therapieallergeneverordnung: mehr qualität, aber weniger vielfalt

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Als Beispiel für eine erfolgreiche Inter- vention führte er die Schweiz an. Nach- dem hier im Jahr 2000 die ersten großen Bestände entdeckt worden waren, gab es bereits 2006 eine gesetzliche Melde- und Bekämpfungspflicht. 2007 trat eine Fut- termittelverordnung in Kraſt, die nur noch einen winzigen Anteil Verunreini- gung mit Ambrosiasamen erlaubt. Star- finger hält eine gesetzliche Regelung für dringend erforderlich. Erste Großbestän- de wurden hierzulande etwa zur gleichen Zeit wie in der Schweiz entdeckt. Um die Verbreitung einzudämmen, kam es zwar landesweit zu verschiedenen, teilweise auch sehr erfolgreichen Aktivitäten, ge- setzliche Regelungen fehlen in Deutsch- land aber bis heute. Am wirksamsten wä- ren europaweite Verordnungen. Kürzlich erlassene EU-Richtlinien zu Vogelfutter und Futtermitteln sind ein erster Schritt. Europa wird nicht mehr ambrosiafrei werden, fasste Starfinger zusammen, aber wir können die Entwicklung noch anhal- ten. Dr. Christine Starostzik Symposium „Aktuelles zur Ambrosia-Allergie“ Steckbrief „Beifuß-Ambrosie“ Familie der Korbblütler, unscheinbare Blüte, einjähriges Kraut bis 2 m Höhe Vorkommen: Hausgärten, Vogelfutterplätze, Straßen, Äcker, Baugebiete benötigt viel Licht und Wärme sowie ausreichend Wasser Ähnlichkeit und Kreuzreaktionen v. a. mit Beifuß Blütezeit: Juli/August bis zum ersten Frost rund 1 Mrd. gelbe, hoch allergene Pollen pro Blühperiode Pollen werden zwischen 6 und 10 Uhr morgens freigesetzt Schwellenwert für allergische Symptome: etwa 10 Pollen/m 3 Luſt Pollen an der Kleidung gut haſtend bis zu 60.000 Samen pro Pflanze, die mehrere Jahrzehnte keimfähig bleiben Mehr Infos auf springermedizin.de Eine ausführliche Berichterstattung zum 7. Deutschen Allergiekongress mit vielen weiteren Beiträgen finden Sie in unserem Kongressdossier unter www.springermedizin.de/ allergiekongress-2012 Therapieallergeneverordnung: mehr Qualität, aber weniger Vielfalt Seit 2008 gilt in Deutschland die Therapieallergeneverordnung. Derzeit laufen noch Übergangsfristen von mindestens acht Jahren – also bis 2018 und länger. Beim Allergiekongress war den Auswirkungen auf die Praxis des niedergelassenen Allergologen ein eigenes Seminar gewidmet. G eschaffen wurde die erapie- allergeneverordnung (TAV) mit dem Ziel, die zahlreichen Präpa- rate, die für die spezifische Immunthera- pie (SIT) häufiger Allergien zur Verfü- gung stehen, hinsichtlich deren Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit zu überprü- fen. Individualrezepturen sollen zukünf- tig nur für seltenere Allergenquellen ein- gesetzt werden. Die TAV gilt für Süßgrä- ser, Birke, Erle, Hasel, Hausstaubmilben sowie Bienen- und Wespengiſt. Derzeit befinden sich 101 Produkte im Zulas- sungsverfahren beim Paul-Ehrlich-Insti- tut (PEI), wie Prof. Dr. Stefan Vieths, Vi- zepräsident des PEI berichtete. In den letzten zwei Jahren wurden 19 Neuanträ- ge auf klinische Prüfung gestellt. Die größten Probleme, auf die das PEI bei den bisherigen Anträgen gestoßen ist, sind unzureichende Konzepte bei den Dosis- findungsstudien sowie mangelhaſte Qua- litätsdaten der Allergenprodukte. Vieths fast die derzeitige Situation folgenderma- ßen zusammen: „Einerseits wird sich die Wirksamkeit und Sicherheit der Aller- genprodukte, die zur Behandlung häufi- ger Allergien auf dem Markt verbleiben, erheblich verbessern, andererseits wird sich die erapievielfalt verringern.“ Was hat die Umsetzung der TAV für Auswirkungen auf die erapiemöglich- keiten im ärztlichen Alltag? Diese Frage beleuchtete PD Dr. Jörg Kleine-Tebbe, Berlin, am Beispiel der Frühblüheraller- gie. Bei Patienten, die auf Haselnuss-, Er- len- und Birkenpollen reagieren, wird sich durch die TAV nichts ändern. Auf- grund der großen Verwandtschaſt zwi- schen den drei Allergenen ist es ohnehin ausreichend, die SIT z. B. nur mit Birke durchzuführen. Die Allergene der drei Bäume gehören alle zur TAV und müssen daher das Zulassungsverfahren durch- laufen. Es gibt hier schon jetzt viele Prä- parate auf dem Markt und die wird es nach Einschätzung von Kleine-Tebbe auch künſtig geben. Was aber, wenn noch zwei weitere Bäume wie Buche und Eiche hinzukommen? Auch hier stellt sich auf- grund der Verwandtschaſt mit dem Hauptallergen der Birke die Frage, ob man solche Bäume überhaupt berück- sichtigen muss. Möchte man sie jedoch explizit in die erapie mit einbeziehen, so kann man dies ab 2018 nur noch ge- trennt als Individualrezeptur, nicht als Mischung mit Haselnuss, Erle und Birke. Hintergrund: Buche und Eiche sind nicht Bestandteil der TAV. Auch Patienten, die beispielsweise allergisch auf Bäume, Grä- ser und Alternaria reagieren, müssen je- weils mit 100%igen Extrakten einzeln be- handelt werden, eine Mischung ist auch hier ab 2018 nicht zulässig. Auch Kombi- nationen aus beispielsweise Baum- und Gräserpollenallergenen dürfen ohne Zu- lassungsverfahren nicht mehr genutzt werden, sondern müssten ab 2018 einzeln zum Einsatz kommen. Insgesamt ist Kleine-Tebbe für die Zu- kunſt zuversichtlich: „Auch nach 2018 werden wir mit Hilfe der wichtigen e- rapieallergenkombinationen und den Individualrezepturen – wenn auch nicht gemischt mit den TAV-Allergenen – durchaus die Möglichkeit haben, indivi- duell zu therapieren.“ mwe Interaktives Seminar „Folgen der Therapie- allergeneverordnung“ © ambrosiainfo.de Allergo J 2012; 21 (8) 511 Allergologie aktuell 7. Deutscher Allergiekongress, München Allergology today

