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Theologischer Dialog mit der Rumänischen Orthodoxen Kirche

Die Apostolizität der Kirche || Heiligkeit und Heiligung

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Beihefte zur Ökumenischen Rundschau Nr. 97

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Theologischer Dialog mit derRumänischen Orthodoxen Kirche

Die Apostolizität der Kirche

12. Begegnung im bilateralen Theologischen Dialog zwischen der Rumänischen Orthodoxen Kirche und der

Evangelischen Kirche in Deutschland (Goslar XII)

Heiligkeit und Heiligung

13. Begegnung im bilateralen Theologischen Dialog zwischen der Rumänischen Orthodoxen Kirche und der

Evangelischen Kirche in Deutschland (Goslar XIII)

Herausgegeben von Martin Schindehütte und Martin Illert

EVANGELISCHE VERLAGSANSTALTLeipzig

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Bibliographische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Datensind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2014 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · LeipzigPrinted in Germany · H 7720

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherungund Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt.

Cover: Kai-Michael Gustmann, LeipzigSatz: Steffi Glauche, LeipzigDruck und Binden: Hubert & Co., Göttingen

ISBN 978-3-374-03780-3www.eva-leipzig.de

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Vorwort

Der vorliegende Band dokumentiert die zwölfte und die dreizehnte Be-gegnung im bilateralen Theologischen Dialog zwischen der EvangelischenKirche in Deutschland und der Rumänischen Orthodoxen Kirche. Vom11. bis zum 15. März 2010 trafen sich die Delegationen beider Kirchenzur zwölften Dialogbegegnung (»Goslar XII«) im Kloster Sambata de Sus(Rumänien), um das Thema »Apostolizität der Kirche« zu behandeln. Vom13. bis zum 17. März 2013 fand das 13. Dialogtreffen (»Goslar XIII«) imKloster Drübeck (Sachsen-Anhalt/Deutschland) zum Thema »Heiligkeitund Heiligung« statt. Beide Begegnungen vervollständigen die 2002 inCluj-Napoka (Rumänien) begonnene und 2006 in Eisenach (Thüringen/Deutschland) fortgesetzte Behandlung der Ekklesiologie anhand der Attri-bute, die das von beiden Kirchen gemeinsam bekannte Glaubensbe -kenntnis von Nizäa-Konstantinopel der »una sancta catholica et apostolicaecclesia«, der einen, heiligen, katholischen (Martin Luther übersetzt:›christ lichen‹) und apostolischen Kirche«, zuspricht.

Seit 1979 ist der Dialog zwischen EKD und Rumänischer OrthodoxerKirche ein Ort bilateraler theologischer Verständigung, an dem die akade-misch-theologische Reflexion auch nach ihrem Nutzen für die beiden Kirchen befragt wird. Entsprechend widmeten sich die exegetischen, sys-tematisch-theologischen, kirchengeschichtlichen und praktisch-theologi-schen Referate der letzten Begegnung verstärkt dem ethischen Aspekt derHeiligkeit und Heiligung. Wir haben festgestellt, wie stark bereits in denLehraussagen selbst der Gedanke angelegt ist, dass die Verständigung überFragen der Theologie nicht zu trennen ist von der Frage nach der Aufgabeder Kirchen bei der Gestaltung ihrer sozialen und politischen Lebenswirk-lichkeiten. Ganz in diesem Sinne bekundeten beide Seiten im Abschluss-kommuniqué der Begegnung von 2013, dass sich Heiligkeit und Heiligungnicht allein im geistlichen Wachstum der Gläubigen zeigten, sondernebenso in der tätigen Hinwendung der Christen zu ihren Nächsten.

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Das biblische Zeugnis und das gemeinsame Glaubensbekenntnis bildendie Grundlagen der Verständigung zwischen unseren Kirchen und für un-sere Verantwortung im zusammenwachsenden Europa. Dass unsere Ver-ständigung zugleich Bestandteil eines innereuropäischen Diskurses ist, derin einem ersten Schritt wertschätzend danach fragt, welche Mentalitäten,Traditionen und Strukturen einander begegnen, um sich dann auf die ge-meinsame Suche nach den leitenden und zukunftsträchtigen Werten undNormen für einen geeinten Kontinent zu begeben, verdeutlichte eindrück-lich der Festgottesdienst zum vierzigjährigen Jubiläum der LeuenbergerKonkordie, den beide Delegationen zum Abschluss der Begegnung be-suchten. Mit dem Gedanken der versöhnten Verschiedenheit thematisier-ten der Gottesdienst und der anschließende Vortrag des Bundesministersa. D. Dr. Frank-Walter Steinmeier ein Schlüsselmotiv der Verständigung imvereinten Europa. Dass die kirchliche Friedensverantwortung wichtige po-litische Potenziale besitzt, wissen die Teilnehmer der rumänischen Dele-gation bereits aus der langen Geschichte interkonfessioneller Verständi-gung in ihrem Land. Zugleich machte die Feierstunde aber auch deutlich,wie wichtig das geschwisterliche Gespräch zwischen unseren Kirchen ge-rade angesichts neuer ethischer, sozialer und demographischer Herausfor-derungen in Europa ist und bleibt.

