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Roswitha Peters Erwachsenenbildungs- Professionalität Ansprüche und Realitäten Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung

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Page 1: Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung Roswitha Peters ... · THEORIE UND PRAXIS DER ERWACHSENENBILDUNG Reihe 1967 begründet von Hans Tietgens Herausgeber Prof. Dr. Sigrid Nolda,

Roswitha Peters

Erwachsenenbildungs-Professionalität

Ansprüche und Realitäten

Theorie und Praxisder Erwachsenenbildung

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THEORIE UND PRAXIS DER ERWACHSENENBILDUNGReihe 1967 begründet von Hans Tietgens

HerausgeberProf. Dr. Sigrid Nolda, Universität DortmundProf. Dr. Ekkehard Nuissl von Rein, Universität Duisburg-EssenProf. Dr. Rudolf Tippelt, Universität München

Herausgebende InstitutionDas Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) ist eine Einrichtung derLeibniz-Gemeinschaft und wird von Bund und Ländern gemeinsam gefördert.Als wissenschaftliches Institut erbringt es Dienstleistungen für Forschungund Praxis der Weiterbildung. Das Institut wird getragen von 18 Einrichtun-gen und Organisationen aus Wissenschaft und Praxis der Erwachsenenbil-dung, die Mitglieder im eingetragenen Verein „DIE“ sind.

Lektorat: Dr. Peter Brandt / Christiane Barth (DIE)

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internetüber <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Verlag:W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KGPostfach 10 06 3333506 BielefeldTelefon: (0521) 9 11 01-11Telefax: (0521) 9 11 01-19E-Mail: [email protected]: www.wbv.de

Bestell-Nr.: 14/1092

© 2004 W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG, BielefeldSatz+Grafiken: Grafisches Büro Horst Engels, Bad VilbelHerstellung: W. Bertelsmann Verlag, BielefeldISBN 3-7639-1898-1

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Inhalt

Vorbemerkungen ......................................................................... 7

1. Einführung ............................................................................................... 91.1 Erwachsenenbildungs-Professionalität: schillernder

Begriff für ungewisse Realität ................................................ 101.2 Erwachsenenbildungs-wissenschaftliche

Professionalitätsforschung...................................................... 111.3 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit ......................................... 15

THEORETISCHER TEIL

2. Zur Professionalisierung der deutschen Erwachsenen-bildung ................................................................................................... 202.1 Professionalisierung als strategisch-quantitative

Berufsentwicklung .................................................................... 202.2 Professionalität als vernachlässigte Dimension

qualitativer Berufsentwicklung .............................................. 32

3. Berufliches Erwachsenenbildungs-Handeln: zum aktuellenStand ...................................................................................................... 423.1 Berufliche Handlungsgruppen, Tätigkeiten und

Berufsbezeichnungen ............................................................... 443.2 Aufgabenverständnisse, Handlungsreferenzen und

berufliche Handlungsethik ...................................................... 513.3 Qualifikationen und Kompetenzen ......................................... 57

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutungfür Erwachsenenbildung als Profession ........................................ 624.1 Professionen als besondere Berufe: Funktionen

und Merkmale ............................................................................. 63

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Inhalt

4.2 Professionelles Handeln als besonderer Handlungstyp:Struktur, Handlungsfiguren und Qualität .............................. 76

4.3 Professionalisierung als Entwicklung von Professionund Professionalität: Orte und Ebenen .................................. 90

5. Professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln:Charakteristik und Qualität ............................................................. 1005.1 Professionelles Handeln und Experten-Handeln in der

Erwachsenenbildung .............................................................. 1005.2 Strukturelle Bezüge professionellen Erwachsenen-

bildungs-Handelns .................................................................. 1035.3 Erwachsenenbildungs-Professionalität ............................. 1135.3.1 Professionalitäts-Verständnisse in der

Erwachsenenbildungs-Wissenschaft ................................. 1145.3.2 Professionalität als professionelle Handlungsqualität ... 124

6. Voraussetzungen der Entwicklung von Erwachsenen-bildungs-Professionalität ................................................................ 1286.1 Wissen ....................................................................................... 1296.1.1 Professionstheoretisch notwendiges Wissen ................... 1306.1.2 Wissenstheoretisch notwendiges Wissen ........................ 1336.1.3 Wissenstheoretisch notwendiges Wissen I:

Wissenschaftliches und durch wissenschaftlicheAusbildung erworbenes Wissen .......................................... 138

6.1.4 Wissenstheoretisch notwendiges Wissen II:Berufliches und durch berufliches Handelnerworbenes Wissen ................................................................ 146

6.1.5 Wissenstheoretisch notwendiges Wissen III:Professionswissen .................................................................. 152

6.2 Können ....................................................................................... 1576.3 Aufgaben-, Handlungs- und Rollenverständnis ................. 1626.4 Handlungsethos ........................................................................ 164

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Inhalt

6.5 Strukturelle und soziale Voraussetzungen:Relative Handlungsautonomie und Organisationberuflicher Interessen ............................................................ 169

EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG

7. Ziel und Design der empirischen Untersuchung ........................ 1747.1 Ziel der Untersuchung und ihr zu Grunde liegende

Annahmen .................................................................................. 1757.2 Auswahl und Kurzbeschreibung der Interview-

Partner/innen ............................................................................ 1767.3 Vorbereitung, Verfahrensweisen und Auswertung

der Untersuchung .................................................................... 181

8. Ergebnisse der empirischen Untersuchung zurErwachsenenbildungs-Professionalität ....................................... 1858.1 Berufliches Handeln ............................................................... 1858.1.1 Berufliche Tätigkeiten, Funktionen, Rollen,

Selbstverständnisse und Berufscharakterisierungen ..... 1858.1.2 Berufliche Ziel- und Aufgabenverständnisse,

Handlungsorientierungen und -spielräume ....................... 1898.1.3 Berufliche Erfolge, Schwierigkeiten, Gütekriterien und

Referenzpunkte ......................................................................... 1928.1.4 Kollegialer Austausch und berufliche Verantwortung .... 1948.2 Berufliches Wissen und Können .......................................... 1988.2.1 Beruflich eingesetztes Wissen ............................................. 2008.2.2 Beruflich eingesetzte Fähigkeiten und Eigenschaften

(Können) ..................................................................................... 2018.2.3 Quellen und Funktionen des eingesetzten Wissens

und Könnens .............................................................................. 2038.3 Professionelles Handeln und Professionalität .................. 2078.4 Berufsentwicklung und Berufsbewusstsein ..................... 210

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Inhalt

8.4.1 Veränderung des Berufsverständnisses durchBerufserfahrung ....................................................................... 210

8.4.2 Professionelles Handeln in der Erwachsenenbildungim Allgemeinen ........................................................................ 212

8.4.3 Organisation beruflicher Interessen.................................... 2148.5 Kommentierte Zusammenfassung der Untersuchungs-

ergebnisse ................................................................................. 216

Literatur .................................................................................................... 229

Anhang:– Fragebogen zur Person und Berufstätigkeit ................................ 236– Interviewleitfaden ............................................................................. 237

Autorin ..................................................................................................... 240

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Vorbemerkungen

Erwachsenen- und Weiterbildung hat, spätestens seit sie aus der verband-lichen Aktivität herausgetreten und als „vierte Säule“ des Bildungswe-sens staatlich geadelt wurde, ein Problem: Es ist unklar, was die Men-schen, die in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung arbeiten, eigent-lich tun. Oder besser: Es ist unklar, was der Kern ihrer Arbeit ist und wiedieser professionell zu beschreiben ist. Über einige Jahrzehnte platziertesich das Bild des „HPM“, des hauptberuflichen pädagogischen Mitar-beiters an der Volkshochschule, im Zentrum eines Berufsbildes der Er-wachsenenbildung.

Die Situation hat sich mittlerweile geändert; die Zahl der Menschen, dieberuflich in der Erwachsenenbildung arbeiten, ist immer weiter gestie-gen, qualitativ haben sich ihre Tätigkeitsfelder weiterentwickelt, verscho-ben, überlagert und ausdifferenziert. Tätigkeiten im Bereich von Ma-nagement, Marketing, Medienproduktion, Öffentlichkeitsarbeit undWerbung, um nur einige zu nennen, sind neben den traditionellen Tätig-keitsfeldern der Programmplanung, der Lehre und didaktischen Konzep-tion immer wichtiger geworden. Lange Jahre hatten Pädagog/inn/en inder Weiterbildung darüber geklagt, dass eine Vielzahl unterschiedlichs-ter Tätigkeiten sie von ihrer „eigentlichen“ Arbeit ablenke, wobei sieunter „eigentlicher Arbeit“ im Wesentlichen die Lehre verstanden. Diesmag auch mit der akademischen Ausbildung für Diplompädagog/inn/enund -pädagogen mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung gelegenhaben, die sich ganz wesentlich auf didaktische und erziehungswissen-schaftliche Aspekte konzentrierte (diese Ausbildung ist aber inzwischenin Bewegung geraten).

Es fällt auf, dass in der Erwachsenenbildung zwar immer wieder die Be-griffe Professionalisierung, Professionalität und professionelles Handelngebraucht werden, es aber keine einheitliche Definition dessen gibt, waseigentlich damit gemeint ist. Und: kaum einen empirischen Hinweisdarauf, an welchen Stellen erwachsenenpädagogische Tätigkeit und durchwelche Merkmale zur „Profession“ wird. Die vorliegende Untersuchungvon Roswitha Peters bleibt bei dem Anspruch, auch im Zuge eines Wan-dels der Tätigkeitsfelder in der Erwachsenenbildung Professionalität ver-

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Vorbemerkungen

orten zu wollen, differenziert diesen Anspruch aber auf überzeugendeWeise begrifflich. Sie gibt „empirisch fundierte Hinweise“ dazu, wasStand, Voraussetzungen und Möglichkeiten der Entwicklung von erwach-senenpädagogischer Professionalität sind. Und sie bleibt bei ihrer präzi-sen Begriffsdefinition auch dann, wenn es – wie etwa beim Terminus„Professionswissen“ zu einem „kognitiven Rauschen“ in der Disziplinkommt (vgl. S. 156). Roswitha Peters definiert Professionalität als einebesondere Qualität des professionellen Handelns, mithin als Handlungs-phänomen, das sich auch in den beruflichen Tätigkeiten der Erwachse-nenpädagog/inn/en nachweisen lassen muss.

Überzeugend an der – hier leicht gekürzt publizierten – Dissertation vonRoswitha Peters ist, dass sie nicht nur bei der Gruppe der Tätigen in derErwachsenenbildung bleibt (eine leider gelegentlich festzustellende Ein-engung des Blicks), sondern die Entwicklung der „Profession“ im Ge-samtkontext der Entwicklung des Weiterbildungs-/Erwachsenenbildungs-bereichs sieht. Von daher gelingt es ihr, einen nüchternen, unverstelltenBlick auf die Tätigkeiten zu lenken und auf die notwendigen Kompeten-zen zur Erfüllung dieser Tätigkeiten. Die Autorin gibt keine Lösung, aberHinweise darauf, an welcher Stelle eine empirisch gehaltvolle Professi-onsforschung weiter fündig werden kann.

Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) verfolgt seit seinemEntstehen im Jahre 1957 die Entwicklung der Profession; das Institut hatin vielfältigen Aktivitäten (Publikationen, Veranstaltungen, Fortbildun-gen u. a.) dazu beigetragen, berufliches Handeln in der Erwachsenen-bildung in Richtung „Profession“ weiterzuentwickeln und dabei zugleichauch die wissenschaftliche Diskussion zu diesen Fragen angeregt undunterstützt. In dieser Tradition steht die hier vorliegende Publikation vonRoswitha Peters; ihre präzisen Begriffsklärungen können in zukünftigenArbeiten dazu beitragen, Veränderungen der Ausbildung für Erwachse-nenpädagoginnen und -pädagogen ebenso weiter zu fundieren wie dieIntegration dieses pädagogischen Bereiches in Konzepte des lebenslan-gen Lernens.

Ekkehard NuisslDeutsches Institut für Erwachsenenbildung

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1. Einführung

Der vorliegenden Studie liegt die Annahme zu Grunde, dass trotz der inWissenschaft und Praxis der Erwachsenenbildung seit Jahren recht be-liebig und unbekümmert verwendeten Professions- und Professionali-täts-Rhetorik die Realität erwachsenenbildnerischen Berufs-Handelnskaum den Anforderungen genügen dürfte, die professionstheoretischbegründet an Professionen zu stellen sind, weil die Voraussetzungen undMöglichkeiten für professionelles Handeln von berufstätigen Erwachse-nenbildner/inne/n – und damit für Erwachsenenbildungs-Professionali-tät – nicht in hinreichendem Maße gegeben zu sein scheinen.

Diese Vermutung kann hier keiner empirischen Überprüfung mit verall-gemeinerungsfähigen Ergebnissen unterzogen werden, doch es ist mög-lich, empirisch fundierte Hinweise auf berufliche Handlungsarten und-qualitäten von Erwachsenenbildner/inne/n zu gewinnen durch Informa-tionen über deren berufliches Handeln, über das von ihnen dabei einge-setzte Wissen und Können sowie über deren Berufsbewusstsein und de-ren Einschätzungen der Berufssituation und -entwicklung.

Um diese Informationen und Einschätzungen professionstheoretisch und-praktisch angemessen deuten zu können, bedarf es m. E. neben der Ver-gewisserung bisheriger Professionalisierungs-Bemühungen in der deut-schen Erwachsenenbildung, des aktuellen Standes beruflichen Erwach-senenbildungs-Handelns und der Rezeption der einschlägigen wissen-schaftlichen Diskussion und Forschung der Entwicklung eines tragfähigentheoretischen Interpretationsrahmens. So wird ein theoretisches Begriffs-und Argumentations-Instrumentarium auf der Grundlage von vorliegen-dem wissenschaftlichen Wissen entwickelt und eine qualitative Studiedurchgeführt und ausgewertet, deren Ergebnisse im Kapitel 8 dargestelltund interpretiert werden.

Auf dieser Grundlage wird schließlich eine Einschätzung zu Stand, Vor-aussetzungen und Möglichkeiten der Entwicklung von Erwachsenenbil-dungs-Professionalität gegeben.

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1.1 Erwachsenenbildungs-Professionalität:schillernder Begriff für ungewisse Realität

Worin sich die Professionalität erwachsenenbildnerischen Handelns er-weist und was darunter zu verstehen ist, wird in der wissenschaftlichenLiteratur höchst unterschiedlich beschrieben und in der Berufspraxis of-fenbar mindestens ebenso unterschiedlich eingeschätzt. Selten deutendiese Beschreibungen auf professionstheoretisch fundiertes Wissen, son-dern eher auf rein subjektive Einschätzungen bzw. Interessenlagen. Ge-genstand empirischer Erwachsenenbildungs-Forschung war die Profes-sionalität erwachsenenbildnerischen Handelns m. W. bisher nicht.

Obwohl oder gerade weil Professionalität in der Erwachsenenbildungs-Praxis und -Wissenschaft ein schillernder Begriff mit vielen Bedeutun-gen ist und das damit zu fassende Handlungsphänomen bisher nichteindeutig beschrieben werden kann, hindert dies offenbar kaum jeman-den an der Vergabe des Prädikats „professionell“, um erwachsenenbild-nerisches Handelns zu bewerten, zu klassifizieren, zu unterscheiden usw.Diese Selbstverständlichkeit der Begriffsverwendung1 kann so leicht denEindruck vermitteln, Erwachsenenbildungs-Professionalität sei nicht nurein übliches, sondern ein auch und jederzeit beobachtbares Phänomen.

„Der Begriff Professionalität wird von Vertretern der Berufspraxis in der Regel als ge-konnte Beruflichkeit, als Indikator für qualitativ hochwertige Arbeit verwendet. Wer denAnsprüchen, die an die Professionalität gestellt werden, Genüge leistet, weiß, was erkann, und er wird – so die gängige Annahme – durch beruflichen Erfolg belohnt. Erfolgist jedoch nur ein – und keineswegs ein hinreichender – Maßstab für Professionalität(...). Manchmal dient der Begriff auch als Instrument der Distinktion, als Vehikel derAbgrenzung, um Abstand zu einer als profan geltenden Praxis herzustellen. Er wird imSelbstverständigungsprozess der Berufspraxis also auch interessengeleitet benutzt,

1. Einführung

1 So ist z. B. in einem 1988 erschienenen Forschungsbericht von W. Thomssen u. a. übereine von der Deutschen Forschungs-Gemeinschaft geförderte Untersuchung zum Aufklä-rungspotenzial sozialwissenschaftlichen Wissens in der Praxis von Volkshochschulen wieselbstverständlich von „professionellem Handeln“ (S. 230), „professionellen Vorstellun-gen“ (S. 195), „professioneller Situation“ (S. 783), „professioneller Identität“ (S. 790) und„professionellem Diskurs“ (S. 793) die Rede, ohne dass diese Bezeichnungen geklärt wür-den. Professionalisierung wird hier offenbar bereits deshalb als vollzogen unterstellt –wie auch bei anderen Autoren vielfach üblich –, weil die befragten „sozialen Akteure“(hier: hauptberufliche pädagogische Mitarbeitende von zwei Volkshochschulen) Sozial-wissenschaften studiert haben und hauptberuflich als Erwachsenenbildner/innen arbei-teten.

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beispielsweise um vermeintlich richtiges von vermeintlich falschem beruflichen Han-deln abzugrenzen, den beruflichen Interaktionsstil eines Vorgesetzten oder Untergebe-nen normativ zu etikettieren (...). Ebenso wie im beruflichen Alltag wird auch im wissen-schaftlichen Kontext Professionalität als Attribut zur Kennzeichnung des beruflichenHandelns oder zur Beschreibung der Klienten-Professionellen-Beziehung verwendet“(Nittel 2000, S. 15–16).

Doch welche Ansprüche sind an erwachsenenbildnerische Professiona-lität zu stellen? Was ist „gekonnte Beruflichkeit“, und ist sie tatsächlichdasselbe wie Professionalität? Worin besteht der Erfolg professionellenErwachsenenbildungs-Handelns, und ist er tatsächlich ein Professionali-täts-Merkmal? Was macht das Besondere der Klienten-Professionellen-Beziehung im erwachsenenbildnerischen Berufshandeln aus?

In der vorliegenden Arbeit wird versucht, auf diese und weitere FragenAntworten zu finden, um Erwachsenenbildungs-Professionalität als Be-griff theoretisch besser als bisher fundieren und operationalisieren undProfessionalität als Handlungsphänomen empirisch leichter nachspürenbzw. Hinweise darauf ermitteln zu können. Auf diese Weise soll sowohlein professionstheoretischer Beitrag zur qualitativen Bestimmung desberuflichen Handelns von Erwachsenenbildner/inne/n, insbesondere vondessen Qualität und individuellen Voraussetzungen, geleistet werden. Indieser Studie wird dabei davon ausgegangen, dass Professionalität einebesondere Qualität professionellen Handelns darstellt, diese also einHandlungsphänomen ist.

1.2 Erwachsenenbildungs-wissenschaftlicheProfessionalitäts-Forschung

Erwachsenenbildungs-Professionalität war bisher zwar durchaus Gegen-stand wissenschaftlicher Reflexion und Diskussion, doch – wie bereitserwähnt – nicht expliziter empirischer Forschung. Auf entsprechendeForschungsergebnisse kann daher nicht zurückgegriffen werden, wohlaber auf Ergebnisse empirischer Forschung, die das berufliche Handelnvon Erwachsenenbildner/inne/n im Allgemeinen betreffen und die somöglicherweise implizite Hinweise auf die Existenz, den Grad der Ent-faltung und die Beschaffenheit von Erwachsenenbildungs-Professionali-tät erlauben. Diese werden im weiteren Verlauf der Arbeit aufgegriffenund reflektiert.

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Eine Ursache für das erwähnte Forschungsdefizit dürfte neben der m. E.nur unzureichend entwickelten professionstheoretischen Begrifflichkeitdarin liegen, dass Professionalität als ein Handlungsphänomen nur durchdie Beobachtung und Interpretation von beruflichem Handeln erfasstwerden kann, was allerdings nicht unerhebliche methodologische, fi-nanzielle und forschungspraktische Probleme aufwirft. So erlaubt dieAnalyse von Handlungsvoraussetzungen und -bedingungen, Handlungs-konzepten und nachträglichen Handlungsbeschreibungen und -deutun-gen zwar gewisse Rückschlüsse auf in Handlungssituationen vorhande-ne oder nicht vorhanden gewesene Professionalität, kann diese Rück-schlüsse jedoch letztlich nicht empirisch belegen.

Die m. W. einzige repräsentative empirische Untersuchung erwachse-nenbildnerischen Handelns, die mit der Methode der teilnehmendenBeobachtung, allerdings nicht mit dem Ziel der Erforschung von Profes-sionalität durchgeführt wurde, fand im Bildungsurlaubs-Versuchs- und-Entwicklungsprogramm der Bundesregierung – BUVEP – 1975 bis 1976statt (vgl. Kejcz u. a. 1980, Bd. I–VIII). Es handelte sich um eine Untersu-chung von 52 Bildungsurlaubs-Seminaren mit Modellcharakter. Einbe-zogen wurden das didaktische Handeln der haupt- und nebenberufli-chen Erwachsenenbildner/innen in der Planung, Vorbereitung und Durch-führung der Seminare ebenso wie das Lernverhalten der Teilnehmenden.Die Ergebnisse erlauben Rückschlüsse auf die damals gegebene erwach-senenbildnerische Professionalität und können selbstverständlich nichtsüber die Qualität heutigen Berufshandelns von Erwachsenenbildner/in-ne/n aussagen.

Eine in den letzten Jahren von W. Gieseke u. a. mit Hilfe teilnehmenderBeobachtung durchgeführte Studie zur Programmplanung in konfessio-nellen Weiterbildungseinrichtungen Nordrhein-Westfalens vermittelt zwarkeine repräsentativen, dafür jedoch relativ aktuelle Einblicke in das di-daktische Denken und Handeln von hauptberuflichen, fest angestelltenErwachsenenbildner/inne/n, das auch unter Professionalitäts-Gesichts-punkten beurteilt werden kann (vgl. Gieseke 2000). Dies gilt auch fürdie Ergebnisse einer empirischen Studie von Ch. Hof zu den wissensthe-oretischen Grundlagen des Unterrichtens, die auf einer Befragung von23 Erwachsenenbildungs-Kursleitenden zu deren Wissenskonzeptenberuht (vgl. Hof 2001).

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Regionale und überregionale empirische Untersuchungen der letztenbeiden Jahrzehnte mit sehr unterschiedlicher Fragestellung und Reichweiteerbrachten ebenfalls Ergebnisse, die in gewissen Grenzen Hinweise aufdas Vorhandensein bzw. Nicht-Vorhandensein von Erwachsenenbildungs-Professionalität erlauben, indem sie etwa Arbeitsmarkt-Anforderungen,Aufgaben und Tätigkeitsfelder, berufliche Selbstverständnisse, Qualifika-tionen, Handlungskonzepte und Arbeitsverhältnisse erforschten.

Dazu gehören Auswertungen von Stellenangeboten im Hinblick auf dieberuflichen Anforderungen an Erwachsenenbildner/innen im Arbeitsmarkt(vgl. Peters-Tatusch 1981), Untersuchungen zur Berufseinmündung undBeschäftigungssituation von Absolventen des erziehungswissenschaftli-chen Diplomstudiengangs mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung(vgl. z. B. Jütting/Zimmer 1980, Busch/Hommerich 1980; Hommerich1984; Bahnmüller u. a. 1988; M. Schmidt 1991 und 2001; Rauschen-bach 1994; Peters/Schrader 1996; Ahlheim/Heger 1997), Untersuchun-gen zur Arbeitssituation von einzelnen Berufsgruppen und von neben-und freiberuflichen Mitarbeiter/inne/n der Erwachsenenbildung (vgl. z. B.Beinke/Arabin/Faulstich 1981; Arabin 1996).

Auch Tätigkeitsbeschreibungen, die Erwachsenenbildner/innen selbstüber ihre Arbeit verfasst haben, liefern Hinweise auf die Qualität erwach-senenbildnerischen Handelns unter professionellen Gesichtspunkten (vgl.z. B. Nittel/Völzke 2002).

Eine 1987 von W. Gieseke vorgelegte qualitative Studie zur beruflichenSozialisation von Erwachsenenbildner/inne/n ging der auch professio-nalitäts-relevanten Frage nach, welche Fähigkeiten und Einstellungenneu eingestellte hauptberufliche pädagogische Mitarbeitende ausgewähl-ter Volkshochschulen sich aneignen und worauf sie zurückgreifen, umzu beruflicher Kompetenz zu gelangen und ihr „Überleben“ in der Insti-tution zu sichern. Sie ermittelte dabei mit Hilfe von Interviews differen-zierte „Aneignungsmodi“ von Erwachsenenbildner/inne/n innerhalb ih-res jeweiligen beruflichen Handlungsfeldes, die für deren jeweiligenberuflichen Sozialisationsprozess maßgeblich gewesen und dieschließlich von einem spezifischen beruflichen Habitus überformt wor-den seien. Diese Befunde wurden bereits unter dem Gesichtspunkt vonErwachsenenbildungs-Professionalität von H. Tietgens analysiert (vgl.Tietgens 1988a).

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Im Rahmen sozialwissenschaftlicher Wissens-Verwendungsforschungführten W. Thomssen u. a. Ende der 1980er Jahre eine qualitative Studiezum Aufklärungspotenzial sozialwissenschaftlichen Wissens in der Pra-xis von Volkshochschulen auf der Basis von Interviews mit hauptberufli-chen pädagogischen Mitarbeitenden (vgl. Thomssen u. a. 1988) durch,deren Dokumentation Rückschlüsse auf den professionellen Charakter dervon diesen seinerzeit geleisteten Erwachsenenbildungs-Arbeit erlauben.Die Ergebnisse dieser Studie wurden ebenfalls von H. Tietgens ausführ-lich, u. a. professionstheoretisch, analysiert und beurteilt (vgl. Tietgens1990).

Eine 1991 erschienene Studie Th. Fuhrs zur Professionalisierung der Er-wachsenenbildung setzte sich mit „Kompetenzen und Ausbildung desErwachsenenbildners“ als Voraussetzungen von Professionalisierung undProfessionalität auseinander. Die Studie beruhte auf Sekundäranalysenbereits erwähnter empirischer, seit den 1970er Jahren veröffentlichtenUntersuchungen und bildungspolitischen Dokumenten. Sie lieferte ei-nen m. E. auch heute noch relevanten Beitrag zur Bestimmung dessen,was als Voraussetzung von Erwachsenenbildungs-Professionalität geltenkann.

Eine durch gezielte empirische Forschung fundierte Antwort auf die 1988von E. Schlutz formulierte Forschungsfrage, was Professionalität unterheutigen Bedingungen heißen könne (vgl. Schlutz 1988), wurde allerdingsin keiner dieser Untersuchungen beantwortet und steht insofern nochaus.

Seit der Einführung von und im Zusammenhang mit Qualitätssicherungs-und Qualitätsmanagement-Systemen in Erwachsenenbildungs-Instituti-onen mit dem Beginn der 1990er Jahre ist auch die Frage nach derProfessionalität erwachsenenbildnerischen Handelns immer wieder the-matisiert worden, wenngleich vor allem als Unterfrage nach der Orga-nisations-Qualität von Weiterbildungs-Institutionen. Dies ist einerseitserfreulich, weil erwachsenenbildnerische Handlungsqualität damit nichtlänger stillschweigend und selbstverständlich als gegeben unterstelltwird, sofern die Erwachsenenbildner/innen nur akademisch vorgebil-det sind, sondern als immer wieder systematisch zu erkundende undzu sichernde. Andererseits ist dies problematisch, weil die Qualitätskri-terien der verschiedenen Qualitätsmanagement-Systeme anderen Logi-

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ken verpflichtet sind als der Logik professionellen Erwachsenenbildungs-Handelns: Die aus der Wirtschaft adaptierten Systeme versuchen, diequalitative Gesamtleistung einer Organisation gemäß ihrer organisatio-nalen Zielsetzung zu erfassen; professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln ist jedoch nicht ein organisations-, sondern ein personenbe-zogener, komplexer und voraussetzungsvoller Handlungstypus. Orga-nisationserfolg und professioneller Handlungserfolg können insofernkeinesfalls in jedem Fall und selbstverständlich als identisch angenom-men werden. Denn während Qualitätssicherung und -managementvornehmlich das Erreichen organisationaler, damit betriebs- und meistauch marktwirtschaftlicher Zielsetzungen intendiert, dient professionellesErwachsenenbildungs-Handeln dem Lernen und der Bildung Erwach-sener, die sich nur begrenzt organisations-, betriebs- und marktwirt-schaftlichen Qualitäts-Kriterien subsumieren lassen.

„Wären wir uns erwachsenenpädagogischer Professionalität gewiss, dann könnte das,was gegenwärtig unter dem Stichwort ‚Qualität der Weiterbildung‘ diskutiert wird, nichtdie zu beobachtende Unruhe erzeugen. Denn in den viel zitierten ISO-Normen 9000ff.werden Verfahrensvorschläge unterbreitet, die in etablierten Einrichtungen der Erwach-senenbildung zur kaum noch thematisierten Routine gehören dürften. Allerdings wirdein grundlegender Mechanismus in Frage gestellt, der lange Zeit unbestritten war. Manging nämlich davon aus, dass die Qualität des beruflichen Handelns wissenschaftlichqualifizierter und unter staatlicher Aufsicht zertifizierter Akteure bereits über ihre be-sondere Qualifikation und ein daraus erwachsendes Verantwortungsbewusstsein ga-rantiert ist. Diese Selbstverständlichkeit ist offensichtlich brüchig geworden: Qualitätsoll nun wesentlich über die Berücksichtigung formaler Prozesskriterien und deren re-gelmäßige Überprüfung gewährleistet werden“ (Wittpoth 1996, S. 63).

Die Erwartung, erwachsenenbildnerische Handlungs-Qualität stelle sichals automatische Folge beliebiger wissenschaftlicher Qualifikation ein,ist m. E. in der Tat illusorisch, worauf die erwähnten Forschungsbeiträgezurzeit beredte Hinweise liefern. Wer erwartet, Qualitätssicherungs- undManagementsysteme könnten erwachsenenbildnerische Handlungsqua-lität, also Professionalität „sichern“ und „managen“, dürfte sich jedochebenfalls täuschen.

1.3 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Dieser Studie liegt die Zielsetzung zu Grunde, einen professionstheore-tisch fundierten Beitrag zur Bestimmung von Erwachsenenbildungs-Pro-fessionalität zu leisten und dabei theoretisch zu sondieren, welche Vor-aussetzungen zu ihrer Entwicklung erforderlich sind und in welchem

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Zusammenhang sie zur Entwicklung einer Profession von Erwachsenen-bildner/inne/n steht.

Empirisch gestützt wird dieser Beitrag durch die Auswertung von Inter-views mit Expert/inn/en, die befragt wurden zu ihrem beruflichen Han-deln, Wissen, Können und Bewusstsein und zu Einschätzungen ihresberuflichen Handelns, dessen Voraussetzungen und ihres Berufsinsgesamt.

Als Expert/inn/en standen zehn in unterschiedlichen Berufsfeldern und-funktionen hauptberuflich tätige Diplom-Pädagog/inn/en mit dem Stu-dienschwerpunkt Erwachsenenbildung/Weiterbildung zur Verfügung, dienicht zuletzt in der Annahme ausgewählt wurden, dass sie auf der Basisihrer spezifischen, auf das Berufsfeld und die Handlungsaufgabe orien-tierten wissenschaftlichen Ausbildung am ehesten prädestiniert seinmüssten, in ihrem beruflichen Handeln Professionalität zu entwickelnund empirische Hinweise auf deren Art und Substanz liefern zu können.Anlage, Zielsetzung, Durchführung, Auswertung und Ergebnisse der qua-litativen empirischen Untersuchung werden in den Kapiteln 7 und 8ausführlich dargestellt.

Zunächst wird im Kapitel 2 die Professionalisierungs-Diskussion in derdeutschen Erwachsenenbildungs-Praxis und -Wissenschaft seit dem Endeder 1960er Jahre nachzuzeichnen und historisch wie theoretisch zu ver-orten versucht, denn Erwachsenenbildungs-Professionalität kann m. E.weder theoretisch noch praktisch ohne das Verstehen und die Einbezie-hung dieses Hintergrunds sinnvoll bestimmt werden.

Im Kapitel 3 wird nach Maßgabe verfügbarer Informationen der aktuelleStand des beruflichen Erwachsenenbildungs-Handelns in Deutschlandbeschrieben, zunächst berufliche Handlungsgruppen, Tätigkeiten undBerufsbezeichnungen, dann Aufgabenverständnisse, Handlungsreferen-zen und Handlungsethik sowie zuletzt Qualifikationen und Kompeten-zen hierzu.

Vor diesem Hintergrund werden im 4. Kapitel zentrale professionstheo-retische Positionen und deren Bedeutung für eine professionelle Erwach-senenbildung dargestellt und erörtert. Besondere Aufmerksamkeit giltdabei den Professionen als besonderen Berufen, professionellem Han-

1. Einführung

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deln als besonderem Handlungstyp und Professionalisierung als Entwick-lung von Profession und Professionalität.

Auf dieser theoretischen Grundlage werden sodann die Charakteristikund Qualität professionellen Erwachsenenbildungs-Handelns im Kapi-tel 5 beschrieben. Dieses enthält die Darstellung und Begründung desUnterschieds zwischen Experten-Handeln und professionellem Handelnin der Erwachsenenbildung. Charakteristika und strukturelle Bezüge desletzteren werden sodann im Einzelnen geschildert. Im Anschluss daranwird Erwachsenenbildungs-Professionalität als professionelle Handlungs-qualität vor dem Hintergrund der Darstellung und Erörterung der vielleichtbekanntesten Professionalitäts-Verständnisse in der Erwachsenenbildungs-Wissenschaft definiert.

Die bis dahin entwickelten theoretischen Positionen, insbesondere ei-nes professionstheoretisch begründeten Verständnisses von Erwachse-nenbildungs-Professionalität, erlauben nun im Kapitel 6 die argumenta-tive Beschreibung individueller, struktureller und sozialer Voraussetzun-gen der Entwicklung derselben – bezogen auf Wissen, Können, Aufgaben-,Handlungs- und Rollenverständnis, Handlungsethos, relative Handlungs-autonomie und Organisation beruflicher Interessen.

An den damit abgeschlossenen theoretischen Teil der Studie schließt sichder empirische Teil in den Kapiteln 7 und 8 an. Während ersteres übergrundlegende Annahmen, Ziele, Vorbereitung und Durchführung derqualitativen Untersuchung zur Erwachsenenbildungs-Professionalitätinformiert, werden im Kapitel 8 die Ergebnisse der Untersuchung nachKriterien dokumentiert, die den inhaltlichen Schwerpunkten entsprechen,wie sie sich bei der Analyse des empirischen Materials ergeben haben.In den Interviews haben die Interview-Partner ihr berufliches Handelnund dessen Bezüge sowie das von ihnen beruflich eingesetzte Wissenund Können dargestellt und eingeschätzt; zudem haben sie sich zur Si-tuation und Entwicklung ihres Berufs geäußert. Die Interview-Ergebnissewerden mit Hilfe der zuvor entwickelten professionstheoretischen Krite-rien und Begriffe interpretiert und erlauben Rückschlüsse auf die Cha-rakteristik und Qualität des beruflichen Handelns der Interviewten so-wie auf Handlungsvoraussetzungen bzw. auf die gegebenen Vorausset-zungen der Entwicklung von Erwachsenenbildungs-Professionalität, wiesie in dieser Studie verstanden werden.

1. Einführung

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Unter 8.5. wird eine kommentierte Zusammenfassung der empirischenErgebnisse gegeben im Hinblick auf Stand, Voraussetzungen und Mög-lichkeiten der Entwicklung von Erwachsenenbildungs-Professionalität.

1. Einführung

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THEORETISCHER TEIL

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2. Zur Professionalisierung derdeutschen Erwachsenenbildung

Ende der 1960er bis Ende der 1970er Jahre wurde in der BundesrepublikDeutschland eine Reform der institutionellen Strukturen des gesamtenBildungssystems durchgeführt, in die auch die Erwachsenenbildung ein-bezogen wurde. Bereits Mitte der 1960er Jahre begann diese sich vonstarken Prägungen der Weimarer Volksbildung allmählich zu befreienund leitete die so genannte „realistische Wende“ ein. Ihren Charakterder hobbymäßig gepflegten Allgemeinbildung begann sie abzulegenzugunsten eines eher verwendungsorientierten, systematischen Lehrensund Lernens Erwachsener. Hierfür schien auch ein veränderter Typusvon Erwachsenenbildner/inne/n erforderlich: nicht mehr so sehr der vomGedanken der humanistischen Bildung bewegte „Deuter des gelebtenLebens“ (Weniger 1952) mit beliebigem Beruf und beliebiger Vorbildungals vielmehr der sozialwissenschaftlich ausgebildete Planer und Vermitt-ler von Qualifikationen und Kompetenzen, der gesellschaftliche Bildungs-bedarfe und subjektive Bildungsbedürfnisse in ansprechende Program-me und tatsächliche Lehr-Lern-Prozesse umsetzen konnte.

Adressaten von Erwachsenenbildung waren neben den ohnehin Bildungs-interessierten nun eher nach sozialen, wirtschaftlichen, politischen, re-gionalen oder curricularen Gesichtspunkten anvisierte Zielgruppen.

Diese Modernisierung der Erwachsenenbildung, die eine zunehmendeVerberuflichung erforderlich machte und die bis dahin verbreitete Eh-renamtlichkeit zurückdrängte, bildete zugleich den Ausgangspunkt derbald einsetzenden Professionalisierungsdiskussion.

2.1 Professionalisierung als strategisch-quantitativeBerufsentwicklung

Als öffentlicher Auftakt der Professionalisierungs-Diskussion kann eineviel beachtete Rede W. Schulenbergs von 1969 über „Erwachsenenbil-dung als Beruf“ gelten (vgl. Nittel 2000), in der dieser der damals nochverbreiteten Vorstellung von der Berufung und Mission des Volksbild-ners, für die es keine spezifische Berufsvorbereitung geben dürfe (vgl.

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Weniger 1952), eine ebenso ausdrückliche Absage erteilte wie der nochkurz zuvor veröffentlichten Ansicht F. Pöggelers, wonach die erwachse-nenbildnerische Berufstätigkeit stets bestimmte Merkmale des Irregulä-ren behalten werde (vgl. Pöggeler 1968). Schulenberg sagte:

„Die Komplexität der modernen Erwachsenenbildung ist längst nicht mehr durch enga-gierte Impulsivität und durch Meisterschaft im Improvisieren des stets Irregulären zubewältigen, so unentbehrlich dieser Arbeitsstil heute auch immer noch ist. Aber seineTage sind gezählt, und das Feld wird von der regulären Administration übernommenwerden, wenn es nicht gelingt, eine Profession der Erwachsenenbildung zu konstituie-ren, die bei aller wissenschaftlich fundierten Arbeitsteilung ein zur Profession gehören-des, artikuliertes Bewusstsein der gemeinsamen Aufgabe und Verantwortung verbin-det und stärkt“ (Schulenberg 1972, S. 21).

Im gleichen Jahr erließ die Deutsche Kultusministerkonferenz eine Rah-menprüfungsordnung für ein grundständiges erziehungswissenschaftlichesDiplomstudium mit dem Schwerpunkt „Erwachsenenbildung und außer-schulische Jugendbildung“. Zwar entsprach diese neue Möglichkeit ei-ner spezifischen wissenschaftlichen Berufsvorbereitung für Erwachsenen-bildner/innen bildungspolitischen Erwägungen und Einsichten2 sowiewissenschafts-politischen Profilierungsinteressen (Aufwertung Pädagogi-scher Hochschulen), doch gab es von Seiten der Erwachsenenbildungs-Praxis erhebliche Vorbehalte dagegen, weil u. a. eine wissenschaftlichabgehobene und einseitig erziehungswissenschaftliche Ausbildung be-fürchtet wurde. Erwachsenenbildung als akademischer Erstberuf jungerMenschen galt vielen in Verbänden und Einrichtungen der Erwachsenen-bildung, die diesen selbst als Zweit- oder Drittberuf ausübten und dafürselten eine wissenschaftliche Ausbildung, meistens jedoch eine beträcht-liche Lebenserfahrung und – zumindest in ihrer Selbstwahrnehmung –„pädagogisches Geschick“ i. S. eines angeborenen Talents mitbrachten,als eher suspekt. Die neuen „wissenschaftlich ausgebildeten Praktiker“(vgl. Lüders 1989) sollten ja auch tatsächlich auf Grund des Studiengangs-konzepts die Praxis nach wissenschaftlichen Kriterien verändern.

Dies entsprach auch dem neuen Konzept des Deutschen Bildungsrates, der1970 einen „Strukturplan für das Bildungswesen“ vorlegte, in dem Weiter-

2 Schon 1963 hatte eine „Niedersächsische Studienkommission für Fragen der Erwachse-nenbildung“ unter Mitwirkung von W. Schulenberg einen eigenen Ausbildungsgang fürhauptberufliche Erwachsenenbildner/innen an wissenschaftlichen Hochschulen gefor-dert (vgl. Schulenberg 1972, S. 18ff.)

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bildung, wie Erwachsenenbildung in programmatischer Absicht bezeich-net wurde, erstmals als eigenständiger und gleichrangiger Bildungsbereichprojektiert wurde. Fast alle Bundesländer erließen seither Erwachsenen-bildungs- bzw. Weiterbildungs- und Bildungsurlaubsgesetze, auf derenGrundlage der institutionelle Ausbau öffentlich geförderter Erwachsenen-bildung vorangetrieben wurde. Dem hoch veranschlagten Bildungsbedarfder erwachsenen Bevölkerung entsprach eine enorme Personalexpansionin den öffentlichen Erwachsenenbildungseinrichtungen, die auf Grund dergesetzlichen Förderungsgrundlagen möglich wurde.

Allein im Volkshochschulbereich verzehnfachte sich zwischen 1970 und1980 die Zahl der hauptberuflichen pädagogischen Mitarbeiter (vgl.Gerhard 1980, S. 22ff.). Viele Hochschulen haben in diesem Jahrzehntein erziehungswissenschaftliches Diplomstudium mit dem Schwerpunkt„Erwachsenenbildung und außerschulische Jugendbildung“ eingerich-tet und ihre ersten Absolventen bereits in den Arbeitsmarkt entlassen.

Die enorme Verberuflichung planerischer und organisatorischer Erwach-senenbildungs-Aufgaben, die Gründung einer eigenen Wissenschaftsdis-ziplin, die allgemeine Aufwertung von Bildung und Lernen, hier insbe-sondere der proklamierte Ausbau von Weiterbildung als viertem Sektordes öffentlichen Bildungswesens neben den allgemeinbildenden, berufs-bildenden und wissenschaftlich bildenden Sektoren, beflügelte Professi-onalisierungs-Hoffnungen und Professionalisierungs-Rhetorik in der Er-wachsenenbildung.

1975 wurde die Dissertation R. Vaths schon wegen ihres Titels „DieProfessionalisierungstendenz in der Erwachsenenbildung“ überregionalbekannt. Die Erwartung einer zunehmenden Professionalisierung derErwachsenenbildung verband sich insbesondere für sozialdemokratischeBildungspolitiker und nicht wenige neu eingestellte Erwachsenenbil-dungs-Wissenschaftler sowohl mit der Hoffnung auf eine politisch auf-geklärtere, an Demokratie und sozialer Chancengleichheit orientiertenErwachsenenbildungs-Praxis, aber auch mit der Hoffnung auf größereAnerkennung organisierter Bildungs-Arbeit in Berufspraxis und Gesell-schaft.

Allerdings galt dies nicht uneingeschränkt: Erwachsenenbildungs-Wis-senschaftler und -Praktiker, die in organisierter Erwachsenenbildung in

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erster Linie ein Mittel zur politischen Emanzipation sozial und bildungs-mäßig benachteiligter Bevölkerungsgruppen sahen und auf diesem Wegegrundlegende gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen wollten,argwöhnten, Professionalisierung der Erwachsenenbildung führe zurentmündigenden Herrschaft von (Bildungs-)Experten, verschule das Ler-nen Erwachsener und diene so letztlich wiederum nur der Anpassungund Fremdbestimmung insbesondere der gesellschaftlich Benachteilig-ten (vgl. Illich 1973).

Die Erziehungswissenschaft galt gar manchen Hochschullehrern, die imRahmen des neuen Diplomstudiengangs Erziehungswissenschaft Erwach-senenbildner/innen ausbildeten, ironischerweise eher als systemkonfor-me wissenschaftliche Erfüllungsgehilfin pädagogischer Anpassungsab-sichten an ungerechte gesellschaftliche Verhältnisse denn als Leitwis-senschaft für die Ausbildung von Erwachsenenbildner/inne/n, die docheigentlich die „objektiven“ Interessen Bildungsbenachteiligter system-kritisch bearbeiten sollten. Soziologische, auch volkswirtschaftliche, his-torische und psychologische Kenntnisse erschienen ihnen dafür weitausrelevanter zu sein für künftige Erwachsenenbildner/innen als erwachse-nenpädagogische und didaktische Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertig-keiten.

Die von Professionen reklamierte Zuständigkeit und Verantwortung fürgesellschaftlich als besonders wichtig angesehene Aufgaben und Werte– wie etwa Bildung – verdecke zudem nur deren Streben nach materiel-ler und immaterieller Aufwertung des eigenen beruflichen und gesell-schaftlichen Status – so die weit verbreitete ideologiekritische Ansicht.

Von den weltanschaulich pluralen Trägern und Einrichtungen der Erwach-senenbildung wurde zwar die durch öffentliche Förderung in erstaunli-chem Maße möglich gewordene Expansion der eigenen Programman-gebote und des eigenen Personalbestandes positiv gewertet, doch derProfessionalisierung von Erwachsenenbildungs-Arbeit im Sinne einererziehungswissenschaftlich oder gar erwachsenenbildungs-wissenschaft-lich fundierten, am gesellschaftlichen Zentralwert Bildung orientierten,durch geregelte Zugangswege und Fortbildung organisierten Berufstätig-keit von Erwachsenenbildner/inne/n standen die meisten skeptisch bisablehnend gegenüber. Dies ist insofern verständlich, wenn man berück-sichtigt, dass in diesem Fall die Möglichkeiten, politischen und weltan-

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schaulichen Trägerinteressen mit Hilfe von organisierter Bildungsarbeitgesellschaftliche Geltung zu verschaffen, zumindest eingeschränkt wor-den wären, denn professionelle Aufgabenorientierung der Erwachsenen-bildner/innen wäre in diesem Fall wohl eher zu erwarten gewesen alsdie Orientierung an Arbeit- oder Auftraggeber-Interessen.

Der Trägerverband, dessen Aufgabe in der weltanschaulich nicht gebun-denen Bildung Erwachsener besteht und der als öffentlich geförderterauch nicht gewinnorientiert arbeiten musste, der Deutsche Volkshoch-schulverband (DVV), zeigte denn auch folgerichtig als einziger ein kon-tinuierliches Interesse an der Entwicklung eines Berufsbildes für Erwach-senenbildner/innen sowie an deren systematischer Berufseinführung undFortbildung. Letztere wurde von der Pädagogischen Arbeitsstelle desDeutschen Volkshochschulverbandes (PAS) über viele Jahre kontinuier-lich organisiert. Mit ihrer darüber hinausgehenden Forschungs- und Pu-blikationstätigkeit hat sie über den Volkshochschulbereich hinaus dietheoretische und bildungspolitische Reflexion der Erwachsenenbildungals Beruf deutlich beeinflusst. Im Jahr 1976 veröffentlichte die Bundes-anstalt für Arbeit ein von Hans Tietgens, dem damaligen Leiter der PASentwickeltes Berufsbild für Leiter und pädagogische Mitarbeiter an Volks-hochschulen (vgl. Tietgens 1976).

Die Professionalisierungs-Hoffnungen und -bemühungen der 1970er Jahre– soweit es sie gab – waren vor allem auf das hauptberufliche Erwachse-nenbildungs-Personal gerichtet, während das ebenfalls stark angewach-sene nebenberufliche Erwachsenenbildungs-Personal, die Kursleitendenund Dozent/inn/en in Professionalisierungs-Strategien weitgehend un-berücksichtigt blieb. J. Schrader bezeichnet diese Tatsache als „halbierteProfessionalisierung“ (vgl. Schrader 2000). So konnten auch vereinzelte,letztlich erfolglos gebliebene Bemühungen, den Beruf eines hauptberuf-lichen Weiterbildungslehrers einzuführen, an der Arbeitsteilung vonhauptberuflichem Planen, Organisieren und Beraten und nebenberufli-chem Lehren und Moderieren in der institutionalisierten Erwachsenen-bildung letztlich nichts ändern.

Die überwältigende Mehrheit beider Gruppen von Erwachsenenbildner/inne/n übte ihre jeweiligen Tätigkeiten ohne spezifisch erwachsenen-bildnerische Berufsvorbereitung aus. Ein Bewusstsein von einer „gemein-samen Aufgabe und Verantwortung“ (Schulenberg) hatte sich erkennbar

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nicht gebildet, berufliche Handlungs-Standards wurden nicht entwickelt,berufliche Interessen wurden nicht organisiert und öffentlich vertreten.

Ende der 1970er Jahre setzte in Begleitung einer volkswirtschaftlichenRezession eine Stagnation der öffentlichen Weiterbildungsförderung unddamit auch der quantitativen Berufsentwicklung ein, indem kaum nochneue Stellen für hauptberufliches Erwachsenenbildungs-Personal geschaf-fen wurden. Der nach der Boom-Phase einsetzende Ernüchterungspro-zess ließ immer deutlicher werden, dass zwar bis dahin eine beachtlicheVerberuflichung erwachsenenbildnerischer Arbeit, kaum jedoch eineProfessionalisierung nach den damals bekannten berufssoziologischen,vorwiegend statusbezogenen Kriterien oder im qualitativen Sinne statt-gefunden hatte, weil es weder eine autonome, von den Berufstätigengesteuerte Berufsentwicklung gegeben, noch das erwachsenenpädago-gische Handeln und dessen Qualität in der Praxis der Erwachsenenbil-dung ein nennenswertes Thema gewesen ist.

Die Erwachsenenbildner/innen reproduzierten – so Nittel – die instituti-onellen Selbstbeschreibungen der Träger und Einrichtungen der Erwach-senenbildung oder die normative Programmatik eines bestimmten päda-gogisch-politischen Lagers. Der Erfolg erwachsenenpädagogischer Ar-beit habe sich weniger an Kriterien von Lehr-Lern-Leistungen orientiertals etwa daran, „ob Teilnehmende durch das Bildungserlebnis mobili-siert werden konnten, aktiv an der Transformation des gesellschaftlichenStatus quo mitzuarbeiten. Erwachsenenbildung galt aus der Sicht deremanzipatorischen Bildungsarbeit als ein probates Mittel zur Realisie-rung eines außerhalb des pädagogischen Sinnsystems formuliertenZwecks“ (Nittel 2000, S. 121). In den bildungspolitischen Professionali-sierungsbemühungen wurde es versäumt, professionell-qualitative Hand-lungsmaßstäbe zu verankern, z. B. durch die Bindung der Vergabe öf-fentlicher Fördermittel an die Beschäftigung spezifisch erwachsenenpä-dagogisch qualifizierten Personals oder durch die Schaffung einesverbindlichen, überinstitutionellen Berufsbildes für Erwachsenenbildner/innen.

Die neue Erwachsenenbildungs-Wissenschaft hatte keine Qualitätskrite-rien erwachsenenbildnerischen Handelns geliefert, und die meisten Trä-ger und Einrichtungen der Erwachsenenbildung zeigten daran auch keinInteresse. Ein kritisches „Verbraucher-Bewusstsein“ hatte sich innerhalb

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der Erwachsenenbildungs-Klientel noch nicht gebildet, das einen ent-sprechenden Druck hätte ausüben können. So hat bis zum Ende der1970er Jahre eine starke Verberuflichung hauptberuflicher Planungs- undOrganisationsarbeit in der institutionalisierten, gesetzlich anerkanntenund geförderten Erwachsenenbildung durch die Einstellung von Mitar-beitern mit akademischem Abschluss stattgefunden, was vielfach bereitsmit Professionalisierung gleichgesetzt wurde. Diese ist aber wohl eherein „propagandistischer Begriff“ (Tietgens 1988a, S. 87) geblieben, dervor allem in strategischer, kaum in qualitativer Absicht verwendet wur-de.

Auch im darauf folgenden Jahrzehnt der 1980er Jahre gab es quantitativund qualitativ kaum Anzeichen für eine Professionalisierung der Erwach-senenbildung nach berufssoziologischen Kriterien. Neue hauptberufli-che Mitarbeiter konnten im Wesentlichen nur noch durch befristeteMaßnahme-Gelder der Arbeitsverwaltungen und des Europäischen So-zialfonds finanziert werden. Damit verlagerte sich auch das Angebots-Spektrum der Erwachsenenbildung von allgemeinbildenden und politi-schen zu stark arbeitsmarktbezogenen und sozialpädagogisch orientier-ten Veranstaltungen. Die sozialpolitische Funktionalisierung derErwachsenenbildung ging einher mit ihrer marktbezogenen, kommerzi-ell organisierten Diversifikation, da der Staat sich immer weniger als bil-dungspolitisch verantwortliche und fördernde, sondern als eher mode-rierende Instanz mit eigenem staatlichen Erwachsenenbildungs-Segment(Volkshochschulen) zu begreifen begann, das seine herausragende Stel-lung im institutionalisierten Erwachsenenbildungsbereich folgerichtigeinbüßte.

Betriebliche Weiterbildung gewann in diesem Jahrzehnt ebenso an Be-deutung wie die so genannte „alternative Bildungsarbeit“, die stark vonden neuen sozialen Bewegungen wie der Friedens-, Umwelt-, Anti-Atom-kraft- und Frauenbewegung ausging. Auch hier standen jeweils Interes-sen im Vordergrund, für deren Durchsetzung Bildungsarbeit mit Erwach-senen als ein probates Mittel neben anderen erschien. Eine Professionvon Erwachsenenbildner/inne/n, die sich als solche verstanden und arti-kuliert hätte, trat auch in diesem Jahrzehnt expandierender Programm-angebote bei stagnierendem Personalbestand nicht in Erscheinung. DasPrädikat „professionell“ wurde zwar von allen Seiten für die eigene Ar-beit gern in Anspruch genommen und großzügig verteilt, doch dem pro-

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fessionstheoretisch informierten und kritischen Beobachter der Erwach-senenbildungs-Praxis konnte nicht entgehen, dass eine wirkliche Profes-sionalisierung, die auch öffentlich wahrnehmbare Weiterentwicklungendes Berufs und der beruflichen Handlungsqualität eingeschlossen hätte,kaum stattfand.

So konnte H. Tietgens, ohne Widerspruch hervorzurufen, im Jahr 1986konstatieren, die Professionalität in der Erwachsenenbildung sei unent-wickelt und Professionalisierung somit noch nicht gelungen (vgl. Tietgens1986, S. 44). Zumindest innerhalb der Erwachsenenbildungs-Wissenschaftbegann die Einsicht zu wachsen, dass gelingende Professionalisierung nichtzuletzt in der Professionalität des erwachsenenbildnerischen Handelnszum Ausdruck kommen müsse.

Im Jahr 1987 erschien ein umfangreicher Sammelband mit Fallstudien,Materialien und Forschungsstrategien zur Professionalisierung der Er-wachsenenbildung, dessen Tenor als mindestens skeptisch im Hinblickdarauf bezeichnet werden kann, ob eine Professionalisierung der Erwach-senenbildung überhaupt möglich ist (vgl. Harney/Jütting/Koring 1987).Im gleichen Jahr lautete das Thema der Jahrestagung der KommissionErwachsenenbildung in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswis-senschaft „Ende der Professionalisierung? Die Arbeitssituation in der Er-wachsenenbildung als Herausforderung für Studium, Fortbildung undForschung“ (vgl. Siebert/Schlutz 1988).

In der Tat ließ das, was über die Arbeits- und Arbeitsmarktsituation vonErwachsenenbildner/inne/n bekannt war, kaum noch zu, von Professio-nalisierung zu sprechen, weder im quantitativen, noch im qualitativenSinne. H. Tietgens erklärte sie jedenfalls als für vorerst „gescheitert“ (Tiet-gens 1988a, S. 28). P. Alheit fragte in dieser Situation eher rhetorisch, obman der Erwachsenenbildung bisher nicht eine Übersättigung mit Pro-fessionalisierungsversuchen und einen gleichzeitigen Mangel an Profes-sionalität diagnostizieren könne (vgl. Alheit/Tietgens 1988).

Wenn schon die Professionalisierung der Erwachsenenbildung nicht ge-lungen war, so erschien nun vor allem Erwachsenenbildungs-Wissen-schaftler/inne/n die Entwicklung von Professionalität – auch unabhängigvon Professionalisierung – als notwendig und möglich. Zwar wusste nie-mand genau, was dies sein könnte, und wie noch zu zeigen sein wird,

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wurde damit höchst Unterschiedliches assoziiert. Allen Beschreibungs-versuchen gemeinsam ist jedoch, dass damit die Qualität des erwachse-nenbildnerischen Handelns berührt ist, der bis dahin vernachlässigtenDimension von Professionalisierung.

Angesichts dieser Entwicklungen und Hintergründe äußerte E. Schlutzden Verdacht, dass „die Professionalisierung der Erwachsenen- undWeiterbildung gesellschaftlich nicht gewollt ist, (...) weil sie der Funktio-nalisierung der Weiterbildung, wie sie augenblicklich zu beobachtenist, zuwiderliefe“ (Schlutz 1988, S. 9). Die nahtlose Umsetzung der Inte-ressen und Rationalitäten der jeweiligen pluralen Träger von Erwachse-nenbildung – so Schlutz weiter – entwerte Bildungskriterien und stürzeden Kurswert pädagogischer Qualität ins Bodenlose. Die Schuld an die-ser Entwicklung könne allerdings nicht allein in bildungs- und wirtschafts-politischen Entwicklungen oder Trägerpolitik gesucht werden; auch derBeitrag der Erwachsenenbildungs-Wissenschaft und der berufstätigenErwachsenenbildner/innen selbst zur Professionalisierung der Erwach-senenbildung sei zweifelhaft: Bei ersterer stelle sich die Frage, ob sieihre Aufgaben in der Vergangenheit erfüllt habe, letzteren müsse viel-fach überhaupt erst gezeigt werden, was das Pädagogische ihres Tunsausmache. Wenn nunmehr deutlich vom Begriff der Professionalisierungabgerückt und auf den der Professionalität abgestellt werde, müsse auchgezielter und umfassender der Forschungsfrage nachgegangen werden,was Professionalität unter heutigen Bedingungen heißen könne (vgl.Schlutz 1988).

Doch trotz dieses Befundes hielt sich in den folgenden Jahren bis heutedas Interesse an Erwachsenenbildungs-Professionalität und deren wis-senschaftlicher Erforschung in Grenzen. Die veränderte und reduzierteRolle des Staates, die neue Rolle des Marktes, die Durchsetzung derComputer-Technologie, die auch die Erwachsenenbildung erfasst hatte,die damit zusammenhängende Aufwertung beruflicher und betrieblicherWeiterbildung, allgemeine gesellschaftliche Entpolitisierung und derdamit einhergehende Niedergang politischer Erwachsenenbildung so-wie schließlich die deutsche Wiedervereinigung veränderten die Arbeits-marktlage für Erwachsenenbildner/innen nachhaltig. Während in dennun schon fast als „klassisch“ geltenden öffentlich anerkannten und ge-förderten Erwachsenenbildungs-Institutionen fast überhaupt keine Stel-lenzuwächse mehr zu verzeichnen waren und sind, scheint berufliche

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Zukunft seither eher in der betrieblichen und kommerziellen Weiterbil-dung zu liegen.

Etwa seit dieser Zeit hat auch die freiberufliche, selbstständige Tätigkeitvon Erwachsenenbildner/inne/n zugenommen, deren Schwerpunkte Lehr-tätigkeit, Moderation, Training, Beratung und Coaching sind. Die Verbe-ruflichung erwachsenenbildnerischer Tätigkeiten ist daher keineswegszum Stillstand gekommen, auf Professionalisierung im Sinne der Her-ausbildung einer Profession Erwachsenenbildung gibt es jedoch auchweiterhin kaum Hinweise.

„Höchstens ansatzweise Professionalisierung“ konstatiert P. Faulstich aufGrund einer Lagebeschreibung des Personals in der Weiterbildung 1996und schreibt:

„Die kaum realisierte Professionalisierung hat in den 90er Jahren dazu geführt, daß dieTräger der Erwachsenenbildung der ordnungspolitischen Grundsatzdebatte und derForderung nach ‚mehr Markt in der Weiterbildung‘ wenig entgegenzusetzen hatten. Derniedrige Sockel von Hauptberuflichkeit wird überschwemmt von einer Welle von Stel-lenanzeigen, welche nach Teamern, Dozenten und Coachs suchen. Spätestens an die-ser Stelle wird deutlich, daß Professionalisierung in der Erwachsenenbildung Voraus-setzung dafür ist, die Chancen für Bildung – durchaus im emphatischen Sinne – zu er-halten“ (Faulstich 1996, S. 61–62).

In dem Maße wie die öffentlich verantwortete und gemeinnützige Er-wachsenenbildung, insbesondere die der Volkshochschulen, professi-onspolitisch an Bedeutung verlor, richteten sich die Hoffnungen auf Ar-beitsmöglichkeiten für Erwachsenenbildner/innen schwerpunktmäßig aufkommerzielle und betriebliche Weiterbildung.

„Galt die unternehmerische Weiterbildung in der Erwachsenenpädagogikdiskussion der1970er Jahre noch als herrschaftsstabilisierendes Element (vgl. Axmacher ...; Lenhardt...; Schmitz ...), so gehen mittlerweile einige ihrer Vertreter von einem Paradigmenwech-sel hinsichtlich der Funktion betrieblicher Weiterbildung aus. Im Zuge neuer Produkti-ons-, Management- und Personalführungskonzepte und einem angeblich damit verbun-denen Wandel von der betrieblichen Kontrolle hin zur ‚Selbstorganisation‘ der Mitarbei-ter könne betriebliche Weiterbildung als Medium einer ‚Pädagogisierung‘ des Betriebsangesehen werden (vgl. Arnold ...). Professionalisierung oder genauer ‚pädagogischeProfessionalisierung‘ in der betrieblichen Weiterbildung soll als Gegengewicht zur ein-seitigen Anpassung an Betriebserfordernisse im Dienste der Realisierung bildungspoli-tischer und teilnehmerorientierter Zielwerte (Chancengleichheit und Selbstverwirkli-chung im betrieblichen Kontext) stehen“ (Büchter/Hendrich 1998, S. 29–30).

2. Zur Professionalisierung der deutschen Erwachsenenbildung

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Auf betriebsexterner oder überbetrieblicher Ebene – so Büchter/Hend-rich weiter – seien es vor allem private oder öffentliche Weiterbildungs-anbieter, aber auch junge Hochschuldisziplinen, die eine Professionali-sierung der betrieblichen Weiterbildung vorantreiben wollen und hierzuBerufsbilder oder Tätigkeitsprofile wie „Personalentwickler“ oder „Wei-terbildungsreferent“ definierten, für die sie bestimmte Bildungsangeboteoder Studiengänge konzipierten. Dieser „marktstrategischen“ Professio-nalisierung von außen stehe eine „kontextpolitische“ Professionalisie-rung von innen gegenüber, die in einer Definition und Sicherung vonHandlungsspielräumen bestehe; betriebliche Weiterbildner müssten sichhier als relevante Akteure betrieblicher Entscheidungen einbringen, Über-zeugungsarbeit leisten. Auf keiner der beiden Ebenen lasse sich jedocheine gelungene Professionalisierung von betrieblichen Weiterbildnernnachweisen (vgl. Büchter/Hendrich 1998, S. 30–39).

Hoffnungen auf Professionalisierungs-Chancen verbanden sich Anfangder 1990er Jahre auch mit dem Wiederaufbau einer institutionellen Er-wachsenenbildungs-Struktur in den neuen Bundesländern. Mit der Auf-lösung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) lösten sich schnellauch deren gewachsene Erwachsenenbildungs-Strukturen auf; die meis-ten Einrichtungen wurden geschlossen, viele ihrer erwachsenenpädago-gischen Mitarbeitenden nicht zuletzt auf Grund vermuteter oder tatsäch-licher ideologischer Prägung „abgewickelt“, eine euphemistische Um-schreibung von „entlassen“. Nach Nittel haben die Erwachsenenbildner/innen in der DDR eine homogenere Berufsgruppe gebildet als ihre Kol-leg/inn/en in der BRD. Sie hätten eine an der Schulpädagogik ausgerich-tete berufliche Sozialisation erfahren, hätten als Ausbilder oder Lehrgangs-leiter gearbeitet oder seien nach einer Umschulung auf der Grundlageeiner Doppel- oder Mehrfachqualifikation in der Erwachsenenbildungberuflich tätig gewesen (vgl. Nittel 2000, S. 146).

Während das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) sowie an-erkannte westdeutsche Erwachsenenbildungs-Institutionen und -Trägervielfältige Hilfe beim Wiederaufbau einer neuen Struktur geleistet unddabei Kolonialisierungstendenzen zu vermeiden versucht hätten, habesich gleichzeitig im Grenzbereich zwischen Bildungs- und Beschäfti-gungssystem in den neuen Bundesländern eine kaum noch überblickba-re Zahl von rein kommerziell tätigen Qualifizierungsgesellschaften undWeiterbildungsanbietern angesiedelt. Die Beschaffung und Verteilung

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von Geld habe dabei einen höheren Stellenwert gehabt als die optimaleVersorgung der Klientel durch ein geschultes und erfahrenes Personal.Die Defizite und Fehlentwicklungen der neu organisierten Erwachse-nenbildung in den neuen Bundesländern hätten zu Beginn der 1990erJahre den „Resonanzboden für eines der zentralen Themen im Weiter-bildungsdiskurs der 1990er Jahre überhaupt, nämlich das der Qualitäts-sicherung“ geschaffen (vgl. Nittel 2000, S. 148-149).

Ob seither eine professionelle erwachsenenbildnerische Berufsentwick-lung in den neuen Bundesländern stattgefunden hat, ist nicht bekannt.Dräger/Günther/Waterkamp bemerkten 1994 lakonisch, dass „in der DDRbereits in den 60er Jahren ein Grad an Institutionalisierung und Professi-onalisierung realisiert war, den wir in der BRD nur in einigen Sektorenund Regionen erreicht haben“ (1994, S. 104).

Obwohl Erwachsenenbildung als organisiertes, didaktisch geplantes undangeleitetes Lernen trotz des seit den 1990er Jahren in Wirtschaft undPolitik propagierten selbstorganisierten, auto-didaktischen Lernens hoheTeilnahmequoten verzeichnen kann, (vgl. BMBF, Berichtssystem Weiter-bildung VIII, 2001, S. 13), zudem seit mittlerweile dreißig Jahren Erwach-senenbildner/innen in grundständigen erziehungswissenschaftlichenDiplomstudiengängen mit Erwachsenenbildungs-Schwerpunkt ausgebil-det werden und anscheinend auch mehrheitlich Beschäftigung finden,viele Hochschulen, Verbände und Einrichtungen außerdem beruflicheFort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für haupt- und nebenberuflichtätige Erwachsenenbildner/innen anbieten und durchführen – um nureinige positive Aspekte der Verberuflichung von Erwachsenenbildungzu nennen – scheint das anspruchsvollere, mit der Bildungsreform be-gonnene Projekt der Professionalisierung der Erwachsenenbildung bisheute kaum gelungen zu sein: Eine Profession von Erwachsenenbildner/inne/n hat sich erkennbar nicht gebildet, die auch nur einige der an Pro-fessionen üblicherweise angelegten Kriterien erfüllt, wie verbindlich ge-regelte Qualifikationsstandards und Berufszugangsmöglichkeiten, ein-heitliche Berufsbezeichnung, professionelle Handlungsstandards, beruf-liche Interessenorganisation und Selbstkontrolle.

„Während die Berufskultur von der soziokulturellen Aufwertung des lebenslangen Ler-nens offenbar nicht profitieren konnte, scheint sie aus der Ausdehnung des Berufsfel-des höchstens auf Grund der Vermehrung berufsbiografischer Optionen, aber nicht durch

2. Zur Professionalisierung der deutschen Erwachsenenbildung

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die Aufwertung des gesellschaftlichen Mandats Nutzen gezogen zu haben. Einen Macht-gewinn am Arbeitsplatz und in den Organisationen konnte die Berufskultur der Erwach-senenbildner/innen ebenso wenig verzeichnen wie eine deutliche Verbesserung desAnsehens in der Öffentlichkeit. Alles in allem stellt das Projekt der Professionalisierungsomit ein offenes Vorhaben dar“ (Nittel 2000, S. 153).

Mit der heute allenthalben auch in nicht-kommerziellen Institutionengeforderten Ausrichtung am „Kunden“, dem die qualitätsgesicherte„Dienstleistung Bildung“ verkauft werden soll, hat sich die Professiona-lisierung der Erwachsenenbildungs-Arbeit für Harney bis auf weiteressogar als gescheitert herausgestellt (vgl. Harney 2002, S. 125).

2.2 Professionalität als vernachlässigte Dimensionqualitativer Berufsentwicklung

In der bereits erwähnten, die Professionalisierungs-Debatte in der Er-wachsenenbildung initiierenden Rede W. Schulenbergs von 1969 über„Erwachsenenbildung als Beruf“ war von Professionalität noch keineRede, ebenso wenig wie im von ihm u. a. 1972 herausgegebenen Buch„Zur Professionalisierung der Erwachsenenbildung“. Die Professionali-sierung der Erwachsenenbildung war zwar im Rückblick von Anfang andeutlich als strategisch-quantitative Berufsentwicklung aufgefasst undpraktiziert worden, doch ist die weitgehende Nicht-Beachtung der qua-litativen Handlungsdimension zunächst womöglich auch deshalb nichtbemerkt worden, weil diese auch im berufssoziologischen Reflektieren,Schreiben und Reden über bereits etablierte Professionen jener Zeit kaumeine Rolle spielte.

Ohne explizite Diskussion und Verständigung darüber schien wie selbst-verständlich die auch heute noch anzutreffende Auffassung vorzuherr-schen, dass die Aneignung wissenschaftlichen Wissens sowie wissen-schaftlicher Denk- und Arbeitsweisen in einem langen Hochschulstudi-um quasi automatisch eine besondere Qualität des Handelns der soAusgebildeten hervorbringe. Dass seit Beginn der Bildungsreform in Stel-lenangeboten für Erwachsenenbildner/innen ein Hochschulabschlussnahezu obligatorisch gefordert wurde spricht m. E. für diese Sicht undkann zugleich, wenn nicht vor allem, als institutionelle Selbstaufwer-tungs-Strategie verstanden werden. Was ein/e potenzielle/r Erwachse-nenbildner/in studiert hat und ob die zumeist geforderten Handlungs-kompetenzen systematisch erworben wurden, scheint bis heute ernst-

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haft keine Rolle zu spielen; wissenschaftlich fundierte, erwachsenenbil-dungs-spezifische didaktische Handlungskompetenzen sind als explizi-te Berufsanforderung bis heute kaum zu finden (vgl. Hinrichs 2002).

Dies alles verweist darauf, dass erwachsenenbildungsspezifische Profes-sionalität für Beschäftigungsträger nicht als bedeutsam verstanden wur-de und wird. Berufserfahrungen schlechthin, pädagogische Neigung bzw.„Geschick“ und nicht selten das Bekenntnis zu bestimmten weltanschau-lichen Gesinnungen oder einer vorgegebenen Unternehmensphilosophiehatten und haben weiterhin neben der nachweislichen akademischenBildung einen weitaus größeren Stellenwert (vgl. Peters-Tatusch 1981).

Bei dem Bemühen um mehr Hauptberuflichkeit der Erwachsenenbil-dungs-Arbeit sei – obwohl die tatsächlichen Voraussetzungen nicht ge-geben gewesen seien – „Professionalisierung“ eigentlich als Kampfbe-griff eingesetzt worden und so eine Widerstand und Misstrauen hervor-rufende, argumentative Schieflage entstanden, schreibt Tietgens (vgl.1988b, S. 36–37). Was jedoch neben dem durchaus sinnvollen Ausbauvon Hauptberuflichkeit

„tatsächlich in der Erwachsenenbildung und zwar aller Sparten gebraucht wird, ist Pro-fessionalität als situative Kompetenz. Lässt man nämlich die berufsständische Umge-bung des Professionalisierungsbegriffs beiseite, stößt man auf einen harten Kern derAnforderungen an das Berufshandeln (...). Diese Anforderungen haben eine kognitiveund eine ethische Dimension. Meist wird die erste unter dem Aspekt der erworbenenund anerkannten Berufspatente gesehen. Der formale Ausweis wird dann durch denAppell zur Fortbildung ergänzt. Diese berührt schon die ethische Dimension, die auf dieVerantwortung gegenüber anderen Menschen verweist. Sie ist ein für die Erwachse-nenbildung besonders wichtiger Aspekt. Jedoch ist nicht hinreichend bedacht, was diekognitive Dimension im Falle der Erwachsenenbildung für spezifische Anforderungenstellt. Professionalität heißt, auf eine Kurzformel gebracht, die Fähigkeit nutzen zu kön-nen, breit gelagerte, wissenschaftlich vertiefte und damit vielfältig abstrahierte Kennt-nisse in konkreten Situationen angemessen anwenden zu können. Oder umgekehrt be-trachtet: in eben diesen Situationen zu erkennen, welche Bestandteile aus dem Wis-sensfundus relevant sein können. Es geht also darum, im einzelnen Fall das allgemeineProblem zu entdecken. Es wollen immer wieder Relationen hergestellt sein zwischengelernten Generalisierungen und eintretenden Situationen, zwischen einem umfangrei-chen Interpretationsrepertoire und dem unmittelbar Erfahrenen. Diese Beziehungen ei-nes Rezeptuars auf einen Fall, dieses Umsetzen eines Hintergrundwissens in eine Situ-ationsbewältigung ist zwar an professionalisierten Berufen abgelesen, trifft aber auchfür die in der Erwachsenenbildung Tätigen zu. Dies gilt im Prinzip unabhängig davon, obdiese Tätigkeit eine mehr planende oder beratende, eine lehrende oder eine moderie-rende ist“ (Tietgens 1988a, S. 37f.).

