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J. WEIS, Die katalytischen Eigenschaften und die Primhtruktur 149 -. Uber Beziehungen zwischen der Struktur und den katalytischen Eigenschaften von alkalifrei hergestellten kristallinen und nichtkristallinen Aluminiumoxiden. 11) Die katalytischen Eigenschaften und die Primarstruktur Von J. WEIS Mit 11 Abbildungen Inhaltsiibersicht Aluminiumhydroxide und -oxide wurden nach unterschiedlichen Verfahren kristallin und nichtkristallin hergestellt. Daraus wurden durch Gliihen zwischen 400" und 1000 "C Reihen von Oxiden gewonnen. Von den Oxiden wurden die Dehydratisierungsaktivitaten und rontgenographisch die kristallinen Anteile gemessen. Es wird gezeigt, in welcher Weise nichtkristalline Tonerdeanteile in den kristallinen Zustand iibergehen und wie durch diesen ifbergang die Aktivitaten beeinflul3t werden. In jeder Oxidreihe tritt bei einer bestimmten Gluhtemperatur ein Aktivitatsmaximum auf, dessen Lage mit dem kristallinen Anteil zu- sammenhangt. Summary Aluminium hydroxides and oxides were prepared as crystalline or amorphous specimen and converted at 400-1000 "C into oxide samples whose crystallinities and activities on dehydration processes have been measured. The mode of the conversion amorphous-to- crystalline and its influence on the activity is investigated. A temperature dependent activity maximum is observed being correlated with the degree of crystallinity. 1. Einleitung In der Technik werden katalytjsch aktive Tonerden (z. B. y-Al,O,, q-Alz03) in der Regel durch Gluhen von kristallinen Aluminiumhydroxiden wie Bohmit, Bayerit oder deren Mischungen gewonnen. Es ist bekannt, daB rontgenographisch identifizierbare kristalline Ton- erden noch ungeordnete nichtkristalline 2) Bereiche aufweisen konnen. Diese werden als ,,rontgenamorph" bezeichnet. Nichtkristalline Tonerdeanteile konnen beim thermischen Abbau von partiell nichtkristallinen Aluminium- hydroxiden auftreten. Nichtkristalline Hydroxidanteile kommen haufig vor. J. WEIS, Auszug aus der Dissertation, Humboldt-Universitat Berlin 1966. 2, Vgl. Erlauterung im Abschn. 2.3.

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Page 1: Über Beziehungen zwischen der Struktur und den katalytischen Eigenschaften von alkalifrei hergestellten kristallinen und nichtkristallinen Aluminiumoxiden. I. Die katalytischen Eigenschaften

J. WEIS, Die katalytischen Eigenschaften und die P r i m h t r u k t u r 149

-. Uber Beziehungen zwischen der Struktur und den katalytischen Eigenschaften von alkalifrei hergestellten kristallinen und nichtkristallinen Aluminiumoxiden. 11)

Die katalytischen Eigenschaften und die Primarstruktur

Von J. WEIS

Mit 11 Abbildungen

Inhaltsiibersicht Aluminiumhydroxide und -oxide wurden nach unterschiedlichen Verfahren kristallin

und nichtkristallin hergestellt. Daraus wurden durch Gliihen zwischen 400" und 1000 "C Reihen von Oxiden gewonnen. Von den Oxiden wurden die Dehydratisierungsaktivitaten und rontgenographisch die kristallinen Anteile gemessen. Es wird gezeigt, in welcher Weise nichtkristalline Tonerdeanteile in den kristallinen Zustand iibergehen und wie durch diesen ifbergang die Aktivitaten beeinflul3t werden. I n jeder Oxidreihe tritt bei einer bestimmten Gluhtemperatur ein Aktivitatsmaximum auf, dessen Lage mit dem kristallinen Anteil zu- sammenhangt.

Summary Aluminium hydroxides and oxides were prepared as crystalline or amorphous specimen

and converted at 400-1000 "C into oxide samples whose crystallinities and activities on dehydration processes have been measured. The mode of the conversion amorphous-to- crystalline and its influence on the activity is investigated. A temperature dependent activity maximum is observed being correlated with the degree of crystallinity.

1. Einleitung In der Technik werden katalytjsch aktive Tonerden (z. B. y-Al,O,,

q-Alz03) in der Regel durch Gluhen von kristallinen Aluminiumhydroxiden wie Bohmit, Bayerit oder deren Mischungen gewonnen.

Es ist bekannt, daB rontgenographisch identifizierbare kristalline Ton- erden noch ungeordnete nichtkristalline 2) Bereiche aufweisen konnen. Diese werden als ,,rontgenamorph" bezeichnet. Nichtkristalline Tonerdeanteile konnen beim thermischen Abbau von partiell nichtkristallinen Aluminium- hydroxiden auftreten. Nichtkristalline Hydroxidanteile kommen haufig vor.

J. WEIS, Auszug aus der Dissertation, Humboldt-Universitat Berlin 1966. 2, Vgl. Erlauterung im Abschn. 2.3.

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150 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 354. 1967

Sie sind z. B. daran zu erkennen, da13 trotz der rontgenographisch gut defi- nierten Hydroxidphase der entsprechende Wassergehalt vom stochiometri- schen lTerh%1tnis abweicht.

