therapeutische patientenschulung und selbstmanagement · es ist meine tiefe, in täglicher praxis...

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Universität Zürich Institut für Hausarztmedizin Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement: Ein Leitfaden für das Projekt Leben mit einer Langzeiterkrankung „LEILA“ der städtischen Gesundheitsdienste der Stadt Zürich C. Steurer-Stey PD Dr.med. Claudia Steurer-Stey Leiterin Chronic Care Institut für Hausarztmedizin Universität Zürich Sonneggstrasse 6 CH-8091 Zürich Sekretariat ++41 (0)44 255 98 55 Telefax ++41 (0)44 255 45 67 1

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Page 1: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Universität Zürich

Institut für Hausarztmedizin

Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement:

Ein Leitfaden für das Projekt Leben mit einer Langzeiterkrankung „LEILA“ der

städtischen Gesundheitsdienste der Stadt Zürich

C. Steurer-Stey

PD Dr.med. Claudia Steurer-Stey

Leiterin Chronic Care

Institut für Hausarztmedizin

Universität Zürich

Sonneggstrasse 6

CH-8091 Zürich

Sekretariat ++41 (0)44 255 98 55

Telefax ++41 (0)44 255 45 67

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Page 2: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ....................................................................................................... 2

Vorwort ....................................................................................................................... 3

Einleitung.................................................................................................................... 5

Definition Selbstmanagement..................................................................................... 7

Komponenten der Selbstmangementschulung ......................................................... 11

Die drei Ebenen erfolgreicher Selbstmanagementschulung..................................... 14

Fähigkeitsprofil geschulter Patienten........................................................................ 15

Allgemeine Massnahmen zur Implementierung therapeutischer Patientenschulung 16

Fähigkeitsprofil für Fachpersonen in therapeutischer Patienten Schulung ............... 18

Zu erwartende Barrieren........................................................................................... 19

Selbstmanagementschulung bei Asthma ................................................................. 20

Selbstmanagementschulung bei COPD ................................................................... 24

Literatur .................................................................................................................... 28

Abbildung 1 Das Chronic Care Model ...................................................................... 30

Abbildung 2 Selbstmanagement Grundhaltung ........................................................ 31

Abbildung 3 Selbstmanagement Wissen .................................................................. 32

Abbildung 4 Selbstmanagement Fertigkeiten ........................................................... 33

Appendix 1................................................................................................................ 34

Übersicht Inhalte Selbstmanagement Schulung bei Asthma und COPD:................. 34

Appendix 2................................................................................................................ 36

Beispiel Schulungsprogramm für Patienten mit Asthma........................................... 36

Appendix 3................................................................................................................ 37

Beispiel Schulungsprogramm „Besser leben mit COPD“.......................................... 37

Appendix 4: Beispiel Train the Trainer Programm Asthma....................................... 39

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Page 3: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Vorwort Chronische Krankheiten stellen in Folge der demographischen Entwicklung ein

wichtiges Gesundheitsproblem dar. Das Entwickeln und Implementieren adäquater

Wege im Management chronischer Erkrankungen ist dringend nötig um effizienter mit

der wachsenden Anzahl Betroffener und den eskalierenden Kosten umgehen zu

können.

Chronische Erkrankungen erfordern auf Seite der Patienten grosse

Eigenverantwortung und bedingen aus verschiedenen Gründen das aktive Mitwirken

der Patienten und ihrer Familien im Rahmen einer bestmöglichen

Krankheitsbewältigung. Aktives Mitwirken setzt differenziertes Wissen über die

Krankheit und ihre Behandlung genau so voraus, wie die Bereitschaft, die

krankheitsbedingten Einschränkungen zu akzeptieren und gewisse Verhaltensmuster

zu ändern. Erst durch diese Vorbedingungen wird ein eigenverantwortliches

Krankheits-Management, ein Selbstmanagement ermöglicht. Der

Selbstmanagement-Ansatz und die Etablierung von Selbstmanagement und

Empowerment sind zentrale Elemente der therapeutischen Patientenschulung.

Dieser Ansatz erfordert eine Partnerschaft zwischen Patient und Fachperson und

kann nur realisiert werden wenn in der Ausbildung und Weiterbildung von Ärzten und

medizinischem Fachpersonal dem Management von chronischen Erkrankungen und

den dazu notwendigen spezifischen Fähigkeiten, wie der therapeutischen

Patientenschulung, mehr Aufmerksamkeit und Nachdruck verliehen wird. Auch

bedarf es der Schaffung einer Atmosphäre an Spitälern, Schulen, Aus- und

Weiterbildungsstätten sowie bei den Versicherern und innerhalb des

Gesundheitssystems, die ein möglichst effizientes Management chronischer

Erkrankungen realisieren lassen.

Die Unterstützung des Selbstmanagements ist ein wichtiges Element im Chronic

Care Modell, das folgende Elemente für eine effiziente, hochwertige Versorgung

chronisch Kranker definiert: 1. Die Gesellschaft, 2. die Unterstützung des

Selbstmanagement der Patienten, 3. evidenzbasierte Informationen zur

Unterstützung klinischer Entscheidungen, 4. strukturierte Arbeitsabläufe, um die

tägliche Patientenversorgung zu erleichtern, 5. klinische Informationssysteme und 6.

das Gemeinwesen.

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Page 4: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass

Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung im Umgang mit

chronischen Erkrankungen und von grossen Nutzen für den Grossteil der betroffenen

Patienten ist, aber auch, dass medizinische Fachpersonen eine ethische

Verpflichtung haben Patienten die notwendige Fähigkeiten, inklusive denen eine

Erkrankung eigenverantwortlich managen zu können, zu vermitteln.

Ich hoffe, dass dieser Leitfaden, der als Grundlage der „LEILA“ Beratungen dienen

soll einen Beitrag und Anregung für die Umsetzung einer wertvollen Betreuung

chronisch kranker Patienten liefert.

Zürich im März 2010

Claudia Steurer-Stey

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Page 5: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Einleitung In den nächsten 50 Jahren wird die Anzahl der über 60ig jährigen um das Dreifache

ansteigen und damit auch die Rate chronischer Erkrankungen. Schon jetzt werden

mehr als 70% der Gesundheitskosten in Europa und Amerika für die Behandlung

chronisch Kranker ausgegeben. Ein damit assoziiertes Problem der Medizin ist die

Erhaltung der Qualität der medizinischen Betreuung trotz beschränkter finanzieller

Ressourcen. Beispiele so genannter „Hochkosten- Diagnosen“ sind vor allem

chronische Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Diabetes, Hypertonie und chronische

Lungenerkrankungen wie das Asthma und die chronisch obstruktive

Lungenerkrankung (COPD). Vor allem Notfallkonsultationen und häufige

Rehospitalisationen sind mit hohen Kosten verbunden und widerspiegeln Qualitäts-

und Managementprobleme im Umgang mit chronischen Erkrankungen (1).

Die Herausforderung und Aufgabe für das Gesundheitswesen besteht darin neue

Wege in der Betreuung von Patienten mit chronischen Erkrankungen zu beschreiten.

Ein Schritt au diesem Weg, dessen Wirksamkeit wissenschaftlich belegt ist, ist die

therapeutische Patientenschulung im Sinne einer Befähigung zu besserem

Selbstmanagement.

Der Begriff „Patientenschulung“ besitzt eine über zwanzigjährige Tradition. Sie wird

als Massnahme definiert, die Patienten unterstützt ihr Verhalten so zu verändern,

dass es die Gesundheit fördert, bzw. den Umgang mit der chronischen Erkrankung

im Alltag erleichtert und verbessert (2). Leider wird unter dem Begriff

Patientenschulung unterschiedliches verstanden und angeboten. Daher ist es

notwendig zwischen traditioneller/konventioneller Patientenschulung und auf Evidenz

basierter therapeutischer Selbstmanagemenschulung zu unterscheiden.