Bischof Martin Schindehütte

Leiter der Hauptabteilung Ökumene und Auslandsarbeit im Kirchenamt der EKD

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Inhalt

DIE APOSTOLIZITÄT DER KIRCHE

12. Begegnung im bilateralen Theologischen Dialog zwischen der Rumänischen Orthodoxen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland (Goslar XII)

Kommuniqué der 12. Begegnung im bilateralen Theologischen Dialog zwischen der Rumänischen Orthodoxen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland (Goslar XII) . . . . . . . . . 13

Biblische Besinnung zu Jakobus 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21Karl-Wilhelm Niebuhr

Dialog als ekklesiales Band und geistliches EreignisDreißig Jahre Dialog zwischen der Rumänischen Orthodoxen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland . . . . . . . . . . . . . 25Reinhard Thöle

Eine kurze Auswertung des Theologischen Dialogs aus der Sicht der Rumänischen Orthodoxen Kirche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32Daniel Benga

Die Apostolizität der Kirche aus der Sicht der Rumänischen Orthodoxen Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43Viorel Ioniţă

Die Apostolizität der Kirche aus reformatorischer Perspektive. . . . . . . 65Michael Weinrich

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Das Zeugnis der Evangelischen Kirche in Deutschland imheutigen Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83Bischof Martin Schindehütte

Das Zeugnis der Rumänischen Orthodoxen Kirche imheutigen Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96Nicolae Dura

HEILIGKEIT UND HEILIGUNG

13. Begegnung im bilateralen Theologischen Dialog zwischen der Rumänischen Orthodoxen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland (Goslar XIII)

Kommuniqué der 13. Begegnung im bilateralen Theologischen Dialog zwischen der Rumänischen Orthodoxen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland (Goslar XIII) . . . . . . . . . . . 125

Grußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135Metropolit Serafim

Heiligung im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141Cosmin Pricop

Die biblische Begründung von Heiligkeit und Heiligung im Alten Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153Mircea Basarab

Heiligkeit und Heiligung im Rahmen der paulinischen Theologie . . . 164Karl-Wilhelm Niebuhr

Die Biblische Begründung der Heiligkeit und Heiligung – eine neutestamentliche Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183Stelian Tofana

Heilige in der Frühkirche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204Daniel Benga

Die Verehrung der Heiligen Kaiser Konstantin und Helena . . . . . . . . 213Viorel Ioniţă

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Das Jahr 2013 als Gedächtnisjahr der Heiligen Kaiser Konstantinund Helena sowie als Gedächtnisjahr des Vaters Dumitru Stăniloae. . 219Constantin Pătuleanu

Artikel: Stăniloae, Dumitru . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220Viorel Ioniţă

Heiligkeit und Heiligung in der nachnizänischen Alten KircheBeobachtungen aus evangelischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224Martin Illert

Evangelischer Heiligendienst nach CA XXI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234Gunther Wenz

Die Heiligkeit in der orthodoxen Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244Ioan Tulcan

Heiligkeit und Heilige in der Rumänisch-Orthodoxen Kirche . . . . . . 257Ioan Vicovan

»Entsprechend handeln«Das dreifache Amt Jesu Christi als Bezugspunkt christlicher Ethik bei Fragen am Lebensende. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273Thorsten Jacobi

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DIE APOSTOLIZITÄT DER KIRCHE

12. Begegnung im bilateralen Theologischen Dialog zwischen der Rumänischen Orthodoxen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland (Goslar XII)

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Kommuniqué der 12. Begegnung im bilateralenTheologischen Dialog zwischen der Rumänischen Orthodoxen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland (Goslar XII)

I.

Vom 11. bis 15. März 2010 fand das 12. Gespräch im bilateralen Theologi-schen Dialog zwischen der Rumänischen Orthodoxen Kirche und der Evan-gelischen Kirche in Deutschland (Goslar XII) statt. Hierzu hatte Seine Se-ligkeit Patriarch Daniel der Rumänischen Orthodoxen Kirche in das KlosterBrancoveanu von Sambata de Sus eingeladen.