2. Zur Professionalisierung der deutschen Erwachsenenbildung

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Wissen, Erkennen und Handeln werden in dieser vielzitierten Definitionals bewusst zu kombinierende Faktoren unterschieden. Dem Wissen misstder Autor dabei eine herausragende Bedeutung für das professionelleHandeln zu. Er schreibt:

„Kann man sich dabei auf einen Erkenntnisfundus stützen, der Auslegungsmöglichkei-ten für die jeweilige Situation erlaubt und hermeneutische Beweglichkeit gewährleis-tet, ist das Kennzeichen der Professionalität gegeben. Dies gilt auch dann, wenn dasWissensarsenal, aus dem das Berufshandeln schöpfen kann, Veränderungen unterliegt.(...) So sind immer wieder neue Relationierungen von wissenschaftlich erarbeiteten Ein-sichten und nicht von vornherein durchschaubaren Bedingungsstrukturen herzustel-len“ (ebd., S. 39f.).

Da das so definierte professionelle Handeln „im Prinzip“ für alle Funkti-onsbereiche erwachsenenbildnerischen Handelns als möglich galt, hät-te das Interesse daran sowohl auf die eher hauptberuflichen Tätigkeitender Planung und Beratung ebenso wie auf die ganz überwiegend neben-und freiberuflich ausgeübten Tätigkeiten der Lehre und Moderation ge-richtet werden können, ja müssen. Doch auch unter der durch Tietgensneu gewonnenen Perspektive von Professionalität blieben die hauptbe-ruflichen Erwachsenenbildner/innen weiterhin mehr oder minder aus-schließlich im Focus des Interesses.

Knapp zehn Jahre nach Tietgens‘ Forderung stellt H. Bastian in ihrerUntersuchung über „Kursleiterprofile und Angebotsqualität“ fest:

„Wenn aber das pädagogische Handeln jener MitarbeiterInnen in ihrem je subjektivenFachbezug verankert ist und gerade daraus seine Glaubwürdigkeit und Stärke bezieht,so kann Professionalität – verstanden als der bewußte, begründbare und intentionaleEinsatz von Ressourcen – nur dadurch realisiert werden, daß die hauptberuflichen pä-dagogischen MitarbeiterInnen (HPM) auf der Ebene der Programmplanung dafür sor-gen, dass durch die Zusammensetzung der Freiberuflichen ein begründbares und ver-tretbares Spektrum von Bedeutungsausprägungen im jeweiligen Unterrichtsfach ge-währleistet wird. Die spezifische Kompetenz der freien MitarbeiterInnen, die alsFachleute eine der gesellschaftlich vorfindbaren Bedeutungsmöglichkeiten dieses Fa-ches leben und repräsentieren, setzt sich, wie gezeigt werden konnte, in der Praxissowieso als solche durch. Doch ist es die Professionalität der HPM, die darüber ent-scheidet, ob ein zufällig oder beliebig zusammengewürfeltes Gesamtprogramm entsteht– eventuell einseitig geprägt durch subjektive Vorlieben, die sie bestimmte Kursleiterty-pen bevorzugen lassen – oder aber eine bewußt intendierte Angebotsvielfalt, realisiertdurch den Einsatz von KursleiterInnen, die ihren Fachgegenstand mit sehr unterschied-lichen Alltagsbedeutungen belegt haben. In diesem Sinne kann die These formuliertwerden, dass die ‚Professionalität’ einer von freiberuflichen MitarbeiterInnen getrage-

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nen Erwachsenenbildung nicht als Folge einer Zuschreibung von Qualifikationsanfor-derungen an diese Personengruppe zu verstehen ist, sondern als Folge eines bewußtenEinsatzes ihrer fachlich fundierten Kompetenzen. Dieser ist dann als ein professionellgesteuerter anzusehen, wenn die hauptberuflichen PädagogInnen sich der Bedingun-gen und Auswirkungen ihrer Personalpolitik bewusst sind. Damit wird die Frage nachihrem eigenen Qualifikationsprofil zentral, denn sie erweisen sich als die Schlüsselfigu-ren für den professionellen Einsatz der von den freiberuflichen KursleiterInnen einge-brachten Kompetenzen“ (Bastian 1997, S. 169f.).

Professionalität kann so gesehen von Kursleitenden in der Erwachsenen-bildung nicht erwartet werden, sondern nur von den „Schlüsselfiguren“,den hauptberuflichen pädagogischen Mitarbeitenden. Sie käme in derenprofessioneller Programmplanung und einer gut begründeten Auswahl dernebenberuflichen pädagogischen Mitarbeitenden zum Ausdruck und wirk-te sich damit auf die Programmdurchführung aus. Damit wird ein Kern-bereich des didaktischen Erwachsenenbildungs-Handelns, die Realisie-rung der spezifischen Leistung institutionalisierter Erwachsenenbildung,unmittelbare didaktische Unterstützung des Lernens und der Bildung Er-wachsener, explizit vom Anspruch auf Professionalität ausgenommen.

Zur Art der Wahrnehmung von Aufgaben durch hauptberufliche päda-gogische Mitarbeitende, die nach Bastian erwachsenenbildnerische Pro-fessionalität verlangen, schrieb Tietgens 1988 vor dem Hintergrund seinerjahrelangen Erfahrungen mit Berufseinführungs- und Fortbildungs-Semi-naren der Pädagogischen Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschul-Verbandes und nach der Lektüre von 150 Interviews, die W. Gieseke mithauptberuflichen pädagogischen Mitarbeitenden an niedersächsischenVolkshochschulen in einer Längsschnittstudie zu deren beruflicher Sozi-alisation geführt hatte:

„Gesprochen wird zum einen von dem Übermaß an Organisatorischem und zum ande-ren von dem Ausgleich, den die Kommunikation bietet. Was aber wird da organisiertund worüber wird kommuniziert? (...) Ein Wegweiser für das Verständnis findet sich amehesten da, wo die Aussagen besonders selbstkritisch sind. Das ist dann der Fall, wenndie Deutungsmuster der Interaktion mit den Kursleitern in Sprache erscheinen. Da stel-len sich Sorgen um die eigene fachliche Kompetenz heraus, ohne die man sich schwervorzustellen vermag, auf Kursleiter als Fachleute Einfluß nehmen zu können. Ein Be-wußtsein davon, was in einer solchen Kommunikation zu vertreten wäre, kommt, willman nicht Begriffshülsen vertrauen, kaum hervor. Das heißt, an einer Schnittstelle desPlanungshandelns, an der Kompetenz, und zwar erwachsenendidaktische, gefragt ist,wird diese nicht thematisiert und stattdessen der Mangel an eigener fachlicher Kompe-tenz in den Vordergrund gerückt. (...) Erkennbar wird es erst (das entscheidende Pro-

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blem, R. P.) bei einem Wechsel der Aufmerksamkeitsrichtung, d. h., wenn man den Kla-gen über das Ausmaß an organisatorischer Arbeit nachgeht. Erst von den hier gängi-gen Deutungen her erschließt sich der Kern der Problematik. Fragt man sich nämlich,was da unter der Kernmarke des Organisierens subsumiert wird, so fehlt zwar der viel-zitierte Hausmeister auch hier nicht, und immer wieder kommt der administrative Auf-wand zur Sprache ... Aber wenn dann die Raumverteilung genannt wird, dann ist schoneine Übergangszone zum Erwachsenendidaktischen erreicht. Und wenn das Verhan-deln im Interesse der Kooperation einen so großen Zeitraum einnimmt, so ist darin, auchwenn es um Äußerliches oder Politisches geht, doch immer auch Didaktisches impli-ziert, spielen Planungsüberlegungen im Interesse der Lern- und Bildungsangebote hin-ein. Die Pointe ist also: Da sind Mitarbeiter für erwachsenendidaktische Planungsauf-gaben angestellt. Sie erfüllen diese Aufgaben, berücksichtigt man die Rahmenbedin-gungen, recht ansehnlich. Aber sie merken es gar nicht. (...) Es fehlt die begrifflicheFassung dafür, was man tut, weil immer dann, wenn vom „Pädagogischen“ gesprochenwird, die unmittelbare Interaktion gemeint ist. Die Begriffe Didaktik oder Andragogikkommen so gut wie nicht vor, Planen und Vorbereiten selten, obwohl man das ja tut. (...)Die Programmgestaltung ist in den Augen derer, die sie betreiben, nichts „Pädagogi-sches“. (...) Was also die Problematik ausmacht, ist, dass die Kompetenzfrage an derfalschen Stelle bewußt wird, nicht klar wird, welche Art der Kompetenz gebraucht wird,um professionellen Ansprüchen gerecht werden zu können. Mit der Verengung des „Pä-dagogischen“ verengt sich auch das Berufsbewußtsein zu einem Selbstverständnis alsOrganisator. Das Groteske ist: hier präsentieren sich Mitarbeiter in einer Rolle, auf diesie nicht fixiert sein möchten und auf die sie faktisch auch nicht beschränkt sind. Dieserdoppelte Selbstwiderspruch entsteht, weil sie ihre Tätigkeit nicht darzustellen wissen,weil ihnen die Eigenheiten des Tuns nicht bewußt wird. (...) Unter diesem Aspekt muß esalarmierend erscheinen, daß sich in den hier aus empirischem Material abgelesenenSelbstdeutungen Diplom-Pädagogen nicht von HPM mit anderen Studienherkünftenbemerkenswert unterscheiden. Die naheliegende Vermutung, die zu beobachtendeSelbstwidersprüchlichkeit sei eine Folge der gemischten Herkunft, läßt sich also nichtaufrechterhalten. Vielmehr muß dem Eindruck nachgegangen werden, dass es dem Stu-dienschwerpunkt Erwachsenenbildung nicht gelungen ist, ein eigen geprägtes Bild vomBerufshandeln in der Erwachsenenbildung zu vermitteln“ (Tietgens 1988a, S. 47–51).

Im Hinblick auf die Professionalisierung der Erwachsenenbildungs-Arbeit,insbesondere jedoch auf die als dafür unverzichtbar notwendige Profes-sionalität erscheint es bemerkenswert, dass die historisch gewachseneAgentur-Verfassung der Erwachsenenbildung, die nebenberuflichen undehrenamtlichen, also nur „lose“ mit den jeweiligen Institutionen „gekop-pelten“ Mitarbeitenden eine der didaktischen Kernaufgaben überträgt,nicht etwa als ein sehr ernst zu nehmendes Professionalisierungs-Hinder-nis für Erwachsenenbildung als Beruf schlechthin wahrgenommen unddiskutiert wurde, sondern stattdessen die Professionalisierungs-Erwartun-gen und Bemühungen sich so auf die hauptberuflichen pädagogischenMitarbeitenden konzentrierten, als gebe es diese Problematik von grund-sätzlicher Tragweite nicht.

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Selbst H. Tietgens, lange Zeit einer der scharfsinnigsten und mutigstenAnalytiker der Situation der Erwachsenenbildung im Allgemeinen undder Berufsentwicklung im Besonderen, schien hierin kein fundamenta-les Problem zu sehen, wenn er 1988 unter dem Eindruck seiner Analyseder Befunde von W. Giesekes Untersuchung auch schrieb:

„Auf diesem Hintergrund, fast möchte man sagen: Trotz der Lage des Berufsfeldes, vorallem aber angesichts des Diskussionsstandes, erscheint es bei den Anforderungen,die an die Erwachsenenbildung gerichtet werden, angebracht, die Frage nach der Pro-fessionalität mit Nachdruck zu stellen und diese insbesondere auf die Hauptberuflichenzu richten, soweit sie mit planenden Aufgaben befasst sind. Ihnen gegenüber ist nocham wenigsten diskutiert, was Professionalität bedeutet, woran sie sich bewähren mußund wie sie sich zeigen läßt. Insofern aber Programm-Machen heißt, aus Bedingungs-konstellationen Planungskonsequenzen zu ziehen, ist die Situationsinterpretation in kom-munikatives Handeln zu setzen. Dafür ist einer Grundanforderung von Professionalitätgerecht zu werden, nämlich die Relation von Spezifischem und Universellem zu erken-nen. Das Relevieren von theoretisch Gewußtem und praktisch Beobachtetem und Ver-langtem ist also gefragt“ (Tietgens 1988a, S. 69f.).

Die wenigen empirischen Untersuchungen, die es seither zum berufli-chen Handeln hauptberuflicher pädagogischer Mitarbeitender in Ein-richtungen der Erwachsenenbildung gibt, hat J. Schrader auch unterdem Aspekt sich eventuell abzeichnender Professionalität ausgewertetund kommt zu dem zusammenfassenden Ergebnis: „Die Belege dafür,dass hauptberufliche pädagogische Mitarbeiter in Weiterbildungsein-richtungen ihre Tätigkeit im Kern als erwachsenendidaktische ausle-gen, sind (noch) schwach“ (Schrader 2000, S. 54). Nach den erstenveröffentlichten Ergebnissen einer empirischen Studie von W. Giesekezum „makrodidaktischen Handeln“ in der Weiterbildung am Beispielkirchlicher Weiterbildungseinrichtungen, die in diesen Befund Schra-ders bereits eingeflossen sind, erscheint Planungshandeln als vorwie-gend „vernetztes Handeln auf der Basis von Abstimmungsprozessen“,das auch als „Angleichungshandeln“ bezeichnet werde. Eine zentraleKompetenz des Planungspersonals besteht demnach darin, „Seismo-graph“ zu sein. Dazu bedarf es nach Gieseke neben didaktischem Wis-sen vor allem extrafunktionaler Qualifikationen (vgl. ebd., S. 53). Dazumerkt Schrader in einer Fußnote an: „Um im Bild zu bleiben: Nachdem Professionalisierungskonzept der Bildungsreform sollten Programm-planerinnen und Programmplaner nicht nur Seismographen, sondernvor allem ‚Einsatzleiter‘ sein“ (ebd.).

2. Zur Professionalisierung der deutschen Erwachsenenbildung

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Aufgrund der Untersuchungsergebnisse Bastians und anderer deutet au-ßer auf vorhandene Kompetenz für das jeweils vertretene Fachgebietwenig auf erwachsenenbildnerische Professionalität der von den haupt-beruflichen pädagogischen Mitarbeitenden ausgewählten nebenberufli-chen pädagogischen Mitarbeitenden hin, der allerdings – wie angedeu-tet – auch kein sonderliches Interesse galt. L. Arabin erklärt dazu: „DieUnterrichtenden standen auch deswegen nie im Mittelpunkt des Interes-ses, weil es notwendig war, auf dem Weg zu einer Professionalität desUnterrichtens in den Volkshochschulen (auf die er sein eigenes For-schungsinteresse konzentrierte, R. P.) Strukturen zu entwickeln, auf de-nen aufbauend professionelles Unterrichten erst ermöglicht wird“ (Ara-bin 1995, S. 179).

Die Ergebnisse empirischer Untersuchungen zum Selbstverständnis (vgl.z. B. Siebert 1983; Scherer 1987; Schiersmann 1990), zu Motiven (vgl.z. B. Siebert 1983; Scherer 1987; J. Kade 1989), zur methodisch-didak-tischen Konzeption (vgl. z. B. Siebert 1983; Kade/Nittel/Seitter 1999), zuWissens-Konzepten von Unterrichtenden (vgl. Hof 2001) und zum Un-terrichtsverhalten (vgl. z. B. Kejcz u. a., BUVEP-Endbericht, Bd. 4, 1980)seit den 1970er Jahren bis heute legen im Hinblick auf die Dimensionprofessioneller Handlungs-Qualität insgesamt den Schluss nahe, dassdiese nicht nur wenig entwickelt ist, sondern im Großen und Ganzennicht einmal ein entsprechender Anspruch daran geknüpft worden istbzw. wird.

Neben dem jeweils verfügbaren Fachwissen, hinreichender Motivationund weltanschaulichen Überzeugungen, scheint die eigene Biografie diezentrale Ressource erwachsenenpädagogischen Handelns neben- undfreiberuflich Unterrichtender zu sein, kaum wissenschaftlich fundiertes,erwachsenenbildungs-didaktisches Wissen und Können, ein spezifisches,mit anderen kommuniziertes erwachsenenbildnerisches Aufgaben- undRollenverständnis oder eine erwachsenenbildungs-spezifische Hand-lungsethik.

Vor wenigen Jahren hat Ch. Hof subjektive Wissenstheorien von 23 Kurs-leitenden untersucht und deren Auswirkungen auf deren Weiterbildungs-verständnis und deren Unterrichtsgestaltung zu rekonstruieren versucht.Sie fand heraus, dass ersteres sich im Wesentlichen als das von Fach-schulungen einerseits und Persönlichkeitsbildungsseminaren andererseits

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beschreiben lässt. Einmal stehe das Ziel der Vermittlung neuer Wissens-strukturen im Vordergrund und zum anderen die handlungsbezogeneVerarbeitung erworbenen Wissens (vgl. Hof 2001, S. 103f.).

„Während das Weiterbildungsverständnis den Rahmen für die Unterrichtskonzeptionabgibt, beziehen sich die Vorstellungen vom Lehr-Lern-Prozess auf die konkrete päda-gogische Arbeit. Dabei lassen sich die entsprechenden Aussagen der befragten Kurs-leiter zu zwei Modellen verdichten: einmal das Instruktionsmodell und zum anderen dasModell problembearbeitenden Unterrichts. Im Rahmen des Instruktionsmodells stehtder Kursleiter als Sachexperte, der sein Wissen weitergibt, im Zentrum. Dabei kommtihm eine zentrale Rolle bei der Präsentation des Wissens zu; seine didaktischen Ent-scheidungen basieren primär auf sachbezogenen Überlegungen. Unterstellt wird einTeilnehmer, der aus ‚Um-zu‘-Motiven an der Weiterbildung teilnimmt. Methodisch stehtdas Konzept der Übersetzung von Wissen im Vordergrund – welches entweder aus-schließlich in Form einer dozentenaktiven Vortragstätigkeit realisiert oder durch prakti-sche Übungsphasen ergänzt wird. Im Rahmen des Problembearbeitungsmodells stehtder Teilnehmer mit seinen ‚Weil‘-Motiven im Vordergrund. Daher stehen die Fragen derTeilnehmer im Zentrum der didaktischen Entscheidungen. Auch kann sich der Kurslei-ter nicht ausschließlich als Sachexperte verstehen, sondern er muss seine Methoden-kompetenz hervorheben. Entsprechend werden hier Methodenfragen betont und dieArt der Seminarkonzeption am Teilnehmer und seiner Aneignungs- und Bearbeitungs-leistung orientiert. Das methodische Konzept lässt sich als Situationsgestaltung beschrei-ben. Hierbei wird die Möglichkeit konkreter Erlebnisse und Erfahrungen durch die Teil-nehmer intendiert. Unterschiede ergeben sich daraus, ob die je individuelle Verarbei-tung oder die gemeinsame Reflexion der Erfahrungen angestrebt wird“ (ebd., S. 104f.).

Hof ist der Ansicht, die von ihr herausgearbeitete Dichotomie zwischendem Fachexperten und den Methodenexperten gebe auch „Hinweisefür die Debatte um die pädagogische Professionalität. So scheint mireine wichtige Aufgabe darin zu bestehen, die Verbindung zwischen demFachexperten und dem Methodenexperten als Charakteristikum päda-gogischer Professionalität theoretisch wie auch im beruflichen Selbst-verständnis der Akteure herauszustellen“ (ebd., S. 126). Wenn damitgemeint ist, dass eine Kombination fachlichen und methodologischenWissens und Könnens nicht zuletzt im beruflichen Selbstverständnis her-zustellen wäre, dann wären m. E. damit zwar wichtige Voraussetzungenfür Erwachsenenbildungs-Professionalität geschaffen. Diese wären jedochkeineswegs schon damit gleichzusetzen.

Die von Hof befragten Kursleitenden verstehen sich selbst „entweder alsFachexperte, als Methodenexperte oder als Gesprächspartner“ (ebd.,S. 123). Woher sich ihre Selbstverständnisse, ihre Weiterbildungsverständ-nisse und ihre Unterrichtskonzeptionen „speisen“, bleibt offen. Da diese

2. Zur Professionalisierung der deutschen Erwachsenenbildung

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jedoch offensichtlich nicht erwachsenenbildungs-wissenschaftliche Er-kenntnisse und Diskussionen reflektieren, ist zu vermuten, dass sie auchnicht aus entsprechenden wissenschaftliche Quellen oder aus erwach-senenpädagogisch-praktischer Kompetenzvermittlung, -einübung und-reflexion gewonnen sind, sondern eher aus persönlichen und anderenberufs-/ausbildungsbiografischen Ressourcen.

Auch diese jüngeren empirischen Hinweise können so kaum den Ein-druck verändern, dass auch heute spezifisch erwachsenenbildnerischeProfessionalität in einem zentralen Handlungsbereich erwachsenenbild-nerischer Aktivitäten, der direkten didaktischen Interaktion mit den Teil-nehmenden, wenn überhaupt, nur sehr gering ausgeprägt ist. Als ver-nachlässigte Dimension qualitativer Berufsentwicklung kam sie zu Be-ginn der 1990er Jahre wieder kurz in den Blick als aus der Wirtschaftüber die betriebliche Weiterbildung Systeme von Qualitätssicherung undQualitätsmanagement allmählich auch in die institutionalisierte Erwach-senenbildung gelangten. Doch es zeigte sich schnell, dass die dafür ver-wendeten Qualitätskriterien anderen Prämissen verpflichtet sind als esdie Qualität professionellen Handelns wäre. Diese müsste sich am Ge-lingen der professionellen Handlungsaufgabe orientieren, der didakti-schen Unterstützung des Lernens und der Bildung Erwachsener. Dazuaber bedarf es auch professionell verankerter Vorstellungen davon, wasunter heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen individuell und gesell-schaftlich relevantes Lernen und eine entsprechende Bildung Erwachse-ner ausmachen könnte. Eine Profession der Erwachsenenbildner/innenmüsste an dieser Frage ein vitales Interesse entwickeln, nicht zuletztdeshalb, weil ihre gesellschaftliche Handlungs-Begründung und -Legiti-mation davon wesentlich abhinge.

Doch so wie der Ausbau der Erwachsenenbildung zum quartären Sektordes öffentlichen Bildungssystems und die Professionalisierung der Erwach-senenbildung als „Kinder der Bildungsreform“3 zuerst vernachlässigt undschließlich ganz aus den Augen verloren wurden, ist anscheinend auchdas Interesse an der Bildung Erwachsener als zentralem gesellschaftli-chem Wert, der mehr umfasste als Qualifikations- und Kompetenzver-mittlung im Interesse der unmittelbaren Lebensbewältigung, nicht son-

3 Die Formulierung lehnt sich an den Titel eines Buches an: Hommerich, Ch. (1984): DerDiplompädagoge – ein ungeliebtes Kind der Bildungsreform. Frankfurt

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derlich ausgeprägt. Auch für ein entsprechendes Interesse der Erwachse-nenbildner/innen selbst gibt es kaum Indizien.

Institutionalisierte Erwachsenenbildung und Weiterbildung scheinen sichstattdessen spätestens seit den 1990er Jahren immer mehr zur Personal-entwicklung innerhalb und außerhalb von Unternehmen zu transformie-ren. Bildung Erwachsener ist so gesehen die Summe dessen, was anQualifikationen, Kompetenzen und Verhaltensdispositionen der Wirt-schafts- und Gesellschaftssubjekte gebraucht wird. Sofern diese ihre Bil-dung nicht selbst und damit kostengünstig organisieren können, geschiehtdies zunehmend ökonomisch effizient, indem Bildungs-Dienstleistun-gen zur ständig überprüften Zufriedenheit von Kunden vermarktet wer-den.

Vom „normativen“ Bildungsanspruch befreite und von Professionalitäts-Ansprüchen unbelastete pädagogische Mitarbeitende begreifen sich alsBildungs-Manager und Trainer im Rahmen der Nachfrage. Programman-gebote konnten so bei gleichbleibendem Bestand hauptberuflichen Per-sonals, schwindender öffentlicher Förderung und Verantwortung undniedrigen Dozenten-Honoraren dennoch expandieren (vgl. Körber u. a.1995). Angebot und Nachfrage, nicht professionelle Durchführungsqua-lität scheinen die entscheidenden Entwicklungskriterien zu sein.Spätestens seit dem Beginn der 1990er Jahre ist institutionalisierte Er-wachsenenbildung

„einem Prozess der marktlichen Integration unterworfen, der bis heute anhält. Marktli-che Integration bedeutet nicht, dass der Staat sich aus dem Weiterbildungssektor völligzurückzieht. Sie bedeutet aber auch nicht, dass eine Bildungsnachfrage im Sinne einerArtikulation lebenspraktischer Interessen erfolgt (vgl. Dräger ...). Sie bedeutet primär,dass die Kontexte und kontextspezifischen Formen der Weiterbildung unter die Gesichts-punkte sichtbaren Organisationserfolgs gestellt und unter dem Aspekt einer vom markt-lichen Dienstleistungstausch abgeleiteten Qualitätsvorstellung ständig zueinander inBeziehung gebracht werden. (...) Es ist weniger der Kommerz in einem direkten Sinne,der sich durchsetzt, sondern es sind die Normen des geschäftlichen, des organisatori-schen Erfolgs, die sich in den Vordergrund schieben. (...) Die Qualitätsfrage hat sich andie Prämissen des Geschäfts- und Organisationserfolgs gehängt und sich dadurch voneiner an den Verberuflichungsprozess gebundenen Ansiedelung des Qualitätssiche-rungsthemas entkoppelt“ (Harney 2002, S. 131–133).

3. Berufliches Erwachsenenbildungs-Handeln: zum aktuellen Stand

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3. Berufliches Erwachsenenbildungs-Handeln: zum aktuellen Stand

Lernen können Menschen fast überall und fast zu jeder Zeit auf vielfälti-ge Weise: bewusst und unbewusst, implizit und explizit. In westlichenGesellschaften mit relativ hohem formalen Bildungsgrad gibt es zahlrei-che Möglichkeiten, eigene Lernprozesse gezielt mit Hilfe z. B. von Print-Medien, audiovisuellen Medien, Computer-Hard- und Software sowiedem Internet individuell zu gestalten. Dieses so genannte „selbstgesteu-erte“ Lernen setzt neben psychischen, finanziellen und anderen Res-sourcen beträchtliche auto-didaktische Kompetenz voraus, die Fähig-keit also, eigene Lernprozesse so zu planen und durchzuführen, dass mitvertretbarem Ressourcen-Einsatz die gewünschten Lernerfolge in dervorgesehenen Zeit erzielt werden.

Am besten scheint dies Menschen zu gelingen, die in längeren orga-nisierten Lernphasen während der Schul- und Berufsausbildung gelernthaben, wie sie ihr eigenes Lernen optimal organisieren können. Dochauch bei gegebener hoher auto-didaktischer Kompetenz sind dem selbst-organisierten Lernen Grenzen gesetzt, z. B. durch die verfügbare Aus-wahl und Güte vorhandener Lernmaterialen und -medien, durch knap-pe ökonomische und zeitliche Ressourcen und durch die Tatsache, dassmanches Wissen und Können am wirkungsvollsten, nachhaltigsten undeffizientesten in Lerngruppen und mit didaktischer Unterstützung durchFachleute erworben werden kann. Dafür scheint auch die starke Be-teiligung von Erwachsenen an organisierter Erwachsenenbildung/Wei-terbildung zu sprechen, die in Deutschland im Jahre 1997 ihre bis-herige Höchstmarke erreichte: „Fast jeder zweite 19–64-Jährige hat imJahr 1997 Angebote zur Weiterbildung genutzt (48 %). Im Vergleich zu1994 ist die Weiterbildungsbeteiligung damit nochmals um sechs Pro-zentpunkte gestiegen. (…) Hochgerechnet entspricht dies bundesweitrd. 24,1 Mio. Weiterbildungsteilnehmern im Jahre 1997“ (Kuwan u. a.2000, S. 21). Obgleich für das Jahr 2000 ein Rückgang der Weiter-bildungsbeteiligung der 19–64-Jährigen auf 43 % zu verzeichnen war(BMBF 2001, S. 13), ist die Teilnahmequote insgesamt noch beacht-lich.

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Als berufsförmige Dienstleistung wird Erwachsenenbildung in Form vonLernberatung, Planung und Unterstützung von Lernprozessen angebo-ten. Erwachsenenbildner/innen ermitteln z. B. Lernbedürfnisse, -bedarfeund -fähigkeiten, zeigen Lernmöglichkeiten und -wege auf, planen Lern-Programme und -Veranstaltungen, unterstützen, leiten und begleitenLernprozesse durch Lehren, Beraten und Moderieren, durch die Erstel-lung didaktischer Materialien und Medien und v .a .m . Dies alles ge-schieht in Erwachsenenbildungs-Institutionen wie Volkshochschulen,Akademien und Heimvolkshochschulen, Bildungswerken von Verbän-den und Vereinen, gemeinnützigen Einrichtungen sowie in kommerziel-len Weiterbildungs-Unternehmen und wird als eine Aufgabe neben an-deren auch von Betrieben, Behörden, Verlagen, Museen, Bibliothekenund vielen anderen Institutionen wahrgenommen.

Erwachsenenbildnerisches Berufs-Handeln findet insofern nicht nur inexplizit erwachsenenpädagogisch definierten Handlungszusammenhän-gen statt, sondern auch in Verbindung mit anderen beruflichen Hand-lungszielen und -formen, z. B. in der Personal- und Organisations-Ent-wicklung oder der Unterhaltungsbranche, und zwar in haupt-, neben-,teil- und freiberuflichen Beschäftigungsverhältnissen, z. T. auch ehren-amtlich. Für ein angemessenes Verständnis und eine treffende Einschät-zung beruflichen Erwachsenenbildungs-Handelns innerhalb des institu-tionalisierten Erwachsenenbildungs-/Weiterbildungsbereichs heute er-scheinen die Tendenzen erwähnenswert, die P. Faulstich und P.Vespermann jüngst (2002, S. 15) für dessen Situation, Struktur und Per-spektive ausgemacht haben:

• Entstaatlichung: Rückzug des Staats aus der Verantwortung fürdie Gestaltung des Weiterbildungsbereichs,

• Kommerzialisierung: Marktgängigkeit bzw. kaufkräftige Nach-frage als Angebotskriterien,

• Diversifizierung: Auflösung der Konzentration auf öffentlicheTräger; Verteilung öffentlicher Mittel an vielfältige Träger,

• Ökonomisierung: Markt als Regulativ des Weiterbildungsbe-reichs; „Verbetriebswirtschaftlichung“ der Institutionen; Leug-nung politischer Gestaltungsmöglichkeiten.

Der geringe Grad an Systematisierung des Weiterbildungsbereichs ma-nifestiere sich vor allem in der Dominanz prekärer Beschäftigungsver-hältnisse des Personals, so die Autoren. Soweit dessen Lage überhaupt

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bekannt sei, stelle sie sich als äußerst problematisch dar. Hauptberuf-lichkeit werde eher eingeschränkt als ausgebaut. Honorartätigkeiten brei-teten sich zunehmend aus (vgl. Faulstich/Vespermann 2002, S. 63–69).

3.1 Berufliche Handlungsgruppen, Tätigkeiten undBerufsbezeichnungen

Wie viele Personen in der Bundesrepublik Deutschland beruflich mit Er-wachsenenbildungs-Aufgaben befasst sind (unberücksichtigt bleiben dabeiVerwaltungs- und haustechnisches Personal in Bildungseinrichtungen),kann auf Grund der Datenlage nur geschätzt werden. Während etwa E.Nuissl 1996 die Zahl derjenigen, die als Erwachsenenbildner/innen haupt-beruflich arbeiten, auf 50.000 – 60.000 Personen schätzte, kam P. Faul-stich ebenfalls 1996 auf Grund von Hochrechnungen auf 80.000 –100.000 Personen. Neben diesen sind nach Nuissl schätzungsweise etwa300.000 – 600.000 Personen zeitweise als Erwachsenenbildner/innenbeschäftigt, die meisten von ihnen als Dozent/inn/en (vgl. Nuissl 1996,S. 24; Faulstich 1996, S. 59).

Von denjenigen, die hauptberuflich als Erwachsenenbildner/innen ar-beiten und damit ihren Lebensunterhalt verdienen, dürften dies die meis-ten im Angestelltenverhältnis als „Pädagogische Mitarbeitende“, „Leiter/innen“, „Fachbereichsleiter/innen“, „Studienleiter/innen“, „wissenschaft-liche Mitarbeitende“, „Bildungsreferent/inn/en“, „Weiterbildungslehren-de“, „Andragog/inn/en“, „Bildungsarbeitende“ und unter zahlreichenweiteren Bezeichungen tun. Die allerdings wachsende Zahl der haupt-beruflich und selbstständig oder freiberuflich tätigen Erwachsenenbild-ner/innen arbeitet als „Trainer/in“, „Coach“, „Consultant“ oder „Berater/in“, nicht selten in indirekter Abhängigkeit von einem oder einigen we-nigen Auftraggebern (vgl. Schrader 1998).

Während bei hauptberuflich tätigen Erwachsenenbildner/inne/n im An-gestelltenverhältnis Aufgaben des Managements, der Programmplanungund der Personalführung im Vergleich zur direkten, didaktisch orientier-ten Kommunikation mit Adressaten und Teilnehmenden zu dominierenscheinen – ausgenommen bei Hauptberuflichen Pädagogischen Mitar-beitenden in Heimvolkshochschulen und Akademien – arbeiten selbst-ständige Erwachsenenbildner/innen anscheinend in weitaus größeremMaße in direkter Interaktion mit Teilnehmenden in Trainings, Veranstal-

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tungen, Camps, Beratungen oder Coachings. Gleichwohl dürften Akqui-sition, Werbung und Verwaltungstätigkeiten einen nicht unerheblichenTeil ihrer Arbeitszeit in Anspruch nehmen.

Je größer die Institution bzw. das selbst geführte Bildungs-Unternehmenist, desto mehr scheinen sich die Aufgaben und Tätigkeiten hauptberuf-lich tätiger Erwachsenenbildner/innen auszudifferenzieren in

• Leitung und ManagementDazu gehören z. B. Mitwirkung an der Zielsetzung der Instituti-on, des Unternehmens oder der Abteilung, die Entwicklung voninstitutionellen oder unternehmerischen Konzepten und Strate-gien, die Finanz- und Budgetplanung, das Qualitätsmanagement,die Kooperation mit anderen Institutionen oder Unternehmen,Interessen-Verbänden und bildungspolitischen Instanzen, diePersonal-Auswahl und Personal-Management und -Entwicklung,das Marketing und die Öffentlichkeitsarbeit.

• Bedarfserkundung, Auftragsakquisition und ProgrammplanungDazu gehören z. B. die Markteinschätzung und Marktforschung,die Ermittlung von Adressaten- und Teilnehmerbedürfnissen, dieBeantragung von Fördermitteln aus verschiedenen Förderpro-grammen und die Entwicklung entsprechender Angebote, dieKundengewinnung, die Teilnehmerwerbung und die Planungvon Programmen und die Konzept- und Antragsentwicklung fürFachbereiche, Abteilungen und Einrichtungen.

• Mitarbeiter- und Auftraggeber-BeratungDazu gehören z. B. der Rat und die Unterstützung bei der Ver-anstaltungsplanung und der Lernziel-Analyse, die Vermittlungdidaktischer und methodischer Anregungen, die Durchführungvon Hospitationen, die Planung und Durchführung von Mitar-beiter-Fortbildung sowie die Anregung, Entwicklung und Aus-wertung von Evaluationsmaßnahmen.

• Herstellung von Lehr-Lern-MaterialienDazu gehören z. B. das Schreiben von didaktischen Seminar-Papieren, die Erstellung von Folien, Flip-Charts, Moderations-Konzepten, Präsentationen sowie die Herstellung von Videofil-men, Dia-Vorträgen, die Installation von Lern-Plattformen imInternet und die Entwicklung von Computer-Lern-Software.

• Lehren, Lern-Beratung und -Begleitung, Moderieren, Lern-Coaching

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Dazu gehören z. B. die Lerntyp-Diagnose, die Lernschwächen-Analyse, die Beratung für die Bildungs- und Karriereplanung, diePrüfungsvorbereitung, die didaktische Durchführung von Kursenund Seminaren, das Team-Teaching, das Halten von Vorträgen,die Beratung und didaktische Begleitung von Lernenden undLerngruppen sowie die Moderation von Veranstaltungen.

• Verwaltung, Organisation und TechnikDazu gehören z. B. die Organisation des Personal-Einsatzes, diePlanung von Veranstaltungszeiten und die Raumverteilung, dieOrganisation des Medieneinsatzes, das Führen und Auswertenvon Statistiken, die Erstellung von Berichten, Nachweisen undAbrechnungen.

Die herkömmliche Unterscheidung zwischen „makro-didaktisch“ alsSammelbegriff für „disponierende“, nicht auf direkte Klienten-Interakti-on gerichtete Tätigkeiten des zumeist hauptberuflichen pädagogischenPersonals in Erwachsenenbildungs-Institutionen und „mikro-didaktisch“für alle direkt klientenbezogenen, interaktiven erwachsenenpädagogi-schen Tätigkeiten des zumeist nebenberuflichen pädagogischen Perso-nals erscheint heute kaum noch als zutreffende Charakterisierung derjeweiligen Tätigkeiten, sind doch zum einen viele der „disponierenden“Tätigkeiten echtes Management, das sich ebenso gut auf andere Dienst-leistungen oder Produkte beziehen könnte und keinerlei didaktischeHandlungs-Elemente aufweist, und zum anderen sind auch solche Tä-tigkeiten didaktische, die keinerlei Interaktionsbezug zu Lernenden ha-ben, z. B. die Entwicklung von Lern-Software; die Grenzen von „makro“und „mikro“ sind dabei nur schwer auszumachen.

Lern- und Bildungsprozesse, nicht nur in der Erwachsenenbildung, son-dern auch in den Schulen und Hochschulen werden didaktisch und be-triebswirtschaftlich, verwaltungsmäßig, (haus-)technisch usw. organisiert.Diese verschiedenen Organisationsprozesse und -ebenen entwickeln sichauf Grund ihrer jeweils eigenen Sachlogiken, Qualifikations- und Kom-petenzanforderungen zunehmend zu eigenständigen, arbeitsteilig wahr-genommenen Handlungsbereichen und Berufen.

Die in der institutionalisierten Erwachsenenbildung weithin bestehendeArbeitsteilung zwischen hauptberuflich ausgeübtem Bildungs-Manage-ment einerseits und neben- oder freiberuflich ausgeübter lehrender und

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lernunterstützender Tätigkeit andererseits beruht denn auch kaum aufdidaktischen oder erwachsenenpädagogischen Überlegungen und Be-gründungen, sondern eher auf bildungspolitischen und finanziellen, de-ren historische Wurzeln weit in die eigentümliche Verberuflichungs-Geschichte der Volks- und Erwachsenenbildung und die Volksbildungs-,Erwachsenenbildungs- und Weiterbildungspolitik Deutschlands zurück-reichen (vgl. dazu Nittel 2000, S. 86ff.).

Nicht mit voller Arbeitskraft, sondern nur zeitweise oder gelegentlich,meist als Nebenberufliche oder Erwerbslose mit geringer Beschäftigungarbeiten solche Erwachsenenbildner/innen auf Honorarbasis, die leh-rende, lernbegleitende und moderierende Funktionen als „Kursleiten-de“, „Dozent/inn/en“, „Referent/inn/en“, „Teamer/innen“ usw. ausüben;auch ehrenamtliche Tätigkeit ist in diesen Funktionen, mitunter auchnoch in anderen Aufgabenfeldern von Erwachsenenbildung vorfindbar.

Die Kernaufgabe von Erwachsenenbildung, die Ermöglichung von Ler-nen und Bildung im direkten Teilnehmer-Kontakt, die Ansehen und Qua-lität veranstalteter Erwachsenenbildung zudem entscheidend prägt (vgl.Schrader 2000, S. 45), wird somit ganz überwiegend im Nebenamt vonPersonen wahrgenommen, die dafür i. d. R. zwar fachliche Qualifikatio-nen besitzen, jedoch selten erwachsenenbildungsdidaktische und -päd-agogische. Allein diese Tatsache stellt den professionellen Charakter in-stitutionalisierter Erwachsenbildung grundlegend in Frage, denn derenlehrendes Personal wird überwiegend nicht nach dem Kriterium erwach-senenbildungs-spezifischer Kompetenzanforderung, sondern nach an-deren Kriterien rekrutiert.

Diese dürften stark von den Interessen bestimmt sein, welche die jeweilsrekrutierenden, weltanschaulich pluralen Institutionen mit Erwachsenen-bildung und Weiterbildung verfolgen. Bisher jedenfalls ist die erwachse-nenbildnerische Berufsausübung nicht durch Berufsbilder oder einenpolitisch geregelten Berufszugang geordnet und geregelt. Auch die Er-wachsenenbildungs-/Weiterbildungsgesetzgebung der Bundesländer hältdie Qualifikationsanforderungen für das Personal gesetzlich anerkann-ter Institutionen so niedrig und unspezifisch, dass davon kaum eine Be-rufsprofilierung fördernde, gewiss aber keine professionalitätsförderndeWirkung ausgehen kann. Ähnliches scheint für die gebräuchlichen Qua-litätssicherungs-Systeme zu gelten.

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Die historisch gewachsene, nicht-professionelle Agentur-Verfassung derErwachsenenbildung und eine dementsprechende Personalpolitik scheintso auch weiterhin die Funktion der meisten Erwachsenenbildungs-Insti-tutionen noch stark zu prägen: sie fungieren als Vermittler von nach jeinstitutionellem Interesse und vorhandenem Qualifikationsangebot rek-rutierten Dozent/inn/en, Kursleitenden, Teamer/inne/n einerseits undBildungsnachfragenden andererseits.

Doch obwohl die stunden-, wochenend- oder wochenweise beschäftig-ten Dozent/inn/en, Kursleitenden und Teamer/innen die mit Abstand größ-te Gruppe der beruflich Handelnden in der Erwachsenenbildung sind,und deren Durchführungs- und Ergebnisqualität weitestgehend bestim-men, wird erstaunlicherweise die herausragende Bedeutung dieser Grup-pe erwachsenenbildnerisch Handelnder bildungspolitisch, professions-politisch und wissenschaftlich bis heute vergleichsweise wenig beach-tet. Diese relative Nicht-(Be-)Achtung kann auch als eine Folge desunterprivilegierten arbeitsrechtlichen und berufspolitischen Status die-ser Beschäftigten-Gruppe verstanden werden, der sich u. a. auch in dervergleichsweise geringen Honorierung und gesellschaftlichen Anerken-nung ihrer Arbeit ausdrückt.

Dass vermittelnde didaktische Tätigkeiten traditionell in der Erwachse-nenbildung und Weiterbildung als pädagogische Laien-Arbeit angese-hen wurden und nicht als vollwertige berufliche Tätigkeiten, für die eseiner spezifischen Berufsvorbereitung auf dem jeweils höchstmöglichenWissens- und Könnens-Niveau bedarf, drückt sich auch heute noch imAusbildungsprofil des Diplomstudiengangs Erziehungswissenschaft mitdem Schwerpunkt Erwachsenenbildung aus – immerhin dem einzigen,der auf erwachsenenbildnerische Berufstätigkeiten ausdrücklich vorbe-reiten will – weil hier den Fähigkeiten für eine fachlich und didaktischauf professionellem erwachsenengemäßem Niveau gestaltete Lehre kaumder Stellenwert beigemessen wird, die sie angesichts ihrer faktischenBedeutung verdienten.

Anders als Pädagogen von allgemein- und berufsbildenden Schulen etwamüssen angehende Erwachsenenbildner/innen keine fachliche und di-daktische Qualifikation für ein Lehr-Lern-Gebiet erwerben, das zum Pro-grammspektrum der Erwachsenenbildung/Weiterbildung gehört (vgl.hierzu Arabin 1995, S. 23–32). Der Prototyp des wissenschaftlich quali-

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fizierten berufstätigen Erwachsenenbildners ist nicht der didaktisch mitLernenden interagierende, sondern der disponierende und managendeErwachsenenbildner, zu dessen Aufgaben es zwar i. d. R. gehört, Laien-Pädagogen für lehrende Tätigkeiten zu rekrutieren, zu beraten und fort-zubilden, aber eher selten, auch selbst lehrende Aufgaben im Kontaktmit den Teilnehmenden der Erwachsenenbildungs-Veranstaltungen wahr-zunehmen.

Etwa seit den 1990er Jahren hat sich Erwachsenenbildung auch als Teil-beruf innerhalb anderer, nicht-erwachsenenpädagogischer oder -didak-tischer Tätigkeiten herausgebildet. Dies gilt z. B.

• für inner- und außerbetriebliche Personal- und Organisations-entwicklung („lernende Organisation“, „atmendes Unterneh-men“, Coaching, Unternehmens- und Organisationsberatung,Karriere-Beratung, Head-Hunting),

• für internes und externes Qualitätsmanagement (Entwicklungvon Kriterien/Handbüchern, Durchführung und Auswertung vonAudits usw.),

• für Mischformen von Therapie und Lernen bzw. Heilen und Leh-ren (Neuro-Linguistisches Programmieren NLP, Outdoor- undMotivations-Trainings, selbsterfahrungs- und erlebnisorientier-te Gesundheits-Bildung, Lebens-Beratung),

• für Mischformen von Sozialarbeit und Lernen bzw. Lebenshilfeund Lehren („Maßnahmen“ für Sozialhilfe-Empfänger, Erwerbs-lose, andere Benachteiligten-Gruppen),

• für Mischformen von Sozialarbeit/politischer Integrationsarbeitund Erwachse-nenbildung (Arbeit mit Zuwanderern, Re-Integra-tion von Rechtsradikalen) sowie

• für Mischformen von Unterhaltung und Lernen/Entertainmentund Lehren (Bildungsreisen, Märchen-Erzählen, Medien-Pro-gramme, offene Kanäle, Kunst-Events), und vieles mehr.

Organisierte Erwachsenenbildung ist also längst nicht mehr auf Erwach-senenbildungs-Institutionen beschränkt und Erwachsenenbildner/innenarbeiten längst in fast allen gesellschaftlichen Teilbereichen. Als „Wis-sensarbeitende“ bzw. „Akteure der Wissensgesellschaft“ haben sie zen-trale Vermittlungsfunktionen für das gesellschaftlich und individuell be-nötigte Wissen an unterschiedlichen gesellschaftlichen Orten, wie Nit-tel/Völkzke feststellen:

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„Unsere zentrale These lautet, dass die Wissensgesellschaft auf eine bestimmte Men-ge an ‚knowledge-workern‘ (Berater, Pädagogen, Vermittlungsexperten, Computerfach-leute und Wissenschaftler) angewiesen ist und dass in dieser Gruppe der als Expertevon Vermittlungsprozessen fungierende Erwachsenenbildner schon jetzt eine ausge-wiesene Stellung einnimmt. Noch plausibler wird die Behauptung eines engen Zusam-menhangs von Wissensgesellschaft – lebenslangem Lernen – Weiterbildung durch dieTatsache, dass Weiterbildungspraktikerinnen/Erwachsenenpädagogen in unserem Ge-meinwesen allgegenwärtig sind. Bei näherem Hinsehen stößt man auf ein kaum zu über-blickendes Heer an pädagogiknahen und pädagogikfernen Ämtern, Professionen undBerufen, die mit nichts anderem als mit dem organisierten Lernen für Erwachsene be-fasst sind. In dieser Gruppe finden sich interessante Konstellationen: Dem Kurs- undSeminarleiter in den altehrwürdigen Institutionen der Erwachsenenbildung (Akademi-en, Volkshochschulen, Heimvolkshochschulen), den Dozentinnen in den Bildungswer-ken der Berufsverbände stehen die mit pädagogischem Auftrag agierenden Schulungs-leiter bei der Bundeswehr gegenüber. Da sind die Ausbilder in der beruflichen Aus- undFortbildung, die Lehrerinnen der speziellen Fachschulen für Erwachsene anzutreffen,aber auch die Gruppe der Tanz-, Benimm- und Fahrlehrer sollte nicht vergessen wer-den. In den Betrieben sind Erwachsenenbildnerinnen als Bildungsmanagerinnen undSeminarleiter, aber auch als freischaffende Qualitätsbeauftragte, Coachs, Unterneh-mensberater oder Moderatorinnen in der Organisationsentwicklung tätig. Gesundheits-pädagogen bei den Krankenkassen oder andere Pädagoginnen im Grenzbereich vonSozial- und Erwachsenenpädagogik und last but not least die diversen Beratertypen,die im Falle lebenspraktischer Probleme aktiv werden, dürfen an dieser Stelle ebenfallsnicht fehlen. Ohne pädagogisches Personal könnte organisiertes Lernen in der Wis-sensgesellschaft nicht stattfinden, wären Unterweisung, Training, Beratung und Mode-ration unmöglich“ (Nittel/Völzke 2002, S. 13).

Ob organisiertes Lernen nur mit pädagogischem Personal stattfinden„kann“, darf allerdings angesichts der Tatsache, dass dieses innerhalbund außerhalb der institutionalisierten Erwachsenenbildung auch vonNicht-Pädagogen zahlreich wahrgenommen wird, immerhin bezweifeltwerden. Denn so wie Nittel/Völzke zwischen „expliziter“ und „implizi-ter“ Erwachsenenbildung unterscheiden, lässt sich analog dazu zwischen„expliziten“ und „impliziten“ Erwachsenenbildner/inne/n unterscheiden:

Während explizite Erwachsenenbildung nach Nittel/Völzke in solchenInstitutionen stattfindet, die sich selbst ausdrücklich als Bildungsinstitu-tionen definieren, wie Fernlehrinstitute, Volkshochschulen oder kirchli-che Akademien, findet implizite Erwachsenenbildung nach deren Be-schreibung in solchen Organisationen statt, die primär andere Zweckeals Bildung verfolgen, jedoch auf systematisches, organisiertes LernenErwachsener angewiesen sind, wie Wirtschaftsbetriebe, die Bundeswehroder Krankenkassen (vgl. Nittel 2000, S. 188ff. und Nittel/Völzke 2002,S. 17).

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„Die implizite Erwachsenenbildung scheint der eigentliche Wachstumsfaktor zu sein.Das ist vermutlich auf die Kombination bildungsferner und bildungsspezifischer Funkti-onen und die Entstehung neuer Märkte zurückzuführen. Ablesen lässt sich das auch ander Entwicklung im Gesundheitsbereich, wo viele der so genannten Wellness-Angebo-te auf eine steigende Nachfrage stoßen. Das Lernen der Erwachsenen erfüllt dann nichtnur einen Zweck, nämlich Bildung im engeren Sinne, sondern wird multifunktional: Esdient zur Bearbeitung lebenspraktischer und existenzieller Risiken und avanciert gleich-zeitig zum Teil der Spaßkultur“ (ebd., S. 21).

Die „expliziten Erwachsenenbildner/innen“ werden sich m. E. als profi-lierte und identifizierbare Berufsgruppe nur dann behaupten können,wenn es ihnen gelingt, Lernprozesse Erwachsener didaktisch kompeten-ter und wirkungsvoller zu unterstützen als die „impliziten Erwachsenen-bildner/innen“.

3.2 Aufgabenverständnisse und berufliche Handlungsethik

Wie Erwachsenenbildner/innen aller beruflichen Gruppen und Instituti-onen ihre Aufgaben verstehen, ihre beruflichen Rollen und Funktioneneinschätzen, ihre beruflichen Tätigkeiten reflektieren und ob sie sich inihrem beruflichen Handeln an einer Ethik orientieren, ist bisher kaumerforscht. Regional oder institutionell begrenzte Untersuchungen in ein-zelnen Berufsgruppen der Erwachsenenbildung zu anderen Fragestel-lungen erlauben zwar keine verallgemeinerbaren Schlüsse, ihre Ergeb-nisse geben jedoch empirische Hinweise, deren aktuelle Gültigkeitallerdings um so zweifelhafter erscheinen kann, je älter die Untersu-chungen sind.

So stellte beispielsweise R. Arnold auf Grund einer empirischen Untersu-chung zur Professionalisierung betrieblicher Bildungsarbeit 1983 u. a. fest,dass betriebliches Bildungspersonal ein nur rudimentäres pädagogischesSelbstverständnis entwickelt habe und kaum pädagogisch-professionelleBegründungen für sein Berufshandeln verwende. Orientierungsmaßstä-be und Wissensbestände stammten vor allem aus lebensgeschichtlichenErfahrungskontexten. Dominant sei die loyale Bindung an Ziele des Be-triebs. Im Hinblick auf eine pädagogische Professionalität sei ein grund-legendes Reflexionsdefizit festzustellen (vgl. Arnold 1983, S. 328ff.).

Mit Hilfe einer exemplarischen Interpretation zweier Interviews, die D.Jütting ebenfalls 1983 mit hauptberuflichen pädagogischen Volkshoch-

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schul-Mitarbeitern u. a. zu Fragen ihres beruflichen Selbstverständnissesgeführt hat, kam B. Koring zu Befunden wie „strategisch-technokrati-sches Verständnis der VHS-Tätigkeit, das mit einem diffusen Engagementfür das Naturwüchsige gepaart ist“ und „bloße Postulation des Pädago-gischen, gepaart mit dem Unvermögen, ein professionelles pädagogi-sches Aufgabenverständnis inhaltlich zu formulieren“ (vgl. Koring 1992,S. 183ff.).

Auch H. Tietgens diagnostizierte auf Grund einer zuvor von W. Giesekedurchgeführten Befragung von 150 niedersächsischen hauptberuflichenpädagogischen Mitarbeitenden an Volkshochschulen bei diesen beträcht-liche Defizite im Hinblick darauf, die eigenen Tätigkeiten angemessenzu thematisieren und reflektieren zu können, und zwar auch bei sol-chen, die ein erziehungswissenschaftliches Diplomstudium mit demSchwerpunkt Erwachsenenbildung absolviert hatten (vgl. Tietgens 1988a,S. 19ff.) W. Gieseke selbst bemerkte, dass die von ihr Befragten den Cha-rakter ihrer beruflichen Tätigkeiten kaum als pädagogischen oder didak-tischen, sondern als überwiegend organisatorischen deuteten. Nur in derdirekten Interaktion mit lernenden Erwachsenen hätten sie pädagogischeArbeit im eigentlichen Sinne zu erkennen vermocht. Gleichwohl hättendie meisten sich als Pädagogen verstanden, allerdings nicht im erzie-hungswissenschaftlichen oder berufspolitischen Sinne, sondern eher imSinne einer anspruchsvollen Arbeit, die sich von Verwaltungsarbeit ab-grenzen lasse (vgl. Gieseke 1988, S. 248ff.).

In einem 1996 erschienenen Aufsatz der Autorin heißt es, hauptberufli-che Erwachsenenbildner/innen identifizierten sich stärker mit den Inter-essen und Selbstverständnissen ihres jeweiligen Beschäftigungsträgersbzw. ihrer -einrichtung als mit dem spezifischen Charakter ihrer berufli-chen Aufgaben und Tätigkeiten (vgl. Gieseke 1996, S. 686). Worin aberder spezifische Charakter ihrer Tätigkeiten besteht, darüber gingen undgehen offensichtlich die Auffassungen der Berufstätigen und die der be-urteilenden Wissenschaftler nicht selten erheblich auseinander. Verstan-den viele der in den Jahren zwischen 1970 und 1980 eingestellten haupt-beruflichen pädagogischen Mitarbeitenden und Leitenden von öffentli-chen Erwachsenenbildungs-Institutionen ihre beruflichen Aufgaben häufigpolitisch-aufklärerisch, um nicht zu sagen missionarisch (vgl. Kap. 2.1),mussten sich Erwachsenenbildner/innen seit den 1980er Jahren auf Grunddes allmählichen staatlichen Rückzugs aus der Erwachsenenbildung

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immer neue Berufsfelder erschließen, um ihren Lebensunterhalt verdie-nen zu können. Sie bewiesen dabei bis heute ein beachtliches Maß anPragmatik und Kreativität, die nicht mehr von grundsätzlichen Gesell-schaftsveränderungs-Absichten behindert oder irritiert worden ist. DerPolitisierung der Bildungsreform-Ära und der neuen sozialen Bewegun-gen folgte nämlich spätestens seit Mitte der 1980er Jahre eine weit rei-chende, viele der früher stark Engagierten auch lähmende Ernüchterungund die allmähliche Entpolitisierung aller gesellschaftlichen Bereiche,auch der organisierten Erwachsenenbildung. Mit der wachsenden Glo-balisierung, der Auflösung der Sowjet-Union, der deutschen Vereinigungund damit dem nahezu weltweiten „Sieg“ der kapitalistischen Gesell-schaftsordnung griff die Ökonomisierung aller gesellschaftlichen Berei-che, auch des erwachsenenbildnerischen Denkens und Handelns, raschPlatz.

Die während der 1980er Jahre in erheblicher Zahl ausgebildeten Di-plom-Pädagogen, auch und gerade des Studienschwerpunktes Erwach-senenbildung, erschlossen sich offenbar überall dort Arbeitsmärkte, woes im weitesten Sinne um Lernen, aber auch oft auch „nur“ um mensch-liche Kommunikation und Interaktion ohne Lernintentionen geht, inwelchem Zusammenhang und mit welcher Zielsetzung auch immer.

Sehr anschaulich dargestellt wird diese Entwicklung im jüngst erschie-nenen Buch von Nittel/Völzke, in dem insgesamt 18 Erwachsenenbild-ner/innen ihre Tätigkeiten, ihr berufliches Selbstverständnis und ihrenberuflichen Werdegang beschreiben. Von ihnen arbeiten 12 hauptberuf-lich, davon 6 im Angestelltenverhältnis und 6 freiberuflich. Über einenAbschluss als Diplom-Pädagogin/-Pädagoge verfügen zwei Drittel (8) derHauptberuflichen; ein Drittel der Nebenberuflichen und Ehrenamtlichen(2) sind ebenfalls Diplom-Pädagog/inn/en.

So wie die beschriebenen Aufgaben nur teilweise Lernen und BildungErwachsener beinhalten, scheinen auch die beruflichen Selbst- und Auf-gabenverständnisse nur teilweise darauf bezogen zu sein. Die Referenz-punkte des beruflichen Handelns und der Selbstinterpretation sind u. a.Wissensimplementation und Schaffung neuer Lernkulturen, Kundenzu-friedenheit, Selbsterfahrung und Selbstverwirklichung, religiös-spirituel-les Erleben, sozialarbeitnahe Zielgruppen-Bildung, Karriere (eigene unddie anderer), Marktbehauptung und wirtschaftlicher Erfolg. Gemeinsame

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Bezugspunkte, Begriffe oder Sprachregelungen, die auf eine spezifische„Berufskultur“ oder gar „Profession“ der Erwachsenenbildner/innen hin-deuteten, von der die Herausgeber des Bandes mit solcher Selbstverständ-lichkeit schreiben, als seien diese jederzeit vorfindbare, reale Phänome-ne (vgl. Nittel/Völzke 2002, S. 276ff.), sind kaum auszumachen. Diese„Jongleure der Wissensgesellschaft“ scheinen keinen gemeinsamen Bo-den unter ihren Füßen zu haben (die „Wissensgesellschaft“ bildet ihn of-fensichtlich nicht, denn darauf fehlt jeder Bezug), und was sie jeweilsjonglieren, ist äußerst heterogen; Wissen scheint dies nur u. a. zu sein.

M. E. treffend hatte Nittel noch im Jahr 2000 formuliert, was auf frühere(vgl. Nittel 1998) und auch auf die jetzt von ihm veröffentlichten Selbst-beschreibungen zutrifft:

„Die in der Weiterbildung tätigen Personen scheinen in ihren beruflichen Selbstbeschrei-bungen weit davon entfernt zu sein, sich ernsthaft als Angehörige einer Profession zubezeichnen und ein diesbezügliches Wir-Gefühl zu entwickeln. Hin und wieder wird inbildungspolitischen Zusammenhängen (...) im Sinne einer Als-ob-Annahme von der ‚Pro-fession Erwachsenenbildung‘ gesprochen, aber hinter dieser Art des Wortgebrauchssteckt mehr Wunschdenken als Realitätssinn“ (Nittel 2000, S. 17–18).

Die Diversifikation beruflicher Handlungsfelder von Erwachsenenbild-ner/inne/n ohne die parallele Entwicklung einer erkennbaren Berufskul-tur und -politik der Berufstätigen hat offenbar die Entwicklung eines ge-meinsamen Aufgabenverständnisses eher verhindert als gefördert. Auchdie Etablierung der Erwachsenenbildungs-Wissenschaft mit entsprechen-den wissenschaftlichen Aus- und Weiterbildungsgängen konnte Lernen,Wissen, Können und Bildung Erwachsener sowie deren Vermittlung undAneignung weder als zentrale Foci von Forschung, Theorie und Lehreentwickeln, noch – wie es scheint – dem potenziellen Berufsnachwuchsals zentrale Referenzpunkte erwachsenenbildnerischen Handelns nach-haltig vermitteln.

Ironischerweise ist es aber womöglich gerade die fehlende Orientierungauf didaktisches Bildungs-Handeln und die Entwicklung einer entspre-chenden Professionalität, die den mittlerweile sehr zahlreichen Absol-venten der erziehungswissenschaftlichen Diplom-Studiengänge dieinsgesamt erfolgreiche Einmündung in und die Selbstbehauptung aufeinem Arbeitsmarkt ermöglicht (vgl. z. B. Rauschenbach u. a. 2002), dernicht nach erwachsenenbildnerischer Professionalität verlangt.

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Die Tatsache, dass es bis heute keinen Berufsverband von Erwachsenen-bildner/inne/n gibt, ist vor dem geschilderten Hintergrund zumindestverständlich. E. Schlutz wertete 1997 dessen Fehlen als Ausdruck man-gelnden Selbstbewusstseins der in der Erwachsenenbildung Tätigen, „washier nicht im psychologischen Sinne gemeint ist, sondern als Fehlen ei-nes gemeinsam geteilten Selbstkonzepts, einer Vorstellung vom Wert undZuständigkeit des Berufs und einer entsprechenden Präsentation in derÖffentlichkeit“ (Schlutz 1997, S. 66). Ein öffentlich vertretenes und in-tern reflektiertes Verständnis beruflichen Erwachsenenbildungs-Handelnsin seinen verschiedenen inhaltlichen Profilen und arbeitsrechtlichenFacetten könnte immerhin als ein echtes Indiz für eine tatsächlich vor-handene Berufskultur und Profession angesehen werden.

Ein solcher Berufsverband hätte z. B. die Funktion, gesellschaftliche Ent-wicklungen in ihren Auswirkungen auf die organisierte Erwachsenenbil-dung und auf die beruflichen Handlungsstrukturen und die einzelnenBerufsgruppen in diesem Bereich zu beobachten, zu reflektieren und imInteresse der Berufstätigen berufspolitische Handlungskonzepte zu ent-wickeln und umzusetzen; berufliche Identitäten und Identifikationen,Selbst- und Aufgabenverständnisse sowie Werthaltungen könnten kom-muniziert, Erfahrungen ausgewertet werden. Für haupt-, neben-, freibe-ruflich und ehrenamtlich tätige Erwachsenenbildner/innen böten sich soMöglichkeiten des Austauschs, der gegenseitigen Beratung, der Supervi-sion und der praktischen Solidarität. Die einzelnen beruflichen Hand-lungsgruppen von Erwachsenenbildner/inne/n hätten so überhaupt erstdie Chance, ein gemeinsames Berufsverständnis zu entwickeln und diegemeinsame Kernaufgabe als professionellen Identifikationspunkt zu er-kennen.

Denn während die Identifikation der hauptberuflichen angestellten Er-wachsenenbildner/innen mit ihren Arbeitgebern höher zu sein scheintals mit ihrer inhaltlichen Berufsaufgabe, das Lernen und die Bildung Er-wachsener didaktisch zu unterstützen, verhält es sich bei nebenberufli-chen Kursleitenden anscheinend so, dass diese ihre erwachsenenbild-nerische Tätigkeit nach Ch. Hof primär individualistisch im Hinblick aufihre eigenen persönlichen und biografischen Interessen (vgl. Hof 1999,S. 63ff.) interpretieren. Sie verstehen sich entweder als „Sachexperten“,„Methodenexperten“ oder „Gesprächspartner“ (vgl. Hof 2000, S. 83ff.).Zu ähnlichen Ergebnissen kam 1997 H. Bastian in ihrer Kursleiter-Stu-

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die, in der sie „Fachorientierte“, „Fachberatende“, „Prozessorientierte“und „Persönlichkeitsorientierte“ unterscheiden konnte (vgl. Bastian 1997,S. 136ff.).

Selbstständige, hauptberufliche Erwachsenenbildner/innen sind hinsicht-lich ihrer beruflichen Identifikationen, liest man die beruflichen Selbst-beschreibungen im Buch von Nittel/Völzke, womöglich die ambivalen-testen: Einerseits sind sie angewiesen auf Aufträge und somit den Auftrag-gebern verpflichtet, andererseits arbeiten sie in der Regel nicht direkt mitden Auftraggebern, sondern mit der von diesen ausgewählten Klientel,der sie sich menschlich und erwachsenenbildnerisch verpflichtet fühlen,und deren Interessen nicht unbedingt mit denen des Auftraggebers über-einstimmen. So heißt es in einem Bericht: „Tatsächlich ist es so, dass wiroft als Doppelagenten fungieren“ (Dittmar in Nittel/Völzke 2000, S. 140).

In solchen und anderen Fällen beruflichen Handelns könnte eine beruf-liche Handlungsethik möglicherweise hilfreich sein, über die Professio-nen in aller Regel verfügen und die meistens von Berufsverbänden ent-wickelt und in ihrer Einhaltung überwacht wird. Nur die Berufstätigenselbst können sich ernst zu nehmende ethische Richtlinien geben undentsprechende Selbstverpflichtungen eingehen, deren Beachtung sinn-voller Weise auch nur von ihnen selbst kontrolliert werden sollte. In derbisher kaum erkennbaren Berufskultur der beruflichen Handlungsgrup-pen von erwachsenenbildnerisch Tätigen hat sich seit dem Professiona-lisierungs-Projekt der Bildungsreform jedoch keine allgemein anerkann-te berufliche Handlungsethik entwickelt; sie erschien den Berufstätigenoffenbar ebenso wenig notwendig wie die berufspolitische Organisationund Artikulation ihrer Interessen (vgl. Peters 1990, S. 45).

Allerdings haben im Jahr 2001 als selbstständige Trainer, Dozenten usw.tätige Erwachsenenbildner/innen ein „Forum Werteorientierung in derWeiterbildung“ gegründet, das m. W. den ersten ethischen Berufskodexfür Erwachsenenbildner/innen formuliert hat, seine Mitglieder daraufverpflichtet und dafür ein Gütesiegel „Qualität – Transparenz – Integri-tät“ vergibt. In der Präambel heißt es, dieser Kodex biete die Basis dafür,„dass professionelle Weiterbildende ihre Arbeit in Übereinstimmung mitberuflichen Qualitätsstandards und in persönlicher Integrität ausüben“(Frankfurter Rundschau 23.6.2001, A 84). Insgesamt sechs Artikel for-mulieren hierin ethische Aussagen zum

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• Menschenbild in der Weiterbildung,• Selbstverständnis der Weiterbildner/innen,• Verhältnis der Weiterbildner/innen zum/zur Teilnehmer/in,• Verhältnis Anbieter – Nachfrager/Auftraggeber,• Verhältnis der Weiterbildenden untereinander,• Verhältnis Weiterbildner und Berufsstand.

Dieser Kodex könnte womöglich mit Anpassungen auch für die übrigenberuflichen Handlungsgruppen von Erwachsenenbildner/inne/n interes-sant und hilfreich sein, träten sie als solche überhaupt in Erscheinung.Nicht zufällig dürfte sein, dass selbstständige Erwachsenenbildner/inneneine Handlungsethik entwickelt haben. Moralische Grenzen und Pro-bleme werden diesen vermutlich schneller und deutlicher bewusst alsfest in der „verantwortlichen“ Organisation Integrierten (s. o.: „Doppel-Agent“), und möglicherweise ist es für sie so von größerer Evidenz, dasssie für ihre beruflichen Verhaltensweisen, Handlungen und Unterlassun-gen letztlich selbst die Verantwortung tragen, nicht der Arbeit-, Auftrag-oder Geldgeber.

3.3 Qualifikationen und Kompetenzen

Der Deutsche Bildungsrat hat bereits 1970 die m. E. wichtige Unterschei-dung zwischen Qualifikation und Kompetenz getroffen, indem er unterQualifikation eher personenunabhängige Fähigkeitsbündel fasste, die informalisierten, standardisierten Bildungsgängen erworben und nach ei-ner Prüfung durch Zeugnisse bescheinigt werden, und unter Kompetenzeher personengebundenes Können und Zuständigkeiten, wobei beidesnicht unbedingt formalisierbar oder standardisierbar ist bzw. sein muss.

Nachdem in der institutionalisierten Erwachsenenbildung wissenschaft-liche Qualifikation i. S. eines Hochschulabschlusses seit den 1970er Jah-ren eine wichtige Einstellungsvoraussetzung für hauptberufliches päda-gogisches Personal geworden war – ohne dass dabei ein bestimmterHochschulabschluss favorisiert worden wäre –, die zur „Verwissenschaft-lichung“ des erwachsenenbildnerischen Handelns und zur Qualitätsstei-gerung der veranstalteten Erwachsenenbildung beitragen sollte, rücktenach der quantitativen Personal-Expansion in der Berufsgruppe der an-gestellten hauptberuflichen pädagogischen Mitarbeiter (HPM) seit den1980er Jahren und der z. T. auch öffentlich bekannt gewordenen Profes-

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sionalitäts-Defizite4 die so genannte „Handlungs-Kompetenz“ stärker inden Vordergrund des Interesses. Sie sollte formale Qualifikationsnach-weise wie Hochschul-Abschlüsse und -Zertifikate durch die Vermittlungund Einübung in berufliche Handlungsfähigkeiten „anreichern“, denndass Qualifikationsnachweise wie Diplome, Staatsexamen oder Magis-ter keine Auskunft über die tatsächlich zu erwartende berufliche Hand-lungsfähigkeit einer Person im Sinne ihres beruflichen Leistungsvermö-gens geben, trat immer deutlicher zu Tage.

Dem wurde auch in der wissenschaftlichen Ausbildung von Erwachse-nenbildner/inne/n Rechnung zu tragen versucht, indem angehende Di-plom-Pädagog/inn/en nach der Studienreform von 1989 in ihrer wissen-schaftlichen Ausbildung nicht mehr nur Wissen, sondern auch „professi-onelle Handlungskompetenz“ für die anvisierten Berufsfelder erwerbensollen. Dies soll seither geschehen durch die Erweiterung und Differen-zierung einer bereits ins Studium mitzubringenden allgemeinen Kompe-tenz für soziales Handeln, die laut Rahmenprüfungsordnung von 1989im

a) Wahrnehmen, Erkennen, Diagnostizieren,b) Kooperieren, Interagieren,c) Reflektieren, Überprüfen, Evaluieren, Kritisieren

besteht und für folgende Handlungsformen bzw. Handlungsmodalitätenangehender Diplom-Pädagog/inn/en mit dem Schwerpunkt Erwachse-nenbildung/Weiterbildung erweitert werden soll, (vgl. Kultusministerkon-ferenz und Westdeutsche Rektorenkonferenz 1989, S. 70ff.):

1. Erziehen (Bilden), Beraten, Helfen,2. Unterrichten, Informieren, Wissen vermitteln,3. Organisieren, Verwalten, Planen.

Diese erwachsenenbildnerische Erweiterung bzw. der Erwerb einer er-wachsenenbildungs-spezifischen professionellen Handlungskompetenzist jedoch nach dieser Ordnung im erziehungswissenschaftlichen Di-plomstudium m. E. nur bedingt möglich, weil die entsprechenden,vergleichsweise geringen, der Ordnung zu Grunde liegenden Studien-anforderungen im Hinblick darauf kaum operationalisiert und zudem insich widersprüchlich sind (vgl. dazu auch Fuhr 1991, S. 67ff.).

4 Es gab z. B. in überregionalen und regionalen Zeitschriften abfällige Berichte über Bil-dungsurlaubs-Veranstaltungen.

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Die in der „Neufassung der Rahmenordnung für die Diplomprüfung imStudiengang Erziehungswissenschaft“ von 1989 enthaltenen Vorstellun-gen vom Beruf und der Profession von Erwachsenenbildner/inne/n, spe-ziell die Fassung der „professionellen Handlungskompetenz“ erschei-nen berufssoziologisch und professionstheoretisch zudem wenig fundiert.So kritisierte Fuhr 1991, allgemeine soziale Kompetenzen könnten nichtfür einen bestimmten Beruf vorbereiten, eine Spezifizierung dieser allge-meinen sozialen Kompetenzen für erwachsenenbildnerisches Handelnsei jedoch nicht erfolgt. Es bleibe unklar, was hinsichtlich der allgemei-nen Kompetenzen Pädagogen von Nicht-Pädagogen unterscheide undwas spezifische Fähigkeiten von Pädagogen und Pädagoginnen sind bzw.sein sollen:

„Die in allen Berufen, so verschieden sie auch seien, mehr oder weniger gefordertenallgemeinen Fähigkeiten, Situationen und Probleme wahrnehmen, mit Klienten und Kol-legen umgehen und Prozesse reflektieren zu können, sind nicht die Grundlage von Be-rufen, sondern können nur die Professionalität der Ausübung steigern“ (Fuhr 1991, S. 75).

So sei alles in allem das Konzept der professionellen pädagogischenHandlungskompetenz, wie es sich in der Rahmenordnung ausdrücke,weder dazu geeignet, die Gemeinsamkeit aller pädagogischen Berufeim Hinblick auf die in diesen geforderten Kompetenzen herauszuarbei-ten, noch könne es die Kompetenzen angeben, die in einer professiona-lisierten Erwachsenenbildung benötigt werden, weil die geforderten all-gemeinen sozialen Kompetenzen nicht für professionelle pädagogischeHandlungskompetenzen von Erwachsenenbildner/inne/n spezifiziert,sondern lediglich Handlungsformen und Tätigkeitsfelder benannt wor-den seien, resümiert Fuhr m. E. zu Recht (vgl. Fuhr 1991, S. 79).

Bedenkt man vor diesem Ausbildungshintergrund die Forderung K. Pran-ges, Pädagogen müssten „etwas können, was andere nicht können, unddieses ‚Etwas’ muss zugleich etwas sein, was gewusst und theoriege-stützt gelernt werden kann“ (Prange 1998, S. 42), dann erscheint diewissenschaftliche Ausbildung für erwachsenenbildnerische Berufstätig-keiten durch den Diplomstudiengang Erziehungswissenschaft, diemittlerweile von nahezu allen Hochschulen in der BundesrepublikDeutschland angeboten wird, unter berufssoziologischen und professi-onstheoretischen Gesichtspunkten nicht profiliert genug, um solcher-maßen Ausgebildete von anders Ausgebildeten hinreichend abgrenzenzu können, die ebenfalls über ein hohes Maß an sozialer und sozialwis-

3. Berufliches Erwachsenenbildungs-Handeln: zum aktuellen Stand

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senschaftlicher Kompetenz, evtl. erwachsenenbildnerische Praxiserfah-rung oder Zusatzqualifikationen und über ausgewiesene Kompetenzenin einem weiteren Fachgebiet verfügen.