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Als Beispiel für eine erfolgreiche Inter-vention führte er die Schweiz an. Nach-dem hier im Jahr 2000 die ersten großen Bestände entdeckt worden waren, gab es bereits 2006 eine gesetzliche Melde- und Bekämpfungspfl icht. 2007 trat eine Fut-termittelverordnung in Kraft , die nur noch einen winzigen Anteil Verunreini-gung mit Ambrosiasamen erlaubt. Star-

fi nger hält eine gesetzliche Regelung für dringend erforderlich. Erste Großbestän-de wurden hierzulande etwa zur gleichen Zeit wie in der Schweiz entdeckt. Um die Verbreitung einzudämmen, kam es zwar landesweit zu verschiedenen, teilweise auch sehr erfolgreichen Aktivitäten, ge-setzliche Regelungen fehlen in Deutsch-land aber bis heute. Am wirksamsten wä-

ren europaweite Verordnungen. Kürzlich erlassene EU-Richtlinien zu Vogelfutter und Futtermitteln sind ein erster Schritt. Europa wird nicht mehr ambrosiafrei werden, fasste Starfi nger zusammen, aber wir können die Entwicklung noch anhal-ten. Dr. Christine Starostzik

Symposium „Aktuelles zur Ambrosia­Allergie“

Steckbrief „Beifuß-Ambrosie“

—Familie der Korbblütler, unscheinbare Blüte, einjähriges Kraut bis 2 m Höhe —Vorkommen: Hausgärten, Vogelfutterplätze, Straßen, Äcker, Baugebiete —benötigt viel Licht und Wärme sowie ausreichend Wasser —Ähnlichkeit und Kreuzreaktionen v. a. mit Beifuß —Blütezeit: Juli/August bis zum ersten Frost —rund 1 Mrd. gelbe, hoch allergene Pollen pro Blühperiode —Pollen werden zwischen 6 und 10 Uhr morgens freigesetzt —Schwellenwert für allergische Symptome: etwa 10 Pollen/m3 Luft —Pollen an der Kleidung gut haft end —bis zu 60.000 Samen pro Pfl anze, die mehrere Jahrzehnte keimfähig bleiben

Mehr Infos aufspringermedizin.de

Eine ausführliche Berichterstattung zum 7. Deutschen Allergiekongress mit vielen weiteren Beiträgen fi nden Sie in unserem Kongressdossier unter

www.springermedizin.de/allergiekongress­2012

Therapieallergeneverordnung: mehr Qualität, aber weniger VielfaltSeit 2008 gilt in Deutschland die Therapieallergeneverordnung. Derzeit laufen noch Übergangsfristen von mindestens acht Jahren – also bis 2018 und länger. Beim Allergiekongress war den Auswirkungen auf die Praxis des niedergelassenen Allergologen ein eigenes Seminar gewidmet.