An dem Gespräch nahmen folgende Personen teil:

Rumänische Orthodoxe Kirche

S. E. Metropolit Dr. Serafim Joantă von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa, DelegationsleiterPriester Prof. Dr. Viorel IoniţăPriester Prof. Dr. Mircea BasarabPriester Prof. Dr. Nicolae DuraPriester Prof. Dr. Valer BelPriester Prof. Dr. Ioan TulcanPriester Prof. Dr. Constantin PătuleanuPriester Conf. Dr. Daniel BengaConf. Dr. Paul BrusanowskiAsist. Dr. Vasile Adrian Carabă

Evangelische Kirche in Deutschland

S. E. Bischof Martin Schindehütte, Leiter der Ökumene- und Auslandsarbeit der EKD, DelegationsleiterPfarrerin OKRin Dine FechtPfarrerin Katharina Kenter-TönsPfarrer Prof. Dr. Karl-Wilhelm Niebuhr

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Pfarrerin Andrea SchweizerPfarrer Johannes ToaspernProf. Dr. Dr. h.c. Michael WeinrichPfarrer OKR Dr. Johann Schneider, GeschäftsführerPfarrer Prof. Dr. Reinhard Thöle, Berater

als Beobachter

Stadtpfarrer Dr. Daniel Zikeli, Evang. Kirche A.B. in Rumänien(11.–13. 3. 2010)Pfarrer Dr. Istvan Pasztori-Kupan, Reformierte Kirche inSiebenbürgen/Rumänien (12. 3. 2010)

als Gäste

Pfarrer Professor Dr. Stefan Tobler, Institut für Ökumenische Forschung, Sibiu/HermannstadtPfarrer Prof. em. Dr. Hermann Pitters, Evang. Kirche A.B. in Rumänien(12. 3. 2010)

II.

Die 12. Begegnung im bilateralen Dialog zwischen der Rumänischen Or-thodoxen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland stand – inFortführung der Gespräche während der 11. Begegnung über »Die Öku-menischen Konzilien und die Katholizität der Kirche« – unter dem Thema:»Die Apostolizität der Kirche und ihr Zeugnis im heutigen Europa«.

Folgende Referate wurden gehalten:

Prof. Dr. Reinhard Thöle Dialog als »ekklesiales Band« und»geistliches Ereignis«

Conf. Dr. Daniel Benga Eine kurze Auswertung des theologi-schen Dialogs aus der Sicht der Rumä-nischen Orthodoxen Kirche

Prof. Dr. Michael Weinrich Die Apostolizität der Kirche aus refor-matorischer Sicht

Prof. Dr. Viorel Ioniţă Die Apostolizität der Kirche aus derSicht der Rumänischen OrthodoxenKirche

Prof. Dr. Karl-Wilhelm Niebuhr Biblische Besinnung zu Jakobus 1

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Bischof Martin Schindehütte Das Zeugnis der Evangelischen Kirchein Deutschland im heutigen Europa

Prof. Dr. Nicolae Dura Das Zeugnis der Rumänischen Orthodo-xen Kirche im heutigen Europa

In seinem Rückblick auf die 30-jährige Geschichte hob Reinhard Thölehervor, dass in den Zeiten großer politischer Umbrüche der Dialog zueiner treuen Weggemeinschaft geworden ist. Der Dialog steht in der Tra-dition prägender und bedeutender Persönlichkeiten unserer Kirchen, vondenen besonderes der Entschlafenen zu gedenken ist. Zu den Besonder-heiten des Dialogs gehört, dass er sich selbst neben der theologischen Ar-beit geistlich definiert hat und sich als »ekklesiales Band« und als »geistli-ches Ereignis« verstehen kann, die unsere Kirchen verbinden.

Daniel Benga hat in seiner Auswertung die wichtigsten Ergebnisseund Probleme in Hinblick auf die vier behandelten theologischen Haupt-themen (das Verhältnis zwischen Schrift und Tradition, die Sakramente,die Christologie und die Ekklesiologie) des bisherigen Dialogs systematischdargestellt. Man kann in diesen theologischen Bereichen wichtige Über-einstimmungen, aber auch Divergenzen und offene Fragen entdecken. Dieweiteren Fragestellungen müssen sich auf die Klarheit und die konkreteund praktische Relevanz und Anwendbarkeit der gemeinsamen im Dialogformulierten Thesen beziehen, um neue Schritte in Richtung der Annähe-rung zu machen. Trotz der noch bestehenden theologischen Unterschiedehat der Dialog der Rumänischen Orthodoxen Kirche mit der EvangelischenKirche in Deutschland wichtige Früchte erbracht: ein gewachsenes ge-genseitiges Vertrauen, ein besseres gegenseitiges Kennenlernen der Theo-logie und des kirchlichen Lebens, Partnerschaften zwischen Diözesen un-serer Kirchen im Bereich der Diakonie, die Dialoge und Begegnungen vonStudierenden aus unseren Kirchen (Der Junge Dialog) und einen Austauschvon Stipendiaten und Theologieprofessoren.