Nimmt man die expliziten Anforderungen in einschlägigen Stellenange-boten als einen Indikator für heutige Kompetenzanforderungen auf demArbeitsmarkt, dann sind Diplom-Pädagog/inn/en mit dem SchwerpunktErwachsenenbildung/Weiterbildung mit ihrem Qualifikations- bzw. Kom-petenzprofil denn auch wenig gefragt. In 193 Stellenangeboten der Wo-chenzeitung DIE ZEIT im ersten Halbjahr 2002, die für Diplom-Päda-gog/inn/en mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung/Weiterbildung inFrage gekommen wären, suchten nur 6 ausdrücklich eine(n) Diplom-Päda-gogin/Pädagogen (vgl. Hinrichs 2002, S. 32). Es lässt sich vermu-ten, dass deren Qualifikationen und Kompetenzen potenziellen Beschäf-tigten als nicht hinreichend oder passend genug erscheinen; allerdingsscheint dieser berufsqualifizierende Abschluss bei diesen immer nochzu wenig bekannt zu sein.

Einen wesentlichen Hinderungsgrund für die Rekrutierung von Diplom-Pädagog/inn/en mit dem Studienschwerpunkt Erwachsenenbildung ver-mutete Fuhr 1991 in der Tatsache, dass diese in ihrer wissenschaftlichenAusbildung keine Lehr-Kompetenz für ein Fachgebiet erwerben (vgl. Fuhr1991, S. 274). Heutzutage dürften angesichts der zunehmenden Vermarkt-wirtschaftlichung der institutionalisierten Erwachsenenbildung/Weiterbil-dung und der Erweiterung des erwachsenpädagogischen Handlungsspek-trums um die innerbetriebliche Personalentwicklung keine oder nichthinreichende betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Fähigkeiten ebenfallseinen gewichtigen Hinderungsgrund darstellen.

So arbeiten in Einrichtungen der Erwachsenenbildung, in der betriebli-chen Weiterbildung und in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichenneben ausgebildeten Diplompädagog/inn/en mit dem Studienschwer-punkt Erwachsenenbildung/Weiterbildung Absolventen vieler akademi-scher Ausbildungsgänge und Fachrichtungen. Repräsentative Informati-onen über die quantitative Verteilung der Ausbildungs-Qualifikationender Beschäftigten gibt es m. W. nicht.

Für fachspezifisch, nicht jedoch erwachsenenpädagogisch und didak-tisch qualifizierte Berufstätige mit erwachsenenbildnerischen Berufs-Auf-

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gaben gibt es zahlreiche Möglichkeiten, erwachsenenbildungs-spezifi-sche Zusatzqualifikationen und Zusatzkompetenzen zu erwerben. EineUmfrage des Lehrgebietes Erwachsenenbildung/Weiterbildung derUniversität Bremen ergab, dass von Hochschulen, wissenschaftlichenInstituten und Landesorganisationen insgesamt 38 weiterbildende Stu-dienformen und systematische erwachsenenbildnerische Fortbildungs-möglichkeiten in Präsenz- und Fernstudienstudiengängen für erwach-senenbildnerisch Tätige angeboten werden, die in der Regel mit demErwerb eines Zertifikats abschließen und bis zu vier Semestern dauern(vgl. Gerl/Peters 2001, S. 15–25). Allein an der Universität Bremen ha-ben seit dem Jahr 1977 bis heute weit über 2000 Berufstätige die dortangebotenen weiterbildenden erwachsenenbildungs-wissenschaftlichenStudienformen absolviert.

Das erziehungswissenschaftliche Diplom-Studium mit dem SchwerpunktErwachsenenbildung/Weiterbildung ist also keineswegs der einzige, undauch nicht in jedem Fall der erfolgversprechendste Weg in eine erwach-senenbildnerische Berufstätigkeit. In kaum einem anderen Bildungs-bereich dürfte daher die Qualifikations- und Kompetenzstruktur derBeschäftigten so heterogen und vielfältig sein, wie in der Erwachsenen-bildung und Weiterbildung. Formalisierte, etwa durch gesetzliche Rege-lungen geschützte Zugangswege gibt es nicht. Diese Vielfalt stellteinerseits ein Problem dar, weil sie ein klares Qualifikations- und Kom-petenzprofil von Erwachsenenbildner/inne/n kaum entstehen lässt, daszugleich berufliche Zugehörigkeit signalisiert und so die Berufsentwick-lung oder gar Professionalisierung fördert, andererseits stellen die viel-fältigen Qualifikations- und Kompetenz-Ressourcen auch ein innovati-ves Potenzial für immer wieder neue Angebote und Dienstleistungender institutionalisierten und veranstalteten Erwachsenenbildung dar.

3. Berufliches Erwachsenenbildungs-Handeln: zum aktuellen Stand

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4. Professionstheoretische Positionenund deren Bedeutung fürErwachsenenbildung als Profession

„Wo immer etwas mit einiger Anstrengung, Ausdauer und angemesse-ner Belohnung betrieben wird, stellt sich unvermeidlich auch die Rededavon ein, so viel Aufwand und Leistung werde professionell vollbracht“(Prange 1998, S. 39). In der Alltagssprache werden solchermaßen Han-delnde als „Profi“, in der elaborierteren Sprache als „Professionelle“ be-zeichnet, deren besondere Leistungen „Professionalität“ beweisen. Daskann sich auf Fußballspieler und Wirtschaftsmanager, aber auch auf Kri-minelle beziehen und deutet darauf hin, dass die Zielsetzung der Leis-tungserstellung dabei eine untergeordnete Rolle in der Leistungsbewer-tung spielt.

„Profession von etwas machen“ enthält in jedem Fall die Bedeutung, auseiner Tätigkeit einen Haupterwerb zu machen, sich zu etwas zu beken-nen („professio“) und sich abzugrenzen, etwa von denjenigen, die diegleiche Tätigkeit nur nebenbei oder nur zum Spaß ausüben, den Dilet-tanten also (vgl. Tenorth 1989, S. 283ff.). Während in Deutschland fürTätigkeiten des „Broterwerbs“ heute der Begriff des Berufs üblich ist, fürbesondere Tätigkeiten, mit denen eine bestimmte innere Haltung alsnotwendig assoziiert wurde, lange Zeit auch der normativ aufgeladeneBegriff der Berufung, gab und gibt es Begriffe mit ähnlichem Bedeutungs-gehalt im angelsächsischen Sprachraum nicht.

„Job“, aber auch „Profession“ bezeichnen als Begriffe sowohl schlichtals dem Lebensunterhalt dienende Erwerbstätigkeiten als auch solche,die eine gewisse (Aus-) Bildung und längere Einübung erfordern; „thelearned professions“ meint häufig die akademischen Berufe schlechthin.Die sozialwissenschaftliche Beschäftigung mit den „professions“ im eherletztgenannten Sinne begann Anfang der 1930er Jahre in England (Carr-Saunders/Wilson 1933) und wurde durch grundlegende Theoriebildungund empirische Forschung, die Professionsmerkmale in bestimmten be-ruflichen Tätigkeiten belegte, zunächst durch Parsons und Marshall 1939in den USA weitergeführt.

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Das wissenschaftliche Interesse wurde

„angestoßen durch die Entwicklung der modernen Wirtschaftsgesellschaft, einerseitsmit ihren Problemen für den einzelnen wie für bestimmte Gruppen, andererseits aberauch mit ihrem steigenden Wohlstand und der Nachfrage nach qualifizierten Dienst-leistungen. Die Diskussion setzte im besonderen an den Problemen an, die das Gewinn-streben auf traditionellen Gütermärkten (‚im Geschäftsleben‘) und auf den sich ausdeh-nenden Märkten für qualifizierte Dienstleistungen mit sich brachte. Einigen Sozialwis-senschaftlern schien der Professionalismus mit den zentralen Konzepten der Kompetenzund der Verantwortlichkeit als gesellschaftstheoretisches Konzept geeignet, dem Er-folgsstreben einen alternativen Rahmen zu geben: Die Professionen als eine Art ge-meinwirtschaftlicher Sektor in der Wirtschaftsgesellschaft mochten ihnen als Kernstückeiner integrierten kapitalistischen Gesellschaft vorschweben“ (Daheim 1992, S. 22).

Während die modernen Professionen so gewissermaßen eine gesellschaft-liche Realität und zugleich ein sozialwissenschaftliches Konstrukt dar-stellen und zwischen beidem z. T. erhebliche Diskrepanzen bestehen,gab es bereits im alten Europa Professionen, die zwar andere Entste-hungshintergründe und Funktionen als erstere hatten, jedoch in einzel-nen Merkmalen die moderne Professionstheorie beeinflusst haben dürf-ten, wie etwa durch das Merkmal der herausgehobenen gesellschaftli-chen Stellung von Professionen.

4.1 Professionen als besondere Berufe: Funktionenund Merkmale

Die moderne sozialwissenschaftliche Professionstheorie, deren Anfängealso in Europa liegen, ist nach R. Stichweh ohne den historischen Hin-tergrund der europäischen Berufsentwicklung nicht angemessen zu ver-stehen:

„Die Vorstellung, daß es eine besondere Art von Berufen gibt, die man Professionennennt, ist nur vor dem Hintergrund der europäischen Gesellschafts- und Wissenschafts-geschichte angemessen zu verstehen. Mit dem Begriff der Profession waren bestimm-te – vor anderen ausgezeichnete – akademische Berufe gemeint, und der Gesichts-punkt, der diese Berufe hervortreten ließ, war zunächst, daß sie mit einem Korpus ge-lehrten Wissens befasst sind, in dem man an der Universität sozialisiert wird. Insofernwaren die Professionen der Zahl und der Rangordnung nach mit den höheren Fakultä-ten der spätmittelalterlichen und frühmodernen europäischen Universität identisch (The-ologie, Recht, Medizin). (...) Man kann zusätzlich tieferliegende Gründe dieser besonde-ren Auszeichnung einiger Berufe spezifizieren. Der erste dieser Gründe ist eine hervor-gehobene gesellschaftliche Bedeutung der Sachthematiken, auf die die jeweiligenBerufsgruppen verpflichtet sind. (...) Ein zweiter Grund ist, dass als Vergleichsgruppen

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutung für EB als Profession

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der Professionen letztlich nicht andere Berufsgruppen fungierten, stattdessen Stände,d. h. die Geburtsstände der alteuropäischen Gesellschaft und insbesondere der Adel,die relevanten Bezugssysteme bildeten. Die Differenzierung von Ständen aber vollzogsich (...) primär über Differenzen von Ehre, so daß auch Professionen vor allem denGesichtspunkt standesanaloger Ehre und damit des durch Ehre geforderten tugendhaf-ten (später dann ‚professionsethischen‘) Verhaltens betonen mussten, um sachthema-tischer Kompetenz als einer alternativen Quelle ständischen Status eine gleichberech-tigte Form von Legitimität zu verschaffen“ (Stichweh 1992, S. 36f.).

Während Marshall in seinen ersten professionstheoretischen Analysendie Herausbildung von Professionen als besondere, hoch qualifizierteDienstleistungs-Berufe fasste, die an einem Dienstideal orientiert seienund damit eine Art Reaktionsbildung bzw. Gegengewicht zum kapitalis-tischen Gewinnstreben symbolisierten, verstand Parsons in seinen bisheute sozialwissenschaftlich wirksamen Analysen (vgl. Parsons 1968)das Phänomen neuartiger Beruflichkeit in modernen Sozialstrukturen eherfunktional als Ergebnisse des allgemeinen Rationalisierungstrends derModerne. Er verglich z. B. die Berufe des Arztes und des Anwalts in denUSA mit anderen hoch qualifizierten Berufen in Wirtschaft und Bürokra-tie und konnte viele Gemeinsamkeiten, aber auch einige wesentlicheUnterschiede entdecken. Gemeinsam sei allen die

• Rationalität bei der Verfolgung von Handlungszielen,• die Ausbildung spezifischer Kompetenzen und Interessen für

die jeweilige Aufgabenstellung und• ein sachlicher Universalismus des beruflichen Handelns (ohne

Ansehen der einzelnen Person oder partikularer Interessen).

Ausgeprägte Klientenorientierung und Verantwortung für das Gemein-wesen galten ihm hingegen als zentrale Merkmale von Professionen.

Das von Parsons entwickelte „struktur-funktionalistische“ Professions-modell wurde innerhalb seiner soziologischen Schule weiterentwickeltund differenziert; am vielleicht bekanntesten und sehr häufig rezipiertwurden die von Goode entwickelten Professionskriterien (vgl. Goode1957). Professionen lassen sich danach zusammenfassend so charakte-risieren: Als für Klienten spezifische, qualifizierte Dienste leistende Be-rufe besitzen sie eine Fachautorität, die auf systematisch erworbenem,i. d. R. wissenschaftlichem Wissen gründet. Wissen und Handeln derProfessionellen folgt universellen, sachlich begründeten Maßstäben, nichtpartikularen Interessen.

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Um dies zu gewährleisten, bedürfen sie einer gewissen Autonomie (beider arbeitsrechtlichen bzw. -vertraglichen Stellung, bezogen auf das be-rufliche Handeln, bei der Sozialisation des Berufsnachwuchses und beider beruflichen Selbstkontrolle) und einer besonderen Ethik (zur innerenHandlungsorientierung und äußeren Vertrauenssicherung) gegenüberdiesen Interessen.

Die professionelle Expertise erschwert bzw. verunmöglicht oft sogar dieKontrolle Außenstehender, auch der eigenen Klientel. Da Professionellefür die Erstellung ihrer Dienstleistung jedoch auf Vertrauen und die Mit-arbeit der Klientel angewiesen sind, müssen sie eine glaubhafte kollegi-ale Selbstkontrolle organisieren und gewährleisten. Der Einsatz hochentwickelter spezifischer Fähigkeiten sowie eine insgesamt verantwor-tungsvolle und kontrollierte Berufsausübung veranlassen schließlich dieGesellschaft in Gestalt ihrer zuständigen Instanzen dazu, der Professionein Monopol für ihre spezifische Leistungserstellung, weit reichendeberufliche Handlungs-Autonomie, ein überdurchschnittliches Einkom-men und gesellschaftliche Anerkennung zu gewähren.

E. C. Hughes, ein Vertreter des Symbolischen Interaktionismus, hat spä-ter die Unterscheidung von Mandat und Lizenz eingeführt: Mit der Bear-beitung gesellschaftlich als besonders wertvoll geltender Aufgaben oderAnliegen würden Berufe besonderen Typs – Professionen – beauftragt.Die Erteilung des Mandats gründe auf der Erwartung und dem Vertrau-en, dass die Professionen es kompetent und verantwortungsvoll ausfüll-ten, wofür sie materiell (Einkommen) und immateriell (Status, Prestige,Privilegien) besonders belohnt würden. Mit dem Auftrag erhielten sieauch die Erlaubnis (Lizenz) – man könnte heute auch sagen: die Legiti-mation – in dessen Rahmen, also in spezifischer Weise begrenzt, aufihre Klientel einzuwirken. Mandat und Lizenz unterlägen gesellschaftli-chen Einschätzungen und Bewertungen; sie müssten durch die Qualitätder Auftragserledigung bzw. den Nachweis der eigenen Leistungsfähig-keit immer wieder neu gesichert und erworben werden (vgl. Hughes1984).

Kritik an diesem Professions-Modell entwickelte sich innerhalb und au-ßerhalb der jeweiligen soziologischen Schulen in den 1970er Jahren (vgl.z. B. Freidson 1979), zunächst in den USA. Es beinhalte – so einige derKritiker – eine grundsätzliche, harmonistische Verkennung der Macht

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutung für EB als Profession

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ökonomischer Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus. Die Privilegien vonProfessionen erklärten sich eher aus ihrer jeweils errungenen Machtstel-lung durch exklusive, monopolistisch organisierte Expertise auf Grundstarker Berufsorganisationen als aus den tatsächlichen Leistungen derProfessionellen. Zudem sei die Expertise oft zweifelhaft, da sie keineswegsimmer universeller Rationalität, sondern anderen Kriterien verpflichtetsei, wie etwa dem Status-Erhalt.

Unter Macht-Gesichtspunkten betrachtet seien Professionen Ergebniseines erfolgreich durchgeführten Mittelschicht-Projekts vermarktbarerExpertise, deren Exponenten hiermit erstmals Mittelschicht-Status gewon-nen hätten, statt, wie bis dahin in den USA üblich, durch den Erwerb vonSacheigentum durch Geschäftsgründung. Durch geschickte Kontrolle derentsprechenden Märkte sei es den Professions-Angehörigen gelungen,Einkommen, Prestige, Autonomie und Selbstverwirklichung in ihren be-ruflichen Tätigkeiten zu erreichen. Verbandsbildung und die Entwick-lung einer Ideologie der gesellschaftlichen Verantwortlichkeit, die be-wusste Herstellung von Beziehungen zu den gesellschaftlich Herrschen-den zur Mandats- und Lizenz-Gewährung seien dabei nützlicheInstrumente gewesen vor dem Hintergrund einer Gesellschaft mit wenigStaat und für Anstöße aus der Praxis offenen Universitäten (vgl. Larson1977 nach Daheim 1992, S. 23f.).

H.-J. Daheim sieht das angelsächsische Modell der Professionen, ein-schließlich der Kritik daran, wie auch die frühen und späteren europäi-schen Professionsmodelle eng gekoppelt an die Rationalisierungsentwick-lungen der Moderne. In der deutschen Professionsentwicklung habennach seiner Analyse nicht nur in der Vor-Moderne, sondern auch in derModerne immer die staatlichen Anstrengungen und Initiativen vor den-jenigen der Berufsangehörigen dominiert. Der Staat habe das höhereAusbildungswesen, den Berufszugang und die Berufsausübung in denakademischen Berufen von Anfang an kontrolliert. Akademiker seien inDeutschland vor allem Staatsdiener gewesen (und Kirchendiener, R. P.)und selbst wo sie später in privaten Großorganisationen tätig gewordenseien, sei der Kontext der Berufsausübung in Anlehnung an den öffentli-chen Dienst gestaltet worden. „Die Dienstidee vereinigt Loyalität undVerpflichtung gegenüber Staat und Organisation mit der Verpflichtunggegenüber der Sache und/oder dem betroffenen Individuum“ (Daheim1992, S. 24).

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Im Vergleich des amerikanischen mit dem deutschen Modell der Profes-sion besteht für D. Rüschemeyer die Gemeinsamkeit vor allem in derExpertise auf der Grundlage qualifizierter Ausbildung. Während dieModernisierung von Verwaltung und Wirtschaft in den USA im Wesent-lichen durch den Markt bewirkt worden sei, hätte diese Rolle in Deutsch-land zunächst der Staat übernommen. Unterschiede zeigten sich daherdeutlich darin, welche Eliten dominierten und die Entwicklung und Kon-trolle von Professionen durch ihre Macht beeinflussten: in Deutschlandeher konservativ-bürokratisch-militärische, in den USA eher liberal-ge-schäftsorientiert-zivile (vgl. Rüschemeyer 1980, S. 311–325).

Die neuere systemtheoretisch orientierte Deutung der Entstehung dermodernen Professionen gründet auf der soziologischen Analyse gesell-schaftlich jeweils gültiger Ordnungsprinzipien. Durch das Auswechselndes gesellschaftlichen Differenzierungsprinzips von Ständen durch Funk-tionssysteme sei der ehedem nachgeordnete Gesichtspunkt einer funkti-onalen Spezialisierung auf Sachthemen von besonderer Relevanz zumwichtigsten Strukturbildungsprinzip der modernen Gesellschaft gewor-den. Funktionssysteme differenzierten und definierten nun beruflicheBezugspunkte und Normen. Innerhalb dieser bildeten sich die moder-nen Berufe.

Von einer Profession sollte man nach dem Systemtheoretiker R. Stich-weh nur dann sprechen,

„wenn eine Berufsgruppe in ihrem beruflichen Handeln die Anwendungsprobleme derfür ein Funktionssystem konstitutiven Wissensbestände verwaltet und wenn sie dies inentweder monopolistischer oder dominanter – d. h. den Einsatz der anderen in diesemFunktionsbereich tätigen Berufe steuernder oder dirigierender – Weise tut“ (Stichweh1992, S. 40, Hervorhebung im Original).

Doch während in der amerikanischen und in der von ihr stark geprägtendeutschen Soziologie bis in die 1980er Jahre „professionals“ und Exper-ten nicht weiter unterschieden wurden, wenn sie als Absolventen „ge-hobener“, i. d. R. akademischer Ausbildungen mit der Behauptung auf-traten, eine berufliche Leistung auf der Basis systematischen Wissensund von besonderem Wert für die Gesellschaft anzubieten (vgl. Hart-mann 1972; Hesse 1972), können nach der neueren systemtheoretischenPerspektive nur solche Berufe sich überhaupt zu Professionen entwi-ckeln, die im Medium der personalen Interaktion mit der Bearbeitung

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutung für EB als Profession

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von lebenswichtigen Fragen und zentralen Problemen von Personenbefasst sind. Diese Sicht gründet auf Luhmanns Theorie der Professio-nen, die er im Rahmen seiner religionssoziologischen Studien entwi-ckelt hat. Darin geht er davon aus, dass sich im Gefolge der funktionalenAusdifferenzierung der Gesellschaft „binäre Schematismen“ bzw. so ge-nannte „Duale“ entwickelten, die in hohem Maße technisierbar sind.

Für den Bereich der Religion, in dem die Duale „Leid/Heil“ und „Sünde/Gnade“ entstanden, sah er diese Technisierbarkeit ebenso wenig gewähr-leistet wie in anderen Funktions-Bereichen, deren Zweck die Beeinflus-sung und Veränderung von Personen ist, wie z. B. im Erziehungssystem.Die bestehenden Duale erzeugten Zustände, die ebenfalls als Gegen-satzpaare fungierten: haben/nicht haben, gesund/krank, anormal/normal,gebildet/ungebildet usw.

Professionelle hätten die Aufgabe der Vermittlung zwischen diesen bei-den Zuständen von Personen, für die keine oder nur unzulängliche Tech-nologien zur Überbrückung verfügbar seien. Sie böten der Klientel Lö-sungen durch interaktive Vermittlungsarbeit an, wobei das Erreichen desjeweils anderen Zustands von den Professionellen auf Grund der Un-wägbarkeit jeglicher Interaktion nicht garantiert werden könne (vgl. Com-be/Helsper 1996, S. 12ff.)

Auch Daheim, wohl eher dem machttheoretischen Professionskonzeptzugeneigt, grenzt Professionen als für eine bestimmte Klientel spezifi-sche Dienstleistungen erbringende Berufsgruppe zur Erreichung wichti-ger lebenspraktischer Ziele ab von Experten, deren berufliche Tätigkei-ten nicht in der Einflussnahme auf zentrale Fragen der Lebenspraxis ei-ner Klientel bestehen. So sei es beispielsweise professionstheoretischunstrittig, dass der in Forschung und Lehre tätige Experte nicht als Pro-fessioneller gelte. Er betreibe in einem bestimmten Feld Wissenschaft alsBeruf und generiere dabei in Forschung und/oder Lehre die Grundlagenfür die Expertise des Praktikerhandelns. Wissenschaft und außerwissen-schaftliche Praxis seien nämlich unterschiedlichen Systemrationalitätenverpflichtet: In der Wissenschaft gelte als Handlungskriterium Wahrheit,außerhalb der Wissenschaft Macht.

So könne etwa auch von einem Ingenieur, der als Experte in der For-schungs- und Entwicklungsabteilung eines Industrieunternehmens arbei-

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tet, nicht von einem Professionellen gesprochen werden, weil er wieviele andere Experten in Organisationen im Dienste der Organisations-ziele stehe, die Organisation aber kaum als „Klient“ interpretiert werdenkönne. Deren Ziele seien „bei gewinnorientierten Organisationen undbei Behörden nicht, oder doch wenigstens nicht primär auf Dienstleis-tung an einer Klientel ausgerichtet (sind). Dass dem hier tätigen Expertenim Berufsalltag ein gewisses Maß an Organisationsautonomie zuerkanntwerden muss, macht ihn noch nicht zum Professionellen, ebenso wenigdie Verbindung mit anderen Experten der gleichen Spezialität („Berufs-gruppe“)“ (Daheim 1992, S. 28).

Berufliche Handlungs-Autonomie ist für Daheim und andere Theoreti-ker des Machtmodells ein wesentliches Professions-Merkmal: WirklicheProfessionen sind danach nicht zuletzt dadurch gekennzeichnet, dassihnen sowohl von den Klienten wie auch von den beschäftigenden Or-ganisationen Autonomie zuerkannt wird. In diesem Verständnis sind„Semi-Professionen“ entweder klienten- oder organisationsautonom, alsonur halbautonom.

Als „De-Professionalisierung“ bezeichnen sie die Reduktion der Klien-ten-Autonomie, also die abnehmende Unabhängigkeit von den Klien-ten, als „Proletarisierung“ die Reduktion der Unabhängigkeit von derarbeitgebenden oder auftraggebenden Organisation, also die „Redukti-on der Professionellen auf den Status von fremdbestimmten Routinear-beitskräften“ (Daheim 1992, S. 26).

Auch wenn die so genannten „Freiberufler“ als klassisch handlungsau-tonom geltende Berufsgruppe in der Professionssoziologie stets als Kernder Professionellen verstanden worden seien, hätten zu ihnen doch auchimmer schon qualifizierte Dienstleistende gehört, die für ihre Klientenim Rahmen einer Organisation tätig geworden seien.

Während sich für alle Professionellen unabhängig von ihrem arbeits-rechtlichen Status das Problem der Klientenautonomie stelle, hätten da-her Organisationsangestellte zusätzlich das Problem der Organisations-autonomie, wobei allerdings zwischen „professionellen“ Organisatio-nen, deren Zweck in nicht gewinnorientierter Hilfe für eine Klientelbestehe und anderen, gewinnorientierten, zu unterscheiden sei (vgl.Daheim 1992, S. 26 ff).

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutung für EB als Profession

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Als ein weiteres wesentliches Professionsmerkmal neben der professio-nellen Handlungs-Autonomie versteht Daheim die erschwerte Kontrolleprofessionellen Handelns.

„Mindestens seit Parsons wird die Interaktion zwischen dem Professionellen und sei-nem Klienten asymmetrisch strukturiert gesehen: Der Klient ist der Laie, für den derProfessionelle (daher) richtiges Handeln definiert, wozu er ein gesellschaftlich/staatli-ches ‚Mandat‘ (Hughes) hat. Man kann vielleicht sagen, daß eine Berufsgruppe einesolches Mandat erreicht, wenn sie ihre Kompetenz durch die Einhaltung ‚professionel-ler‘ Standards glaubhaft machen kann, wenn sich ihre Arbeit mit Menschen auf einenzentralen gesellschaftlichen Wert bezieht und wenn es eine gesellschaftlich/staatlicheKontrolle ihrer Selbstorganisation gibt. (...)Der Klient ist in diesem Verständnis nicht kompetenter Akteur in bestimmten Lebens-Situationen, weil sein Alltagswissen nicht reicht zur Bearbeitung dieser Situationen.Deshalb kann er das Angebot einer entsprechenden Profession in Anspruch nehmen,die unter Anwendung wissenschaftlich begründeter Expertise zu helfen versucht – einAngebot, das er häufig nicht ablehnen kann und das ihn in die Abhängigkeit des nachgesellschaftlichem Verständnis treuhänderisch tätig werdenden Professionellen bringt.Das Machtgefälle wird noch dadurch verschärft, dass Expertise, auch wenn sie vomProfessionellen routinisiert auf Alltagsprobleme des Klienten angewendet wird, immernoch etwas von dem Charisma des außeralltäglichen bewahrt, das demjenigen Machtgibt, der es auf alltägliche ‚Notsituationen‘ anwendet, mit denen der einzelne nicht fer-tig wird (vgl. Seyfarth ... im Anschluss an Max Weber)“ (Daheim 1992, S. 31).

Der professionstheoretische Ansatz von U. Oevermann unterscheidet sichvon den bisher dargestellten in einigen wesentlichen Punkten. Er ist seitdem Ende der 1980er Jahre über die Soziologie hinaus insbesondere inder Erziehungswissenschaft aufgegriffen und weitergeführt worden (vgl.Wagner 1998), vor allem durch B. Koring. Dieser so genannte „struktur-theoretische Ansatz“ beschäftigt sich kaum mit dem gesellschaftlichenErscheinungsbild von Professionen oder deren politischen Durchsetzungs-strategien, sondern erklärt deren Bedeutung im Wesentlichen aus derStruktur ihres Handelns und den gesellschaftlichen Funktionen der Pro-fessionen. In der „Strukturlogik“ professionellen Handelns liegt für Oe-vermann die theoretische Bestimmungsmöglichkeit von Professionen undnicht in der Beschreibung äußerer, eher statusbezogener Merkmale, waser an den klassischen Professionstheorien (Hughes; Marshall; Parsonsu. a.) ebenso kritisiert wie die Gleichsetzung von Professionen mit Ex-pertentum (vgl. Oevermann 1996, S. 70ff.).

Oevermann misst den Professionen grundsätzlich die Funktion der Bear-beitung gesellschaftlicher Geltungsfragen zu, die auch unabhängig voneiner Klientel existieren können und deren Bearbeitung daher nicht zwin-

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gend an die Interaktion mit einer bestimmten Klientel gebunden ist. Gel-tungsfragen können

„entweder unabweisbar durch den faktischen Verlauf der Geschichte, vor allem aberdurch interne Entgleisungen aufgeworfen worden sein, oder sie können sich aus einertendenziell aus der konkreten Praxis ausscherenden, reflexiv-müßigen Problematisie-rung ohne praktischen Handlungsdruck ergeben. Welcher Modus auch immer domi-nant ist, in dem Falle ergibt sich eine tendenziell von der Praxis-Verantwortung selbstsich entfernende, geistig-intellektuell sich verselbstständigende Bearbeitung von Gel-tungsansprüchen von normativen und deskriptiv-analytischen Problemlösungsmusternder Praxis. Sie tritt in zunehmendem Maße als eigenständige gesellschaftliche Tätig-keit neben die unmittelbar sich vollziehende Praxis.In dieser eigenständigen Bearbeitung von Geltungsfragen wurzelt letztlich die Struktur-logik professionellen Handelns“ (Oevermann 1996, S. 84, Hervorhebung im Original)

und – so lässt sich hinzufügen – die Entstehung von Professionen nachOevermann.

„Fragen wir uns, auf welche materialen Lebensbereiche sich die Geltungsansprüchevon praxisbegründenden und legitimationsbedeutsamen sinnstiftenden und normalisie-renden Regeln, Prinzipien, Deutungsmustern und Praktiken beziehen, die in eine gesell-schaftlich folgenreiche Geltungskrise geraten können, die eigens bearbeitet werdenmuß, dann ergeben sich letztlich die folgenden beiden:(1) Die Aufrechterhaltung und Gewährleistung einer kollektiven Praxis von Recht undGerechtigkeit im Sinne eines die jeweils konkrete Vergemeinschaftung konstituieren-den Entwurfs einerseits und (2) die Aufrechterhaltung und Gewährleistung von leibli-cher und psychosozialer Integrität des einzelnen im Sinne eines geltenden Entwurfs derWürde des Menschen andererseits. Diese beiden Problemfoci stehen ihrerseits in ei-nem polaren Spannungsverhältnis zueinander, analog der dialektischen widersprüchli-chen Einheit von Individuum und Gesellschaft. Indem mit zunehmender gesellschaftli-cher Differenzierung und Rationalisierung die Entwürfe von Normalität und ihre Begrün-dungen sich ausdifferenzieren, wird (3) die Kritik der diesbezüglichen Geltungsfragenund die methodische Sicherung dessen, was Wahrheit ist, zum eigenlogischen Pro-blembereich. Daraus resultiert als ein weiterer Focus professionalisierten Handelns diemethodisch explizite Überprüfung von Geltungsfragen und -ansprüchen unter der regu-lativen Idee der Wahrheit“ (ebd., S. 88, Hervorhebung im Original).

Jedem der drei von ihm bestimmten Foci professionalisierten Handelnsordnet Oevermann professionelle Funktionen zu. So gehöre innerhalbder Bearbeitung des 1. Focus die Begründung einer gesellschaftlichenOrdnung und eines sie materiell tragenden Entwurfs von Gerechtig-keit.

„Wenn aber nicht die gesellschaftliche Ordnung als ganze sich in einer Umbruchkrisebefindet, sondern praktisch etabliert ist und sich in Geltung befindet, dann wird sie den-

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutung für EB als Profession

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noch durch einzelne Akte der Abweichung, der Normenverletzung oder des Zusam-menbruchs des Konsenses in konkreten Interessenauseinandersetzungen, also durcheinzelne Ereignisse des je konkreten Nicht-Funktionierens potenziell in Frage gestellt“(ebd., S. 90).

In diesem Fall gehöre die Aufrechterhaltung des praktischen Konsensesüber Recht und Gerechtigkeit bzw. die Restitution eingetretener Brechun-gen der konsensuellen, institutionalisierten Normen von Gerechtigkeitund Herrschaftsausübung ebenfalls zur Funktion der Professionellen indiesem Bereich. Innerhalb der Bearbeitung des 2. Focus ist die Beschaf-fung von therapeutischem Potenzial im weitesten Sinne die Funktionvon Professionen nach Oevermann. Hierzu zählt er auch die institutio-nalisierte Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen bis zumEintritt in die Pubertät, und zwar im Sinne präventiver Geltungssiche-rung selbstverständlicher Normalitätsentwürfe.

„In jeder Gesellschaft ergibt sich die Notwendigkeit, einmal eingetretene Beschädi-gungen der leiblichen und psychosozialen Integrität einer konkreten Lebenspraxiswiederherzustellen und wo das nicht möglich ist, entweder diesen Integritätsverlustdurch die Vergabe einer Sonderrolle der Invalidität vor den normalen Pflichtübernah-men der Gesellschaft zu schützen und zu kompensieren oder aber im Lichte der gesell-schaftlichen bzw. wissenschaftlich geltenden Normalitätsdefinition gar nicht erst alssolchen erscheinen zu lassen“ (ebd., S. 91).

Je expliziter die beiden genannten Funktionen durch Professionen aus-gefüllt werden, – hier kann man sich die juristischen Berufe im erstenBereich, die therapeutischen Berufe und die Lehrer im zweiten Bereichvorstellen –, desto mehr wird sich nach Oevermann eine eigenständigeSphäre der methodischen Prüfung von Geltungsansprüchen verdichtenund von der Herrschaftsausübung dieser Professionen lösen. „DieserLoslösungsprozess vollendet sich mit der Institutionalisierung der Er-fahrungswissenschaften, worin erst die methodische Erkenntniskritikund die methodisch kontrollierte, nach expliziten Kriterien der Gel-tung verfahrende Überprüfung von Behauptungen über die erfahrbareWelt unpersönlich wird als ein normativ geregeltes universalistischesHandlungssystem der spezifischen unpraktischen Wissenschaftspraxis“(ebd., S. 92f.). Die 3. Funktion von Professionen ist in dieser Sicht dieeigenlogische Überprüfung der Geltung von „von Weltbildern, Wer-ten, Normalitätsentwürfen und Theorien“ (ebd., S. 93), die über dieWahrheitsidee der Erfahrungswissenschaften hinausgehen und alle ge-sellschaftlichen Aktivitäten umfassen, die auf die Überprüfung solcher

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Geltungsansprüche bezogen und auf sie spezialisiert sind. Hier kannman sich alle empirisch arbeitenden Humanwissenschaftler vorstellen.

Die Funktion von Professionen sieht Oevermann also in der Konsens-,Therapie- und Wahrheitsbeschaffung. Sie „haben direkt mit produktiverTätigkeit nichts zu tun. Sie sind vielmehr Voraussetzung für die Aufrech-terhaltung von Produktivität und Sozialität. Berufe in diesem Sinne sindProfessionen“ (Wagner 1998, S. 57). Professionen dienen in diesem Ver-ständnis in erster Linie der Gesellschaft, genauer: der Gewährleistungoder Wiederherstellung von deren Balance und Funktionstüchtigkeit; andie Einwirkung auf Personen und die Zusammenarbeit mit einer Klientelsind sie zwingend nur in der Funktion der Therapiebeschaffung geknüpft.

Professionelle erscheinen trotz deren – immer wieder betonten – Invol-viertheit in die widersprüchliche Einheit von Individuum und Gesell-schaft aus dieser Sicht gleichwohl in erster Linie als Agenten eines,jeweils spezifisch wahrzunehmenden, gesellschaftlichen Interesses. Derimplizit mater- bzw. paternalistische Charakter der klientenbezogenenHandlungsfigur der von Oevermann so genannten „stellvertretendenDeutung“ innerhalb der Funktion der Therapiebeschaffung, der Oever-mann Bildungshandeln als Profession subsumiert, entbehrt daher nichteiner gewissen Folgerichtigkeit. Als zentrale Handlungsfigur einer Pro-fession Erwachsenenbildung kann sie schon deshalb nicht in Frage kom-men, weil das zu unterstellende partielle Wissens- und Kompetenzge-fälle in Bildungsprozessen zwischen Professionellen und Teilnehmen-den m. E. kein Stellvertreter-Handeln erfordert und legitimiert undzwischen Erwachsenenbildner/inne/n und lernenden Erwachsenen keinpädagogisches bzw. therapeutisches Verhältnis besteht, das es erlaub-te, auch nur zeitweilig für selbstbestimmte und selbstverantwortlicheErwachsene stellvertretend zu handeln. Hierauf wird im folgenden Ka-pitel noch einzugehen sein.

Sofern Professionen in westlichen Gesellschaften heute überhaupt nochals Berufe besonderen Typs als notwendig und sinnvoll angesehen wer-den – und dies scheint nicht zuletzt ein Ergebnis gesellschaftlicher Ak-zeptanz- und politischer Entscheidungsprozesse zu sein – scheint mir inzusammenfassender Abwägung der vorgestellten theoretischen Professi-onsverständnisse das folgende Verständnis von Professionen in Abgren-zung zu nicht-professionellen Expertenberufen sinnvoll:

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• Eine Profession bearbeitet in spezifischer Weise wesentliche undkomplexe Belange von Personen, oft gemeinsam mit diesen indirekter Interaktion.

• Die professionelle Dienstleistung ist zugleich von hoher gesell-schaftlicher Bedeutung, weil die bearbeiteten wesentlichenBelange wie Gesundheit, Gerechtigkeit oder Bildung zugleichgesellschaftlich zentrale Werte darstellen.

• Aus dem Zentralwertbezug professioneller Arbeit ergibt sich diejeweilige professionelle Aufgabe von Professionen, zu deren Re-alisierung sie durch ihre Leistung in spezifischer Weise beizu-tragen haben.

• Professionen nehmen ihre jeweiligen Aufgaben und daraus re-sultierende Rollen- und Machtverhältnisse bewusst wahr undkontrollieren die Art der professionellen Aufgaben- und Rollen-wahrnehmung kollegial.

• Sie gewährleisten und erweitern durch spezifische Berufsvor-bereitung und berufliche Weiterbildung ständig das für dieWahrnehmung ihrer Aufgabe notwendige komplexe, allgemei-ne und spezifische Wissen und Können.

• Als für Personen und die Gesellschaft zugleich wichtige Diens-te Leistende, die sich demokratischer Kontrolle teilweise ent-ziehen, verfügen Professionen über eine je aufgabenspezifischeHandlungs-Ethik, an der sie ihr Handeln orientieren.

• Im Interesse eines adäquaten, in erster Linie an der Professions-Aufgabe orientierten professionellen Handelns verfügen Profes-sionen über eine relative Autonomie gegenüber ihrer Klientelund gegenüber ihren Auftrag-, Arbeit- und Geldgebern.

Ein solches Professionsverständnis bedeutete für Erwachsenenbildung alsProfession: Die Bildung Erwachsener kann als gesellschaftlicher Zentral-wert verstanden werden, weil sie als Teil des heute notwendigen lebens-langen Lernens für alle erwachsenen Personen in unserer Gesellschaftvon großem Belang ist; ohne lebenslange Lern- und Bildungsleistungenist die humane Gestaltung des Lebens in Gesellschaften unseres Typskaum noch möglich. Zugleich ist das bewusste Lernen Erwachsener vonhoher gesellschaftlicher Bedeutung, weil davon das politische, ökono-mische, kulturelle und soziale Leben sehr stark abhängt; demokratischeGesellschaften sind ohne gebildete Bürger nicht vorstellbar.

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Didaktisches Handeln als personenbezogene, komplexe Unterstützungdes Lernen und der Bildung Erwachsener stellt die spezifisch professio-nelle Art des Handelns von Erwachsenenbildner/inne/n dar, die damiteinen spezifischen Beitrag zur Realisierung des gesellschaftlichen Zen-tralwerts Bildung leisten. Es spricht allerdings wenig dafür, dass berufstä-tige Erwachsenenbildner/innen ihre Aufgabe und Rolle so verstehen (vgl.Kapitel 3.2). Angesichts des unklaren Berufsbildes und nicht geregelterZugangsvoraussetzungen für die Berufsausübung kann weder von einemKonsens unter Erwachsenenbildner/inne/n noch bei deren Auftrag-, Ar-beit- und Geldgebern darüber ausgegangen werden, welches Wissen undKönnen für Erwachsenenbildner/innen als notwendig anzusehen ist. Aufeine aufgabenspezifische Ethik von Erwachsenenbildner/inne/n gibt esnur wenige Hinweise.

Eine kollegial organisierte Kontrolle der Aufgabenwahrnehmung von Er-wachsenenbildner/inne/n findet offenbar in systematischer und selbst-verständlicher Weise nicht statt, weil diese nicht als Berufsgruppe mitgleichen Handlungsstrukturen und -bedingungen, sondern allenfalls nachder Art ihrer akademischen Abschlüsse organisiert sind. Die Beurteilungerwachsenenbildnerischer Leistungen durch Teilnehmende sowie Arbeit-,Auftrag- und Geldgeber ist weit verbreitet, was zusammen mit einem

Aufgaben und Wissens- und könnensbasierte Bearbeitung von für Personen oder Perso-Funktionen nengruppen bedeutsamen Fragen, Anliegen und Problemen, die zugleich

für die Gesellschaft von zentralem Wert sind

Handlungstyp • Spezifische, komplexe, personen- und gesellschaftsbezogeneLeistungen, meistens in direkter Interaktion mit Personen, immermit personalem Bezug

• Relationierung von Partikularem (Einzelfall/Situation) und Allgemeinem/Universellem (Gesellschaft/Welt)

• Ausgeprägtes Rollenhandeln (Professionelle/Klientel)

Merkmale • aufgabenorientiert (Zentralwert-Bezug)• relativ handlungsautonom (Klienten- und Organisations-Autonomie)• personen- und zumeist interaktionsbezogen• technologisch begrenzt• eingeschränkt kontrollierbar durch Klientel, Kollegen, Öffentlichkeit• ethisch verpflichtet

Übersicht 1: Professionen = besondere Berufe

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutung für EB als Profession

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gering entwickelten spezifischen Aufgabenbewusstsein auf eine gerin-ge, klienten- und organisationsbezogene Handlungsfreiheit deutet. Eineöffentliche Beurteilung entwickelt sich ansatzweise (z. B. durch die Stif-tung Bildungstest). Erwachsenenbildung als Beruf erfüllt so gesehen kaumdie Anforderungen, denen eine Profession nach professionstheoretischbegründeten Kriterien genügen müsste.

4.2 Professionelles Handeln als besonderer Handlungstyp:Struktur, Handlungsfiguren und Qualität

Einige Besonderheiten des beruflichen Handelns von Professionen sindbereits genannt worden. Als eine der wichtigsten kann gelten, dass Pro-fessionelle nicht nur spezifische Dienstleistungen für eine Klientel er-bringen – wie viele andere Berufe auch –, sondern dass der Erfolg dieserDienstleistungen wesentlich von der Zusammenarbeit mit der jeweili-gen Klientel abhängt. Menschen sind aber weder vollkommen durch-schaubar, noch in ihren Verhaltensweisen letztlich berechenbar. Da fürdie spezifische, auf Personen gerichtete Tätigkeit von Professionellen auchTechnologien nur begrenzt einsetzbar sind, ist alles in allem der Erfolgprofessionellen Handelns stets offen und kann seriöserweise nicht vorabmit Sicherheit zugesagt werden.

Eine weitere Besonderheit professionellen Handelns ist, dass hierdurchkomplexe, für das Leben von Menschen wesentliche Fragen und Anlie-gen bearbeitet werden, die i. d. R. nicht durch schlichte Antworten oderInformationen oder einfache Dienstleistungen schnell zu „erledigen“ sind.Die Bearbeitung komplexer Anliegen, die Entwicklungen ein- und anzu-leiten, ist aber meistens sehr zeit- und kostenaufwändig. Dies führt leichtzu Nachweis- und Legitimationsproblemen, weil der damit verbundeneNutzen nicht immer unmittelbar evident ist, sondern sich i. d. R. erst mitmehr oder weniger großem zeitlichem Verzug einstellt. Die individuelleund gesellschaftliche Anerkennung des Werts professionellen Handelnswird zusätzlich dadurch erschwert, dass etwa dessen Kooperationsab-hängigkeit vom Klientenhandeln sich den üblichen Bewertungskriteriender Produktion von Waren und Dienstleistungen, wie etwa der Messbar-keit und klaren Zurechenbarkeit des Erfolgs, weitgehend entzieht.

Aus der doppelten Relevanz professionellen Handelns für einzelne Per-sonen bzw. für Zielgruppen (Klient oder Klientel) einerseits und für die

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Gesellschaft andererseits resultiert für die professionell Handelnden aucheine doppelte, nicht immer widerspruchsfreie Handlungsverpflichtung,die es in jeder einzelnen Handlungssituation zu berücksichtigen undimmer wieder auszubalancieren gilt.

Die Qualität des professionellen Handelns, die in dieser Studie als Pro-fessionalität verstanden wird, wird m. E. jedoch nicht zuletzt dadurchbestimmt, ob und inwieweit es gelingt, die partikularen, besonderenBelange der Klientel mit allgemeinen, ja universellen Belangen so zuverbinden, dass beide angemessen berücksichtigt werden und dabeiweder der Handlungs-Gegenstand unangemessen reduziert oder ange-passt wird, noch die Qualitätsansprüche der professionell Handelndenverletzt werden. Die professionelle Kunst besteht darin, einzelne Inter-essen, instrumentelle Rationalitäten, Erfolgs- und Machtansprüche improfessionellen Handeln mit allgemeinen Interessen, wissenschaftlichenbzw. universellen Rationalitäten und daran geknüpften Wahrheitsansprü-chen abzugleichen und zu relationieren, ohne dabei das Erreichen desjeweiligen Handlungsziels – im Falle der Erwachsenenbildung das ge-lingende Lernen Erwachsener – aus den Augen zu verlieren.

Das Erreichen einer solchen Handlungs-Qualität bzw. Professionalitätist an bestimmte Voraussetzungen gebunden und erfordert wie jede Kunstbesonderes Wissen und Können, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einübung.Um die „sozialen“ und sonstigen Kosten des Erwerbs von Professionali-tät so gering wie möglich5 zu halten sollten die folgenden Voraussetzun-gen bereits vor Beginn des Handelns während der Handlungsvorberei-tung individuell gegeben sein:

• ein klares Bewusstsein von der eigenen beruflichen Handlungs-Aufgabe,

• ein spezifisches Verständnis der eigenen Berufsrolle und der Rol-le der Klientel,

• ein spezifisches Wissen und Können,• ein spezifisches Handlungsethos.

5 Vor kurzem hörte ich den angeblich unter Medizinern geläufigen Satz: „Für jeden gutenArzt müssen mindestens drei Patienten ihr Leben lassen“. Auch wenn der Erwerb vonErwachsenenbildungs-Professionalität für lernende Erwachsene kein lebensbedrohen-des Risiko darstellt, können durch eine optimale Berufsvorbereitung doch auch hier ne-gative Handlungsfolgen in Grenzen gehalten werden.

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Im Einzelnen bedeutet das z. B., dass Professionelle wissen müssen, worinihre jeweilige Aufgabe genau besteht und wie diese von anderen Aufga-ben abzugrenzen ist . Sie müssen verstehen, warum professionelles Rol-lenhandeln kein ganzheitliches Handeln sein kann. Ein reflektiertes Ver-ständnis von der eigenen Berufsrolle wie auch der Rolle der Klientel istdaher notwendig, was wiederum Wissen, Können, Reflexions- und Wahr-nehmungsfähigkeit voraussetzt. Da mit der professionellen Aufgaben-wahrnehmung eine Doppelverpflichtung gegenüber Individuum undGesellschaft verbunden ist, die „naturgemäß“ Dissonanzen, Widerstän-de und Konflikte erzeugen kann, ist ein handlungsorientiertes, professi-onsspezifisches Handlungsethos notwendig.

Um professionelle Leistungsversprechen einhalten zu können und an-gesichts der Komplexität professioneller Aufgaben muss für Professio-nelle die Verfügung über allgemeines und spezifisches Wissen und Kön-nen obligatorische Handlungsvoraussetzung sein, die durch eine ent-sprechende wissenschaftliche Ausbildung und berufliche Einübungerworben und durch ständige Weiterbildung sowie kollegialen Aus-tausch/Supervision gewährleistet wird. Die mit der besonderen profes-sionellen Handlungsstruktur zwangsläufig verbundene partielle, gegen-standsbezogene Asymmetrie in der Professionellen-Klienten-Beziehungerschwert oder verunmöglicht häufig eine wirkliche Kontrolle professi-oneller Leistungen. Eine daraus resultierende Unsicherheit oder Abhän-gigkeit der Klientel erfordert professionelle Sensibilität und ethischeSelbstbegrenzung.

Bei weniger komplexen Dienstleistungen, wie etwa denen von Friseu-ren, gibt es zwar ebenfalls einen Kompetenzvorsprung zwischen Dienst-leistenden und Kunden. Die Qualität der Dienstleistung kann jedochauch von letzteren weitgehend angemessen und unmittelbar nach ihrerErbringung beurteilt werden. Daher sind die Abhängigkeit der Klientelund das von ihr aufzuwendende Vertrauen begrenzt. Im Falle des Miss-glückens der Dienstleistung sind die Folgen i. d. R. ebenfalls von weitausgeringerer Tragweite als bei professionellen Leistungen, etwa beim Ver-sagen eines Mediziners, eines Lehrers oder eines Anwalts. Vertrauen indas Handeln Professioneller kann also als notwendige Vorleistung derKlientel verstanden werden. Sie verlangt von dieser die Anerkennungdes eigenen Laien-Status und des Bedarfs an professioneller Unterstüt-zung.

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Das Vertrauen in die professionelle Handlungsfähigkeit wird normaler-weise begründet durch den (guten) Ruf des einzelnen Professionellenoder seiner Profession, begründete Leistungsversprechen und das Wis-sen um eine ethische Selbstverpflichtung der jeweiligen Profession ein-schließlich etwaiger Sanktionsmöglichkeiten. Diese Vertrauensbasis nichtzu gefährden, liegt daher nicht nur im Interesse des einzelnen Professio-nellen, sondern im Interesse der gesamten Profession, weil davon dieAufrechterhaltung der öffentlichen Anerkennung, also des gewissermaßen„virtuellen gesellschaftlichen Mandats“ abhängt, auf lange Sicht sogardas Schicksal der Profession.

Die Konstellation Professioneller – unterstützungsbedürftiger Laie kannbei den klassischen Professionen des Arztes oder Anwalts besonders gutstudiert werden. In der klassischen Psychoanalyse wird diese Asymmet-rie bereits im äußeren Handlungssetting augenfällig: Der Patient liegt,der Therapeut sitzt (hinter ihm); der Patient kann den Therapeuten alsonicht sehen, während der Therapeut den Patienten sehen kann. Für U.Oevermann scheint dieses Setting das Modell professionellen Handelnsinnerhalb des professionellen Funktions-Focus der Therapie zu sein, zuder er auch Bildung bis zum Erreichen der Pubertät zählt (s. Kapitel 4.1)und in die sein „Schüler“ B. Koring die Erwachsenenbildung schließlicheinbezogen hat.

Im Unterschied zu allen anderen Professionstheoretikern geht Oever-mann davon aus, dass professionelles Handeln über berufliches Rol-lenhandeln hinausgeht, weil es nach seiner Auffassung auch Kompo-nenten der ganzheitlichen Beziehung zwischen Menschen enthält, diesonst nur den so genannten „diffusen“ Primärbeziehungen vorbehaltenist (Eltern/Kinder, Mann/Frau, Freund/Freundin). Dies liegt nach seinerAuffassung darin begründet, dass im professionellen Funktions-Focusder Therapie die Bewahrung oder Wiederherstellung der leiblichen und/oder psychosozialen Integrität des ganzen Lebens Gegenstand profes-sionellen Handeln ist, also auch des Bildungs-Handelns, und diesesdeshalb nicht auf eine rein rollenförmige Tätigkeit reduziert werdenkann. „Primär am professionalisierten Handeln ist also die zugleich dif-fuse und spezifische Beziehung zum Klienten, dessen leibliche und/oder psychosoziale Beschädigung beseitigt oder gemildert werden soll.Ich nenne diese Beziehung das Arbeitsbündnis“ (Oevermann 1996,S. 115).

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Das Arbeitsbündnis zwischen Lehrern und Schülern bzw. zwischen The-rapeut und Patient in der Psychoanalyse stelle, so Oevermann, eine wi-dersprüchliche Einheit einer sowohl diffusen als auch einer spezifischenRollenbeziehung dar:

„Dem Patienten muss explizit die Herstellung der Diffusität der therapeutischen Bezie-hung auferlegt werden; er muss lernen, sich trotz der faktischen Spezifität der rollenför-migen Behandlung im Innenraum der therapeutischen Praxis vollkommen zu öffnen undThemen zur Sprache zu bringen, die sonst nur in der wirklichen Praxis einer gelingen-den diffusen Intimbeziehung unter der Bedingung ihres bedingungslosen Vertrauensbesprochen werden können. Diese Grenzüberschreitung ist dem Therapeuten auf Grundseiner Kompetenz und seiner Erfahrung kein Problem mehr, sondern berufliche Selbst-verständlichkeit geworden. Er muss sich vielmehr in dem Maße, in dem er sich wieselbstverständlich auf die Übertragung6 des Patienten einlässt, davor schützen, dieseDiffusität nicht aus der spezifischen ‚Rolle fallen zu lassen‘, weshalb hier explizit dieAbstinenzregel hervorgehoben wird“ (ebd., S. 118).

Von der professionellen Aufgabe und Rolle sowie vom daraus folgendenVerhältnis der Lehrer zu den Schülern hat der ErziehungswissenschaftlerH. Giesecke allerdings ein völlig anderes Verständnis als der SoziologeU. Oevermann. Da Gieseckes Konzept für die Fundierung eines ange-messenen Verständnisses professionellen (erwachsenen-)pädagogischenHandelns von Erwachsenenbildner/inne/n relevanter, weil realitätshalti-ger zu sein scheint als das Oevermanns, wird es im Folgenden kurz skiz-ziert:

Die politische und normative Pluralisierung der Gesellschaft einerseitsund die daraus notwendigerweise erwachsende Individualisierung vonLebensläufen andererseits habe den Begriff der Erziehung untauglichgemacht für die Fundierung eines realistischen Berufsverständnisses vonLehrern, weil dieser Begriff normative Intentionen oder zumindest Impli-kationen enthalte, die beliebig geworden seien. Der Vorstellung vonGanzheitlichkeit, die dem Begriff der Erziehung anhafte, entspreche diesoziale Realität mit ihren, an unterschiedlichen Orten ebenso oft unter-schiedlichen, ja u. U. gegensätzlichen Erziehungsnormen, -regeln, -zie-len usw. nicht mehr. Beruflich handelnde Pädagogen könnten zwar dieGanzheitlichkeit einer gelungenen Sozialisation denken, einwirken dar-

6 Fachbegriff der Psychoanalyse. Er besagt kurz gefasst, dass der Therapeut zeitweilig undaus therapeutisch notwendigen Gründen die Rolle eines wichtigen Menschen aus demLeben des Patienten von diesem unbewusst „übertragen“ bekommt.

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auf könnten sie jedoch nur partiell. So habe sich auch – logischerweise– im ganzheitlichen Verständnis von Erziehung eine moderne pädagogi-sche Professionalität nicht entwickeln können, weil unklar geblieben sei,worin das Eigentümliche des pädagogischen Handelns eigentlich beste-hen solle (vgl. Giesecke 1996, S. 397f.).

„Erziehung beschreibt ja kein bestimmtes Handeln, sondern rechtfertigt es nur. Was wirkonkret tun, zum Beispiel unterrichten, informieren, beraten, fordern, fördern, unterstüt-zen, ermutigen, kritisieren, das tun wir im professionellen Umgang mit Erwachsenenauch, aber hier nennen wir es nicht ‚Erziehung‘, vielmehr werden unsere konkreten Hand-lungen bewertet, ob sie nun mehr oder weniger gelungen sind. Von diesen Handlungenher muss sich also unser professionelles Verhalten begründen lassen [...]. Das pädago-gische Bewusstsein muss also einen Paradigmenwechsel vollziehen, um Professionali-tät fundieren zu können“ (ebd., S. 392f.).

Hier kann gegenüber Giesecke eingewendet werden: Wenn beruflichhandelnde Pädagogen die Ganzheitlichkeit einer gelungenen Sozialisa-tion – als deren Bestandteil Erziehung vorgestellt werden kann – denken,und das müssen sie m. E., um ihr Handeln „navigieren“ zu können, dannbrauchen sie dafür Begriffe von Sozialisation und Erziehung im Sinnevon Leitvorstellungen, die jederzeit kommunizierbar und revidierbar seinmüssen. Diese Leitvorstellungen sind auch und gerade weil Lehrendenur partiell auf Sozialisation und Erziehung ihrer Klientel einwirken kön-nen als Orientierungs- und Abgrenzungsmaßstäbe unverzichtbar, dapädagogisches Handeln immer in Gefahr ist, von nicht-pädagogischenLeitvorstellungen und Interessen in Dienst genommen zu werden.

Ähnliches gilt m. E. für Erwachsenenbildung: Zwar hat diese keinen Er-ziehungsauftrag, weil Erziehung für Erwachsene als abgeschlossen un-terstellt werden muss, wenn sie als solche die Verantwortung für ihr Le-ben übernommen haben, aber ebenso wie Erziehung ist auch „Bildung“als Ziel und Gegenstand von Erwachsenen-Bildung ein ganzheitlicher,normativer Begriff, der ebenso wie Erziehung kein bestimmtes Handelnbeschreibt, sondern die Summe verschiedenartiger Lernhandlungen, -er-fahrungen und -ergebnisse darstellt und dessen Profil je nach Weltsichtund historischer Periode recht unterschiedlich ausfällt.

Wie Erziehungsziele in pluralen Gesellschaften abhängig von Wertvor-stellungen differieren, sind auch die Vorstellungen davon, woran eingebildeter Mensch zu erkennen ist, hier sehr verschieden. Bestimmte,

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allgemein anerkannte Kriterien für materiale Bildungs-Inhalte im Sinneeines Kanons gibt es in der Erwachsenen-Bildung nicht und kann es aufGrund ihrer pluralen Verfassung auch nicht geben. Dem trug bereits derDeutsche Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen 1960 Rech-nung, als er formulierte: „Gebildet im Sinne der Erwachsenenbildungwird jeder, der in der ständigen Bemühung lebt, sich selbst und die Weltzu verstehen und diesem Verständnis gemäß zu handeln“ (DeutscherAusschuß 1960, S. 9f.).

Für die professionelle didaktische Arbeit von Erwachsenenbildner/in-ne/n, sei sie nun planend, beratend oder lehrend, ist m. E. gleichwohlein theoretisch fundierter und zeitgemäß reflektierter Bildungsbegriff alsLeitvorstellung der Profession und ihres Handelns erforderlich, der immerwieder offen kommuniziert werden, d. h. auch, von Professionellenjederzeit explizit beschreibbar und begründbar sein muss, weil ohne eineorientierende Leitvorstellung über den handlungslegitimierenden Zen-tralwert spezifische Professionalität kaum erreichbar und professionelleHandlungsautonomie in der institutionellen und/oder didaktischen Ta-gesarbeit schwer zu wahren sein dürfte. Welche Bildungsvorstellung zuwelcher Zeit und wo und für wen gilt, war und ist Gegenstand gesell-schaftlicher, vor allem wissenschaftlicher und politischer Auseinander-setzungen, an der die Mitglieder der Bildungs-Profession sich in ihremeigenen beruflichen Interesse und auf Grund ihrer gesellschaftlichenVerantwortung als Bildungs-Arbeiter/innen neben anderen Expertenmaßgeblich beteiligen müssten.

Veranstaltete Erwachsenenbildung kann im Hinblick auf bestimmte,jeweils offen zu legende Bildungsziele Lernmöglichkeiten bieten undprofessionelle Lerndienstleistungen dafür bereitstellen. Über deren An-nahme und Inanspruchnahme entscheiden – idealerweise – die erwach-senen Lernenden selbst, so wie diese sich letztlich ja auch selbst bilden.Auf deren Bildung können Erwachsenenbildner/innen wie Lehrende aufSchüler/innen immer nur partial einwirken, und zwar nach Maßgabeder vereinbarten Lernziele und -inhalte. Die Beziehung zu Lernenden istkeine ganzheitliche, sondern eine Rollenbeziehung (Sekundärbeziehung),die durch einen bestimmten Handlungszweck definiert wird; denn fürden Beruf der Erwachsenenbildnerin/des Erwachsenenbildners trifft m. E.zu, was die Systemtheorie für die modernen Professionen im Allgemei-nen feststellt: dass sie gerade durch die Fähigkeit gekennzeichnet sind,

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die von ihnen beruflich zu bearbeitenden Probleme nicht in ihrer le-bensweltlichen Diffusität zu belassen, sondern sie im Rahmen gesell-schaftlicher Funktions- und Aufgabensysteme „zuzuschneiden“, zu defi-nieren und einzugrenzen und erst in dieser Form zu behandeln auf derGrundlage spezifischen Wissens und Könnens (vgl. dazu Stichweh 1992,S. 39, s. auch Kapitel 4.1).

Dies sieht Giesecke auch so für die pädagogischen Berufe:

„Im Unterschied zur früheren ganzheitlichen Auffassung vom pädagogischen Beruf mußdie pädagogische Profession sich wie alle anderen modernen sozialen Berufe fundie-ren aus einem partikularen Zugang zum Menschen, so wie auch Ärzte, Anwälte, Thera-peuten ihren Beruf von einem jeweils begrenzten Können her definieren. Alle diese Berufemüssen zwar den Menschen, mit dem sie es zu tun haben, in seiner Ganzheitlichkeitdenken, um ihr Handeln realistisch ausrichten zu können, aber handeln können sie immernur aus einer begrenzten Sicht heraus. Der Begriff der Intervention mit jeweils partiku-laren, also begrenzten Zielen ist konstitutiv für das pädagogische Berufsverständnis.(...)Professionelle Pädagogen sind also als Lernhelfer zu verstehen, und zwar als solche,die ihr Handwerk planmäßig und zielorientiert auszuüben verstehen. Sie sind Menschen,von und mit denen man etwas lernen kann: Sie wissen oder können etwas, was anderenicht wissen oder können, und sie sind in der Lage, mit diesen anderen eine produktiveLerngemeinschaft einzugehen; beides zusammen macht den Kern ‚pädagogischen Han-delns‘ aus“ (Giesecke 1996, S. 395).

Es ist in diesem, m. E. angemessenen Verständnis professionellen päda-gogischen, auch erwachsenenpädagogischen Arbeitens also kein „Ar-beitsbündnis“ erforderlich, das Elemente einer Primärbeziehung enthält,sondern die im Vergleich dazu ungleich distanziertere „produktive Lern-gemeinschaft“ zur gemeinsamen Erarbeitung von Wissen und Können.Professionelle Handlungsfiguren von Erwachsenenbildner/inne/n sinddaher solche personenorientierten Tätigkeiten, die einer begründetenLeitvorstellung von Bildung verpflichtet sind und deren Gegenstand diedidaktische Ermöglichung von Lernen und Bildung ist. Dazu gehörenetwa Lern-Diagnostik und -beratung, Lern-Bedarfsermittlung, Lehr-Lern-Planung, Unterstützung und Vermittlung von Wissen und Können, Ent-wicklung von didaktischen Konzepten, Szenarien und Medien und dieLehr-Lern-Evaluation.

Professionelle didaktische Tätigkeiten können sowohl in unmittelbarerZusammenarbeit mit den Lernenden als auch ohne direkten Interaktions-bezug in Form planerisch-konzeptioneller Aktivitäten geschehen, wobei

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutung für EB als Profession

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gleichwohl der Personenbezug ebenso als zentrales Kennzeichen profes-sionellen erwachsenenbildnerischen Handelns gelten muss wie dessendidaktischer Charakter und die übergreifende Aufgabe der Bildung.

Im professionstheoretischen Ansatz Oevermanns ist der professionelleCharakter pädagogischen Handelns kein didaktiischer, sondern ein the-rapeutischer; er liegt in der „Prophylaxe bzw. der bewußten Einbezie-hung der objektiven Folgen der Normen- und Wissensvermittlung fürdie psychosoziale Integrität des Schülers ...“ (Oevermann 1996, S. 150).Als professionell gilt insofern nur die den Pädagogen zugeschriebenetherapeutische Aufgabe und Rolle, nicht die didaktische der Ermögli-chung von Wissen und Können jenseits psycho-sozialer Funktionen. Dieprofessionelle – therapeutisch-prophylaktische – Aufgabe von Pädago-gen ist in diesem Ansatz mit dem Beginn der Pubertät beendet, weil dieidentitätsbildende Sozialisation dann von Oevermann als im Wesentli-chen abgeschlossen verstanden wird: Im gelungenen Fall ist damit so-wohl die psycho-soziale Integrität der Person als auch deren psycho-soziale Integration in die Gesellschaft erreicht.

Koring hat die Oevermannsche Subsumtion der Erziehung unter die pro-fessionelle Funktion der Therapie so weit ausgelegt, dass damit nicht nurIntegritätsdefizite vorpubertärer Kinder in der Schule, sondern auch die-jenigen Erwachsener in organisierten Lernprozessen der Erwachsenen-bildung erfasst werden können (vgl. Koring 1987, S. 385), da Erwachse-ne nach seiner Auffassung ebenso wie Schüler in eben diesen vorsorg-lich geschützt bzw. therapeutisch „wiederhergestellt“ werden müssten.Er unterstellt dabei wie selbstverständlich entsprechende Motive bei denTeilnehmenden der Erwachsenenbildung, weil er die Integrität von Per-sonen in unserer Gesellschaft durch die schwindende Kraft von Traditio-nen, Religionen, stabilen Wertesystemen ebenso gefährdet sieht wie durchdas schnelle Veralten von orientierendem Wissen und Deutungsmus-tern. Schließlich bedrohe, so Koring, auch das Lernen in der Erwachse-nenbildung selbst die personale Integrität von Erwachsenen, weil dasneu zu Lernende das einmal Gelernte nicht selten als prekär erscheinenlasse. Erwachsenenbildung habe also in jedem Fall die Re-Integrationpersonaler Subjektivität zu leisten (vgl. ebd., S. 388).

Wie bei Oevermann ist auch bei Koring die zentrale berufliche Hand-lungsfigur dieser quasi-therapeutischen Prozesse die der „stellvertreten-

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den Deutung“: Als praktische Hermeneutiker deuteten Erwachsenenbild-ner/innen – wie auch Lehrende – mit Hilfe ihrer Fähigkeit zur regelge-rechten Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie mit Hilfe ih-rer Fähigkeit zum individuellen Fallverstehen die bereits eingetretenenoder potenziell drohenden Probleme auf Grund von Integritätsdefizitenund wirkten so tatsächlich oder vorbeugend heilend.

Fuhr hat bereits 1991 in einer ausführlichen Auseinandersetzung mit demprofessionstheoretischen Ansatz Oevermanns und dessen Erweiterungfür die Pädagogik und die Erwachsenenbildung durch Koring m. E. über-zeugend dargelegt, dass damit weder die Realität der schulischen Bil-dung noch die der Erwachsenenbildung hinreichend getroffen ist. Nichtjedes Lernen – so Fuhr – ist Identitätslernen und Unterricht ist per senicht therapeutisch. Bleibe in diesem Ansatz schon unklar, was organi-sierte Bildung und Psychotherapie im Allgemeinen unterscheide, so seier im Hinblick auf die Erwachsenenbildung einerseits zu allgemein, weildamit Spezifika erwachsenenbildnerischer Arbeit wie etwa Programm-planung nicht erfasst würden und andererseits zu speziell, weil er aufFace-to-face-Kommunikation beschränkt sei (vgl. Fuhr 1991, S. 85ff.).

M. E. erfasst dieser Ansatz von vornherein nicht die Funktion und Aufga-be der im Erziehungs- und Bildungssystem mit professionellem AnspruchHandelnden, die eben nicht in Heilung liegt sondern in Bildung, genau-er: didaktischer, nicht therapeutischer Tätigkeit. Zwar haben Lehrendeund Erwachsenenbildner/innen in direkten Interaktionen nicht seltenbesondere Probleme, sich auf die Wahrnehmung ihrer professionellendidaktischen Aufgabe zu beschränken, weil Erziehungsdefizite und psy-chische Probleme, in der Erwachsenenbildung auch Wünsche nach The-rapie, Geselligkeit, Unterhaltung u. v. a. mehr dies oft erschweren undzu diffusen Situationsdeutungen und Funktionszuschreibungen durch alleBeteiligten führen (vgl. dazu Schmitz 1983, S. 60ff.), dennoch ist der(durchzuhaltende) professionelle Handlungstypus ein didaktischer mitausdifferenzierbaren Handlungsfiguren, je nach Art und Erfordernis desjeweils zu ermöglichenden Lernens. Er besteht im Planen, Lehren, Ar-rangieren, Beraten, Moderieren, Beurteilen usw. „Gegenstand“ bzw.Thema der von Lehrenden und Erwachsenenbildner/innen zu fördern-den bzw. unterstützenden Lernprozesse ist nicht die (notleidende) Per-son oder (defizitäre) Persönlichkeit des/der Lernenden, sondern von Per-sonen neu zu lernendes Wissen und Können über etwas/in Bezug auf

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutung für EB als Profession

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etwas: eine Sache, ein Thema, eine Fähigkeit, eine Fertigkeit usw., das/die für die Personen wie für die Gesellschaft bedeutsam ist.

Lehrende und Erwachsenenbildner/innen leisten insofern – idealtypischbetrachtet – didaktische Dienste, nicht therapeutische, letztere allenfallsindirekt und als willkommenes, nicht jedoch intendiertes „Nebenergeb-nis“. Die therapeutisch möglicherweise angemessene Handlungsfigur derstellvertretenden Deutung erscheint für didaktisches erwachsenenbild-nerisches Handeln auch deshalb als nicht angemessen, weil in eineraufgeklärten und die erwachsenen Subjekte respektierenden Erwachse-nenbildung gerade nicht statt der erwachsenen Lernenden oder für sie„stellvertretend“ gedeutet werden, sondern mit ihnen gemeinsam neuesWissen bzw. die Neu-Interpretation bisheriger Deutungen erarbeitetwerden soll.

Diese didaktische, nicht-therapeutische Sichtweise wird jedoch weder inder Erwachsenenbildungs-Theorie noch in der Erwachsenenbildungs-Pra-xis einhellig geteilt. Nicht wenige messen der Erwachsenenbildung eherdie Funktion therapeutischer Lebenshilfe als didaktischer Lernhilfe zu undfolgen damit eher einem sozial-pädagogischen Fürsorge-Paradigma (vgl.Arnold 1990, S. 95) als einem erwachsenenbildnerischen Selbstlern/Selbst-bestimmungs-Paradigma. Ersteres gründet außer auf sozialpolitischenGerechtigkeits- und politischen Chancen-Gleichheits-Vorstel-lungen aufeiner auch von Koring bereits als Begründung für erwachsenenbildneri-sches Handeln durch stellvertretende Deutung beschriebenen philoso-phisch-psychologischen Annahme des allgemeinen Sinnverlusts unddaraus resultierender Orientierungs- und Handlungs-Krisen erwachsenerSubjekte: Diese seien dann nicht mehr in der Lage, die für ein Weiterhan-deln erforderliche Begründung von Entscheidungen zu leisten und ihreWirklichkeit mit Hilfe ihres Wissens hinreichend zu deuten. Ihre Identi-tät, das insbesondere in der vorpubertären Sozialisation entstandene „Sys-tem von Regeln und Interpretationsmustern“ (Schmitz 1983, S. 60, 63),sei in Gefahr und müsse durch neue Deutungsangebote gestützt werden.

R. Arnold wies bereits 1990 darauf hin, dass die stellvertretende Deu-tung weder ein genuines erwachsenenpädagogisches Paradigma bereit-stelle, noch ließen sich aus diesem für die Erwachsenenbildung profes-sionelle Strategien und Zuständigkeiten folgern. Der daraus abgeleitetedidaktische Anspruch, Erwachsenenbildung müsse die mit dem ständi-

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gen Wandel der Lebenswelten verbundene Notwendigkeit zur Anpas-sung subjektiver Deutungen wirkungsvoll unterstützen, könne mit ge-fährlichen Illusionen einhergehen, die weder auf anthropologisch nochprofessionstheoretisch hinreichend geklärten Annahmen basierten. „Esist m. E. die Gefahr der bruchlosen didaktischen Wendung der im in-terpretativen Paradigma angelegten Teilnehmerorientierung, durch wel-che die Chance zur Entwicklung genuiner pädagogischer Paradigmenin der Erwachsenenbildung eher vertan wird“ (Arnold 1990, S. 93).

Inwieweit die Teilnehmer der Erwachsenenbildung tatsächlich Sinnstif-tung durch stellvertretende Deutung von Erwachsenenbildner/inne/nwünschten und diese dazu tatsächlich seriös in der Lage seien, wird imWeiteren von Arnold ebenso bezweifelt wie ein Jahr später von Fuhr,„denn es ist nicht garantiert, dass die von der Erwachsenenbildung denTeilnehmern angebotenen Deutungsmuster den bisherigen und in die-sem Fall defizienten Deutungsmustern der Teilnehmer überlegen sind“(Fuhr 1991, S. 87).

