigsten Alterskomplikgtionen in. die wenigen Jahren der Krankheit zusammengedrgngt : die Arteriosklerose mit hohem Blutch"nek, der Elastizitgtsverlust der Hgut, die senile Osteoporose und Xyphose, das ErlSsehen der Sexn~lfunktion, der Fettbanch, der Bart- wuehs der postklimakterischen Frauen, die Abnahme der geistigen Funktionen, der senfle Dia, bet, es usw,

Bemerkenswert ist der Znsa.mmenhang, wem~ wit zu diesen Alters- erseheinungen das Glaukom hinz~hlen. Das Glaukom iat bekanntlieh vorzugsweise eine Erkmnkung des hSheren Lebensalters. Naeh Angaben yon Lghlein und Rohner kam das primgre Glaukom bei 3204 Fgllen pra,ktiseh nut tiber dem 40. Leber~sjahre vor. Die Hfinfigkeitskurve des Glaukoms steigt%on den sehr niedrigen Zatllen der jiingeren Jahre his zum '7. Jahrzehnge des Lebens sehr regelmgBig.

Wir wissen, dab die eosinophilen Zellen des Vorderlappens mit den vorrt~ckenden Lebensjahren stgndig abnehmen. Dggegen treten die baso- philen Zellen mit dem vorriiekenden Alger normalerweise gegentiber den anderen Elementen immer mehr in den Vordergrund (Rutishauer). Eine basophile Zellenwucherung ist iibrigens bei seniler Osteoporose, Nephro- sklerose ange~roffen worden, wie a, nch beim Itochdrnck mit Fettleibigkeit (Berbg~ger, Kraus) die basophilen Zellen besonders stark vermehrt vor- gefunden wurden.

Page 5: Über die Rolle der Hypophyse in der Ätiologie des chronischen Glaukoms

Rolle der ttypophyse in der -~tiologie des chronischen Gl~ukoms. 257

Im Sinne unserer Hypothese k6nnen wir die gr6Bere H&ufigkeit des prim&ren Glaukoms im h6heren Alter erkl~ren. Die hypophys~re Genese des prim&ren Glaukoms wizd dutch die grSBere H~ufigkeit der Krankheit bei Frauen unterstiitzt. Bekanntlieh ist die I-Iypophyse der Frauen physiologiseh Gr6Bensehwankungen unterworfen: w/thrend und naeh der Graviditat vermehrt sieh die Hypophyse an Gr6ge und Gewieht, da sie liir das Waehstum des I(indes zu sorgen hat. In Anbetraeht dieser grSBeren Inunspruehnahme der Hypophyse ist das Verh/iltnis der Glau- komerkrankung bei Frauen und M&nnern yon 6:5 (Priestley-Smith), 5:4 (Schmidt-Rimpler) oder 3:2 (Luque) leieht zu erkl~ren.

Anf Grund dieser Auffassung verstehen wit die TensionserhShung~ die Yamashita bei Kaninchen dm'eh die iourtielle Exstirpation der Hypo- physe erzielte. Die Symptome: die TensionserhShung smvie die Er- h6hung des Blutdruekes i~folge des tYberge~ehts des eortieotropen ttor- mons spreehen dafiir, dab es sich hier wahrseheinlich um die Exstirpation des Hinterl~ppens hundelte.

Unsere Theorie und deren Beweise kSnnen ~qr in folgendem zusammen- fassen:

1. Die tIypophyse spielt eine wichtige, vielleieht die wichtigste Rolle in der Regulierung des intraoknlaren Druekes.

2. Die basophilen Zellen des ttypophysenvorderlappens spielen wahr. seheinlieh mit einem noeh nieht isolierten Hormon die dirigierende l~olle des intraokularen Druekes dadnreh, dab sie nicht nut in einer positiven, sondern aueh in einer negativen R.iehtung die Tension regulieren. Ihre ttyperplasie oder vermehrte Funktion erhSht den intraokularen Druek, ihre Abn~hme oder I-Iormonarmut erniedrigt die Tension. Die l~egu- liemng des intraokularen Druekes auf diese Weise udrd dutch folgende Beobaehtungen bewiesen:

Nit dem zunehmenden Alter nimmt die Prozentzahl der Glaukom- erkra, nkung bekanntlieh mit geometriseher Progression zu. Die baso- philen Zellen treten mit vorriiekendem Alter gegeniiber den anderen tlypophysenzellen immer mehr in den Vordergrund (i2utishauer).