Unter therapeutischer Patientenschulung versteht man den Einsatz von

wissenschaftlich überprüften Schulungsprogrammen, die sich durch ein strukturiertes

Vorgehen und Massnahmen auszeichnen, die chronisch Kranke in die Lage

versetzen, ihre Krankheit und damit verbundene Belastungen eigenständiger und

eigenverantwortlicher zu bewältigen und zu managen. Therapeutische

Patientenschulung bedeutet also nicht einfache Wissensvermittlung, sondern ist ein

Prozess in dem es vor allem um das auf die Einzelperson abgestimmte Aneignen

von Fähigkeiten geht, welche Selbstkontrolle und Selbstmanagement im Rahmen

einer chronischen Erkrankung ermöglichen (2-6). Günstige Effekte therapeutischer

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Page 6: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Patientenschulung auf wichtige Endpunkte chronischer Erkrankungen

(Notfallaufnahmen, Hospitalisationen und Rehospitalisationen, Verminderung von

Langzeitkomplikationen, Lebensqualität, Patientenzufriedenheit) und die Kosten sind

nachgewiesen und lassen sich auch für die hier im Zentrum stehenden Krankheiten

Asthma bronchiale und COPD belegen (1,15-20).

So konnte in einem Cochrane Review ("Selbstmanagementschulung und

regelmässige hausärztliche Kontrolle für erwachsene Asthmapatienten"), an hand

einer Analyse von 36 randomisierten Studien gezeigt werden, dass im Gegensatz

zur üblichen Betreuung die Hospitalisationsraten und Notfallkonsultationen signifikant

reduziert wurden. Zusätzlich wurden Arbeitsausfälle und Schulabsenzen verringert

und die Lebensqualität verbessert (16). Auch für die Schweiz existieren Daten.

Durch Selbstmanagement- Schulung konnten pro Patient 2.5 Hospitalisationstage

und 2.8 Notfallkonsulationen verhindert werden. Ein Einsparungspotential von 5.000.-

CHF pro Patient und Jahr wurde errechnet (17). Eine systematische Übersichtsarbeit

von 32 Studien (20 RCT, 5 kontrollierte klinische Studien, 7 vorher/ nachher Studien)

untersuchte den Effekt von Selbstmanagementunterstützung, Entscheidungshilfen,

klinischen Informationssystemen und Organisation des Versorgungssystems bei

COPD (18). Alle Studien bis auf vier Studien beinhalteten Selbstmanagement als

zentrales Element. Es zeigte sich eine signifikante Verbesserung der

Notfallkonsultationen, der Hospitalisationsrate und eine Verkürzung der

Hospitalisationsdauer. Das relative Risiko für ungeplante und Notfallkonsultationen

sank um 48%. Für Hospitalisationen konnte das relative Risiko um 22% gesenkt

werden. Die Hospitalisationsdauer wurde im mittel um -2.5 Tage verkürzt (-3.40 bis -

1.61).

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Page 7: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Definition Selbstmanagement Bis heute gibt es keine universell akzeptierte Definition von Selbstmanagement. Auch

wenn im Allgemeinen ein ähnliches Phänomen beschrieben werden soll, weisen die

Begriffe Selbstmanagement, Empowerment und Selbstfürsorge doch abweichende

Spezifikationen in Bezug auf Eigenschaften, Rollen und Verantwortungen auf,

sowohl bei Menschen mit chronischen Erkrankungen als auch bei

Gesundheitsdienstleistenden.

Lorig (3) definierte Selbstmanagement als Lernen und Praktizieren von Fertigkeiten,

die nötig sind, um ein aktives und emotional zufrieden stellendes Leben angesichts

der chronischen Erkrankung weiter zu führen. Sie betont weiter, dass

Selbstmanagement keine Alternative zur medizinischen Betreuung darstellt. Vielmehr

zielt Selbstmanagement darauf ab, “dem Teilnehmer dabei zu helfen, ein aktiver

Partner und kein feindliches Gegenüber der Gesundheitsdienstleistenden zu

werden".

Der „Expert Patient Approach“ (National Health Service, UK, 2001

www.expertpatients.nhs.uk ) verwendet den Begriff Selbstmanagement als Verweis

auf "jedes formalisierte Patientenschulungsprogramm, das darauf abzielt, den

Patienten mit den Informationen und Fertigkeiten auszustatten, die notwendig sind,

um seinen Zustand innerhalb der Parameter des medizinischen Regelwerks zu

managen. Weiterhin basieren diese Programme auf der Entwicklung von

Selbstvertrauen und Motivation des Patienten zur Nutzung der eigenen

Fertigkeiten,der Informationen und professionellen Dienste, um eine effektive

Kontrolle über das Leben mit einer chronischen Erkrankung zu erhalten“.

Selbstmanagement beschreibt die Bereiche der täglichen Verhaltensweisen, die

Patienten ausüben, um mit ihrer chronischen Erkrankung umzugehen.

Selbstmanagement als alltägliche Aufgaben die eine Einzelperson erfüllen muss, um

die Auswirkung der Krankheit auf den Gesundheitszustand zu kontrollieren oder zu

reduzieren. Die Strategien werden in Kooperation und unter der Führung des Arztes

umgesetzt. Nach Barlow bezieht sich Selbstmanagement auf die Fähigkeit des

Einzelnen, mit Symptomen, Behandlung, physikalischen und psychosozialen

Konsequenzen und Änderungen im Lebensstil umgehen zu können,die mit einer

chronischen Erkrankung einhergehen. Wirksames Selbstmanagement umfasst die

Fähigkeit, den eigenen Zustand zu überwachen und die kognitiven,

verhaltenstechnischen und emotionalen Reaktionen, die für die Aufrechterhaltung

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Page 8: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

einer zufrieden stellenden Lebensqualität nötig sind, zu bewirken. Somit wird ein

dynamischer und kontinuierlicher Prozess der Selbstregulierung aufgebaut (2).

Definition für “LEILA”

Die Definition, adaptiert für LEILA, könnte wie folgt lauten:

Selbstmanagement bezieht sich auf die Aufgaben, die ein Einzelner unternehmen

muss, um gut mit einer oder mit mehreren chronischen Erkrankungen leben zu

können. Zu diesen Aufgaben gehört das Erlangen von Zuversicht im Umgang mit

dem medizinischen Management,Rollenmanagement und dem emotionalen

Management.

Diese Definition vergegenwärtigt Selbstmanagement als Verhaltensweise, die

unterstützt werden soll, berücksichtigt aber die Idee des „Selbstvertrauens und der

Zuversicht“ und bezieht das medizinische Management (ein primäres Anliegen der

Gesundheitsdienstleister) sowie das Rollen- und emotionale Management durch den

Einzelnen mit ein. Sie bietet grössere Klarheit dahingehend, dass sich die Definition

auf die Person mit der chronischen Krankheit konzentriert und spezifiziert, was

Gesundheitsdienstleistende tun können, um das Selbstmanagement zu unterstützen.

Ein weiterer Faktor der dafür spricht, diese Definition von Selbstmanagement zu

verwenden ist, dass es mit dem Konzept der “Selbstmanagementunterstützung”

deckungsgleich ist, das in das Chronic Care Model (7) eingebunden ist.