Ein groder Anteil von amorphen Produkten entsteht nach NORDSTRAND, HETTINGER und KEITH3) bei der Darstellung von Nordstrandit. POHL, MEISSNER und STEINERT*) zeigen, dad bei definierten Faillungen von Aluminiumhydroxidgemischen zu betrachtlichen Anteilen rontgenamorphes Hydroxid anfallt. Die Darstellungsparameter (Falltemperatur, pH-Wert usw.) mussen sich in engen Grenzen bewegen, wenn der Anfall von rontgenamor- phen Fallanteilen verhindert werden soll. HENRION und BREMER~) messen den zeitlichen Verlauf der Kristallisation von Bayerit. Danach sind z. B. 24 Stunden Alterungszeit er- forderlich, bevor das amorphe Gel (FBllung aus Aluminiumnitratlosung mit NH,) zu SOY0 zu Ba.yerit kristallisiert ist.

Tonerden mjt nichtkristallinem Charakter sind katalytisch wenig aktiv. In diesem Zusammenhang mifit STEINIKE 6 , fur Tonerden mit zunehmendem nichtkristallinem Anteil einen Abfall der Dehydratisierungsaktivitat. In der Literatur wird haufig der Gang der katalytischen Aktivitiiit in unter- schiedlichen Tonerdereihen 7, verglichen. Die Tatsache, da13 die einzelnen Ausgangssubstanzen der Reihen z. T. in sehr unterschiedlichem Grade kri- stallisiert sind, bleibt vielfach vollig unbeachtat.

Aus diesem Grunde haben wir an vier Temperreihen die Zusammenhiinge zwischen katalytischen Eigenschaften und der Primiirstruktur von nicht- kristallinen Tonerden bzw. nichtkristallinen Anteilen in Tonerden in Ab- hangigkeit von der Gliihtemperatur bis 1000 "C untersucht,.

2. Experimentelles 2.1.1. D a r s t e l l u n g u n d Analyse. Die Ausgangssubstanzen wurden alkalifrei dar-

gestellt. Alkalien sind selbst durch Dialyse aus den Hydroxiden schwer auszuwaschen und konnen die dehydratisierungsaktiven Zentren vollstandig vergiften 9).

P r o b e P 1 : Ein nichtkristallines Hydroxid-Gel wird nach TEICHNER~~) durch Einleiten von Ammoniakgas in eine methanolische Losung Ton Aluminiumchlorid erhalten. Wir fallten bei -5 "C in 90 Minuten jeweils aus einer Losung von 35 g AlCI, . 6 H,O in 1 1 Methanol. Der pH-Wert stieg von 5 zu Beginn der Fallung auf 7 gegen Ende der Fallung (Unitestpapier). Der Niederschlag wurde abgenutscht und in einem Soxhlet mit Methanol zur Entfernung des NH,Cl extrahiert.

3) R. A. VAN NORDSTRAND, W. P. HETTINGER u. C. D. KEITH, Nature [London] l i 7 ,

4, K. POHL, D. MEISSNER u. W. STEINERT, Z. anorg. allg. Chem. 343, 39 (1966). 6 ) G. HENRION u. H. BREMER, Z. Chem. 6, 157 (1966). 6 , U. STEINIKE, 2. anorg. allg. Chem. 335, 78 (1966). 7 Unter einer ,,Rehe" werden alle bei unterschiedlichen Gluhtemperaturen aus ein

und derselben Ausgangssubstanz (z. B. Al-Hydroxid) hergestellten Tonerden verstanden, wobei alle ubrigen Bedingungen konstant gehalten sind.

8) CHR. OEHME, Dissertation, T H Dresden 1960. g, H. PINES u. W. 0. HAAG, J. Amer. chem. SOC. 82, 2471 (1960). 10) ST. TEICHNER, C. R. hebd. SBances Acad. Sci. 246, 1429 (1958).

713 (1956).

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J. WEIS, Die katalytischen Eigenschaften und die Primarstruktur 151

P r o b e P 2: Na,ch BERGMANN, TORKAR und EQQHART~~) entsteht bei der Hydrolyse von Aluminiumathylat in 30proz. H,O, bei 0 "C ein nichtkristallines Hydroxid-Gel. Wir tropften schmelzfliissiges Athylat in H,O, von -5 "C ein. Der pH-Wert war bestandig bei 4,5. Nach zweistiindiger Alterung wurde das Gel abgenutscht und iiber P401, im Vakuum getrocknet.

P r o b e P 3 : Bei der thermischen Zersetzung von Aluminiumathylat, das unter Normal- druck bei 320 "C siedet, entsteht nichtkristallines Aluminiumoxid12). Detaillierte Angaben zum Zersetzungsverlauf macht P0HLl3). Wir destillierten das Athylat in einen Quarzkolben ein. Der Kolben wurde bis zur vollstkindigen Umwandlung des Athylates in Oxid langsam bis 475 "C hochgeheizt. Das Oxid fie1 schaumkorundartig an.

P r o b e P 4: Wir hydrolysierten im Trockenkasten zerkleinertes Athylat bei 85 "C uber 65 Stunden zu Rein~t-Bohrni t l~) . Das schlecht filtrierbare Gel wurde in einer BECK- MAN-Zentrifuge bei 40 000 U/min sedimentiert. Das Rontgendiagramm zeigte phasenreinen Bohmit .