])er intraokulare Druek der Sehwangeren ist sehr niedrig, Glaukom- erkrankung kommg ~ul~erst setten vor. ])as etwa bestehende Glaukom wird w~Lhrend der Graviditgt kompensiert; naeh der Geburt werden die Gl~ukomsymptome wieder manifest (Irate, Marx, Mariotti, Ga,ro]alo, Savignoni und Grdsz.)

In der Akromegalie, verursa.eht dureh eosinophiles Adenom bzw. dutch die Wueherung der eosinophilen Zellen, tritt eine ttormonarmut der basophilen Zellen wegen des ])ruekes auf die ben~ehbarten basophilen Zellen auf. Bei dieser Krankheit iinden wit stets niedrige intraokul~re Druekwerte (Irate, Csapody, Nreytag).

Bei Dystrophi~ ~diposogenitalis (Typ Babinslci-FrShlich), bei der prim/~ren Unterfunktion der ehromophilen (eosinophilen und b~sophilen)

Page 6: Über die Rolle der Hypophyse in der Ätiologie des chronischen Glaukoms

258 aosef Tat,£r:

Zellen des Hypophysenvorderlappens ist die Tension niedriger (Csapody, 2'reytw).

Der hypophysgr bedingte Kretinismus ist auf den 5{angel an Sehild- drfisen anregenden Thyreostimulin, gebildet yon den basophilen Zellen des Vord.erlappens, zuriickzufiihren. Bei Kretinismus land Csapody niedrige Tensionswerte.

Im Morbus Cushing handelt es sieh mn ein basophiles Adenom oder um eine tIyperplasie der basophilen Zellen des Vorderlappens. Bei dieser Krankheit treten oft erhShte Tension und Glaukom auf (D&er und Kop/, Tatdr, Or&z).

Bei MyxSdem bedingt dutch primate Insuffizienz der Sehilddriise, vermehren sich die basophilen Zelien kompensatoriseh. Die Folge dieser Vermehrung ist eine Erh{Shung der Thyreostimulinwerte (Aron, Pang und Nielaen). Bei dieser Krankheit linden wit gering erhShte Tensions- werte (E. Fuchs, freytag).

Die Knochenbriiehigkeit mit blauen Skleren ist naeh den Sehrifttums- angaben eine heredodegenerative Krankheit. Es besteht jedenfalls bier eine gesteigerte Abgabe des Proparathyreins, wie im Morbus Cushing. Aueh bei dieser Krankheit war die ErhOhung des Augendruekes zu be- obaehten (Caapody).

Die meisten endokrinen Driisen sind der Hypophyse untergeordnet und so erhie]t sie die Bezeiehnung ,,endokriner 5Iotor", ,,Dirigent des endokrinen Orehesters" und ghnliehe. Die Hypophyse steht in einer regen Weehselwirknng, obgleieh sie die fiihrende Nolle spielt, mit allen endokx~nen Organen. Diese ~Veehselwirkungen sind aueh heute l~eht ganz !dar gesteltt. So ist es begreiflich, daf3 dutch die zusammenhgngende endokrine ]~Sanktion viele Einzelheiten noeh nicht verfolgt werden kSnnen, doch spielt sie nnserer Ansicht naeh bei diesen pathologisehen Augen- ch'nekver~nderungen die ftihrende Nolle.