„Selbstmanagementunterstützung wird darin als die systematische Bereitstellung von

Schulung und unterstützenden Interventionen durch Gesundheitspersonal definiert

zur Steigerung der Fertigkeiten und der Zuversicht des Patienten für den Umgang mit

seinen Gesundheitsproblemen, inklusive regelmässiger Bewertungen von Fortschritt

und Problemen, Zielsetzung und Unterstützung bei der Problemlösung."Das Modell

involviert zwei sich überlappende Bereiche, die Gemeinschaft und das

Gesundheitssystem, wobei die Selbstmanagementunterstützung als einer der vier

wesentlichen Bausteine innerhalb des Gesundheitssystems gilt.

Letztendlich postuliert das Modell, dass “informierte, aktivierte Patienten“ und ein

„vorbereitetes, proaktives Betreuerteam verbesserte klinische Ergebnisse erzielen.

(Abb.1)

Therapeutische Patientenschulung hat das Ziel Betroffene in ihren Fähigkeiten zum

Selbstmanagement, definiert als Prozess und klinisch wichtiger Endpunkt, zu

unterstützen (2-6).Dem Patienten soll Wissen vermittelt, aber auch ein neues

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Page 9: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Bewältigungsverhalten ermöglicht werden. Durch diesen Prozess sollen die

Betroffenen in die Lage versetzt werden, sich aktiv und ausdauernd an ihrem

Krankheitsmanagement zu beteiligen und mehr Eigenverantwortung in der

Krankheitsbewältigung zu übernehmen. Aus einem hinreichenden Wissenszuwachs

allein resultieren noch keine bedeutsamen Schulungseffekte, die zu einer

Verhaltensänderung führen, sondern das Krankheitsverhalten und die Adherence

verbessern sich durch strukturierte, auf verhaltens- lerntheoretisch abgestützte und

das Selbstmanagement fördernde Schulungsprogramme (8-10).

Ärzte und medizinisches Fachpersonal sind die Experten für die Erkrankung, der

Patient aber ist der Experte für sein Leben, seine Präferenzen und die Beeinflussung

seines Alltages durch die chronische Erkrankung. Patienten mit chronischen

Erkrankungen treffen Tag für Tag Entscheidungen zum „Selbstmanagement“ ihrer

Erkrankung. Diese Realität führt zu einem neuen Ansatz. Der chronisch Kranke

übernimmt in einem viel grösseren Ausmass als bisher eine aktive Rolle in seiner

Gesundheitsfürsorge, Arzt und Fachpersonal unterstützen ihn dabei.

Unter diesen Aspekten zielt Selbstmanagement-Schulung auf eine

Qualitätsverbesserung in der Versorgung von Patienten mit chronischen

Erkrankungen und auch auf eine Reduktion der Gesundheitskosten. Es ist eine

Schulung, die von Fachpersonen durchgeführt wird, die in der „Schulung von

Patienten“ ausgebildet sind. Ein Hauptaspekt ist es einen therapeutischen Effekt zu

erzielen wie bei anderen Interventionen (pharmakologische oder physikalische

Therapie). Der Erfolg eines Schulungsprogramms hängt von der Lernfähigkeit und

Motivation des Patienten ab. Auch ein primär nicht motivierter Patient kann aber oft

durch geeignete Massnahmen von einem geschulten „Patientencoach“ motiviert

werden und von einer strukturierten Schulung profitieren [6].

Um den Rahmen der “Konzepte mit Bezug zum Selbstmanagement” darzustellen gilt,

Selbstmanagement findet statt, wenn die Einzelperson an einer Behandlung oder an

einer bestimmten Art von Schulung teilnimmt, wie etwa einer interdisziplinären

Gruppenschulung basierend auf den Prinzipien der Erwachsenenbildung,

individualisierter Behandlung und der Fallmanagementtheorie.

Grundsätzlich ist die Schulung in Gruppen und individuell möglich.

Beide Formen haben Vor- und Nachteile. Die Ebene der Wissensvermittlung und

Erlernen von Fähigkeiten ist in einer Gruppe gut vermittelbar und gegenseitige

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Page 10: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Motivation und ein „Wieder erkennen“, „ein Model/Vorbild haben“ ist häufig von

Vorteil. Eine Gruppengrösse von 6-8 Patienten ist eine gute Gruppengrösse.

Jeder Patient wird aber ein unterschiedliches Ausmass, einen anderen Schwerpunkt

in der Beratung benötigen, gerade was Fertigkeiten und Selbstwirksamkeit und auf

den Alltag bezogene Beratung und Problemlösung anbelangt. Dem wird durch die

individuelle Schulung Rechnung getragen (6).

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Page 11: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Komponenten der Selbstmanagementschulung

A. Allgemeine Komponenten

Aufklärung:

Es soll spezifisches Krankheits- und Behandlungswissen vermittelt und ein

angemessenes Krankheitsmodell erläutert werden.

Aufbau einer angemessenen Einstellung zur Erkrankung und ihrer

Bewältigung:

Vermehrte Krankheits- und Behandlungseinsicht, Erhöhung der Selbstwirksamkeit

und Eigenverantwortlichkeit im Umgang mit der Krankheit, Verbesserung der

Therapiemotivation und Mitarbeit (Adherence).

Sensibilisierung der Körperwahrnehmung:

Frühzeitiges Erkennen von Warnsignalen, Vorboten, Überlastungsanzeichen und der

Verschlimmerung des Krankheitszustandes.

Vermittlung von Selbstmanagementkompetenzen:

Fertigkeiten bezüglich der Medikation (Entscheidungskompetenz bei der Applikation

und Dosierung von Medikamenten), Verbesserung der Einnahmetechnik und der

Anwendung von Hilfsmitteln

Massnahmen zur Anfallsprophylaxe und Sekundärprävention:

Vermeidung von spezifischen Auslösern, Verhalten in Krisensituationen.

Erwerb sozialer Kompetenzen und Mobilisierung sozialer Unterstützung:

Kommunikationsfähigkeit über die Erkrankung und ihre Auswirkungen, Artikulation

von Behandlungsbezogenen Befürchtungen und Bedürfnissen gegenüber dem Arzt

oder Fachpersonal, Einbeziehung der Angehörigen und Bezugspersonen.

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Page 12: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

B. Spezifische Komponenten

Selbstmanagement und Selbstregulation

Wichtige Elemente sind

1. Die Auseinandersetzung mit den Konsequenzen der Erkrankung für das

tägliche Leben der Patienten.

2. Die Gewichtung der Schwerpunkte auf Problemlösung,

Entscheidungsfindung und Patientenvertrauen

3. Das Bemühen um ein partnerschaftliches Verhältnis mit offener,

kontinuierlicher Kommunikation und Erfassen von Fehlannahmen, Ängsten

und Wünschen.

Selbstregulation:

Eine erfolgversprechende Schulung zeigt Patienten Wege zur Selbstregulation auf

(10-12). Unter Selbstregulation versteht man einen Prozess der Selbstbeobachtung,

der Einschätzung und Beurteilung einer Situation und eines darauf folgenden

angemessenen Verhaltens. Selbstwirksamkeit („self-efficacy“) und „ outcome-

efficacy“, d.h. die Erwartung, dass das gezeigte Verhalten auch den gewünschten

Effekt hat, sind wichtige Faktoren der Selbstregulation. Dabei spielen

prädisponierende persönliche Faktoren wie persönliche Erfahrungen, Annahmen,

subjektive Krankheitskonzepte und Ängste sowie externe Umwelt-Faktoren eine

wichtige Rolle.