Anders nämlich als noch zu der Zeit, als Erwachsenenbildung noch ehereine Mission und kein Beruf war und erwachsene Teilnehmende eher alshilfsbedürftige, defizitäre Wesen, denn als mündige, sich selbst bestim-mende Subjekte mit differenzierten Lerninteressen begriffen wurden, kön-nen Erwachsenenbildner/innen sich m. E. nicht mehr als „Deuter des ge-lebten Lebens“ (E. Weniger) verstehen, sondern allenfalls als Lernhelferfür je gemeinsam zu definierende Gebiete des Wissens und Könnens, fürdie Erwachsenenbildner/innen eine nachweisliche, gesellschaftlich an-erkannte Fach-Kompetenz besitzen. Für die Deutung des modernen Le-bens als ganzes, als Lebenshelfer also, haben professionelle Erwachse-nenbildner/innen m. E. weder eine durch Ausbildung noch durch einegesellschaftliches Mandat legitimierte Kompetenz. Selbstverständlichbesteht zwischen Erwachsenenbildner/inne/n und Teilnehmenden auchkein „pädagogisches Verhältnis“, also kein anzunehmendes Entwicklungs-gefälle an Reife und Kompetenz, auf Grund dessen die Pädagogin/derPädagoge sich ermächtigt sehen könnte, die Entwicklung des „Zöglings“(H. Nohl) ganzheitlich pädagogisch zu fördern, sondern ein didaktischesVerhältnis.

Erwachsenenbildner/innen und erwachsene Lernende müssen vielmehrbeide als gleichermaßen erwachsen und lebenskompetent gelten; es gibt

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutung für EB als Profession

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keine prinzipiellen Überlegenheiten, sondern nur partielle – und diesbeidseitig. Für erwachsenenbildnerisches Handeln kann es daher nurein begrenztes didaktisches „Mandat“ geben, begrenzt auf vorab ange-botene und vereinbarte Lernprozesse. Die Handlungsberechtigung („Li-zenz“) kann sich legitimer Weise nur auf das so eingegrenzte didakti-sche Handeln beziehen. Weitergehende personenverändernde Interven-tionen stellen insofern nicht mehr legitimierbare Grenzüberschreitungendar.

Eine so verstandene Aufgabenstellung und die daraus sich ergebendeHandlungsstruktur professionellen erwachsenenbildnerischen Handelnssorgt für ein geringes hierarchisches Gefälle zwischen Erwachsenenbild-ner/inne/n und Teilnehmenden. Da Lehr- und Lernziele vorab, spätestensjedoch zu Beginn der gemeinsamen Lehr-Lern-Prozesse geklärt und ver-einbart werden sollten, ist die Kontrolle des erwachsenenbildnerischenHandelns durch die Klientel bis zu einem gewissen Grad möglich. Dencharismatischen „Glanz“ des Außerordentlichen dürfte professionellesErwachsenenbildungs-Handeln daher nur selten haben, und wenn doch,ist Wachsamkeit geboten, weil er auf metaphysischen, parareligiösenoder therapeutischen Grenzüberschreitungen beruhen könnte. Eine pro-fessionelle didaktische Handlungsstruktur veranstalteter Erwachsenen-bildung, sei sie unmittelbar interaktiver oder eher planend-konzipieren-der Art, erfordert ebenso eine „Hinwendung zum Teilnehmer“ wie eine„Distanz zum Teilnehmer“; keineswegs ist sie ausschließlich am Teil-nehmer zu orientieren.

Folgt man dem systemtheoretischen Verständnis von Professionellen,das Stichweh in Anlehnung an Luhmann entwickelte (vgl. Kap. 4.1),als zwischen verschiedenen Zuständen einer bestimmten Klientel Ver-mittelnde, dann ist das Handeln Professioneller „dreistellig“; darin maß-geblich involviert sind 1. die professionell Handelnden, 2. die Klientelund 3. das zu Vermittelnde bzw. Anzueignende, im Falle der Erwach-senenbildung also der Lehr-Lern-Inhalt. Dieser Dreistelligkeit entsprä-che – bezogen auf erwachsenenbildnerisches Handeln – auch das vonK. Prange entwickelte didaktische Dreieck (vgl. Prange 1986, S. 35ff.).

Die damit nicht kompatible Handlungsfigur der stellvertretenden Deu-tung bzw. deren Schwäche sieht Stichweh darin begründet, dass sie einzweistelliges Verhältnis von Professionellen und Klienten suggeriere,

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Handlungsaufgabe Leistung eines spezifischen Beitrags zur Realisierung eines gesell-schaftlichen Zentralwertes (z. B. Bildung, Gesundheit, Gerechtigkeit)

Handlungsreferenzen Leitvorstellung vom angestrebten Zustand (gesellschaftlicher Zen-tralwert), z. B. ein gebildeter oder gesunder Mensch, ein gesell-schaftliches Bildungs- oder Gesundheitsniveau

Handlungsart Der Realisierung des jeweiligen gesellschaftlichen Zentralwertesentsprechendes spezifisches Handeln, z. T. unter Mitwirkung derKlientel (z. B. didaktisches, therapeutisches, juristisches Handeln)

Handlungsfiguren Ausdifferenzierungen der jeweiligen Handlungsart (z. B. Diagnosti-zieren, Untersuchen, curriculares Planen, Vermitteln, Beraten, Inter-pretieren, Auswerten, Beurteilen)

Handlungstypus Spezifische, komplexe personen- und gesellschaftsbezogene Leis-tung; Relationierung von Partikularem (Einzelfall/Einzelinteresse)und Allgemeinem (Gesellschaft, gesellschaftliches Interesse), sub-jektivem und allgemeinem, beruflichen und wissenschaftlichemWissen und Können

Handlungsstruktur Ausdifferenzierte Professionellen- und Klientenrollen; Asymmetriedes Professionellen-Klienten-Verhältnisses; Repräsentanz der struk-turellen Handlungselemente: spezifisch professionell Handelnde,spezifisch interessierte Klientel, spezifischer Handlungsgegenstand,spezifisches gesellschaftliches Interesse

Handlungsmerkmale Auf personale und gesellschaftliche Zustände bezogen• hoher Stellenwert direkter Interaktion zwischen Professionellen

und Klientel• begrenzte Planbarkeit und Technologisierbarkeit des interaktions-

dominierten professionellen Handelns• Erfolgsunsicherheit des auf Mitwirkung der Klientel angewiese-

nen professionellen Handelns;Begrenzte Kontrollmöglichkeiten, erschwerte Zurechenbarkeit,Messbarkeit, Indirektheit und Zeitverzögerung von Handlungs-erfolgen; Expertise-Vorsprung

Handlungsqualität Gelingende Relationierung individueller und gesellschaftlicher Inter-essen am Handlungsgegenstand; gelingende Relationierung subjek-tiven und allgemeinen, wissenschaftlichen und beruflichen Wis-sens und Könnens des Handelnden im Handlungsprozess

Handlungserfolg Erreichen des jeweiligen professionellen Handlungsziels: Leistungeines spezifischen Beitrags zur Realisierung eines gesellschaft-lichen Zentralwerts

Übersicht 2: Professionelles Handeln

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutung für EB als Profession

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„während ‚Vermittlung‘ die Dreistelligkeit der Beziehung und damit die intermediärePosition des Professionellen deutlicher hervortreten läßt. ‚Vermittlung‘ betont den Ge-sichtspunkt der Repräsentation einer autonomen Sinnperspektive oder Sachthematikdurch den Professionellen im Verhältnis zu seinem Klienten. Diese ‚Repräsentation‘ kann(...) immer auch den Charakter der Heranführung an diese Sachthematik haben und in-sofern vermittelt sie ein Verhältnis zu dieser.Dort, wo diese Vermittlungsleistung sich nicht vollzieht und sie auch gar nicht beab-sichtigt ist, die vom Professionellen angebotenen Problemlösungen vielmehr die Formvon Technologien haben, die als Problemlösungen funktionieren, ohne vom Benutzer inirgendeiner Weise ‚verstanden‘ werden zu müssen, dort entfällt auch der Bezug aufStrukturänderung, Strukturaufbau und Identitätserhaltung der Person“ (Stichweh 1992,S. 44),

worin für Stichweh gleichzeitig der Gegenstand und die Besonderheitprofessionellen Handelns liegt. Geht man wie hier davon aus, dass Pro-fessionen besondere Berufe sind, die für eine Klientel wesentliche Dienst-leistungen erbringen, die also sowohl für die betroffenen Personen wiefür die Gesellschaft von hohem Interesse sind, dann kann sogar die Vier-stelligkeit des professionellen Handelns behauptet werden: Außer denprofessionell Handelnden, der Klientel und dem zu Vermittelnden (demGegenstand) nimmt in diesem Handeln auch die Gesellschaft bzw. dasjeweilige soziale Ganze eine wichtige „Stelle“ ein.

4.3 Professionalisierung als Entwicklung von Professionund Professionalität: Orte und Ebenen

Die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession und einer beruflichenTätigkeit zu einer professionellen Tätigkeit lässt sich ganz allgemein alsProfessionalisierung bezeichnen. Professionalisierung kann als ein Pro-zess verstanden werden, der sich über lange Zeiträume erstrecken kann,wie sich an der etablierten Profession der Mediziner zurückverfolgenlässt, deren berufliche Anfänge berufssoziologisch im Beruf der Friseurebzw. der mittelalterlichen „Bader“ verortet werden.

Je nach den theoretischen und praktischen Vorstellungen davon, wasProfessionen von anderen Berufen unterscheidet und was professionellevon anderen beruflichen Tätigkeiten, unterscheiden sich auch die Vor-stellungen von Professionalisierungs-Indikatoren, angemessenen Strate-gien zur Professionalisierung und den zentralen Akteuren dieses Prozes-ses. So sehen manche bereits ein Zeichen von Professionalisierung da-rin, dass der Zugang zu einem Beruf einen Hochschulabschluss

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voraussetzt und/oder es eine Wissenschaft gibt, die sich u. a. mit Frage-stellungen oder Gegenständen beruflichen Handelns beschäftigt.

Professionstheoretisch lassen sich eher machtorientierte und eher quali-tätsorientierte Professionalisierungs-Strategien unterscheiden. Währenderstere stärker auf den quantitativen Ausbau der Berufspositionen, Aus-weitung der beruflichen Einflussmöglichkeiten, Steigerung des Einkom-mens und des sozialen Status durch politisches Handeln (berufs-, ar-beitsmarkt-, gesellschafts-, bildungspolitisches) zielen und Berufsaufwer-tung überwiegend durch Installierung von Quantitäten versuchen, setzenletztere eher auf Berufsaufwertung durch die Wirkung von Qualität, in-dem sie etwa auf die Steigerung der beruflichen Leistungen durch Ent-wicklung von qualitativen Handlungsstandards, spezifische Aus- undWeiterbildung der Berufstätigen, Evaluation des beruflichen Handelnsund Qualitätssicherung sowie Herausbildung einer beruflichen Hand-lungsethik setzen. In der Realität sind die beiden Professionalisierungs-Strategien kaum in reiner Form vorfindbar, wenngleich die jeweils vor-herrschende Tendenz bei genauer Untersuchung meist gut zu erkennenist. So entsprachen die Bemühungen um die Professionalisierung derErwachsenenbildung als Beruf m. E. bisher überwiegend der machtori-entierten Strategie.

Was die Akteure der Professionalisierung betrifft, also diejenigen, dieden Prozess der Professionalisierung initiieren und/oder vorantreiben,so sind dies nach den anglo-amerikanischen Professionstheorien undm. E. auch in der modernen beruflichen Realität in erster Linie die Be-rufstätigen selbst; der Professionalisierungs-Prozess wird hier wesentlichdurch den Aufbau machtvoller Berufsverbände und deren Berufspolitikvorangetrieben, einschließlich der Entwicklung qualitativer Handlungs-standards und flankiert von Leistungen in Lehre und Forschung an Hoch-schulen sowie durch (bildungs-)politische Maßnahmen. Sowohl in denalten europäischen Professionen, die offenbar bis zu einem gewissenGrad ein Äquivalent zu den Adelsständen darstellten und weniger Beru-fe im damaligen und heutigen Sinne – was den heute noch verbreiteten,wenn auch unpassenden Terminus „Berufsstand“ erklären mag –, als auchin den modernen Professionen innerhalb der deutschen Geschichte bisheute war allem Anschein nach der Staat entscheidender Akteur der Pro-fessionalisierung (vgl. dazu Rüschemeyer 1980; Daheim 1992; Stich-weh 1996).

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutung für EB als Profession

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So sollte auch die Professionalisierung der Erwachsenenbildung seit derBildungsreform Ende der 1960er Jahre einerseits durch den staatlichsubventionierten und gesetzlich geförderten Ausbau von Arbeitsstellenin öffentlichen Erwachsenenbildungs-Einrichtungen einerseits und durchdie Gründung einer den Professionalisierungs-Prozess unterstützendenErwachsenenbildungs-Wissenschaft an staatlichen Hochschulen anderer-seits erreicht werden. Von den berufstätigen Erwachsenenbildner/in-ne/n selbst sind bis heute kaum nennenswerte Professionalisierungs-Impulse ausgegangen, ja, es hat sogar der Anschein, dass sie selbst darannur sehr wenig Interesse hatten und haben. Da es keinen Berufsver-band von Erwachsenenbildner/inne/n gibt7, treten die Berufstätigen indiesem Bereich auch kaum als Berufsgruppe öffentlich in Erscheinungund artikulieren somit weder berufliche noch darüber hinaus gehendeprofessionelle Interessen oder Handlungsstandards. Im Jahr 1988 kon-statierte H. Tietgens: „Erwachsenenbildung leidet in starkem Maßedarunter, daß auf einer im weitesten Sinne politischen Ebene über siegeredet wird, wobei aber die, die die Arbeit tun, nicht beteiligt sind,nichts zu sagen haben“ (Tietgens 1988b, S. 89). An diesem Zustand hatsich nach meiner Wahrnehmung auch ein Viertel-Jahrhundert späterkaum etwas geändert.

Am Beispiel der Professionalisierungs-Versuche der deutschen Erwach-senenbildung bis heute (vgl. Kapitel 2) zeigt sich m. E. besonders deut-lich, wie fragil und wenig „authentisch“ Professionalisierung ist, wenndie Berufstätigen selbst sie nicht bewusst durch vielfältige Bemühungenauf verschiedenen Handlungsebenen und an verschiedenen Handlungs-orten betreiben, sondern andere Akteure und/oder Instanzen. Verlierendiese das Interesse daran – wie es im Hinblick auf Erwachsenenbildungder Fall zu sein scheint, weil sich der Staat aus der Rolle des bis dahinHaupt-Verantwortlichen und -Zuständigen, des Arbeit-, Auftrag- oderGeldgebers veranstalteter Bildung Erwachsener zurückzieht, die Leis-tungen der potenziellen Professionellen wenig bekannt sind oder nichthinreichend überzeugen, diese durch Medien, Techniken oder sonstigesersetzbar erscheinen oder als zu kostspielig gelten im Verhältnis zum

7 Die vereinsmäßige Organisation von Diplom-Pädagog/inn/en erfasst diese nach ihremakademischen Titel, nicht nach ihrer tatsächlichen beruflichen Tätigkeit. In der berufli-chen Erwachsenenbildungs-Praxis dürften Diplom-Pädagog/inn/en eine Minderheit dar-stellen, geht man vom einschlägigen Stellenmarkt aus.

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erwarteten gesellschaftlichen Nutzen – „versandet“ der Professionalisie-rungsprozess oder wird abgebrochen.

Die Professionalisierung des eigenen Berufs und beruflichen Handelnsselbst in die Hand zu nehmen, setzt allerdings die Erarbeitung von Vor-stellungen über die Art und Funktion einer Profession im Unterschied zueinem qualifizierten Beruf bei einer nennenswerten Zahl von Berufstäti-gen voraus, die über individuelle Aufstiegs- und Status-Wünsche bzw.Karriere-Vorstellungen hinausreichen sowie die Bereitschaft zu einementsprechenden berufspolitischen Engagement.

Ähnlich wie in der frühen anglo-amerikanischen Professions-Soziologieund deren deutschen Adaptionen, beispielsweise durch Hesse und Hart-mann, in der/denen qualifizierte Experten-Berufe kaum von Professio-nen im neueren professionstheoretischen Verständnis unterschiedenwurden, stellt sich auch heute der Prozess der Professionalisierung fürdie meisten Erwachsenenbildner/innen und Erwachsenenbildungs-Wis-senschaftler/innen, sofern sie dazu öffentlich eine Meinung vertreten,offenbar als eine besonders gekonnte, machtvoll inszenierte und kraft-volle Durchsetzung eines Expertenberufs dar.

So ist beispielsweise für Nittel „Professionalisierung nur eine Variantevon Verberuflichung, wobei der Aspekt der Verwissenschaftlichung einegroße Rolle spielt“ (Nittel 2000, S. 53). Eine solche Position ist jedochm. E. nur einnehmbar, wenn man auch heute die Differenz zwischenqualifizierten Experten-Berufen und Professionen ignoriert bzw. diese ausmöglicherweise pragmatischen berufspolitischen Durchsetzungsinteres-sen zeitweilig „übersieht“. Doch wenn es zutrifft, dass moderne Profes-sionen sich von modernen Experten-Berufen vor allem dadurch unter-scheiden, dass sie für eine bestimmte Klientel wesentliche und komple-xe Leistungen erbringen, die im gelingenden Zusammenspiel mit denLeistungen der Klientel einen individuellen und zugleich gesellschaftli-chen Wert darstellen, dieser besondere Prozess der Leistungserbringungund Werterstellung sich einer vollständigen Technologisierung entzieht,weil er auf menschliche Interventions- bzw. Interaktionsformen ange-wiesen ist, was wiederum seinen Verlauf nicht vollständig kalkulierbarund seinen Erfolg ungewiss macht, dann besteht Professionalisierung inder ständigen qualitativen Weiterentwicklung und Sicherung dieser Be-sonderheiten.

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutung für EB als Profession

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„Verwissenschaftlichung“, wenn damit etwa die wissenschaftliche Be-rufsvorbereitung und die Verwendung wissenschaftlichen Wissens imLeistungserstellungs-Prozess gemeint ist, stellt kein exklusives Professi-onalisierungs-Instrument dar, auch wenn diese unerlässlich erscheint,weil nicht nur Professionen für die Ausübung ihrer beruflichen Tätig-keiten wissenschaftliches Wissen und Können benötigen, sondern allehoch qualifizierten Experten-Berufe, wie beispielsweise Ingenieure, Che-miker, Verwaltungsfachleute oder Musiker. Allerdings scheint es auchund gerade für das Gelingen von Professionalisierung von hoher Be-deutung zu sein, ob es möglich ist, einen „spezifischen Wissensfun-dus“ für das spezifische berufliche Handeln herauszubilden, der alsmaßgebliche Wissensressource professioneller Expertise dient, wozu wis-senschaftliches und andere Arten von Wissen und Können gehören kön-nen (vgl. Stichweh 1996, S. 40ff.). Für die Professionalisierung von Er-wachsenenbildung als Beruf könnte die Erwachsenenbildungs-Wissen-schaft mit ihren Forschungs- sowie Aus- und Fortbildungsleistungeninsofern eine nicht zu unterschätzende Rolle im Prozess der Professio-nalisierung spielen.

Ob und in welchem Maße Professionalisierung jedoch überhaupt statt-finden kann, hängt, systemtheoretisch betrachtet, entscheidend davonab, ob innerhalb eines gesellschaftlichen Funktionssystems spezifischeBerufs-Rollen entstehen, die den eindeutigen Schwerpunkt ihrer Tätig-keit in den funktionssystem-definierenden Handlungsvollzügen finden,im Falle des Bildungssystems also in der didaktischen Lernermöglichung.Die Herausbildung spezifischer Berufsrollen allein ist allerdings ebenfallskein hinreichender Indikator für Professionalisierung: ProfessionellenBerufsrollen auf der einen Seite müssen auch komplementäre Klienten-rollen auf der anderen Seite entsprechen. Der Professionellen-Klienten-Interaktion als eine unter Anwesenden kommt in der professionellenRollen-Ausübung eine besondere Bedeutung zu.

„Das schließt nicht aus, daß der quantitativ größte Teil der professionellen Arbeit inAbwesenheit von Klienten vollzogen wird. Im Resultat aber wird diese Arbeit dann dochimmer wieder auf ein Interaktionssystem hingeführt, in dem die erarbeiteten Ergebnis-se appliziert oder ‚übermittelt‘ werden und dabei auch der Klient in irgendeiner Formmitwirkt oder mitarbeitet“ (Stichweh 1996, S. 62).

In der Regel zielen auch die Resultate nicht-interaktiver professionellerArbeitsprozesse darauf ab, in interaktive Beziehungen eingebracht zu

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werden (z. B. die Erstellung von Lernmaterialien/-medien in der Erwach-senenbildung).

„Diese Interaktionssysteme können natürlich auch telekommunikativ hergestellt wer-den; aber, wie dies auch sonst für telekommunikative Kontakte gilt, scheint eine gele-gentliche Vergewisserung des Kontakts zum anderen mittels dessen visueller und phy-sischer Präsenz für Kontinuitätssicherung erforderlich zu sein“ (Stichweh 1992, S. 42).

Das Verhältnis zwischen Professionellen und Klienten ist – wie in denvorangegangenen Kapiteln bereits ausgeführt – auf Grund des partiellenund funktionalen Vorsprungs professioneller Expertise notwendig durcheine gewisse Asymmetrie gekennzeichnet, was einerseits den Klientendie Kontrolle der professionellen Leistungen erschwert und stattdessenVertrauensleistungen erfordert, was andererseits von den Professionel-len das Bemühen um Transparenz ihrer Leistungsangebote und Vertrau-enswürdigkeit durch ethische Selbstverpflichtung und kollegiale Kon-trolle verlangt.

Gelingende Professionalisierung ist daher auch davon abhängig, ob eseiner Berufsgruppe gelingt, sowohl die Klientel als auch die öffentlicheMeinung davon zu überzeugen, dass das eigene Leistungsangebot nichtnur qualitativ hochwertig, sondern auch vertrauenswürdig ist. Glücktdies, können Professionelle über ein sonst eher ungewöhnliches Maßberuflicher Handlungsautonomie verfügen, also der Freiheit, das eige-ne berufliche Handeln nach Maßgabe ihres professionellen Aufgaben-verständnisses und dafür einsetzbarer Expertise in relativer Unabhän-gigkeit von der jeweiligen Zustimmung der Klientel und – gegebenenfalls– des Auftraggebers oder der Beschäftigungs-Organisation auszurich-ten.

Im professionstheoretischen Ansatz von Forsyth/Danisiewiecz von 1985sind „wirkliche“ Professionen sogar dadurch definiert, dass ihnen alsBerufsgruppe sowohl von den Klienten als auch von den beschäftigen-den Organisationen Autonomie zuerkannt wird, während „Semi-Profes-sionen“ entweder klienten- oder organisationsautonom sind (vgl. Da-heim 1992, S. 26). Die Differenzierungen und Grade von Autonomieerlauben in Fortführung dieses Ansatzes nach Daheim auch die Beurtei-lung von „Deprofessionalisierung“ und „Proletarisierung“ als entgegen-gesetzte Prozesse von Professionalisierung:

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutung für EB als Profession

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„‚Deprofessionalisierung‘ wäre dann die Reduktion der Klientenautonomie, was die engeVerbindung von Profession und Klientel impliziert. Die Reduktion der Organisationsau-tonomie könnte man dann als ‚Proletarisierung‘ bezeichnen, als Reduktion der Professi-onellen auf den Status von fremdbestimmten Routinearbeitskräften“ (ebd.).

Wie bedeutsam relative Handlungs-Autonomie als Merkmal gelungenerProfessionalisierung ist, lässt sich am Beispiel der Realisierung des ge-sellschaftlichen Zentralwerts Bildung bzw. der dazu notwendigen Lern-prozesse besonders gut zeigen: Wie bereits im vorigen Kapitel ausge-führt, können professionelle Erwachsenenbildner/innen vorab keinenLernerfolg garantieren, ja sie müssen sich auch die Entscheidung überden Einsatz bestimmter Tätigkeiten, Methoden, Medien und Handlungs-figuren vorbehalten, „weil nicht schon im voraus in allen Einzelheitenerkannt werden kann, welches Verhalten des Erwachsenenbildners dazugeeignet ist, das Lernen der Teilnehmer optimal zu unterstützen“ (Fuhr1991, S. 41).

Dies erschwert die heute auch in der Erwachsenenbildung vielfach pro-pagierte „Kundenorientierung“, die sich in festen Versprechungen vonLernerfolgen ausdrückt, erheblich, (nicht jedoch eine didaktisch moti-vierte Orientierung an den Lerninteressen und -voraussetzungen der Teil-nehmenden). „Kundenzufriedenheit“ eignet sich als Erfolgs-Kriterium fürLernprozesse nur sehr begrenzt, weil für Personen relevante Lernprozes-se nicht nur häufig mit erheblichen Anstrengungen, Disziplin, Ausdauer,manchmal auch mit Verunsicherungen, herausfordernden Einsichten undVerhaltensanforderungen verbunden sind, die Lernwiderstände, ange-spannte Beziehungen und schwierige Lernsituationen erzeugen. Die pro-fessionelle Aufgabe von Erwachsenenbildner/inne/n (für Lehrende undErziehende gilt m. E. das Gleiche) kann es dann erfordern, trotz dieserUmstände an den als richtig und notwendig erkannten Lehr- und Lern-zielen und didaktisch begründeten Lernschritten festzuhalten. Dies istihnen jedoch nur möglich, wenn sie über eine gewisse Klienten-Autono-mie verfügen, also vom Wohlwollen und der Zustimmung der Klientelnicht unmittelbar in ihrem professionellen Handeln abhängig sind, de-ren Zufriedenheit also auch nicht das oberste oder gar einzige Hand-lungs- bzw. Erfolgskriterium ist.

Insofern kann relative Handlungsautonomie nicht nur als ein Anzeichengelungener Professionalisierung angesehen werden, sondern gleichzei-tig als eine wesentliche Bedingung für die Entfaltung von Professionalität,

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„denn die Erarbeitung von Einsicht, Erkenntnis und neuen Handlungskompetenzen ist inaller Regel kein Spaziergang durch einen Vergnügungspark und steht im Widerspruchzu dem allgemeinen Trend einer Erlebnisgesellschaft, in der es um das Abfeiern vonVergnügungen geht. Ein wesentliches Qualitätskriterium von Weiterbildung stellt des-halb auch die Lernzumutung an die Teilnehmer dar. Qualität und Professionalität vonWeiterbildung bemessen sich gerade daran, daß solche Lernzumutungen durchgehal-ten werden und das Vertrauen der Subjekte in ihre eigenen Kräfte gestärkt wird.Weiterbildungsansätze, die demgegenüber Rezepte ‚frei Haus‘ liefern, d. h. Lernanstren-gungen minimieren und nicht selten in eine Kuschel- und Unterhaltungsdidaktik abglei-ten, bewirken zwar oft Jubel, zementieren aber gleichzeitig auch eine Dauer-Abhängig-keit von Vorgaben, Vordenkern o. ä.“ (Arnold/Krämer-Stürzl 1995, S. 138, Hervorhebun-gen im Original).

Stichweh beschreibt den Zustand gelungener Professionalisierung aussystemtheoretischer Sicht wie folgt:

„Von Professionalisierung kann überall dort die Rede sein, wo eine signifikante kulturel-le Tradition (ein Wissenszusammenhang), die in der Moderne in der Form der Problem-perspektive eines Funktionssystems ausdifferenziert worden ist, in Interaktionssyste-men handlungsmäßig und interpretativ durch die auf diese Aufgabe spezialisierteBerufsgruppe für die Bearbeitung von Problemen der Strukturänderung, des Struktur-aufbaus und der Identitätserhaltung von Personen eingesetzt wird“ (Stichweh 1992, S. 43,Hervorhebungen im Original).

Das didaktische Erwachsenenbildungs-Handeln als eine begründete,systematisch geplante und veranstaltete Unterstützung der Bildung Er-wachsener als einer Form des lebenslangen Lernen lässt sich demnachund auch auf Grund der zuvor hier vorgenommenen professionstheore-tischen Bestimmungen und Abgrenzungen als prinzipiell professionali-sierbare verstehen, weil alle dargelegten Spezifika von Professionen an-gelegt oder teilweise bereits rudimentär entfaltet sind. Ob Erwachsenen-bildung als eigenes gesellschaftliches Funktionssystem gelten kann,erscheint zwar fraglich, doch innerhalb des gesellschaftlich ausdifferen-zierten Erziehungs- und Bildungssystems bildet sie zumindest ein funkti-onales Teilsystem, das relevante, personenbezogene Dienstleistungen vonvergleichsweise zentraler Bedeutung anbietet.

Auch in anderen gesellschaftlichen Funktionssystemen wie dem derWirtschaft oder der staatlichen Administration bildet Erwachsenenbil-dung/Weiterbildung heute Teil- oder Subsysteme. Für eine schlüssigeAntwort auf die Frage nach der Professionalisierbarkeit der in diesenSystemen angebotenen Lerndienstleistungen dürfte entscheidend sein,ob diese im Kern auf die lernenden Personen gerichtet sind oder ob die

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutung für EB als Profession

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Klientel lediglich als Medium zur Erreichung nicht-personaler Ziele oderder Lösung nicht-personaler Probleme – z. B. wirtschaftlicher oder ad-ministrativer Art – fungiert.

Als zentraler „Ort“ aussichtsreicher Professionalisierung kann – soferndie sonstigen Voraussetzungen für eine Professionsentwicklung gegebensind – das berufliche Handeln der „Professions-Aspiranten“ verstandenwerden. Hier, in der Qualität der alltäglichen Berufsausübung, erweistsich m. E., ob ein Beruf nicht nur die Potenz hat, sich zur Profession zuentwickeln, sondern tatsächlich zu einer solchen entwickelt wird. In derbesonderen, durch keine andere Leistung oder Nutzung von Technikenersetzbaren besonderen beruflichen Handlungs-Qualität, die ich als Pro-fessionalität bezeichne, liegt m. E. auch die letztlich wichtigste Legiti-mation für die Herausbildung einer Profession als eines besonderen Be-rufs.

Können der jeweiligen Klientel über einen längeren Zeitraum überzeu-gende Leistungen angeboten werden und kann sie die Erfahrung derqualitätvollen Bearbeitung ihrer jeweiligen Anliegen, Fragen und Pro-bleme gewinnen, was im Falle von professioneller Arbeit mit und füreine Klientel keineswegs mit Kundenzufriedenheit identisch ist, sondernnicht selten eher mit anstrengenden, manchmal mühsamen und gele-gentlich schmerzlichen Veränderungsprozessen, die im Prozess und Er-gebnis jedoch als persönlicher Gewinn interpretiert werden können, dannwird sich dies mittel- und langfristig auf das öffentliche Ansehen einesBerufs auswirken. Allerdings wäre es naiv anzunehmen, dass in einerkomplexen, hoch organisierten und hoch medialisierten Gesellschaftallein überzeugende qualitätvolle Arbeitsleistungen schon für hinreichen-de öffentliche Anerkennung, ökonomisch angemessene Entlohnung undhinreichende Bedingungen für professionelles Arbeiten sorgen, d. h. dieEntwicklung eines Berufs zu einer Profession ermöglichen. Hierfür sinddarüber hinaus die Organisation der beruflichen Interessen der Berufstä-tigen, deren öffentliche Artikulation und geschickte Vertretung undmitunter auch der Kampf um deren Durchsetzung unabdingbar.

Eine Profession muss mit ihren Aufgaben und Wirkungen einen gewis-sen Bekanntheitsgrad haben und öffentlich wahrgenommen werden kön-nen, um sich als solche gesellschaftlich etablieren zu können. Professio-nalisierungsprozesse müssen daher immer gleichzeitig auf mehreren

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Ebenen und an unterschiedlichen Orten stattfinden: im konkreten Be-rufshandeln „vor Ort“, in Organisations-, Verbands- und politischer Ar-beit sowie in der öffentlichen, auch medialen Selbstdarstellung.

Funktion Entwicklung von professionalisierungsfähigen Berufen zu Professio-nen und deren beruflicher Tätigkeiten zu professionellem Handeln

machtorientierte • Entwicklung von Berufspositionen (Stellen, Berufszugängen,Strategien -profilen, -titeln)

• Entwicklung von Status (Einfluss, Einkommen, Kontrolle)• Entwicklung von Ressourcen (Aus- und Fortbildungs-Institutionen,

Kapital-Anlagen)• Entwicklung von beruflichen Interessen-Organisationen• Entwicklung von Lobbyismus

qualitätsorientierte • Entwicklung von Aus- und Fortbildungs-StandardsStrategien • Entwicklung von Leistungsstandards beruflichen Handelns

• Entwicklung von Qualitätssicherungs-Standards beruflichenHandelns

• Organisation systematischer Beobachtung, Reflexion undgegebenenfalls Sanktion beruflichen Handelns

Orte und Ebenen • berufliche Handlungssituationen• institutionelle Handlungsebenen• Berufsorganisation• politische und öffentliche Handlungsebenen (Gremien, Medien,

Organisationen, Veranstaltungen)

Anzeichen • spezifische Professionellen- und Klientenrollen• explizites Aufgaben- und Rollenbewusstsein• systematische Expertise-Erstellung• explizite Leistungsstandards• öffentliche Bekanntheit und Anerkennung beruflicher Leistungen• expliziter ethischer Handlungs-Kodex• Organisation beruflicher Interessen (Berufsverband, -gruppen

etc.)• Regelung des Berufszugangs und von Berufsbezeichnungen• relative berufliche Handlungsautonomie• systematische und kontrollierte Berufseinführungs-Phase

Übersicht 3: Professionalisierung

4. Professionstheoretische Positionen und deren Bedeutung für EB als Profession

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5. Professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln: Charakteristik und Qualität

Im Folgenden werden die Besonderheiten professionellen Erwachsenen-bildungs-Handeln in Abgrenzung vom Expertenhandeln in der Erwach-senenbildung dargestellt und ein professionstheoretisch begründetesVerständnis von Erwachsenenbildungs-Professionalität entwickelt.

5.1 Professionelles Handeln und Experten-Handelnin der Erwachsenenbildung

Die seit dem Ende der 1960er Jahre angestrebte Professionalisierung derErwachsenenbildung scheint von Beginn an weniger am Aufbau einerspezifischen professionellen Handlungsstruktur in einem den anderendrei Sektoren gleichwertigen vierten Bildungssektor als an der professi-onspolitischen Durchsetzung und Aufwertung des Berufs orientiert ge-wesen zu sein. Professionalisierung sollte, wie im Kapitel 2 dargestellt,vor allem durch die Beschäftigung eines akademisch gebildeten, haupt-beruflich disponierenden Personals bewirkt werden, das durch Programm-planung, personelle Auswahlverfahren, Unterrichts-Hospitation, Pro-gramm-Evaluation und Mitarbeiterfortbildung, regulierend, stil- und qua-litätsbildend wirkt.

Eine hauptberufliche Tätigkeit in der Lehre, wie sie zeitweilig und ört-lich begrenzt durch Weiterbildungslehrer geschah, erschien aus vielfäl-tigen, nicht zuletzt finanziellen Gründen, nicht machbar, galt jedochauch innerhalb der institutionalisierten Erwachsenenbildung und derErwachsenenbildungs-Wissenschaft als nicht so wünschenswert, als dasssich dafür nachhaltige bildungspolitische oder wissenschaftliche Initiati-ven entwickelt hätten. Aber obwohl bis heute das hauptberuflich dispo-nierende Personal in Weiterbildungseinrichtungen als prototypisch fürhauptberufliche Tätigkeit von Erwachsenenbildner/inne/n verstandenwerden muss, können dessen offenbar sehr stark ausgeprägten Hand-lungsaufgaben und Tätigkeiten, Bildungsmanagement und Bildungsmar-keting, professionstheoretisch betrachtet weder als professionelle nochals professionalisierbare gelten, sondern müssen als komplexe Experten-tätigkeit verstanden werden, weil sie nicht auf Personen gerichtet sind

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bzw. der Handlungsgegenstand nicht in der Intervention in personaleStrukturen besteht. Nicht die didaktische Gestaltung des Lehrens undLernens, also der organisierten Bildung von erwachsenen Personen, bil-den den Kern bzw. zentralen Bezugspunkt dieses beruflichen Handelns,sondern die institutionelle, ökonomische, rechtliche, personelle und öf-fentlichkeitswirksame Ermöglichung von didaktischen Leistungen ande-rer. Nicht die Bildung Erwachsener und damit die Realisierung des ge-sellschaftlichen Zentralwerts Bildung ist somit das berufliche Handlungs-ziel des hauptberuflichen Erwachsenenbildungs-Managers, sondern dasbetriebswirtschaftlich optimale Management und die gelingende Vermark-tung der organisierten didaktischen Leistung im jeweiligen Träger-, Insti-tutions- oder Unternehmensinteresse.

Zwar bezeichnete E. Schlutz 1998 als Kernaufgaben hauptberuflicherErwachsenenbildner/innen „didaktisches Handeln“ und den gemeinsa-men Nenner ihrer beruflichen Aufgaben als „Bildungsarbeit“, fügte je-doch auch hinzu, Erwachsenenbildungspersonal nähme eine Vielzahlsehr unterschiedlicher Aufgaben wahr, die weder durch eine weite Defi-nition des Bildungsmanagements angemessen erfasst werden könntennoch durch den Begriff des didaktischen Handelns (vgl Schlutz 1998,S. 24–29). Der von K.-H. Flechsig und H.-D. Haller 1975 entwickelteBegriff vom didaktischen Handeln, das sie auf verschiedenen „Hand-lungsebenen“ ansiedelten, war zwar auch so weit gefasst – er reichtevon der bildungspolitischen Planung von Rahmenelementen und derErfassung von Planungsdaten (Makro-Didaktik) bis hin zur didaktischenGestaltung einzelner Lehr-Lernsituationen (Mikro-Didaktik) (vgl. Flech-sig/Haller 1975, S. 11ff.) –, dass er fortan in der wissenschaftlichen Er-wachsenenbildungs-Diskussion gern und oft aufgegriffen wurde, weil ererlaubte, die in der Erwachsenenbildungs-Praxis arbeitsteilig durchge-führte Planung und Organisation des organisierten Lehrens und Lernenseinerseits und dessen Realisation in den Veranstaltungen der Erwachse-nenbildung andererseits zumindest begrifflich dem gleichen Handlungs-typus zuzuordnen (vgl. Tietgens 1981). Doch dass so mehr oder wenigerallen disponierenden Tätigkeiten hauptberuflichen Erwachsenenbildungs-Personals didaktischer Charakter zugeschrieben wurde, war sachlichfalsch und hätte einer genaueren Analyse zu keinem Zeitpunkt standge-halten. Aus heutiger Sicht kann diese Zuschreibung auch als professi-onspolitisch motivierter Euphemismus gewertet werden.

5. Professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln: Charakteristik und Qualität

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Weil organisierte Erwachsenenbildung in ihrem Kern gleichwohl didak-tisches Handeln erfordert, kann die Erziehungswissenschaft zu Rechtals dessen wissenschaftliche Bezugsdisziplin gelten und der Diplom-studiengang Erziehungswissenschaft mit erwachsenenpädagogischerSchwerpunktbildung als entsprechend berufsvorbereitend (vgl. Giese-ke 1996, S. 678ff.). Das erziehungswissenschaftliche Diplomstudiumsowohl in seiner anfänglichen wie in seiner reformierten Gestalt seit1989 vermochte und vermag selbstverständlich nur höchst unzurei-chend, wenn überhaupt, auf die nicht-didaktischen Experten-Tätigkei-ten von hauptberuflichem Erwachsenenbildungs-Personal vorzuberei-ten. Doch für didaktisch-konzeptionierende und -vermittelnde Tätig-keiten ist die Vorbereitung m. E. nicht ausreichend, weil es neben derVermittlung und Aneignung allgemeiner erwachsenenbildungsspezifi-scher didaktischer Kompetenzen keine hinreichende Vermittlung undAneignung notwendiger Fachkompetenzen und erwachsenenbildungs-spezifischer Fachdidaktiken vorsieht.

Unter hauptberuflichen Erwachsenenbildner/inne/n selbst scheint sichallerdings bis heute die Deutung ihrer beruflichen Aufgaben und Tätig-keiten als im Kern didaktische nicht durchgesetzt zu haben, wie Selbst-Beschreibungen des beruflichen Handelns immer wieder belegen (in denletzten Jahren vgl. u. a. Ahlheim/Heger 1998; Nittel 2002). Die Ursa-chen dafür dürften weniger im Fehlen einer angemessenen Begrifflich-keit auf Grund nicht oder nicht hinreichend vorhandener erziehungs-wissenschaftlicher Qualifikationen liegen, sondern in eben der Tatsa-che, dass viele, wenn nicht die meisten der Aufgaben und Tätigkeitenhauptberuflichen Erwachsenenbildungs-Personals tatsächlich keine di-daktischen waren und sind. So erscheint es nicht nur professionstheore-tisch und -politisch als notwendig, sondern auch berufspraktisch, dieCharakteristik der ausgeübten Tätigkeiten präziser als bisher zu unter-scheiden, damit eine sachlich begründete, dem Charakter der berufli-chen Tätigkeiten angemessene Arbeitsteilung entwickelt werden kann,die eine angemessene Berufsvorbereitung, Berufseinführung und Berufs-politik ermöglicht und eine begründete Unterscheidung zwischen kom-plexen Expertentätigkeiten und professionellen Tätigkeiten in der Erwach-senenbildung erlaubt. Als letztere können nur die personenbezogenendidaktischen Tätigkeiten gelten.

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5.2 Strukturelle Bezüge professionellenErwachsenenbildungs-Handelns

Wie bereits erwähnt, sind neben den grundlegenden Bezügen der perso-nalen Bildung des einzelnen Erwachsenen bzw. seinen individuellenBildungsinteressen und der Bildung als gesellschaftlichem Wert bzw.gesellschaftlichen Interessen an Bildung weitere Bezugspunkte im pro-fessionellen Erwachsenenbildungs-Handeln von struktureller Art undBedeutung: die Inhalte der Bildung Erwachsener und die Beachtung derProfessionsaufgabe durch professionell handelnde Erwachsenenbildner,in dem diese sich bemühen, das Lernen Erwachsener zu unterstützen

• „nach dem zur Verfügung stehenden Wissen,• im Besitz der erforderlichen und verfügbaren Fähigkeiten,• innerhalb vertraglich fixierter Rahmenbedingungen• und entsprechend bestimmter (berufs-)ethischer Standards“ (Fuhr

1991, S. 59).

Die notwendige Orientierung an den Lern- und Bildungsinteressen derlernenden Erwachsenen ist in der wissenschaftlichen Erwachsenenbil-dungs-Theorie wie in der Erwachsenenbildungs-Praxis seit dem Ende der1970er Jahre nahezu unbestritten. Als didaktisches Prinzip der „Teilneh-merorientierung, das nicht zuletzt in Abgrenzung von der bis dahin ehervorherrschenden „Stofforientierung“ entwickelt wurde (vgl. vor allemBreloer 1980, S. 8ff.) und damit die subjektiven Lern- und Bildungsbe-dürfnisse ins Zentrum didaktischen Handelns stellte, wird es seitherallenthalben proklamiert und für erwachsenenbildnerisches Handeln inAnspruch genommen.

In den letzten zehn Jahren wird „Teilnehmerorientierung“ allerdings häufigdurch „Kundenorientierung“ ersetzt. Damit zeichnet sich im Zuge derÖkonomisierung der Erwachsenenbildung ein grundlegender Perspek-tivwechsel ab: Nicht mehr der Erwachsene als lernendes Subjekt ist Be-zugspunkt des didaktischen Handelns, sondern der Erwachsene als wirt-schaftliches Subjekt, als Partner eines Kaufvertrags für das Dienstleis-tungsangebot Bildung. Aus professionstheoretischer Sicht deutet sichdamit auch ein weit reichender Rollenwechsel an: Aus Bildungs-Arbei-tern/Partnern – auf der einen Seite vermittelnd und unterstützend undauf der anderen Seite aufnehmend, aneignend und verarbeitend – wer-den so tendenziell Verkäufer und Käufer.

5. Professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln: Charakteristik und Qualität

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Auf der Programmplanungsebene des didaktischen Handelns entsprichtder „Teilnehmerorientierung“ die „Adressatenorientierung“, die hierallerdings niemals als alleiniger Bezugpunkt des Planungshandelns gel-ten konnte, waren und sind hier doch nicht zuletzt auch die Interessender jeweiligen Arbeit-, Auftrag- und Geldgeber zu berücksichtigen. Dochauch eine systematische oder gar repräsentative Ermittlung von Bildungs-bedürfnissen möglicher oder angezielter Adressaten mit sozialwissen-schaftlich abgesicherten Vorgehensweisen war und ist aus Geld- undZeitgründen ebenso eine Ausnahme wie die systematische Berücksichti-gung gesellschaftlicher Bedarfe, etwa in Form der Ermittlung von beruf-lichen Fortbildungsbedarfen in bestimmten regionalen oder wirtschaftli-chen Einzugsbereichen oder von Kompetenzanforderungen durch diesystematische Analyse gesellschaftlich bedeutsamer Handlungsfelder inKultur, Politik und Alltag.

Stattdessen dürften neben plausibel begründeten und auf Erfahrung beru-henden Bedürfnis- und Bedarfshypothesen der Planenden sowie prognos-tischen „Hochrechnungen“ von Experten jedweder Art vor allem die denProgrammangeboten zu Grunde liegende öffentliche Subventionierung,politische Interessen, verbandliche Unterstützung und private Gewinner-wartung vorherrschende Bezugspunkte des didaktischen Planungshan-delns sein. Mit der zunehmenden Vermarktlichung der organisierten Er-wachsenenbildung scheinen jedenfalls Adressat/inn/en oder Teilnehmendemit ihren subjektiven Lern- und Bildungsbedürfnissen bzw. die Gesell-schaft mit politisch definierten, offensichtlich gegebenen oder wissen-schaftlich ermittelten Bildungsbedarfen nicht die zentralen Bezugspunk-te des didaktischen Handeln zu sein, sondern vielmehr die Erschließungzahlungskräftiger Nachfrage bzw. öffentlicher Subventionierung.

Herkömmliche Programmplanung als kommunikatives, verständigungs-orientiertes und kooperatives Handeln, das Anbieter-, Auftraggeber- undAdressateninteressen zu berücksichtigen sucht und im Wesentlichen aufdie Fortentwicklung des Bewährten zielt (vgl. Schlutz 1998) dürfte somitnoch insoweit praktikabel sein, als es sich auch ökonomisch „rechnet“bzw. ökonomisch einträglich mit weniger oder gar nicht einträglichenAngeboten „verrechnet“ werden können. Nach neueren Ergebnissen ei-ner empirischen Studie von W. Gieseke zum makrodidaktischen Han-deln in der Weiterbildung am Beispiel kirchlicher Bildungseinrichtun-gen entsteht ein Weiterbildungsprogramm als Ergebnis von „Suchbewe-

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gungen“, die gemeinsam mit einer Vielzahl von Kooperationspartnernvollzogen und von den Mitarbeitenden der Einrichtungen „moderiert“und „strukturiert“ werden. Planungshandeln erscheint der Autorin so alsvorwiegend „vernetztes Handeln auf der Basis von Abstimmungsprozes-sen“ (Gieseke 1999, S. 216). An welchen Kriterien sich diese Abstim-mungsprozesse orientieren bleibt weitgehend offen. „Vernetzt“ zu han-deln ist allerdings weder ein spezifisch erwachsenenbildnerisches nochein spezifisch professionelles Handlungsmerkmal.

Es deutet daher einiges darauf hin, dass Harneys Einschätzung zutrifft:„Als Leitgesichtspunkt fungiert der Organisationserfolg, in dessen Rah-men dann bestimmte Programme verfolgt, andere fallengelassen wer-den etc“ (Harney 2002, S. 130). Die Ursache dafür sieht er darin, dassdie Organisationen der Weiterbildung „in eine marktähnliche Beziehungzu ihren Aufgaben gedrängt werden“ (ebd., S. 129). Im Zuge der fort-schreitenden „marktlichen Integration“ des Weiterbildungssektors sei esweniger der Kommerz, der sich durchsetze, „sondern es sind die Nor-men des geschäftlichen, des organisatorischen Erfolgs, die sich in denVordergrund schieben. Unter diesen Vorzeichen verlagern sich die Hand-lungslogiken der öffentlichen Weiterbildung vom Primat der Aufgaben-wahrnehmung zum Primat der subventionierten Produkterstellung“ (ebd.,S. 132) und einer „Logik des Geschäfts“, innerhalb derer das zertifizierteQualitätsmanagement als Katalysator diene.

Der sich abzeichnende Wandel institutionalisierter Erwachsenenbildung/Weiterbildung von einer eher angebotsorientierten, öffentlich geförder-ten Bereitstellung von Bildungsmöglichkeiten zu einer nachfrageorien-tierten Agentur zum Verkauf von Bildungsdienstleistungen für Individu-en und Organisationen verschiebt somit auch die zentralen Bezugspunktedes didaktischen Handelns von Erwachsenenbildner/inne/n.

Im Hinblick auf die berufliche und betriebliche Weiterbildung, dasmittlerweile wohl größte Handlungsfeld, konstatiert Ch. Schiersmann aufGrund der von ihr angenommenen Zunahme selbstorganisierter und com-puterbasierter Lernprozesse einen wachsenden Beratungsbedarf von Ler-nenden; es sei eine verstärkte Sensibilität von Erwachsenenbildner/inne/n für die Unterstützung von Selbstorganisation notwendig, die sich mehrals bisher in situationsspezifischem pädagogischen Handeln ausdrückenmüsse.

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„Selbstverantwortliche Produktionsteams brauchen nicht mehr in erster Linie die Bil-dungsabteilung, die Seminare für sie konzipiert, sondern den Lernberater, der bei Be-darf hinzugezogen werden kann. (...) Gefordert ist der Prozessberater für Bildung undOrganisationsentwicklung.Die Weiterbildner können im Kontext einer Integration von Weiterbildung, Qualitätssi-cherung und Organisationsentwicklung als pädagogisch motivierte ‚chance-agents‘charakterisiert werden“ (Schiersmann 1999, S. 208).

Bemerkenswert erscheint an dieser Feststellung m. E. vor allem, dass Bil-dung – als Entwicklung von Personen – und Organisationsentwicklungin einem „Atemzug“ genannt werden als seien dies vergleichbare, ohneweiteres kompatible Tätigkeiten und hier vor allem, dass die geforder-ten, selbstverständlich professionellen Weiterbildner neuen Typs für bei-des gleichermaßen zuständig und kompetent sein sollen. ProfessionellesHandeln ist jedoch ein personenbezogenes, während organisationsbe-zogenes Handeln professionstheoretisch als Experten-Handeln gilt.

Schiersmann hält es angesichts der von ihr beschriebenen neuen Hand-lungsanforderungen an Weiterbildner/innen für „unabweisbar“, dassmikrodidaktische Tätigkeiten an Bedeutung gewinnen, sich ausdifferen-zieren, neu akzentuieren und damit die Anforderungen „an die Professi-onalität“ steigen:

„Dies betrifft in bezug auf die pädagogischen Aufgaben im engeren Sinne (die mikrodi-daktische Ebene) die geforderte diversifizierte Methodenkompetenz und die Fähigkeitzur situationsangemessenen Gestaltung der Lernsituation; dies betrifft die bereits cha-rakterisierte, unterschiedliche Gruppen und Ebenen betreffende Beratungskompetenzsowie die betriebs- und organisationsbezogenen Kompetenzen in bezug auf die Inte-gration von Weiterbildung in die Personal- und Organisationsentwicklung“ (ebd., S. 209).

Während hier also professionelles didaktisches und Expertenhandelngemeinsam unter eine zumindest theoretisch unvereinbare Professiona-litäts-Anforderung gestellt werden, ist aus systemtheoretischer Sicht pro-fessionelles didaktisches Handeln in der betrieblichen Weiterbildunggrundsätzlich nicht möglich:

„Die betriebliche Organisation, in der die Weiterbildung angeboten wird, kann aus sys-temtheoretischer Perspektive als ein Kommunikationszusammenhang beschriebenwerden, der sich über Kommunikation reproduzieren kann. Von der Referenzebene derbeteiligten Personensysteme aus betrachtet, sind Organisationen über Mitgliedschaftdefiniert, die an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Dabei sind betriebliche Kommu-nikationen überwiegend durch die Differenz von Zahlungsfähigkeit und Zahlungsunfä-

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higkeit her zentriert (vgl. Harney ... und grundlegend zu dieser Differenz als binäremCode des Wirtschaftssystems Luhmann ...). Sie orientieren sich an der durch das Kom-munikationsmedium Geld symbolisierten Struktur der monetären Realität, die quasi alskommunikations- und handlungsleitende Metastruktur fungiert und dabei auch die be-trieblichen Aus- und Weiterbildungstätigkeiten unter den binären Code des Wirtschafts-systems subsumiert. Das heißt konkret, dass sich alles Verhalten in der OrganisationBetrieb im Rahmen des ökonomisch Vertretbaren halten muss. Mitglieder und Nicht-Mitglieder müssen sich auf die kontingenzreduzierende Funktion der Organisation ver-lassen können; hier finden spezielle Handlungsabläufe statt, die in der Umwelt der Or-ganisation so nicht zu erwarten sind. In diesem Sinne operiert die betriebliche Weiter-bildung hier in einer nicht-pädagogischen Organisation und muss sich derenwirtschaftlicher Codierung unterordnen, so dass der Prozess des ‚people processing‘ indiesem Falle Rentabilitätsprämissen unterliegt, womit im Überschneidungsbereich derbetrieblichen Weiterbildung (vgl. Luhmann/Schorr ...; Schriever ...; Kurtz ...) die pädago-gische Funktionslogik in die ökonomische des Betriebes involviert bzw. unter diese sub-sumiert wird.Dies bedeutet aber nicht, dass in Interaktionskontexten betrieblicher Weiterbildunggewirtschaftet und nicht unterrichtet wird; natürlich wird hier Wissen vermittelt und –wenn es gut geht – auch gelernt, aber die betriebliche Organisation stellt den Rahmender Interaktion: Ob überhaupt innerbetrieblich weitergebildet werden soll, ist mehr einökonomisches als ein pädagogisches Problem, und auch die Ziele der Weiterbildungwerden von der Organisation selbst vorgegeben; das Ergebnis der Weiterbildung musspositiv in den Organisationskontext des Betriebes involviert werden können. Die Frage,wie vermittelt und gelernt werden soll, ist ein Problem der pädagogischen Interaktion,die Fragen aber, was und wofür gelernt werden soll, sind in weiten Teilen von der Orga-nisation abhängig.Die betriebliche Weiterbildung operiert also im Rahmen der funktionalen Spezifika desWirtschaftssystems und ist damit an seiner Autopoiesis beteiligt. In diesem Sozialsys-tem spielt die Interaktion nur eine untergeordnete Rolle ...In der Wirtschaft geht es um die Wiederherstellung von Zahlungsfähigkeit nach Zahlun-gen, und das bedeutet, dass hier nicht zuerst die Probleme von Personen als Umweltdes Systems thematisiert werden, sondern die der Anschlussfähigkeit von systeminter-ner Kommunikation: Auch in der betrieblichen Weiterbildung scheint es nicht primär umdie Probleme des Beschäftigten zu gehen, sondern um das Überleben des Betriebes.Die Funktion der betrieblichen Weiterbildung ist primär an Zielen und Kriterien betrieb-licher Rentabilität orientiert (vgl. Pätzold ...; Meueler ...), was sich am Beispiel der beruf-lichen Weiterbildung zeigen lässt, die in aller Regel von den Betrieben nur finanziertwird, wenn sich daraus ein direktes Betriebsinteresse ableiten lässt. Und so muss denndie Meisterausbildung in der überwiegenden Zahl der Fälle von den Kandidaten selbst –oftmals über die Aufnahme von Krediten – finanziert werden, denn diese gilt als auf-stiegsorientierte, in erster Linie die sich weiterbildende Person weiterbringende Fort-bildung und hat für den Einzelbetrieb, sofern am Arbeitsmarkt ein ausreichendes Ange-bot an fähigen Meistern vorhanden ist, zumeist keinen unmittelbaren Vorteil. Die be-triebsinterne Weiterbildung (wie auch Ausbildung) zielt nicht primär auf die Veränderungder personalen Umwelt, sondern dient als Mittel zum Zweck der Generierung von Zah-lungsfähigkeit sowohl des Einzelbetriebes wie auch des Gesamtsystems.Damit stehen die in den letzten Jahren verstärkt beobachtbaren Professionalisierungs-

5. Professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln: Charakteristik und Qualität

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versuche von Betriebspädagogen vor dem generellen Problem, dass die betrieblicheFunktionslogik der Handlungslogik von Professionen vollständig widerspricht (Hervor-hebung durch R. P.). Professionen haben die Aufgabe der Vervollkommnung von Perso-nen in bezug auf Glück, Gesundheit, Gerechtigkeit, Zufriedenheit etc., Betriebe aberwollen und müssen in erster Linie überleben. Damit ist natürlich nicht ausgeschlossen,dass auch die betriebliche Ausbildung als Nebeneffekt das Selbstwertgefühl von Indivi-duen etc. steigert, aber dies ist nicht ihr Hauptinteresse, sondern fungiert allenfalls alsBegleitsemantik. Die Zufriedenheit der Betriebsmitglieder muss mit der – wenn man sosagen darf – Zufriedenheit des Betriebes, die sich im wirtschaftlichen Überleben aus-drückt, korrespondieren.Dies gilt dann im übrigen auch für die Situation der betrieblichen Weiterbildner, die zwaroftmals eine quasi professionelle Ausbildung als Pädagoge bzw. Berufspädagoge durch-laufen haben, sich im Betrieb aber an dessen ökonomischer Rationalität orientierenmüssen. Wenngleich das Handeln in der betrieblichen Weiterbildung Ähnlichkeiten mitder professionellen Handlungslogik der pädagogischen Professionen aufweist, hat siesich bisher nicht als Profession im Kontext des Erziehungssystems ausdifferenzierenkönnen, da hier Personen im weitesten Sinne zur Formung betrieblicher Interessen her-halten müssen. Die andere Seite, die ‚Formung von Lebensläufen‘ (Luhmann ...) als För-derung von Personen, die in der Betriebspädagogik propagierte Persönlichkeitsbildung(vgl. Arnold ...; Lisop ...), scheint nur ein Nebeneffekt der betriebsinternen Weiterbildungzu sein, wenngleich dieser nicht unterschätzt werden darf. Die damit angestrebte Kopp-lung von Person und betrieblicher Organisation dient allerdings mehr letzterer. (...)Gegen die Bestimmung der betrieblichen Weiterbildung als Profession spricht übrigensnoch ein weiterer Grund: Professionen verwalten die Inklusionsprobleme von Funkti-onssystemen. In der Moderne ist nun prinzipiell jeder Person, unabhängig von ihrerHerkunft und sozialen Platzierung, der Zugang zu jedem Funktionssystem offen (vgl. Luh-mann/Schorr ...). Für die professionell betreuten Funktionssysteme bedeutet dies nun,dass auch jeder die Dienstleistung von Professionellen in Anspruch nehmen und damitan der jeweiligen gesellschaftlichen Funktion partizipieren kann. In der betrieblichenWeiterbildung sieht dies aber grundlegend anders aus. Zuerst einmal gibt es eine offen-sichtliche Voraussetzung zur Partizipation an dieser: Man muss Mitglied des jeweiligenBetriebes sein. Darüber hinaus lässt sich aber auch noch feststellen, dass sich die der-zeitigen Weiterbildungsangebote der Betriebe überwiegend an Führungskräfte richten(vgl. Rothe ...; Arnold ...), dass die Betriebe den Zugang zur von ihnen finanzierten Wei-terbildung also nicht allen in ihnen tätigen Beschäftigtengruppen in gleichem Maßeofferieren.All dies zusammengefasst, lässt sich folgern, dass sich die betriebliche Weiterbildungim Rahmen der funktional differenzierten Moderne nicht als Profession im Kontext ei-nes Funktionssystems hat ausdifferenzieren können, sondern im Überschneidungsbe-reich von Erziehung und Wirtschaft operiert. Die betriebliche Weiterbildung ist ein Wis-sen vermittelnder (und darin ähnelt sie der pädagogischen Profession) Expertenberuf,wobei die Struktur des Weiterbildungsprozesses durch die Orientierung am Kommuni-kationsmedium Geld innerhalb der Betriebe mitbestimmt wird. Wer dennoch die be-triebliche Weiterbildung auf dem Wege zu einer Profession sehen möchte, der musssein Augenmerk im besonderen auf Prozesse der Persönlichkeitsbildung als Ziel derWeiterbildung richten, muss sich aber gleichzeitig fragen, ob dies die gesellschaftlicheRealität widerspiegelt“ (Kurtz 2000, S. 115–118).

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Im Hinblick auf die notwendige Berücksichtigung der Lern- und Bildungs-interessen von Personen im professionellen Erwachsenenbildungs-Han-delns lässt sich nicht zuletzt vor dem dargelegten Hintergrund formulie-ren, dass diese wohl zunehmend nach Maßgabe ihrer ökonomischenRentabilität und weniger nach Maßgabe einer Vorstellung von individu-ell und gesellschaftlich relevanter Bildung Berücksichtigung finden, sodass das didaktische Prinzip der Teilnehmerorientierung Gefahr läuft,zum ideologischen bzw. legitimatorischen Konstrukt zu werden.

Innerhalb der betrieblichen Weiterbildung, die zwangsläufig zuerst ei-ner ökonomischen und organisationsspezifischen Handlungslogik fol-gen muss und erst danach einer didaktischen Handlungslogik folgen kann,ist die Orientierung an Teilnehmenden sicherlich partiell im Rahmensituativer Lernprozesse möglich, nicht jedoch als grundlegendes didak-tisches Handlungsprinzip. Denn im Mittelpunkt betrieblicher Bildungstehen nicht die Lerninteressen von Personen, sondern die betrieblichenInteressen am ebenso betrieblich definierten und begründeten Lernenvon Personen. Die Interessen der Arbeit-, Auftrag- und Geldgeber, soferndiese nicht mit den lernenden Erwachsenen identisch sind, sind für dasdidaktische erwachsenenbildnerische Handeln ein weiterer strukturellerBezugspunkt, der u. a. bei der Entwicklung von Lernzielen und -inhal-ten, aber auch bei der Auswahl von Methoden, Medien, Orten, Räumenund Evaluationsverfahren relevant wird. Sofern diese Interessen so do-minant werden, dass sie personale Lerninteressen zu „erdrücken“ dro-hen, ist auch professionelles Handeln kaum noch möglich.

Angesichts der pluralen Trägerschaft von organisierter Erwachsenenbil-dung drücken sich die Interessen der Arbeit-, Auftrag- und Geldgeberam stärksten in der inhaltlichen Programmstruktur bzw. der Auswahl undArt der zu vermittelnden und anzueignenden Lerninhalte aus. Darausergibt sich die ständige Anforderung an professionelles didaktisches Er-wachsenenbildungs-Handeln, zu prüfen, inwieweit die jeweils zu ver-mittelnden Inhalte der Bildung der betroffenen Personen und den Bil-dungsinteressen der Gesellschaft dienen. Dies erfordert, Lerninhalte nachMaßgabe des einschlägigen und gesellschaftlich verfügbaren Wissenszur jeweiligen Thematik auszuwählen und zu vermitteln (Handlungskri-terium Wahrheit) und nicht so zu verkürzen, zu verändern oder anzu-passen, dass sie nur noch bestimmten Interessen (HandlungskriteriumMacht) dienen.

5. Professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln: Charakteristik und Qualität

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Sehr stark politischen, ökonomischen, religiösen, weltanschaulichen,ökologischen oder sonstigen Interessen ausgesetztes didaktisches Er-wachsenenbildungs-Handeln mit professionellem Anspruch ist dahernicht nur immer auch gleichzeitig konfliktträchtiges politisches Han-deln, es ist auch ständig in Gefahr, sich für einseitige, interessengelei-tete, machtvolle Beeinflussung, im extremen Fall gar für Mission, Agi-tation und Propaganda vereinnahmen zu lassen oder darin abzuglei-ten. Dieses Handeln wäre dann nicht mehr professionell, weil es nichtmehr angemessen die jeweiligen personalen Lerninteressen und die er-wachsenengemäße Selbstbestimmung berücksichtigte, sondern die Ver-pflichtung auf größtmögliche Rationalität, Universalität und Wahrheitzugunsten einseitig partikularer Verpflichtungen aufgegeben hätte. Bil-dung als professionelle Leitvorstellung wäre damit obsolet, weil es die-se ohne universales, interessen-unabhängiges Wissen und Können nichtgeben kann.

Im Interesse der Gesellschaft, im Zeitalter der Globalisierung sogar der„Welt“, müsste es daher liegen, dass die organisierte Bildung Erwachse-ner wie die der Kinder und Jugendlichen nach öffentlich überprüfbarenKriterien stattfindet, die dort vermittelten Inhalte gesellschaftlichen Min-deststandards genügen und das eingesetzte Bildungspersonal definierteund gesellschaftlich kontrollierte Kompetenzen für didaktisches Handelnnachweist. Denn die seit Beginn des letzten Jahrzehnts zunehmend inErwachsenenbildungs- und Weiterbildungsinstitutionen eingeführte Qua-litätssicherung (vielfach eine Bedingung für die Weitergewährung öffent-licher Zuschüsse) und Qualitätsmanagement-Systeme sichern offenbarvor allem betriebswirtschaftlich effiziente Organisations- und Handlungs-abläufe sowie die „Kundenzufriedenheit“.

Eine im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung(BMBF) durchgeführte Studie zu Qualitätssicherungs- und Qualitätsma-nagementsystemen bei 1.504 Weiterbildungsanbietern in Deutschlandergab u. a., dass bei über 80 Prozent der Befragten Marketinggesichts-punkte für deren Einführung ausschlaggebend waren.

„Am häufigsten wurden als positive Effekte die Verbesserung der Arbeitsabläufe (92 %,davon 76 % starke und sehr starke Effekte) genannt. Auch die Zufriedenheit der Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter ist durch die Qualitätsentwicklung bei knapp 90 % der be-fragten Einrichtungen beeinflusst worden. Kostensenkungen konnten 60 % der Weiter-bildungseinrichtungen als Effekt feststellen, allerdings überwiegend in geringerem

Theoretischer Teil

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Umfang. Die Akquisition von mehr Fördermitteln geben 40 % der Einrichtungen an, wo-bei auch hier die Effekte eher als gering eingeschätzt werden“ (Bötel/Seusing 2002,S. 37).

Wodurch die Zufriedenheit der Mitarbeiter der befragten Weiterbildungs-einrichtungen im Rahmen der Qualitätssicherung gesteigert werden konn-te, wird durch die Studie leider nicht beantwortet. Gemeint sind aberwohl die hauptberuflichen pädagogischen Mitarbeiter, denn

„es sind nicht nur die Organisationen der Weiterbildung, die in eine marktähnliche Be-ziehung zu ihren Aufgaben gedrängt werden, sondern es sind auch die Kursleiter undDozenten selbst, die sozusagen von unten her eine solche Beziehung zu den sie be-schäftigenden Einrichtungen aufgebaut haben (Schrader ...) und damit eine Art The-men- und Angebotsökonomie entwickeln, auf deren Grundlage sie ihre Dienstleistun-gen realisieren.Die Entkoppelung von Funktion und Organisation der Weiterbildung, durch die sich indie Organisationen Indifferenzbeziehungen den Funktionen wie auch der substanziel-len Qualität der durch sie bereitgestellten Arbeit gegenüber einstellen, findet daher vonoben wie auch von unten gleichermaßen statt: Funktions- bzw. aufgabenbezogene Lo-giken des Handelns treten zugunsten einer quasi betrieblichen Reproduktionslogik zu-rück. Die Karriere des Qualitätsmanagements ist der Reflex auf diese Problematik: ImQualitätsmanagement werden Dienstleistungen unter dem Aspekt ihrer Reproduktions-bedeutsamkeit für die Organisation, und zwar im Sinne von Geschäftsergebnissen be-wertet. Die Verlagerung des Teilnehmerbegriffs auf den Begriff des Kunden bildet dieVorherrschaft genau dieser reproduktiven Perspektive ab: Die Funktion kommt als ihrDerivat in den Blick (Nittel ...). Im Unterschied dazu verdankt sich das heutige, in derangesprochenen Änderungsdynamik stehende Erbe der Rechtsverhältnisse, der Trä-gerstrukturen und der Finanzierungsinstrumente der genau umgekehrten Priorisierung:nämlich die Reproduktion der Organisationsebene als Derivat der Funktions- und Auf-gabenorientierung zu begreifen“ (Harney 2002, S. 129).

Die von Harney angedeuteten und von Schrader ausführlich beschrie-benen Agenturbeziehungen zwischen neben- und freiberuflichen Erwach-senenbildner/inne/n und ihren Beschäftigungsinstitutionen stellensozusagen von oben (Auftraggeber) und von unten (Auftragnehmer) dieAufgabenorientierung an Bildung massiv in Frage und dürften nebengenannten Einschränkungen die professionelle Struktur auch der inter-aktionsbezogenen Erwachsenen-Bildungs-Arbeit aushöhlen, falls sieüberhaupt gegeben war oder ist. Harney sieht in den strukturellen Ver-änderungen des Weiterbildungssystems und seiner Institutionen etwa seitden 1990er Jahren mit den beschriebenen Folgen für die Tätigkeiten undHandlungsstrukturen des Erwachsenenbildungs-Personals eine Verschie-bung des Funktions- und Aufgabenverständnisses, die das Lernen Erwach-sener nicht mehr als Bildungsthematik, sondern als Thematik der ge-

5. Professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln: Charakteristik und Qualität

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Leistung eines professionellen didaktischen Beitrags zur Bildung Erwach-sener und damit zugleich zur Realisierung des gesellschaftlichen Zentral-werts Bildung

Der gebildete Erwachsene; die gebildete (Welt-)Gesellschaft (gesell-schaftlicher Zentralwert Bildung)

Didaktisches Handeln zur Ermöglichung von Lern- und BildungsprozessenErwachsener in Kooperation mit lernbereiten und lernenden Erwachsenen

• Ermitteln von individuellen und gesellschaftlichen Lerninteressen• Diagnose von Lernfähigkeit• didaktische Planung von Lernprozessen, Lernveranstaltungen und

Lernprogrammen• indirekte und direkte Ermöglichung des Lernens Erwachsener durch ...

... die Herstellung von didaktischen Materialien und Medien

... räumlich-zeitliches Lernarrangement

... Beraten, Begleiten, Moderieren, Lehren, Anleiten und Unterweisen

... die didaktische Beobachtung, Auswertung und Reflexion von didaktischen Vermittlungs- und Aneignungsprozessen... die Beurteilung des didaktischen Handelns und des Lernhandelns

Didaktische Relationierung von individuellen und gesellschaftlichen Inter-essen an Lernen und Bildung sowie von relevantem wissenschaftlichenund beruflichen Wissen und Können der/des Handelnden

• Differenzierte Rollen von didaktisch handelnden Erwachsenenbildner/inne/n und lernbereiten sowie lernenden Erwachsenen

• Asymmetrie des didaktischen Verhältnisses zwischen Erwachsenen-bildner/inne/n und Lerninteressierten sowie lernenden Erwachsenen

• Repräsentanz der strukturellen Handlungselemente: professionell han-delnde Erwachsenenbildner/innen, lernbereite sowie lernende Erwach-senen, Lern- und Bildungsinhalte, gesellschaftliche Interessen am Ler-nen und an der Bildung Erwachsener

• Auf das Lernen und die Bildung Erwachsener und gesellschaftliche In-teressen an Lernen und Bildung Erwachsener bezogen

• hoher Stellenwert direkter, didaktisch geprägter Interaktion zwischenErwachsenenbildner/inne/n und lernbereiten sowie lernenden Erwach-senen

• begrenzte Planbarkeit und Technologisierbarkeit des interaktiven di-daktischen Handelns

• begrenzte Kontrollierbarkeit des Handlungserfolgs• Erfolgsunsicherheit des auf Mitwirkung der Lernenden angewiesenen

didaktischen Handelns

• Gelingende didaktische Relationierung von individuellen und gesell-schaftlichen Interessen an Lernen und Bildung Erwachsener

• gelingende didaktische Relationierung wissenschaftlichen und berufli-chen Wissens und Könnens im didaktischen Erwachsenenbildungs-Handeln

Gelingende Lern- und Bildungsprozesse Erwachsener als ein Ergebnis derLeistung eines professionellen didaktischen Beitrags zur Bildung Erwach-sener (neben deren eigener Lern- und Bildungsleistung)

Übersicht 4: Professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln

Handlungsaufgabe

Handlungsreferenzen

Handlungsart

Handlungsfiguren

Handlungstypus

Handlungsstruktur

Handlungsmerkmale

Handlungsqualität(Professionalität)

Handlungserfolg

Theoretischer Teil

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schäftlichen Reproduktion versteht. Die Schlüsselbegriffe dafür seien derBegriff des Kunden wie auch der Qualität im Sinne des alltäglichen Ma-nagementdiskurses. Das Gegenmodell dazu sei das der professionellenArbeitsbeziehung, das in der Weiterbildung eine Vermittlungs- und Be-ratungspraxis darstelle, die in der Selbstkonstruktion des Lebenslaufs undauch des Lebenslaufs von Teilnehmern ihren Ausgangspunkt habe (vgl.Harney 2002, S. 125). „Mit der Ausrichtung am Kunden und an derManagementqualität hat sich dieses ... Projekt der Professionalisierungder Weiterbildung – bis auf weiteres jedenfalls – als gescheitert heraus-gestellt“ (Harney 2002, S. 125).

Trifft diese Einschätzung zu – und viele Anzeichen sprechen dafür – er-weist es sich als besonders fatal, dass das „Projekt der Professionalisie-rung der Weiterbildung“ in den vergangenen dreißig Jahren nicht vonden Weiterbildner/innen bzw. Erwachsenenbildner/innen zu ihrem ei-genen gemacht worden ist, indem sie etwa ihr professionelles Aufgaben-verständnis, ihr Handlungsethos sowie ihr Wissen und Können als we-sentliche und unverzichtbare Bezugspunkte professionellen Erwachse-nenbildungs-Handelns zur Geltung gebracht und für dessen auchökonomisch angemessene Beachtung gesorgt hätten, wie es anderen Be-rufen, etwa den Psychotherapeuten, gelungen zu sein scheint.

5.3 Erwachsenenbildungs-Professionalität

Der Professionalität als erwachsenenbildnerischem Handlungsphänomengilt in dieser Studie besonderes Interesse. Dieses entstand nicht zuletztdeshalb, weil erwachsenenbildnerischer Professionalität bisher nicht dietheoretische und praktische Aufmerksamkeit zuteil wurde, die bei demseit Jahrzehnten allenthalben erhobenen Professionsanspruch und derseit über einem Jahrzehnt geführten Qualitätsdebatte in der Erwachse-nenbildung zu erwarten (gewesen) wäre.