P r o b e P 5 : Diese Ausgangssubstanz war Leuna-Tonerde b 3. Diese kristalline tech- nische Tonerde stammte aus Aluminat-SalpetersCure-Flllungen. Rontgenopaphisch lag Bohmit vor.

Aluminiumathylat : Die Darstellung erfolgte nach einer Patentvorschriftl5). Wir gingen von Aluminiumband (99,99yo ; Merck) aus.

Die Wassergehalte wurden nach sechsstundiger Trocknung der Substanzen bei 110 "C durch Gluhen bei 1200 "C iiber 4 Stunden ermittelt :

Substanz16) P 1 P 2 P 3 P 4 P 5 Wassergehalt (yo) 30,32 22,38 1,70 18,72 19,02

Die theoretischen Wassergehalte sind fur

Trihydroxide = 34,65y0 und fur Oxidhydroxide = 15,02y0. Die Bestimmung der Fremdkomponenten erfolgte spektralanalytisch. Die Alkaligehalte

sind bei allen Ausgangssubstanzen < 0,Ol Gew.-Yo. 2.1.2. T h e r m i s c h e r Abbau. Die Tonerden wurden durch Gluhen der Ausgangs-

substanzen iiber 4l/, Stunden in einem Silitstab-Rohrofen zwischen 400" und 1000 "C im Sauerstoffstrom hergestellt. Die Ofentemperatur war

Beziiglich der Abbauschemata, die in Abb. 1 gegeben sind, richten wir uns nach den Angaben von TORKAR und Mitarbeiternl7) und HATJSCHILD~~). Durch die Schriigstriche im Balkenschema sollen die hilufig flieIlenden Ubergange einer Tonerdeform in eine andere deutlich werden. Der untere Schnittpunkt der Striche mit dem Balkenrand bezeiohnet darin das erste Auftreten einer neuen und der obere volliges Verschwinden der alten Form.

Zur Bestimmung der Gliihverlustkurven wurde eine im Pt-Tiegel eingewogene Charge der Ausgangssubstanz bei stufenweise erhohter Temperatur jeweils 4 Stunden bis zur Ge- wichtskonstanz gegliiht.

1% konstant.

11) 0. BERGMANN, K. TORKAR u. H. EQGHART, DBP. 1089739 D 30978, IVa/ l2 m

1%) ST. TEICRNER, C. R. hebd. SBances Acad. Sci. 237, 810 (1953). 13) K. POHL, Dissertation, T H Dresden 1960. 1 4 ) K. TORKAR u. Mitarb., Mh. Chem. 91, 450 (1960); 92, 755 (1961). 15) DRP. Nr. 286596, Klasse 12 o vom 13. 8. 1915. 16) Bezeichnungen; vgl. Abschn. 2.1.3. 17) K. TORKAR, G. EQQHART, H. KRISCHNER u. H. WOREL, Mh. Chem. 92, 512 (1961). I * ) U. HAUSCHILD, Z. anorg. allg. Chem. 324, 15 (1963).

(Auslegeschrift vom 29. 9. 1960).

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arnorph As Hy$rox,d - Iamorbhes bxid 1 1

2.1.3. P r o b e n b e z e i c h n u n g . Die Ausgangssubstanzen werden mit P 1 bis P 5 be- zeichnet (vgl. Abschn. 2.1.1.). Die jeweilige Gliihtemperatur steht in Schragstrichen in "C. Die Temperzeit ist in Stunden hinter dem Temperaturwert angegeben. Handelt es sich um eine Reihe von Tonerden aus einer Ausgangssubstanz, dann wird z. B. ,,P 1-Reihe" ge- schrieben. Fur die Abbaureihen werden folgende Kurzbezeichnungen verwendet :

a) Nichtkristalline Reihe 2 eine aus nichtkristallinem Ausgangshydroxid (P 1, P 2)

b) Kristalline Reihe A die beim thermischen Abbau von Bohmit (P 4) erhaltene Oxid-

bzw. -oxid (P 3) erhaltene Abbaureihe.

reihe.

$t12 k-A1i03 I Torkar

Nord- I i d-Al2'03 1 1 I

2.2. K a t a l y t i s c h e Messungen. Die Aktivitat wurde durch die Dehydratisierungs- reaktion von Isopropylalkohol gemessen. Wir benutzten die mehrfach beschriebene und urspriinglich von DOHSE und KALBERERl9) angegebene quasi-statisch arbeitende Apparatur.

Es wurden jeweils 200 mg Kontakt und ein Isopropanoldruck von 7 Ton vorgegeben. Die Zerfallsgeschwindigkeit wurde manometrisch verfolgt und bei unterschiedlichen Kata- lysetemperaturen gemessen. Die Zerfallskurven entsprechen einem Reaktionsverlauf nach erster Ordnung. Es werden spezifische Aktivitaten angegeben.

2.3. R o n t g e n o g r a p h i s c h e B e s t i m m u n g en. Von den pulverformigen Tonerden wurden die Phasen und die kristallinen Anteile ermittelt.