Selbstregulation ist eine Form der Problemlösung bei welcher der Patient auf Grund

seiner persönlichen Ziele, seines sozialen Kontexts und der Kenntnis eigener

Fähigkeiten bestimmt was er tut und weiss, warum und wofür es sich lohnt dies zu

tun. Mit der Zeit entwickeln Patienten durch den Prozess der Selbstregulation ein

Repertoire an „Managementstrategien“ von denen Sie merken, dass sie ihrer

persönlichen Situation und den persönlichen Zielen am besten dienen.

Selbstregulation befähigt damit Patienten, mit einer chronischen Erkrankung besser

umgehen zu können und vorhandenes Wissen in richtiges Verhalten umzusetzen.

Die dadurch erreichte Steigerung der Zuversicht und des Selbstvertrauens hat

wiederum einen positiven Effekt auf das Verhalten und den Krankheitsverlauf.

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Page 13: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Ziele eines Schulungsprogramms:

1. Verbesserung krankheitsspezifischen Wissens

2. Verbesserung der Wahrnehmungsfähigkeiten

3. Erkennen und Umsetzung individueller Bedürfnisse und Ziele

4. Verarbeitung krankheitsbezogener Emotionen

5. Aufbau kompetenter Verhaltensweisen im Umgang mit der Krankheit

6. Ermöglichung einer angemessenen Selbstkontrolle

7. Selbstmanagementfähigkeiten und Empowerment

8. Verbesserung der Kooperation und Kommunikation mit Arzt und

medizinischem Personal

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Page 14: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Die drei Ebenen erfolgreicher Selbstmanagementschulung 1. Wissensvermittlung

Was ist die Erkrankung (Grundlagen)

Symptome

Auslöser

Wissen über die Medikamente (Wirkung und Nebenwirkungen)

richtiger Einsatz der Medikamente ( Häufigkeit, Dosierung,

Inhalationstechnik)

Dokumentation der verordneten Medikation / der Bedarfsmedikation

Frühsymptome einer Verschlechterung, Körperwahrnehmung

2. Instruktion, Fähigkeiten, Verhalten

Selbstbeobachtung

Monitoring

Interpretation

Adequate Reaktion

richtiges Verhalten bei Verschlechterung

3. Beratung

Objektives Erfassen der Krankheitskontrolle

Vermeiden von Auslösern

Verhalten in spezifischen Situationen

Abstimmung der Therapie und des Managements auf Alltagsroutine

Erfassen von Problemen, Schwierigkeiten, Ängsten,

Erfassen von Faktoren der Non-adherence

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Page 15: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Fähigkeitsprofil geschulter Patienten

Der Patient mit einer chronischen Erkrankung sollte:

1. eigenverantwortlich mit seiner Krankheit und den damit verbundenen

Folgen umgehen lernen.

2. wenig ängstlich sein und krankheitsspezifische Belastungen und

Konsequenzen zuversichtlich angehen.

3. selbst-kontrolliert und ausdauernd im Rahmen der Behandlung mitarbeiten

4. realistisch den Handlungsbedarf abschätzen können

5. sich offen, vertrauensvoll und kooperativ dem Arzt und medizinischem

Fachpersonal gegenüber verhalten.

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Page 16: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Allgemeine Massnahmen zur Implementierung therapeutischer Patientenschulung Rahmenbedingungen

Benötigt wird ein interdisziplinäres Netzwerk (Ärzte, MPA’s, Pflegefachpersonen,

Ernährungsberater, Physiotherapeuten). Erst die Zusammenarbeit verschiedener

Berufsgruppen in einem Team, wobei dem Hausarzt eine zentrale und

koordinierende Rolle zukommt und die bessere Vernetzung der stationären und

ambulanten Aktivitäten erlaubt es die notwendigen Kompetenzen im Rahmen eines

integrierten Behandlungsansatzes umzusetzen.

Schulungsprogramme in therapeutischer Patientenschulung sollten auf den

Empfehlungen der WHO basieren. Sie sollten ein relevantes effizientes Training in

interdisziplinärer Zusammenarbeit und Kommunikation und die direkte, praktische

Erfahrung mit Patienten (patient based learning) beinhalten, auf aktivem Lernen

basieren und wichtige Gesundheitsmodelle- und Verhaltenstheorien berücksichtigen.

Die bereits vorhandene Fachausbildung sollte anerkannt werden. Wichtige

patientenzentrierte Aspekte wie Verfügbarkeit, Diskretion, Toleranz, Respekt und

Empathie sollten gestärkt werden [6].

Ausbildung der Akteure (Erarbeiten eines Curriculums)

In einem ersten Schritt müssen krankheitsspezifische Kompetenzprofile für geschulte

Patienten definiert werden.

Der zweite Schritt besteht darin, die für das Fachpersonal notwendigen

Kompetenzen zu definieren, die nach spezifischer Weiterbildung in therapeutischer

Patientenschulung vorhanden sein sollten, um Patienten bei der Erreichung der

notwendigen Fähigkeiten und eines besseren Krankheitsmanagements unterstützen

zu können.

Diese beiderseitigen Kompetenzprofile sind unerlässlich um ein Curriculum mit

Lernzielen, Lerninhalten, Lernmethoden und Lernmaterialen zu entwickeln und die

erworbenen Fähigkeiten im Verlauf evaluieren zu können.

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Page 17: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Ziele eines Weiterbildungsprogramms für Fachpersonal in therapeutischer

Patienten Schulung

Optimales Krankheitsmanagement-Qualitätssicherung bzw. Steigerung

Vernetzt bestes medizinisches Wissen/Evidenz mit effektiver

Pharmakotherapie und Patientenbefähigung im Selbstmanagement

Verbesserung der Gesundheit und Gesunderhaltung

Verbesserte Wahrnehmung, aktives Mitwirken und „geführtes“

Selbstmanagement des Patienten

Verringerung der Morbidität

Verminderte Notfallaufnahmen, Hospitalisationen und Rehospitalisationen

Verminderte Einschränkung im Alltag inklusive Arbeitsausfällen

Reduktion der Gesundheitskosten

Direkte Kosten (Medikamentenkosten, Arztbesuche, Notfälle,

Rehospitalisationen)

Indirekte Kosten (Arbeitsausfälle, Schulabsenzen)

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Page 18: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Fähigkeitsprofil für Fachpersonen in therapeutischer Patienten Schulung

Die Schulung soll den Patienten in einem partnerschaftlichen Verhältnis

verschiedene Wege der Selbstregulation aufzeigen, wenn sie erfolgreich sein will.

Fachpersonal sollte dazu fähig sein individuell oder im Team

Das professionelle Handeln und Verhalten dem Patienten und seiner

Erkrankung anzupassen

Die Aufgaben und Rollen innerhalb der betreuenden Teams mit dem sie

zusammen arbeiten anzupassen

Emphatisch mit Patienten zu kommunizieren

Die Bedürfnisse (objektive und subjektive) des Patienten zu erkennen

Die emotionale und psychosoziale Lage sowie die Patientenvorstellungen

über Erkrankung und Behandlung zu berücksichtigen

Patienten im Lernen zu helfen

Patienten im Umgang und Management mit der Erkrankung und

Behandlung zu schulen

Patienten zu helfen den Alltag mit der Erkrankung zu managen

Patienten zu helfen Krisen zu meistern

Geeignete Schulungsinstrumente und Techniken zu wählen und in die

Betreuung und den Lernprozess mit einzubauen

Die Schulungseffekte zu überprüfen und wenn nötig Änderungen

vorzunehmen

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Page 19: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Zu erwartende Barrieren

Traditionelle Kultur mit engem Krankheits- und Behandlungsverständnis

Die Einführung therapeutischer Patientenschulung stellt eine Herausforderung an die

etablierte Kultur unseres Gesundheitssystems dar.