Der Hinterlappen wirkt in der 1Regulierung des intraokularen Druekes mit. Die Hormone des Hinterlappens k6nnen aber die Tension nieht erh6hen, nut vermindern. Naeh den bisherigen Erfahrungen war bei den Kr~nkheiten des Hinterlappens hie erhShte Tension oder Glankom zu beobaehten. Der IIinterlappen spielt jedoeh mit seiner krgftigen druek- senkenden Wirkung keineswegs eine untergeordnete Nolle. ~ber diese Rolle ~dssen wir Einzelheiten nur aus der Hormontherapie, da bier N~ankheiten attl3er dem Diabetes insipidus nieht bekannt sind. Im gn- sammenhange mit dem Diabetes insipidns sind his heute kei~e Tensions- vergndernngen beka~mt. Die yon i]liiller angegebenen Beziehnngen zwisehen intraokuIarem Druek und Diabetes insipidus fanden bisher keine Anerkennung. Der ~Vasser- und Salzhaushal~ des Anges ist sehr getrennt ~rom Orggnismus, so bleibt aneh die Tension bei dieser Kr~nkheit anf der norm~len H~he.

Page 7: Über die Rolle der Hypophyse in der Ätiologie des chronischen Glaukoms

Rolle der I~ypophyse in der -~_giologie des chronischen Glaukoms. 259

Sehr reiehe Ergebnisse braehten bier die Versuehe mit dem TotM- extrakt und mit den im Jahre 1928 yon Kamm hergestellten zwei Frak- tionen: mit dem Oxytoein nnd Vasopressin. Der TotMextrakt des Hinter- lappens erniedrigt nicht nnr den Druck des gesunden Menschenauges (SamojloH, Lmachi, Takano, Taratin, Kapuscinski u.a.), sondern aueh den pathologiseh erh6hten Druek, wie die Beobachtungen yon Irate, Kapuscinski, SamojloM, Ma]oros, Tatdr u. a. beweisen. Weitere Versuche und Beobaehtungen yon Holtz und Jancke, Franceschetti und Schl@pi, sowie die therapeutischen Versuehe yon Tatdr an einem g¢/3Beren Kranken- material zeigten, daft der Hintertappenextrakt mit seinem Vasopressin- inhMt wirkt; der Oxytocinfaktor hat auf den intmoknlaren Druck keine Wirkung. Der Tr/iger der drucksenkenden Wirkung ist ein wahrscheintieh noch unbekanntes Hormon der Vasopressingrnppe, die 4 bisher bekannte Hormone enthglt.

Die Wirkungsweise des tfypophysenhormone ist noch unbekannt. Wir wissen noeh nicht, ob sie direkt oder durch den IIypothMamus wirken. Die ttormone des Vorderlappens scheinen dutch die Blutbahn direkt, die des Hinterlappens indirekt dutch die Zentren des 3. Ventrikels zu wirken. Die Untersuchungen yon Cushing lassen vermuten, daft die Hormone des Hinterlappens ihre Wirkung dutch das parasympathische Nervensystem entfMten. Die Beobachtungen yon Mi~ller sprechen dafiir, daft der Wirkungstrgger des Hinterlappens durch den ad Maximum er- h8hten Tonus des Dilatator pupillae seine Wirkung ausiibt und mit einer gesteigerten Abfuhr des Kammerwassers in den Schlemmsehen Kanal die Tension erniedi'igt. Auch die experimentellen Versuche yon Yamashita scheinen diese Theorie zu erhgrten.

Die lgolle der I-Iypophyse in der Regulierung des intraokularen Druekes ist dureh die obigen Angaben umsehrieben. Wie schon erwghnt wnrde, sind auch alle anderen physiologischen und pathologischen intraokularen Druckvergnderungen, die im Zusammenhange mit den endokrinen Organen auftreten, wahrseheinlich anf eine indirekte tI~Tophysen- wirkung zurtiekzufiihren. Die iokMen Vergnderungen und Abweichungen im Bau des Auges, ~de Itypermetropie, flaehe, klei~e Hornhgute bedenten nur eine Disposition, die sich bei der StSrung des Hypophysengleich- gewichts im Gtaukom manifestieren kSnnen. Zur weiteren Klgrung des Zusammenhanges zwischen Fiypophyse und Tension bzw. Glaukom wgre es unbedingt n6tig, eine genaue pathohistologisehe Untersuehung der Hypophyse bei der Sektion jener Personen, die an Glaukom gelitten haben.