Michael Weinrich unterstrich, dass mit den altkirchlichen Bekennt-nissen die Apo stolizität zum biblisch begründeten Kernbestand der refor-matorischen Theologie gehört. Sie steht für die Verbindung der Kirche zuihrem geschichtlichen und inhaltlichen Ursprung. Die göttliche Erwählungder Kirche wird wirksam durch die Apostel als die direkten Zeugen desAuferstandenen. Deshalb kommt ihnen eine unvergleichlich herausge -hobene Bedeutung zu. Der pneumatologische Aspekt der Apostolizitätwird in der reformatorischen Tradition insbesondere in der Schriftherme-neutik gewürdigt. Durch den Geist legt die Schrift den in sich verschlos-senen Menschen aus, der erst als ein von der Schrift Ausgelegter zu einemAusleger der Schrift wird. Die Verbindung von Geist und Schrift prägt das

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reformatorische Verständnis der Apostolizität. Der Aspekt der Kontinuitätder Kirche hat seinen Fokus auf der Kontinuität der rechten Verkündigungder apostolischen Botschaft, die in der Übermittlung der göttlichen Lehrebesteht. Alles andere folgt aus dieser Lehre. Die Kirche muss sich immerwieder neu an dieser Lehre orientieren. Es geht um die biblische Ausrich-tung auf Christus, der eine ökumenische Bedeutung zukommt.

Viorel Ioniţă führte aus, dass die Apostolizität der Kirche als eine dervier zusammenhängenden Wesensmerkmale der Kirche auf den besonde-ren Auftrag der Apostel zurückgeht. Die Apostel wurden als »Grund« derKirche nur in direkter Beziehung mit Christus und nie getrennt bezeich-net, weil Christus selbst der eigentliche Grund ist; die Apostel sind derGrund, sofern sie Christus tragen. Sie waren die ersten, die den HeiligenGeist empfangen hatten. Das Pfingstereignis bestätigte die Apostel in ihremeinmaligen Apostolat, verantwortlich dafür Sorge zu tragen, dass die Ver-kündigung und die Geistvermittlung im Sinne Christi an Bischöfe übertra-gen wird, durch die die rettende Gnade an alle Gläubigen bis zum Endeder Zeit weitergegeben werden soll. Die Apostolizität der Kirche verbindetihre Geschichte mit der Gegenwart. Sie hat auch eine eschatologische Di-mension in dem Sinne, dass die Kirche im Geiste der Apostel auf ihreVollendung, auf das Kommen des Reiches Gottes schaut. Die Apostolizitätder Kirche wird durch die Sukzession der apostolischen Lehre, wie auchdurch die apostolische Sukzession, das heißt durch die »Amtsgnade« be-gründet, wodurch der authentische Glauben an Jesus Christus von denAposteln durch die ununterbrochenen Reihen der Bischöfe bewahrt undbestätigt wird.

Beide Seiten gehen davon aus, dass Apostolizität eine Gabe ist, diedem ganzen Volk Gottes zuteilwurde und die den Dienstcharakter desganzen Gottesvolkes umfasst. Das Apostolische an der Kirche ist eine Artkontinuierliche Besinnung auf den Ursprung, zu verstehen als eine stän-dige Rückkehr zu der Wahrheit der Apostel. Die christologische Dimensionder Apostolizität besteht darin, dass die Apostel die erste Menschengrup-pe bildeten, die an Christus glaubte, von seiner Auferstehung Zeugnis ablegte und damit auf seine Gottheit hinwies. Nach dem Apostel Paulusist die Kirche »auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut, derSchlussstein ist Christus Jesus selbst« (Eph 2,20). Mit der Ausgießung des Heiligen Geistes und der damit verbundenen besonderen Wahrneh-mung Christi erfahren die Apostel eine besondere Legitimation. Aposto -lizität ist kein scholastisches Formalprinzip, sondern gehört zum Offen -barungs geschehen. Die Zwölfzahl der Apostel hat ihren geschichtlichenGrund in der Begegnung der Apostel mit dem menschgewordenen SohnGottes und steht zeichenhaft für die endzeitliche Wiederherstellung des