Zur Behandlung von Krankheiten werden im Wesentlichen symptomorientierte sowie

medikamentöse Massnahmen gezählt. Schulungen, die auf Kompetenzförderung

und Hilfe zur Selbsthilfe ausgerichtet sind werden meist zu den präventiven

Zusatzleistungen gerechnet, die von den Krankenkassen nach eigenem Ermessen

bezahlt oder nicht bezahlt werden. Dem entspricht auch ein immer noch traditionelles

Verständnis des ärztlichen Handelns, zu dem vor allem Diagnostik und somatische

Akutbehandlung gezählt werden.

Motivationsmangel

Ein ernsthaftes Problem stellt bei Ärzten die fehlende Motivation auf dem Gebiet dar

Selbstmanagement Förderung dar. Patientenschulung wird als „weicher“ Ansatz

betrachtet. Viele Kollegen in der Praxis befürchten auch, dass eine Schulung zum

Selbstmanagement den Arzt ersetzt. Sie vergessen dabei, dass gerade eine sehr

enge Zusammenarbeit zwischen Patient und Arzt die Voraussetzung dafür ist.

Mangelndes „Know-how“ und das Fehlen geeigneter Schulungskonzepte auf dem

Gebiet der Patientenschulung führen zu einem „therapeutischen Nihilismus“. Es

herrscht immer noch die Meinung vor, dass Schulungen sehr aufwendig aber vielfach

nutzlos sind. Finanzielle Ängste und Engpässe, die durch zeitintensive aber bisher

nicht oder zu niedrig vergütete Massnahmen entstehen erschweren die

Implementierung zusätzlich.

Fehlen finanzieller Ressourcen

Für therapeutische Patientenschulung besteht keine definierte Leistungspflicht eines

Kostenträgers. Solange die Schulung mit niederer Priorität behandelt wird, werden

finanzielle Ressourcen knapp bleiben. Unter Berücksichtigung der Vorteile, die sich

aus dem Zuwachs an Kompetenz auf beiden Seiten, Patient und Fachperson,

ergeben und dem Nachweis der Kostensenkung durch therapeutische

Patientenschulung wird sie allerdings zunehmend von gesundheitspolitischem und

gesundheitsökonomischen Interesse sein. Dies wird sich mittelfristig auf die

Vergütung auswirken.

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Page 20: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Konkreter Ansatz für Asthma und COPD

Selbstmanagementschulung bei Asthma Asthma ist eine häufige, chronisch entzündliche Erkrankung der Atemwege, die mit

erheblicher Morbidität und hohen Gesundheitskosten einhergeht [13]. In der Schweiz

haben ca. 500 000 Menschen ein Asthma. Ein wichtiges Ziel ist es die Auswirkungen

dieser chronischen, bis heute nicht heilbare Erkrankung auf den Patienten und sein

Umfeld zu kontrollieren, um damit auch Gesundheitskosten zu reduzieren. Wie

internationale Studien zeigen, besteht trotz der vorhandenen Kenntnisse über

Ätiologie und pathophysiologische Vorgänge und einer vorhandenen effektiven

Therapie, nach wie vor eine Diskrepanz zwischen der theoretisch möglichen und der

tatsächlich vorhandenen Asthmakontrolle [14]. Ein wichtiger Punkt der in diesem

Zusammenhang genannt wird, ist die Patientenschulung. Kontrollierte Studien haben

klare Evidenz für den positiven Effekt dieser Massnahmen auf Hospitalisationen,

Notfallaufnahmen, Arbeitsabsenzen und das Verhalten gezeigt sowie die

Kosteneffektivität belegt sofern die Schulung ein Selbstmanagement mit

persönlichem Aktionsplan beinhaltet [15, 16].

Komponenten einer erfolgreichen Asthma-Patientenschulung

Die evaluierten Schulungsprogramme benutzten nicht immer den gleichen Ansatz,

allerdings haben sich zentrale Komponenten erfolgreicher Schulungsprogramme

aufzeigen, und wissenschaftlich belegen lassen.

Um einen anerkannten Standard und eine Qualitätssicherheit zu gewährleisten

sollten Schulungsprogramme in der Schweiz dann unterstützt, bzw. anerkannt und

künftig hoffentlich auch entschädigt werden wenn sie die folgenden Komponenten

beinhalten und gewisse Qualitätskriterien erfüllen (http://www.ginasthma.com)

1. Das Ziel der Patientenschulungsprogramme ist die Patienten zum erfolgreichen

Selbstmanagement zu befähigen (Evidenz A).

2. Selbstmanagement Schulung einschliesslich eines geschriebenen Aktionsplanes

sollte allen Patienten mit Asthma angeboten werden, besonders aber Patienten

mit wiederholten Notfallkonsultationen oder Hospitalisationen (Evidenz B)

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Page 21: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

3. Geschriebene Aktionspläne als Teil einer Selbstmanagement-Schulung

verbessern den „Outcome“ (Evidenz A).

4. Aktionspläne sollen schriftlich formuliert werden und sich auf die individuellen

Bedürfnisse des Patienten beziehen. Die Aktionspläne können Symptom- oder

Peakflow- basiert sein: Bei Peak-flow basierten Plänen sollte vom persönlichen

Bestwert des Patienten ausgegangen werden. Aktionspläne können, müssen

aber nicht ein Ampelschema benutzen, und sollten zwei bis vier Aktionspunkte

enthalten. Sie sollten neben der Erhöhung der Inhalationstherapie die Anweisung

für systemische Steroide enthalten (Evidenz A)

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Die Asthmapatientenschulung sollte auf individuelle, soziale, emotionale und

krankheitsspezifische Faktoren Rücksicht nehmen und die folgenden drei Themen

umfassen

1. Wissensvermittlung

Natur der Erkrankung (Grundlagen, Entzündung!, Brochokonstriktion,

Hypereagibilität)

Symptome ( Husten, Engegefühl,Atemnot, Leistungsenbusse)

Auslöser, Trigger des Asthmas ( Allergische und nicht allergische Auslöser,

Anstrengung, virale Infekte, Rauchen ect..)

Wissen über die Medikamente (Wirkung und Nebenwirkungen der

Therapie)

Anwendung der Therapie, richtige Inhalationstechnik mit den

verschiedenen Inhalationsgeräten

Erkennen und Vermeiden von Allergenen und Triggerfaktoren

2. Instruktion, Fähigkeiten, Verhalten

Anwendung der Therapie/Inhalationstechnik richtige Inhalation mit den

verschiedenen Inhalationsgeräten (Dosieraerosol, Dosieraerosol mit

Vorschaltkammer, Trockenpulverinhalatoren)

Entwicklung von Selbstmonitoring-und Selbstmanagement Fähigkeiten

Peak-flow-Messung und Peak-flow-Dokumentation

Interpretation der Peak-flow-Werte

Erkennen und Interpretation von Symptomen

Erkennen und Management einer akuten Verschlechterung

Einsatz eines geschriebenen Aktionsplans

objektives Erfassen der Asthmakontrolle (mit Fragebogen im

Asthmatagebuch oder mit Asthmakontrolltest)

3. Beratung

Vermeiden von Auslösern ( inklusive Nikotinabstinenz)

Verhalten in spezifischen Situationen

Abstimmung der Inhalationspraxis und des Managements auf Alltag und

persönliches Umfeld

Erfassen von Problemen, Schwierigkeiten, Ängsten

Faktoren der Non- Adherence

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Vorhandene Instrumente:

Patientenbroschüre der Lungenliga: Besser leben mit Asthma

Offizielles Asthmatagebuch der SGP zum Selbstmonitoring , inklusive integrierter

Erhebung der Asthmakontrolle und eines Aktionsplans nach Ampelschema.