Wie im Kapitel 2 gezeigt wurde, kann diese Abstinenz jedoch nicht wirk-lich verwundern, weil die Professionalisierung der Erwachsenenbildungals vorwiegend strategisch-quantitative Berufsentwicklung in erster Li-nie bildungspolitisch motiviert war und auch so und nicht berufspoli-tisch betrieben wurde; mit Qualität ist anscheinend vor allem Organisa-tionsqualität gemeint. Dieses Hintergrunds ungeachtet wurde und wirdder Professionalitätsbegriff als Teil einer allgemein gebräuchlichen Auf-

5. Professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln: Charakteristik und Qualität

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wertungs-Semantik und als Fläche für vielfältige Projektionen seit Jahr-zehnten gern verwendet. Dessen Uneindeutigkeit mochte und mag fürden einen oder anderen Zweck nützlich sein, für wissenschaftliche Ana-lysen ist sie jedoch hinderlich.

Im Folgenden werden die in der wissenschaftlichen Diskussion zu einergewissen Prominenz gelangten Vorstellungen von Professionalität in derErwachsenenbildung vorgestellt und erörtert, wobei den zuletzt von D.Nittel (2000) veröffentlichten Beschreibungen auf Grund ihrer vergleichs-weise hohen Aktualität besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. ImAnschluss daran wird eine eigene Definition von Erwachsenenbildungs-Professionalität gegeben.

5.3.1 Professionalitäts-Verständnisse in derErwachsenenbildungs-Wissenschaft

Im 1972 von W. Schulenberg u. a. herausgegebenen Buch „Zur Professi-onalisierung der Erwachsenenbildung“ war von Professionalität als pro-fessionstheoretischer Kategorie noch nicht die Rede, wohl aber davon,welchen Anforderungen das berufliche Handeln von Erwachsenenbild-ner/inne/n genügen und welche Voraussetzungen dafür gegeben seinmüssen. Professionalisierung im engeren Sinne setze u. a. eine durch-weg wissenschaftliche Ausbildung, berufliche Weiterbildung, intensiveKommunikation der Berufstätigen untereinander und das starke Bewusst-sein davon voraus, eine öffentliche Aufgabe wahrzunehmen, schrieb W.Schulenberg in seinem einleitenden Beitrag (Schulenberg 1972, S. 17).Zusammen mit J. Knoll und F. Pöggeler stellte er 1983 fest, Professiona-lität konstituiere sich durch pädagogische und fachliche Kompetenz unddurch die Fähigkeit, disponierend und lehrend tätig sein zu können (Knoll/Pöggeler/Schulenberg 1983).

Wenn Professionalität durch Kompetenzen und Fähigkeiten konstituiertwird, was plausibel erscheint, kann sie logischerweise nicht identischsein mit ihren Konstituenten, sondern stellt etwas Neues her. Mit dieserAuffassung unterscheiden sich Knoll/Pöggeler/Schulenberg bereits frühvon anderen Auffassungen zur Erwachsenenbildungs-Professionalität, diediese mit einer besonderen Kompetenz gleichsetzten. Als eine dieser,vielleicht die am häufigsten aufgegriffene Definition von Professionalitätkann die von H. Tietgens gelten: Was Erwachsenenbildung aller Spartenbrauche, sei Professionalität als situative Kompetenz. Dies bedeute, breit

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gelagerte, wissenschaftlich vertiefte und damit vielfältige abstrahierteKenntnisse in konkreten Situationen angemessen anwenden zu könnenoder umgekehrt in Situationen zu erkennen, welche Bestandteile ausdem Wissensfundus relevant sein können. Es gehe also darum, im ein-zelnen Fall das allgemeine Problem zu entdecken, immer wieder Relati-onen herzustellen zwischen gelernten Generalisierungen und eintreten-den Situationen, zwischen einem umfangreichen Interpretationsreper-toire und dem unmittelbar Erfahrenen. Dies gelte im Prinzip für alle inder Erwachsenenbildung Tätigen, unabhängig davon, ob ihre jeweiligenTätigkeiten mehr planende oder beratende, lehrende oder moderieren-de seien (vgl. Tietgens 1988a, S. 37).

Damit hat Tietgens professionelles Handeln und dessen Voraussetzun-gen – Kompetenzen – beschrieben, nicht aber Professionalität. IndemS. Kade die Definition Tietgens‘ aufgreift und weiterführt, tritt dies deut-lich zutage. Auch sie bezeichnet zwei Jahre später situative Kompetenzneben unverzichtbaren weiteren Kompetenzen als „Kern der Professio-nalität“ (Kade 1990, S. 54) und diese selbst als „Einheit von Theorie- undHandlungswissen“ (ebd., S. 37). Kompetent sei ein Handeln dann, wenndie ihm zu Grunde liegenden universellen Handlungsregeln begründetwerden könnten und zugleich in einer partikularen Situation fallbezo-gen zur Anwendung kämen.

Kompetenzen wiederum seien handlungsbezogene Fähigkeiten, derenEinheit die Handlungssituation sei und die mit Hilfe von Handlungsher-meneutik als Qualifizierungskonzept für die Erwachsenenbildungspra-xis zu erwerben seien (vgl. ebd., S. 56–58). Auf Kompetenzen, derenAnwendung und Erwerb im Zusammenhang mit professionellem Erwach-senenbildungs-Handeln, wird im Weiteren noch einzugehen sein; dieGleichsetzung einer Kompetenz mit Professionalität (Tietgens), mit de-ren Kern oder mit der Einheit verschiedener Wissensformen (Kade) kannnicht überzeugen, weil diese eben als Voraussetzungen professionellenHandelns verstanden werden müssen. Auch kompetentes Handeln imSinne des Einsatzes dieser Kompetenzen kann nicht Professionalität sein,sondern bestenfalls Professionalität erzeugen.

Der Begriff „situative Kompetenz“ erscheint zudem als inhaltsleer, weilmit „situativ“ ein Handlungs-Vermögens kaum gehaltvoll qualifiziertwerden kann. Gemeint ist damit wohl, berufliche Handlungssituationen

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kompetent meistern zu können. Anders ausgedrückt: eine angemessenePerformanz von Fähigkeiten in Handlungssituationen entwickeln zu kön-nen. Doch in beruflichen Handlungssituationen das Richtige richtig tunzu können, und zwar auf der Basis vielfältiger Fähigkeiten und Fertigkei-ten, ist nicht nur eine Anforderung an professionell Handelnde, sondernwohl an jede Form von Berufsarbeit. Die von Tietgens und Kade als Pro-fessionalität beschriebene „situative Kompetenz“ ist insofern weder pro-fessionsspezifisch, noch wird sie von ihnen auf Erwachsenenbildung hinspezifiziert. Was macht also erwachsenenbildnerische Professionalitätaus und worin unterscheidet diese sich von anderen Arten von Professi-onalität?

Vielleicht auch wegen dieser unbefriedigenden Allgemeinheit konstatiertH. Siebert 1990, was das Besondere der Professionalität öffentlicher Er-wachsenenbildung ausmache, sei bisher trotz aller theoretischer Klärungs-versuche eher blass geblieben. Er selbst definiert allerdings auch nicht,was unter einer spezifischen Professionalität von Erwachsenenbildner/inne/n zu verstehen sei, sondern beschreibt vier Dimensionen erwachse-nenbildnerischer „professioneller Kompetenz“, womit zumindest impli-zit ebenfalls eine Gleichsetzung von Professionalität und Kompetenz er-folgt – wie auch in der Rahmenordnung für den erziehungswissenschaft-lichen Diplomstudiengang der Kultusministerkonferenz von 1989, in dervon „professioneller Handlungskompetenz“ die Rede ist. Für H. Siebertumfasst professionelle Kompetenz von Erwachsenenbildner/inne/n:

• Die Beherrschung funktionaler Fähigkeiten und Techniken, z. B.die Ermittlung von Daten für die Programmplanung, die infor-mative und motivierende Gestaltung eines Programms, die Aus-wahl geeigneter Veranstaltungsformen und Lernorte, ein Reper-toire an Lehr-Lernmethoden, Verfahren der Reduktion und Re-konstruktion des Stoffes, die organisatorische Sicherung einesBildungsangebots.

• Ein Relationsbewusstsein und eine Transformationskompetenz,d. h. die Fähigkeit, allgemeine und wissenschaftliche Erkennt-nisse über die Mentalitäten von Zielgruppen, über kognitiveSchemata und affektive Dimensionen des Lernprozesses, überMotivationen und Lernbarrieren, über gruppendynamische Pro-zesse situationsangemessen und flexibel anwenden zu können.

• Eine reflexive Sensibilität, d. h. eine Vergewisserung und Be-gründung der eigenen Motive und Interessen, Stärken und

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Schwächen, der professionellen und institutionellen Möglich-keiten und Grenzen, der Auswirkungen des eigenen Handelnsund Verhaltens auf Mitarbeitende, Adressaten/innen und Teil-nehmende, die Klärung der eigenen pädagogischen Identität.

• Eine ethische Verantwortung gegenüber den Teilnehmenden undder Öffentlichkeit, wenn man so will: eine verantwortliche „Hal-tung“ (vgl. Siebert 1990, S. 284f.)

1995 erweiterte H. Siebert diese Dimensionen, konstruktivistisch inspi-riert, um die Sensibilität für Wirklichkeitskonstruktionen und Deutungs-muster anderer, die Einsicht in die lebensgeschichtlichen und gesellschaft-lichen Bedingungen dieser Weltanschauungen, die Fähigkeit zur Wahr-nehmung von Differenzen sowie die Fähigkeit, Rahmenbedingungenherzustellen, welche die Möglichkeiten der Lernfähigkeiten Erwachse-ner erweitern. Diese beträfen das Bildungsmanagement ebenso wie dieProgrammplanung, die „support structures“ wie die Seminargestaltung(vgl. Siebert 1995, S. 329–342).

Professionelle Kompetenz von Erwachsenenbildner/inne/n, hier gleichsamals Synonym für Professionalität verwendet, besteht danach nicht mehrnur in spezifischen Fähigkeiten, sondern auch in spezifischen Haltun-gen, Einstellungen und einem spezifischen Bewusstsein. Das Bewusst-sein von der Art und Aufgabe des eigenen Handelns ist für E. Fuchs-Brüninghoff sogar identisch mit Professionalität, wenn sie definiert: „Pro-fessionalität ist, wenn die Personen wissen, was sie tun und wozu sie estun“ (Fuchs-Brüninghoff 1997, S. 116). Hintergrund dieser reduktionisti-schen Definition dürfte die in der Erwachsenenbildungs-Fachliteraturhäufig kritisierte Feststellung Tietgens‘ gewesen sein, Erwachsenenbild-ner/innen seien sich „ihrer professionellen Kompetenz nicht voll bewusst“(Tietgens 1988a, S. 30), die er im Rahmen einer Interpretation der Ergeb-nisse einer Studie W. Giesekes getroffen hatte.

Für E. Nuissl hat Professionalität ebenfalls mit dem subjektiven Verständ-nis der ausgeübten beruflichen Tätigkeiten zu tun, ohne dass diese sichschon, wie bei Fuchs-Brüninghoff, im Bewusstsein des eigenen Tuns er-schöpfen:

„Professionalität ist gewissermaßen der ideologisch überhöhte Beruf, die Philosophie,die in der Arbeit steckt. ... Professionalität ist immer auch ein Begriff, der suggeriert, das

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jeweilige Handeln sei sowohl effektiv (ich tue das Richtige!) als auch effizient (ich tuees richtig!)“ (Nuissl 1997, S. 13).

Folgte man dieser Sichtweise, dann wäre Professionalität vor allem einideologisches Konstrukt bzw. eine Selbst-Suggestion zur Aufwertung deseigenen beruflichen Handelns. Zwar hat „Professionalität“ im allgemei-nen Sprachgebrauch den Beiklang von „gut“, „richtig“ oder „effektiv“.Nuissls Formulierung „immer auch“ verweist jedoch darauf, dass „Pro-fessionalität“ noch mehr meint als ein qualifizierendes „Etikett“.

B. Koring, der „Die Professionalisierungsfrage der Erwachsenenbildung“1992 vor allem mit dem Interesse erörterte, ob und wieweit diese alspädagogische verstanden werde/werden könne, bezeichnete „pädago-gische Professionalität“ in der Erwachsenenbildung als einen „eigenenTypus professionellen Handelns“, der sich auf die zwei Komponentenerwachsenenpädagogischer Tätigkeit, nämlich eine „situationsbezoge-ne“ und eine „organisatorische“ beziehe (Koring 1992, S. 187).

Geht man aber davon aus, dass Professionalität als Handlungsphäno-men sich zwar im Handeln zeigt (oder auch nicht), aber nicht bereits dasHandeln selbst oder ein bestimmter Typus des Handelns ist, dann über-zeugt auch diese Definition nicht. Zudem scheint auch die hier vorge-nommene Typisierung des erwachsenenbildnerischen Handelns als„situationsbezogen“ – gemeint ist die erwachsenenpädagogische Inter-aktion in der Lehre – und „organisationsbezogen“ – gemeint sind dispo-nierende didaktische und Management-Tätigkeiten – kaum die Realitätdes erwachsenenbildnerischen Handelns hinreichend und angemessenzu erfassen (vgl. Kapitel 5.3).

Trotz der Heterogenität der existierenden vorgestellten Professionalitäts-Vorstellungen meinte Wittpoth im Jahr 1996 erstaunlicherweise, es habesich „überall dort, wo mit ‚professionell‘ mehr gemeint ist als ‚technischversiert‘, ein relativ breiter Konsens darüber herausgebildet, was unter(erwachsenen-)pädagogischer Professionalität verstanden werden soll“(Wittpoth 1996, S. 2). Unter diesen „Konsens“ fasste er sodann

• erziehungs- und sozialwissenschaftliches Wissen in Form tech-nischen Problemlösungs- sowie analytisches bzw. Deutungs-wissens,

• situative Handlungskompetenz, die es den Pädagogen ermög-

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licht, wissenschaftliches Wissen auf den einzelnen praktischenFall zu beziehen,

• Bezug des Handelns der Pädagogen auf Personen, die ihre eherkomplexen Probleme nicht allein und nicht im Alltag lösen kön-nen in Form „stellvertretender Deutung“,

• gesellschaftlich lizenzierte, zentralwertbezogene Klientenbetreu-ung, die einen objektiven gesellschaftlichen Bedarf befriedigt.

Wittpoth übersah, dass der vermeintliche Konsens nicht erwachsenen-bildnerische Professionalität beschreibt, sondern in der Erwachsenenbil-dungs-Wissenschaft verbreitete, professionstheoretisch zum Teil unver-einbare Vorstellungen von professionellem Handeln als solchem.

Im Jahr 2000 setzte sich schließlich D. Nittel relativ ausführlich mit derFrage der Professionalität von Erwachsenenbildner/inne/n auseinander.Er schrieb:

„Vom Standpunkt des aufgeklärten Alltagsverständnisses aus kann man Professionali-tät in einem ersten Anlauf als einen spezifischen Modus im Vollzug des Berufshandelnsdefinieren, der Rückschlüsse sowohl auf die Qualität der personenbezogenen Dienst-leistung als auch auf die Kompetenz des beruflichen Rollenträgers erlaubt. (...) Wissenund Können bilden die beiden Quellen von Professionalität, allerdings beschränkt siesich weder auf das Fachwissen einer akademischen Disziplin noch auf die bloße Intui-tion oder die reine Erfahrung des virtuosen Praktikers. Professionalität stellt vielmehreine nur schwer bestimmbare Schnittmenge aus beiden dar“ (Nittel 2000, S. 71).

Während Professionalität hier im ersten Satz als spezifischer Handlungs-modus bezeichnet wird, bildet sie im zweiten Satz zugleich auch dieSchnittmenge der Quellen, aus denen sie sich nach Nittel speist. DochProfessionalität ist nach Nittel noch viel mehr: Sie wird auch

„auf der Ebene der professionellen Selbstdeutung manifest, oder anders ausgedrückt:der Erwachsenenbildner agiert nicht nur ‚gut‘, er weiß auch, dass er ‚gut‘ ist.Professionalität beinhaltet einen Reflexionsstil und Urteilsformen, die dem Akteur hoheBegründungsleistungen abverlangen und eine realistische Selbstbeobachtung ermög-lichen“ (ebd., S. 84).Schließlich sei „Professionalität kein ‚Zustand‘, der errungen oder erreicht werden kann,sondern eine flüchtige, jedes Mal aufs Neue situativ herzustellende berufliche Leis-tung. Sie kann weder verordnet werden, noch erschöpft sie sich in der Ausformulierungnormativer Prämissen. Professionalität stellt in dieser Perspektive somit ein extrem stör-anfälliges, durch das Merkmal der Fallibilität gekennzeichnetes Handlungsphänomendar“ (ebd., S. 85).

5. Professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln: Charakteristik und Qualität

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Danach wäre Professionalität also ein Handlungsmodus, eine Schnitt-menge ihrer Quellen (einschließlich Intuition und Erfahrung), eine Ma-nifestation der Selbstdeutung, ein Reflexionsstil, eine Urteilsform, eineberufliche Leistung und ein Handlungsphänomen. Diese heterogene„Füllung“ macht allerdings den Begriff nahezu unbrauchbar, weil er be-liebig verwendbar ist. Nittel bezeichnet sein Professionalitätsverständnisals ein „differenztheoretisches“, das er von einem „kompetenztheoreti-schen“ abgrenzt. In letzterem leben ihm zufolge bestimmte Merkmale„einer zu formierenden Profession“ aus den 70er Jahren in modernisier-ter Gestalt fort, wie z. B. eine normative Orientierung. Das „differenz-theoretische“ Konzept zeichne sich hingegen durch eine größere Nähezu den Sozialwissenschaften und der allgemeinen Erziehungswissenschaftaus und betone sowohl substantielle Unterschiede – die Differenz vonWissen und Können – als auch die Unterschiede zwischen wissenschaft-licher und professioneller Rationalität (vgl. ebd., S. 73ff.)

Er führt nicht aus, was durch die Differenz von Wissen und Könneneinerseits und wissenschaftlicher und professioneller Rationalitätandererseits gekennzeichnet wird: Professionalität? Professionelles Han-deln? Die wissenschaftliche Diskussion zu dieser Thematik? Definiereman – so Nittel – berufliche Kompetenz als latente Disposition zu eineman die Berufsrolle geknüpften Leistungsvermögen (vgl. dazu Loch 1980,S. 211), so könne man Professionalität gleichsam auf der Seite der Per-formanz, also der vollbrachten und wiederholbaren Leistung, verorten.Sie stelle in dieser Perspektive die sichtbare bzw. artikulierte Seite vonKompetenz dar. Gemäß dem Grundsatz (wessen? wo?), dass die Kontex-te entscheiden, welche Kompetenzen erforderlich seien, würden Kom-petenzprofile in der Erwachsenenbildung auf der Folie beruflicher An-forderungen, Arbeitsplatzbeschreibungen und Berufsfeldanalysen umris-sen. An die „Ausbuchstabierung“ solcher Kompetenzkataloge sei dannzwingend die Erwartung (wessen? wo?) geknüpft, dass sich die Akteurein ihrem beruflichen Handeln daran orientieren, wobei eine Punkt-zu-Punkt-Entsprechung zwischen Kompetenz und Professionalität als un-wahrscheinlich betrachtet werde (von wem?).

Aufgrund des nur lückenhaft vorhandenen Wissens über das faktischeArbeitshandeln von Erwachsenenbildner/inne/n und der damit verbun-denen Schwierigkeit, dieses theoretisch zu antizipieren oder gar „ge-dankenexperimentell“ zu simulieren, habe sich die Erstellung von Kom-

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petenzkatalogen nicht nur nicht immer als instruktiv erwiesen (wo? fürwen?), deren stark normative Färbung sei aus diesem Grunde auchkeineswegs zufällig. Nahezu alle Autoren, die sich einem kompetenz-theoretischen Modell von Professionalität verpflichtet fühlten, sähen sichmit der Frage konfrontiert, wie angesichts institutions- und adressaten-übergreifender Arten des Handelns in der Erwachsenenbildung sowieimmer wiederkehrender Interaktionsstrukturen sichergestellt werdenkönne, dass alle fundamentalen Dimensionen von Handlungskompe-tenz in der Erwachsenenbildung berücksichtigt würden. Als komplettgälten (für wen? wo?) Kompetenzkataloge daher in der Regel dann, wennvier Bereiche berücksichtigt seien (vgl. Nittel 2000, S. 74ff.):

• Interaktion mit der Klientel im Vis-à-vis-Kontakt,• strategisches Handeln in Organisationen,• der Umgang mit sich selbst,• das Vermitteln von Inhalten.

Trotz seiner grundsätzlichen Kritik am „kompetenztheoretischen Ansatz“lobt Nittel den „Tübinger Erziehungswissenschaftler“ Th. Fuhr wegender Herleitung, Sorgfalt, Stringenz und Transparenz bei der Entwicklungseines Kompetenzkatalogs, der die Kernkompetenzen von Erwachsenen-bildnern im Unterrichten, Beraten und Organisieren verorte, kritisiertihn jedoch dafür, dass sein Interesse sich nicht auf die Frage erstreckthabe, in welcher Ausprägung, Variation und Proportionalität „Kompe-tenzen als Objektivationen von Professionalität“ tatsächlich manifestwürden, sondern vielmehr darauf, inwieweit die Ausbildung von Erwach-senen-Pädagogen durch die Universitäten dazu beitragen könne, Profes-sionalität vorzubereiten durch die Vermittlung und Kultivierung von Kom-petenzen. Das Potenzial von Professionalität werde so einer Analyseunterzogen, nicht jedoch die manifesten Formen situativen Berufshan-delns und damit die Professionalität selbst.

Kompetenztheoretische Ansätze als nicht belegte generalisierende Un-terstellungen, so Nittel, seien eben zur Seite des faktischen Berufshan-delns hin blind und zudem so naiv, anzunehmen, dass mit ihrer Ausfor-mulierung die Realisierung Hand in Hand gehe. Dem „kompetenzbezo-genen“ Verständnis liege überdies ein harmonistisches wie auch einrationalistisches Wirklichkeitsverständnis zu Grunde. Nicht jeder könnealles können und nicht alles, was jemand könne, passe harmonisch zu-sammen.

5. Professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln: Charakteristik und Qualität

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„Das Widersprüchliche, Fehlerhafte, ‚Unreine‘ und Konfliktträchtige am beruflichenHandeln wird vom kompetenzbezogenen Verständnis von Professionalität tendenziellals Problem oder gar als Defizit schematisiert, ohne zu erkennen, dass damit eine Per-fektibilität konstruiert wird, der kaum jemand gerecht zu werden vermag“ (Nittel 2000,S. 80).

Obgleich von ihm als derart defizitär eingestuft, hielte Nittel es dennochfür kurzsichtig, auf den „kompetenztheoretischen Ansatz verzichten zuwollen, weil er wie kein anderer die pädagogische Denkungsart, welchedurch die Spannung zwischen einer wirklichen und einer möglichenpädagogischen Praxis gekennzeichnet ist, inkorporiert“ (ebd., S. 80). DieseEinschätzung ist zumindest insofern erstaunlich, als er doch dem vonihm präferierten „differenztheoretischen“ Ansatz nicht nur eine größereNähe zu den Sozialwissenschaften, sondern auch zur allgemeinen Er-ziehungswissenschaft bescheinigt – es sei denn, er nimmt an, diese habemit der pädagogischen Denkungsart wenig gemein.

Als „Urheber“ des „differenztheoretischen“ Ansatzes können U. Oever-mann (Soziologe) und B. Koring (Erziehungswissenschaftler) gelten. De-ren professionstheoretische Prämissen und Folgerungen greift Nittel auf,indem er insbesondere auf die nach seiner Auffassung ständig zu bear-beitenden und auszuhaltenden Widersprüche und Paradoxien im pro-fessionellen Handeln hinweist. Professionalität sei auch eine gelungeneForm der praktischen Bearbeitung spannungsreicher Konstellationen,wobei „gelungen“ die Vermeidung von Vereinseitigungen meine. Para-doxien, die nach seiner Ansicht aus „allgemeinen Störpotenzialen“ er-wachsen, sind für Nittel geradezu notwendige Voraussetzungen von Pro-fessionalitätsentfaltung. Gäbe es sie nicht, „so könnte die diesbezügli-che Arbeit ebenso von bloßen Technokraten oder von Laien verrichtetwerden“ (Nittel 2000, S. 83). Professionalität als Ort der Vermittlung vonTheorie und Praxis nach Oevermann ist für Nittel ein „Topos“, der Ver-schiedenes meine.

„Im Kontext professioneller Berufsarbeit impliziere er ein widersprüchliches und span-nungsreiches Verhältnis, welches nach drei Seiten ausdifferenziert werden kann: näm-lich zur Handlungs-, zur Wissens- und zur Beziehungsebene. Auf jeder dieser Ebenenexistierten Widersprüche, Ungereimtheiten und Dilemmata, die es unter der Maximeder Professionalität auszuhalten und zu bearbeiten gilt“ (ebd., S. 81).

Auf der Handlungsebene könne der Professionelle weder den von derAlltagspraxis noch den von der Wissenschaft vorgezeichneten Weg be-

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schreiten, vielmehr habe er beides zu leisten und zu berücksichtigen:wissenschaftliches und alltagspraktisches Handeln, wissenschaftlicheRationalität und alltagspraktische (utilitaristische Rationalität). Die Hand-lungsstruktur der Wissenschaft und der Handlungsmodus der Lebens-praxis gingen im professionellen Handeln gleichsam eine Allianz ein.

Auf der Wissensebene bestehe das von Professionellen verwendete Profes-sionswissen aus wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissensbeständen,die es als divergierende Wissensformen im Handeln zu relationieren unddie damit verbundenen Widersprüche souverän zu handhaben gelte.

Auf der Beziehungsebene zwischen Professionellen und Klienten sei eineWidersprüchlichkeit dadurch gegeben, dass Pädagogen nicht nur als blo-ße Rollenträger oder Experten agieren könnten, sondern im Interesse ih-rer Arbeit – etwa zur Lockerung von Lernblockaden – auch einen päda-gogischen Bezug aufbauen müssten und so ihre Persönlichkeit zu einemganz entscheidenden Instrument ihrer Arbeit machen müssten. Die darausentstehenden Widersprüche zwischen Nähe und Distanz seien prinzipi-ell nicht auflösbar.

Professionalität ist in dieser Beschreibung tatsächlich nicht mehr als einimplikationsreicher „Topos“ und nicht näher definierte Maxime des pro-fessionellen Handelns, mitunter auch ein Titel für die nahezu mythischüberhöhte „Widersprüchlichkeit“ professionellen Handelns. Am Verständ-nis professionellen Handelns als therapeutischem Handeln von Oever-mann und Koring orientiert, scheint mir Nittels Verständnis professionel-len Erwachsenenbildungs-Handelns in wesentlichen Elementen fragwür-dig und wenig zutreffend (vgl. Kapitel 4.2).

So handeln Professionelle nach meinem professionstheoretischen Ver-ständnis weder wissenschaftlich noch alltagspraktisch, sondern auf einespezifische Art beruflich. In diesem kommt es darauf an, wissenschaftli-ches Wissen und dessen immanente, universale Rationalität und andereWissensarten sowie deren spezifische Rationalitäten auf eine Art imHandeln zu relationieren, die sowohl den jeweils spezifischen Interes-sen von Personen (der Klientel) als auch den allgemeinen Interessen derGesellschaft – im Falle der Erwachsenenbildung Bildungsinteressen –gerecht werden. Diese Art des beruflichen Handelns, die Relationierungverschiedener Wissensformen, Rationalitäten und Interessen ist höchst

5. Professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln: Charakteristik und Qualität

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spannungsreich, muss jedoch nicht zwangsläufig widersprüchlich sein.Wissenschaftliches Handeln entbehrt – idealtypisch – dieses Doppelbe-zugs, weil dessen Handlungslogik allein durch das Streben nach Erkennt-nisgewinn nach Maßgabe von Wahrheit und Richtigkeit bestimmt wird.Professionelles Handeln als nicht-wissenschaftliches findet jedoch in-nerhalb von gesellschaftlichen Funktionssystemen statt, deren Handlungs-logik anderen Maßgaben (i. d. R. Macht) folgt.

Professionell arbeitende Erwachsenenbildner/innen müssen wie alle Pro-fessionellen zu ihrer Klientel eine Rollenbeziehung herstellen, also gera-de kein pädagogisches Verhältnis bzw. keinen pädagogischen Bezug.Beachten sie dies, vermeiden sie die Diffusionen ganzheitlicher, oft cha-rismatischer Beziehungen, und es entfallen die „unauflösbaren“ Wider-sprüche von Nähe und Distanz.

Die tatsächlichen Unterschiede zwischen „Differenztheoretikern“ und„Kompetenztheoretikern“ liegen, so gesehen, im jeweiligen Verständnisvon der Art des professionellen Handelns begründet. Ein klares, konkre-tes und eindeutiges Verständnis von Professionalität als einem im Zu-sammenhang damit stehenden Phänomen ist in beiden Ansätzen, auchund gerade im Hinblick auf Erwachsenenbildungs-Professionalität, nichterkennbar.

5.3.2 Professionalität als professionelle HandlungsqualitätWenn professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln, wie in dieser Stu-die bisher dargelegt und begründet, didaktisches, personen- und gesell-schaftsbezogenes Handeln ist und dieses Handeln sowohl im Hinblickauf seine Aufgabe, Referenzen, Figuren, Typik, Struktur, Merkmale undErfolge als auch im Hinblick auf seine dafür erforderlichen individuel-len, strukturellen und sozialen Voraussetzungen ein komplexes ist, dannmuss davon ausgegangen werden, dass die unter diesen Voraussetzun-gen entstehende Handlungsqualität eine eigenständige Handlungsdimen-sion darstellt, die logischerweise nicht mit diesen oder anderen Hand-lungsdimensionen identisch sein kann.

Handeln also Erwachsenenbildner/innen entsprechend ihrer spezifischenAufgabe, indem sie einen didaktischen Beitrag zur Bildung Erwachsenerleisten und gelingt es ihnen dabei, individuelle und gesellschaftlicheBildungsinteressen sinnvoll zu verknüpfen sowie dabei partielles und

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allgemeines, wissenschaftliches und berufliches Wissen und Können ein-schließlich deren jeweiliger Rationalitäten so in Relation zu bringen,dass dabei Lernen und Bildung Erwachsener möglich wird, dann ent-steht eine Qualität, die als Erwachsenenbildungs-Professionalität bezeich-net werden kann.

Diese ist daher im Wesentlichen das Ergebnis einer gelingenden didakti-schen Relationierungs-Leistung. In die professionelle Handlungsstruktursind notwendig neben den subjektiven Belangen, Wissens- und Kön-nensbelangen der lernenden Erwachsenen und den objektiven Belan-gen der auf das Lernen der Erwachsenen angewiesenen Gesellschaft auchdie beruflichen Belange der Erwachsenenbildner/innen selbst, der zuvermittelnden Lern- und Bildungsinhalte sowie darüber hinaus auch dieihrer Arbeit-, Auftrag- und Geldgeber involviert.

Die beruflichen Belange der Erwachsenenbildner/innen werden wirk-sam durch ihre professionelle Aufgabenorientierung, ihr professionelleingesetztes Wissen und Können und ihr Handlungsethos, kurz: durchihr professions-spezifisches berufliches Handeln. Indem Erwachsenen-bildner/innen in ihrem didaktischem Handeln sowohl wissenschaftlichesWissen und Können in seiner Universalität und spezifischen Rationalitätund alltägliches sowie berufliches Wissen und Können in seiner Partiku-larität und ebenfalls spezifischen Rationalität einsetzen, sorgen sie nichtnur für die Wahrheit, Richtigkeit und Vollständigkeit, sondern zugleichauch für die interessenbezogene Relevanz und Nützlichkeit der Lern-und Bildungsinhalte und tragen so neben individuellen und gesellschaft-lichen auch den Belangen ihrer jeweiligen Arbeit-, Auftrag- und Geldge-ber Rechnung, die an der Vermittlung von Wissen und Können ein Inte-resse haben, auf dem die Partikularität und Rationalität des beruflichenWissens und Könnens von Erwachsenenbildner/inne/n in erster Linieberuht.

Erwachsenenbildungs-Professionalität erweist sich so als kompetentesdidaktisches Handeln, das auf das Lernen und die Bildung von Personenund auf Bildung als gesellschaftlichen Wert bezogen ist, das die darangeknüpften individuellen und gesellschaftlichen Interessen personen- undsachgerecht in Beziehung zu setzen vermag und das die jeweiligen Lern-und Bildungsinhalte sowohl nach Maßgabe ihrer (wissenschaftlichen)Wahrheit und Richtigkeit als auch nach Maßgabe ihrer interessenspezi-

5. Professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln: Charakteristik und Qualität

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fischen partikularen Relevanz und Nützlichkeit angemessen berücksich-tigt.

Diese Relationierungs-Leistung kann als erfolgreich gelten, wenn sie durcheinen Lern- und Bildungsfortschritt von Personen erreicht wird. Dazubedarf es der Akzeptanz und der Mitwirkung dieser Personen, weil dereigentliche Lern- und Bildungsprozess von diesen selbst vollzogen wirdund professionelle Erwachsenenbildner/innen dabei lediglich didaktischeUnterstützung geben können. Mit anderen Worten: Der Erfolg professio-nellen Erwachsenenbildungs-Handelns hängt nicht nur von dessen Qua-lität, sondern auch immer auch von der Lernbereitschaft und -fähigkeit

Erwachsenenbildungs-Professionalit

ät:Rel

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achs en e n b i l d u n g s - P r o f e s s i o n a l i t ä t : Re la t ion

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Relationieren

Relationieren

Entwicklung von Lehr-Lern-

Materialien, Medien, Metho- den, Evaluations- verfahren

Lehre und Unterricht, Arrangieren, Mode- rieren, Beraten, Begleiten, Unter-

stützen, Beurtei- len, Evaluieren von Lehr-/ Lernprozessen

Professionellesdidaktisches

Handlungsfeld

Professionellesdidaktisches

Handlungsfeld

Professionellesdidaktisches

Handlungsfeld

Professionellesdidaktisches

Handlungsfeld

Curriculare Planung undVorbereitung vonProgrammen,Veranstaltungenund Lehr-Lern-Situationen

Wiss. Wissen

Berufl. Wissen

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Adressaten und Teilnehmer/innen

Erwachsenenbildner/innen

Lern-/Bildungs-InhalteG

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Diagnosevon Lernfähig-keiten, Bera-tung von Adres-saten, Lernenden,Lehrenden, Pla-nenden, Entwickeln-den u. a.

Professionellesdidaktisches

Erwachsenen-bildungs-Handeln

Übersicht 5: Erwachsenenbildungs-Professionalität

Theoretischer Teil

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der beteiligten Klientel ab. Erwachsenenbildungs-Professionalität ist in-sofern nicht nur eine voraussetzungsvolle, immer wieder neu herzustel-lende und daher mit Ungewissheit behaftete professionelle Handlungs-qualität: Sie ist auch ihrerseits nur eine Voraussetzung gelingender orga-nisierter Lern- und Bildungsprozesse (vgl. auch Peters 1999a und 1999b,S. 97, S. 185).

5. Professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln: Charakteristik und Qualität

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6. Voraussetzungen der Entwicklung vonErwachsenenbildungs-Professionalität

Wie jedes andere berufliche Handeln mit professionellem Anspruch (An-spruch auf Realisierung professioneller Handlungsqualität), ist auch di-daktisches Erwachsenenbildungs-Handeln an die Erfüllung spezifischerVoraussetzungen geknüpft. Zu diesen gehören allgemeine und spezifi-sche Formen des Wissens und Könnens, das Bewusstsein der eigenenprofessionellen Aufgabe und Rolle, eine ethische Handlungsorientie-rung, eine zumindest relative Autonomie des professionellen Handelnsund der soziale Zusammenhang mit anderen professionell Handeln-den.

Unter diesen individuellen, strukturellen und sozialen Voraussetzun-gen professionellen Erwachsenenbildungs-Handelns muss dem Wissenund Können eine besondere Bedeutung beigemessen werden, weil ohnedieses didaktisches, geschweige denn professionelles didaktisches Han-deln nicht möglich erscheint. Hier wiederum ist – wie für jedes profes-sionelle Handeln – die Kombination von allgemeinem und spezifischem,wissenschaftlichem und beruflichem Wissen und Können zentral, weildieses die Kompetenz für professionelles Handeln konstituiert.

Bezogen auf die Beschreibung von Th. Fuhr wird hier unter „Kompe-tenz“ sowohl die „Zuständigkeit“ als auch die „Fähigkeit oder Tauglich-keit zu einer Leistung“ verstanden, die von der Performanz in einer Leis-tung unterschieden werden kann, also der erwiesenen Fähigkeit (vgl.Fuhr 1991, S. 61ff.). Erwachsenenbildungs-Kompetenz lässt sich so vordem Hintergrund der in Kapitel 4.2 beschriebenen Handlungs-Aufgabeals Zuständigkeit und Fähigkeit/Tauglichkeit (= Leistungsvermögen) fürdidaktisches Handeln im Rahmen der Bildung Erwachsener definieren.Sie ist insofern die personal gebundene Handlungsressource für profes-sionelles didaktisches Erwachsenenbildungs-Handeln. Erwachsenenbil-dungs-Professionalität ist an die Performanz von Erwachsenenbildungs-Kompetenz gebunden.

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6.1 Wissen

Bevor im Folgenden die Arten des Wissens erörtert werden, die als Teilberuflicher Kompetenz von Erwachsenenbildner/inne/n notwendig er-scheinen, soll zunächst der Wissensbegriff selbst in den Blick genom-men werden. Sowohl in der öffentlichen Diskussion über die „Wissens-gesellschaft“ als auch in der wissenschaftlichen Literatur werden derzeithöchst unterschiedliche Wissensbegriffe verwendet. Am weitesten ver-breitet und besonders populär scheint die Verwendung von „Wissen“ imSinne von Informationen über Sachverhalte, Ereignisse, Phänomene etc.zu sein, die durch mehr oder weniger gründliche Überprüfung mehroder weniger sicher oder glaubhaft erscheinen. In der Erwachsenenbil-dungs-Wissenschaft und -Praxis hat in den letzten Jahren die Rezeptionder Theorien des radikalen Konstruktivismus Vorstellungen von unter-schiedlichen Objektivierungsgraden des Wissens, dessen höchster dasnach wissenschaftlichen Regeln gewonnene, prinzipiell überprüfbareWissen sei, erschüttert. Die Zuverlässigkeit jeglichen Wissens wird hierradikal in Frage gestellt, weil dieses immer das Ergebnis menschlicherKonstruktion(en) sei, ja die wahrgenommene „Realität“ selbst eine Kon-struktion sei (vgl. Arnold/Siebert 1995).

Die Entstehung von Wissen sieht auch Stehr (2000) als stark abhängigvon den sozialen Bedingungen, für die es gebraucht wird, was wiederumdem Wissen selbst den Charakter des Kontingenten und Flüchtigen ver-leihe. Historische und aktuelle Wörterbücher beschreiben – so C. Hof –den Begriff des Wissens immer in einem doppelten Sinne: zum einen imSinne einer Aussage über die Wirklichkeit, zum anderen im Sinne einesZustands oder einer Aktivität eines Subjekts. Im Englischen schlage sichdies etwa in den Termini Knowledge und Knowing nieder. Alle einschlä-gigen Studien aus den letzten Jahren ergeben nach Hof begrifflich undkonzeptionell zwar ein sehr heterogenes Bild des Wissensbegriffs, wei-sen aber dennoch hinsichtlich der grundlegenden UnterscheidungenÜbereinstimmungen auf, die es erlauben, grundsätzlich nach der Naturdes Wissens (Gewissheit, Komplexitätsgrad) und dem Prozess des Wis-sens (Quelle des Wissens, Form der Beglaubigung) zu unterscheiden (vgl.Hof 2001, S. 35ff.). Von einem einheitlichen Begriffsverständnis könnejedoch nicht ausgegangen werden. Das Spektrum reiche vom Wissenals personaler Handlungsressource (Stehr 1994), über Wissen als verfüg-bares, nicht persongebundenes Informationsmaterial oft ungewisser

6. Voraussetzungen der Entwicklung von Erwachsenenbildungs-Professionalität

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Glaubwürdigkeit (z. B. im Internet) bis zum Wissen als wissenschaftlichgeprüfter Sammlung in sich geordneter Fakten und Ideen (Bell 1985)(vgl. Hof 2001, S. 8).

Die Japaner Nonaka und Takeuchi schreiben 1997:

„Für unsere Theorie („Die Organisation des Wissens“, R. P.) übernehmen wir die traditi-onelle Definition des Wissens als ‚mit Erklärung verbundene richtige Vorstellung‘. ImGegensatz zur westlichen Epistemologie legen wir den Schwerpunkt jedoch nicht aufdie ‚Richtigkeit‘, sondern auf die ‚erklärte Vorstellung‘. Wir betonen nicht den absoluten,statischen und übermenschlichen Wahrheitscharakter des Wissens, (...) sondern be-trachten Wissen als dynamischen menschlichen Prozess der Erklärung persönlicherVorstellungen über die ‚Wahrheit‘. (...)Information ist also ein Fluss von Botschaften, der im Zusammentreffen mit den Vorstel-lungen und dem Engagement eines Menschen Wissen erzeugt. Wissen ist seinem We-sen nach mit menschlichem Handeln verbunden“ (Nonaka/Takeuchi 1997, S. 70f.; Her-vorhebung im Original).

Dieses Verständnis von Wissen als mit Erklärung verbundene richtigeVorstellung, das durch personale Informationsaneigung und -verarbei-tung entsteht, erscheint mir am plausibelsten und wird im Folgenden derVerwendung des Begriffs zu Grunde gelegt.

6.1.1 Professionstheoretisch notwendiges WissenWenn in dieser Studie unter professionellem didaktischem Handeln vonErwachsenenbildner/inne/n alle Tätigkeiten gefasst werden, die der di-daktischen Ermöglichung von Lern- und Bildungsprozessen Erwachsenerauf besonderem Niveau dienen, dann ist dafür professionstheoretisch jedeArt und Form von Wissen notwendig, die dieses Handeln ermöglicht unddessen Reflexion erlaubt, insbesondere aber solches Wissen, das für dieGewährleistung der wichtigsten Bezüge, Inhalte, Verfahrensweisen undVerwendungszusammenhänge dieses Handelns erforderlich ist.

Professionell arbeitende Erwachsenenbildner/innen sollten wesentlichehistorische Entwicklungen ihres beruflichen Handlungsfeldes ebenso ken-nen wie dessen aktuelle gesellschaftliche Aufgaben und Funktionen, da-mit sie ihr Handeln angemessen verorten können. Sie brauchen Wissenüber die Adressaten ihres Handelns. Dazu gehört Wissen über gesellschaft-liche Lebensverhältnisse von Erwachsenen heute, soziale, kulturelle undökonomische Differenzierungen, Bildungs- und Qualifikationsstrukturensowie daraus resultierende Wissensbedarfe und -bedürfnisse der jeweils

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angestrebten Klientel. Deren Lebensstile, Bewusstseinslagen, Denk- undVerhaltensweisen, psychische und moralische Strukturen sollten von pro-fessionellen Erwachsenenbildner/inne/n im Wesentlichen gewusst wer-den. Dafür ist Wissen über ökonomische, politische, soziale und (sozial-)psychologische Strukturen ebenso notwendig wie die Kenntnis aktuellerEntwicklungen in diesen Bereichen. Für den notwendigen Personen- undZielgruppenbezug professionellen Handelns ist Wissen über Lernvoraus-setzungen, -stile, -fähigkeiten und -motivationen wichtig.

Doch Erwachsenenbildner/innen mit professionellem Anspruch müssennicht nur auf Grund des unerlässlichen Adressaten- und Teilnehmerbe-zugs ihrer didaktischen Arbeit die gesellschaftlichen und psychischenVerhältnisse ihrer Klientel kennen und beurteilen können. Da professio-nelle Erwachsenenbildungs-Arbeit auch immer auf den gesellschaftlichenZentralwert Bildung und damit auf gesellschaftliche Interessen an der Bil-dung Erwachsener bezogen ist, brauchen sie auch soziologisches, öko-nomisches, politisches und (sozial)psychologisches Wissen und entspre-chende Urteilskraft.

Damit schließlich Lern- und Bildungsprozesse geplant, angeboten, an-geregt, unterstützt und beurteilt werden können, ist neben methodischem,medialem und technologischem Wissen vor allem auch solches über zuvermittelnde bzw. anzueignende Lerninhalte notwendig, denn Bildungbedeutet immer auch Wissen „über/von etwas“. Im 1960 erschienenenGutachten des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungs-wesen über den Stand und die Aufgabe von Erwachsenenbildung etwawird das Verstehen seiner selbst ebenso als Teil der Bildung Erwachsenerwie das Verstehen der Welt; beides jedoch ist ohne vielfältiges Wissennicht möglich. Die in der organisierten Erwachsenenbildung/Weiterbil-dung gelegentlich wahrnehmbare Marginalität oder sogar bewussterVerzicht auf explizite Inhalte problematisierte R. Stichweh bezugneh-mend auf K. Harney/J. Markowitz 1987 so: „Das kann in der Erwachse-nenbildung zu einem geselligen Klientelismus führen, der persönlicheBeziehungen (unter Kursleitern/Kursteilnehmern) dort dominieren lässt,wo es in professioneller Hinsicht um die Vermittlung des Kontakts zueiner Sachthematik gehen müsste“ (Stichweh 1992, S. 46).

Wissen über zu vermittelnde und anzueignende Thematiken, Fähigkei-ten und Fertigkeiten brauchen professionelle Erwachsenenbildner/innen

6. Voraussetzungen der Entwicklung von Erwachsenenbildungs-Professionalität

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nicht nur für die Planung und Vorbereitung von Lern- und Bildungspro-zessen, sondern auch für das unmittelbare didaktische Vermitteln, Trai-nieren, Moderieren oder Beraten. Daraus folgt, dass sie in mindestens ei-nem Sach-, Fach- oder Könnens-Bereich, der zu den Lerninhalten vonErwachsenenbildung/Weiterbildung gehört oder gehören könnte, Inhalts-Expert/innen sein müssen – und zwar nicht auf laienhaftem oder populis-tischem, sondern auf dem Niveau, das gesellschaftlich in dem jeweiligenWissensgebiet erreicht ist. Ähnliches gilt für didaktisches als zentrales pro-fessionscharakteristisches Wissen: Professionell arbeitende Erwachsenen-bildner/innen müssen in ihrem Bildungsbereich Didaktik-Expert/inn/ensein. Dies bedeutet nicht, alle jeweils modischen didaktischen Metho-den anwenden zu müssen, wohl aber, diese zu kennen und eine didak-tisch begründete Auswahl treffen zu können. Didaktisches Wissen um-fasst u. a. curriculares Wissen über die Gewinnung, Beschreibung undOperationalisierung von Lehr- und Lernzielen, didaktische Analyse undReduktion, die soziale, methodische, mediale, technologische und räum-liche Gestaltung, die Artikulation bzw. unterrichtsdramaturgische Gestal-tung von Lehr-Lern-Prozessen und schließt auch adressaten-, teilnehmer-und zielgruppenadäquate Planung und Evaluation ein.

Didaktisches Wissen als das Wissen darüber, wozu, was, wie und mitwelchen Mitteln von wem am besten gelehrt und gelernt werden kann,muss als Voraussetzung professionellen erwachsenenbildnerischen Han-delns ergänzt werden durch Wissen über die Funktionen des Lehrensund Lernens und des zu vermittelnden und anzueignenden Wissens undKönnens für den einzelnen Lernenden wie für die Gesellschaft insgesamt.Dazu bedarf es bildungstheoretisch fundierter Qualitäts- und Urteilskri-terien für das didaktische Handeln und dessen Bedeutung, Reichweiteund Wirkung.

Da in diesem immer die Interessen der Klientel, der Arbeit-, Auftrag-oder Geldgeber, allgemeine gesellschaftliche Interessen an der BildungErwachsener und die Interessen der Erwachsenenbildner/innen selbst „imSpiel“ sind, müssen diese nicht nur bewusst sein, sondern sie müssen improfessionellen Handeln zueinander in eine Relation gebracht werden,wenn es zu gelingenden Lern- und Bildungsprozessen Erwachsener bei-tragen soll. Ohne bildungstheoretische und -analytische sowie histori-sche Kenntnisse ist dies auf professionellem Niveau schwerlich mög-lich. Um nicht zum „Spielball“ der Interessen anderer zu werden oder

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die sich anvertrauende Klientel dazu werden zu lassen, brauchen pro-fessionelle Erwachsenenbildner/innen auch Wissen über ihre eigenenberuflichen Aufgaben und Rollen sowie über ethische Grenzen ihres Han-delns.

In einer marktwirtschaftlich orientierten Erwachsenenbildung ist schließ-lich betriebs- und volkswirtschaftliches Wissen ebenso notwendig wieWissen über (Bildungs-)Recht und Verwaltung, denn die eigene Arbeits-kraft muss nicht nur angemessen vermarktet, sondern die Vermarktungder organisierten Erwachsenenbildung als marktwerte Dienstleistungmindestens verstanden werden können. Die Art und Menge des ökono-mischen, juristischen und verwaltungsmäßigen Wissens von professio-nellen Erwachsenenbildner/inne/n muss sich nach den Anforderungenbemessen, die zur professionellen Wahrnehmung ihrer didaktischen Auf-gaben und zur Sicherung ihrer Berufsarbeit insgesamt notwendig sind.

6.1.2 Wissenstheoretisch notwendiges WissenWissenschaftliches Wissen bzw. im Hochschulstudium erworbenes Wis-sen galt bis weit in die 1980er Jahre für akademische Berufe als hinrei-chende Handlungsressource und Berufsvorbereitung, die es in der be-ruflichen Praxis nach dem Studium auszuschöpfen bzw. „anzuwenden“galt. Andere Arten und Formen des Wissens befanden sich ebenso we-nig im Blickfeld des Interesses der Ausbildungs- und Beschäftigungsseitewie die Unterscheidung zwischen Wissen und Können. „Über Wissendurch einen Hochschulabschluss beglaubigt zu verfügen“ wurde mit„Wissen angemessen anwenden zu können“ in aller Regel gleichgesetzt.Ein Bewusstsein dafür, dass beides durchaus unterscheidbare individuel-le Vermögen darstellen, entstand erst sehr allmählich.

Die Vorstellung von der „wissenschaftlichen Schatzbildung“ und der „si-tuativen Abrufbarkeit von einmal erworbenen ‚praxisangemessenen‘Wissensbeständen“ (Dewe 2002, S. 19) ist auch in der bereits erwähn-ten, immer noch prominenten Professionalitäts-Definition von H. Tiet-gens enthalten, wonach Erwachsenenbildungs-Professionalität als „situ-ative Kompetenz“ bedeutet, „breit gelagerte, wissenschaftlich vertiefteund damit vielfältig abstrahierte Kenntnisse in konkreten Situationenangemessen anwenden zu können oder umgekehrt in Situationen zuerkennen, welche Bestandteile aus dem Wissensfundus relevant seinkönnen“ (Tietgens 1988a, S. 37). Die Zuschreibung der unmittelbar pra-

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xisgestaltenden, -verbessernden und -aufklärenden Potenz wissenschaft-lichen Wissens, das es in der beruflichen Praxis anzuwenden bzw. „um-zusetzen“ gilt, ist auch im Leitbild des 1969 eingerichteten erziehungs-wissenschaftlichen Diplomstudiengangs zu erkennen, das nach Ch. Lü-ders in der Figur des „wissenschaftlich ausgebildeten Praktikers“ besteht.Dieses Leitbild habe auf der wissenschaftsoptimistischen Annahme ei-ner Überlegenheit szientifischen Wissens gegenüber der als defizitärwahrgenommenen Praxis beruht.

Mit Beginn der Bildungsreform in der Bundesrepublik Deutschland Endeder 1960er Jahre wurde die bis dahin in der pädagogischen Theorie do-minierende geisteswissenschaftliche Pädagogik, der die pädagogischePraxis Erkenntnis- und Legitimationsobjekt zugleich war, zunehmenddurch eine sich sozialwissenschaftlich verstehende, empirisch arbeiten-de Erziehungswissenschaft zurückgedrängt. In diesem modernen Denkenwurde dem erziehungswissenschaftlichen Ausbildungssystem die Aufga-be zugedacht „via der Qualifikation ‘wissenschaftlich ausgebildeter Prak-tiker‘ eine Überwindung des Rationalitätsgefälles, eine tendenzielle An-gleichung des Rationalitätsniveaus und die Auflösung und Ersetzung der– am wissenschaftlichen Erkenntnisstand gemessen – irrationalen Hand-lungspraktiken und Wissensbestände zu ermöglichen“ (Lüders 1989,S. 125f.). Pädagogische Praxis erscheint nunmehr vor allem als „Anwen-dungsort erziehungswissenschaftlichen Wissens. Die geisteswissenschaft-liche Konzeption einer eigenständigen ‚Dignität‘ pädagogischer Praxis undals vorwissenschaftliche Basis aller Theorie wird abgelöst durch die Vor-stellung von Praxis als ‚permanentem Anwendungsfall’“ (ebd., S. 126).Dieser Vorstellung gemäß habe während der Periode der Bildungsreformin vielen pädagogischen Feldern beinahe unangefochten eine naive Trans-fermentalität nach dem Muster „knowledge informs action“ geherrscht,urteilen B. Dewe, W. Ferchhoff und F.-O. Radtke im Jahr 1992. Die demwissenschaftlich erzeugten Wissen gegenüber erfolgte enorme Bedeu-tungs-Zuschreibung für das berufliche Handeln sei auf Grund der Annah-me von dessen höherer Rationalität erfolgt. Das angenommene Rationa-litätsgefälle zwischen Wissenschaft und Berufspraxis habe es daher durch„Verwissenschaftlichung“ der Praxis aufzuheben gegolten.

Dabei habe Hartmann bereits 1968 festgestellt, dass wissenschaftlichesWissen nicht unbedingt ein besseres Handeln-Können impliziere, weiles als „Erklärungswissen“ auf Generalisierungen ausgerichtet sei, das als

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solches prinzipiell unanwendbar sei und nicht mit „Handlungswissen“in eins gesetzt werden dürfe. Die Verkennung dieser Differenz zwischenErklärungs- und Handlungswissen habe angesichts der faktisch zu beob-achtenden Transferprobleme zu vielfältigen Versuchen geführt, diesedurch die Verbesserung kommunikativer Prozesse, Persönlichkeitsbeein-flussungen der Adressaten und didaktische Operationen zu beseitigen.Transfer-Vorstellungen seien auf Grund von deren offensichtlichen Rea-lisierungsproblemen zunehmend durch Transformations-Vorstellungenverdrängt worden. Der zunächst noch betriebene „Einbau von Verwen-dungsfähigkeit“ in wissenschaftlich generiertes Wissen sei in einer zwei-ten Stufe abgelöst worden von Überlegungen über die Selektionsfähig-keit der Abnehmerseite und deren produktiven Umgang mit dem adap-tierten Wissen. Diese Überlegungen seien weitergeführt worden durchKonzepte, die von einem „Verhältnis der wechselseitigen Bereicherung“von wissenschaftlichem Wissen und beruflichem Handlungswissen aus-gingen. Schließlich sei in einer Radikalisierung das Transformationsver-hältnis nur noch von der Seite der Abnehmer = Praktiker gedacht wor-den. Habe bei raffinierteren Transferkonzepten noch die Überwindungvon Rezeptionswiderständen gegenüber wissenschaftlichem Wissen imVordergrund gestanden, so hätten die Transformationsmodelle bereits aufphänomenologische und kognitionspsychologische Entdeckungen derStrukturdifferenz von wissenschaftlichem und handlungspraktischemWissen reagiert, wonach diese zwei Varianten gesellschaftlicher Wirk-lichkeitskonstruktion seien, die nicht individual- oder motivationspsy-chologisch, sondern sozialstrukturell divergent hervorgebracht seien.Aufgegeben worden sei weithin die Vorstellung, dass praktisches Berufs-handeln schlicht durch wissenschaftliches Wissen zu optimieren sei. DemSubjekt der notwendigen Transformationsleistung und den Transformati-onsmodalitäten habe fortan ein gesteigertes Interesse gegolten.

„In der Absicht der direkten Intervention in die Berufspraxis von Pädagogen wurde imeinfachen Transformationsmodell die überkommene behavioristische Konstruktion derEinstellung durch das Konstrukt des ‚Alltagswissens‘ bzw. in manchen Fällen auch der‚Alltagstheorie‘ ersetzt. Mit der Wendung zum ‚epistemologischen Subjekt‘ ging es umdie wissenschaftliche Anreicherung ‚handlungsleitenden Wissens‘ und ‚subjektiverTheorien‘, welche in dieser Konzeption das Handeln von Pädagogen steuern“ (Dewe u.a. 1992, S. 74f.).

Unter ‚subjektiven Theorien‘, so die Autoren weiter, sei ein Aggregat vonverhaltenssteuernden bewussten bzw. teilbewussten Kognitionen der

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Selbst- und Weltsicht verstanden worden. Durch die Verbesserung derVerwendungsfähigkeit wissenschaftlicher Theorieangebote sollten dieseanschlussfähig für die ermittelten subjektiven Theoriebestände der Prak-tiker werden. Auch den Transformationsvorstellungen sei somit der Wis-senschaftszentrismus eigen gewesen (vgl. ebd., S. 70ff.). Für die Erwach-senenbildung (gemeint war wohl weniger die Erwachsenenbildungs-Pra-xis als die der Erwachsenenbildungs-Wissenschaft, R. P.) konstatierteS. Kade 1990:

„Das in der Erwachsenenbildung verbreitete Wissenschaftsverständnis geht von einerÜberordnung des Theoriewissens über das Handlungswissen der Praxis aus: Pädago-gisches Handeln, so die Unterstellung, ist durch Theorie anzuleiten und praktischesHandlungswissen durch die höhere Vernunft der Theorie aufzuklären (Beck/Bonß 1984).Damit ist ein hierarchisch gestuftes, einseitiges Ableitungsverhältnis konstituiert, demzugleich die Annahme eines ungebrochenen Kontinuums von Theorie zur Praxis unter-liegt“ (S. Kade 1990, S. 38).

Dieses deduktive, szientifische, einem normativen Paradigma verpflich-tete Wissenschaftsverständnis mit seinem Bemühen der Anleitung derPraxis durch die Theorie (gemeint ist wohl wissenschaftliche Theorie, R.P.) sei jedoch de facto gescheitert, so Kade weiter. Ähnliches konstatierteauch Lüders (1989, a.a.O.) für die sozialpädagogische Praxis. Beide Au-toren beschrieben somit für die Arbeitsfelder der Sozialpädagogik undder Erwachsenenbildung das, was Dewe/Ferchhoff/Radtke – wie ausge-führt – später mit „Transfer-Vorstellungen“ bezeichneten.

Sowohl Lüders als auch Kade und Dewe/Ferchhoff/Radtke stützen sichmit ihren historischen Diagnosen im Wesentlichen auf die sozialwissen-schaftliche empirische Verwendungsforschung von Beck/Bonß in den1980er Jahren, die dem von ihnen u. a. auch in der institutionalisiertenErwachsenenbildung konstatierten „Wirkungsmythos einer deduktivenAbleitungslogik“ widersprochen hatten und die ihre Forschungsergeb-nisse so interpretierten, „dass sozialwissenschaftliches Wissen bei derDurchdringung gesellschaftlicher Handlungsfelder in der Regel hand-lungsbezogen selbstverständlich und damit unkenntlich wird. In diesemSinne bedeutet erfolgreiche ‚Verwendung‘ letzten Endes gerade das ‚Ver-schwinden‘ bzw. die notwendige Auflösung des Theoriewissens im Hand-lungszusammenhang“ (Beck/Bonß 1984, zitiert nach S. Kade 1990, S. 39).Der Verwendungsprozess sozialwissenschaftlichen Wissens vollzieht sichnach Beck/Bonß im Medium von Sprache und Interpretation. Die jeweilsunterschiedliche Logik wissenschaftlichen Wissens und praktischen

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Handlungswissens erfordere eine „Übersetzung“ der wissenschaftlichenSprache in diejenige des beruflichen Alltags. Dabei blieben auch diewissenschaftlichen Inhalte nicht unberührt, sondern würden den jewei-ligen praktischen Handlungserfordernissen angepasst: „Verwendung istalso nicht ‚Anwendung‘, sondern ein aktives Mit- und Neuproduzierender Ergebnisse, die dadurch den Charakter von Ergebnissen verlierenund im Handlungs-, Sprach-, Erwartungs- und Interessenkontext des je-weiligen Praxiszusammenhangs nach immanenten Regeln in ihrer prak-tischen Relevanz erst geschaffen werden“ (Beck/Bonß 1984, zitiert nachKade 1990, S. 40).

Den Wechsel von aus späterer Sicht naiven Transfer-Vorstellungen zu Trans-formations-Vorstellungen beschreibt Kade für die Erwachsenenbildungradikaler als Dewe/Ferchhoff/Radtke dies für pädagogisches Handeln imAllgemeinen tun, kommt jedoch in ihrer abschließenden Einschätzungdieser Phase zu ganz ähnlichen Einschätzungen. Im Verlauf der 1980erJahre sei danach in der Erwachsenenbildung (hier ist wohl vor allem dieErwachsenenbildungs-Wissenschaft gemeint) das deduktive mehr undmehr durch ein induktives Wissenschaftsverständnis auf der Basis einesinterpretativen Paradigmas („Reflexive Wende“) ersetzt worden. Dies seimit der Aufwertung der Praxis und des praktischen Handlungswissens ein-hergegangen. Theorie habe in diesem Verständnis stärker auf Praxis be-zogen werden sollen. Um das praktische Handlungswissen angemessenerfassen und reflektieren zu können, seien induktive Verfahren und her-meneutische Methoden der Theoriekonstruktion bevorzugt worden, dievon der „Betroffenheit“ der Handelnden und den Handlungsproblemenim Berufsalltag ausgegangen seien und handlungsleitende Deutungsmustersowie implizite Handlungsstrategien zu konstruieren versucht hätten.

Doch der damit einhergehende Verzicht auf theoretische Distanz habetendenziell zu einer affirmativen Beschreibung der Praxis und zu einerSelbstaufhebung theoretischer Ansprüche geführt. Mit induktiver Theo-riebildung und interpretativen Verfahrensweisen sei zwar dem Hand-lungswissen der Praxis eine gewisse Priorität gegenüber dem Wissen-schaftswissen eingeräumt worden, doch ebenso wie das deduktive Mo-dell gehe das induktive Modell von der Unterstellung aus, dass ein direkterWeg von der Wissenschaft zur Praxis führe. Probleme der Praktiker er-schienen so entweder als Folge einer unzureichenden (wissenschaftli-chen) Theorieaneignung oder als Ergebnis einer unzureichenden theore-

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tischen Rekonstruktion der praktischen Handlungsprobleme durch die(wissenschaftliche) Theorie, nicht aber als Resultat der unterschiedlichenWissensformen selbst.

Das in der Praxis zur Anwendung kommende Handlungswissen der Prak-tiker entstamme nämlich keineswegs wissenschaftlichen Erkenntnissen,die in trivialisierter Form zur Anwendung kämen, vielmehr sei nach Dre-rup (1988, S. 15) das Handlungswissen eher erfahrungs- und traditions-generiert. Es werde – so Kade – in aller Regel im berufsbegleitendenErfahrungsaustausch und auf der Basis von nebenbei in der Praxis ver-mittelten Rezepten gewonnen. Damit sei es allerdings seinerseits aufGrund der Verborgenheit und Spurenlosigkeit seines situationsspezifi-schen Entstehungszusammenhangs sowie wegen der mangelnden Expli-kation von Gründen seines Funktionierens nicht unbedingt praxisange-messen. Kade schlägt daher u. a. vor, auch berufliches, sich seiner Ge-nerierung vergewisserndes Handlungswissen neben wissenschaftlichemWissen zum Gegenstand einer professionelles Handeln vorbereitendenund einzuübenden Hochschulausbildung von Erwachsenenbildner/inne/n zu machen (vgl. S. Kade 1992, S. 37ff.). Angesichts der funktionalenQualitäten beider Wissensformen für das erwachsenenbildnerische Han-deln kann jedenfalls nach Kade nicht länger von einer Anleitungsfunkti-on wissenschaftlichen Wissens für dieses ausgegangen werden, sondernstattdessen von einem Ergänzungsverhältnis wissenschaftlichen Wissensund beruflichen Handlungswissens im Berufshandeln. Für sie bestehtsogar Professionalität in der Einheit von wissenschaftlichem Wissen undberuflichem Handlungswissen, wie bereits in Kapitel 5.3.1 dargestellt.Für Dewe/Ferchhoff/Radtke entsteht durch diese Einheit von wissenschaft-lichem Wissen und beruflichem Handlungswissen jedoch nicht Profes-sionalität, sondern Professionswissen (vgl. 1992, S. 70ff.). Auf alle dreiWissensarten, die wissenstheoretisch für das Handeln von Erwachsenen-bildner/inne/n relevant gelten, wird im Folgenden eingegangen.

6.1.3 Wissenstheoretisch notwendiges Wissen I:Wissenschaftliches Wissen und durchwissenschaftliche Ausbildung erworbenes Wissen

Handlungstheoretisch betrachtet hat nach Dewe/Ferchhoff/Radtke (diesich ihrerseits auf Wieland beziehen) das wissenschaftliche Regelwissenfür den professionellen Praktiker lediglich den Status „eines Inbegriffsvon Vorkenntnissen“. Zwar sei jeder Praktiker auf den Besitz derartiger

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„Vorkenntnisse“ angewiesen, doch sie alleine garantierten noch keineAussicht auf gelingende Handlungspraxis (vgl. ebd., S. 84). Wissenschaft-liches Wissen als „Vorkenntnis“ für berufspraktisches Handeln entsprach,wie dargestellt, nicht der Erwartung, die an die Ausbildungsleistung deswährend der Bildungsreform eingerichteten erziehungswissenschaftlichenDiplomstudiengangs und seine einzelnen Studienrichtungen von allenSeiten (Bildungspolitik, berufliche Handlungsfelder, Studierende) heran-getragen wurde: Eine verbesserte, weil „verwissenschaftlichte“ (= wis-senschaftlich angeleitete) Praxis sollten die so Ausgebildeten durch ihrHandeln bewirken. „Praxisbezug“ galt als das wichtigste Kriterium einerdurch ein Hochschulstudium zu erwerbenden Qualifikation, wie Lüdersam Beispiel der erziehungswissenschaftlichen Studienrichtung Sozial-pädagogik m. E. überzeugend analysierte (vgl. Lüders 1989, S. 197ff.).

Vielfältige Unvereinbarkeiten und Kollisionen mit dem gleichzeitig beivielen auch bestehenden Anspruch auf Wissenschaftlichkeit waren da-her unvermeidbar, denn im Gegensatz zu den aus der Berufspraxis ge-stellten Ansprüchen, Wissenschaft solle praxisrelevantes Wissen erzeu-gen, zielt diese gemäß ihrer eigenen Systemlogik nicht nach praktischerVerwendbarkeit, sondern auf Erkenntnisgewinn nach Maßgabe von Wahr-heit, Richtigkeit, Verallgemeinerbarkeit, wie Luhmann u. v. a. m. plausi-bel beschrieben und begründet haben. Angesichts dieser divergentenInteressen thematisierte Lüders 1989 auch das Verhältnis von Wissen-schaftsdisziplin und Studiengang und schlug vor, letzteren mit seinenStudienrichtungen als eine vermittelnde Instanz, eine Art Subsystemzwischen Wissenschaft und Praxis zu begreifen, denn die dort stattfin-denden Ausbildungsprozesse entsprächen weder der Logik wissenschaft-licher Erkenntnis noch den Imperativen beruflichen pädagogischen Han-delns. Der Bezugspunkt der Ausbildung sei zugleich weniger die Syste-matik einer Disziplin als vielmehr der Erwerb jener Kompetenzen, vondenen die Lehrenden vermuteten, dass sie berufs- und handlungsrele-vant seien. Mit der Auswahl des angebotenen Wissens und der prakti-schen Fälle, die mit wissenschaftlichem Wissen konfrontiert würden, gingees um die didaktische Vorbereitung von Passungsverhältnissen zwischenWissenschaft und Praxis. Das von Studierenden im gelungenen Falleangeeignete Wissen könne daher als propädeutisches Berufswissen be-zeichnet werden (vgl. ebd., S. 222ff.). Differenziere man die unterschied-lichen Funktionen von Wissenschaftsdisziplin und Studiengang, sei es„nicht mehr Aufgabe der Forschung und wissenschaftlichen Theoriebil-

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dung, ‚praxisrelevantes‘ Wissen im Sinne handlungsorientierenden Wis-sens zu produzieren; diese Aufgabe könnte getrost der Lehre und derAusbildung bzw. anderen Institutionen überlassen werden“ (ebd., S. 226).

Ohne die Überlegungen von Lüders explizit aufzugreifen oder die Er-gebnisse der sozialwissenschaftlichen Wissens-Verwendungsforschungexplizit zu reflektieren beschäftigt sich Th. Fuhr 1991 in seiner Studiezur Professionalisierung der Erwachsenenbildung u. a. auf der Basis ei-ner theoretischen und empirischen Handlungsanforderungsanalyse mitdem Wissen von Erwachsenenbildner/inne/n, das diese für eine kompe-tente professionelle Berufsausübung benötigten, und das sie in einer be-rufsvorbereitenden, spezifisch erwachsenenbildnerischen wissenschaft-lichen Ausbildung erwerben sollten. Aus den Ergebnissen seiner Analyseleitet er die Wissensbedarfe ab und diskutiert sehr differenziert die Un-terschiede wissenschaftlichen Wissens und praktischen beruflichen Wis-sens bzw. „praktischer Theorien“. Er begründet dabei m. E. überzeugend,dass für kompetentes Berufshandeln von Erwachsenenbildner/inne/n pä-dagogisches und anderes Wissen wissenschaftlicher und praktischer Artnotwendig ist und beschreibt speziell die prinzipiellen Defizite pädago-gischen Wissens, die auch durch eine wissenschaftliche Ausbildung nichtbeseitigt werden und die zugleich eine Begründung für die Notwendig-keit professionellen Handelns im Unterschied zum Expertenhandelnverstanden werden können:

• das normative Defizit: handlungsleitende Normen können nichtallgemeingültig bestimmt werden auf Grund des normativen Plu-ralismus;

• das deskriptive Defizit: pädagogische Handlungssituationen kön-nen nicht vollständig beschrieben werden auf Grund der In-transparenz pädagogischer Situationen – keine Situation gleichtvollständig einer anderen – und der Grenzen des Verstehens –niemand kann vollständig in andere „hineinschauen“;

• das Technologiedefizit: es gibt keine sicheren, d. h. unabhän-gig von Situationen garantiert erfolgversprechenden Regeln,weshalb pädagogisches Handeln nur bis zu einem gewissenGrad routinisierbar ist (vgl. Fuhr 1991, S. 151–177).

Da der Erwerb spezifischer erwachsenenbildnerischer Kompetenzen –deren wesentlicher Teil Wissen verschiedener Arten darstellt – nach Fuhrdie Hauptaufgabe der Hochschul-Ausbildung von Erwachsenenbildner/

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inne/n ist, soll diese nach seinem Vorschlag sowohl wissenschaftlichesals auch praktisches Wissen vermitteln – was auch schon Lüders undS. Kade gefordert hatten. Im einzelnen hält er dazu für notwendig (Fuhr1991, S. 231–233):

1. Vermittlungswissena) Überblick über Strukturen der Erwachsenenbildung, die

Träger und ihre spezifischen Zielsetzungen, die Instituti-onalformen, zu erwerbende Zertifikate, Teilnahmevoraus-setzungen und Möglichkeiten der finanziellen Förderungvon Teilnehmern

b) Unterrichtsfach2. Handlungswissen

2.1 Didaktisches Wissenc) Unterrichtstheoretisches Wissend) Wissen über Möglichkeiten der Thematisierung von Wis-

sen, Können und Haltungen für Unterrichtszweckee) Wissen über die Lehre von der Artikulation des Unter-

richtsf) Wissen über die Figuren des Unterrichts

2.2 Beratungswisseng) Beratungstheorieh) Wissen über die Figuren der Beratungi) Wissen über pädagogische und diagnostische Verfahrenk) Wissen über die Methode des Verstehens

2.3 Organisationswissenl) Organisationstheoretisches Wissenm) Wissen über Angebotsplanungn) Juristisches und betriebswirtschaftliches Wissen

3. Zielwisseno) Wissen über pädagogische und andragogische Ziele und

Grundsätzep) Wissen über Bildungsbedürfnisse Erwachsenerq) Wissen über die Methoden der empirischen Sozialfor-

schungr) Metaethisches Wissen

4. Bedingungswissens) Wissen über die Adressaten und Teilnehmert) Wissen über die gesellschaftlichen Bedingungen des Han-

delns

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Ohne an dieser Stelle die wissenstheoretische Systematik, die begriffli-che Kategorisierung oder die wissenschaftliche, bildungspolitische undempirische Begründung Fuhrs für seinen Wissenskatalog erörtern zuwollen, der auf seine theoretisch entwickelte Vorstellung vom professio-nellen Erwachsenbildungs-Handeln und seine Analyse empirischen Se-kundär-Materials zu Anforderungen an erwachsenenbildnerisches Han-deln rekurriert, erscheint hier aus meiner Sicht zentral bedeutsam, dassder Katalog sowohl wissenschaftliches Wissen als auch berufliches (Hand-lungs-)Wissen bzw. praktisches Wissen als Gegenstand der Hochschul-Ausbildung für Erwachsenenbildner/innen enthält. WissenschaftlichesWissen unterscheidet sich vom beruflichen Wissen u. a. dadurch, dasses nach bestimmten, nachvollziehbaren Regeln in methodisch gesicher-ter Weise gewonnen und in sich widerspruchsfrei, belegbar, mindestensjedoch plausibel begründet sein muss. Sein Geltungs-Kriterium ist übli-cherweise die intersubjektiv überprüfbare bzw. als gültig anerkannteWahrheit. Berufliches Wissen muss nicht dem Kriterium der Wahrheit,sondern der praktischen Brauchbarkeit, Nützlichkeit und Angemessen-heit genügen. Widerspruchsfreiheit ist ebenso wenig notwendig wie Be-legbarkeit oder Plausibilität zwingend sind, wenn das berufliche Wissenzum gewünschten Erfolg oder zur Problemlösung beiträgt.