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Gottesvolkes Israel. Die zwölf Apostel waren dazu berufen, die Personund das Werk Christi zu vermitteln. Nach dem Neuen Testament stehensie in apostolischer Gemeinschaft mit den durch eine Begegnung mit demauferstandenen Christus berufenen Aposteln, insbesondere mit Paulus undJakobus, dem Bruder des Herrn (vgl. 1Kor 15,5–8; Gal 2,9). Ihr gemein -sames Zeugnis von Person und Werk Jesu Christi und von seiner Aufer -stehung bildet die Grundlage für das apostolische Zeugnis der Kirche. DieApostolizität besteht zum einen in der Sukzession des Dienstes und zumanderen in der Sukzession der Nachfolge Christi. So werden die Quellendes Ursprunges der Lehre überzeugend von Generation zu Generationweitergegeben, deren je besonderes Zeugnis als Schatz der Glaubenser-fahrung verstanden werden kann. Innerhalb des Gesamtzeugnisses desapostolischen Glaubens und der Gemeinschaft derer, die diesen Glaubenträgt, findet auch die Handauflegung zum geistlichen Dienst ihren beson-deren Ort.

In einer biblischen Besinnung legte Karl-Wilhelm Niebuhr das 1. Ka-pitel des Jakobusbriefes aus. Der Brief wendet sich an die »zwölf Stämmein der Diaspora« und bestärkt sie in ihrem Glauben angesichts von Versu-chungen und Bedrängnissen. Auch unsere Kirchen erfahren heute zuneh-mend solche Herausforderungen in politischen Systemen, die ihre Orga-nisationsformen und Werte nicht mehr aus der christlichen Traditionbeziehen, in Lebensformen und gesellschaftlichen Institutionen, die aufdie Selbstverwirklichung der Wünsche und Werte des Einzelnen ausge-richtet sind, in einer medialen Kultur, die von Schnelllebigkeit und Inno-vation bestimmt ist, stärker als von Tradition und Beständigkeit. Geradein solchen Herausforderungen eines Lebens in der Diaspora ist das apos-tolische Zeugnis unserer Kirchen gefragt. Wir können Gott als den Geberguter Gaben erfahren, der unsern Glauben prüft und stärkt und uns zumTun des Guten an den Bedürftigen auffordert.

In einer gemeinsamen Besinnung zum Bibeltext wurde die Diaspora-situation aufgegriffen, die für unsere Kirchen heute als Herausforderungerscheint. Davon sind rumänische Migrantinnen und Migranten in Europabesonders betroffen, aber auch deutsche Auslands gemeinden. Auch evan-gelische Christen in Deutschland ebenso wie orthodoxe Christen in Ru-mänien und die inzwischen sehr klein gewordene Evangelische KircheA. B. in Rumänien spüren zunehmend, dass die Prägekraft der Kirchenund der christlichen Tradition in der gegenwärtigen Gesellschaft nachlässt.In dieser Situation der »Zerstreuung« können unsere Kirchen aus demapostolischen Zeugnis des Jakobusbriefes Stärkung und Wegweisung er-fahren und werden so zu einem gemeinsamen Zeugnis im Europa des21. Jahrhunderts ermutigt.

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Martin Schindehütte betonte, dass die Apostolizität der Kirche in ihrergegenwärtigen Sendung in der Bezeugung des Evangeliums in Wort undTat ihrer Mitglieder und der Gemeinschaft als Ganzer zum Ausdruckkommt. Sie gewinnt ihre Gestalt in Gebet und Gottesdienst, in pastoralerund diakonischer Arbeit und in Beiträgen zum öffentlichen Diskurs überethische, soziale und politische Fragen.

Die Sendung der Kirche trifft in Europa auf ein neues Fragen nach derorientierenden Kraft von Religionen. Ihre Sendung steht im Kontext desBeitrages aller Religionen, deren innerer Sinn es ist, zu gelingendem undverantwortlichem Leben des Einzelnen und zu Versöhnung und Friedenaller beizutragen. Die Kirche muss Sprach- und Lebensformen ihres Glau-bens entwickeln, die Menschen verstehen, die in einer pluralen Weltleben und immer weniger von gemeinsamen verbindlichen Traditionenbestimmt sind.