Asthma Control Test (ACT)

Peak flow Messgeräte von AstraZeneca und GSK auch elektronische pocket Geräte

(microlife)

Videos/ Instruktion zur richtigen Inhalationstechnik, Placeboinhalatoren zur

Demonstration und zum Üben der richtigen Inhalationstechnik. Zu beziehen bei den

entsprechenden Pharmafirmen.

Lernordner für Weiterbildung im Rahmen eines „Train the Trainer“ Programms

Asthma für Fachpersonen (Appendix 4).

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Selbstmanagementschulung bei COPD Die chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) ist ein zunehmendes und

wachsendes Gesundheitsproblem, das mit hoher Morbidität, Mortalität und enormen

Gesundheitskosten einhergeht. Die Belastungen die für die Betroffenen und das

Gesundheitssystem resultieren werden in den nächsten 20 Jahren noch zunehmen

und bis ins Jahr 2020 wird die COPD die dritthäufigste Todesursache weltweit sein.

Die richtige, frühzeitige Diagnose sowie präventive und therapeutische

pharmakologische sowie nicht pharmakologische Massnahmen und

Behandlungsmodalitäten sollten in der täglichen Praxis Berücksichtigung und Einlass

finden um ein effizientes Management der COPD für die Zukunft zu gewährleisten

(http://www.goldcopd.com).

Oft sind COPD-Patienten angesichts der Komplexität ihrer Erkrankung überfordert

oder zeigen wenig Zuversicht im Umgang mit der Erkrankung. Die Therapie

durchzuführen, sie gegebenenfalls anzupassen und sich zum richtigen Zeitpunkt die

adäquate medizinische Hilfe zu organisieren und vorhandene Ressourcen

einzusetzen ist wichtig.

Patientenschulung ist bei einer COPD ein wichtiges Therapieelement für alle

Schweregrade der Erkrankung (Evidenzgrad B). Sie trägt zu einer Steigerung der

Effizienz des Managements wesentlich bei und es bestehen gute Hinweise, dass

durch ein effizientes Selbstmanagement positive Effekte auf wichtige klinische

Endpunkte erzielt werden (17-19).

1. In den meisten Untersuchungen war die Patientenschulung eine Komponente

eines pulmonalen Rehabilitationsprogramms. Nach den vorliegenden

Untersuchungen führt die Patientenschulung allein nicht zu einer Besserung

der körperlichen Belastbarkeit aber eine Besserung der Lebensqualität wird

beobachtet. Die Patientenschulung kann bei COPD-Patienten die Effizienz der

Medikamenteneinnahme steigern und die Selbstkontrolle.

2. Zusammen mit einem Aktionsplan zur Früherkennung und adäquaten

Behandlung von Exazerbationen kann die Zahl akuter Exazerbationen und die

Wahrscheinlichkeit wegen einer Exazerbation hospitalisiert werden zu

müssen, reduziert werden. (Evidenzgrad B).

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3. Zu den wesentlichen Inhalten der Patientenschulung gehören Informationen

über Risikofaktoren und deren Reduktion bzw. Elimination, insbesondere die

Raucherentwöhnung.

4. Für die Schweregrade I und II sind das Monitoring von Symptomen, die dem

Schweregrad entsprechend adaptierte Selbstmedikation, die Vorbeugung und

Behandlung von Exazerbationen neben korrekter Inhalationstechnik und

Wissensvermittlung über die COPD sowie das Atmen erleichternde Stellungen

und dosierte Lippenbremse wichtige Lehrinhalte.

5. Für den Schweregrad III kommen Informationen über Komplikationen, die

apparative Therapie mittels Langzeitsauerstoffbehandlung bzw.

intermittierende Selbstbeatmung als zusätzliche Lerninhalte in Betracht.

6. Die Patientenschulung für COPD-Patienten sollte die individuellen Belange

des Patienten und seiner Umgebung berücksichtigen.

7. Die Raucherentwöhnung kann während einer pulmonalen Rehabilitation in ein

multimodales Schulungsprogramm integriert werden, in ambulanten

Programmen sollte sie wegen ihres erheblichen Zeitaufwandes separat von

anderen Schulungsprogrammelementen durchgeführt werden.

Ein Evidenz basiertes Programm „Living well with COPD“ wurde für die Schweiz

adaptiert und evaluiert (19). „Besser Leben mit COPD“ ist ein interaktives Programm,

welches Gruppen und Einzelschulung für Menschen mit COPD umfasst. Das

Programm hat das Ziel, die Mitarbeit (Adherence) der Betroffenen bei der

medizinischen Behandlung zu verbessern und ihre Fähigkeit zum

selbstverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung (Selbstmanagement) in

Kooperation mit professioneller Hilfe und und interprofessioneller Zusammenarbeit zu

stärken. Der COPD-Patient soll durch den Erwerb von Wissen, Fertigkeiten und

Kompetenzen in die Lage versetzt werden, informierte Entscheidungen bezüglich

seiner Lebensführung zu treffen (Empowerment), Zielsetzungen und Strategien zur

Problemlösung zu definieren und damit die Zuversicht erwerben diese Kompetenz im

Alltag anwenden zu können (self-efficacy).

Das Programm beruht auf den drei Säulen erfolgreicher Schulung

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1. Wissensvermittlung

Natur der Erkrankung (Grundlagen, Rauchen)

Symptome

Auslöser einer Verschlechterung

Wissen über die Medikamente (Wirkung und Nebenwirkungen der

Therapie)

Anwendung der Therapie, richtige Inhalationstechnik

Erkennen und Vermeiden von Auslösern

Aufzeigen der Wirksamkeit eines optimalen Verhaltens

2. Instruktion, Fähigkeiten, Verhalten

Anwendung der Therapie/Inhalationstechnik richtige Inhalation mit den

verschiedenen Inhalationsgeräten (Dosieraerosol, Dosieraerosol mit

Vorschaltkammer, Trockenpulverinhalatoren)

Anwendung der situativ optimalen Atemtechniken/Hustentechniken

Umsetzung eines regelmässigen Bewegungsverhaltens

Erkennen und Interpretation von Symptomen

Erkennen und Management einer akuten Verschlechterung

Entwicklung von Selbstmonitoring- und Selbstmanagement Fähigkeiten

Einsatz eines geschriebenen Aktionsplans

3. Beratung

Vermeiden von Auslösern ( vor allem Nikotinabstinenz)

Verhalten in spezifischen Situationen

Erfassen von Problemen, Schwierigkeiten, Ängsten

Faktoren der Non- Adherence

Zielsetzung

Wege zur Problemlösung

Strukturierte Tages- und Wochenplanung

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Das Programm mit 6 Schulungsmodulen zu je 60 Minuten (Appendix 3) findet unter

der Leitung von Frau PD Dr. Claudia Steurer-Stey und der Physiotherapeutin Frau

DallaLana Kaba wöchentlich in Gruppen von 5 bis 8 Patienten in der mediX

Gruppenpraxis (siehe Beilage) statt. Die Patienten werden ermuntert Angehörige,

wichtige Bezugspersonen oder auch betreuendes Fachpersonal in die Schulung

mitzubringen. Bei Bedarf wird den Patienten zusätzlich zu den 6 Basismodulen in

Zusammenarbeit mit dem Hausarzt und den jeweiligen Spezialisten auch vertiefte

Einzelberatungen in Rauchentwöhnung, Ernährung, Sauerstofftherapie,

Atemtherapie, Trainings- und psychologische Beratung angeboten.