Die Rontgenuntersuchungen wurden am Zahlrohr-Interferenz-Goniometer Int/A nach BERTROLD durchgefiihrt. Der lineare Zusammenhang zwischen Strahlungsintensitiit und MeBwertanzeige war durch Eichmessungen mit Aluminiumfolie uberpriift.

Die MeSbedingungen waren folgende: Strahlung = CuKoc, Ni-Filterung, 40 kV, 19 mA; Blendeneinstellung = 1/3/3/1; MeBbereich = 1000 StoSe/sec; Probenvorschub = 1 min/ grd; Papiervorschub = 400 mm/h. In das konstante Volumen des Praparattragers wurde immer die gleiche Gewichtsmenge an Oxid eingestopft. Die Priiparatdicke geniigte der ge- forderten Mindestdicke.

alAko3

19) H. DOHSE u. W. KALBERER, Z. physik. Chem., Abt. B 5, 131 (1929).

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Der kristalline Charakter einer Substanz wird durch alle Arten von Gitterfehlordnung erniedrigt. Es konnen in einer Tonerde Bereiche unter- schiedlicher Ordnungsgrade nebeneinander vorliegen. Wir beziehen uns zur Definition des kristallinen Anteiles auf eine phasenreine Tonerdeform (z. B. y-Oxid). Wird ein solches Oxid bestrahlt, dann tragen nur jene Volu- menelemente zu einer bestimmten Interferenz bei, an denen die BRAGG- Bedingung erfullt ist. In diesem Sinne ist der kristallinehteil der prozentuale Gewichtsanbil einer Tonerde, der die Gesamtintensitiit einer bestimmten Interferenz erzeugt. Jene Bereiche, die nicht kohiirent streuen, bezejchnen wir in Anlehnung an BUNN 20) als ,,nichtkristallin".

Als BestimmungsgroDe fur den kristallinen Anteil wurde die integrale Rontgenintensitat verwendet. Die FlLche des Reflexes wurde mit einem Polarplanimeter bestimmt.

Nach KLUQ und ALEXANDER~~) besteht lineare Beziehung zwischen der Integralintensi- tat und dem kristallinen Anteil. Das dort angegebene Bestimmungsverfahren war anwend- bar, weil

a) die Oxide groBe Unterschiede in der Kristallinitat haben und

b) fur die Messungen der (440)-Reflex bei d = 1,40 d verwendbar ist. Dieser Reflex tritt bei allen Oxiden als starkste Interferenz auf.

c) Die Absorpticnsbedingungen fur die unterschiedlichen Oxide waren konstant (gleichbleibende Stopfdichte, Wegfall der Extinktion).

Fur die praktische Messung wurde eine Eichkurve aufgestellt. Zu diesem Zweck wahlten wir P 3/475/(Ausgangsoxid) und P 4/900/4,5 als Bezugstonerden und mischten beide in definierten Verhaltnissen. Der Anteil an kristalliner Tonerde wurde fur P 4/900/ 4,5 = l0Oyo und fur P 3/475/ = 0% gesetzt. Diesen Tonerdemischungcn wurde auBerdem MgO als ,,innerer Standard" im Gewichtsverhaltnis Al,O,:MgO = 7: 3 zugegeben. Das MgO gestattet es, zufallige MeBfehler auszuschalten. In der Eichkurve wurde der aus den Inten- sitaten errechnete kristalline Anteil K (yo) iiber dem Mischungsanteil an kristalliner Tonerde (yo) aufgetragen. Fur K gilt:

x I 1 0 0 'AlaOs * MgO

100 K = 100

IGgo . I.AlnOs

K

I:laOs LL Intensitat der unbekannten Tonerde fur den (440)-Reflex.

Ikg0 A Intensitat des MgO-Vergleichsreflexes im Gemisch mit der unbekannten Tonerde.

A kristalliner Anteil in Prozent.

A Intensitat der zu 100% kristallinen Tonerde fur den (440)-Reflex. 100 I,,, & Intensitat des MgO-Vergleichsreflexes im Gemisch mit der lOOyo kristallinen

Tonerde.

100 Bei unvergnderten Versuchsbedingungen ist Izgo = IMgo.

20) C. W. BUNN, Chemical crystallography, S. 445, London 1961. 21) H. P. KLUQ u. L. E. ALEXANDER, X-ray diffraction procedures, S. 491 u. 628,

New York 1954.

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3 700

3. Ergebnisse In Abb. 2 ist der Gewichtsverlust in Prozent bezogen auf den bei 1200 "C

bestimmten Gesamtgewichtsvcrlust in Abhangigkeit von der Gluhtempe- ratur aufgetragen. Der Verlauf der Rejhen P 1, P 2 und P 3 ist sehr ahnlich. Die Gewichtsverluste setzen sich bei der P 1-Reihe aus abgegebenen Mengen Wasser, Chlor und Ammoniak zusammen. Bei den iibrigen Reihen sind es reine Wasserverluste. Keines der Hydroxide hat stochiometrischen Wasser- gehalt. Unser Bohmjt zeigt einen relativ starken Wasserverlust zwischen 200" und 300 "C und ein breites Temperaturgebiet, in dem sich die starkste Waaserabgabe abspielt. Die Steigungen der anderen drei Kurven nehmen mit der Temperatur stetig ab. Bei allen bei 500°C gegliihten Tonerden ist der Wassergehalt etwa 2% und bej 800°C < 1%. -.