Beiträge zum gesellschaftlichen und politischen ZusammenwachsenEuropas in versöhnter Verschiedenheit von Religion und Kultur; Eintretenfür die Grundrechte, insbesondere von Flüchtlingen und Migranten; Be-kämpfung der weltweiten Armut durch eine kohärente Entwicklungs -politik; Bewahrung der Schöpfung durch ökologisches und nachhaltigesWirtschaften; Eintreten für gerechte Teilhabe aller in den europäischenGesellschaften; Friedenszeugnis durch den entschiedenen Vorrang vonFormen ziviler Konfliktprävention, Konfliktbearbeitung und Versöhnungsind wichtige Felder des kirchlichen Zeugnisses für ein solidarisches,schöpfungs- und generationengerechtes Europa. Die spirituelle Dimensionder Kirche und ihre öffentliche Verantwortung bedingen einander.

Nicolae Dura stellte ausgehend vom Leben der Rumänischen Ortho-doxen Gemeinde in Wien fest, dass das Zeugnis im Sinne von »homologia«und »martyria« als christliche Lebensäußerungen in Wort und Tat der Ge-meinschaft mit Gott dient und den Auftrag Christi in der Welt erfüllt. DerOrt des Dialogs weist auf das beeindruckende rumänische Zeugnis derGlaubenstreue hin in der Person seines Stifters, des Märtyrers ConstantinBrancoveanu. So versteht sich die Rumänische Orthodoxe Kirche auchheute als dynamischer Bestandteil der europäischen Entwicklung und hatseit 500 Jahren besonders in Siebenbürgen die Erfahrung von fruchtbarerökumenischer Zusammenarbeit mit den evangelischen Kirchen. In derheutigen Entwicklung, die auch von einem Säkularisierungsprozess geprägtist, verwirklicht die Rumänische Orthodoxe Kirche mit folgenden Zeug-nissen ihren Auftrag: in erster Linie tragen die Gottesdienste dieses Be-mühen; zum anderen stellen die katechetischen Aktivitäten (Religionsun-terricht in der Schule und Gemeinde), die Kirchengebäude als Orte derBegegnung zwischen Gott und Menschen und den Menschen miteinander

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dar und machen dieses Zeugnis besonders sichtbar. In den konfessions-verbindenden Ehen können eindrückliche Erfahrung gemacht werden. In-terkonfessionelle Begegnungen (Projekte, Dialoge) fördern glaubwürdigdas christliche Zeugnis im zusammenwachsenden Europa.

Übereinstimmend wurde festgestellt: Obwohl in Europa die Grenzenzwischen den Mitgliedsländern gefallen sind, gibt es doch noch »nach in-nen Risse« und ein weiteres Zusammenwachsen der Menschen in Europasteht noch aus. In dieser Situation, in der die Politik schnell Wirklichkeitengeschaffen hat, haben die Kirchen die besondere Aufgabe, die Menschenauf ihrem Weg zueinander geistlich zu begleiten.

Die überall sinkende Prägekraft christlicher Traditionen bedeutet nichtautomatisch die Abnahme des religiösen Interesses der Menschen. Weildas Vertrauen auf den gemeinsamen Herrn unserer Kirchen Jesus Christusdas Handeln unserer Kirchen bestimmt, sind wir einerseits herausgefor-dert, manchen Auswirkungen dieser Situation entgegen zu treten, ande-rerseits können wir sie als Herausforderung und Chance verstehen. DieKirchen beteiligen sich an der gesellschaftlichen Debatte über Toleranzund Pluralismus, indem sie aus ihrem Auftrag heraus eigene normativeAkzente einbringen. Als wichtige und dringende Aufgabe in beiden Kir-chen wird die Rezeption der Dialogergebnisse betrachtet. Gemeinsamsollte überlegt werden, wie die Rezeption weiter gefördert werden kann.

III.

Am Sonntag, den 14. März 2010, nahmen die Mitglieder der Delegationenan der Feier der Göttlichen Liturgie in der Metropolitankathedrale in Si-biu/Hermannstadt unter der Leitung der Metropoliten Laurentiu von Sie-benbürgen und Serafim von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa teil.Dabei überbrachte Bischof Martin Schindehütte ein geistliches Grußwortseitens der Evangelischen Kirche in Deutschland. Am Nachmittag warendie Delegationen Gäste der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien undnahmen anschließend am evangelischen Abendgottesdienst in der Stadt-pfarrkirche teil. Da in diesem Jahr unsere Kirchen das Fest der Auf -erstehung am gleichen Tag feiern, konnten wir in dieser Zeit auch die be-sondere Prägung der Fasten- und Passionszeit gemeinsam erfahren.