Vorhandene Schulungsinstrumete:

Patientenbroschüre: Besser leben mit COPD

COPD Tagebuch inklusive eines Aktionsplans nach Ampelschema.

Videos zur richtigen Inhalationstechnik und Placeboinhalatoren zur Demonstration

und zum Üben der richtigen Inhalationstechnik (zu beziehen über die

entsprechenden Pharmafirmen).

COPD Informationsbroschüren der Lungenliga

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Page 28: Therapeutische Patientenschulung und Selbstmanagement · Es ist meine tiefe, in täglicher Praxis gewonnene Überzeugung, dass Selbstmanagementschulung von entscheidender Bedeutung

Literatur

1. Bodenheimer T, Fernandez A. High and rising health care costs. Part 4: can

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2. Barlow J, Wright C, Sheasby J, Turner A, Hainsworth J. Self-management

approaches for people with chronic conditions: a review. Patient Educ Couns

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3. Lorig K. Patient education: A practical approach, third edn. London: Sage

Publications, 2001.

4. Petermann F. Patientenschulung und Patietenberatung, second edn. Göttingen:

Hogrefe, 1997.

5. Assal JP. Revisiting the approach to treatment of long-term illness: from the

acute to the chronic state. A need for educational and managerial skills for long-

term follow-up. Patient Educ Couns 1999; 37: 99-111.

6. WHO Working Group. Therapeutic Patient Education. Geneva: World Health

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7. Wagner EH, Austin BT, Von Korff M. Organizing care for patients with chronic

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8. Bandura A. Social foundations of thought and action: a social cognitive theory,

Anglewood Cliffs NJ: Prentice-Hall, 1986.

9. Clark NM. Management of chronic disease by patients. Annu Rev Public Health

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10. Clark NM, Zimmermann BJ. A social cognitive view of self-regulated learning

about health. Health Educ Res 1990; 5: 371-379.

11. Bodenheimer T, Lorig K, Holman H, Grumbach K. Patient self-management of

chronic disease in primary care. JAMA 2002; 288: 2469-2475.

28

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12. Clark NM, Gong M. Management of chronic disease by practitioners and

patients: are we teaching the wrong things? BMJ 2000; 320: 572-575.

13. Barnes PJ, Jonsson B, Klim JB. The costs of asthma. Eur Respir J 1996; 9:

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14. Rabe KF, Vermeire PA, Soriano JB, Maier WC. Clinical management of asthma

in 1999: the Asthma Insights and Reality in Europe (AIRE) study. Eur Respir J

2000; 16: 802-807.

15. Gibson PG, Coughlan J, Wilson AJ, Abramson M, Bauman A, Hensley MJ, et al.

Self-management education and regular practitioner review for adults with

asthma. Cochrane Database Syst Rev 2000; CD001117.

16. Tschopp JM, Frey JG, Pernet R, Burrus C, Jordan B, Morin A, et al. Bronchial

asthma and self-management education: implementation of Guidelines by an

interdisciplinary programme in health network. Swiss Med Wkly. 2002 Feb

23;132(7-8):92-7.

17. Adams SG, Smith PK, Allan PF, Anzueto A, Pugh JA, Cornell JE. Systematic

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18. Monninkhof EM, van der Valk PDLPM, van der PJ, van Herwaarden CL,

Partidge MR, Walters EH, Zielhuis GA. Self-management education for chronic

obstructive pulmonary disease. Cochrane Database Syst Rev 2002

;(4):CD002990.

19. Bourbeau J, Julien M, Maltais F, Rouleau M, Beaupre A, Begin R, Renzi P,

Nault D, Borycki E, Schwartzman K, Singh R, Collet JP. Reduction of hospital

utilization in patients with chronic obstructive pulmonary disease: a disease-

specific self-management intervention. Arch Intern Med 2003;163(5):585-91

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Abbildung 1 Das Chronic Care Model und seine Elemente adaptiert nach Wagner

1996

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Abbildung 2 Selbstmanagement Grundhaltung

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Abbildung 3 Selbstmanagement Wissen

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Abbildung 4 Selbstmanagement Fertigkeiten

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Appendix 1 Übersicht Inhalte Selbstmanagement Schulung bei Asthma und COPD:

Vermittlung von Wissensinhalten

Sensibilisierung der Wahrnehmung von Auslösern und deren Vermeidung

Verbesserung von Körperwahrnehmung und Fähigkeiten zur

Selbstkontrolle im Kontext des Selbstmanagements

soziale Fertigkeiten, die im Umgang mit anderen dazu beitragen mit der

Erkrankung im Alltag besser fertig zu werden.

hinderliche Emotionen (Ängste, Panik) regulieren zu lernen

die Entwicklung von Fähigkeiten und das erfolgreiche Anwenden dieser

Fähigkeiten (Monitoring, Interpreation, adequates, gesundheits-förderliches

Verhalten)

die Zuversicht und Erfahrung ein Krisenmanagement erfolgreich realisieren

zu können durch das Kennen und Einsetzen angemessener

Gegenmassnahmen

Persönlicher Aktionsplan.

Wichtige Fertigkeiten bei Asthma und COPD aus Patientenperspektive

Präventive Medikationsfertigkeiten

- welche Medikamente helfen?

- wie erstelle ich einen Medikamentenplan?

- wie stelle ich sicher, dass ich meine Medikamente regelmässig

einnehme?

- welche Medikamente benötige ich in aussergewöhnlichen Situationen?

Fertigkeiten zur Auslöservermeidung

- woran erkenne ich Auslöser?

- was muss ich tun, um Auslöser zu vermeiden?

- welche Belastungen/Anstrengungen soll ich vermeiden?

Fertigkeiten bei Notfällen (Notfallmanagement)

- wie kann/muss ich auf Vorboten einer Verschlechterung reagieren?

- wie muss ich meine Medikamente anpassen?

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Kommunikationsfertigkeiten

- wie kann ich meinem Arzt Belastungen und Reaktionen präzise

beschreiben?

- wie kann/soll ich meine Kollegen über die Erkrankung informieren?

- wie gehe ich mit Vorurteilen um?

Gesundheitsfördernde Fertigkeiten

- welche Möglichkeiten bieten mir Sportgruppen?

- welche Urlaubsorte sind für mich geeignet?

- welche Berufe sind für mich vorteilhaft?

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Appendix 2 Beispiel Schulungsprogramm für Patienten mit Asthma

Modul I Was ist Asthma

Basiswissen über Aufbau der Lunge und Vorgänge beim Asthma

Symptome

Allergien

Erklären eines Peak-flow- Meters, Messungen und Protokollierung der

Werte

Interpretation der Werte und oder Symptome

Kennenlernen des Ampelsystems

Modul II Medikamente

Medikamentenkunde, Wirkung der Medikamente, Nebenwirkungen der

Medikamente

Die richtige Inhalationstechnik

Peak-flow- Messung und Monitoring

Asthmakontrolle

Persönlicher Aktionsplan

Modul III Die Asthmaverschlechterung

Warnsymptome

Dosisanpassung der Medikation

Übungen mit Tagebüchern und Aktionsplan

Wann kontaktiere ich meinen Arzt

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Appendix 3 Beispiel Schulungsprogramm „Besser leben mit COPD“

Modul I COPD

Was ist das genau? Wo liegt der Unterschied zum Asthma

Inhalt: Anatomie und Physiologie

Umgebungsfaktoren, Rauchstopp

Leitung: Pneumologe

Setting Gruppe (5-8 Patienten)

Dauer: 60 Minuten

Modul II Energiesparen

Wie komme ich optimal durch meinen Alltag beim Staubsaugen, dem Betten

machen, dem Einkaufen und dem Treppen steigen?