Da die beiden Wissensarten in verschiedenen Systemen nach verschie-denen Kriterien generiert werden, folgen sie auch verschiedenen Logi-ken: einerseits einer universellen/komplexen, andererseits einer partiku-laren/reduzierten. Sie erfüllen für das professionelle erwachsenenbild-nerische Handeln unterschiedliche Funktionen: Das berufliche Wissen,das bei seiner Generierung aus gewonnenen Erfahrungen, Traditionenund Praxiskulturen an praktischer, oft lediglich situativer Verwertung ori-entiert ist, erfüllt vor allem die Funktion der unmittelbaren Nützlichkeitbzw. der wiederholbaren und Handlungsanleitung. Das wissenschaftli-che Wissen, das bei seiner Generierung in systematischen Erkenntnis-und Forschungsprozessen an überprüfbarer Richtigkeit und verallgemei-nerbaren, über einzelne Situationen hinausreichenden Erkenntnissenorientiert ist, erfüllt andere Funktionen wie

• Analyse von Sachverhalten, Verhaltens-, Denk-, Empfindungs-weisen und Ereignissen,

• Erklärung und Interpretation derselben,• Herstellung von Zusammenhängen zwischen einzelnen Sach-

verhalten, Verhaltensweisen und Ereignissen und umfassende-

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ren Geschehnissen, Strukturen usw. – und umgekehrt,• Begründung und Legitimation von Entscheidungen,• Orientierung und Kritik des partikularen Handelns und Verhal-

tens nach Maßgabe allgemeiner Erkenntnisse, Einsichten usw.

Wenn Erwachsenenbildungs-Professionalität als die gelingende didakti-sche Relationierung von individuellen und gesellschaftlichen Interessenan Lernen und Bildung sowie wissenschaftlichem und partiellem alltäg-lichem und beruflichem Wissen und Können verstanden wird, dann er-scheint es als evident, dass professionell handelnde Erwachsenenbild-ner/innen sowohl über wissenschaftliches wie über berufliches bzw. prak-tisches Durchführungs-Wissen und -Können verfügen müssen.

Th. Rauschenbach, der sich mit „Irritationen und Klärungen des Verhält-nisses von Wissenschaftswissen und Praxiswissen in Studium, Lehre,Forschung und Profession“ für die Sozialpädagogen-Ausbildung ausein-andersetzt (vgl. 2000, S. 79ff.), kommt zu der – m. E. auch für die Er-wachsenenbildner/innen-Ausbildung mit Einschränkung zutreffenden –Einschätzung, dass das Studium keinesfalls allein disziplinär sein könne,sofern am Ende des Studiums mehrheitlich „Professionelle“ und nicht„Wissenschaftler“ stehen sollen. Professionsbezogene Wissenselementemüssten daher ein angemessener Gegenstand sein, ohne dass das Studi-um dabei zur passiven Rezeption von technologischem Anwendungs-wissen oder schlichter Praxiseinübung verkomme. Das Ineinander undNebeneinander von wissensreflektierenden Seminaren und wissensan-wendenden Übungen, von Reflexion und Training versetze überhaupterst in die Lage, dass Professionelle in der außeruniversitären Praxis zuaktiven Wissens-Interpreten und -Koproduzenten werden könnten. Esmüsse sichergestellt werden,

„dass erst eine besondere Form der Wissensvermittlung den wissenschaftlichen Ge-halt des Studiums und mithin seinen akademischen Kern prägt, nämlich eine Form derWissensvermittlung, die – vereinfacht formuliert – das Wissen über das Wissen durch‚Beobachtungen zweiter Ordnung‘ mitliefert. Insbesondere der letzte Punkt scheint mirder Weg zur operativen Herausbildung des Typus des ‚wissenschaftlich ausgebildetenProfessionellen‘ in einem akademischen Studium und zu dessen Abgrenzung gegenü-ber dem ‚wissenschaftlich ausgebildeten Praktiker‘ zu sein: Während gute ‚Fachkräfte‘gewissermaßen Wissensvermittler und Wissensanwender ohne Wissens-Produktions-anleitung, also ohne den Schlüssel zum Wissen sind und demzufolge ‚Wissen ersterOrdnung‘, d. h. Wissen ohne Wissen über das Wissen verwenden, gewissermaßen alsblack box, wären davon idealtypisch ‚Professionelle‘ als Wissensvermittler und Wis-

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sensanwender mit einer Wissens-Produktionsanleitung zu unterscheiden, d. h. als Wis-sensinterpreten, die den Schlüssel zur Wissens-Produktion kennen, damit über ‚Wis-sen zweiter Ordnung‘ verfügen und so auch partiell, etwa segmentär in ihrem eigenenArbeitsfeld, zu Beobachtern und professionsbezogenen Wissens-Koproduzenten wer-den könnten. In diesem Punkt geht es mithin darum, ‚Wissen nicht nur als fertiges Pro-dukt anwenden und weitergeben zu können, sondern es in seiner Zusammensetzungselbst analysieren, reflektieren, interpretieren und ggfs. auch modifizieren zu können.Oder in einem Bild formuliert: Es geht um eine spezifische Qualität des Produktes ‚Wis-sen‘, eines Produktes mit beigelegten Konstruktionsplänen und einer Gebrauchsanwei-sung (die zur Selbstmontage anleitet), mithin gewissermaßen – in der Sprache der In-formationstechnologie – um Texte, in den die Steuerzeichen im Hintergrund permanentunsichtbar mitlaufen, potenziell verfügbar und auf diesem Wege dann auch veränder-bar sind“ (Rauschenbach 2000, S. 88f.).

Diese insgesamt überzeugende Argumentation verliert dadurch, dass derBegriff des „wissenschaftlich ausgebildeten Professionellen“ nicht rechtpassend erscheint: Zum einen sind – wie bisher ausgeführt – Professio-nelle ohne wissenschaftliche Ausbildung bzw. die Verfügung über wis-senschaftliches Wissen und Können heute kaum vorstellbar. Zum ande-ren kann sich Professionalität erst im praktischen beruflichen Handelnentwickeln und nicht in der wissenschaftlichen Ausbildung an Hoch-schulen hergestellt, sondern nur vorbereitet werden.

Dewe hebt bei der Beschreibung der Funktion der wissenschaftlichenHochschulausbildung deutlicher als Rauschenbach auf die Differenz derWissensarten und der Orte ihrer Generierung ab und sieht insbesonderederen Funktion durchaus „klassisch“ in der Beschäftigung mit wissen-schaftlichem Wissen: Berufspraktisches Können werde erst im Vollzugeiner beruflichen Tätigkeit gewonnen. Wissenschaftliches Wissen dienedabei als Konturierungsfolie und limitiere gleichzeitig Handlungsoptio-nen. Der wissenschaftlich (aus-)gebildete Praktiker zeichne sich durchReflexionswissen aus, das ihm erlaube zu wissen, was er tue (vgl. Dewe2002, S. 25). Die Funktionen akademischer Ausbildungsprozesse fürzukünftige pädagogische Berufspraktiker im Erwachsenen- und Weiter-bildungsbereich beschreibt er so:

„Zum einen werden dem Auszubildenden in der Universität ganz im Foucaultschen Sin-ne (...) durch die Wissenschaft Augen eingesetzt, die darüber befinden, was der Päda-goge in seinem Tätigkeitsfeld sieht und welche Relevanzen er in seinem Handlungsfeldsetzt. (...) Zum zweiten wird der Berufspraktiker in die Lage versetzt, die von ihm ausge-übten Praktiken nachträglich zu begründen und zu reflektieren. Der Pädagoge kann mitReflexion Professionalität erreichen, obwohl seine Handlungsweisen primär organisa-torisch spezifiziert sind. Universitäres Studium umfasst so gesehen nicht eine Einübung

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in die ‚Theorie-Praxis-Vermittlung‘, sondern eine Veranstaltung, in der die Fähigkeit desreflexiven Umgangs mit (wissenschaftlichem) Wissen gelernt wird“ (ebd., S. 26).

Diese Position bleibt m. E. hinter dem bereits erreichten Reflexionsstand(vgl. Lüders, Kade, Fuhr, Rauschenbach) zu den unterschiedlichen Funk-tionen von Wissenschaftsdisziplin, Studiengang und Berufspraxis zurGestaltung einer (professionalitätsvorbereitenden) Hochschul-Ausbildungvon Erwachsenenbildner/inne/n zurück. Deren Ziel kann keineswegs nurim reflexiven Umgang mit (wissenschaftlichem) Wissen bestehen, son-dern in der Vermittlung von Kompetenzen für didaktisches Handeln aufprofessionellem Niveau. Außerdem kann – am Rande bemerkt – alleinmit nachträglicher Reflexion keine Professionalität des Handelns erreichtwerden.

Unter dem Aspekt der Notwendigkeit spezifischen professionellen Han-delns muss die wissenschaftliche Hochschulausbildung von Erwachse-nenbildner/inne/n sowohl die Aneignung wissenschaftlichen als auchberuflichen Wissens und Könnens ermöglichen. Selbstverständlich kannletzteres nur ansatzweise, exemplarisch und vorwiegend simulativ ge-schehen. Allerdings können ausbildungsintegrierte Praktika ein ausge-zeichneter „Ort“ nicht nur für die Aneignung beruflichen Wissens undKönnens, sondern auch für die Einübung in professionelles Handeln ver-standen werden, weil sie bereits während des Studiums professionelleRelationierungsleistungen ermöglichen. Eine professionelles Erwachse-nenbildungs-Handeln vorbereitende wissenschaftliche Ausbildung soll-te daher umfassen:

• das Studium der Basiswissenschaften Erziehungswissenschaft,Erwachsenenbildungs-Wissenschaft und einer weiteren Fach-wissenschaft,

• das Studium der Bezugswissenschaften Gesellschafts- und Kul-turwissenschaften, Psychologie, Wirtschaftswissenschaften,Rechts- und Verwaltungswissenschaft,

• das Studium der Methoden wissenschaftlichen Denkens, Arbei-ten und Forschens

• die Aneignung beruflichen Handlungswissens und Könnens inexemplarischen Handlungsbereichen.

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6.1.4 Wissenstheoretisch notwendiges Wissen II:Berufliches und durch berufliches Handelnerworbenes Wissen

Spätestens seit der Veröffentlichung von Ergebnissen der sozialwissen-schaftlichen Wissens-Verwendungsforschung auch im Bereich der insti-tutionalisierten Erwachsenenbildung wurde deutlich bzw. wieder bewusst,dass wissenschaftliches Wissen nicht die alleinige Basis erwachsenen-bildnerischen wie pädagogischen Handelns überhaupt darstellt und auchnicht darstellen kann. Zwischen dem Wissenschaftswissen und dem ge-meinen Alltagswissen stellt das berufliche Wissen eine Wissensart dar,die – wie das Wissenschaftswissen – spezifischen Generierungskriterienunterliegt und die für das berufliche Handeln unverzichtbar ist – so lau-tet eine wesentliche Einsicht. Berufliches Wissen in impliziter und expli-ziter Form wird im beruflichen Handeln eingesetzt und muss sich beider Bewältigung beruflicher Handlungssituationen bewähren. S. Kadeunterscheidet sehr klar Wissenschaftswissen, Alltagswissen und berufli-ches Handlungswissen:

„Es ist jedoch keineswegs der Grad der Reichweite von Aussagen, der das Handlungs-wissen vom Theoriewissen trennt. Wäre dem so, würde der Erwerb der Transformati-onskompetenz ausreichen, um Theorie in Praxis zu übersetzen. Vielmehr führt überhauptkein direkter Weg vom Sonderwissen der Theorie zum Handlungswissen der Praxis,denn beide Wissenstypen, die eine unterscheidbare, wenn auch einander ergänzendeFunktion übernehmen, folgen einer anderen Handlungslogik.Das Theoriewissen muss als partiell gegenüber der Praxis verselbstständigtes Wissenvor allem auf Gründe gestützt sein, die theorieinternen Kriterien logischer Widerspruchs-freiheit genügen müssen und deren Geltungsbasis in den wissenschaftsinternen Dis-kursen der scientific community verankert ist. Das Handlungswissen zielt demgegenüberauf Entscheidungen in konkreten Handlungssituationen ab, deren Geltung an das Ange-messenheitskriterium gebunden ist, ob eine Entscheidung der Situation angemessenund die daraus folgende Handlungskonsequenz akzeptabel ist“ (Kade 1990, S. 49f., Her-vorhebungen im Original).

Kade beruft sich auf Luhmann (1987) und Schütz (1976), für die dieIntransparenz von Handlungsbedingungen und Handlungsfolgen ad-hoc-Entscheidungen erforderlich macht und die Prozesshaftigkeit von Hand-lungen erst nach deren Abschluss ein Urteil darüber erlaubt, ob diesesituationsangemessen waren. Dies gilt insbesondere auch, wie Fuhr aus-führlich beschreibt, für pädagogische Handlungen und Handlungssitua-tionen. Sie können – so Fuhr – mit erziehungswissenschaftlichem Wis-sen allein, schon auf Grund dessen normativem, deskriptivem und tech-nologischem Defizit, nicht angemessen bewältigt werden. Doch mit Hilfe

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praktischer Theorien – hier und bei anderen Autoren Handlungswissenoder berufliches Wissen genannt – könnten die daraus entstehendenHandlungsprobleme wenn nicht aufgehoben, so doch abgemildert wer-den. Praktische Theorien sind nach Fuhr nicht notwendig gewiss undwürden auch nur so lange aufrechterhalten werden, wie sie das Han-deln ausreichend zu orientieren in der Lage seien. Sie könnten sogarfalsche Aussagen enthalten und würden trotz ihrer Defizienz von denpädagogisch Handelnden oft so behandelt, als sei ihr Wahrheitsgehalthinreichend sicher.

Zu den praktischen Theorien gehörten die auf Erfahrung und Traditionberuhenden Kunstlehren der Erziehung, die Rezepte und Rezeptologien,das individuelle Erfahrungswissen der Pädagogen, ihre subjektiven An-nahmen über die Bedingungen ihres Handelns und über Kausalzusam-menhänge sowie viele in Handreichungen für die Praxis enthaltene Aus-sagen (vgl. Fuhr 1990, S. 162ff.). Im Unterschied zu Kade sieht Fuhr zweiQuellen der pädagogischen Theorien bzw. des beruflichen (Handlungs-)Wissens:

1. die auf Verstehen zielende hermeneutische Reflexion pädago-gischer Praxis (darin stimmt er mit Kade überein)

2. die Transformation wissenschaftlichen Wissens (damit befindeter sich im Dissens mit Kade, denn sie schreibt, wie oben bereitszitiert: „... das eine geht nicht aus dem anderen hervor, weilbeide Wissenstypen einer anderen Handlungslogik folgen“ , vgl.Kade 1990, S. 49).

Kade sieht das berufliche Handlungswissen zwischen dem „Sonderwis-sen der Theorie“ (gemeint ist Wissenschaft, R. P.) und dem Alltagswissenvon jedermann“ angesiedelt. „Offenkundig ist das berufspraktische Hand-lungswissen nur für die Angehörigen einer Profession von Bedeutung,deshalb aber auch nur in gesonderten Qualifizierungsprozessen, nichtaber im Alltag selbst zu erwerben“ (ebd.). Und weiter:

„Sind theoretische Qualifikationen aufgaben- und gegenstandsbezogen, so sind prakti-sche Kompetenzen situationsbezogen und prozessorientiert. Muss sich die theoretischeArgumentation auf den Kontext von theorieimmanenten Diskussionen einlassen, so diehermeneutische Rekonstruktion auf die fallspezifische Auslegung von Fällen. Sind imFall der theoretischen Rekonstruktion analytische Fähigkeiten verlangt, so im Fall derhermeneutischen Rekonstruktion reflexive Fähigkeiten. (...) Der Diskurs im Lektürekursist der angemessene Weg, um sich das theoretische Sonderwissen der Profession an-

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zueignen, doch er reicht nicht aus, um das fallbezogene Handlungswissen zu erwerben,das nur im fallbezogenen Praxisseminar erworben werden kann“ (ebd., S. 53).

Kade unterscheidet nicht klar zwischen Handlungswissen und -kompe-tenz, was mit dem hier verwendeten Kompetenzverständnisses nichtvereinbar ist, weil danach Wissen zwar ein notwendiges, jedoch keinhinreichendes Element von Kompetenz i. S. v. Leistungsvermögen ist.

Statt bereits in der berufsvorbereitenden wissenschaftlichen Ausbildungvon Erwachsenenbilder/innen erfolge die Aneignung des für das prakti-sche Handeln erforderlichen Handlungswissens in aller Regel bisher imRahmen eines berufsbegleitenden Erfahrungsaustauschs und auf der Ba-sis von nebenbei in der Praxis vermittelten Rezepten. Erst in der Berufs-praxis und nach Beendigung der akademischen Ausbildung – und damitstets unter Handlungsdruck – würden diejenigen Handlungsstrategienentwickelt, die den Praxisanforderungen mehr oder weniger gerechtwürden.

„Gesucht ist der ‚Rat für die Stunde‘, damit das Tagesgeschäft am Laufen bleibt undnicht ins Stocken gerät. Eben dies leistet das Rezept, in dem kurz und prägnant auf denBegriff gebracht ist, auf welche Weise ein Handlungsproblem zu lösen ist. Im Rezeptsind aufgehäufte Erfahrungen zu einem ‚Erfahrungskürzel‘ zusammengefasst, das keineAuskunft über seinen Entstehungs- und Funktionszusammenhang gibt. Die Verborgen-heit und Spurenlosigkeit seines situationsspezifischen Entstehungszusammenhangssowie die mangelnde Explikation von Gründen seines Funktionierens haben immer wiederzu einer sozialtechnisch verkürzten Vermittlung und Rezeption von Rezepten in der päd-agogischen Praxis beigetragen und damit den Erwerb eines praxisangemessenen Hand-lungswissens verhindert“ (ebd., S. 43)

Rezepte sind nach Kade als berufliches Handlungswissen problematisch,wenn nicht unangemessen, denn sie stellt fest (vgl. ebd., S. 43ff.):

1. Rezepte verstehen sich nicht von selbst, weil die in ihnen ge-ronnenen beruflichen Erfahrungen nicht mit Bewusstsein für diejeweiligen Bedingungen und Kontexte, sondern in der Regelblind und unter Handlungsdruck nach dem Muster von Ver-such und Irrtum gewonnen worden sind. Sobald diese auf an-dere Handlungskontexte übertragen werden, können sie zwarfunktionieren, doch die Handelnden wissen nicht warum. Nichtdas Handeln als solches mache eben klug, sondern erst dieReflexion des Handelns. Diese wiederum erfordere Distanz zumBerufsalltag.

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2. Rezepte können Erfahrungen nicht ersparen, weil die in ihnengeronnenen beruflichen Erfahrungen auf die Genese ihrer Kon-texte reflektiert werden müssen, wenn sie für das eigene Han-deln sinnvoll werden sollen. Unterstellt wird oft eine quasi „uni-verselle Phänomenologie der Erfahrung“, die im Erfahrungsaus-tausch zur Sprache kommt und vermeintlich jederzeit und füralle Fälle gilt. Doch Wenn-dann-Formeln gelten bestenfalls fürtechnische Zusammenhänge. Verkannt wird, dass die Darstel-lung von Problemlösungsmöglichkeiten eigene Erfahrungenhöchstens abkürzen kann, weil dem Ratschlag bereits eine In-terpretation unterliegt, die rekonstruiert werden muss. Rezeptekönnen so zum Anstoß einer Uminterpretation eigener Erfah-rungen werden, ohne diese jedoch zu erübrigen.

3. Rezepte sind nicht vom Blatt abzulesen, weil die versprocheneProblemlösung auf die angegebenen Kontextbedingungen be-schränkt sind und auf Grund der Unwägbarkeit konkreter Hand-lungssituationen unbeabsichtigte Folgen erzeugen können, diedas konkrete Handlungsziel verfehlen. Die Menge kontextfreiübertragbarer Handlungsregeln ist in pädagogischen Handlungs-situationen gering. Nur in technischen Zusammenhängen ist eineRegelanwendung möglich, die auch ohne Verständnis des the-oretischen Erzeugungskontextes praktiziert werden kann.

Verwirft Kade Rezepte als unangemessenes Handlungswissen einerseitskategorisch, schreibt sie andererseits doch auch weniger kategorisch, injedem Fall sei „eine Verständigung über die Lesarten und Verwendungs-weisen von Rezepten erforderlich: Rezepte formulieren Möglichkeitsbe-dingungen, wie gehandelt werden könnte, sie enthalten Problemlösungs-vorschläge, die noch an die gegebenen Bedingungen anzupassen sind“(ebd., S. 48). Letzterem ist unbedingt zuzustimmen, denn Rezepte kön-nen durchaus auch als erfahrungsbedingter Schatz beruflichen Wissensund Könnens verstanden werden, auch wenn dessen Entstehungszusam-menhang unbekannt oder unbewusst bleibt. Zwar ist ein beruflichesHandeln auf der alleinigen Grundlage von Rezeptologien mit professio-nellem Handeln nicht vereinbar und relativiert eine naive Anwendungvon Rezepten in der Erwachsenenbildungs-Praxis (im Sinne etwa vonKochrezepten) auch deren Wert, doch gibt es auch im beruflichen Han-deln von Erwachsenenbildner/inne/n wiederkehrende Elemente, für dieein in ähnlichen Situationen erprobtes, jeweils flexibel anzupassendes

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Wissen und Können hilfreich sein kann. Derartige Handlungsmusterkönnen eine entlastende Funktion haben, und Erwachsenenbildner/innendürften ebenso wie andere Berufsgruppen typische Konventionen, Deu-tungs- und Legitimationsmuster – die auch in Rezepten enthalten sind –herausbilden, um handlungsfähig zu sein und zu bleiben.

„Einmal aufgegriffen und verwendet, werden sie jeweils reproduziert und an die sichwandelnden situativen Bedingungen angepasst. Pädagogische Konventionen sind dieDeutungen, die ‚von rückwärts‘, wie Weniger sich ausdrückte, den pädagogischen Akt‚umklammern‘. Es sind im Sinne Wenigers ‚Theorien zweiten Grades‘, die alles enthal-ten, ‚was auf irgendeine Weise formuliert, im Besitz des Praktikers vorgefunden undvon ihm genutzt wird, in Lehrsätzen, in Erfahrungssätzen, in Lebensregeln, in Schlag-worten und Sprichwörtern und was es so gibt‘ (...). In den pädagogischen Konventionenwerden die kollektiv erarbeiteten Lösungen berufspraktischer Probleme in Ansatz ex-pliziert. Das in ihnen abgelagerte Wissen, die Weisheit der Regeln, kann dabei selbstschon wieder in die Latenz gesunken und den Handelnden nicht mehr verfügbar sein(vgl. Olson ...). Die Konventionen enthalten ein Wissen an sich, das ‚schlau‘ verwendetwird, ohne gewußt zu werden. Das Denken und Handeln des einzelnen wird in vorberei-tete Bahnen gelenkt, die die gleichermaßen von der Institution Betroffenen angelegthaben, um zu ‚überleben‘. Diese Lesart des Deutungsmusterkonzepts (Dewe/Ferchhoff...) transformiert die aus der Kognitionspsychologie, aber auch aus der Sozialphänome-nologie stammende egologische Konstruktion des Handlungswissens“ (Dewe u. a. 1992,S. 87).

Auch Fuhr konstatiert, dass pädagogische Theorien (= berufliches Hand-lungswissen) zunächst individuelle Theorien sind. Da ihre Geltung sichnach dem Kriterium der Brauchbarkeit bemesse, würden diese erst dannverworfen, wenn sich brauchbarere Theorien zeigten. PädagogischesHandeln suche Sicherheit in Fixierungen. So lange das Handeln zu ei-nem hinreichenden Erfolg führe, sei keine Reflexion der Erfahrung erfor-derlich. Reflexion setze erst dann ein, wenn das Handeln problematischwerde, nicht zu dem gewünschten Erfolg führe, sich unerwünschte Ne-benwirkungen zeigten oder Situationen undurchsichtig würden. Diesesberufliche Verhalten und Handeln sei allerdings verständlich, weil Er-wachsenenbildner das Wissen, das ihrem Handeln zu Grunde liege, nichtin jeder Situationen hinterfragen könnten, wollten sie nicht handlungs-unfähig werden (vgl. Fuhr 1990, S. 166ff.). Es sei das Verdienst Weni-gers, so Fuhr, darauf hingewiesen zu haben, dass das Verhältnis von wis-senschaftlicher Theorie und berufspraktischem Handeln nicht einliniggedacht werden könne, letzteres nicht die Anwendung ersterer sei. Sowie es kein theoriefreies Tun gebe und auch Wissenschaft eine eigen-ständige Praxis darstelle, bilde das Gesamt an pädagogischen Theorien,

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wissenschaftlicher wie praktischer, eine Gemengelage. Zwar sei die Ka-tegorisierung der Wissensformen nützlich und begründet, jedoch zugleichauch künstlich, weil diese sich in der Wirklichkeit gegenseitig durch-drängen (vgl. ebd., S. 169ff.).

In diesem Zusammenhang erscheint die von Polanyi 1985 getroffeneUnterscheidung zwischen explizitem und implizitem Wissen bedeutsam.Beide Wissenstypen stehen nach Nonaka/Takeuchi (1997) in einem kom-plementären Verhältnis zueinander und enthalten technische und kog-nitive Elemente, die sich im Handeln ergänzen:

„Der technische Aspekt des impliziten Wissens erstreckt sich auf konkretes Know-how,handwerkliches Geschick und Fertigkeiten. Die kognitiven Elemente beinhalten ‚menta-le Modelle‘ (Johnson-Laird ...), mit denen sich Menschen durch Erzeugung und Hand-habung von Analogien in der Welt zurechtfinden. Mentale Modelle wie Paradigmen,Perspektiven, Vorstellungen und Überzeugungen helfen Menschen, ihre Welt wahrzu-nehmen und zu definieren. Die kognitiven Elemente des impliziten Wissens beziehensich auf Bilder und Visionen, die sich jemand von der Realität und der Zukunft macht:‚was ist‘ und ‚was sein sollte‘. (...) Zum Beispiel ist Erfahrungswissen meist implizit, kör-perlich und subjektiv, während das Verstandeswissen meist explizit, metaphysisch undobjektiv ist“ (Nonaka/Takeuchi 1997, S. 72f.).

Insbesondere für das berufliche Handlungswissen und im Hinblick aufdessen Lehrbarkeit und Einübungsmöglichkeit scheint mir die Unterschei-dung zwischen explizitem und implizitem Wissen insofern bedeutsam,als explizites Handlungswissen mitteilbar, reproduzierbar ist und somitbis zu einem gewissen Grad auch außerhalb beruflicher Handlungssitu-ationen vermittelt und angeeignet werden kann, wie S. Kade dies etwafür die Vermittlung der Handlungshermeneutik (Methode des Fallverste-hens) in der berufsvorbereitenden Ausbildung von Erwachsenenbildner/inne/n fordert. Weitere Möglichkeiten für außerhalb des beruflichenHandelns anzueignendes Handlungswissen wären z. B.

• lerndiagnostische Verfahren• didaktisch-methodische Verfahren• medientechnische Verfahren• Kommunikations- und Verhandlungstechniken• Beratungstechniken• Evaluationsverfahren• Verfahren der Qualitätssicherung• Personalentwicklungstechniken• ethische Handlungsnormen.

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Der Zugang zum impliziten Wissen wird durch Erfahrungs- und Assozia-tionsaustausch zumindest ermöglicht. Dieser Zugang ist nach Nonaka/Takeuchi auch deshalb wichtig, weil im gelingenden Zusammenwirkenvon implizitem und explizitem Wissen bzw. in der Tatsache, „dass wirmehr wissen, als wir zu sagen wissen“ (Polanyi 1985, S. 14) das wissens-bedingte Innovationspotenzial schlechthin liege. Die Autoren gehen davonaus, „dass Wissen durch eine Interaktion zwischen beiden Bereichen ge-schaffen und erweitert wird. Dieses Zusammenwirken bezeichnen wir alsWissensumwandlung (von implizitem in explizites Wissen, R. P.), die ei-nen sozialen Prozess zwischen Menschen darstellt und nicht auf das In-nenleben einzelner beschränkt ist ... So erweitern sich implizites und ex-plizites Wissen durch diesen sozialen Umwandlungsprozess sowohl inqualitativer als auch in quantitativer Hinsicht“ (Nonaka/Takeuchi 1997,S. 73f.). Wenn diese Theorie zutrifft – sie wird immerhin durch eindrucks-volle Beispiele belegt – dann wäre sie auch eine Begründung dafür, dassfür lebendiges professionelles Handeln soziale Austauschprozesse zwi-schen Mitgliedern von Professionen unerlässlich sind.

6.1.5 Wissenstheoretisch notwendiges Wissen III:Professionswissen

Wie bereits in den vorangegangenen Kapiteln ausgeführt, wird in derneueren Professionstheorie davon ausgegangen, dass im beruflichenHandeln von Professionellen wissenschaftliches Wissen und beruflichesWissen als grundsätzlich differente Wissensarten wesentliche Handlungs-ressourcen darstellen, deren Verhältnis zueinander empirisch noch we-nig erforscht ist. Während etwa Kade die beiden Wissensarten in einemproduktiven Ergänzungsverhältnis zueinander sieht (vgl. 1990, S. 49),bezeichnen Dewe/Ferchhoff/Radtke dieses Verhältnis als eines der Rela-tionierung und Kontrastierung. Durch die theoretische Rekonstruktionder Strukturlogik professionellen Handelns haben sie deren Verhältniszueinander wie folgt zu bestimmen versucht: Im professionellen Han-deln begegnen sich – so die Autoren – wissenschaftliches und prakti-sches Handlungswissen und machen die Professionalität zu einem Be-zugspunkt, an dem die Relationierung und Kontrastierung beider Wis-sensarten stattfindet. Konstitutiv für die Handlungslogik desprofessionellen Praktikers ist die gleichzeitige Verpflichtung auf die denbeiden Wissensarten jeweils eigenen Urteilsformen, nämlich Wahrheiteinerseits und Angemessenheit andererseits, ohne dabei die eine oderdie andere Urteilsform zu präferieren. Nicht konstitutiv für professionel-

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les Handeln ist das Zusammenzwingen beider Wissensarten unter einEinheitspostulat. Also besteht die Logik professionellen Handelns auchnicht in der Vermittlung, sondern in der Relationierung des verwendetenWissens (vgl. Dewe u. a. 1992, S. 80ff.).

Das von Professionellen verwendete Wissen wird in der wissenschaftli-chen Literatur auch als „Professionswissen“ bezeichnet, ohne dass einKonsens über die Art und die Anteile der darin enthaltenen Wissensartenoder deren Verhältnis zueinander bestünde. Auch die Jahrestagung 2001der Sektion Erwachsenenbildung der Deutschen Gesellschaft für Erzie-hungswissenschaft, die als Thema „Professionswissen und erwachsenen-pädagogisches Handeln“ bearbeitete, fand dazu höchst disparate Ant-worten, wie deren Dokumentation belegt. Während etwa S. Rahn be-schreibt, dass die theoretische Verortung des Professionswissens zwischen„Wissen“, „Können“ und „Reflexion“ konkurriert und auch empirischeForschungsergebnisse kein klares Bild ergäben (vgl. Rahn 2002, S. 153ff.),definiert D. Nittel im pluralis majestatis:

„Wenn wir vom Professionswissen sprechen, so meinen wir damit jenes Wissen, wel-ches in der mit Aufgaben der Erwachsenenbildung vertrauten Berufskultur kursiert –oder genauer gesagt: konstruiert, tradiert und verändert wird. Das Wissen der Berufs-kultur (diesen Begriff schlägt Nittel statt „Profession“ im Falle der Erwachsenenbildungvor, R. P.) setzt sich bekanntlich nicht nur aus wissenschaftlichem Wissen und bestimm-tem Fachwissen zusammen, sondern es besteht auch aus beruflichem Routinewissen,lokalem Organisationswissen und intuitiven Wissensformen. Obwohl die Frage, auswelchen Anteilen das Wissen der Berufskultur (Sinnbezirke) besteht, nur schwer be-antwortet werden kann, sind die Referenzen des Berufswissens relativ einfach zu be-stimmen: Sie weisen Fach-, Methoden-, Interaktionsbezüge auf, wobei jede dieser Re-ferenzen wiederum spezifische moralische Konnotationen besitzt“ (Nittel 2002, S. 31).

Dewe/Ferchhoff/Radtke haben 1992 Professionswissen als einen eigen-ständigen Mischtypus des Wissens bezeichnet zwischen dem praktischemHandlungswissen bzw. dem Berufswissen, mit dem es den permanentenEntscheidungsdruck teile, und dem systematischen Wissenschaftswissen,mit dem es einem gesteigerten Begründungszwang unterliege (vgl. Deweu. a. 1992, S. 78ff.). Die neuere Wissens-Verwendungsforschungallerdings habe das Professionswissen kategorial als Bestandteil des prak-tischen Handlungswissens verortet, so die Autoren weiter.

„Wenn aber das Professionswissen kategorial auf der Seite der Praxis angesiedelt wird(vgl. auch Bromme ...), stellt sich dann die Frage nach dem praxisinternen Verhältnis

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von Entscheidungs- und Begründungswissen (vgl. Calderhead ...). Zu untersuchen wäre,ob die Entscheidung zu einer Handlung und Begründungen für die gleiche Handlungaus demselben Wissenshaushalt stammen, ob jeweils derselbe Typ Wissen verwendetwird, oder, wenn nein, wie die verschiedenen Wissenstypen intern in Beziehung ge-setzt werden. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob das wissenschaftliche Wissen alsnachträgliche Begründung in der Praxis tauglich ist oder wie die Differenz zwischenwissenschaftlichem Erklärungswissen, praktischem Begründungswissen und prakti-schem Entscheidungswissen zu ziehen ist. Angesichts solcher Fragen erscheint die Fi-gur des Professionellen als die black box der Relationierung und Kontrastierung hand-lungstheoretisch ausdifferenzierter Wissenstypen, in die es hineinzublicken gilt“ (Deweu. a. 1992, S. 83).

Zumindest in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung ist dieser Einblickm. W. bisher empirisch systematisch kaum erfolgt. Die theoretische Dif-ferenzierung der Wissenstypen bzw. -arten erfolgt daher vor allem aufder Ebene logischer Beweisführung und Plausibilität. Die Verortung desProfessionswissens unter das berufliche Handlungswissen durch die so-zialwissenschaftliche Wissens-Verwendungsforschung geschah m. E.nicht im Rahmen berufssoziologischer oder professionstheoretischerForschung und auch nicht professionstheoretisch motiviert. Die Verwen-dung professionstheoretischer Begriffe geschah denn auch wenig diffe-renziert, was beispielsweise daran deutlich wird, dass sozialwissenschaft-lich ausgebildete Berufstätige allein auf Grund ihrer Ausbildung bereitsals „Professionelle“ bezeichnet werden. Es ist daher nur folgerichtig, wenndas von diesen nachweislich verwendete Wissen dann als „Professions-wissen“ bezeichnet wird – ein Gemisch aus wissenschaftlichem Wissenund beruflichem Handlungswissen/Berufswissen – das vor allem erste-res in seiner ursprünglichen Gestalt oft nur noch ahnen lässt.

Das professionelle Handeln beruht nach weitgehend übereinstimmen-der professionstheoretischer Annahme u. a. auf einer doppelten Wissens-basis, die es – je nach theoretischer Position – zu vermitteln, zu relatio-nieren oder zu kontrastieren gilt, keineswegs aber zu verschmelzen unddamit der jeweiligen Logiken und Eigenheiten zu berauben. Findet je-doch eine Verschmelzung statt, wie sie die sozialwissenschaftliche Wis-sens-Verwendungsforschung beobachtete, dürfte dabei das wissenschaft-liche Wissen sein Geltungskriterium „Wahrheit“ verlieren und dem Gel-tungskriterium „Angemessenheit“ bzw. „Brauchbarkeit“ des beruflichenHandlungswissens/Berufswissens subsumiert werden, denn professionel-les Handeln findet in außerwissenschaftlichen Organisationskontextenmit eigener Handlungslogik statt.

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Geht man also von einer Verschmelzung beider Wissensarten aus, ist eslogisch, das Professionswissen dem beruflichen Handlungswissen/Be-rufswissen zu subsumieren, denn offenbar gelangt nur soviel wissen-schaftliches Wissen unter dem faktischen Primat der beruflichen Praxiszur Verwendung, wie deren Logik dienlich ist; es wird nach dem Kriteri-um der Angemessenheit und Brauchbarkeit angepasst. Anders ausge-drückt: wie viel und welches wissenschaftliche Wissen im beruflichenHandeln „zum Zuge kommt“, bemisst sich außer nach dessen individu-eller Verfügbarkeit durch den Handelnden selbst (Gewusst-Werden) ver-mutlich stärker und öfter nach Kriterien von Brauchbarkeit und Nütz-lichkeit als nach Kriterien von (möglicherweise erfolgsgefährdender oderverstörender) Wahrheit. Die Wissens-Verwendungsforschung hat dieEmpirie der Verwendung wissenschaftlichen Wissens erfasst, allerdingsnoch keine professionelle Praxis beschrieben, weil damit die Relationie-rung differenter Wissensformen, die professionstheoretisch im professio-nellen Handeln geschieht, zugunsten der Subsumtion der einen unterdie andere aufgelöst worden ist.

Derartiges „Professionswissen“ wäre so die gar nicht mehr „widersprüch-liche Einheit“ (Oevermann) von wissenschaftlichem und beruflichemWissen unter dem Primat des letzteren und damit Wissen, das nicht ei-gentlich eine Ressource professionellen, sondern „lediglich“ beruflichenHandelns ausmachte. Wenn man mit „Professionswissen“ als eigenstän-diger Wissenskategorie operiert, dann erscheint dessen Verortung durchDewe/Ferchhoff/Radtke als „Zwischen-Wissen“ professionstheoretischzumindest logisch. Denn als Unterkategorie des beruflichen Handlungs-wissens entfiele – wie ausgeführt – die Verpflichtung des Professionswis-sens auf die Urteilsform „Wahrheit“ des Wissenschaftswissens, wodurchallein die Urteilsform „Angemessenheit“ das Professionswissen orien-tierte. Die Doppelverpflichtung professionellen Handelns auf beide Ur-teilsformen verleiht diesem jedoch vor allem anderen seinen professio-nellen Charakter.

Die neuere Forschung zur Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissensim beruflichen Handeln entsprechend Ausgebildeter zeigt empirisch,dass bis zur Beinahe-Unkenntlichkeit „übersetztes“ wissenschaftlichesWissen in berufliche Handlungsbeschreibungen, -entscheidungen und-begründungen eingeht und sich mit beruflichen Handlungswissen be-wusst oder unbewusst vermischt. Diese Befunde scheinen eher gewon-

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nenes berufliches Handlungswissen zu dokumentieren, nicht aber Pro-fessionswissen, das professionstheoretischen Kriterien standhielte.

Doch auch die Zuordnung des Professionswissens durch Dewe/Ferch-hoff/Radtke als Wissen zwischen Wissenschaftswissen und beruflichemHandlungswissen bleibt bei näherer Betrachtung inhaltsleer und wenigüberzeugend, weil nicht ersichtlich wird, dass das Professionswissen ei-genständige Merkmale aufwiese, die nicht von seinen beiden „Zuflüs-sen“ gespeist würden. „Professionswissen“ scheint deshalb allenfalls alszusammenfassender, als Sammelbegriff geeignet zu sein. Im Unterschiedzu dieser Position beschreibt Nittel Professionswissen als

„die disparate Einheit von Alltagswissensbeständen und wissenschaftlichem Wissen(-); es besteht also aus den Bestandteilen beider Wissensbereiche, ohne so etwas wieeine Schnittmenge oder einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu bilden. Zugleich grenztsich Professionswissen gegenüber den Merkmalen des Alltagswissens (Indexikalitätund Situationsbezug, Suspendierung des Zweifels, Gleichzeitigkeit von Präzision undVagheit) ebenso ab wie gegenüber den Spezifika des wissenschaftlichen Wissens (Ab-straktheit, Loslösung von Kontexten, Institutionalisierung des Zweifels). Geht man vondiesem dialektischen Verständnis von Professionswissen aus, so greift die Metaphervon der ‚Vermittlung‘ etwa von Handlungs- und Rezeptwissen einerseits und Reflexi-onswissen andererseits viel zu kurz. Im Zuge der neuen Verwendungsforschung sprichtman eher von der Relationierung und der Gleichzeitigkeit der Konstruktion und Rekons-truktion divergierender Wissensformen. Wechselseitige Beobachtung von Handlungs-wissen und wissenschaftlichem Wissen kann Irritation und ‚kognitives Rauschen‘, aberauch produktive Lernprozesse hervorrufen. Professionalität ist in dieser Perspektive dieFähigkeit, ein und denselben Gegenstand aus unterschiedlichem Blickwinkel, unterNutzung andersgelagerter Rationalitätsmuster anzuschauen und mit divergierenden, jawidersprüchlichen Wissens- und Urteilsformen souverän umzugehen. Produktiv umge-hen bedeutet, die damit verbundenen Ambiguitäten nicht nur auszuhalten, sondern sieauch produktiv zu nutzen“ (Nittel 2000, S. 82).

Bedenkt man, dass a) Nittel hier Alltagswissen und berufliches Hand-lungswissen vermischt und nicht, wie es nach dem Stand der professi-onstheoretischen Diskussion geboten wäre, differenziert, dass b) offenbleibt, was „souveräner Umgang“ und „produktive Nutzung“ der unter-schiedlichen Wissensformen konkret bedeuten bzw. woran sich beidesbemessen sollte, dass c) die unterschiedlichen Wissensformen ihre Ei-genart behalten sollen und die neue Wissensform „Professionswissen“sich sowohl durch deren Relationierung, wie auch durch deren gleich-zeitige Konstruktion und Rekonstruktion konstituiert, dann entsteht inder Tat ein schwer verständliches „kognitives Rauschen“, in dem nicht

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mehr wahrnehmbar wird, was unter „Professionswissen“ eigentlich ver-standen wird.

Mir scheint, dass die Kategorie des Professionswissens sich eignet als diezusammenfassende Beschreibung der Gesamtheit desjenigen Wissens,über das Professionelle verfügen müssen, wenn sie professionell han-deln wollen bzw. können sollen. Im Falle einer Profession von Erwach-senenbildner/inne/n ist dies zum einen wissenschaftliches Wissen, wieetwa in Kapitel 6.1.3 beschrieben und begründet, und berufliches Wis-sen, wie etwa in Kapitel 6.1.4 beschrieben und begründet. Wissen alleinkonstituiert jedoch noch keine Kompetenz für professionelles Handeln.Hierzu bedarf es auch des Könnens.

6.2 Können

Können als eigenständige Handlungsressource neben den differentenWissensformen zu verstehen, scheint noch immer relativ unüblich zusein. Und obwohl die Paarbildung der Begriffe „Wissen und Können“überaus gebräuchlich ist, unterblieb erstaunlicherweise die Herausar-beitung ihrer Differenz bis heute weitestgehend. Dies belegt auch dieRecherche von Rahn über Ergebnisse der Erforschung des pädagogischenProfessionswissens, vornehmlich von Lehrern. Im Hinblick auf die künf-tige Erforschung des professionellen Wissens in der Erwachsenenbildungwünscht sie,

„theoretisch wie methodisch stärker auf den Unterschied von Wissen und Können zuachten. Unter dem Gesichtspunkt der Reichweite ‚verbaler Daten‘ für die Wissensfor-schung bedeutet dies dann, dass diese umso geringer ausfällt, je mehr es in der formu-lierten Forschungsfrage um den Anteil des Könnens am beruflichen Handeln geht. Überdiese methodische Konsequenz der Differenz von Wissen und Können hinaus belegt dieDiskussion, dass die Frage nach dem professionellen Wissen in der Erwachsenenbil-dung gleich in mehrfacher Hinsicht zu grob gestellt ist, um empirisch handhabbar zusein“ (Rahn 2002, S. 160).

Der unauflösbare Zusammenhang zwischen Wissen und Können hat alsobisher auch theoretisch dessen Grenzen eher unbestimmt gelassen. Wohlging man davon aus, dass Wissen vor Können stehen muss, dass alsoWissen gegenüber dem Können eine dienende Funktion hat, vertrauteim übrigen aber theoretisch wie praktisch darauf, etwa in der Hoch-schulausbildung von Erwachsenenbildner/inne/n, die ja dem eigenenAnspruch nach berufsqualifizierenden Charakter haben soll, dass das

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Können sich auf der Basis des Wissens gewissermaßen von selbst entwi-ckelt. Das gilt auch z. T. für wissenschaftliches Können (Methodologie,wissenschaftlichen Anforderungen genügendes Recherchieren, Schrei-ben, Argumentieren, begründetes Urteilen und Schlussfolgern).

Erst mit dem Beginn der Bildungsreform Ende der 1960er Jahre tratenWissen und Können im Kontext der Hochschulausbildung allmählichins Bewusstsein verantwortlicher Planer/innen, und zwar als differenteFähigkeits-Dimensionen von beruflicher Handlungs-Kompetenz – eineüberflüssige Doppelung, denn Kompetenz gilt gemeinhin als Handlungs-Vermögen –, die sich keineswegs „automatisch“ entsprechen müssen,wie sich jederzeit empirisch beobachten lässt.

Wenn, wie die seither wachsende Einsicht lautet, die Verfügung überumfassendes wissenschaftliches Wissen allein noch keine beruflicheHandlungsfähigkeit und berufliches Können im Sinne nachweislicherund wiederholbarer Leistung hervorbringt, diese jedoch auch als Ausbil-dungsziele wissenschaftlicher Studiengänge von vielen Seiten gefordertwerden, dann kann wissenschaftliche Ausbildung fortan nicht mehr nurin der Vermittlung und Aneignung wissenschaftlichen Wissens und Kön-nens allein bestehen, sondern es müssen beispielsweise durch ausbil-dungsintegrierte Praktika auch Möglichkeiten zum Kennenlernen undzur Einübung praktischer Fähigkeiten im Sinne beruflichen Leistungsver-mögens gegeben werden, die etwa auch die Vertiefung und Übung all-gemeiner Fähigkeiten ermöglichen wie die zur Kommunikation und In-teraktion, zur Entscheidung und zur Distanz. Der Stellenwert des Prakti-kums als wichtiger Voraussetzung für die Überprüfung berufspraktischerNeigung und Eignung durch Studierende und als Nachweis erster be-rufspraktischer Erfahrungen für potenzielle Arbeit- und Auftraggebereinerseits sowie als Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit andererseitsist seither kontinuierlich gestiegen – zuletzt etwa erkennbar an der Ein-führung von Praktika in der Lehrer/innen-Ausbildung und selbst in Ma-gister-Studiengängen, die traditionell auf Vermittlung und Aneignungwissenschaftlichen Wissens ohne direkten beruflichen Handlungsbezugund Handlungs-Einübung orientiert sind. Doch so wie „Handeln als sol-ches nicht klug macht“ (Kade 1990, S. 44), wenn es ohne wissensbasier-te Reflexion erfolgt, macht Wissen ohne Handeln offenbar nicht kompe-tent, weil es aus sich selbst heraus keine Handlungsfähigkeit erzeugt,sondern bestenfalls Handlungsdispositionen.

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Kompetentes berufliches Handeln beruht also neben Wissen verschie-dener Arten auf spezifischem Können, das seinerseits auf Voraussetzun-gen basiert. Fuhr zeigte 1991 auf, dass für dessen Genese zwei weitereElemente erforderlich zu sein scheinen: Natürliche bzw. persönlicheVoraussetzungen wie Begabungen, Haltungen, Eigenschaften einerseitsund Einübung bzw. Routine andererseits (vgl. Fuhr 1991, S. 15). Diesgilt möglicherweise für jegliches berufliches Können; für professionelles(erwachsenen-)pädagogisches Können, das sich in der gelingenden di-daktischen Unterstützung des Lernens und der Bildung von Personenerweist, scheint es jedoch auch deshalb bedeutsam zu sein, weil dieseskaum ohne gewisse persönliche Eigenschaften und Haltungen wieOffenheit, Freundlichkeit, Humanität, Authentizität, Empathie, Humor,Flexibilität und Verlässlichkeit und längere Handlungs-Einübung vorstell-bar ist. „Eine bestimmte Natur“ sei die Voraussetzung für die Möglich-keit des Erwerbs von pädagogischem Geschick, schreibt Fuhr in Ausein-andersetzung mit E. Spranger, G. Kerschensteiner und E. Erikson zur Fra-ge der natürlichen Voraussetzungen, die jemand für pädagogischeTätigkeiten mitzubringen habe, „weil pädagogisches Handeln nicht inmethodisch-planbares Handeln aufgehen kann und eine derart verstan-dene Technologisierung des Bildungsprozesses auch gar nicht wünschens-wert ist“ (ebd., S. 147).

Auch die Herstellung von Lehr-Lern-Materialen und Lernsoftware ge-lingt nach meiner Beobachtung und Erfahrung weniger gut, wenn trotzvorhandenen Wissens die adäquate Einfühlung in zu erwartende Per-sönlichkeitsstrukturen, Lernvoraussetzungen, Vorstellungs- und Lebens-welten der Adressaten und dementsprechend eigene didaktische Erfah-rungen fehlen. Halten E. Spranger und H. von Hentig die liebevolle geis-tige Einstellung zu Kindern für wichtig, ist eine solche Einstellung fürFuhr im Hinblick auf erwachsene Lernende allerdings weniger bedeut-sam, weil hier eher vertragsbasierte oder doch ähnliche Beziehungenbestünden, die durch Sachlichkeit, Spezifität und eine eher universalisti-sche Bewertung des anderen geprägt seien. Da aber auch in der Erwach-senenbildung personale Faktoren eine nicht zu vernachlässigende Rollespielten, sei es berechtigt darauf zu achten, dass auch Erwachsenenbild-ner/innen ein gewisses Maß an pädagogischem Talent und Liebe zu ih-rem Beruf besäßen, da man damit rechnen müsse, dass „unpädagogi-sche Naturen“ im Durchschnitt zu schlechteren Erwachsenenbildner/innen würden und viele ihre Berufswahl später bereuten (vgl. ebd., S. 148).

6. Voraussetzungen der Entwicklung von Erwachsenenbildungs-Professionalität

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Zu fragen wäre allerdings – was Fuhr nicht tut – woran/womit die per-sönliche erwachsenenpädagogische Eignung angesichts des didaktischenberuflichen Handlungsspektrums festzustellen wäre, zumal diese nichtnur auf die direkte personale Beziehung zu lernenden Erwachsenen be-schränkt sein dürfte. Trotz dieser leider auch hier offen bleibenden Frageist es möglicherweise sinnvoll, neben einer Begabung für didaktischeVerständigung und Vermittlung ein mehr als durchschnittliches Interessean Lernen und Bildung als individuellem und gesellschaftlichem Ge-schehen vorauszusetzen sowie eine mehr als durchschnittliche Fähig-keit zu Empathie und soziologischer und politischer Phantasie.

Die von Fuhr genannte zweite Voraussetzung beruflichen Könnens, Ein-übung/Training und Routine, ist im Wesentlichen erst im Laufe des be-ruflichen Handelns selbst gegeben. Praktische Simulationen und Prakti-ka während einer wissenschaftlichen Ausbildung sind hier zwar wichti-ge „Bausteine“, können jedoch die durch längere berufliche Praxis erstmögliche Einübung nicht ersetzen. Beobachtbares berufliches Könnenkann daher immer auch als ein Ergebnis praktischen beruflichen Han-delns über einen gewissen Zeitraum verstanden werden. Allerdings istauch festzuhalten, dass „nicht jede Tätigkeitsroutine Expertise ausdrückt,aber jede Expertise zumeist langjährige Tätigkeitserfahrung voraussetzt“(Rahn 2002, S. 161).

Damit die Einübung in berufliche Handlungsmuster professionelles Kön-nen fördert und Handlungsroutine nicht zur handlungsinadäquaten Er-starrung in immer gleichförmigere Bearbeitungsmuster gerät – was mitprofessionellem Handeln unvereinbar wäre – ist die Beobachtung, Be-gleitung und Rückmeldung kompetenter, über ein ähnliches Maß an Ex-pertise verfügender Berufskollegen zwingend notwendig, weil nur so diefür professionelles Können unerlässliche Reflexivität im beruflichen Han-deln gewährleistet und berufliche Weiterentwicklung möglich erscheint.Ältere Professionen haben wohl nicht zuletzt aus diesen Gründen länge-re Berufseingangsphasen mit kollegialer Supervision und begrenzter Ei-genverantwortung für das berufliche Handeln des Berufsanfängers festinstitutionalisiert, wie z. B. den „Arzt im Praktikum“, Assistenztätigkei-ten und Referendariate.

Professionelles Können kann also alles in allem verstanden werden alsdie Fähigkeit einer Person zur Ausführung bestimmter Handlungen, die

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Beherrschung wesentlicher professioneller Handlungsfiguren und des jeeigenen professionellen Handlungstypus sowie die Verfügung über be-stimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen, die eine längere Einübungunter kollegialer Begleitung und Kontrolle verlangt. Wissen und Könnenbilden zusammen die wesentliche Substanz von Kompetenz im Sinnedes Leistungsvermögens einer Person. Erst in „der Güte der Performanz“und in der „sozialen Anerkennung“ (vgl. ebd.) erweist sich Könnenallerdings tatsächlich.

Professionelles Können als besonderes, auf allgemeinem und beruflichemKönnen aufbauendes, kann als eine entscheidende Voraussetzung vonProfessionalität als der Qualität professionellen Handelns verstandenwerden. Es schlösse ein

1. die souveräne Beherrschung zentraler professioneller Hand-lungsfiguren, z. B.• des Diagnostizierens von Lernvoraussetzungen und -fähig-

keiten,• der Untersuchung und Ermittlung von Lern- und Bildungsin-

teressen,• der curricularen Planung von Lern- und Bildungs-Program-

men, Veranstaltungen und -Prozessen,• der direkten didaktischen Ermöglichung des Lernens und der

Bildung Erwachsener durch Lehren, Anleiten, Moderieren,Beraten, Begleiten sowie durch räumliche, zeitliche und per-sonelle Arrangements,

• der indirekten didaktischen Ermöglichung des Lernen undder Bildung Erwachsener durch die Herstellung didaktischerMaterialen und Medien,

• der Beurteilung didaktischen Handelns und des Lernhandelns,

2. die Fähigkeit, im didaktischen Handeln individuelle und ge-sellschaftliche Interessen an Lernen und Bildung Erwachsenersowie relevantes wissenschaftliches und berufliches Wissen undKönnen so zueinander in Relation zu setzen, dass die jeweili-gen Lern- und Bildungsprozesse Erwachsener bei deren eigenerMitwirkung gelingen und Bildung entsteht.

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6.3 Aufgaben-, Handlungs- und Rollenverständnis

Für das Entstehen professioneller erwachsenenbildnerischer Handlungs-Qualität (= Erwachsenenbildungs-Professionalität) erscheint – neben denwichtigsten Voraussetzungen des Wissens und Könnens – auch ein Be-wusstsein von der beruflichen Handlungs-Aufgabe, der Art des berufli-chen Handelns und den daraus resultierenden beruflichen Rollen not-wendig. Professionelle sollten fähig sein zur Explikation ihres Aufgaben-, Handlungs- und Rollenverständnisses, denn die Verbalisierung schaffterst die Voraussetzung für dessen Reflexion. Zu Recht kann erwartetwerden, dass der professionell Handelnde nicht nur weiß, worin seineAufgabe, die Art seines Handelns und seine Rolle besteht, sondern dasser sie auch zu erklären vermag und notfalls von anderen Aufgaben, Hand-lungsarten und Rollen abzugrenzen weiß. Bedeutsam ist dies zunächstfür den professionell Handelnden selbst und seine Profession, denn einklares Aufgaben-, Handlungs- und Rollenverständnis steckt den Rahmendes Handelns ab, ermöglicht das Erkennen von Grenzüberschreitungenbzw. Übergriffen, trägt zur Handlungs-Profilierung bei und damitschließlich zu der gesellschaftlichen Anerkennung, auf die Professionel-le zumindest mittelfristig in ihrem Handeln angewiesen sind (Erteilungvon Mandat und Lizenz). Professionelle sollten auch nach außen ihreAufgaben-, Handlungs- und Rollenverständnisse kommunizieren kön-nen – eine Anforderung, mit der sie sich sowohl im Austausch mit Ar-beitskolleg/inn/en, als auch gelegentlich in der Kommunikation mit ih-rer Klientel, mit Arbeit-, Auftrag- oder Geldgebern oder einer kritischenÖffentlichkeit konfrontiert sehen.

Die Aufgabe professionell handelnder Erwachsenenbildner/innen bestehtnach dem in dieser Studie entwickelten professionstheoretischen Ver-ständnis in der Leistung eines professionellen didaktischen Beitrags zumLernen und zur Bildung Erwachsener und damit zugleich zur Realisie-rung des gesellschaftlichen Zentralwerts Bildung. Professionelle Erwach-senenbildner/innen sind didaktisch handelnde Erwachsenenbildner/innen; sofern sie auch nicht-didaktische Aufgaben wahrnehmen, tun siedies als Experten. So stellen etwa das Leiten einer Abteilung, einer Ein-richtung oder eines Unternehmens und die damit verbundenen Manage-ment-Tätigkeit organisations- und nicht personenbezogene betriebswirt-schaftliche Arbeit dar, die relativ unabhängig vom Zweck und der Artder Beschäftigungsinstitution den Handlungsreferenzen Effizienz, Wirt-

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schaftlichkeit, Gewinn und Macht verpflichtet ist, während für professi-onelle didaktische Arbeit individuelle und gesellschaftliche Lern- undBildungsinteressen wesentliche Handlungsreferenzen darstellen.

Die professionelle Handlungs-Art von Erwachsenenbildner/inne/n lässtsich sowohl vom Expertenhandeln in der Erwachsenenbildung als auchvon anderen personenbezogenen Handlungsarten hinreichend unter-scheiden: Sie besteht in der didaktischen Ermöglichung von Lern- undBildungsprozessen Erwachsener, häufig, aber nicht notwendigerweise,in direkter Kooperation mit diesen. Zum Handlungsverständnis des pro-fessionellen Erwachsenenbildners gehört nicht nur das Wissen um dieprofessionellen Handlungsreferenzen und die wichtigsten didaktischenHandlungsfiguren, etwa des Diagnostizierens, Planens, Lehrens, Mode-rierens, Beratens, Produzierens (von Lehr-Lern-Materialien und -Medi-en) und Evaluierens, sondern auch um deren Funktion im didaktischenHandeln. Der professionelle Handlungstypus des Relationierens von in-dividuellen und gesellschaftlichen Interessen am Lernen und an der Bil-dung Erwachsener sowie von wissenschaftlichem und beruflichem Wis-sen und Können sollte professionell handelnden Erwachsenenbildner/innen ebenso bewusst sein wie die Elemente der professionellen erwach-senenbildnerischen Handlungsstruktur (Rollenhandeln, Asymmetrie,Repräsentanz verschiedener Interessen und Belange) sowie typischeMerkmale professionellen Handelns (Interaktions-Prominenz, begrenztePlanbarkeit, begrenzte Kontrollierbarkeit).

Schließlich gehört zum professionellen erwachsenenbildnerischen Hand-lungsverständnis eine artikulationsfähige Vorstellung von der Qualitätdes Handelns (= Professionalität, gelingende didaktische Relationierungverschiedener Interessen und verschiedener Wissensarten) und vomHandlungserfolg (gelingende Lern- und Bildungsprozesse Erwachsener).Das Verständnis der eigenen beruflichen Rolle – und komplementär dazuder Rolle der Klientel – erscheint als Voraussetzung professionellenErwachsenenbildungs-Handelns schließlich von ebenfalls großer Bedeu-tung zu sein, weil Rollenunklarheit oder gar Rollendiffusion dessen Qua-lität entscheidend beeinträchtigen und schlimmstenfalls Handlungser-folge verhindern können. Da die Tätigkeit professioneller Erwachsenen-bildner/innen eine dienende Funktion hat, weil sie durch eine didaktischeLeistung helfen soll, Lernen und Bildung Erwachsener zu ermöglichen,lässt sich die professionelle Rolle von Erwachsenenbildner/inne/n als

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Lernhelfer/in oder Bildungs-Dienstleistende/r beschreiben. Die dazukomplementäre Rolle ist die von lernenden bzw. sich bildenden Erwach-senen, von Telnehmenden (an Lehr-Lern-Prozessen/Veranstaltungen).

Das hier – als eine wichtige Voraussetzung professionellen Erwachse-nenbildungs-Handelns – nur grob skizzierte Aufgaben-, Handlungs- undRollenverständnis professioneller Erwachsenenbildner/innen und damitvon Erwachsenenbildungs-Professionalität muss ebenso wie das wissen-schaftliche und teilweise berufliche Wissen und Können in der berufs-vorbereitenden Ausbildung erworben und reflektiert werden. Hier istdafür, im Gegensatz zum Berufsleben, nicht nur der notwendige Zeit-Raum gegeben, sondern zugleich ein relativ unabhängiger, von Macht-und Verwertungsinteressen künftiger Arbeit-, Auftrag- und Geldgeber freier„Denk-, Lern- und Reflexions-Raum“.

6.4 Handlungsethos

Die Notwendigkeit eines Handlungsethos von Erwachsenenbildner/in-ne/n mit professionellem Anspruch ergibt sich zunächst aus deren Hand-lungsaufgabe, einen didaktischen Beitrag zur Bildung Erwachsener zuleisten, weil damit unvermeidlich die Beeinflussung des Denkens undFühlens sowie von Werthaltungen und Verhaltensweisen von Personenverbunden ist, die sich nicht ethisch beliebig oder unkontrolliert vollzie-hen sollte. Didaktisch auf professionelle Art handelnde Erwachsenen-bildner/innen haben nicht nur verschiedene, teilweise widersprüchlicheInteressen an Lernen und Bildung in Relation zueinander zu setzen, siesind auch gleichzeitig verschiedenen Wissens- und Könnens-Arten undderen jeweiligen Bewertungs- und Handlungslogiken verpflichtet. Darinbesteht die nicht zuletzt ethisch anspruchsvolle Komplexität des profes-sionellen Handelns, die allerdings vielfältigen „Versuchungen“ ausge-setzt ist, sie in der einen oder anderen Weise zu unterschreiten. Denn esgilt ja nicht nur, die Belange der Elemente der professionellen Hand-lungsstruktur auch ethisch vertretbar zu berücksichtigen, sondern auch,die asymmetrische Handlungssituation und die erschwerte Kontrollier-barkeit professionellen Handelns sowie die für professionelles Handelnnotwendige Handlungsautonomie nicht zu missbrauchen. Schließlichstellt die Art des professionellen Handlungserfolgs dann eine ethischeHerausforderung dar, wenn professionelle Arbeit nicht entsprechend ih-rer qualitativen und ethischen Komplexität honoriert wird.

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Das Gelingen von Lern- und Bildungsprozessen als Zeichen professio-nellen Handlungserfolgs ist oft nicht ohne weiteres für die Beteiligtenoder Betroffenen wahrnehmbar, weil es sich meist wenig spektakulärvollzieht bzw. erst mit zeitlichem Verzug außerhalb professionell un-terstützter Lern- und Bildungsprozesse erweist. Weil so aber die ausoffensichtlichen Handlungserfolgen resultierende unmittelbare Befrie-digung für professionell arbeitende Erwachsenenbildner/innen ein eherseltenes Phänomen im beruflichen Alltag darstellt, besteht die Gefahr,die Handlungserfolge nicht in anstrengenden, notwendigerweise oft auchzeitweilig frustrierenden, aber letztlich gelingenden Lern- und Bildungs-prozessen Erwachsener zu suchen, sondern in leichter erreichbarenMöglichkeiten, wie etwa in der Anerkennung für nicht-professionelleVerhaltensweisen oder Attribute, Macht usw. oder darin, die anspruchs-volle Handlungsaufgabe des professionellen didaktischen Handelns be-wusst oder unbewusst „umzudefinieren“ in leichtere, offensichtlicherErfolg versprechende Aufgaben.

Damit die angedeuteten Versuchungen und Gefahren rechtzeitig erkanntund ihnen gegebenenfalls widerstanden werden kann, sollten die Refle-xion möglicher handlungsethischer Standards und die Entwicklung ei-nes individuellen professionellen Handlungsethos bereits Teil der be-rufsvorbereitenden Ausbildung von Erwachsenenbildner/inne/n sein undals eine notwendige Voraussetzung professionellen Handelns begriffenwerden. R. Arnold schlug 1991 sogar vor, die Ausbildung von Erwachse-nenpädagogen insgesamt als „moralischen Sozialisationsprozess“ zugestalten, damit sich auf diese Weise eine „professionelle ethische Leit-orientierung“ entwickeln könne (vgl. Arnold 1991, S. 22ff.). In jedemFall scheint die Hochschulausbildung von künftigen Erwachsenenbild-ner/inne/n ein geeigneter Zeit-Raum zu sein, deren ethische Handlungs-maximen, Haltungen und Verhaltensweisen zu thematisieren und zu re-flektieren; nicht jedoch dürfte eine „wissenschaftlich“ beglaubigte odergar verbindlich gesetzte materiale Handlungsethik im Sinne moralischerHandlungsregeln entwickelt und vermittelt werden, weil damit nicht nurwissenschaftliche, sondern auch hochschuldidaktische Grenzen über-schritten würden.

Wissenschaftlich angeleitete ethische Reflexion müsste vorhandene oderhistorisch bedeutsame ethische Vorstellungen und Haltungen zum Ge-genstand haben, beispielsweise die mit professionellem Bildungs-Han-

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deln unvereinbare Handlungsfigur des Missionierens, die bis zum Endedes vergangenen Jahrhunderts als politische Missionierung in der institu-tionalisierten Erwachsenenbildung weit verbreitet war. Jede missionari-sche, propagandistische oder manipulierende Überzeugungs- und Ver-einnahmungstätigkeit sollte thematisiert werden als im Widerspruch zueiner – in demokratischen und aufgeklärten Gesellschaften notwendigwertepluralen – die Selbstbestimmung sich bildender Erwachsenen re-spektierenden didaktischen Arbeit stehend. Kritisch zur Sprache kom-men müsste auch das ethisch fragwürdige „patronale Verhältnis“ (Schu-lenberg 1980, S. 65) mancher Professioneller zu ihrer Klientel, das inder veranstalteten Erwachsenenbildung etwa in einem vereinnahmen-den Sprachgestus, einer Erwachsenen unangemessenen Fürsorglichkeitoder überflüssigen Verantwortlichkeit gegenüber Teilnehmenden zumAusdruck kommen kann und den Erwachsenenstatus und die Selbstver-antwortlichkeit der Klientel verletzt.

H. Dräger (vgl. 1999, S. 20ff.) ordnet derartige Verhaltensweisen undHaltungen einer „advokatorischen Ethik“ zu, geprägt durch die geistes-wissenschaftliche Pädagogik, die sich als Anwalt für die nachwachsen-de Generation verstanden habe. Der Jugend mangele es in dieser Sichtnoch an Kompetenz für ihre eigene Autonomie, weshalb die Pädagogikso lange Verantwortung für sie übernehmen müsse, bis sie Mündigkeiterreicht habe. Diesem „pädagogischen Paradigma“ habe auch die an-waltliche Haltung gegenüber dem Volk durch die Volksbildung bis zumEnde der Weimarer Republik entsprochen, und sie sei im Postulat deremanzipativen Bildung durch die Erwachsenenbildung/Weiterbildung der1970er Jahre mit ihrem „linken Patriarchalismus“ fortgeführt worden.Auch der daraus folgende „Klientelismus“ der 1980er Jahre sei dem „pä-dagogischen Paradigma“ verpflichtet gewesen. „Die Teilnehmerorien-tierung, die in Verantwortung gegenüber der Klientel und in normativerIntention gegenüber dem Bildungsziel und Bildungsideal entfaltet ist undpraktiziert wird, rekonstruiert den pädagogischen Bezug mit der ihmnotwendig koordinierten advokatorischen Ethik auf der Ebene der Er-wachsenenbildung“ (ebd., S. 26).

Dagegen könnte kritisch eingewendet werden, dass das didaktische undzugleich ethisch relevante Prinzip der „Teilnehmerorientierung“ norma-tive Bildungsziele und Bildungsideale erheblich relativiert zugunsten sub-jektiver (Lern-)bedürfnisse, ja sogar mitunter die Gefahr mit sich bringt,

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diese gegenüber anderen Erfordernissen von Lern- und Bildungsprozes-sen zu verabsolutieren. Doch anscheinend hält Dräger jede Form ange-botsorientierter, didaktisch geplanter und veranstalteter Erwachsenen-bildung für einen Ausdruck advokatorisch wahrgenommener Verantwor-tung und empfiehlt die radikale didaktische Beschränkung auf dieBefriedigung der Bildungsnachfrage Erwachsener. Dies allerdings kämem. E. einem Verzicht auf die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verant-wortung für die Gestaltung der Bildung Erwachsener gleich. Fragen dergesellschaftlichen Relevanz von Bildungsinteressen, -zielen und -inhal-ten könnten dann allenfalls noch subjektiv gestellt, aber kaum noch öf-fentlich belangvoll diskutiert, geschweige denn durch bewusste gesell-schaftliche Handlungsformen beeinflusst werden. Dies allerdings scheintmir nicht zuletzt unter ethischen Gesichtspunkten fragwürdig zu sein.Die humanistische und politische Vorstellung von der möglichst umfas-senden Bildung aller aufzugeben zugunsten des Mechanismus der Nach-frage-Befriedigung hieße m. E. einer liberalistischen Vorstellung vonSelbstbestimmung und Selbststeuerung zu folgen, die de facto die aufGrund der bestehenden sozialen und ökonomischen Ungleichheit Bil-dungs-Begünstigten noch mehr begünstigte und diese Verhältnisse fest-schriebe. Selbst im Hinblick auf rein ökonomisch begründete Fort- undWeiterbildung Erwachsener führte die radikal-liberale Forderung Drä-gers zu deren m. E. politisch verantwortungslosen Nicht-Gestaltung. Ethi-sche Mindeststandards, die von den bildungsinteressierten gesellschaft-lichen Kräften, vor allem von professionellen Erwachsenenbildner/in-ne/n selbst noch zu entwickeln wären, könnten allerdings dazu beitragen,die veranstaltete Bildung Erwachsener sozial gerechter, humaner unddemokratischer zu gestalten und böten den didaktisch Handelnden einewenigstens minimale ethische Orientierung.

Zu Beginn der 1990er Jahre hat die Dachorganisation der US-amerikani-schen Erwachsenenbildungsverbände und -institutionen, die „Coalitionof Adult Education Organisations (CAEO)“ in Washington/DC für ihreMitglieder einen Ethik-Kodex entwickelt (vgl. Schmidt/Siebert 1994,S. 36f.), der sich auf das Verhalten und Handeln von Erwachsenenbild-ner/inne/n im Umgang mit Adressat/innen und Teilnehmenden, gegenü-ber ihren Arbeit- und Auftraggebern und auf das eigene berufliche Ver-halten bezieht, insbesondere das in Lehr-Lern-Situationen. Stark zusam-mengefasst appelliert dieser Kodex daran,

6. Voraussetzungen der Entwicklung von Erwachsenenbildungs-Professionalität

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• Teilnehmende an organisierten Lehr-Lernprozessen entsprechendihrer Lernvoraussetzungen und -erwartungen zu rekrutieren,

• Lehr-Lern-Veranstaltungen nicht für fremde Zwecke zu nutzen,z. B. Werbung,

• Sorgfalt, Redlichkeit und Fairness walten zu lassen,• Menschenwürde, Demokratie und Meinungsfreiheit zu beach-

ten,• sich ständig um die eigene Fortbildung zu bemühen.

Ein 2001 in Deutschland veröffentlichter ethischer Berufskodex des „Fo-rums Werteorientierung in der Weiterbildung“, eines Zusammenschlus-ses von elf Verbänden und Arbeitsgemeinschaften, in denen vor allemfreiberuflich in der beruflichen Weiterbildung tätige Erwachsenenbild-ner/innen organisiert sind, fordert, „dass professionelle Weiterbildendeihre Arbeit in Übereinstimmung mit beruflichen Qualitätsstandards undin persönlicher Integrität ausüben. Die beteiligten Weiterbildungsorga-nisationen fördern auf diese Weise den offenen und vertrauensvollenUmgang aller am Markt Beteiligten, schützen die Entwicklung des Be-rufsstandes und weisen auf die Verantwortung und Verpflichtung desBerufsstandes gegenüber der Gesellschaft hin“ (Frankfurter Rundschau,23.6.2001, S. A 84). In insgesamt sechs Artikeln äußert sich der Berufs-kodex

• zum Menschenbild in der Weiterbildung,• zum Selbstverständnis der Weiterbildner/innen,• zum Verhältnis der Weiterbildner/innen zu den Teilnehmenden,• zum Verhältnis zwischen Anbieter und Nachfrager/Auftragge-

ber,• zum Verhältnis der Weiterbildenden untereinander und• zum Verhältnis von Weiterbildner/innen zu ihrem Berufsstand.

Die ebd. beschriebenen ethischen Sichtweisen und Selbstverpflichtun-gen schließen die im amerikanischen Kodex genannten handlungsethi-schen Anforderungen im wesentlichen ein und gehen in mancher Hin-sicht über sie hinaus, indem sie etwa die Verantwortung der Weiterbil-denden für ihr eigenes Handeln nicht nur gegenüber Teilnehmendenund Arbeit-/Auftraggebern, sondern auch gegenüber den eigenen Be-rufskolleg/inn/en und der Gesellschaft hervorheben und konkretisieren.Die Selbstverpflichtung professionell handelnder Erwachsenenbildner/innen auf die Beachtung solcher oder ähnlicher, gemeinsam definierter,

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immer wieder neu zu reflektierender ethischer Handlungsstandards istm. E. eine Voraussetzung der Entwicklung von Erwachsenenbildungs-Professionalität. Eine solche Selbstverpflichtung ist auf Dauer jedoch nurwirksam, wenn auch deren Kontrolle sichergestellt wird, etwa durch ei-nen Berufsverband von Erwachsenenbildner/inne/n.