Am Montag, den 15. März 2010, wurde die Delegationsleitung derEvangelischen Kirche in Deutschland von Seine Seligkeit Patriarch Danielder Rumänischen Orthodoxen Kirche in Bukarest empfangen.

Die Delegationen danken Seine Seligkeit Patriarch Daniel der Rumä-nischen Orthodoxen Kirche für die Einladung und der gastgebenden Me-

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tropolie von Siebenbürgen und dem Abt des Klosters Brancoveanu, VaterIlarion für die herzliche Gastfreundschaft und die organisatorischen Hilfe-stellungen.

Wir empfehlen unseren Kirchen die Fortsetzung dieses Dialogs undschlagen als Thema für die nächste Begegnung vor: »Die Kirche JesuChristi – Heiligkeit und Heiligung«.

S. E. Metropolit Dr. Serafim Joantă S. E. Bischof Martin Schindehüttevon Deutschland, Evangelische KircheZentral- und Nordeuropa in Deutschland

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Biblische Besinnung zu Jakobus 1Karl-Wilhelm Niebuhr

I.

Der Jakobusbrief ist ein apostolisches Zeugnis in unserer Bibel. Die Kirchender lutherischen Reformation haben vielleicht besonderen Anlass, ihn alsein solches apostolisches Zeugnis neu zu hören. Im Jakobusbrief verneh-men wir immerhin die Stimme des Herrenbruders, der in der Gemein-schaft der ersten Apostel stand und wirkte (vgl. Gal 1,19; 2,9), die Stimmeeines der engsten Verwandten Jesu, der freilich seinen »großen Bruder«erst von Ostern her erkannt und verstanden hat (vgl. 1Kor 15,7). Und sostellt er sich vor im Präskript seines Briefes als »Knecht/Sklave Gottesund des Herrn Jesus Christus«. Darin kann uns Jakobus zum Vorbild wer-den: Unser Zeugnis haben wir nicht von uns selbst, können wir uns nichtausdenken; es begegnet uns, tritt uns entgegen in dem auferstandenen Je-sus Christus persönlich. Wir können uns nur in seinen Dienst stellen, zuseinen »Sklaven« werden, so wie es Jakobus von sich selbst sagt (wer sagtdas schon gern mit Blick auf seinen Bruder!).

II.

Wir finden uns aber auch wieder in den Adressaten des Briefes: »zwölfStämme in der Diaspora«. Dieser Ausdruck ist so etwas wie eine kirchlicheSelbstbezeichnung, eine Kategorie, die vielleicht in ihrem ekklesiologi-schen Potential theologisch noch gar nicht ausgeschöpft ist. Die Kirche,das sind die zwölf Stämme in der Zerstreuung. So wie das biblische Israelgerade darin und nur darin seinen Zusammenhalt als Gottesvolk bewahrenkonnte, dass es sich auf die Erzväter, die zwölf Söhne Jakobs, zurückführte,zu einer Zeit als es diese zwölf Stämme geschichtlich schon längst nichtmehr gab. Die Wirklichkeit Israels als des einen von Gott erwählten und

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durch seine Geschichte bis zur Vollendung der Verheißungen geführtenVolkes ist ja ganz und gar zum Glaubensgut geworden, auch und geradefernab von jeder geschichtlichen Realität oder gar politischen Verwirkli-chung eines solchen Anspruchs.

In diesem Sinne kann der Ausdruck »zwölf Stämme in der Diaspora«auch Bedeutung gewinnen für das Selbstverständnis der Kirche heute. DieKirche – das sind die zwölf Stämme in der Zerstreuung. Das müssen wirvielleicht erst noch lernen, uns so zu verstehen, in unserem kirchlich im-mer noch »reichen« Deutschland, vielleicht auch in einem kirchlich wie-der auflebenden orthodoxen Rumänien, jedenfalls wohl in einem immernoch christlich geprägten, zum »christlichen Abendland« gerechnetenEuropa. Wir sind als Kirche die zwölf Stämme in der Diaspora. Und wirspüren das zunehmend, in politischen Systemen, die ihre Organisations-formen und Werte nicht mehr aus der christlichen Tradition beziehen, inLebensformen und gesellschaftlichen Institutionen, die ganz auf die Selbst-verwirklichung der Wünsche und Werte des Einzelnen ausgerichtet sind,in einer medialen Kultur, die auf Schnelllebigkeit und Innovation aus ist,stärker als auf Tradition und Beständigkeit.