-x-x- p 3

0 Temperafur PCI-

Mefl femperaluren. XX - 230 "C

300

700

700

00 600 800 701 remperatur roc/ -

Abb. 2. Gluhverlustkur- ven der Ausgangshydr- oxide

Me flt empernturen: 0 0- 250°C X X- 230°C 0 0-270~C

300

200

700

0

Abb. 3. Abb. 4. Spezifische Aktivitiit in Abhlin- hiingigkeit von der Gluhtemperatur gigkeit von der Gluhtemperatur (P 2- (P 1-Reihe) Reihe)

Spezifische Aktivitiit in Ab-

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In den Abb. 3-6 sind die spezifischen Aktivitaten fur unsere Reihen in Abhangigkeit von der Gluhtemperatur der Oxide fur unterschiedliche Kata- lysemefitemperaturen aufgetxagen. Fur ungunstige MeBtemperaturen mu13- ten die Aktivitatswerte mit Hilfe der ARRHENIuS-Beziehung berechnet werden. Dabei wurde die Aktivierungsenergie A, im entsprechenden Tem- peraturbereich als konstant angesehen.

300

200

,700

400

300

-200

-700

0

Abb. 5. Spezifische Aktivitat in Ab- Abb. 6. Spezifische Aktivitat in Ab- hangigkeit von der Gliihtemperatur hangigkeit von der Gliihtemperatur (P 3-Reihe) (P 4-Reihe und P 5-Oxid)

Der Aktivitatsverlauf in den Reihen P 2 und P 3 ist bei vergleichbaren Katalysetemperaturen sehr ahnlich. Dagegen zeigt die P l-Reihe im ge- samten Gluhbereich hohere Aktjvitatswerte, weist aber sonst die Verlaufs- tendenz der genannten Reihen auf. Die Reihen P 1, P 2 und P 3 haben einen auffallenden Aktivitatssprung fur die bei 800 "C gegluhten Tonerden. Die hochsten und in ganz anderer Weise von der Gliihtemperatur abhangenden Aktivitatswerte werden an der Reihe P 4 gemessen. Das Aktivitatsmaximum wird innerhalb der Reihen P 1, P 2 und P 3 bei 900 "C erreicht, das der P 4- Reihe bereits 200" tiefer. Unter den bei 500°C gegluhten Tonerden ist die P 5-Leunatonerde am aktivsten.

Die an allen Tonerden bei unterschiedlichen Katalysetemperaturen bestimmten Zerfallskonstanten erlauben die Berechnung der ,,scheinbaren' ' Aktivierungsenergie A,. Eine eingehendere Bestimmung der Aktivierungs- energien wurde nur fur die Reihe P 2 und die Leuna-Tonerde P 5/500/4,5 durchgefuhrt. Die A,-Werte waren nur auf f 1 kcal/Mol reproduzierbar. Sie

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werden mit steigender Katalysemefitemperatur kleiner. Es konnten A E-

Werte von 15 kcal/Mol berechnet werden. In der Reihe P 2 steigen die A,- Werte von etwa 35 kcal/Mol (P 2/500/4,5) auf 42 kcal/Mol (P 2/900/4,5) an.

Unserer phasenanalytischen Identifizierung der Oxide liegt die d-Werte- tabelle der ALCOAZ2) zugrunde. Die eindeutige Zuordnung zu einem Nomen- klaturoxid wird schwieriger mit zunehmend schlechter Gitterordnung der Hydroxide bzw. Oxide. Darauf wurde auch an anderer Stelle hingewiesen6).

Das nichtkristalline Hydroxid-Gel P 1 zeigt im Vergleich mit P 2 eine relativ deutliche breite Beugungsbande bei d m 2,2 d. In der von P 1 ausgehenden Temperreihe wird bereits fur die bei 500 "C gegliihte Tonerde der Hauptreflex bei d = 1,40 gut sichtbar. Durch Gluhungen bis zu 700 "C nimmt die Ordnung gering zu, wie das aus dem Auftreten eines Re- flexes bei d = 1,97 zu erkennen ist. Bei der bei 800 "C getemperten Probe tritt ein starker Ordnungssprung auf und 11-Oxid wird gebildet. Die Gluhung bei 900 "C fuhrt zu sehr deutlich ausgebildetem 6-Oxid (Hochtemperatur- form der Bayeritreihe). Bei 1000 "C wird die &-Phase erkennbar.

Fur das nichtkristalline P 2-Hydroxid-Gel erhalt man einen mit der P l-Reihe vergleichbaren Gang in den Phasendiagranimen (Abb. 7). Die erste Veranderung in der Struktur tritt erst an den bei 800°C gegluhten Proben auf. Dabei bildet sich die 11-Form. Bei 900 "C ist noch keine &Form erkennbar. Im Unterschied zur P l-Reihe ist bei 1000 "C gegluhten Proben keine &-Phase nachzuweisen.

Bei der P 3-Reihe ist bereits das Endprodukt der Athylatzersetzung ein nichtkristallines Oxid. Die Reihe ist der von P 2 sehr ahnlich. Die erste Strukturanderung tritt auch hier an den bei 800 "C gegluhten Tonerden unter Ausbildung von q-Oxid auf. Die &Form fehlt, und die &-Phase tritt bei 1000 "C nur andeutungsweise hervor.