Man kOnnte sagen, daft Mle diese SekretionsstSrungen tier Hypophyse nut geringe Drueksteigerungen oder mgftig herabgesetzte Tension, jedoeh kein Glaukom verursaehen kOrmen. Tatsgehlieh linden wir bei der ge- ringen StOrung der Druekreg311ierung hypophysgren Ursprungs, wie bei der Akromegalie, Graviditgt, Dystrophia adiposogenitMis usw. gufterst

Page 8: Über die Rolle der Hypophyse in der Ätiologie des chronischen Glaukoms

260 Josef Tat~r:

selten Tensionssehwankungen ~uBerhMb der physiologischen Grenze, und mit Anwendung der ttypophysenhormone yon voriibergehender Wirkung verm6gen wit nur kurzdauernde Drueksehwankungen zu erzielen - - oder leiehte G!aukome - - bei denen das Hormongleiehgewieht der tIypophyse nut wenig gest6rt ist, mit t~gliehen I)osen des Hinterlappenextra.ktes zu kompensieren° J)oeh linden ~Jr in der Literatur zahlreiehe Berichte, die fiber grSBere St6rungen des endokrinen Gleiel~gewiehts und infolge dieser St6rung fiber dauernde Drnekerh6hungen referieren, bei denen sieh sp/~ter aueh die andere Glaukomsymptome meldeten. Wie grog diese hormonalen StSrungen sein k6nnen, zeigen F/~lle mit extremer Hypotonie, bei denen die basophilen Zellen zerst6rt win'den (Nd~ay), des weiteren die F~lle bei Morbus Cushing (Tatdr, Grdsz, Dgrer und Kop[), bei denen trotz des Fehlens Mler pr~disponierenden N[omente infolge einer enormen Vermehrung der ba.sophilen Zellen ein symptom- a.rmes Glaukom auftritt.

Vor der Beendigung dieser St.udie mSehten wir noeh auf einige grund- s~tztiehe Probleme hinweisen. Der Organismus bildet noI~Merweise Hormone nur nach Bedarf. Wit sollen daher die Hormone auch in pathologisehen l~gllen nur naeh Bedarf dosieren. Ein l~berflu8 des ge- wfinsehten I-Iormons wird im Urin ausgesehieden, oft wiederholte starke Hormonmengen sehfidigen die leidenden Drfisenpartien. Eine M6glichkeit der Bildnng yon Antihormonen zwingt uns nut kurzda, uernd, h6chstens mit mittleren Dosen, nStigenfMls nut in grN3eren Zeitabstgnden wiederholt zu arbeiten. Von der bisher bestens bewghrten Vasopressinfmktion sind meistens nut kurzd~uernde Drnckerniedrigungen zn erwarten. V0n einer ehirurgisehen Endokrlnot.herapie (Transplantation des Hinterlappens usw.) erhoffen wit" in der Zuknnft mehr Erfolg.

Epikrise: Die neueren ~]rkenntnisse fiber die Hypophyse klgrten die ]4tiologie zahlreieher Erkrankungen. Die Augengrzte interessierten sieh sehon lange ffir die ProbIeme der Hypophyse. Es ist eine alte Wa.hrheit: ,,Das Ange ist der Spiegel der Hypophyse.': Dieses Zitat seheint sieh dnreh nenere Beitrgge noeh starker zu bestgtigen.

Zusam~nen[assung. Der Zusammenh~ng zwischen St6rungen der Hypophysenfunktion

und Glaukom ist vielf~eh bewiesen. Zahlreiehe Beobachtungen und Ver- suche zeigen des weiteren, d~8 die Hypophyse eine wichtige I~olle in der t~egMierung des intmokul~ren Druckes ausfibt. Der kausa.le Zusammen- hang is~ abet bisher n/eht klar; wit verffigen fiber keinen [email protected], auf den wit Mle Beobachtungen, VersuehsresMta.te und die Ergebnisse der Beziehungen zwisehen Hypophyse und intraokularen Druek bzw. Glankom in einem einheittiehen System aufbauen k6nnen.