G eschaff en wurde die Th erapie-allergeneverordnung (TAV) mit dem Ziel, die zahlreichen Präpa-

rate, die für die spezifi sche Immunthera-pie (SIT) häufi ger Allergien zur Verfü-gung stehen, hinsichtlich deren Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit zu überprü-fen. Individualrezepturen sollen zukünf-tig nur für seltenere Allergenquellen ein-gesetzt werden. Die TAV gilt für Süßgrä-ser, Birke, Erle, Hasel, Hausstaubmilben sowie Bienen- und Wespengift . Derzeit befi nden sich 101 Produkte im Zulas-sungsverfahren beim Paul-Ehrlich-Insti-tut (PEI), wie Prof. Dr. Stefan Vieths, Vi-zepräsident des PEI berichtete. In den letzten zwei Jahren wurden 19 Neuanträ-ge auf klinische Prüfung gestellt. Die größten Probleme, auf die das PEI bei den bisherigen Anträgen gestoßen ist, sind unzureichende Konzepte bei den Dosis-fi ndungsstudien sowie mangelhaft e Qua-litätsdaten der Allergenprodukte. Vieths fast die derzeitige Situation folgenderma-

ßen zusammen: „Einerseits wird sich die Wirksamkeit und Sicherheit der Aller-genprodukte, die zur Behandlung häufi -ger Allergien auf dem Markt verbleiben, erheblich verbessern, andererseits wird sich die Th erapievielfalt verringern.“

Was hat die Umsetzung der TAV für Auswirkungen auf die Th erapiemöglich-keiten im ärztlichen Alltag? Diese Frage beleuchtete PD Dr. Jörg Kleine-Tebbe, Berlin, am Beispiel der Frühblüheraller-gie. Bei Patienten, die auf Haselnuss-, Er-len- und Birkenpollen reagieren, wird sich durch die TAV nichts ändern. Auf-grund der großen Verwandtschaft zwi-schen den drei Allergenen ist es ohnehin ausreichend, die SIT z. B. nur mit Birke durchzuführen. Die Allergene der drei Bäume gehören alle zur TAV und müssen daher das Zulassungsverfahren durch-laufen. Es gibt hier schon jetzt viele Prä-parate auf dem Markt und die wird es nach Einschätzung von Kleine-Tebbe auch künft ig geben. Was aber, wenn noch

zwei weitere Bäume wie Buche und Eiche hinzukommen? Auch hier stellt sich auf-grund der Verwandtschaft mit dem Hauptallergen der Birke die Frage, ob man solche Bäume überhaupt berück-sichtigen muss. Möchte man sie jedoch explizit in die Th erapie mit einbeziehen, so kann man dies ab 2018 nur noch ge-trennt als Individualrezeptur, nicht als Mischung mit Haselnuss, Erle und Birke. Hintergrund: Buche und Eiche sind nicht Bestandteil der TAV. Auch Patienten, die beispielsweise allergisch auf Bäume, Grä-ser und Alternaria reagieren, müssen je-weils mit 100%igen Extrakten einzeln be-handelt werden, eine Mischung ist auch hier ab 2018 nicht zulässig. Auch Kombi-nationen aus beispielsweise Baum- und Gräserpollenallergenen dürfen ohne Zu-lassungsverfahren nicht mehr genutzt werden, sondern müssten ab 2018 einzeln zum Einsatz kommen.

Insgesamt ist Kleine-Tebbe für die Zu-kunft zuversichtlich: „Auch nach 2018 werden wir mit Hilfe der wichtigen Th e-rapieallergenkombinationen und den Individualrezepturen – wenn auch nicht gemischt mit den TAV-Allergenen – durchaus die Möglichkeit haben, indivi-duell zu therapieren.“ mwe

Interaktives Seminar „Folgen der Therapie­allergeneverordnung“

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Allergologie ak tuell 7. Deutscher Allergiekongress, München

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