In der P 4-Reihe ist der Bohmit bis 350 "C bestandig (Abb. 8). Bei 400°C gegliihten Proben liegt nur noch y-Tonerde vor. Bis zu 800 "C ist die y-Ton- erde bestandig. Bei 900 "C gegliihte Tonerde enthalt das 8-Hochtemperatur- oxid, das jedoch erst bei 1000 "C besser ausgebildet ist. Daneben liegt keine &-Phase vor, wie aus dem Fehlen d9s Reflexes bei d = 1,60 d geschlossen werden kann.

Die Leuna-Tonerde P 5 stellt im ungegluhten Zustand einen Bohmit dar, der deutlich schlechter kristallisiert ist als der P 4-Bohmit. Andere Hydroxide sind nicht zu erkennen. Bei 500 "C wird y-Oxid gebildet.

Die Ergebnisse aus den Messungen des kristallinen Anteiles sind in Abb. 9 zusammengefafit. Der Bezugstonerde P 4/900/4,5 wird ein kristalliner Anteil von 100% zugeschrieben. Die kristallinen Anteile der Tonerden, die

ties; Technical paper No. 10, ALCOA 1960. 22) J. W. NEWSOME, H. W. HEISER, A. S. RUSSELL u. H. C. STUMPB, Alumina proper-

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J. WEIS, Die katalytischen Eigenschaften und die Primgrstruktur

J

/ , , , 1 1 , 1 1 1 1 1 1 ,

'6O 320 2 8 O 29 20' 76' 720 u 13 7,5 d m

Abb. 7. Zahlrohrdiagramme aus der P 2-Reihe

157

Bobmif

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

P 4/800/4 7/2

P4/?000/4 %

111111111111111 6O 32O280 ZF 20° 76' 7Z0

I I , I ! I ,

a3 15 dr;lp/z,2 2,7 35

Abb. 8. Zahlrohrdiagramme aus der P 4-Reihe

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158 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 364.1967

aus den nichtkristallinen Ausgangssubstanzen P 1, P 2 und P 3 hergestellt sind, zeigen untereinander sehr ahnlichen Verlauf. In den drei Reihen nimmt der kristalline Anteil fur die bei 800 "C gegliihten Oxide um 50- 70% zu. Besonders deutlich wird die Zunahme in d5r P 3-Reihe, in der bei 750 "C Gluhung erst etwa 2 yo der Tonerde kristallin vorliegen. Im Unterschied dazu besitzt die P 1-Reihe zwischen 500" und 700 "C Gliihtemperatur bereits einen kleinen von 10-20y0 ansteigenden kristallinen Anteil. Fur die P 4-Reihe und die P 5-Probe sind die kristallinen Anteile hoch. Sie nehmen in der P 4- Reihe mit stcigender Gluhtemperatur zu.

I I 1 I I ]

600 800 7000 Temperafur PCI --+

Abb. 9. Zusammenhang zwischen kri- stallinem Anteil und Gluhtemperatur (Tcmperzeit : 4l/, h)

4. Diskussion Die nichtkristallinen Tonerden werden aus den nichtkristallinen Aus-

gangssubstanzen P 1, P 2 und P 3 hergestellt. Nach der Art ihrer Darstellung sind diese Ausgangssubstanzen deutlich unterschieden. Der nichtkristalline Gitterzustand wird rontgenographisch und durch die vollig kontinuierliche Wasserabgabe (Abb. 2) bestatigt.

Unsere kristallinen Tonerden werden aus Bohmit (P 4) hergestellt. Dieser Bohmit ist eine mikrokristalline Varietat, wie es das interferenzreiche Zahl- rohrdiagramm, die spezifische Oberflache von 253 m2/g und das relativ breite Temperaturintervall der starksten Dehydratisierung in der Gliihver- lustkurve (Abb. 2) beweisen.

Die spezifischen Aktivitaten sind fur alle Tonerden fur KatalysemeS- temperatmen angegeben, bei denen auch fur die hochaktiven Tonerden (z. B. P 4-Reihe) noch verniinftige Werte mel3bar sind. Deshalb ist es mog- lich, die Aktivitatswerte der Oxide aus der P 4-Reihe als Bezugsgrofien fur die Aktivitaten der Tonerden aus d m nichtkristallinen Reihen P 1, P 2 und P 3 einzufiihren. Wir bilden die Aktivitatsquotienten aus den Aktivi- tatswerten der P 4-Oxide und denen der entsprechenden Tonerden aus der

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nichtkristallinen Reihe. Der Quotient gibt an, wievielmal groBer die spezi- fische Aktivitat einer P 4-Tonerde im Vergleich zur Tonerde aus der nicht- kristallinen Reihe ist. Die Aktivitatsquotienten fur die KatalysemeB- temperaturen 230" und 210°C sind in Tab. 1 zu finden.

