ueber die gewinnung der chinasäure aus dem kraute der heidelbeeren (vaccinium myrtillus)

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108 Z w e n 9 e r , iiber die Gewinnung Ueber die Gewinnung der Chinasaure aus dem Kraute der Heidelbeeren (Vaccinium Myrtillus) ; von Constantin Zwenger. Im vorigen Jahre wurde aus meinem Laboratorium von Hrn. UI o t h eine Abhandlung ,,Ueber Brenzcatechin und Ericinon' *) veroffentlicht, worin unter Anderem nachgewie- sen ward, dafs der eingedampfte wasserige Auszug von ver- schiedenen Pflanzes aus der Fainilie der Ericineen bei der trockenen Destillalion gewohniich neben Brenzcatechin einen neuen Korper, das Ericinon , liefere. Sowohl die Forniel dieses Korpers [C24H1209 = 2 (C12H604) + 01, als auch namentlich die Bildung von Chloranil, die so leicht und voll- standig beim Bchandeln des Ericinons mit chlorsaurem Kali und Salzsaure einzutreten pflegt, brachten mich auf die Ver- mulhung , dafs dieser K6rper vielleicht der Chinongruppc angehoren konne. In Folge dessen veranlafste ich H e m S. S i e b e r t, die Zersetzungsproducte der Chinasaure bei hoherer Temperatur einem genaueren Studium zu unterwerfen, weil ich hoffte, auf diese Weise das Ericinon in grofserer Quantitat gewinnen zu konnen. Bei dieser Gelegenheit stellte sich bald heraus, wie ich in einer spateren Abhandlung ge- meinschaftlich mit Hrn. S ie b e r t nachweisen werde, dafs die Chinaslure bei der trockenen Destillation , je nachdem sie im gebundenen oder freien Zustande sich befindet , bald Hydrochinon, bald Ericinon liefert, wid dafs ferner bei Zer- setzung der chinasauren Salze , namentlich des chinasauren Baryts, sich stets Brenzcatecliin unter den Destillationspro- *) Diese Annalen CXI, 215.

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108 Z w e n 9 e r , iiber die Gewinnung

Ueber die Gewinnung der Chinasaure aus dem Kraute der Heidelbeeren (Vaccinium Myrtillus) ;

von Constantin Zwenger.

Im vorigen Jahre wurde aus meinem Laboratorium von Hrn. UI o t h eine Abhandlung ,,Ueber Brenzcatechin und Ericinon' *) veroffentlicht, worin unter Anderem nachgewie- sen ward, dafs der eingedampfte wasserige Auszug von ver- schiedenen Pflanzes aus der Fainilie der Ericineen bei der trockenen Destillalion gewohniich neben Brenzcatechin einen neuen Korper, das Ericinon , liefere. Sowohl die Forniel dieses Korpers [C24H1209 = 2 (C12H604) + 01, als auch namentlich die Bildung von Chloranil, die so leicht und voll- standig beim Bchandeln des Ericinons mit chlorsaurem Kali und Salzsaure einzutreten pflegt, brachten mich auf die Ver- mulhung , dafs dieser K6rper vielleicht der Chinongruppc angehoren konne. In Folge dessen veranlafste ich H e m S. S i e b e r t , die Zersetzungsproducte der Chinasaure bei hoherer Temperatur einem genaueren Studium zu unterwerfen, weil ich hoffte, auf diese Weise das Ericinon in grofserer Quantitat gewinnen zu konnen. Bei dieser Gelegenheit stellte sich bald heraus, wie ich in einer spateren Abhandlung ge- meinschaftlich mit Hrn. S i e b e r t nachweisen werde, dafs die Chinaslure bei der trockenen Destillation , j e nachdem sie im gebundenen oder freien Zustande sich befindet , bald Hydrochinon, bald Ericinon liefert, wid dafs ferner bei Zer- setzung der chinasauren Salze , namentlich des chinasauren Baryts, sich stets Brenzcatecliin unter den Destillationspro-

*) Diese Annalen CXI, 215.

der Chin.as8ure (GUS dent Kraute der Heidelbeeren. 109

ducten findet. Diese Thatsachen in ihrem ganzen Zusammen- hang machten es mir nicht unwahrscheinlich, dafs die Pflanzen aus der Familie der Ericineen Chinaslure enthalten konnten, und Versuche, die ich in dieser Richtung durch Hrn. S i e b e r t rnit der Heidelbeerpflanze anstellen liefs , bestatigten voll- kommen diese Vermuthung.