6.5 Strukturelle und soziale Voraussetzungen:Relative Handlungsautonomie und Organisationberuflicher Interessen

Während die bisher beschriebenen Voraussetzungen der Entwicklungvon Erwachsenenbildungs-Professionalität in der Person der/des profes-sionell Handelnden liegen, sind die beiden im Folgenden zu beschrei-benden Voraussetzungen eher struktureller und sozialer Natur (vgl. auchÜbersicht 6). Relative Handlungsautonomie bzw. Handlungsfreiheit unddie Organisation beruflicher Interessen von professionell arbeitendenErwachsenenbildner/innen bedingen sich gewissermaßen gegenseitig: Dieeine ist notwendig, um ein Mindestmaß an Unabhängigkeit von den In-teressen und Bewertungen des Handelns durch die Klientel einerseitsund die Arbeit-, Auftrag- und Geldgeber andererseits bei der Wahrneh-mung der Handlungsaufgabe gewährleisten zu können; die andere istnotwendig, um die Wahrnehmung der Handlungsaufgabe sozial, aufkollegialem Niveau einzubinden, zu kontrollieren und daran geknüpfteInteressen der Professionellen wirkungsvoll in der Öffentlichkeit undgegenüber Verhandlungspartnern vertreten zu können.

Professionelle Handlungsfreiheit kann immer nur eine begrenzte sein,weil die Wahrnehmung der Handlungsaufgabe von Erwachsenenbild-ner/inne/n u. a. erfordert, den Lern- und Bildungsinteressen der potenzi-ellen oder tatsächlich lernenden Erwachsenen so weit wie möglichentgegen zu kommen, damit sie wirkungsvoll unterstützt werden kön-nen. Da Erwachsenenbildner/innen dies überwiegend als Angestellte odergegen Honorar im Auftrag eines Arbeit-, Auftrag- oder Geldgebers tun,müssen sie auch dessen jeweilige Interessen so angemessen wie mög-lich berücksichtigen. Enden muss dieses Einlassen auf die Interessen derKlientel einerseits und des Auftraggebers oder der beschäftigenden Or-ganisation andererseits allerdings dann, wenn die zu verantwortendeprofessionelle Handlungsqualität in Gefahr gerät. Ein gewisses Maß anHandlungsfreiheit und Unabhängigkeit erlaubt also, aufgabenfremde oder

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mit der Aufgabe aus professioneller Sicht unvereinbare Interessen beiderSeiten – der Klientel wie der Organisation – ohne Nachteile abwehrenzu können. Diese beruht selbstverständlich zunächst auf ausgewiese-nem Wissen und Können sowie einem entsprechenden beruflichen Selbst-Bewusstein, bedarf aber mindestens ebenso einer berufs- und arbeits-marktpolitischen Machtposition.

Diese wird in arbeitsrechtlichen und ökonomischen Belangen durch dieGewerkschaften als Arbeitnehmer-Organisationen repräsentiert. Mit pro-fessionellen Belangen sind Gewerkschaften jedoch häufig überfordert,die zudem nur Arbeitnehmer-Interessen vertreten. Da professionelle Er-wachsenenbildner/innen auch zunehmend freiberuflich tätig sind, be-

IndividuelleVoraussetzungen

StrukturelleVoraussetzungen

SozialeVoraussetzungen

Übersicht 6: Voraussetzungen der Entwicklung von Erwachsenenbildungs-Professionalität

• Interesse an Lern- und Bildungsprozessen Erwachsener• Wissenschaftliches Wissen und Können

• Erwachsenenbildungs-Wissenschaft• Erziehungswissenschaft• Human- und Sozialwissenschaften• weitere Fachwissenschaft als inhaltliche Grundlage eigenen

didaktischen Handelns• Berufliches Wissen und Können in Bezug auf

• Handlungslehren, -muster, -rezepte, -kriterien• Verfahrensweisen, Techniken• didaktische Handlungsfiguren• die Fähigkeit zur didaktischen Relationierung

• Berufliche Handlungsorientierungen in Bezug auf• Aufgaben-, Handlungs- und Rollenverständnis• Handlungsethos

• didaktisch notwendige Ausstattung und Unterstützung(räumlich, medial, technisch, zeitlich, finanziell, organisatorisch)

• relative Handlungsautonomie gegenüber• Klientel• Auftraggebern, Arbeit- oder Geldgebern (Organisation)

• sozialer Zusammenhang (Gruppe, Verband etc.)von Erwachsenenbildner/innen für• Information, Austausch, Reflexion von beruflichen Erfahrungen• Einhaltung von Standards• Supervision, Kontrolle und ggf. Sanktion• Berufspolitik und öffentliche Darstellung

• Mindestmaß an sozialer (und ökonomischer) Anerkennung

Theoretischer Teil

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dürfen auch deren berufliche Interessen einer gesellschaftlichen Organi-sation und Repräsentanz, die nicht durch den arbeitsrechtlichen und-ökonomischen Arbeitnehmer-Status definiert sind. Berufsorganisationenkönnen neben berufspolitischen auch arbeitsrechtliche und -ökonomi-sche Interessen aufnehmen (und in Kooperation mit Gewerkschaftenvertreten). Darüber hinaus bieten sie für Professionen – unabhängig vonderen arbeitsrechtlichem Status – einen sozialen Zusammenschluss undein Forum zur Wahrnehmung und Darstellung inhaltlich-professionellerund ethischer Interessen. Je größer die Zahl der Organisierten ist, um somacht- und wirkungsvoller können auch deren Interessen gegenüberArbeit-, Auftrag- und Geldgebern, staatlicher Politik und innerhalb derÖffentlichkeit wahrgenommen werden und umso variantenreicher undkomplexer können inhaltliche und ethische Fragen bearbeitet werden.

Herrschte im Hinblick auf die „klassischen“ Professionen der Ärzte undRechtsanwälte lange die professionstheoretische Vorstellung, professio-nelles Arbeiten sei auf die ökonomische Unabhängigkeit des selbststän-digen „Freiberuflers“, also des Unternehmers, angewiesen, weil nur inunternehmerischer Selbstbestimmung die nötige professionelle Hand-lungsfreiheit gewährleistet sei, wich diese Vorstellung allmählich der Er-kenntnis, dass dieser ökonomische und arbeitsrechtliche Status alleinnoch keineswegs gleichbedeutend ist mit Handlungsfreiheit bzw. Unab-hängigkeit. Angesichts der „Herrschaft der Ökonomie“ in mittlerweilenahezu allen beruflichen und öffentlichen Handlungsfeldern erscheintes – gerade auch am Beispiel der „klassischen“ Professionen – immerplausibler, dass ökonomische und korporative Zwänge einerseits undder Wunsch nach Gewinn- und Einkommensmaximierung andererseitsprofessionelle Handlungsfreiheit ebenso gefährden können wie arbeits-vertragliche Verpflichtungen und Zumutungen, die aus professions- undaufgabenfremden Interessen für Professionelle im abhängigen Arbeitneh-mer-Status erwachsen (können).

Professionelle Handlungsfreiheit beruht also wie jede Freiheit auch aufMacht. Im Falle der Professionen in modernen Gesellschaften sollte die-se im Unterschied zu vormodernen nicht vom Staat verliehen werden,sondern auf eigener Stärke beruhen. Die Stärke von Professionen aberberuht zum einen auf der wahrnehmbaren Qualität ihres Handelns, aufProfessionalität also, und zum anderen auf der gesellschaftlich wirkungs-vollen Selbstdarstellung ihrer Leistung und der Organisation ihrer damit

6. Voraussetzungen der Entwicklung von Erwachsenenbildungs-Professionalität

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verbundenen Interessen. Da die Freiheit professionellen Bildungshan-delns in der Erwachsenenbildung nicht unter dem besonderen Schutzder Verfassung steht, wie etwa die Freiheit der Lehre an Universitäten[vgl. Artikel 5 (3)], jedoch ebenfalls schützenswert erscheint, muss siegegen einseitige Vereinnahmungen verteidigt und ansonsten wie jedeandere Freiheit auch immer wieder neu errungen werden. Auch hierfürkönnten der Erfahrungsaustausch und die gegenseitige kollegiale Bera-tung von Erwachsenenbildner/inne/n in einem organisierten verbandli-chen Zusammenhang ein wirkungsvolles Instrument sein.

Theoretischer Teil

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EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG

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7. Ziel und Design der empirischenUntersuchung

Die im Folgenden dargestellte empirische Untersuchung beruht auf ei-ner standardisierten Befragung und zehn leitfadengestützten Experten-Interviews mit berufstätigen Erwachsenenbildner/innen aus unterschied-lichen Berufsfeldern. Sie wurden zu ihrem jeweiligen beruflichen Han-deln und dem dabei eingesetzten Wissen und Können befragt.

Die Befragten, die alle ein erziehungswissenschaftliches Diplomstudi-um mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung/Weiterbildung abge-schlossen haben, werden im Rahmen dieser Untersuchung als Expertenim Sinne der qualitativ-empirischen Sozialforschung nach Meuser/Na-gel (1991, S. 443) verstanden. Danach ist der zugeschriebene Experten-status wesentlich abhängig vom jeweiligen Forschungsinteresse und wirdin gewisser Weise, begrenzt auf eine spezifische Fragestellung, vom For-scher „verliehen“. Experten-Interviews sollen sich in diesem Verständnisauf klar definierte Wirklichkeitsausschnitte des zumeist beruflichen Le-bens beziehen und darüber hinaus gehende Fragen, etwa nach dem per-sönlichen Leben, aussparen. Nach Meuser/Nagel kann als Experte gel-ten

• „wer selbst Teil des Handlungsfeldes ist, das den Forschungsge-genstand ausmacht,

• wer in irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf,die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung,

• wer über einen privilegierten Zugang zu Informationen überPersonengruppen oder Entscheidungsprozessen verfügt“ (ebd).

Die in dieser Untersuchung interviewten Erwachsenenbildner/innen er-füllen diese Voraussetzungen, da sie mit ihren beruflichen Tätigkeiten inHandlungsfeldern arbeiten, die nach zumindest theoretischen KriterienErwachsenenbildungs-Professionalität erfordern bzw. deren Entwicklungpotenziell ermöglichen, für die Art und Qualität ihres beruflichen Han-delns Verantwortung tragen und als spezifisch ausgebildete, einschlägigberufstätige Erwachsenenbildner/innen eine Personengruppe darstellen,die wesentliche Voraussetzungen für professionelles Erwachsenenbil-dungs-Handeln erfüllen und somit als potenzielle „Produzenten“ von

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„Erwachsenenbildungs-Professionalität“ (Forschungsgegenstand) angese-hen werden können.

7.1 Ziel der Untersuchung und ihr zu Grunde liegendeAnnahmen

Mit dieser Untersuchung soll eine Annäherung an die noch weitgehendausstehende empirische Erforschung der Qualität erwachsenenbildneri-schen Berufshandelns geleistet werden. Um diese Qualität angemessenerfassen und beurteilen zu können, müssten nicht nur die Handlungs-,Wissens- und Könnens-Strukturen erwachsenenbildnerisch Handelnderrepräsentativ erforscht werden, sondern vor allem relevante Ausschnittevon deren konkretem Berufshandeln, einschließlich der Interpretationender in die Handlungsprozesse Involvierten, vor allem also der Klientel.

Erwachsenenbildungs-Professionalität, hier verstanden als qualitativesPhänomen des didaktischen Handelns von Erwachsenenbildner/inne/n,kann sich nach dem bisher dargelegten professionstheoretischen Ver-ständnis nur im Handeln selbst manifestieren. Wird aber nicht das Han-deln selbst erforscht, sondern die Deutung des Handelns und der dafüreingesetzten Ressourcen von einer Handlungsgruppe, wie hier durch dieExperten-Interviews, sind zwar begründete Rückschlüsse auf das tatsäch-liche Handeln und die tatsächlich dabei eingesetzten Ressourcen mög-lich, nicht jedoch im engeren Sinne empirisch begründete, geschweigedenn verallgemeinerbare Aussagen über dieses Handeln. Ob und inwie-weit es im Handeln der im Rahmen dieser Untersuchung InterviewtenProfessionalität gibt, kann also nur begründet vermutet werden; auchsind auf dieser Basis empirisch fundierte Hypothesen möglich.

Die im Folgenden vorgestellten Ergebnisse und Interpretation der Exper-ten-Interviews können so die Ausgangshypothese der Studie, dass Er-wachsenenbildungs-Professionalität nicht bzw. nicht in hinreichendemMaße gegeben ist, erhärten oder abschwächen und so Grundlage einerbegründeten Einschätzung über Stand, Voraussetzungen und Möglich-keiten ihrer Entwicklung liefern; belegen oder widerlegen können siediese nicht.

Da die Entwicklung von Erwachsenenbildungs-Professionalität nach dembisher beschriebenen professionstheoretischen Verständnis an vielfälti-

7. Ziel und Design der empirischen Untersuchung

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ge und anspruchsvolle Voraussetzungen gebunden ist, liegt der Untersu-chung folgerichtig die Annahme zu Grunde, dass Erwachsenenbildner/innen, die ein erziehungswissenschaftliches Studium mit erwachsenen-bildnerischer Schwerpunktbildung abgeschlossen haben und darüberhinaus über ein gewisses Maß an Berufserfahrung verfügen, im Vergleichzu anders qualifizierten am ehesten in der Lage sein dürften, in ihremberuflichen Handeln Professionalität zu entwickeln.In Anbetracht dieser Annahmen und Eingrenzungen verfolgt diese Un-tersuchung im Wesentlichen die Zielsetzung herauszufinden,

• worin die beruflichen Tätigkeiten der Interview-Partner/innenbestehen und wie diese sie verstehen und bewerten (Art desberuflichen Handelns),

• welche Arten von Wissen und Können die Interview-Partner/innen für ihre beruflichen Tätigkeiten einsetzen und in welchemVerhältnis beides in ihrem beruflichen Handeln steht (Art derberuflichen Kompetenz und Performanz),

• aus welchen Quellen sich Kompetenzen speisen (Kompetenz-Genese),

• wie die Interview-Partner/innen ihre berufliche Situation unddie von Erwachsenenbildner/inne/n im Allgemeinen sehen (Be-rufsbewusstsein),

• ob die Interview-Partner/innen ihr berufliches Handeln als pro-fessionelles verstehen und wie sie professionelles Handeln undProfessionalität im Allgemeinen verstehen (Existenz von Erwach-senenbildungs-Professionalität, Professionalitätsanspruch und-kriterien).

7.2 Auswahl und Kurzbeschreibung der Interview-Partner/innen

Für die Auswahl der Interview-Partner/innen wurden folgende Kriterienzu Grunde gelegt:

• abgeschlossenes erziehungswissenschaftliches Diplomstudiummit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung/Weiterbildung

• Studium an unterschiedlichen Hochschulen• Zugehörigkeit zu verschiedenen „Generationen“ von Erwach-

senenbildner/inne/n• mindestens dreijährige Berufstätigkeit als Erwachsenenbildner/

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Empirische Untersuchung

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• möglichst vielfältiges Spektrum von beruflichen Tätigkeiten,Handlungsfeldern und arbeitsrechtlichem Status

• beide Geschlechter, überwiegend Frauen

Die erziehungs- und erwachsenenbildungs-wissenschaftliche Ausbildung,die als einzige beansprucht, auf eine Berufstätigkeit in der institutionali-sierten Erwachsenenbildung vorzubereiten, schien als Auswahlkriteriumdie Aussicht auf potenziell professionell arbeitende und sich entspre-chend verstehende Interview-Partner/innen zu bieten. Da die wissen-schaftliche Ausbildung im gleichen Studiengangstypus je nach Hoch-schule sehr unterschiedlich geprägt sein kann, schien es im Interesseeines möglichst breiten Spektrums sinnvoll zu sein, Absolventen verschie-dener Hochschulen zu gewinnen.

Die Zugehörigkeit zu verschiedenen „Generationen“ von Erwachsenen-bildner/inne/n erschien angebracht, um politische, bildungspolitische undgesellschaftliche Prägungen der bisherigen Phasen der institutionalisier-ten Erwachsenenbildung seit der Bildungsreform auf die beruflich Han-delnden berücksichtigen zu können. Weil die Entwicklung von Erwach-senenbildungs-Professionalität erst im beruflichen Handeln als möglichangenommen wird und es dafür u. a. einer gewissen Berufserfahrungbedarf, wurden drei Jahre Berufstätigkeit als Mindestzeitraum vorausge-setzt.

Um eine möglichst große Vielfalt beruflicher Tätigkeiten erfassen zu kön-nen, sollten die Interview-Partner/innen in verschiedenen beruflichenHandlungsfeldern beschäftigt sein. Schließlich erschien es nicht unwich-tig, dass beide Geschlechter repräsentiert sind, wobei Frauen die Mehr-heit bilden sollten – wie auch in der Erwachsenenbildungs-Realität.

Die tatsächlich Interviewten entsprechen diesen Kriterien weitgehend.Sie haben an vier Universitäten studiert (Hannover, Bremen, Göttingen,Marburg) bzw. ihr Diplom in Erziehungswissenschaft mit dem Schwer-punkt Erwachsenenbildung/Weiterbildung erworben.

Vier der zehn Interviewten entstammen der „Bildungsreform-Generation“und sind seit Ende der 1970er Jahre auf der Basis ihrer wissenschaftli-chen Ausbildung als Diplom-Pädagog/innen mit dem Schwerpunkt Er-wachsenenbildung/Weiterbildung berufstätig. Vier weitere können der

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„mittleren Generation“ von Erwachsenenbildner/inne/n zugerechnetwerden; sie arbeiten seit Ende der 1980er Jahre auf der gleichen wissen-schaftlichen Ausgangsbasis. Zwei Interview-Partner/innen repräsentie-ren die „jüngere Generation“ der berufstätigen Diplompädagog/inn/enmit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung/Weiterbildung und sind seitMitte der 1990er Jahre voll berufstätig. Die sechs Frauen und vier Män-ner verfügen über umfangreiche Zusatzqualifikationen, zwei von ihnenauch über weitere Studienabschlüsse. Fast alle haben nebenberuflicheund/oder ehrenamtliche erwachsenenbildnerische Erfahrungen erwor-ben, z. T. über mehrere Jahre.

Fünf der Interview-Partner/innen arbeiten in leitender Funktion; bis aufden einen freiberuflich tätigen Erwachsenenbildner befinden sich alleim Angestellten-Verhältnis, eine davon in einem befristeten. Die Berufs-bezeichnungen spiegeln recht realistisch heutige Beschäftigungs-Titel fürDipl.-Päd./EB/WB; sie entsprechen jedoch nicht in jedem Fall dem tat-sächlichen Tätigkeitsprofil, der beruflichen Selbst-Charakterisierung oderdem beruflichen Selbstverständnis der Interviewten. Ihre beruflichenTätigkeiten sind – wie sich herausstellte – sehr heterogen:

• Die fünf in Leitungsfunktionen Beschäftigten üben überwiegend,mindestens jedoch zur Hälfte ihrer Arbeitszeit nicht-didaktischeTätigkeiten aus, die im weitesten Sinne als Bildungsmanage-ment bezeichnet werden können.

• Personal-Management mit gelegentlichen didaktischen Tätig-keiten prägt das Tätigkeitsprofil der Personnel & Communicati-on Managerin.

• Etwa die Hälfte der Tätigkeiten des Research Specialist dienenoffenbar der didaktischen Vorbereitung internationaler wissen-schaftlicher Konferenzen zu Erziehungs- und Bildungsfragen.Den Rest bilden nicht-didaktische Tätigkeiten.

• Ca. die Hälfte der beruflichen Tätigkeiten des Wissenschaftli-chen Mitarbeiters dürfte ebenfalls aus didaktischen Tätigkeiten,hier vor allem aus Lehre, Moderation und didaktischer Begut-achtung, bestehen.

• Bei den zwei Pädagogischen Mitarbeitende und dem freiberuf-lich tätigen Dozenten für Aus-, Weiter- und Fortbildung domi-nieren didaktische, hier vor allem lehrende und moderierendeTätigkeiten in den beruflichen Tätigkeitsprofilen.

Empirische Untersuchung

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7. Ziel und Design der empirischen Untersuchung

Einen Überblick zu den Berufs- und Qualifikations-Profilen der Inter-viewten (1–10) bietet die folgende Übersicht 7, während die Beschrei-bung der hauptsächlichen beruflichen Tätigkeiten, Funktionen und Rol-len, deren qualitative Gewichtung innerhalb des Handlungsspektrums,des jeweiligen Berufscharakters und beruflichen Selbstverständnisses imKapitel 8.1 erfolgt.

7.3 Vorbereitung, Verfahrensweisen und Auswertungder Untersuchung

Nachdem die Interview-Partner/innen gewonnen waren, wurde ihnen dasUntersuchungsinteresse noch einmal schriftlich erläutert, und sie wurdenzunächst schriftlich (standardisiert) zu ihrer Bildungs- und Berufsbiographiesowie zu ihrer aktuellen Berufstätigkeit befragt. Durch die Auswertung derindividuellen Befragungs-Ergebnisse war eine sorgfältige Vorbereitung aufjedes Experten-Interview möglich, weil so Inkongruenzen der gegebenenInformationen und potenzielle neuralgische Punkte im Interview vorabbereits absehbar waren und insofern bedacht werden konnten.

Die Befragungs-Ergebnisse stellten zugleich den jeweils gemeinsam ver-gewisserten Ausgangspunkt der Experten-Interviews dar, die von Mitte1999 bis Anfang 2000 durchgeführt wurden. Zu Beginn der Interviewshatten die Interview-Partner/innen also die Gelegenheit, ihre jeweiligenBefragungs-Ergebnisse zu ihren hauptsächlichen beruflichen Tätigkei-ten, typischen beruflichen Handlungssituationen sowie Problemen oderKonflikten noch einmal zu überprüfen, zu reflektieren oder neu zu ge-wichten. Auf diese Weise gelang nicht nur ein jeweils sehr individuellerEinstieg in das Interview: Es herrschte auch von Beginn an ein reflexiverGesprächsstil vor, der nicht durch noch notwendige Informationsbeschaf-fung beeinträchtigt wurde.

Nach der einschlägigen Literatur zur qualitativen Forschungsmethodedes Experten-Interviews soll dieses weniger auf die Gewinnung von In-formationen zielen als auf die Erhellung von Wirkungszusammenhän-gen von individuellen und strukturellen Handlungsvoraussetzungen,Kontextbedingungen des jeweiligen Handlungsbereichs und je indivi-duellen Optionen und Deutungen der Handelnden. Nicht die Gesamt-person des Handelnden bzw. des Interview-Partners soll im Zentrum desInteresses stehen, sondern sein Experten-Handeln.

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7. Ziel und Design der empirischen Untersuchung

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Die Gültigkeit und die Zuverlässigkeit der Ergebnisse sind bei Experten-Interviews u. a. davon abhängig, ob bei der Interviewführung verzerren-de Einflüsse wirksam werden, wie etwa bewusst oder unbewusst beein-flussendes Verhalten des Interviewenden oder bewusst oder unbewusstfehlerhafte Angaben bzw. themen- oder realitätsfremde (Selbst)Darstel-lungen der Interviewten. U. a. um solche und ähnliche Verzerrungen inder dargestellten Untersuchung so gering wie möglich zu halten, wur-den die Interview-Partner/innen nicht nur über den Sinn und die Zieleder Untersuchung und ihre eigene Bedeutung für diese vor deren Beginngründlich mündlich und schriftlich informiert, sondern auch damit füreine offene und realitätsnahe Mitarbeit im Forschungsprozess zu gewin-nen versucht, dass ein individueller Zugewinn an beruflicher Selbstre-flexivität projektiert wurde. Dies erwies sich offenbar auch deshalb alsattraktiv, weil für die meisten im beruflichen Alltag anscheinend wenigZeit für Selbstbesinnung und systematische Reflexion des eigenen Han-delns bleibt. Gleichwohl beeindruckte die überwiegend frappierendvorbehaltlose Offenheit und schonungslose Ehrlichkeit der Interview-ten.

Drei vorab geführte Probe-Interviews, deren inhaltsanalytische Auswer-tung und explizit eingeholte Rückmeldungen zum Interviewer-Verhal-ten erlaubten nicht nur die Reflexion der Zielsetzung und Methodik derUntersuchung, sondern auch der Art des Vorgehens. Die Entwicklungund Überarbeitung des Interview-Leitfadens wie des gesamten For-schungsdesigns basierte darauf sowie auf der Grundlage der zuvor ent-wickelten Untersuchungshypothesen, grundlegenden Annahmen undUntersuchungszielen.

Experten-Interviews sollen nach Meuser/Nagel zwar leitfadenorientiertgeführt werden, dabei jedoch zugleich möglichst „offen“ (vgl. 1991,S. 448). Damit soll sowohl eine sinnvolle inhaltliche Begrenzung aufdas Interesse der jeweiligen Untersuchung gewährleistet als auch demjeweiligen Interview-Partner ermöglicht werden, seine Definition undBewertung des Untersuchungsgegenstandes hinreichend individuell dar-zustellen. Entsprechend wurde der Interviewleitfaden gewissermaßen als„Kompass“ einer möglichst offenen, den individuellen Akzentsetzungenfolgenden Gesprächsführung eingesetzt, ohne ihn starr „abzuarbeiten“.Gleichwohl wurde bei jedem Interview darauf geachtet, dass alle inhalt-lichen Komplexe des Leitfadens in einer Vergleiche erlaubenden Weise

Empirische Untersuchung

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thematisiert wurden. Dies ist weitgehend gelungen. Übermäßige Selbst-darstellungen der Interviewten und ausufernde Schilderungen einzelnerberuflicher Probleme oder Einschätzungen konnten mit Hilfe des Inter-view-Leitfadens, aber auch durch Verweis auf das jeweils zu Beginn er-läuterte und gemeinsam diskutierte Untersuchungsinteresse recht guteingegrenzt werden.

Gegenstand der Interviews bildeten zwei größere thematische Komple-xe: 1. Berufliche Tätigkeiten, 2. Berufliches Wissen und Können.

• Im ersten Teil sollten die Interview-Partner ihre jeweiligen be-ruflichen Tätigkeiten präzisieren und erläutern, gewichten, cha-rakterisieren, bewerten und einordnen mit Hilfe der ihnen ver-fügbaren Kriterien.

• Der zweite Teil der Interviews diente der Beschreibung des fürdie jeweiligen beruflichen Tätigkeiten eingesetzten Wissens undKönnens durch die Interviewten, den Quellen ihrer beruflichenKompetenz, der Einschätzung der eigenen beruflichen Funktio-nen und Rollen, ihren Ansprüchen an die eigenen Berufsarbeit,Kriterien beruflicher Zufriedenheit, der Einschätzung der eige-nen Professionalität und der Bedeutung einer organisierten Be-rufspolitik.

Mit dem jeweils ausdrücklichen Einverständnis der Interview-Partnerwurde jedes Interview per Tonband aufgezeichnet und transskribiert.Weitgehend den methodischen Auswertungs-Empfehlungen für Exper-ten-Interviews von Meuser/Nagel (1991, S. 441ff.) folgend wurden dieeinzelnen Interview-Texte zunächst nach thematischen Einheiten sequen-zialisiert. Die so gewonnenen Text-Sequenzen wurden sodann mit text-nahen Überschriften versehen, wobei nicht selten einzelne Sequenzenmehreren Überschriften zugeordnet werden konnten. Das derart aufbe-reitete Interview-Material wurde dann dem nächsten Auswertungsschrittunterzogen, dem thematischen Vergleich (Gemeinsamkeiten, Unterschie-de) der Text-Sequenzen aller Interviews. Diese wurden schließlich ineinem gemeinsamen, gestrafften Überschriften-Raster zusammengefasst.

Für die Inhaltsanalyse der so aufbereiteten Befunde wurden die im theo-retischen Teil der Arbeit beschriebene Fragestellung der Untersuchungund die dort entwickelten und begründeten professionstheoretischenKategorien verwendet, denn „ohne die Bestimmung der Richtung der

7. Ziel und Design der empirischen Untersuchung

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Analyse ist keine Inhaltsanalyse denkbar. Man kann einen Text nicht ein-fach so interpretieren“ (Mayring 1993, S. 46). Ein derart systematisiertesAuswertungsverfahren und die Transparenz der Entwicklung der verwen-deten Interpretationskategorien sollen die Verlässlichkeit, intersubjekti-ve Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der vorgenommenen Inter-pretationen des Interviewmaterials steigern, können subjektive Einseitig-keiten jedoch selbstverständlich nicht vollständig ausschließen. Zudemgilt: „Eine Interpretation sprachlichen Materials auch durch qualitativeInhaltsanalyse ist immer prinzipiell unabgeschlossen. Sie birgt immerdie Möglichkeit der Re-Interpretation“ (ebd., S. 34).

Empirische Untersuchung

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8. Ergebnisse der empirischen Unter-suchung zur Erwachsenenbildungs-Professionalität

Die folgende stark gekürzte Darstellung und Interpretation der Untersu-chungsergebnisse zeigt zunächst die professionstheoretischen Deutungs-horizonte auf, innerhalb deren die jeweiligen Befunde, illustriert durchOriginal-Zitate, nach folgenden Gesichtspunkten interpretiert werden:

• Berufliches Handeln• Berufliches Wissen und Können• Berufsentwicklung und Berufsbewusstsein

Entsprechend der tabellarischen Übersicht werden die Zitate der Inter-viewten mit Nummern (1–10) gekennzeichnet.

8.1 Berufliches Handeln

Im Folgenden werden die Arten des beruflichen Handelns der Interview-Partner/innen beschrieben und deren Handlungsverständnis daraufhinuntersucht, inwieweit es professionelles bzw. professionalisierbares Han-deln oder Experten-Handeln darstellt (vgl. Kapitel 5.2).

8.1.1 Berufliche Tätigkeiten, Funktionen, Rollen,Selbstverständnisse und Berufscharakterisierungen

Da didaktisches Handeln theoretisch die Kriterien professionellen Han-delns erfüllt (vgl. Kapitel 5) und dieses m. E. zugleich den Kern er-wachsenenbildnerischen Berufshandelns ausmacht, auf das Diplom-Pädagogen mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung/Weiterbildungin ihrer wissenschaftlichen Ausbildung vorbereitet werden (sollten),ergibt sich daraus für die professionstheoretische Verortung und Inter-pretation der beruflichen Tätigkeiten der Interviewten zunächst einmaldie Unterscheidung zwischen didaktischen und nicht-didaktischen Tä-tigkeiten. Zu letzteren werden komplexe Experten-Tätigkeiten wie Bil-dungs-Management und Personalentwicklung, Bildungs-Marketing undÖffentlichkeitsarbeit gerechnet, aber auch Organisations- und Verwal-tungstätigkeiten.

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Als didaktische Tätigkeiten werden alle beruflichen Handlungen verstan-den, die sowohl in direkter Interaktion, als auch indirekt und mittelbardie bewusste und systematische Ermöglichung des Lernens von Perso-nen oder Personengruppen zum Gegenstand und Bezugspunkt haben;hierzu gehört das Lehren und Unterrichten ebenso wie das Arrangieren,Moderieren, Begleiten, Unterstützen, Beurteilen und Evaluieren von Lehr-Lern-Prozessen, die curriculare Planung und Vorbereitung von Program-men, Veranstaltungen, Lehr-Lern-Situationen, Einzelmaßnahmen undArrangements, die Lern-, Bildungs- und Curriculum-bezogene Beratungvon Adressaten, Lernenden, Lehrenden, Planenden, Entwickelnden so-wie die Entwicklung von Lehr-Lern-Materialen, -Medien, -Methoden,konzeptionelle Begutachtung und Evaluationsverfahren des Lehrens undLernens.

Die Analyse der Tätigkeitsprofile und -beschreibungen der Interview-Partner/innen hat ergeben, dass niemand nur didaktische oder nur nicht-didaktische Tätigkeiten ausübt und alle mehrere unterschiedliche beruf-liche Rollen und Funktionen wahrzunehmen haben, die ein zum Teilsehr weites Spektrum umfassen. Die Mischungsverhältnisse bestimmenjedoch nicht nur das Tätigkeitsprofil entscheidend, sondern – je nachberuflichem Selbstverständnis und dem davon anscheinend stark be-stimmten Identifikationsgrad mit den Arten der Tätigkeiten, Rollen undFunktionen – auch die berufliche Selbst-Charakterisierung. Allerdings istdas jeweilige Kausalitätsverhältnis offen: Ob die Art der jeweiligen Be-rufstätigkeit eine Folge des bereits vorhandenen beruflichen Selbstver-ständnisses ist oder ob dieses sich eher aus der beruflichen Erfahrungentwickelte, konnte durch die Interviews nicht geklärt werden.

Wie zu erwarten, sind die Tätigkeitsprofile derjenigen, die bereits in ih-rer Berufsbezeichnung „Leiter/in“ oder „Manager“ führen und die leiten-de Funktionen ausüben, deutlich durch nicht-didaktische Tätigkeitenbestimmt. Von den zehn Interview-Partner/innen sind zwei überwiegenddidaktisch tätig; fünf üben in ihrem Berufsalltag etwa zur Hälfte didakti-sche Tätigkeiten aus. Zwei arbeiten nur zu einem geringen Teil didak-tisch, eine fast gar nicht.

Die nicht-didaktischen Tätigkeiten der Interview-Partner/innen lassen sichgrob unter Management, Marketing, Personalführung- und -entwicklung,Öffentlichkeitsarbeit, institutions- und bildungspolitische Kooperations-

Empirische Untersuchung

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und Gremienarbeit subsumieren. Sie stellen eine Mischung von betriebs-wirtschaftlichen und verwaltungsmäßigen Tätigkeiten einerseits und di-daktischen Tätigkeiten andererseits dar. Je mehr die jeweilige Tätigkeitmit Leitungsaufgaben verbunden ist und je größer und daher arbeitsteili-ger die Beschäftigungs-Institution ist, um so stärker dominieren die nicht-didaktischen Anteile im beruflichen Tätigkeitsspektrum, und zwar quan-titativ und qualitativ.

Wenn in dieser Studie allein die didaktische Tätigkeit auf Grund ihrerHandlungsart im Unterschied zu den betriebswirtschaftlichen und ver-waltungsmäßigen Expertentätigkeiten als potenziell professionell identi-fiziert wurde, dann lässt sich feststellen, dass ein erheblicher Teil derberuflichen Tätigkeiten der Interview-Partner/innen – etwa knapp dieHälfte – nicht-professionelle und nicht-professionalisierbare beruflicheTätigkeiten darstellen. Bemerkenswert erscheint angesichts dieses Be-fundes, dass ausgebildete Erwachsenenbildner/innen auf die quantitativerheblichen nicht-didaktischen Anteile ihrer beruflichen Arbeit durchihre wissenschaftliche Ausbildung nicht oder kaum vorbereitet werden;für diese Arbeitsfelder sind sie also auf auto-didaktische Selbstqualifizie-rung, nebenberufliche Weiterbildung bzw. learning by doing angewie-sen.

Von den zehn Interviewten beschreiben sechs den Charakter ihrer Be-rufsarbeit entweder ganz überwiegend oder doch zur Hälfte als Manage-ment; nur einer, interessanterweise der freiberuflich Tätige, sieht dieseals Erwachsenenbildungs-Arbeit:

„Meine Arbeit ist pädagogische Arbeit, diplompädagogische Arbeit. Sie ist keine sozial-pädagogische Arbeit, weil Sozialpädagogen einen defizitären Blick auf Teilnehmer ha-ben. Ich gehe im Unterricht davon aus, dass Erwachsene keine prinzipiell defizitärenWesen sind ....Natürlich wird oft auch Lebens-, Drogen- oder Schuldenberatung gebraucht. Dafür mussder Träger Sozialpädagogen engagieren ... Ich übernehme diesen Part prinzipiell nicht...Wenn die Seminarfähigkeit nicht gegeben ist, dann könnte auch der liebe Gott persön-lich das Seminar durchführen, und es würde trotzdem nicht laufen“ (5).

Einzelne Interviewte verstehen den Charakter ihres beruflichen Handelnsals nicht-spezifisches soziales Handeln („sozialer Akteur“), als nicht-spe-zifische Kommunikation („Kommunikator“) oder bezeichnen die Berufs-arbeit schlicht als „Tätigkeit im öffentlichen Dienst“. Das berufliche Selbst-

8. Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur EB-Professionalität

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verständnis erscheint allerdings nicht in jedem Fall mit den so vorge-nommenen Charakterisierungen der eigenen Berufsarbeit kompatibel zusein. Nur drei derjenigen, die ihre Arbeit überwiegend oder teilweisemit „Management“ charakterisiert haben, verstehen sich selbst auch ex-plizit als Manager, wie in diesem Fall:

„Ich bin eher eine Managerin. Ich sorge dafür, dass alle, einschließlich der Putzfrauen,punktgenau ihre Arbeit machen können“ (2).

Zwei Interviewte verstehen sich eher als Erwachsenenbildnerinnen, eineals Pädagogin. Uneingeschränkt als Erwachsenenbildner versteht sichnur derjenige, der auch seine Berufstätigkeit als Erwachsenenbildungs-Arbeit charakterisiert hat. Über ein eher allgemein-pädagogisches beruf-liches Selbstverständnis scheint der Interviewte zu verfügen, der seineTätigkeit durch „Kommunikation“ charakterisiert sieht. Offenbar stärkerals Innovateurin denn als „soziale Akteurin“ versteht sich die Interview-te, die ihre Tätigkeit unspezifisch als „soziales Handeln“ bezeichnete.Das berufliche Selbstverständnis desjenigen, der seine Berufsarbeit als„Tätigkeit im öffentlichen Dienst“ charakterisiert, erscheint hingegen alsdeutlich didaktisches.

Während die Differenzen zwischen ausgeübten Tätigkeiten und derSelbst-Charakterisierung derselben bis auf zwei Fälle (didaktische Tätig-keit versus Innovation und didaktische Tätigkeit versus Tätigkeit im öf-fentlichen Dienst) relativ gering ausfallen, erscheinen diejenigen zwi-schen ausgeübten Tätigkeiten und beruflichem Selbstverständnis deut-lich größer: nur in drei von zehn Fällen herrscht eine weitgehendeÜbereinstimmung. Ein explizites berufliches Rollenverständnis hat nurder Interviewte geäußert, der sich selbst als Erwachsenenbildner versteht;ebenfalls als einziger artikulierte er auch ein entsprechendes Verständ-nis von der Rolle seiner Klientel.

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass die Charakterisierung dereigenen Berufsarbeit durch die Interviewten in den meisten Fällen mitden Tätigkeitsprofilen und den ausgeübten Berufs-Funktionen überein-stimmt. Das berufliche Selbstverständnis der Befragten ist nicht nur sehrheterogen, sondern scheint auch nur wenig den tatsächlich ausgeübtenTätigkeiten bzw. Funktionen zu entsprechen. Über ein spezifisches be-rufliches Rollenverständnis scheint keine(r) zu verfügen. Diese Befunde

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können als Indizien für einen geringen Grad individueller und kollegia-ler beruflicher Selbstreflexion verstanden werden. Sie verweisen auchdarauf, dass ausgebildete Erwachsenenbildner/innen in keine Berufskul-tur integriert sind, die angemessene Reflexionsmuster, Berufs- und Rol-lenverständnisse generiert, diskutiert und gegebenenfalls revidiert.

8.1.2 Berufliche Ziel- und Aufgabenverständnisse,Handlungsorientierungen und -spielräume

Bewusste Aufgaben-Orientierung im beruflichen Handeln scheint einexplizites und artikulationsfähiges Aufgaben-Bewusstsein vorauszuset-zen, das wiederum Voraussetzung für die Gewinnung und Ausschöp-fung relativer Handlungsautonomie zu sein scheint. Von den zehn Inter-view-Partner/innen verfügen anscheinend sechs über ein bewusstes,persönliches, vom jeweiligen Auftrag- oder Arbeitgeber relativ unabhän-giges berufliches Aufgabenverständnis. Bei drei der Interviewten schei-nen die persönlichen beruflichen Zielvorstellungen und Aufgaben-Inter-pretationen weitgehend mit denen des jeweiligen Arbeitgebers identischzu sein [Leiter eines Fortbildungs-Instituts (4), Personnel & Communica-tion Managerin (7), Pädagogische Studienleiterin (8)]. Ein Interview-Part-ner (Wissenschaftlicher Mitarbeiter (10)) scheint bewusst auf persönli-che Ziele und Aufgaben-Interpretationen in seiner Berufsarbeit verzich-tet zu haben.

Die Art der Ziel- und Aufgabenverständnisse bzw. der persönlichen Hand-lungsorientierungen sind heterogen. Nur eines von zehn lässt sich alsexplizit erwachsenenbildnerisches bezeichnen, eingebettet in ein Ver-ständnis politischer Erwachsenenbildung:

„Angesichts der heutigen politischen Orientierungslosigkeit ist es mir z. B. sehr wichtig,Teilnehmern zu helfen, ihre Orientierung selbst zu finden und ihnen nicht fertige Erklä-rungsmodelle zu liefern – was aber sehr beliebt ist“ (6).

Ein Aufgabenverständnis kann als pädagogisch-didaktisches (3) und ei-nes als pädagogisch-politisches (8) charakterisiert werden. Als humanis-tisch-politische lassen sich zwei Aufgaben-Interpretationen verstehen (1)und (2). Als „universalistisch“ können die hierzu geäußerten Vorstellun-gen des Dozenten in Aus-, Fort- und Weiterbildung (5), als subjektivis-tisch-moralisch die der Pädagogischen Mitarbeiterin einer Altenpflege-schule (9) bezeichnet werden.

8. Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur EB-Professionalität

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Überwiegend am institutionell definierten Erfolg orientiert scheinen dieberuflichen Aufgabenverständnisse und Zielvorstellungen des Leiters ei-nes Fortbildungs-Instituts (4) und der Personnel & Communication Ma-nagerin (6) zu sein. Während bei ersterem eine explizite Subjektorientie-rung aufscheint, ist bei letzterer eine zusätzliche persönliche Note vonHumanität und Moralität wahrnehmbar. Insgesamt sind diese Ergebnissezu heterogen und zu erwachsenenbildungs-unspezifisch, als dass voneinem spezifisch erwachsenenbildnerischen Aufgabenverständnis undentsprechenden Zielvorstellungen die Rede sein könnte.

Eine aus professionstheoretischer Sicht zentralwert-bezogene Interpreta-tion (Lernen und Bildung Erwachsener) der eigenen Berufsaufgaben, diesowohl die Interessen der Klientel, die der Arbeit- und Auftraggeber, derzu vertretenden Sache oder Inhalte als auch die der Gesellschaft zu be-rücksichtigen und zu integrieren versucht, scheint mit einer Ausnahmebei den Interviewten nicht oder allenfalls nur rudimentär vorhanden zusein. Stattdessen dominieren partikulare Sichtweisen auf die Berufsauf-gabe, die sich humanistisch, politisch, pädagogisch, didaktisch, subjek-tivistisch oder moralisch in einem eher anwaltlichen Sinne stark der je-weiligen Klientel verpflichtet sehen.

Bei den eher institutions- bzw. unternehmensorientierten Aufgabenver-ständnissen spielen zwar auch die Klientel-Interessen eine gewisse Rol-le; deutlicher als bei den übrigen sind hier auch Karrierevorstellungendarin verwoben. Ein rein universalistisches, von der konkreten Berufs-aufgabe abgehobenes Aufgabenverständnis kann allerdings ebenso we-nig professionstheoretischen Ansprüchen genügen wie der völlige expli-zite Verzicht auf persönliche Zielvorstellungen für das eigene beruflicheHandeln.

Alle Interviewpartner verfügen nach eigener Einschätzung über eine mehroder weniger ausgeprägte relative berufliche Handlungsautonomie, dieihnen in der inhaltlichen Ausgestaltung ihrer beruflichen Tätigkeiten einegewisse Handlungs- und Entscheidungsfreiheit erlaubt. Die Mehrheit (sie-ben Nennungen) bezeichnet finanzielle Beschränkungen in ihrem Ar-beitshandeln bzw. die Notwendigkeit der persönlichen Einkommenssi-cherung als Autonomie einschränkend. Politische und bildungspolitischeVorgaben, Erwartungen und Legitimationsnotwendigkeiten werden vonvier Interview-Partnern als Begrenzung ihrer Handlungs- und Entschei-

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dungsfreiheit genannt, außerdem innerinstitutionelle und unternehmens-interne Ziele und Vorgaben (drei Nennungen), rechtliche Regelungen(zwei Nennungen), Markt-Nachfrage (zwei Nennungen), Zeit (eine Nen-nung) und stark hierarchisch orientiertes Vorgesetzten-Verhalten (eineNennung).

Die mehrheitlich als ausreichend eingeschätzte Handlungs- und Entschei-dungsfreiheit kann jedoch auch fragil sein. So ist einem der Interview-Partner durchaus bewusst, dass ihm seine Handlungsfreiheit vordergrün-dig nur deshalb groß erscheint, weil er mögliche Einschränkungen inseinem Handeln bereits vorweggenommen, d. h. Zwänge bereits vorabinternalisiert hat. Denjenigen, deren persönliches Aufgabenverständnismit den Erwartungen des Arbeit- oder Auftraggebers anscheinend nahezuvollständig übereinstimmt, ist hingegen möglicherweise nicht klar, dassihre relative Autonomie mit dieser Übereinstimmung steht oder fällt.Diesen Sachverhalt beschreibt etwa der Dozent, wenn er ebenso lako-nisch wie treffend feststellt, sein Handlungsspielraum bestehe darin, einSeminar nicht durchzuführen. Für einen Arbeit- oder Auftraggeber zuarbeiten oder nicht zu arbeiten, entscheidet insofern vermutlich zunächstund vorab grundlegend auch darüber, ob jemand in seinem beruflichenHandeln über mehr oder weniger Handlungs- und Entscheidungsfreiheitverfügen wird.

Andererseits scheint es in den gesellschaftlichen Handlungsfeldern vonDiplom-Pädagog/inn/en auch hier keine „ewigen“ Determinationen zugeben, sondern wie in allen interaktionsorientierten Berufen viel davonabzuhängen, wie die übernommenen Berufs-Aufgaben individuell inter-pretiert, Funktionen und Rollen ausgefüllt, Ziele verfolgt und Spielräu-me wahrgenommen werden. Ohne eine gewisse Souveränität, Durch-setzungsvermögen und die Bereitschaft, notfalls Konflikte und Risikeneinzugehen, ist wirkliche Handlungsautonomie offenbar nirgendwo aufDauer erreichbar. Möglicherweise gelingt dies hier sogar um so über-zeugender, je weniger das Ringen darum nicht allein Ausdruck des Wun-sches nach mehr persönlicher Macht ist, sondern danach, qualitativ an-spruchsvoll zu handeln.

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8.1.3 Berufliche Erfolge, Schwierigkeiten, Gütekriterienund Referenzpunkte

In den Interviews wurde versucht zu ergründen, worin die Interview-Partner berufliche Erfolgs- und Gütekriterien sehen, woraus sie berufli-che Zufriedenheit gewinnen, was sie als schwierig erleben und worauf/auf wen sich ihr berufliches Handeln im Kern bezieht. Die Antwortenfallen je nach Berufsverständnis (Erwachsenenbildner/in vs. Manager/in)unterschiedlich aus:

„Beruflicher Erfolg“ ist anscheinend für die meisten derjenigen Interview-Partner, deren berufliches Selbstverständnis erwachsenenbildnerisch,pädagogisch und/oder didaktisch geprägt ist, entweder eine Beurteilungs-kategorie für ihre eigene Tätigkeit, die für sie keine allzu große Rolle spieltoder sie interpretieren sie im Sinne des Erreichens ihres obersten erwach-senenbildnerischen, pädagogischen oder didaktischen Handlungsziels,also dem Lernerfolg bzw. der Weiterentwicklung von Wissen und Kön-nen der Teilnehmenden. Der einzige Interview-Partner mit einem unein-geschränkt erwachsenenbildnerischen beruflichen Selbstverständnis, derfreiberuflich arbeitende Dozent, differenziert offenbar zwischen berufli-chem Erfolg als Markt-Behauptung auf der einen Seite und didaktischemHandlungserfolg im Sinne des Erreichens erwachsenenbildnerischer Hand-lungsqualität als Initiierung und Förderung gelingender Lernprozesse aufder anderen Seite. Die sich selbst eher als Innovateurin verstehende Päd-agogische Mitarbeiterin einer Altenpflege-Schule/Einrichtung versteht Er-folg neben dem Erreichen pädagogischer und persönlichkeitsorientierterHandlungsziele durch gelingendes Lernen der Teilnehmenden auch da-rin, die eigene Rolle in Lerngruppen angemessen handhaben zu können.

Für diejenigen Interview-Partner, die überwiegend Management-Funkti-onen ausüben und sich auch als Manager verstehen, ist ihr beruflicherErfolg sehr stark mit dem institutionellen Erfolg, d. h. der Markt-Positio-nierung als Folge eigener beruflicher Handlungsstrategien verknüpft; Er-folg bedeutet hier also institutioneller/unternehmerischer, nicht erwach-senenbildnerisch-didaktischer Erfolg. So werden Probleme und Schwie-rigkeiten der eigenen Berufstätigkeiten von allen analog zum jeweiligenErfolgsverständnis wahrgenommen als entweder vorwiegend didaktischeund politisch-kulturelle Probleme oder als Probleme der Sicherung, derAnerkennung und des Ausbaus der institutionellen Markt-Position undeigener Handlungs- und Karrierepositionen.

Empirische Untersuchung

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Während ein explizites Gütekriterium für ihre Arbeit nur die Hauptbe-rufliche Pädagogische Mitarbeiterin einer Heimvolkshochschule (Stei-gerung der Reflexivität durch Lernen) formuliert, gibt es implizite didak-tische Gütekriterien auch bei denjenigen, die ebenfalls überwiegend oderteilweise didaktisch arbeiten. Deren sehr geringe Differenzierungsgradeverweisen allerdings kaum auf vorhandene professionelle didaktischeStandards.

Implizite Qualitätsmaßstäbe in Formulierungen wie „Am meisten Spaßmacht...“, „Es freut mich, wenn...“, „Es gefällt mir gar nicht, dass...“ las-sen auch insgesamt einen eher alltäglichen, nicht professionell differen-zierten Reflexionsgrad gegenüber der Qualität des eigenen beruflichenHandelns und dessen wichtigsten Referenzpunkten vermuten, denn das,was die Qualität der eigenen Berufsarbeit ausmacht oder als Maßstabdafür gelten könnte, wird kaum präzise artikuliert, sondern eher weit-räumig umschrieben. Dies gilt auch für die überwiegend nicht-didak-tisch Handelnden.

Nur drei von zehn Interview-Partner/innen scheinen nur wenig oder sel-ten zufrieden zu sein, was von ihnen auf persönliche oder institutionelleUrsachen, nicht jedoch auf die Berufsarbeit als solche zurückgeführt wird.Dieser relativ hohe Grad an Arbeits-Zufriedenheit mag mit dem gerin-gen Differenzierungsgrad in der Beurteilung der Erfolge, Schwierigkei-ten und Qualitäten des eigenen Berufshandelns im Zusammenhang ste-hen. Eine Verortung derselben in gesellschaftliche Kontexte findet ebensoselten statt wie ein Vergleich mit der oder eine Bezugnahme auf die Situ-ation der eigenen Berufsgruppe.

Die jeweiligen Referenzpunkte und/oder -gruppen für das beruflicheHandeln der Interview-Partner hängen offenbar eng mit damit zusam-men, was unter Erfolg und/oder Qualität der eigenen Arbeit verstandenwird: Für diejenigen, die Erfolg und Qualität eher mit Lernerfolgen vonTeilnehmenden und didaktischer Qualität assoziieren, stellen die Teil-nehmenden und didaktisch Handelnden offenbar die wichtigsten Refe-renzpunkte bzw. -gruppen dar. Anders für diejenigen, die Erfolge undQualitäten in nicht-didaktischen Feldern ansiedeln: Referenzpunkte stel-len hier Markt, Politik und Unternehmens-/Institutionsziele dar. Es gibtanscheinend auch eher aufgenötigte Referenzebenen: im Falle des wis-senschaftlichen Mitarbeiters z. B. die des in der Regel willkürlich bis

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despotisch handelnden Vorgesetzten. Die Gesellschaft bzw. das Gemein-wesen mit seinen Interessen an der Bildung und dem Lernen Erwachse-ner ist für keinen Interviewten ein expliziter Bezugspunkt beruflichenHandelns. Theoretisch wird dies aber professionell Handelnden zuge-schrieben. Entsprechend scheint auch die öffentliche Darstellung vonberuflichen Erfolgen sowie die Gewinnung öffentlicher Anerkennungerwachsenenbildnerischen Berufshandelns mit einer Ausnahme für nie-manden ein Anliegen zu sein.

8.1.4 Kollegialer Austausch und berufliche VerantwortungDer Austausch über beruflich gewonnene Eindrücke, Beobachtungen undErfahrungen ist in allen Berufen, die auf menschliches Denken, Verhal-ten und Handeln einwirken, schon deshalb wichtig, weil so die Reflexi-on des eigenen beruflichen Handelns, der zu Grunde liegenden Hand-lungsnormen und ethischen Vorstellungen, die Korrektur und Erweite-rung eigener Sichtweisen möglich ist und damit oft auch psychischeEntlastung, Unterstützung, Rat und Solidarität verbunden sind.

Für professionell Handelnde ist der kollegiale Austausch jedoch geradezuzwingend notwendig, weil sie in ihren Arbeitsvollzügen oft auf sich al-lein gestellt sind und nicht unmittelbar mit Kollegen bzw. ähnlich Han-delnden kooperieren (können), weil ihr berufliches Handeln in aller Re-gel nicht bis ins Detail planbar, vorhersehbar und berechenbar ist unddaher Ermessensspielräume braucht und umfasst und so im Interesse dereigenen Handlungssicherheit zumindest einer nachträglichen Vergewis-serung und Legitimation unter prinzipiell Gleichen bedarf. Systemati-sche Supervision kann diese Effekte steigern und darüber hinaus zu ei-ner psychischen Stabilisierung beitragen, der professionell Handelndeauf Grund ihrer besonderen Handlungsstruktur vielleicht häufiger be-dürfen als andere Berufstätige.

Der kollegiale Austausch schließt darüber hinaus auch eine soziale undberufsspezifische Kontrollfunktion ein, die im Hinblick auf professionel-les Handeln bedeutsam ist, weil dieses für alle davon Betroffenen – dieKlientel, die Arbeit- und Auftraggeber und die Gesellschaft insgesamt –sich oft einer unmittelbaren Kontrolle entzieht.

Der Personenbezug professionellen Handelns lässt darüber hinaus dieprofessionstheoretische Anforderung an Professionsangehörige, die ei-

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gene Handlungs- und Entscheidungsfreiheit durch ethische Selbstver-pflichtung zu begrenzen, so für das eigene Handeln auch eine ethischeVerantwortung zu übernehmen und diese öffentlich kommunizierbar zuhalten, als sinnvoll erscheinen. Denn öffentlich wahrnehmbare ethischeHandlungsorientierungen bilden professionstheoretisch neben der Wahr-nehmung von professioneller Handlungsqualität die entscheidende Ba-sis für Vertrauen in professionelles Handeln. Dieses wiederum erscheintletztlich und auf Dauer nur gewährt zu werden, wenn professionell Han-delnde Verantwortung für ihr persönliches Verhalten im Beruf überneh-men, weil nur so professionelle Rollenbeziehungen über einen längerenZeitraum durchzuhalten sind, in denen Persönliches und Beruflichesgetrennt werden muss. Diese immer wieder herzustellende und zu si-chernde professionelle Distanz verlangt eine intakte psychische Struk-tur, damit nicht persönliche Probleme in Berufsarbeit transportiert wer-den und umgekehrt. Eine Verantwortung für sich selbst schließt daherdie Beachtung der eigenen psychischen und physischen Gesundheit,Schutz vor Über-Engagement und Überarbeitung, soziale Integration indie eigene Berufsgruppe und den Erhalt der eigenen Kompetenz durchWeiterbildung ein. Die Art und Systematik kollegialen Austauschs sowieein entfaltetes Verständnis eigener Verantwortlichkeiten können daherals wesentliche Indikatoren für Professionalität von Erwachsenenbild-ner/inne/n angesehen werden.

Die im Rahmen dieser Studie befragten Interview-Partner/innen habenalle bis auf einen, der als Grund seine Arbeitsbelastung nennt, mehr oderminder intensiven kollegialen Austausch über ihre Berufsarbeit, zweinehmen darüber hinaus regelmäßig an einer Supervision teil. Die meis-ten pflegen externen Austausch mit Kollegen aus anderen Institutionen,zwei sowohl mit externen als auch mit internen Kollegen. Die Interwiew-Partnerinnen, die als Führungskräfte überwiegend Management-Tätig-keiten ausüben, die Leiterin einer Kreisvolkshochschule und der Leitereines Fortbildungsinstituts legen Wert darauf, dass ihre Austauschpart-ner über einen vergleichbaren sozialen Status verfügen, weil sie sichdavon ein besseres gegenseitiges Verstehen versprechen, vermutlich aberzugleich auch soziale Statusbedürfnisse befriedigen. Mehr als die Hälftederjenigen, die in beruflichen Austauschprozessen stehen, nennen dafürkeine besonderen Gründe, weil Austausch ihnen offenbar als selbstver-ständlich positiv bzw. sinnvoll erscheint.

8. Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur EB-Professionalität

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Von zwei interviewten Frauen wird der berufliche Austausch mit Ge-schlechtsgenossinnen als wertvoller eingeschätzt als der mit männlichenKollegen, weil sie bei Frauen ähnliche Probleme in Leitungsfunktionensehen; eine der beiden attestiert Frauen eine höhere Kompetenz. Alsweitere Gründe für kollegialen Austausch werden von ihnen genannt:Korrektiv des beruflichen Handelns und Verhaltens, Überprüfung dereigenen Wirkung auf andere, Problembearbeitung, Entlastung, Beglei-tung, arbeitsinhaltliche Diskussion, Anregung, Erweiterung der eigenenPerspektive, Auseinandersetzung.

Professionstheoretisch für wichtig erachtete Aspekte des kollegialen Aus-tauschs wie berufsethische Vergewisserung und Kontrolle des eigenenberuflichen Arbeitens, gegenseitige Beratung und die Erfahrung von be-ruflicher Solidarität wurden von niemandem erwähnt.

Als Adressaten ihrer beruflichen Verantwortung nannten die Interview-Partner/innen am häufigsten ihre Arbeit-, Auftrag- und Geldgeber (7Nennungen). So sagte z. B. eine Interview-Partnerin:

„Also, ich fühle mich ganz stark diesem Unternehmen verbunden. Und das beruht auchnicht so sehr darauf, dass ich mit Menschen rede, mit Menschen darum, die Business-Interessen des Unternehmens durchzusetzen, die Ressource Mitarbeiter entsprechendzu managen. ... Vor allem möchte ich zum Unternehmenserfolg beitragen. Die Frage istnatürlich schon, mit welchem Duktus man das tut. ... Personaler haben ja eine Zwitter-funktion. Doch letztendlich, wenn es ‚Spitz auf Kopf‘ kommt, sind wir immer auf der Seitedes Unternehmens und nicht auf der Seite des Mitarbeiters“ (7).

Den Teilnehmenden wurden in sechs Fällen, in einem Fall den Kurslei-tenden deutliche Priorität in der empfundenen Verantwortung vor denArbeit-, Auftrag- und Geldgebern eingeräumt; in einem Fall rangiertendie Teilnehmenden und Kursleitenden an zweiter Stelle, in einem ande-ren Fall ist der Arbeitgeber der einzige Adressat von beruflicher Verant-wortung.

Sich selbst nannten vier Interview-Partner/innen als „Gegenstand“ ihrerVerantwortung. Sie verstanden dies entweder im Sinne allgemeinermenschlicher Selbstverantwortung (1 Nennung), der Erfüllung eigenerAnsprüche an eine komplexe, befriedigende Berufsarbeit (2 Nennun-gen) oder in dem Sinne, so gut wie möglich zu arbeiten (1 Nennung).Eine der vier Interview-Partner/innen, die angaben, sich selbst gegenü-ber verantwortlich zu sein, bekundete, daneben auch Verantwortung

Empirische Untersuchung

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gegenüber ihren Teilnehmenden und ihrem Arbeitgeber zu empfinden.Eine Interview-Partnerin sah ihre Hauptverantwortung darin, ihr Verständ-nis von einer guten Bildung Erwachsener in ihrem beruflichen Handelnzu berücksichtigen.

Von einem professionellen Verständnis und Empfinden beruflicher Ver-antwortung kann bei diesem Befund höchstens ansatzweise die Redesein, weil diese, professionstheoretisch betrachtet, wie hier anscheinendin lediglich einem Fall, zuerst der Erfüllung der professionellen Aufgabe,der didaktischen Unterstützung des Lernens und der Bildung Erwachse-ner zur Realisierung des gesellschaftlichen Zentralwerts Bildung, geltenmüsste. Innerhalb einer solchen professionellen Verantwortungswahr-nehmung hätte die gelingende Bearbeitung von Lern- und Bildungs-An-liegen der Klientel und der Gesellschaft und die dafür notwendige ange-messene und zeitgemäße Kompetenz für das eigene professionelle Han-deln oberste Priorität, denn in einer solchen Verantwortung für dieerwachsenenbildnerische Handlungs-Qualität läge eine wesentliche pro-fessionelle Handlungslegitimation begründet.

Die im Unterschied dazu am häufigsten genannte Verantwortung gegen-über dem jeweiligen Arbeit-, Auftrag- oder Geldgeber könnte als eineForm gesellschaftlicher Verantwortung gedeutet werden, wenn man die-se als wichtige Repräsentanten gesellschaftlicher Interessen versteht.Allerdings hätte die Verantwortung dann stark partikularen Charakter,während gerade von Professionellen eine auch darüber hinaus gehendeVerantwortung für das gesellschaftliche Ganze in einem universellen Sin-ne zu erwarten wäre.

Die fast ebenso häufig genannte allgemeine Verantwortung gegenüberden Teilnehmenden lässt offen, ob diese eher im Sinne einer „advokato-rischen Ethik“ (Dräger) verstanden wird, die Ausdruck einer fürsorgli-chen Haltung gegenüber den Lernenden als Personen wäre, oder ob damitstärker die Verantwortung für gelingende Lern- und BildungsprozesseErwachsener gemeint ist. Schließlich ist die geäußerte Selbst-Verantwor-tung der Interviewten von diesen nicht im Sinne der Verpflichtung zueiner besonderen, also professionellen Leistung gedeutet worden, son-dern eher im Sinne allgemeiner Selbstverantwortung und der Befriedi-gung individueller Ansprüche in der eigenen Berufsarbeit.

8. Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur EB-Professionalität

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Sowohl im Hinblick auf den Stellenwert kollegialen Austauschs als auchim Hinblick auf die Wahrnehmung beruflicher Verantwortung kann miteiner Ausnahme bei den Interview-Partner/innen von einem als eherdurchschnittlich anzunehmenden Arbeitnehmer-Bewusstsein ausgegan-gen werden, das von professionellen Ansprüchen weit entfernt zu seinscheint. Über ein professionelles Handlungsethos verfügt anscheinendkaum eine/r der Interviewten.

8.2 Berufliches Wissen und Können

In dieser Studie werden berufliches Wissen und Können als wesentlicheVoraussetzungen von Erwachsenenbildungs-Professionalität beschrieben(vgl. Kapitel 6). Dabei wird zunächst zwischen professionstheoretischund wissenstheoretisch notwendigem Wissen unterschieden. Für eineProfession notwendiges Wissen lässt sich theoretisch nach Maßgabe derberuflichen Handlungsaufgabe und den Erfordernissen des professionel-len Handlungstypus und dessen Struktur bestimmen. Wenn hier profes-sionelles erwachsenenbildnerisches Handeln als didaktisches Handelnverstanden wird, das der Ermöglichung von Lern- und Bildungsprozes-sen Erwachsener dient, dann ist professionstheoretisch dafür all das Wis-sen notwendig, das ein solches Handeln auf zeitgemäßem und professi-onellem Niveau ermöglicht. Aus dieser Sicht erscheint für professionellarbeitende Erwachsenenbildner/innen vor allem didaktisches, aber auchnicht-didaktisches Wissen notwendig, soweit letzteres dem didaktischemHandeln dient, wie z. B. Wissen über Inhalte und Fachgebiete des Ler-nens von Erwachsenen. Wissenstheoretisch wird daher zwischen „wis-senschaftlichem Wissen“ und „beruflichem Wissen“ unterschieden: bei-de Wissensarten sind neben allgemeinem Wissen in spezifischen Aus-prägungen und Größenordnungen für berufliches und professionellesHandeln erforderlich.

Neben den verschiedenen Arten von Wissen wird in dieser Arbeit dasKönnen als eigenständige Dimension professioneller Kompetenz verstan-den und nicht einfach damit gleichgesetzt. Können ergibt sich keineswegs„automatisch“ aus Wissen. Nicht selten stehen Wissen und Können ei-ner Person in keinem erkennbaren Zusammenhang: so ist Wissen überKommunikation beispielsweise nicht gleichbedeutend mit Kommunika-tionsfähigkeit. Können wird hier verstanden als Fähigkeit zur Ausfüh-rung bestimmter Handlungen und als die Verfügung über bestimmte Ei-

Empirische Untersuchung

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genschaften und Verhaltensweisen. Es schließt auch allgemeine, nichtunbedingt berufsspezifische Fähigkeiten zur Kommunikation und Inter-aktion, zur Argumentation, zum Urteilen, Entscheiden, zur Differenzie-rung und zur Distanz ein. Schließlich werden hier persönliche Eigen-schaften und Haltungen, wie Offenheit, Freundlichkeit, Humanität, Au-thentizität, Empathie, Humor, Flexibilität und Verlässlichkeit, dieprofessionelles Handeln in aller Regel notwendig begleiten müssen, solles erfolgreich sein, zur Dimension des Könnens gerechnet. Zwar sinddiese Eigenschaften nur in sehr begrenztem Maße durch berufliche Qua-lifizierungs- und Trainingsprozesse erwerbbar, gleichwohl ist ihr Vorhan-densein ein nicht zu unterschätzender Bestandteil professioneller Kom-petenz.

Im beruflichen Handlungsprozess bilden Wissen, Können, persönlicheEigenschaften und Haltungen eine Einheit und sind auch in der nach-träglichen Darstellung und Reflexion analytisch offenbar nur schwervoneinander zu trennen. Wie die Wissens-Verwendungsforschung ge-zeigt hat, wird im beruflichen Handeln wissenschaftliches Wissen denberuflichen Anforderungen entsprechend auf vielfältige Weise verändert:verkürzt, vereinfacht, vermischt, kombiniert u. v .a. m. Als isolierbaresWissen ist es innerhalb des individuellen Wissensbestandes für die Be-treffenden selbst oft nur noch schwer isolierbar von anderen Wissensar-ten, wie dem beruflichen und dem allgemeinen Wissen. Und selbst wennes sich befriedigend isolieren und rekonstruieren lässt, besagt dieser nach-träglich vorgenommene, bewusste kognitive Vorgang noch wenig überden tatsächlichen Stellenwert wissenschaftlichen Wissens im individu-ellen beruflichen Handeln. Das Gleiche gilt für die anderen Wissensfor-men.

Den an dieser Untersuchung beteiligten Interviewpartner/innen fiel dennauch verständlicherweise die Explikation des von ihnen in ihrem Be-rufshandeln eingesetzten Wissens nicht ganz leicht; als noch schwieri-ger empfanden die meisten die Unterscheidung von Wissen und Kön-nen. Diese Zumutungen konnten nur mit der begründeten Hoffnungzu rechtfertigen versucht werden, dass die Ergebnisse dieser Anstren-gung Rückschlüsse nicht nur auf die gegebene Kompetenz-Struktur derBefragten, sondern damit auch auf die mögliche Existenz von Erwach-senenbildungs-Professionalität erlauben. Wie allerdings die Interview-Partner/innen das von ihnen genannte Wissen und Können einsetzen,

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ob sie es also tatsächlich in ihrem Handeln relationieren oder in ande-rer Weise verwenden, kann hier nicht beantwortet werden. Um daraufeine Antwort geben zu können, wären handlungsbeobachtende Ver-fahren notwendig.

8.2.1 Beruflich eingesetztes WissenIm Folgenden wird dargestellt, welches Wissen nach eigener Einschät-zung der Befragten von diesen in ihrem beruflichen Handeln eingesetztwird. Hierbei kommt selbstverständlich nur deren explizites, bewusstesWissen zum Ausdruck. Implizites Wissen, das im beruflichen wie in je-dem anderen Handeln eine vielleicht mindestens ebenso wichtige Rollespielt – hierauf verweisen einschlägige wissenschaftliche Arbeiten derletzten Jahre im pädagogischen und nicht-pädagogischen Bereich – kannalso hier nicht berücksichtigt werden. Die Profile des von den Interview-Partner/innen in ihrer beruflichen Arbeit eingesetzten Wissens reflektie-ren ganz überwiegend, ähnlich einem Spiegel, die jeweiligen berufli-chen Tätigkeitsprofile und teilweise auch die jeweiligen beruflichenSelbstverständnisse.

Räumt man der Häufigkeit der Nennungen der einzelnen Wissenssorteneine gewisse Aussagekraft über deren Bedeutung für das berufliche Han-deln ein, dann hat wissenschaftliches Wissen mit insgesamt 43 Nennun-gen mit Abstand den höchsten Stellenwert im beruflichen Handeln. Eswurde damit fast doppelt so häufig genannt wie berufliches Wissen mit24 Nennungen und fast dreimal so oft wie allgemeines Wissen mit 15Nennungen. Eine Bedeutung für ihr berufliches Handeln wird wissen-schaftlichem Wissen von allen Interview-Partner/innen bescheinigt; amniedrigsten scheint diese für die beiden „reinen“ Managerinnen: der Lei-terin einer Kreisvolkshochschule und Geschäftsführerin einer Qualifika-tions- und Beschäftigungsgesellschaft sowie der Personnel & Communi-cation Managerin. Als einzige setzen sie auf Grund ihrer Nennungenauch kein erwachsenenbildungs-wissenschaftliches, didaktisches oderpädagogisches Wissen ein. Am intensivsten tun dies offenbar der freibe-ruflich tätige Dozent und der Research Specialist. Mehr als die Hälfteder Nennungen (24), die unter wissenschaftliches Wissen subsumiertwerden können, beziehen sich auf erwachsenenbildungs-wissenschaft-liches, didaktisches und pädagogisches Wissen. Auf die sogenannten„Bezugswissenschaften“ entfällt die knappe übrige Hälfte der Nennun-gen ohne besondere Präferenz.

Empirische Untersuchung

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Das genannte berufliche Wissen hat insgesamt kaum einen erwachse-nenbildnerischen oder didaktischen Charakter, sondern eher einen be-triebswirtschaftlich-rechtlichen. Dies ist im Hinblick auf die didaktischenTätigkeitsanteile der Interview-Partner/innen erstaunlich und lässt ver-muten, dass berufliches Wissen zur Erwachsenenbildung wie etwa Ver-fahren der Lehr-Lern-Planung oder Beratungstechniken dem wissenschaft-lichen Wissen über Erwachsenenbildung subsumiert werden.

Beachtlich erscheint der Anteil des genannten allgemeinen Wissens inder Berufsarbeit der Interview-Partner/innen, das sich hauptsächlich aufBeschaffung neuen Wissens sowie Interaktion und Kommunikation be-zieht. Mit einem knappen Drittel des insgesamt genannten Wissens deu-tet sein Anteil zusammen mit dem vergleichsweise geringen, spezifischerwachsenenbildungs-wissenschaftlichen Wissen auf eine nicht sehrausgeprägte erwachsenenbildnerische berufliche Profilierung durch ein-gesetztes Wissen der Berufstätigen hin. Bei denjenigen, deren beruflicheTätigkeit didaktisches Handeln umfasst oder schwerpunktmässig aus-macht, scheint allerdings erwachsenenbildnerisches Wissen, sieht manvon einer Differenzierung in wissenschaftliches und berufliches ab, einenicht unwichtige Rolle in der täglichen Arbeit zu spielen.

Die Struktur des beruflich eingesetzten Wissens, das die Interview-Part-ner/innen insgesamt nannten, lässt deren berufliches Handeln als deut-lich wissensbasiertes erscheinen, insbesondere durch wissenschaftlichesWissen. Im Hinblick auf erwachsenenbildnerisch-professionelles Han-deln theoretisch notwendig erscheinendes Wissen wird von den über-wiegend managenden Interview-Partner/innen offenbar kaum oder innur geringem Maße eingesetzt.

8.2.2 Beruflich eingesetzte Fähigkeiten und Eigenschaften(Können)

Wie für das beruflich eingesetzte Wissen gilt auch für die beruflich ein-gesetzten Fähigkeiten und Eigenschaften, dass auch sie lediglich die vonden Interview-Partner/innen bewusst wahrgenommenen bzw. im Inter-view erinnerten sind; nicht bewusst eingesetzte, „implizite“, aber ver-mutlich gleichwohl wirksame Fähigkeiten und Eigenschaften können„naturgemäß“ im Interview nicht zur Sprache kommen und insofern hierauch nicht berücksichtigt werden. Der Blick auf die bewussten Fähigkei-ten und Eigenschaften gibt nicht nur Aufschlüsse über die Selbstwahr-

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nehmung des eigenen Könnens der Interviewten, sondern auch überdessen vorhandene Struktur aus professionstheoretischer Sicht. Die Be-schreibung des im beruflichen Handeln eingesetzten Könnens wird imFolgenden differenziert in berufliche Fähigkeiten, allgemeine Fähigkei-ten und persönliche Eigenschaften.

Als „beruflich“ werden die Fähigkeiten verstanden, die für die jeweiligeBerufstätigkeit als spezifisch erscheinen im Unterschied zu den „allge-meinen“ Fähigkeiten, die zwar im beruflichen Handeln eingesetzt wer-den, jedoch nicht speziell für dieses, sondern ebenso auch für andereTätigkeiten beruflicher oder nicht-beruflicher Art einsetzbar erscheinen.Als „persönliche Eigenschaften“ werden Merkmale der Person verstan-den, die zwar für das berufliche Arbeiten genutzt werden und insofernein Können darstellen, die sich jedoch relativ unabhängig von bewussterworbenen Fähigkeiten als Ergebnis der natürlichen Anlagen sowie derSozialisaton einer Person entwickelt haben.

Berufliche Fähigkeiten im beschriebenen Sinne wurden in den Interviewsinsgesamt 35-mal genannt; davon sind 20 Nennungen erwachsenenbild-nerischer bzw. pädagogischer oder didaktischer Art, also in einem er-wachsenenbildnerisch-professionellen Sinne berufsspezifisch. AllgemeineFähigkeiten im beschriebenen Sinne wurden 108-mal genannt, persön-liche Eigenschaften 22-mal. Die knapp dreimal häufigere Nennung vonallgemeinen gegenüber beruflichen Fähigkeiten passt zu dem Befund,dass die von den Interview-Partnern ausgeübten beruflichen Tätigkeiteneine eher geringe berufsspezifische Profilierung aufweisen, sondern eherMischtätigkeiten (Leitung/Management und Didaktik) darstellen, in de-nen die Management-Aufgaben teilweise stark dominieren. Doch auchdort, wo die jeweiligen Aufgaben- und Tätigkeitsprofile hohe didakti-sche Arbeitsanteile aufweisen, drückt sich dies im jeweiligen Könnens-Profil kaum aus (Ausnahme: der Dozent für Aus- und Weiterbildung).