Tabelle 1 Quot ien ten aus den spezifischen Akt iv i - t i i t en der P 4-Tonerden und der Tonerden de r n ich tkr i s ta l l inen Reihen

NeB- temperatur

("C)

230 210

230 210

230 210

230 210

230 210

230 210

Tonerdereihe (4,5 h getempert)

P 2

500 "C gegluht

194 197

600 "C gegluht

630 340

700°C gegliiht 150 174

800 "C gegluht

3,5 8,3

900 'C gegluht

L Q 4,4

lO0OOC gegluht

0,s 12

P 3

Der Quotient fur die hohere Katalysetemperatur von 230°C ist in der Regel kleiner als fur 210 "C. Vergleicht man die Aktivitatsquotienten, die fur die nichtkristallinen Reihen bis 800 "C Gliihtemperatur gemessen wur- den, dann folgt fur jeweils gleichgetemperte Oxide eine Zunahme der Quo- tienten in der Reihenfolge P 1, P 2, P 3. Die Oxide der P 3-Reihe sind also am wenigsten aktiv.

Die Abb. 10 zeigt fur die P 2- und P 4-Reihe die spezifischen Aktivitaten und kristallinen Anteile in Abhangigkeit von der Gluhtemperatur. Die P 2- Reihe ist als typische nichtkristalline Reihe anzusehen. In den nichtkri- stallinen Reihen verlaufen katalytische Aktivitat und kristalliner Anteil gleich- sinnig. Ganz anders ist dieser Zusammenhang bei der P 4-Reihe.

Unsere Ergebnisse lassen den allgemeinen SchluB zu, daB durch Gliihen bei 800 "C vollkommen oder partiell nichtkristalline Tonerden in die y- oder

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160 Zeitschrift f i i r anorganische und allgemeine Chemie. Band 354. 1967

q-Form iibergehen. KALININA 23) erhalt bei Polymorphieuntersuchungen an Aluminiumnitrat, das thermisch abgebaut wird, bei 825 "C einen Ubergang des nichtkristallinen Oxides in die y-Form.

Aus katalytischen Untersuchungen an gut kristallisierten Tonerden, die zwischen 400" und 900 "C aus Bayerit bzw. Bohmit entstehen, ist bekannt, da13 die Oxide mit deutlicher Dehydratisierungsaktivitat immer eine Gitter- struktur besitzen, die einem fehlgeordneten Spinellgitter sehr ahnlich ist. Die Tieftemperaturformen y und q sind am aktivsten. Beide kristallisieren in Gittern, die dem Spinellgitter am ahnlichsten sind. Neue Untersuchungen von MACIVER, TOBIN und BARTHZ4) sprechen dafiir, daI3 von beiden Oxid- formen die q-Tonerde die aktivere ist. Die Hochtemperaturformen 6 und 6 weichen strukturell starker von den spinellahnlichen Tieftemperaturformen ab, zeigen jedoch noch fur das Sauerstoffteilgitter die fur die aktiven Ton- erdeformen typische Packungsfolge ABCABC . . . 25).

k . E. 20 Q

0

Abb. 10. Katalytische Abtivitat und Abb. 11. Kristalliner Anteil und spezi- kristalliner Anteil in Abhlngigkeit von fische Aktivitat (Kurve a) in Abhiingig- der Gluhtemperatur fur die Reihen P 2 keit von der Temperzeit fur P 3/800/ und P 4

Durch den beschriebenen Zusammenhang ist auch die Dehydratisierungs- aktivitat der q-Tonerde erkliirt, die bei 800 "C Gliihung aus den nichtkristal- linen Ausga,ngssubstanzen gebildet wird.

A. M. KALININA, 8. neorg. Chim. (J. anorg. Chem. [UdSSR]), 4,1260 (1959). 2*) D. S. MAGIVER, H. H. TOBIN u. R. T. BARTR, J. Catalysis, 2, 485 (1963). 2 5 ) H. SAALFELD, Neues Jb. Mineralog., Abh., 95, 1 (1961).

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Wir haben die Rekrist,allisation der Ausgangstonerde P 314751 zu q-Ton- erde uber 90 Stunden bei 800 "C verfolgt und die Aktivitaten gemessen (Abb. 11). Kristalliner Anteil und katalytische Aktivitat hangen annahernd linear voneinander ab. Die Ergebnisse lassen an die Rekristallisation eines feindispersen Glaspulvers denken. In den Partikeln der , ,glasartigen " (nichtkristallinen) Tonerde finden Keimbildung und Wachstum von Kri- stalliten statt, bis die Kristallite aneinander oder zur Partikeloberflache durchstoBen. Die Spinellstruktur setzt sich in allen Volumenelementen durch. Im Verlauf dieses Vorgangs wachst der Oberflachenanteil mit der aktiven Gitterordnung. Da,s aul3ert sich durch die zunehmende Dehydrati- sierungsaktivitat .

In der P S-Reihe liegt bereits in den tiefer als 800 "C gegluhten Tonerden ein kristalliner Anteil von ,-15y0 vor. Deshalb sind diese Tonerden im Ver- gleich zu denen der Reihen P 2 und P 3 merklich aktiver (Tab. 1). Die Pha- sendiagramme zeigen die Hauptinterferenzen der q-Tonerde (d(440) = 1,40 A und d(,,,, = 1.,9,9 A). Bereits das P 1-Ausgangshydroxid besitzt eine zu- satzliche diffuse Interferenzbande bei d m 2,2 A, woraus auf eine Ordnung innerhalb bestimmter Gelbereiche zu schlieBen ist. Die Banden entsprechen nach ihrer Lage einem schlecht strukturiertsn Nordstrandit. Die Bildungs- ursache sehen wir in den Fallbedingungen.