Inhalt: Entspannungs- und Atemübungen Energiesparende

Techniken sowie ideale Tages- und Wochenplanungen

Leitung: Physiotherapeut PRT (Pulmonaler Rehabilitations Therapeut)

Setting: Gruppe

Dauer: 60 Minuten

Modul III Medikamente & Aktionsplan

Inhaliere ich richtig? Wann warum und wie sind die Medikamente anzupassen

Inhalt: Medikamente, Aktionsplan, Inhalationstechnik

Leitung: Arzt, (Inhalationstechnik Arzt oder geschulte Fachperson)

Setting: Individuell und Gruppe

Dauer: 30-60 Minuten (abhängig vom setting)

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Modul IV Ketten sprengen

Ängste abbauen. Wege aufzeigen, positiv zu denken.

Inhalt: Psychosoziale Unterstützung

Leitung: Psychologe

Setting: Gruppe

Dauer: 60 Minuten

Modul V Training

Warum ist es so schwierig anzufangen und regelmässig körperlich zu trainieren?

Motivation für das regelmässige Training stärken.

Inhalt: körperliches Training

Leitung: Physiotherapeut PRT

Setting: Gruppe

Dauer: 60 Minuten

Modul VI Exposition

Einfluss verschiedenster Umgebungsfaktoren wie Wetter, Rauchen und Hektik auf

die Krankheitssituation aufzeigen und hilfreiches Verhalten

Inhalt: Freizeit- und Einfluss verschiedenster Umgebungsfaktoren

Repetition Wichtigstes (Aktionsplan)

Leitung: Arzt, Physiotherapeut PRT

Setting: Gruppe

Dauer: 60 Minuten

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Appendix 4: Beispiel Train the Trainer Programm Asthma (von PD Dr. Claudia Steurer-Stey für Lungenliga Schweiz) Gesamtdauer:

3 Tage Kurs + 70 Stunden Selbststudium

Die Teilnehmenden erhalten rechtzeitig vor Ihrem Kurs einen Lernordner mit

Kursunterlagen die die Lerninhalte des Programms berücksichtigen und die im

Selbststudium erlernt werden sollten.

Anzahl Teilnehmer: 12 – 15 Personen maximal

Zielgruppe: Medizinisches Fachpersonal

Lernziele: Tag 1 und 2

beschreiben was Asthma ist

die Pathophysiologie von Asthma erklären

beschreiben, welche Symptome bei Asthma auftreten können

prädisponierende Faktoren für die Entwicklung eines Asthmas erfassen

die epidemiologische Bedeutung von Asthma beurteilen

mögliche negative Auswirkungen von Asthma auf den Alltag und das

Umfeld der Betroffenen diskutieren

erklären, warum die Erfassung einer detaillierten Anamnese wichtig ist

die Bedeutung von auslösenden Faktoren erklären

verschiedene diagnostische Tests und ihre Bedeutung beschreiben

Therapieansätze, die im Asthma vorhanden sind und wann welcher

Ansatz empfohlen werden sollte

die Therapieziele diskutieren

die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten und deren Indikation

beschreiben

die verschiedenen Inhalationsgeräte beschreiben und erklären, für welche

Indikationen welche Geräte verwendet werden sollen, die richtige

Anwendung demonstrieren

die Bedeutung eines strukturierten Therapieplans erklären

Eine Asthmaverschlechterung (Exazerbation) erkennen

über die adäquate Therapie bescheid wissen

Die Wichtigkeit eines Aktionsplanes diskutieren und erklären können

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Lernziele Tag 3

Warum Patientenschulung wichtig ist

Wie Sie Informationsvermittlung und Schulung erfolgreich gestalten

Welche Methoden und Faktoren Lernen und Verhalten beeinflussen

Faktoren und Barrieren einer erfolgreichen Kommunikation und Betreuung

Vorhandenes Schulungsmaterial und individuellen Einsatz je nach Patient

Grundkenntnisse über spezielle Situationen

Verhalten im Team und Prinzipien der interdisziplinären Zusammenarbeit,

eigene Grenzen erkennen

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TTaagg 11

PPrrooggrraammmm RReeffeerriieerreennddee

08.45 – 09.05 Einführung / Vorstellungsrunde / Erwartungen an Kurs

09.05 – 09.25 Asthma: Allgemeines und Epidemiologie Pneumologe

09.25 – 10.30 Aufbau und Funktion der Lunge Pneumologe

10.30 – 10.45 PAUSE

10.45 – 11.15 Veränderungen der Atemwege beim Asthma Pneumologe

11.15 – 12.15 Auslöser, Risikofaktoren, Diagnose und Schweregrad

Grundsätze der Therapie Pneumologe

12.15 – 13.30 MITTAGSPAUSE

13.30 – 14.15 Inhalationstechniken:

Pulver und Spray

Fachperson

14.15 – 14.45 Inhalationstechniken:

Geräteinhalation

Fachperson

14.45 – 15.15 Geräteinhalation Tipps und Tricks / Praxis Fachperson

15.15 – 15.45 PAUSE

15.45 – 16.30 Übungsstation Pulver und Spray Tipps und Tricks / Praxis

Fachperson

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TTaagg 22

PPrrooggrraammmm WWoorrkksshhooppss RReeffeerriieerreennddee

08.45 – 09.05 Besonderheiten der Erkrankung Ziele und Asthmamanagement gemäss Richtlinien

Pneumologe

09.05 – 09.25 Asthmaanfall / Exazerbation Pneumologe

09.25 – 10.30 Besonderheiten der Erkrankung Ziele und Asthmamanagement gemäss Richtlinien Fallstudie

Pneumologe

10.30 – 11.00 PAUSE

11.00 – 12.00 Asthma-Kontrolle Schwerpunkt GINA Guidelines (SMART)

Pneumologe

12.00 – 13.15 MITTAGSPAUSE

13.15 -14.15 Medikamentöse Behandlung des Asthmas

Plenum

Pneumologe

14.15 – 15.00 Gruppe 2 Stufenplan Basis / Asthmatagebuch / Peakflow / Ampelschema / Fallbeispiel

Pneumologe

Gruppe 1 Medikamentengruppen / Gerätewahl Therapieanpassungen/ Medikamentöse Behandlung des Asthmas

Pneumologe

1155..0000 –– 1155..1155 PAUSE

1155..1155 --1166..0000 Gruppe 2 Stufenplan Basis / Asthmatagebuch / Peakflow / Ampelschema / Fallbeispiel

Pneumologe

Gruppe 1 Medikamentengruppen / Gerätewahl Therapieanpassungen/ Medikamentöse Behandlung des Asthmas

Pneumologe

1166..0000 –– 1166..3300 Fragen Feedback / Plenum Dozenten

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TTaagg 33

PPrrooggrraammmm RReeffeerriieerreennddee

08.45 – 10.15 Konzept Asthma-Patientenschulung LLS Franca Meyer

1100..1155 –– 1100..4455 PAUSE

10.45 – 12.30 Übungssequenzen zur Asthmaschulung mit Feedback Psychologe und Kommunikationstrainer

12.30 – 13.45 MITTAGSPAUSE

13.45 – 15.00 Übungssequenzen zur Asthmaschulung mit Feedback Psychologe und Kommunikationstrainer

1155..0000 –– 1155..3300 PAUSE

15.30 – 16.30 Übungssequenzen zur Asthmaschulung mit Feedback

Abschluss des Moduls

Psychologe und Kommunikationstrainer

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Beilagen:

Asthmatagebuch

COPD Tagebuch

Flyer „Besser leben mit COPD“ (für Patienten und Zuweisende)