Glaukomffi.lle, die der Autor bei Morbus Cushing beobaehtete, sowie die Best~tigung dieser Befunde yon anderen Autoren, des weiteren die

Page 9: Über die Rolle der Hypophyse in der Ätiologie des chronischen Glaukoms

Rolle der Hypol~hyse in der 2~_tiologie des chronischen Glaukoms. 261

kausa le Analyse anderer Beziehungen zwischen Hytoophyse u n d Tension zeigten, dab die vorherrsehende Rolle in der Regul ierung des Augendruekes die basophilen Zellen des Hypophysenvorderlappens spie len . Dieser Ge- d~nke wurde dureh die grOgere H ~ u f i g k e i t des Glaukoms im hOheren 'Alter, sowie durch die Beobaeh~ungen des in t r aoku la ren Druekes be i :~3~romega]ie, D y s t r o p h i a adiposogeni ta l is , Kre t in i smns (hypophys/~r be- dingt) , MyxSdem, Knoehenbrf ichigkei t m i t b]auen Skleren, Morbus Cushing, des wei teren in der Sehwangersehaf t nn~erst t i tzt . Die H y p e r - funk t ion bzw. die Vermehrung der basophi len Zellen erh6ht die Tension, de r S e h ~ a n d der basophi len Zellen bed ing t einml niedr igen in t r aoku la ren Drnek.

Die Hormone des H in t e r l appens erniedr igen die Tension, sie s ind abe t n icht ims tande , den in t r aoku la ren Druek in pos i t ivem Sinne zu be- ein/lussen.

Der Wi rkungsmechan i smus der Hypophyse nho rmone ist noeh n ieht gekl/~rt. Nach Ans ieh t des Autors is t der grSBte Tell der p r imgren Glaukom_f/~lle, besonders das chronische Glaukom, als 5{anifestat ion eines gestSr ten Hypophysengle ichgewiehts aufzufassen.

Schrifttum. Accardi: Boll. Ocul. 1926, 167--177. - - Csapody: Klin. Mbl. AugenheiLk. 70,

111--123 (1923). - - Freytag: Klin. Mbl. Augenheilk. 72, 515--522 (1924). Garo/alo: Clin. oste~r. 1928, 701--712. - - Grdsz: Annales d'Ocul. 1987. - - Szem6szet (ung.) 1940, 35--40. - - Grdsz 6s Patat: Orvosk6pz6s (ung.) 1986, 177--183. --- Gurvic: Russk. oftalm. 1929, 540--543. - - Holtz u. Jancke: Naunyn-Schmiedcbergs Arch. 1936, 494--502. - - Irate: Orv. Hetil. (ung.) 1920, 291--294. - - Endocrinology 1922, 213--217. - - Arch. of Ophthalm. 1924, 205--227. - - Klin. Mbl. Augenheilk. 73, 206--208 (1924). - - Concilium Ophthalmologicum Egypte, Vol. 15, p. 213--226. 1937. - - Jeandelize and Drouet: Concilium Ophthalmologicum Egypte, Vol. 15, p. 229--400. 1937. - - Kapuscinski: Bull. Soc. fran. Ophtalm. 1925, 640---646. - - Kessel: Erg: inn. 5{ed. 1936, 620--678. - - Larsen: Zbl. Ophthalm. 32, 578 (1935). --- l~F4ller: Wien. klin. Wschr. 192411, I270--1271. - - Nastri: Boll. Ocul. 1986, 612--626. Niehans: Die endokrinen Drfisen des Gehirns. Bern 1938. - - N6nay: Klin. Mbl. Augenheitk. 72, 24t (1924). - - Raab: Wien. klin. Wschr. 1934 I, 1034--1039. - - SamojIo/]: Russk. oitalm. 1926, 722--730. - - Sc~lzitti: Soc. ital. Oftal. 1926, 14--16. Szily: Zbl. 0phthalm. 3, 97--133 (1921); 82, 97--125 (1935). - - Tatdr: Graefes Arch. 139, 793--800 (t938). - - Klin. )fbI. Augenheilk. 108, 737--744 (1942). - - Yamashita: Jber. Kurashiki-Z. Hosp. 1938, 161--177, 179--187. - - Acta Soc. ophthalm, j~p. 1933, 713--716.