Aus topochemischen Abbaufolgen hochaktiver Tonerden ist bekannt, da.B bestimmte Strukturelemente aus den kristallinen Ausgangshydroxiden von den Oxiden ubernommen werden25)ZG). Allgemein stehen dabei die dichte Packung von OH-Gruppen in den Hydroxiden und die kubisch dichteste Packung des Sauerstoffes im Spinellgitter in engem Zusammenhang.

In unserem Fall gehen im Bereich von 400- 700 "C die vorgeordneten Anteile des P I-Gels in gittergeordnete Oxidanteile uber, wodurch der kri- stalline Anteil von 15% erklart ist.

Die Aktivitaten in der kristallinen P 4-Reihe hangen ganz anders als in den nichtkristallinen Reihen von der Gluhtemperatur der Tonerden ab (Abb. 10). Bei 700 "C wird ein Maximum durchlaufen. Hoher gegluhte Ton- erden zeigen betrachtlichen Aktivitatsabfall. Unsere Ergebnisse stimmen gut mit Messungen uberein, die an hochaktiven Tonerden - aus Bayerit und Bohniit hergestellt - gemacht wurden.

STEINIKE 6, erhalt fur Bohmit-Tonerden ein katalytisches Maximum zwischen 600" und 700 "C Gluhtemperatur. Wir sehen, dal3 fur die P 4-Reihe kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Aktivitat und kristallinem Anteil besteht. Chemische Untersuchungen an hoch- aktiven Tonerdereihen haben gezeigt, da5 das Aktivitatsmaximum mit strukturellen Zustanden in der Tonerdeoberflache zusammenhiingt, die mit iinseren Methoden nicht zu erfassen sind. Es wurden die Anzahl und Starke der sauren Zentren an Tonerdeoberflachen

26) B. C. LIPPENS u. J. H. DE BOER, Acta crystallogr. [Copmhagen], 1 7 , 1312 (1964). 2. anorg. all@;. Chemie. Ed. 354, 11

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durch Chemisorption von NH, untersucht 24). Die relativ groBte Zahl stark saurer Zentren liegt danach bei 600 "C gegliihten Tonerden vor.

In der P l-Reihe verursacht der relativ niedrige kristalline Anteil von etwa 15% in den bei 700°C gegliihten Oxiden eine deutliche Aktivitat. In hoher gegluhten Proben dieser Reihe miissen die aktiven Oxidanteile eine Aktivitatsverminderung erfahren, wie wir an der P 4-Reihe sahen. In unserer P l-Reihe wird der Aktivitatsabfall der aktiven Oxidanteile durch den Uber- gang nichtkristalliner Anteile in das Spinellgitter bei 800 "C Gluhung ausge- glichen. Liegt ein hoherer kristalliner Anteil im Ausgangshydroxid oder -oxid vor, d a m rekristallisieren zwar bei 800 "C die nichtkristallinen Tonerde- anteile und werden aktiv, aber dieser Effekt wird durch den starken Aktivi- titsverlust der bereits bei tjeferen Gliihtemperaturen aktiven Tonerdeanteile uberkompensiert. Es lafit sich abschatzen, da13 bereits bei einem kristallinen Anteil von m 30% von den beiden konkurrierenden Aktivitatsmaxima bei 700 "C und 900 "C das bei tieferer Gluhtemperatur auftritt.

In allen nichtkristallinen Reihen (P 1, P 2, Y 3 ) ist die spezifische Akti- vitat fur die bei 900 "C gegliihten Oxide am groaten. Dieses Maximum liegt 200" hoher als das der P 4-Reihe. Die Aktivitktswerte sind fur die bei 800 "C und hoher gegliihten Proben aller nichtkrjstallinen Reihen bei vergleichbaren Katalysetemperaturen deutlich kleiner als die entsprechenden Wert 3 der P 4Reihe. Die Differenzen in den Aktivitatsquotienten sind fur die bei 800 "C gegliihten Oxide am groaten (Tab. 1). Die Aktivitatsunterschiede sind durch die Phasenanalyse nicht deutbar. In den nichtkristallinen Reihen entsteht bei der Rekristallisation aul3erdem das besonders aktive 11-Oxid. Die bei 800 "C gegluhten Oxide aus den nichtkrist.allinen Reihen haben einen ~ 2 0 % geringeren kristallinen Anteil als P 4/800/4,5. Durch diese relativ kleine Differenz lassen sich die Unterschiede in der Aktivitat ebenfalls nicht eindeutig erklaren.

Bei Herrn Prof. Dr. W. SCHIRMER miichte ich mich fur sein Interesse sehr bedanken, das er dieser Arbeit entgegengebracht hat. Auch Frau Dr. U. STEINIKE danke ich fur zahl- reiche Anregungen und die Untrrstutzung, die sie mir bei der Arbeit zutoil werden lieI3.

Berlin-Adlershof, Institut fur physikalische Chemie der Deutschen Akademio der Wissenschaften zu Berlin.

Bei d t r Redaktion eingegangen am 8. Februar 1967.