Dennoch werden berufliche Fähigkeiten am häufigsten von den Inter-viewten genannt, die didaktisch geprägte Aufgaben- und Tätigkeitsprofi-le haben, am seltensten oder gar nicht hingegen, wenn die Berufsarbeitkeinen oder nur einen geringen didaktischen Charakter hat. So spielenbei überwiegend ausgeübten Leitungs- und Management-Tätigkeitenspezifische berufliche Fähigkeiten offenbar eine äußerst geringe oder garkeine Rolle.

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Dass berufliche Fähigkeiten, und hier wiederum (erwachsenen-)päda-gogische und -didaktische in vergleichsweise geringem Maße genanntwurden, kann neben der offenbar schwachen erwachsenenbildnerischenProfilierung der Berufs-Arbeit auch darin begründet liegen, dass für Er-wachsenenbildner/innen diese Fähigkeiten „zu“ selbstverständlich sind,um sie noch bewusst wahrzunehmen oder ausdrücklich zu erwähnen.Für wahrscheinlicher halte ich jedoch, dass auf Grund der wenig entwi-ckelten und differenzierten Begrifflichkeit für berufliches Wissen undKönnen von Erwachsenenbildner/inne/n die Beschreibung spezifischerberuflicher Fähigkeiten besonders schwer fällt und daher entweder aufallgemeine Beschreibungen zurückgegriffen wird oder ganze Könnens-bereiche der bewussten Wahrnehmung (und damit der Möglichkeit dersprachlichen Darstellung) entzogen sind.

Unter professionstheoretischen Gesichtspunkten ist das hier festgestellteGesamt-Profil des beruflichen Könnens kaum als professionelles zu be-zeichnen, weil spezifische berufliche Fähigkeiten darin im Vergleich zuden allgemeinen Fähigkeiten einen vergleichsweise geringen Stellenwerthaben und es so auf spezifisch professionelles Können (souveräne Be-herrschung zentraler didaktischer Handlungsfiguren und gelingendeRelationierung individueller und gesellschaftlicher Bildungsinteressensowie allgemeinen, wissenschaftlichen und beruflichen Wissens undKönnens) kaum Hinweise gibt.

Die recht hohe Bedeutung von persönlichen, kaum gezielt erlernbarenEigenschaften, bei gleichzeitig relativ niedrigem Stellenwert spezifischberuflicher Fähigkeiten und relativ hoher Bedeutung allgemeiner Fähig-keiten verweist ebenfalls auf eine geringe berufliche, keinesfalls jedochauf eine professionelle Profilierung erwachsenenbildnerischen Handelns,weil damit diese und gerade nicht das von Personen erworbene berufs-spezifische Können zur unverhältnismäßig wichtigen Handlungs-Ressour-ce wird, was eher nicht- oder vorberuflichem Handeln entspricht.

8.2.3 Quellen und Funktionen des eingesetzten Wissensund Könnens

Woher das im beruflichen Handeln eingesetzte Wissen und Könnenstammt bzw. wo und wie es erworben wurde, ist professionstheoretischvon Interesse, denn professionelles Handeln erfordert komplexes undumfangreiches Wissen und Können auf hohem Niveau, das im wesentli-

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chen schon allein aus zeitlichen Gründen vor Aufnahme der Berufstätig-keit, also berufsvorbereitend erworben werden muss.

Das erziehungswissenschaftliche Studium mit dem Schwerpunkt Erwach-senenbildung, das eine berufsqualifizierende Zielsetzung hat, müsstedaher für die für diese Studie ausgewählten Interview-Partner eine we-sentliche Quelle ihres beruflich eingesetzten Wissens und Könnens sein.Da der Erwerb beruflichen Wissens und Könnens durch ein Hochschul-studium nur begrenzt möglich ist, müsste die berufliche Praxis eine wei-tere wesentliche Quelle des beruflich eingesetzten Wissens und Kön-nens bilden.

Im Hinblick auf die Entwicklung von Professionalität als der Qualitätprofessionellen Handelns wäre es sinnvoll, dass die Handelnden beimEintritt in die Berufspraxis über die wichtigsten professionellen Hand-lungsvoraussetzungen bereits verfügen und diese nicht erst, wie bei nicht-professionellen Anlernberufen, im beruflichen Handeln erwerben müs-sen; denn nicht nur Zeit- und Entscheidungsdruck der Berufspraxis ste-hen fundiertem und reflektiertem Erwerb von Wissen und Könnenentgegen: das unter der Handlungslogik der Angemessenheit und Brauch-barkeit in der Regel auf dem Wege des Nachahmungslernens generierteWissen und Können kann dann kaum noch unter der Handlungslogikder Wahrheit reflektiert werden, wie es in einer berufsvorbereitendenwissenschaftlichen Ausbildung möglich ist. Damit entfallen die Heraus-forderung und das Üben des Relationierens verschiedener Arten desWissens und Könnens und ihrer jeweiligen Handlungslogiken, die pro-fessionelle Handlungsqualität ausmachen.

Im Hinblick auf den mehr oder weniger professionellen Charakter deseigenen beruflichen Handelns ist – neben den Quellen des beruflicheingesetzten Wissens und Könnens – auch aufschlussreich, welche sub-jektive Wertschätzung den verschiedenen Arten des Wissens und Kön-nens entgegengebracht und welche Funktion ihnen beigemessen wird.Für die Hälfte der Interview-Partner/innen ist die berufliche Praxis imVergleich zu ihrer wissenschaftlichen Ausbildung und zu anderen Quel-len ihres Wissens und Könnens die eindeutig wichtigere Quelle des vonihnen im beruflichen Handeln eingesetzten Wissens und Könnens. Nurein Interview-Partner schätzt das Studium als Ort des beruflichen Kom-petenzerwerbs deutlich höher ein als die berufliche Praxis (freiberuflich

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tätiger Dozent); für eine Interview-Partnerin scheint hingegen die Be-rufspraxis keine Quelle ihres beruflich eingesetzten Wissens und Kön-nens zu sein (Hauptberufliche Pädagogische Mitarbeiterin einer Heim-volkshochschule). Die übrigen bewerten ihre wissenschaftliche Ausbil-dung und ihre berufliche Praxis als etwa gleich wichtige Quellen ihresberuflich eingesetzten Wissens und Könnens.

Gesellschafts-politisches, ehrenamtliches Engagement bezeichnen dreiInterview-Partner/innen ausdrücklich als ebenfalls bedeutsame Quelleihres beruflichen Wissens und Könnens; Fachliteratur wird in diesemSinne fünfmal erwähnt, ebenso biografische Prägungen und Wissen undKönnen aus anderen (Aus-)Bildungsgängen.

Zwischen der Wertschätzung der verschiedenen Arten des Wissens undKönnens und der vorherrschenden Art des beruflichen Handelns der In-terview-Partner/innen scheint ein gewisser Zusammenhang zu bestehen:Für überwiegend managende Tätigkeiten scheint berufliches Wissen undKönnen, insbesondere wirtschaftliches und juristisches, einen höherenStellenwert in der persönlichen Wertschätzung zu haben als wissenschaft-liches Wissen und Können. Für überwiegend oder noch in nennenswer-tem Maße didaktisch Tätige scheint hingegen erwachsenenbildungs-wis-senschaftliches Wissen und berufliches didaktisches Wissen etwagleichermaßen geschätzt zu werden.

Wissenschaftliches Wissen und Können im allgemeinen wird von denüberwiegend managend Tätigen, für die es im beruflichen Handeln selbstkaum eine Rolle zu spielen scheint, dennoch hoch geschätzt im Hin-blick auf die ihm unterstellte „schlüsselqualifizierende“ Funktion undim Hinblick auf seinen Nutzen für den beruflichen Status. Spezifischerwachsenenbildungs-wissenschaftliches Wissen und Können scheint fürsie im beruflichen Handeln kaum verwendbar zu sein; sie kritisieren, aufihre Management-Aufgaben durch das Studium nicht vorbereitet wor-den zu sein.

Nahezu alle Interview-Partner/innen sehen die berufliche Praxis als diewichtigste Quelle ihres beruflichen Wissens und Könnens – allerdingsnicht ohne eine gewisse Ambivalenz: Einerseits ist ein gewisser Stolzüber die eigene Leistung deutlich erkennbar, die der anstrengende Er-werb beruflichen Wissens und Könnens „by doing“ darstellt, auch Dank-

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barkeit über die in der Berufspraxis gebotenen Lernmöglichkeiten;andererseits wird bei fast allen deutlich, dass sie die Vermittlung undAneignung nicht nur relevanten wissenschaftlichen, sondern auch rele-vanten beruflichen Wissens und Könnens durchaus als eine Aufgabewissenschaftlicher Ausbildung verstehen, die diese nur unzulänglich leis-tet bzw. geleistet hat. Dies äußert sich in Bedauern der eigenen wissen-schaftlichen Ausbildung, zum Teil auch in harter Kritik über sie.

So konnte nach Einschätzung eines Interview-Partners sein erwachse-nenbildungs-wissenschaftliches Studium ihm „keinerlei Klarheit darübervermitteln, was Weiterbildung ist. Und das ist natürlich schon fatal“ (3).Das ihm notwendig erscheinende Wissen und Können sei

„eigentlich alles en passant erworben. Ich versuche viel zu lesen und versuche mitzu-kriegen, was die Leute so sagen. Ich habe hier auch Leute, mit denen ich mich überFachzeitschriften und Fachveröffentlichungen unterhalten kann. .... Das Abgucken vonden Kollegen ist dabei sicherlich zentral“ (3).

Positiv vermerkte eine Interview-Partnerin:

„Mein Studium hat mir Reflexionsfähigkeit vermittelt und die Fähigkeit, mich immer wiederin neue Sachverhalte einarbeiten zu können. Außerdem hat es mir Deutungsmuster ver-mittelt, mit denen ich mich in der erwachsenenpädagogischen Wirklichkeit zurechtfin-den kann“ (8).

Die systematische Reflexion beruflicher Praxis wird, wo diese währenddes Studiums wahrgenommen wurde, durchweg als qualifizierend beur-teilt und als hilfreich für die Berufseinmündung, die so kaum als Bruchzwischen verschiedenen „Welten“ empfunden wurde. Die bewussteBezugnahme erwachsenenbildungs-wissenschaftlicher Ausbildung aufrelevante berufliche Wirklichkeiten und die systematische Reflexion vonPraxiserfahrung während des Studiums hat für diese Interview-Partner/innen offenbar eine Art des Lernens und der Berufsvorbereitung ermög-licht, die prinzipiell geeignet erscheint, professionelles Handeln vorzu-bereiten. Darauf deuten zumindest die Darstellungen und Einschätzun-gen einiger Interview-Partner/innen hin.

Als der potenziellen Entwicklung professionellen Handelns tendenziellabträglich erscheint hingegen, wenn die Berufspraxis als der hauptsäch-liche oder gar alleinige Ort des Erwerbs beruflichen Wissens und Kön-nens fungiert, weil das hier unter der Handlungslogik von Angemessen-

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heit und Brauchbarkeit und unter Zeit- und Entscheidungsdruck gene-rierte Wissen und Können (Lernen durch Nachahmung, „Abgucken“)offenbar kaum noch einer intersubjektiven Reflexion unterzogen undder Kontrastierung durch das wissenschaftliche Geltungskriterium Wahr-heit/Richtigkeit ausgesetzt wird, wie dies während einer wissenschaftli-chen Ausbildung möglich ist. Für ein professionelles Relationieren deseher universellen wissenschaftlichen Wissens und Könnens mit dem eherpartikularen allgemeinen und beruflichen Wissen und Können fehlenwesentliche Voraussetzungen, auch u. a. durch Einübung gewonneneprofessionelle Handlungs-Souveränität, Zeit und Distanz zu den heran-getragenen Interessen.

Auffallend ist, dass die Interviewten weder systematische beruflicheWeiterbildung als Quelle beruflich eingesetzten Wissens und Könnensnennen, noch kollegialen Austausch und gegenseitige Beratung, die fürprofessionelles berufliches Handeln als unerlässlich gelten können.Insgesamt scheinen seitens der Interview-Partner/innen die berufs-qualifizierende Funktion der beruflichen Praxis stark überbewertet unddie der wissenschaftlichen Ausbildung unterbewertet worden zu sein.Dies ergibt sich a) durch die Bekundung eines hohen Stellenwerts deseingesetzten wissenschaftlichen Wissens und Könnens (es wurdeinsgesamt doppelt so häufig genannt wie berufliches Wissen und Kön-nen, vgl. Kapitel 8.2.1) und b) angesichts des Stellenwerts des einge-setzten beruflichen Wissens und Könnens (allgemeine Fähigkeiten wur-den knapp dreimal so häufig genannt wie berufliche Fähigkeiten (vgl.Kapitel 8.2.2).

8.3 Professionelles Handeln und Professionalität

Professionalität als voraussetzungsvolle Qualität beruflichen Handelnsist m. E. ohne eine bewusste Vorstellung davon, worin sie bestehen könnteoder doch wenigstens der bewussten Verfügung über qualitative Stan-dards, denen professionelles Handeln genügen müsste, um Professiona-lität zu erreichen, kaum möglich. Die Interview-Partner/innen wurdengefragt, ob sie ihr eigenes berufliches Handeln für professionell haltenund wie sie Professionalität verstehen, um so nicht nur ihre beruflicheSelbstwahrnehmung, sondern auch ihr Verständnis von professionellenStandards und von Professionalität zu erkunden.

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Von den zehn Interview-Partner/innen schätzen acht ihre eigene Berufs-arbeit mit recht unterschiedlichen Begründungen als professionell ein;zwei bezeichnen ihre als nicht professionell – mit ebenfalls unterschied-lichen Begründungen. Sie meinen selbstkritisch, nicht hinreichend theo-retisch begründet oder nicht hinreichend kompetent bzw. gemessen aneigenen, nicht explizit ausgeführten Standards, dilettantisch zu arbeiten.Die Einschätzung der beiden scheint in besonders hohen Ansprüchenan die Qualität der eigenen Berufsarbeit begründet zu sein, denen sienicht hinreichend zu genügen meinen; soweit sie Kriterien professionel-len Handelns nennen, entsprechen diese weitgehend einem Verständnisvon „gekonnter Beruflichkeit“ (E. Nuissl) bzw. expertenhaftem Arbeiten,kaum aber dem hier entwickelten Verständnis von professionellem Er-wachsenenbildungs-Handeln. Ihre Kriterien ähneln denjenigen der In-terview-Partner/innen, die ihr eigenes berufliches Handeln als professio-nell bewerten.

Die von den Interview-Partner/innen genannten Kriterien für professio-nelles Handeln gelten in unserer Gesellschaft üblicherweise für jedenregulären Ausbildungsberuf, von einer Lehre in Handel, Handwerk undIndustrie bis hin zum Hochschul-Studium: Spezifische Berufsausbildung/-vorbereitung, Verfügung über Wissen und Können, Arbeitsvertrag, Be-zahlung, planvolles, systematisches, kontinuierliches, qualitätvolles, ver-antwortungsbewusstes, (dienst-)leistungsorientiertes Arbeiten, Fortbil-dungsbereitschaft, Fortbildung. Lediglich Kriterien wie „virtuos“, „situa-tionsbezogen“, „prozessorientiert“, „reflexiv“, „rollenbewusst“ und„funktionsbewusst“ oder „die Funktion für die Gesellschaft erkennen“weisen in die Richtung einer besonderen beruflichen Handlungsquali-tät, die nicht einfach mit qualitativ hochwertigem Berufshandeln iden-tisch ist.

Dass professionelles Handeln von den Interview-Partner/innen mit fürheutige Berufsarbeit weitgehend selbstverständlichen Merkmalen wieAusbildung, Arbeitsvertrag und Bezahlung assoziiert wird, ist möglicher-weise der historischen Entwicklung des Erwachsenenbildungs-Berufs unddessen insgesamt immer noch relativ deprivierter Situation geschuldet:ein vertraglich geregeltes Vollzeit-Arbeitsverhältnis nach vorangegange-ner spezifischer Ausbildung und mit dafür vergleichsweise angemesse-ner Bezahlung ist auch heute noch eher die Ausnahme als die Regel.Eine erwachsenenbildungs-spezifische Ausbildung ist keine anerkannte

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Berufsvoraussetzung und über eine, vergleichbaren Berufen angemesse-ne Bezahlung verfügen nur die wenigsten Erwachsenenbildner/innen,denn die überwältigende Mehrheit arbeitet nebenberuflich und unterbe-zahlt oder freiberuflich, nicht selten ebenfalls unterbezahlt. Auch ehren-amtliches Arbeiten ist in der Erwachsenenbildung noch durchaus üb-lich.

Es kann deshalb auch nicht allzu sehr überraschen, dass nahezu alleInterview-Partner/innen von einer Sicht der Erwachsenenbildung als Pro-fession im Sinne eines besonderen Berufes, der an der Realisierung einesallgemein anerkannten, zentralen Werts personen- und gesellschaftsori-entiert arbeitet und daher eine besondere Aufgabe und Verantwortungwahrnimmt, weit entfernt zu sein scheinen. Unterschiede zwischen pro-fessionellem und expertenhaftem beruflichen Handeln scheinen nichtbekannt zu sein. Über ein reflektiertes Verständnis von der Professiona-lität spezifisch erwachsenenbildnerischen professionellen Handelns ver-fügt anscheinend niemand der Befragten. So findet das in dieser Arbeitprofessionstheoretisch entwickelte Verständnis von Erwachsenenbildungs-Professionalität kaum eine Entsprechung in den geäußerten Vorstellun-gen von Professionalität. Zwar wird von den meisten Professionalität mitberuflichem Können und mit beruflicher Handlungsqualität assoziiert,doch die besondere Qualität professionellen Handelns sieht so niemandder Befragten. Sie könnte im gelingenden didaktischen, Lernen und Bil-dung ermöglichenden In-Beziehung-Setzen der daran bestehenden Inte-ressen von Personen und Gesellschaft sowie dem dafür notwendigenpartikularen und universalen Wissen und Können gesehen werden. Dassdiese Qualität nicht gesehen wird, mag daran liegen, dass Bildung alsorientierender Zentralwert einer Profession Erwachsenen-Bildung keinehandlungsleitende Kategorie für die Interview-Partner/innen zu seinscheint, ja nicht einmal Gegenstand beruflicher Reflexion.

Anscheinend wurden alle Befragten mit der Frage nach ihrem Verständ-nis professionellen Handelns und von Professionalität erstmals konfron-tiert, was die erkennbare Unsicherheit mancher beim Beantworten die-ser Frage erklären kann. Weder in ihrer wissenschaftlichen Ausbildungnoch in beruflichen oder kollegialen Zusammenhängen schien bzw.scheint diese Frage ein Gegenstand der Reflexion oder Diskussion zusein. Das Wissen über Charakteristik und Qualität professionellen Er-wachsenenbildungs-Handelns allein schafft selbstverständlich keine Pro-

8. Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur EB-Professionalität

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fessionalität. Doch ohne ein solches Wissen bleibt das Handeln gewisser-maßen „blind“ und unaufgeschlossen für eine professionelle Entwick-lung und dafür notwendige individuelle, strukturelle und soziale Vor-aussetzungen.

8.4 Berufsentwicklung und Berufsbewusstsein

Wenn die Entwicklung von Professionalität im wesentlichen im berufli-chen Handeln selbst geschieht, wie in dieser Studie zu begründen ver-sucht wurde, und dabei auch das Vorbild, die Anleitung, Unterstützung,Beratung und Rückmeldung anderer Berufsangehöriger eine wichtige Rollespielt, dann ist m. E. dafür nicht zuletzt erforderlich, dass ein Bewusstseinder Berufsangehörigen von der Situation, den Aufgaben, Funktionen undQualitätsstandards des Berufes im Vergleich, in der Abgrenzung und imZusammenspiel mit anderen Berufen vorhanden ist sowie die Fähigkeit,die Situation und Entwicklung des eigenen Berufes einschätzen zu kön-nen. Wie Professionalität entwickelt sich diese vor allem während derBerufstätigkeit, weil dazu eigene Berufserfahrungen notwendig sind. Dochdürfte die Fähigkeit zu beruflicher Selbst-Reflexivität ebenso wie Profes-sionalität auf Voraussetzungen gründen, die bereits in der wissenschaftli-chen Ausbildung erworben wurden, hier vor allem auf einem spezifischenAufgaben-, Handlungs- und Rollenverständnis und einem reflektiertenHandlungsethos, die zusammen ein bestimmtes Berufsbewusstsein bil-den. Welche Veränderungen das in der wissenschaftlichen Ausbildungentstandene Berufsbewusstsein durch Berufserfahrungen erfahren hat undwie die Professionalität und die Organisation der Interessen von Erwach-senenbildner/inne/n im Allgemeinen eingeschätzt wird, wurde durch dieInterviews zu erfassen versucht.

8.4.1 Veränderung des Berufsverständnisses durchBerufserfahrung

In der wissenschaftlichen Ausbildung werden die Vorstellungen vom unddie Verständnisse des künftig auszuübenden Berufs vor allem durch In-formationen geprägt, die Lehrende, Mit-Studierende und wissenschaftli-che Literatur vermitteln. Durch eigene Praxiserfahrungen in Praktika, vorallem jedoch in der eigenen Berufstätigkeit verändert sich häufig das soentstandene Berufsverständnis. Einen sogenannten „Praxisschock“ erlei-den jedoch nur diejenigen, die sich kein realistisches Berufsverständniswährend ihrer Ausbildung aneignen konnten. Bei allen jedoch dürften

Empirische Untersuchung

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sich im Laufe der Berufstätigkeit die „mitgebrachten“ Berufsverständnis-se durch eigene Erfahrungen mehr oder weniger stark verändern. Für dieEntwicklung von Professionalität als berufliche Handlungsqualität ist dieArt dieser Veränderungen bedeutsam.

Bei fast allen Interview-Partner/innen hat sich nach eigenem Bekundendas zu Beginn der Berufstätigkeit vorherrschende Berufsverständnis, hiervor allem Ansprüche, Ziele, Aufgaben- und Rollenverständnisse, aberauch ethische Handlungsmaximen, durch die Berufserfahrung verändert;nur eine Interview-Partnerin sieht nicht ihr Berufsverständnis, sonderndie Bedingungen ihres beruflichen Handelns verändert.

Wahrgenommene Veränderungen des eigenen Berufsverständnisses wer-den in allen Fällen als positiv bewertet im Sinne eines Zuwachses anRealitätssinn, Pragmatismus, Qualität und Komplexität des beruflichenHandelns, gewachsenen Verstehens von Zusammenhängen und Verant-wortung, größerer Akzeptanz von Klientel-Interessen oder von Zufrie-denheit und Sinnerfahrung. Dies gilt auch für Veränderungen des in derAusbildung entstandenen Berufsverständnisses, die sich nicht durch all-mählich wachsenden Erfahrungsreichtum, sondern durch eher unfrei-willige Anpassungsleistungen ergeben haben (freiberufliche statt Ange-stellten-Tätigkeit, berufliche statt politische Erwachsenenbildung, Tätig-keit in einem kommerziellen Unternehmen statt gemeinnütziger Arbeit);sie werden ausnahmslos bejaht und als zufriedenstellend bewertet.

Wenn man Erfahrung als Resultat reflektierten Erlebens versteht, das aufdie Verwendung geeigneter Reflexionskategorien angewiesen ist, wäreunter professionstheoretischen Gesichtspunkten von Interesse, ob die vonden Interview-Partner/innen beschriebenen Veränderungen ihres Berufs-verständnisses in diesem Sinne tatsächlich erfahrungsbedingt sind odereher eine nachträgliche „Rationalisierung“ von womöglich für unver-meidlich gehaltenen Anpassungsleistungen. Dazu müssten die jeweili-gen Reflexionskategorien erkundet werden, was in den hier geschilder-ten Interviews nicht geschehen ist. Erst deren Kenntnis erlaubte ein Ur-teil über die professionsbezogene Qualität der Veränderungen desBerufsverständnisses.8 Im Falle professionell arbeitender Erwachsenen-

8 Auch das Beharren auf dem ursprünglichen Berufsverständnis könnte so gesehendurchaus als das qualitätvolle Ergebnis der Reflexion erlebter Berufspraxis darstellen,

8. Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur EB-Professionalität

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bildner/innen hätte die Qualitätsbeurteilung wahrgenommener Verän-derungen sich m. E. wesentlich an einem intersubjektiv reflektierten pro-fessionellen Berufsverständnis zu orientieren, das sich aus einer entspre-chenden Berufskultur entwickelt hat. Auf dessen Existenz gibt es jedochkeine Hinweise.

Die Mehrzahl der Interviewten scheint zu Beginn ihrer Berufstätigkeitentweder über recht amorphe, wenig realistische oder solche Berufsvor-stellungen verfügt zu haben, die eher hauptberuflichen Politikern alshauptberuflichen Erwachsenenbildner/innen entsprochen hätten. Wäh-rend ihrer Berufstätigkeit hat sich bei fast allen ihr Berufsverständnis stär-ker konturiert, entsprechend den wahrgenommenen beruflichen Hand-lungsmöglichkeiten verändert oder von einem eher politisch-missionari-schen zu einem erwachsenenbildnerischen entwickelt.

Ein professionelles erwachsenenbildnerisches Berufsbewusstsein, das einentsprechendes Verständnis von der spezifischen Art professionellenHandelns, eines professionellen Aufgaben- und Rollenverständnissessowie eines spezifischen Handlungsethos einschlösse, hat sich jedochanscheinend kaum entwickelt, obwohl Elemente eines solchen bei ein-zelnen erkennbar sind, z. B., wenn Interview-Partner/innen die Unter-stützung von Bildung und Lernen Erwachsener als ihre Handlungsaufga-be bezeichnen.

8.4.2 Professionelles Handeln in der Erwachsenenbildungim Allgemeinen

Die Interview-Partner/innen wurden nicht nur gefragt, ob sie ihr eigenesberufliches Handeln für professionell halten, sondern im weiteren Ver-lauf der Interviews auch, ob nach ihrer Wahrnehmung und Einschät-zung in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung professionell gearbeitetwird bzw. ob sie dies für prinzipiell möglich und notwendig halten. Wieschon bei der Frage nach der Einschätzung ihres eigenen beruflichen

weil Veränderung allein ja noch keine Qualität ausmacht. Denn weil die Wirklichkeit (hier:die berufliche) immer komplexer zu sein scheint als die in einer anderen Wirklichkeit (hier:die Hochschulausbildung) gewonnenen Annahmen darüber, scheinen für erlebnis- undeindrucksoffene junge Menschen Veränderungen der mitgebrachten Annahmen von meisthoher Plastizität eine Zwangsläufigkeit zu haben, die keinesfalls ohne weiteres mit derZunahme von Qualität verwechselt werden sollte, auch wenn diese Veränderung subjek-tiv als positiv wahrgenommen wird.

Empirische Untersuchung

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Handelns war daran die Erwartung geknüpft, mit den Antworten zugleichdie Kriterien der Interview-Partner/innen für professionelles Handeln unddessen Qualität zu erkunden sowie diese mit den zuvor ermittelten ab-zugleichen.

Im Hinblick darauf, ob in der Erwachsenenbildung professionell gearbei-tet wird, antworten die meisten Interview-Partner/innen skeptisch bis ver-neinend. Nur zwei von ihnen sind der Ansicht, viele Erwachsenenbild-ner/innen arbeiteten professionell. Während die eine der beiden ihre An-sicht nicht weiter begründet, verweist die andere auf professionellarbeitende Kollegen. Zwar halten offenbar alle Interviewten professionellesHandeln von Erwachsenenbildner/inne/n für möglich, manche auch aus-drücklich für notwendig, sehen jedoch strukturelle und individuelle Fak-toren, die es erschweren. Im einzelnen werden als Hinderungsgründe fürprofessionelles Handeln in der Erwachsenenbildung genannt:

• die schwere Fassbarkeit (Definition) und Vermittelbarkeit vonProfessionalität,

• die unzureichende Ausbildung von Erwachsenenbildner/in-ne/n,

• die unzureichende Arbeitsmotivation von Erwachsenenbildner/inne/n,

• fehlende Qualitäts-Standards,• zu große Vielseitigkeit erwachsenenbildnerischen Handelns bzw.

fehlende Profilierung,• unzulängliche Arbeitsbedingungen von Erwachsenenbildner/

inne/n,• Finanzierungsbedingungen der Erwachsenenbildung,• Professionalität behindernde Erwachsenenbildungspolitik,• unzureichendes Bewusstsein von der beruflichen Leistung von

Erwachsenenbildner/inne/n ,• unzureichende öffentliche Darstellung der beruflichen Leistung

von Erwachsenenbildner/inne/n,• Selbstdarstellungsbedürfnisse von Erwachsenenbildner/inne/n im

beruflichen Handeln,• unzureichende Fähigkeiten und Fertigkeiten von Erwachsenen-

bildner/inne/n,• Selbstbezogenheit von Erwachsenenbildner/inne/n im berufli-

chen Handeln und• unzureichende Bereitschaft zur persönlichen Weiterentwicklung

8. Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur EB-Professionalität

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Ein Interview-Partner beschreibt die Situation so:

„Auch wenn ich an meiner eigenen Professionalität Zweifel habe, so zweifle ich dochüberhaupt nicht daran, dass Erwachsenenbildungsarbeit professionell sein könnte. ...Ich gehe davon aus, dass es dafür einen sehr großen Bedarf gibt und auch ein Bedürf-nis danach, professionell zu arbeiten. Die Entwicklung von Professionalität in der Er-wachsenenbildung halte ich sogar für unabdingbar. Wir müssen zu einer selbstbewuss-ten Selbstdarstellung kommen. Wir müssen wissen, was wir zu bieten haben undallerdings auch etwas bieten können. Überhaupt ist es sehr wichtig – das kann man jaan Politikern gut studieren – für die Öffentlichkeit auf eine überzeugende Art und Weisebeschreiben zu können, was man tut. ... Wir sollten wissen, wie Lernen funktioniert, waseine Lernsituation ausmacht und was wir dazu beitragen können. Wenn wir das könn-ten, wären wir professionell“ (3).

Da von den zehn Befragten acht ihr eigenes berufliches Handeln fürprofessionell halten, gleichzeitig für die Erwachsenenbildung/Weiterbil-dung insgesamt überwiegend negative Professionalitäts-Einschätzungenabgeben, so kann dies heißen, dass die angenommene eigene Professio-nalität trotz gegebener struktureller Hindernisse als individuelle Leistungverstanden wird, die auch unabhängig von einer Professionalisierungder Erwachsenenbildung als ganzer möglich ist. Ähnlich wie bereits beider Einschätzung des eigenen beruflichen Handelns wird professionel-les Handeln auch hier im Wesentlichen mit einer Art von Berufsaus-übung gleichgesetzt, die in qualifizierten Ausbildungsberufen heute all-gemein üblich ist. Darüber hinausgehend werden jedoch – ohne dassdies ein konsistentes Professionsverständnis ergäbe – von einigen Inter-view-Partner/innen auch einzelne, für Professionen typische Merkmalegenannt, wie herausragende Kompetenz, qualitative Handlungs-Stan-dards, überzeugende öffentliche Darstellung des eigenen beruflichenHandelns oder eine Dienst-Orientierung.

8.4.3 Organisation beruflicher InteressenDer fachliche, soziale und politische Zusammenschluss von Erwachse-nenbildner/inne/n in Berufsgruppen oder in einem Berufsverband wirdin dieser Studie als eine von mehreren Voraussetzungen der Entwick-lung von Professionalisierung und Erwachsenenbildungs-Professionali-tät verstanden, weil dafür kollegiale gegenseitige Information, Beratungund Supervision, Erfahrungs-Austausch, gemeinsame Reflexion, fachli-che Anregung und berufliche Weiterentwicklung sowie Kontrolle derEinhaltung von professionellen Standards notwendig erscheint; für diemittel- und langfristige Sicherung des professionellen Handelns im ge-

Empirische Untersuchung

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sellschaftlichen Kontext wird darüber hinaus eine qualifizierte Öffent-lichkeitsarbeit und aktive Berufspolitik als notwendig erachtet. Die Ein-schätzung von Erwachsenenbildner/inne/n zu diesen Aspekten ihrer Be-rufssituation stellt im Hinblick auf mögliche Chancen der Entwicklungvon Erwachsenenbildungs-Professionalität insofern eine wichtige Infor-mation dar.

Die Haltung der Interview-Partner/innen gegenüber einer Organisationberuflicher Interessen von Erwachsenenbildner/inne/n in einem spezifi-schen Berufsverband kann als „gemäßigt“ positiv beschrieben werden:Fünf der zehn Befragten betrachten eine solche Organisation als sinn-voll und nennen dafür plausible Gründe; zwei sind eher skeptisch, abernicht ablehnend. Drei Interviewte können keinen Sinn in einer Organi-sation von Erwachsenenbildner/inne/n sehen und würden einer solchenerklärtermaßen auch nicht beitreten. Eine Interviewte sieht keinen er-kennbaren Nutzen, eine andere hält einen entsprechenden Zusammen-schluss nicht nur für überflüssig angesichts vorhandener regionaler Aus-tauschmöglichkeiten, sondern sogar für schädlich, weil durch den somöglichen Vergleich mit anderen Erwachsenenbildner/inne/n Konkur-renz- und gegenseitige Abwertungsprozesse in Gang gesetzt werdenkönnten. Der dritte ablehnende Interview-Partner meint, dass „Erwach-senenbildner/in“ überhaupt kein Beruf sei. Die beruflichen Arbeitsfelderund Tätigkeiten, die darunter zusammengefasst werden, hält er jedenfallsfür zu heterogen, als dass sie eine gemeinsame, organisierte beruflicheInteressenwahrnehmung erlaubten. Die berufliche Heterogenität vonErwachsenenbildner/inne/n wird auch von einigen Befürwortern als Pro-blem benannt. Auch ihnen fällt es offenbar nicht leicht, berufliche Iden-tität stiftende Gemeinsamkeiten von Erwachsenenbildner/inne/n zu se-hen. Unter der Berufsbezeichnung „Erwachsenenbildner/in“ arbeitetbeispielsweise keiner der Interviewten.

Die von den Interview-Partner/innen genannten Gründe bzw. Aufgabenfür einen Berufsverband von Erwachsenenbildner/inne/n lassen sich nachberufsqualifizierenden, berufspolitischen und bildungspolitischen unter-scheiden.

Berufsqualifizierende Gründe/Aufgaben:• Entwicklung beruflicher Qualitätsstandards• Organisation von Supervision• fachlich-inhaltlicher Austausch

8. Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur EB-Professionalität

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• ZusammenarbeitBerufspolitische Gründe/Aufgaben:• Verbesserung des beruflichen Status• Entwicklung eines gemeinsamen beruflichen Selbstverständnis-

ses• Öffentliche Selbstdarstellung und Profilierung des Berufs/Ent-

wicklung eines positiven Berufsbildes• Vertretung beruflicher Interessen• Verbesserung der Marktchancen• Sicherstellung von ProfessionalitätBildungspolitische Gründe/Aufgaben:• Vorstellungen von künftiger Erwachsenenbildung entwickeln• Begründungen für den Sinn von Weiterbildung in öffentlicher

Verantwortung entwickeln• Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung/Weiterbildung• Die Bedeutung der Weiterbildung und ihren gesellschaftlichen

Nutzen öffentlich darstellen• Erschließung neuer Arbeitsmärkte.

Bereits diese Liste von Gründen bzw. Aufgaben für einen Berufsverbandvon Erwachsenenbildner/inne/n – von Diplom-Pädagog/inn/en mit demStudienschwerpunkt Erwachsenenbildung/Weiterbildung formuliert, diemehrheitlich kein spezifisch erwachsenenbildnerisches berufliches Auf-gabenverständnis haben und einem solchen Zusammenschluss mitinsgesamt eher positiver Zurückhaltung gegenüber stehen – verweist ein-drucksvoll auf die Defizite der jetzigen Situation des Berufs, der voneiner Profession sowohl in der Wahrnehmung der Befragten selbst alsauch offenbar im Hinblick auf die Art und Qualität des beruflichen Han-delns weit entfernt zu sein scheint. Eine Professionalisierung der Erwach-senenbildung/Weiterbildung kann jedoch ohne einen starken sozialenZusammenschluss und eine aktive Berufspolitik der Berufstätigen selbstnicht gelingen.

8.5 Kommentierte Zusammenfassung derUntersuchungsergebnisse

Die Art der Berufsarbeit der zehn interviewten Diplom-Pädagog/inn/enmit dem Studienschwerpunkt Erwachsenenbildung/Weiterbildung bestehtbei der Mehrheit aus einer Mischung didaktischer und nicht-didaktischer

Empirische Untersuchung

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Tätigkeiten; nur zwei sind überwiegend didaktisch tätig, eine kaum.Während die didaktischen Tätigkeiten von Lern- und Bildungs-Beratung,-planung, Lehre und Lernbegleitung, Entwicklung von Lern- und Bildungs-materialien bis zur Evaluation reichen, umfassen die nicht-didaktischen,organisationsbezogenen Tätigkeiten Management, Marketing, Personal-führung und -entwicklung, Öffentlichkeitsarbeit sowie institutions- undbildungspolitische Gremienarbeit. Je mehr Leitungsaufgaben die jewei-lige Berufsarbeit umfasst, umso deutlicher dominieren die nicht-didakti-schen Tätigkeiten, quantitativ und qualitativ.

Da aus professionstheoretischer Sicht allein die didaktischen Tätigkeitenals potenziell professionelle gelten können, weil sie wie alle professio-nellen Tätigkeiten auf die Bearbeitung lebens-relevanter Fragen von Per-sonen zielen – hier der Fragen von Lernen und Bildung –, lässt sich fest-stellen, dass etwa knapp die Hälfte der beruflichen Tätigkeiten der be-fragten, wissenschaftlich ausgebildeten Erwachsenenbildner/innennicht-professionelle und nicht-professionalisierbare Expertentätigkeitendarstellen. Diese werden auf der Basis autodidaktischen Lernens ausge-übt, da die Interview-Partner während ihrer wissenschaftlichen Ausbil-dung darauf nach eigenem Bekunden nicht vorbereitet wurden.

Sechs der zehn Interviewten beschreiben den Charakter der beruflichenTätigkeiten, die sie ausüben, entweder ganz überwiegend oder mindestenszur Hälfte als Management; nur einer von ihnen bezeichnet seine beruf-liche Arbeit explizit als Erwachsenenbildungs-Arbeit. Allerdings entsprichtdas berufliche Selbstverständnis der Befragten dem Charakter der beruf-lichen Tätigkeiten nur teilweise: während auch nur einer sich ausdrück-lich als Erwachsenenbildner sieht, verstehen sich drei als Manager. Dieübrigen sechs Befragten verstehen sich mehr oder weniger deutlich alssozial- und (erwachsenen-)pädagogisch Tätige. Das jeweilige beruflicheSelbstverständnis steht also nicht in jedem Einzelfall in einem kongruen-ten Zusammenhang mit den tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten. Überein bewusstes, beruflich-erwachsenenbildnerisches Rollenverständnis –sowohl der eigenen Rolle als auch derjenigen der Klientel – verfügt an-scheinend nur der sich selbst explizit als Erwachsenenbildner verstehen-de Interview-Partner.

Die deutlichen Inkongruenzen zwischen ausgeübter Tätigkeit, der Cha-rakterisierung derselben und dem beruflichen Selbstverständnis sowie

8. Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur EB-Professionalität

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ein kaum ausgeprägtes berufliches Rollenverständnis können als Indizfür eine schwach entwickelte berufliche Selbstreflexion interpretiertwerden und als Ausdruck einer kaum vorhandenen Berufskultur, in derberufliche Reflexionsmuster, Berufs- und Rollenverständnisse generiert,überprüft und revidiert werden könnten.

Ein persönliches, vom jeweiligen Auftrag- oder Arbeitgeber relativ unab-hängiges berufliches Aufgabenverständnis ließen sechs der zehn Inter-viewpartner erkennen. Einer von ihnen scheint bewusst auf ein persönli-ches Aufgabenverständnis bzw. die Entwicklung eigener beruflicher Ziel-vorstellungen verzichtet zu haben, während die übrigen eine nahezuvollständige Übereinstimmung mit den Aufgabenstellungen und Zielenihres Arbeitgebers betonen. Bis auf eines sind die geäußerten berufli-chen Aufgabenverständnisse erwachsenenbildungs-unspezifisch. Sieschließen didaktische, politische, humanistische, subjektorientierte undmoralische Absichten ein, sind z. T. jedoch auch stark am institutionelloder persönlich definierten Erfolg orientiert. Ein am professionstheore-tisch bestimmten Zentralwert Lernen und Bildung Erwachsener orien-tiertes berufliches Aufgabenverständnis, das die eigene berufliche Auf-gabeninterpretation mit der von Auftrag- und Arbeitgebern, Klientel undGesellschaft zu verbinden versucht, lässt nur eine der Befragten erken-nen.

Alle Interviewpartner verfügen nach eigener Wahrnehmung über einemehr oder weniger deutlich ausgeprägte relative berufliche Handlungs-autonomie. Die hauptsächliche Beschränkung von Handlungsspielräu-men stellen offenbar finanzielle Zwänge dar, gefolgt von (bildungs-)po-litischen Vorgaben. Als die berufliche Handlungsfreiheit einschränkendwerden offenbar auch innerinstitutionelle und unternehmensinterne Vor-gaben, rechtliche Regelungen, Marktdruck und hierarchische Struktu-ren erlebt. Bei denjenigen, deren berufliches Aufgabenverständnis mitdem des Arbeitgebers vollständig übereinstimmt, ist zu vermuten, dassder Handlungsspielraum deutlich an diese Übereinstimmung gebun-den ist – was jedoch oft erst bei Konflikten oder Abweichungen er-kennbar werden dürfte. Relative berufliche Handlungsautonomie, einewichtige Voraussetzung nicht nur professionellen Handelns, sondernauch von Arbeitsmotivation und beruflicher Zufriedenheit, scheint ininteraktions-geprägten Tätigkeitsfeldern wie denen der Interviewten nichtzuletzt das Ergebnis von persönlicher Verhaltens- und Handlungs-Sou-

Empirische Untersuchung

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veränität, von Durchsetzungsvermögen sowie von Risiko- und Kon-fliktfähigkeit zu sein.

Beruflicher Erfolg ist bei denjenigen Befragten, deren berufliches Selbst-verständnis erwachsenenbildnerisch, pädagogisch und/oder didaktischgeprägt ist und die überwiegend oder teilweise didaktische Aufgabenwahrnehmen, mehrheitlich entweder keine bedeutsame Beurteilungs-kategorie für ihr berufliches Handeln oder wird mit dem Lernerfolg vonTeilnehmenden gleichgesetzt. Eine interviewte Person bezeichnet darüberhinaus die eigene Behauptung auf dem Bildungsmarkt als beruflichenErfolg, eine andere den gelingenden Umgang mit der eigenen Rolle inLerngruppen. Diejenigen, die überwiegend Management-Funktionenausüben, also organisationsbezogen arbeiten und sich auch selbst alsManager verstehen, verknüpfen den eigenen beruflichen Erfolg sehr starkmit dem Erfolg ihrer Beschäftigungs-Institution. Erwachsenenbildnerisch-didaktischer Erfolg spielt für sie also im Vergleich mit institutionellem/unternehmerischem Erfolg eine geringe Rolle. Schwierigkeiten und Pro-bleme im eigenen beruflichen Handeln werden entsprechend dem je-weiligen Erfolgsverständnis wahrgenommen als entweder überwiegenderwachsenenbildnerische, pädagogische oder didaktische oder als über-wiegend institutionelle/unternehmerische bzw. als solche der persönli-chen Karriere.

Über explizite Gütekriterien für ihre berufliche Tätigkeit scheinen dieInterview-Partner/innen kaum zu verfügen; nur eine beschreibt ein sol-ches. Die implizit verwendeten didaktischen Bewertungsmaßstäbe er-scheinen als wenig differenziert im Hinblick auf dasjenige beruflicheHandeln, das als potenziell professionelles erwachsenenbildnerischesHandeln gelten kann. Standards hierfür sind offenbar kaum verfügbar.

Wesentliche Referenzpunkte beruflichen Handelns sind offenbar für die-jenigen, die Erfolg und Qualität der eigenen Berufsarbeit mit dem Lern-erfolg von Teilnehmenden und didaktischer Handlungsqualität verbin-den, die Teilnehmenden und andere didaktisch Handelnde. Didaktischzu vermittelnde und anzueignende Inhalte werden als mögliche Refe-renzpunkte nicht erwähnt. Für diejenigen, die Erfolge und Handlungs-qualität nicht in didaktischem Handeln verorten oder verorten können,weil sie kaum didaktisch handeln, sind die Referenzpunkte ihres berufli-chen Handelns Markt, Politik und Institutions-/Unternehmensziele. Die

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Gesellschaft bzw. das Gemeinwesen, für das Lernen und Bildung Er-wachsener von großer Bedeutung ist und dessen Ermöglichung nichtunerheblich finanziell fördert, spielt als ein Bezugspunkt des beruflichenHandelns offenbar bei keinem der Befragten eine Rolle, wie dies fürAngehörige von Professionen theoretisch angenommen wird, da dieseim übertragenen Sinne im Auftrag (Mandat) und mit der Erlaubnis (Li-zenz) der Gesellschaft arbeiten und nicht zuletzt in ihrem Interesse zen-trale Anliegen der Gesellschaftsmitglieder zusammen mit diesen bear-beiten.

Außer einem Interview-Partner pflegen alle einen mehr oder minder in-tensiven Austausch mit Berufskolleg/inn/en über ihre Berufsarbeit, zumeistaußerhalb der eigenen Institution; zwei nehmen teil an einer regelmäßi-gen Supervision. Die meisten nennen für beruflichen Austausch keinebesonderen Gründe, weil dieser ihnen offenbar als selbstverständlichsinnvoll erscheint. Professionstheoretisch für bedeutsam gehaltene As-pekte des kollegialen Austauschs wie berufsethische Vergewisserung,gegenseitige Beratung und Kontrolle und Solidaritätserfahrung werdenvon niemandem erwähnt.

Ihren Auftrag-, Arbeit- und Geldgebern gegenüber empfinden siebenvon zehn Befragten berufliche Verantwortung, fast ebenso viele (sechs)zugleich auch gegenüber Teilnehmenden. In der Rangordnung berufli-cher Verantwortlichkeit rangieren die Teilnehmenden für fünf Befragtean erster Stelle. Für eine Befragte ist der Arbeitgeber der einzige Adres-sat beruflicher Verantwortung, eine andere spürt Verantwortung außergegenüber dem Arbeitgeber und den Teilnehmenden auch gegenübersich selbst. Sich selbst gegenüber fühlen sich insgesamt vier Interview-Partner verantwortlich, und zwar im Rahmen allgemeiner menschli-cher Selbstverantwortung bzw. im Sinne der Erfüllung eigener Ansprü-che an die Berufsarbeit. Eine Verantwortung gegenüber dem eigenenBeruf und dessen Ansehen oder dem Erhalt und der Weiterentwicklungder eigenen beruflichen Fähigkeiten wird von niemandem erwähnt. Nureine Befragte sieht ihre berufliche Verantwortung darin, ihr Verständnisvon einer „guten Bildung Erwachsener“ in ihrem beruflichen Handelnzu auszudrücken. Eine professionelle Aufgaben-Verantwortung aberschlösse auch eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft ein, dieein Interesse an professioneller Wahrnehmung der Aufgabe hat oderhaben müsste.

Empirische Untersuchung

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Unter den Arten des beruflich eingesetzten Wissens hat das wissenschaft-liche Wissen mit Abstand die höchste Bedeutung, wenn man die Häufig-keit der Nennungen der Wissensarten als Indikator dafür verwendet. Eswurde fast doppelt so oft genannt wie berufliches Wissen und dreimal sohäufig wie allgemeines Wissen. Die geringste Bedeutung scheint wis-senschaftliches Wissen für diejenigen zu haben, die nahezu ausschließ-lich Management-Tätigkeiten ausüben. Mehr als die Hälfte der Nennun-gen des insgesamt beruflich verwendeten wissenschaftlichen Wissenskann als erwachsenenbildungs-wissenschaftliches, erziehungswissen-schaftliches und didaktisches Wissen bezeichnet werden; die restlichenNennungen beziehen sich auf die sogenannten Bezugswissenschaftender Erwachsenenbildungs-Wissenschaft wie Psychologie und Soziolo-gie. Das genannte berufliche (Handlungs-)Wissen ist kaum erwachse-nenbildnerisch-didaktischer, sondern vor allem betriebswirtschaftlich-rechtlicher Art. Der beachtliche Anteil der Nennungen allgemeinen, nichtim engeren Sinne beruflichen Wissens betrifft hauptsächlich Wissen überWissensbeschaffung und Wissen über Kommunikation und Interaktion.

Für die didaktisch tätigen Interview-Partner/innen scheint erwachsenen-bildungs-wissenschaftliches und didaktisches Wissen explizit eine wich-tige Rolle in der täglichen Arbeit zu spielen, entsprechendes berufliches(Handlungs-)Wissen dagegen eine eher geringe. Dies ist insofern als er-staunlich, als didaktisches Handeln ohne praktische Handlungslehren,Wissen über Methoden, Medien oder didaktische Gestaltungsmöglich-keiten von Lehr-Lern-Prozessen, Materialen usw. kaum auszukommenscheint. Möglicherweise erscheint den Interview-Partner/inne/n diesesberufliche (Handlungs-) Wissen als so selbstverständlich, dass sie es nichtmehr für erwähnenswert halten, oder es ist ihnen als berufliches Wissennicht bewusst.

Grundsätzlich mag im Hinblick auf die Nennungen des beruflich insge-samt verwendeten Wissens die Einsicht aus der Wissensforschung be-dacht werden, dass wir gewöhnlich mehr wissen, als wir zu sagen wis-sen (vgl. Rahn 2002, S. 160), wie auch diejenige aus der sozialwissen-schaftlichen Wissens-Verwendungsforschung, dass einmal erworbeneswissenschaftliches Wissen im beruflichen Handlungsprozess nach Maß-gabe der Kriterien Brauchbarkeit und Nützlichkeit oft erheblichen Selek-tions- und Transformationsprozessen unterzogen wird, die sich der nach-träglichen Analyse nur schwer erschließen. Zudem kann die behauptete

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starke Verwendung wissenschaftlichen Wissens als gesellschaftlich all-gemein hoch bewertetem auch der Aufwertung des beruflichen Han-delns dienen, was nur in einer empirischen Handlungsanalyse überprüftwerden könnte.

Berufliches Können, also beruflich eingesetzte Fähigkeiten und Eigen-schaften, scheinen den Interviewten häufig nicht bewusst zu sein. Fähig-keiten werden hier in berufliche und allgemeine unterschieden, alsosolche, die für die jeweilige Berufstätigkeit als spezifisch erscheinen, undsolche, die nicht nur speziell für diese, sondern auch für andere Tätig-keiten verwendbar sind. Als Eigenschaften werden hier persönliche Merk-male verstanden, die relativ unabhängig von bewussten Aneignungspro-zessen vorhanden sind, also eher als das Ergebnis von ererbten Anlagen,Sozialisation und Erziehung verstanden werden können.

Als beruflich eingesetzte Fähigkeiten werden von den Interview-Partner/inne/n 35-mal berufliche, 108-mal allgemeine und 22-mal persönlicheEigenschaften genannt. Die knapp dreimal häufigere Nennung allgemei-ner als beruflicher Fähigkeiten deutet darauf hin, dass die ausgeübtenberuflichen Tätigkeiten der Befragten als (überwiegend) Mischtätigkei-ten eine niedrige berufsspezifische Profilierung aufweisen und in beruf-lichen Handlungsfeldern stattfinden, deren Aufgaben oft ebenfalls nichtsonderlich profiliert erscheinen. Die Verwendung beruflicher Fähigkei-ten wird am häufigsten von denjenigen Interview-Partnern genannt, dieüber deutlich didaktisch geprägte Aufgaben- und Tätigkeitsprofile verfü-gen. Bei überwiegend nicht-didaktischen Leitungs- bzw. Management-Aufgaben und -Tätigkeiten spielen spezifisch berufliche Fähigkeiten nachder Zahl ihrer Nennungen offenbar eine geringe Rolle.

Unter den beruflichen Fähigkeiten werden erwachsenenpädagogischeund didaktische vergleichsweise selten genannt. Dies könnte auch hierden Schluss nahe legen, dass diese als so selbstverständlich gelten, dasssie sich der bewussten Wahrnehmung entziehen. Wahrscheinlicherscheint jedoch zu sein, dass auf Grund der bildungs-, berufs- und profes-sionstheoretisch wenig entwickelten Könnens-Kategorien für berufliches,speziell auch erwachsenenbildnerisches Handeln den Handelnden nurwenige und wenig differenzierte Begriffe zur Beschreibung ihrer Fähig-keiten bzw. ihres Könnens zur Verfügung stehen. Die Beschreibung desberuflichen Handelns deutet allerdings auch darauf hin, dass spezifisch

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erwachsenenpädagogisches und didaktisches berufliches Können tatsäch-lich noch vergleichsweise wenig entwickelt ist und die souveräne Be-herrschung wesentlicher didaktischer Handlungsfiguren nicht zum selbst-verständlichen Handlungsrepertoire der meisten Interview-Partner/innengehört.

Unter professionstheoretischer Perspektive kann das Gesamt-Profil dereingesetzten Fähigkeiten und Eigenschaften kaum als professionell inter-pretiert werden, weil die spezifischen beruflichen Fähigkeiten, die fürdie Ausübung einer Profession als eines besonderen, von anderen unter-scheidbaren Berufs, vergleichsweise schwach im Profil der insgesamteingesetzten Fähigkeiten vertreten sind. Diese Wertung wird durch denvergleichsweise hohen Anteil von persönlichen Eigenschaften im Ver-gleich zu den beruflichen Fähigkeiten im gesamten Könnens-Profil nochverstärkt.

In den Beschreibungen der Interview-Partner/innen gibt es kaum Hin-weise auf die professionstheoretisch als zentral geltende Fähigkeit, wis-senschaftlich-universelles und beruflich-partikulares Wissen und Kön-nen im Handeln im Hinblick auf das Handlungsziel (hier: Bildung Er-wachsener) gekonnt in Beziehung zu setzen und dabei sowohl diebeteiligten individuellen Interessen als auch daran bestehende gesell-schaftliche Interessen zu relationieren, um so eine spezifische Hand-lungsqualität hervorzubringen.

Das Verhältnis von wissenschaftlichem und beruflichem Wissen undKönnen in ihrem beruflichen Handeln beschreiben die meisten Inter-view-Partner/innen als ein mehr oder weniger ausgeprägtes Ergänzungs-Verhältnis, wobei das wissenschaftliche Wissen und Können neben In-formations-, Erklärungs-, Orientierungs- und Reflexionsfunktionen aucherhebliche Legitimations- und Statusfunktionen zu haben scheint. Füreinen Interview-Partner sind wissenschaftliches und berufliches Wissenund Können weitgehend unverbunden, eine andere Person sieht sie inzunehmendem Kontrast zueinander.

Von den am häufigsten genannten Quellen des eingesetzten Wissensund Könnens, wissenschaftliche Ausbildung und berufliche Praxis, stelltfür die Hälfte der Interview-Partner die berufliche Praxis die wichtigsteQuelle dar. Für die knappe andere Hälfte haben Studium und Berufspra-

8. Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur EB-Professionalität

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xis etwa die gleiche Bedeutung, während nur einer der Befragten demStudium als Quelle des beruflich eingesetzten Wissens und Könnenshöheres Gewicht beimisst. Die Bedeutung der beruflichen Praxis alsQuelle des eingesetzten Wissens und Könnens erstaunt angesichts desquantitativen Anteils, den berufliches Wissen daran hat (wissenschaftli-ches wurde doppelt so häufig, allgemeines dreimal so häufig genannt).Allerdings wird die Funktion des beruflichen Wissens und Könnens, dasoffenbar vor allem in der Berufspraxis erworben wurde, hoch bewertet.

Auch wenn angenommen werden muss, dass das einst im Studium er-worbene Wissen und Können nach einiger Zeit als solches nicht mehrganz trennscharf von anderswo erworbenem Wissen und Können un-terschieden werden kann oder nicht mehr völlig bewusst ist und so anBedeutung verliert, so erscheint dennoch der hohe Stellenwert von be-ruflicher Praxis als Qualifizierungs- und Kompetenzvermittlungs-Faktorunter professionstheoretischen Gesichtspunkten insofern als problema-tisch, weil damit der Wert einer berufsvorbereitenden wissenschaftli-chen Ausbildung erheblich relativiert wird, in der ja neben wissenschaft-lichem auch berufliches Wissen und Können vermittelt und angeeignetwerden könnte. Die „by doing“ in der Berufspraxis angeeigneten Fä-higkeiten, wie beschrieben zumeist auf der vergleichsweise niedrigenStufe des Nachahmungs-Lernens erworben, sind nicht nur einer ande-ren Logik verpflichtet als berufsvorbereitendes Lernen an der Hoch-schule, sie weisen notgedrungen auch einen geringeren Grad an Be-wusstheit, Systematik und Reflexivität auf. Unter professions-ethischenGesichtspunkten stellt eine solche Qualifikations- und Kompetenzer-werbs-Struktur für die davon betroffene Klientel wie zugleich für dieGesellschaft ein Qualitäts-Risiko dar, insbesondere dann, wenn wie imFalle organisierter Erwachsenenbildung dieser Struktur nicht durch eineBerufskultur entgegengesteuert wird, oder diese zumindest kritisch be-gleitet wird.

Die z. T. herbe Kritik der Befragten an ihrer Ausbildung im erziehungs-wissenschaftlichen Diplomstudiengang mit dem Schwerpunkt Erwach-senenbildung/Weiterbildung deutet auch unter professionstheoretischenGesichtspunkten auf erhebliche Mängel dieser Ausbildung hin, zugleichaber auch auf die Erzeugung von uneinlösbaren Erwartungshaltungen;die Charakteristika professionellen erwachsenenbildnerischen Bildungs-handelns werden offenbar während der wissenschaftlichen Ausbildung

Empirische Untersuchung

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kaum jemandem deutlich. Die Vorbereitung auf professionelles erwach-senenbildnerisches Handeln während der wissenschaftlichen Ausbildungschien eher die Ausnahme als die Regel zu sein und dort am ehestengelungen zu sein, wo Praxiserfahrungen, praktische Fälle und Handlungs-situationen Gegenstand der Ausbildung waren. Ein unklares Berufsbildund vielfältige, mit keiner Berufskultur kommunikativ hergestellte, z. T.widersprüchliche Vorstellungen von beruflichen Anforderungen an Di-plom-Pädagog/inn/en mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung/Wei-terbildung und dafür durch die wissenschaftliche Ausbildung zu erbrin-gende Leistungen führen offenbar zu einer sehr heterogen Qualifikati-ons- und Kompetenzstruktur und ebensolchen Bewertung.

Über ein Verständnis von professionellem Handeln und von Erwachse-nenbildungs-Professionalität, das professionstheoretischen Kriterien an-nähernd genügte, verfügt keine/r der Interview-Partner/innen. Acht vonzehn halten ihre eigene Berufsarbeit mit recht unterschiedlichen Begrün-dungen für professionell. Die beiden, die ihre Arbeit nicht für professio-nell halten, begründen dies damit, nicht hinreichend theoretisch begrün-det bzw. nicht hinreichend kompetent zu arbeiten. Die verwendetenKriterien für professionelles Handeln lassen sich nahezu ausnahmslosunter „gekonnte Beruflichkeit“ (E. Nuissl) rubrizieren, die sich von de-nen in unserer Gesellschaft üblicherweise für qualifizierte Ausbildungs-berufe verwendeten kaum unterscheiden: Spezifische Berufsausbildung/-vorbereitung, Verfügung über Wissen und Können, Bezahlung, Arbeits-vertrag, planvolles/systematisches/kontinuierliches/qualitätvolles/verant-wortungsbewusstes/(dienst-)leistungsorientiertes Arbeiten, Fortbildungs-bereitschaft und Fortbildung. Dass diese „Selbstverständlichkeiten“ fürqualifizierte Berufsarbeit von den Befragten mit professionellem Han-deln assoziiert werden, muss m. E. im Zusammenhang mit der histori-schen Entwicklung von Erwachsenenbildung als beruflicher Tätigkeit undderen aktueller Situation interpretiert werden.

Von einer Sicht der Erwachsenenbildung als Profession im professions-theoretischen Sinne eines besonderen Berufes, der sich signifikant undbegründbar von anderen Berufen und Professionen unterscheidet, sinddie Interview-Partner mehr oder weniger weit entfernt. Die Vorstellun-gen von Professionalität, soweit solche genannt wurden, sind kaum aufdie Qualität spezifisch erwachsenenbildnerischen Handelns bezogen,sondern eher allgemein gehalten. Ein solches Handeln wird mit Adver-

8. Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur EB-Professionalität

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ben wie „virtuos“, „situationsbezogen“, „prozessorientiert“, „reflexiv“,„rollenbewusst“ oder „funktionsbewusst“ assoziiert.

Die durch Berufserfahrung bewirkten Veränderungen des Berufsverständ-nisses werden von den Interview-Partner/nne/n als wenig dramatisch undausnahmslos positiv eingeschätzt. Im Vergleich zum Berufsbeginn ver-änderte Berufsvorstellungen finden Ausdruck in der Reduktion, aber auchin der Erhöhung und Veränderung von Ansprüchen, in der Neu-Bewer-tung von Arbeitsfeldern und arbeitsrechtlichen Status-Wünschen sowiein der veränderten Auffassung über die Aufgabe und gesellschaftlicheFunktion von Erwachsenenbildung/Weiterbildung und der Rolle von Er-wachsenenbildner/inne/n und Teilnehmenden. Die Korrekturen schei-nen in erster Linie das Ergebnis pragmatischer Anpassungs-Prozesse zusein, in einigen Fällen jedoch offenbar auch weiterreichender Reflexio-nen beruflichen Handelns; auch die Beibehaltung des ins Berufslebenmitgebrachten Berufsverständnisses, wie in einem Fall, scheint Ergebnisintensiver beruflicher Reflexion zu sein.

Dass in der Erwachsenenbildung professionell gearbeitet wird, meinenausdrücklich nur zwei der zehn Interview-Partner/innen; drei vernei-nen dies, und die übrigen tendieren eher zu einer negativen als zueiner positiven Beurteilung. Wie bei der Frage danach, ob sie selbstprofessionell arbeiten, verwenden die Interview-Partner/innen auch hierKriterien, die üblicherweise für qualifizierte Ausbildungsberufe gelten.Darüber hinaus werden jedoch auch solche genannt, die in die Rich-tung professionellen Handelns weisen, wie die Verfügung über qualita-tive Handlungs-Standards, das Wissen über den Charakter des eigenenberuflichen Handelns, Orientierung an einer Vorstellung von Professio-nalität, Fähigkeit zur überzeugenden Darstellung vom Wert des eige-nen beruflichen Handelns, Bewusstsein davon, eine auf Menschen be-zogene Tätigkeit auszuüben und die Verfügung über eine Dienst-Ge-sinnung.

Mit der Erweiterung der Blickrichtung auf die Erwachsenenbildung alsGanzer ergibt sich somit ein widersprüchliches Bild: Während außerzweien alle Befragten ihre eigene berufliche Arbeiten für professionellhalten, sind umgekehrt nur zwei der Ansicht, dass in der Erwachse-nenbildung insgesamt professionell gearbeitet wird. Zwar werden fürdie Charakterisierung des eigenen Handelns als professionelles ge-

Empirische Untersuchung

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wichtige strukturelle Gründe genannt, im wesentlichen jedoch wirdprofessionelles Handeln ursächlich auf individuelle Faktoren zurück-geführt.

Einer Organisation beruflicher Interessen von Erwachsenenbildner/in-ne/n stehen die Interview-Partner/innen gemäßigt positiv gegenüber: wäh-rend drei darin keinen Sinn erkennen können, halten fünf eine solcheOrganisation für sinnvoll; zwei sind skeptisch, aber nicht ablehnend. DieBefürworter und selbst die Skeptiker nennen jedoch eine beachtliche Reiheberufsqualifizierender, berufspolitischer und bildungspolitischer Gründeund Aufgaben für einen beruflichen Interessenverband von Erwachsenen-bildner/inne/n, die zugleich auf erhebliche ungelöste Probleme undschwerwiegende Defizite in deren aktueller beruflicher Situation verwei-sen.

Fazit: Ziel dieser Untersuchung war es, eine erste empirische Annähe-rung an die Erforschung der Qualität erwachsenenbildnerischen Berufs-handelns zu leisten und Hinweise auf vorhandene Erwachsenenbildungs-Professionalität und damit zugleich auf eine qualitative Professionalisie-rung der Erwachsenenbildung zu gewinnen. Hierzu kann festgehaltenwerden:

Das berufliche Handeln der Befragten scheint nach professionstheoreti-schen Kriterien eher kein professionelles zu sein; die einen verfolgeneher organisationsbezogene Expertentätigkeiten, insofern sie überwie-gend Management-Tätigkeiten ausüben, die nicht als professionelleTätigkeiten gelten können; die anderen – die meisten – sind mit Misch-Tätigkeiten befasst, die einerseits Management, andererseits personen-bezogenes didaktisches Handeln darstellen, das als potenziell professio-nelles Handeln gelten kann. Die Untersuchungsergebnisse lassen denSchluss zu, dass selbst das didaktische Handeln der Interview-Partner/innen die in dieser Studie entwickelten professions-theoretischen Krite-rien professionellen Erwachsenenbildungs-Handeln nicht erfüllt und esfür eine spezifische Erwachsenenbildungs-Professionalität, wie sie hiertheoretisch definiert wurde, kaum Hinweise gibt.

Das eingesetzte Wissen und Können und das Berufsbewusstsein der In-terview-Partner/innen erlauben auf Grund der Untersuchungsergebnisseanscheinend kaum professionelles Erwachsenenbildungs-Handeln und

8. Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur EB-Professionalität

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die Hervorbringung einer spezifischen erwachsenenbildnerischen Hand-lungsqualität.

Insgesamt scheinen die Ergebnisse dieser Untersuchung zur Erwachse-nenbildungs-Professionalität die Ausgangs-Hypothese von der kaum ent-wickelten Erwachsenenbildungs-Professionalität eher zu bestätigen alszu widerlegen: Die Einschätzungen Tietgens‘ aus den 1980er Jahren undHarneys aus diesem Jahrzehnt, die Professionalisierung und damit auchdie Entwicklung von Professionalität in der Erwachsenenbildung sei nichtgelungen, wird damit auch empirisch gestützt.

Empirische Untersuchung

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Person Name

Alter

Schulbildung

Ausbildung (Berufsausbildung, Studium, Studienschwerpunkte)

Zusatzqualifikation(en)

Fortbildung (Lesen von Fachliteratur; Teilnahme an Veranstaltun-gen, Supervision)

Berufserfahrung (bisherige haupt-, neben- und/oder freiberufli-che Beschäftigungen, Praktika)

Derzeitige berufliche Tätigkeit als (Berufsbezeichnung)

Arbeitsrechtlicher Status (angestellt, beamtet, selbständig)

Arbeitgeber/Auftraggeber

Berufstätigkeit Arbeitsaufgabe(n)/Zuständigkeit(en) laut Arbeits-/Honorarver-trag, Stellenbeschreibung etc. (evtl. schriftliches Material beifü-gen)

Hauptsächlich ausgeübte berufliche Tätigkeiten während derletzten drei Monate (Rangfolge bilden und mit ungefähren Pro-zentanteilen gewichten, z. B. mit Hilfe des Terminkalenders)

Arbeitszeiten während der letzten drei Monate(ungefährer Um-fang, regelmäßig/unregelmäßig; Abende/Wochenenden, selbst-bestimmt/fremdbestimmt)

Kurzbeschreibung einer oder mehrerer typischen beruflichenHandlungssituation(en) aus den letzten drei Monaten (evtl. Rück-seite oder Extrablatt)

Typische Probleme oder Konflikte im Arbeitsalltag

Anhang 1:

Fragebogen zu Person und Berufstätigkeit von Erwachsenenbildner/inne/n

Anhang

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Anhang 2:

Interviewleitfaden

1. Berufliche Tätigkeiten

1.1)Sie haben als hauptsächliche berufliche Tätigkeiten bei der Beantwortung des Frage-bogens genannt:[...]Würden Sie bitte diese Tätigkeiten in ihrem Ablauf noch etwas ausführlicherbeschreiben und erläutern?

1.2)Die meiste Zeit Ihrer Berufsarbeit wird offenbar von folgenden Tätigkeiten inAnspruch genommen:[...]Sind diese Tätigkeiten für Sie auch zugleich die qualitativ anspruchvollsten?

1.3)Wie schätzen Sie Ihre beruflichen Handlungsspielräume und Entscheidungs-befugnisse ein? (Wovon sind sie abhängig? Einschränkungen?)

1.4)Welche berufliche Tätigkeit halten Sie – unabhängig von Ihrem eigenenTätigkeitsprofil – für die zentrale bzw. „eigentliche“ Arbeit einesErwachsenenbildners?

1.5)• Wie würden Sie selbst die Art/den Charakter Ihrer soeben beschriebenen

beruflichen Tätigkeiten definieren?• Gibt es Überschneidungen mit anderen Arten von sozialer oder pädagogischer

Berufstätigkeit wie Sozialarbeit oder Therapie?• Welche Bedeutung hat in Ihrer Arbeit die zu beobachtende Durchsetzung von

marktwirtschaftlichen Kriterien, Kosten-Nutzen-Denken etc.?• Was sind sogenannte „critical incidents“ (herausragende,besondere’ Ereignisse,

Konflikte) positiver oder negativer Art in Ihrer Berufstätigkeit?

1.6)• Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Sie selbst mit Ihrer Arbeit

zufrieden sind?• Inwieweit stimmen Ihre Maßstäbe/Gütekriterien für Ihre Berufsarbeit mit denen

Ihres Arbeit-/Auftraggebers einerseits und ggfs. Ihrer Adressaten andererseitsüberein?

Anhang

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1.7)• Für was oder wem gegenüber fühlen Sie sich in Ihrer Berufsarbeit verantwortlich?• Orientieren Sie sich bei Ihrer Arbeit an bestimmten Zielvorstellungen, Grundsätzen

oder Leitbildern?

1.8)• Mit wem tauschen Sie sich über Ihre berufliche Tätigkeit aus?• Gibt es eine systematische Supervision und/oder Evaluation Ihrer beruflichen

Arbeit?

2. Berufliches Wissen und Können

2.1)Bitte denken Sie an die von Ihnen geschilderte typische beruflicheHandlungssituation:[...]Welche Arten von Wissen einerseits und Können andererseits setzen Sie dafür ein?

2.2)Bleiben wir zunächst bei dem Wissen: Welche Art/Sorte von Wissen halten Sie fürIhre Arbeit für besonders wichtig bzw. welche Funktion muss das von Ihnenverwendete Wissen für Ihre Arbeit erfüllen (z. B. systematisches Theoriewissen,Utopien/Visionen, empirisches Wissen/Forschungsergebnisse, Erfahrungswisseneigene/fremde Rezepte, Techniken, Anleitungen)?

2.3)Wenn Sie an Ihre Kolleginnen und Kollegen bzw. andere Erwachsenenbildner denken:Über welche Art/Sorte von Wissen verfügen Sie bzw. welche halten Sie für besonderswichtig?

2.4)Sind für die beruflichen Tätigkeiten von Erwachsenenbildnern – unabhängig von demWissen, das Sie für Ihre Arbeit einsetzen – spezifische Arten von Wissen generellnotwendig oder doch wünschenswert?

2.5)Nun noch einmal zum Können: Welche Art des von Ihnen genannten Könnens bzw.der von Ihnen eingesetzten Handlungskompetenz[...]erscheint Ihnen für Ihre Arbeit besonders wichtig?

2.6)Gibt es Ihrer Ansicht nach Arten des Könnens/der Handlungskompetenz, die Ihnen fürErwachsenenbildungsarbeit – unabhängig von Ihrer eigenen – als besonders zentralerscheinen?

Anhang

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2.7)• Woher stammt das von Ihnen bei Ihrer Arbeit hauptsächlich eingesetzte Wissen

und Können?• Hat Ihr Studium Sie hinreichend auf Ihre Berufstätigkeit in der

Erwachsenenbildung vorbereitet?

2.8)Wie verhält sich das von Ihnen erworbene wissenschaftliche Wissen und Können zudem von Ihnen in der beruflichen Praxis erworbenen Wissen und Können (ergänzend,kontrastierend)?

2.9)Wie sehen Sie Ihre berufliche Funktion und Rolle (pädagogische Dienstleistung,Bildungsmanagement, Bildungsunternehmer/in)?

2.10)Halten Sie einen Zusammmenschluss der als Erwachsenenbildner/innenbeschäftigten Berufstätigen – etwa in einem Berufsverband – für sinnvoll?Aus welchen Gründen?

2.11)Würden Sie Ihre eigene Berufstätigkeit als professionell bezeichnen?Wenn ja: Begründung! Wenn nein: Defizite!

2.12)Lassen sich professionelle Ansprüche bei der Berufsarbeit von Erwachsenenbildner/inne/n leicht, schwer oder gar nicht realisieren?

2.13)Haben sich Ihre Vorstellungen von bzw. Ihre Ansprüche an Berufsarbeit in derErwachsenenbildung im Laufe Ihrer Berufstätigkeit verändert? Wenn ja: wie undwodurch?

Anhang

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Autorin

Dr. Roswitha Peters ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universi-tät Bremen im Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften,Lehrgebiet Erwachsenenbildung/Weiterbildung, und im Institut für Er-wachsenen-Bildungsforschung (IfEB).Zunächst Ausbildung zum „Kaufmann im Groß- und Außenhandel“;mehrjährige Berufstätigkeit in diesem Beruf. Dann drei Jahre hauptberuf-liche Funktionärin der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ) im Bistum Trier.Studium an der Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) in Hamburgmit dem Hauptfach Soziologie. Diplomstudium Erziehungswissenschaft,Schwerpunkt Erwachsenenbildung an der Pädagogischen HochschuleHannover (jetzt Universität Hannover). Teamerin in der gewerkschaftli-chen und der gewerkschaftsnahen Erwachsenenbildung in Niedersach-sen.Mehrjährige Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Landesamtfür Weiterbildung in Bremen, zuständig für die erwachsenenpädagogi-sche Weiterbildung der neben- und freiberuflichen pädagogischen Mit-arbeiter/innen der gesetzlich anerkannten Weiterbildungseinrichtungenim Lande Bremen.