Urn die Chinasaure aus dem Heidelbeerkraut zu gewin- nen, wurde die frische im Mai gesammelte Pflanze rnit Wasser unter Zusalz von Aetzkalk ausgekocht, die abgeprefste Lo- sung eingedampft und der geloste chinasaure Kalk durch Weingeist gefallt. Der entstandene klebrige Niederschlag wurde sodann in Wasser gelost, mit etwas Essigsaure an- gesauert und die Farbstoffe und sonstigen Unreinigkeiten durch neutrales essigsaures Bleioxyd ausgefallt. Das durch Schwefel- wasserstoff vom uberschussigen Blei befreite Filtrat gab, nachdem es zur Syrupconsistenz eingedainpft worden war, bei rnehrtagigem Stehen eine reichliche Iirystallisation von chinasaurem Iialk. Den durch wiederholtes Unikrystallisiren ziemlich rein gewonnenen chinasauren Kalk loste man darauf in Wasser , zersetzte ihn durch eine entsprechende Menge Schwefelsaure und dampftu dann die vom schwefelsauren Kalk getrennte Flussigkeit auf dem Wasserbade ein. Der syrupdicke Ruckstand wurde in gewohnlichem Weingeist gelost und durch Verdunsten der Liisung schiefe rhombische Prismen gewonnen, die alle bekannten physikalischen Eigen- schaften der Chinasaure bcsaben. Sie reagirten und schmeck- ten stark sauer, scliinolzen bei hoherer Temperatur ohne beim Erkalten wieder krystallinisch zu erstarren, und lieferten namentlich beim Erhitzen mit Braunstein und Schwefelsaure das so leicht zu erkennende Chinon. Das aus den gewonne- nen Krystallen dargestellte Barytsalz gab bei der trockenen Destillation neben Hydrochinon auch Brenzcatechin. Die Iden- titat dieser SWure mil Chinaslure, die keinem Zweifel unter-

110 Z w enge l . , Cltinasatire aus Heidelher-Kraut,

liegen konnte , fand auch dutch die Analyse ihre Be- staligung.

I, 0,1692 Grm. bei 100° C. getrocknete Substanz gaben rnit Kupferoxyd und zuletzt in1 Sauerstoffstrorne ver- brannt 0,270 Grm. Kohlensaure und 0,0993 Grm. Wasser.

11. 0,2566 Grm. Substanz gaben 0,1412 Grm. Wasser. gefunden

--- Aeq. berechnct I. 11.

14 Aeq. Hohleostoff 84 43,75 43,50 - 12 ,, Wasserstoff 12 6,25 6,52 6,37 12 ,, Sauerstoff 96 50,OO 49,98 -

192 100,OO 100,OO.

0,2098 Grrn. des bei 120° C. getrockneten Kalksalzes hinterliehen nach dem Gluhen 0,0499 Grrn. kohlensauren Kalk = 13,31 pC. Kalkerde. Die Formel C14H11Ca012 ver- langt 13,27 pC. Kalkerde.

Die Ausbeute an Chinasaure ist nach dieser Methode ziemlich bedeulend, so dafs sich leicht aus einigen Karben Heidelbeerkraut uber eine Unze Chinasaure gewinnen liifst.

Die Chinasaure wurde bekannllich bis jetxt nur in der Chinarinde gefunden, und dieses ist der Grund, warurn sie seither irn Handel so ausnehrncnd hoch irn Preise stand, walirend von nun an diese S l u r e selbstverstandlich, da die Bereitungskosten nach der rnitgetheilten Darstellungsrnethode nur unbedeutend sind, zu den wohlfeileren organischen Sau- r e n gehoren wird und auch wohl in Folge dessen bald eine technische oder medicinische Anwendung Gnden durfte.