Das ist unsere Situation als Kirchen in Europa heute, das ist unsereDiaspora, in der wir uns als Christen vorfinden. Und daran sollen wir unsnun, so der Apostel Jakobus, auch noch freuen (V. 2)! Die Diaspora als Herausforderung, ja, als Grund zur Freude, mit diesem doch recht über -raschenden Akzent setzt der Jakobusbrief ein. Aber das ist zugleich einwesentlicher Grundgedanke für allen Zuspruch und alle Ermahnungen,die dann im Brief folgen. Denn der Anlass zur Freude, ihr Grund, ist ja derGlaube, der sich in den mancherlei Gefährdungen, Bedrängnissen, An-fechtungen, denen wir ausgesetzt sind, bewähren kann. Erst bewährter,getesteter Glaube ist vollkommener Glaube. Erst die Ausdauer in Versu-chungen macht den Glauben ganz. Unsere Kirchen haben viel Erfahrungmit dieser Wahrheit des Jakobusbriefes machen müssen in ihrer Ge-schichte, machen dürfen, denn auf dem Glaubens- und Lebenszeugnis derMärtyrer hat Gott seine Kirche erbaut, in ferner Vergangenheit und bis inunsere Gegenwart hinein. Auch das gehört zum apostolischen Zeugnis inunseren Kirchen, das Wahrheitszeugnis der Märtyrer, und der Apostel Jakobus, Jakobus der Gerechte, dessen Stimme wir in unserem Brief hören,gehörte ja zu den ersten Märtyrern der Kirche!

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III.

Dass solche Zeugnisse des Glaubens in Bedrängnissen, bis hin zum Marty-rium, Anlass zur Freude sind, dies liegt aber nicht am Heldenmut der Mär-tyrer und auch nicht an der Glaubenskraft der Christen. Das liegt vielmehrdaran, dass wir gerade hier Gott als den Geber guter Gaben erfahren kön-nen. Diese Gewissheit: Gott ist zuallererst der Geber guter Gaben, undwir Menschen sind zuallererst Beschenkte, Empfänger guter Gaben vonGott, diese Gewissheit durchzieht den ganzen Jakobusbrief. Gleich zu Beginn ermutigt er die Briefadressaten zum Gebet, zum Bittgebet um Weisheit und Ausdauer im Glauben. Er richtet ihren Blick nach oben, zum»Vater der Lichter«, der unveränderlich gerade darin ist, dass er immernur Gutes gibt, immer wieder uns sein Wort der Wahrheit zuspricht, daswir in unserer Taufe empfangen haben, das in uns wirksam werden soll,das sich auswirkt in uns nicht nur im Hören, sondern auch im Tun. Undwenn wir es verdunkeln oder gar vergessen, dieses Wort der Wahrheit,das Gott uns zugesprochen hat, dann ruft es uns Jakobus wieder in Erin-nerung, indem er unseren Blick auf Gott richtet als den, dem wir unserganzes Leben verdanken. Gott hat uns »geboren«, »zur Welt gebracht«,gerade so wie eine Mutter ihr Kind zur Welt bringt.

Nichts verdanken wir uns selbst, jedenfalls nicht das Gute, die Wahr-heit, die Ganzheit, die Vollkommenheit, die unser menschliches Lebenauszeichnen soll, wovon der Jakobusbrief so überschwänglich spricht. Alldas ist gute Gabe Gottes. Und das gilt ebenso für die Kirche als ganze.Auch sie ist, was sie ist, was ihren Glanz und ihre Wahrheit ausmacht,ganz und gar Geschöpf des Wortes Gottes, »Erstling seiner Geschöpfe«gar, zur Welt gebracht von Gott als Kind seiner Liebe.

IV.

Das hat sie zu bezeugen, das haben wir zu bezeugen heute als Kirchen inEuropa. Und in dieser Aufgabe, in diesem Glaubenszeugnis haben wir unsheute als »apostolisch«, als Kirche Jesu Christi, in der das Evangelium vonGott, dem Schöpfer und Erlöser der Welt und der Menschen lebendig istund weitergesagt wird, zu erweisen. Dazu gibt uns der Jakobusbrief, dasapostolische Zeugnis des Herrenbruders, einige Richtlinien und Hinweise.Nur zwei greife ich abschließend heraus, einen im Blick auf uns selbstund einen im Blick auf unsere Mitmenschen.

Der Blick auf uns selbst betrifft unsere Selbsteinschätzung, als Christenwie als Kirchen: Der »armselige Bruder« soll sich seiner »Größe« rühmen,

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der reiche (Bruder) aber seiner Armseligkeit (vor Gott) gedenken. Hierwerden die Maßstäbe zu Recht gerückt, für den einzelnen Christen ebensowie für die ganze Kirche. Die wahre »Größe« der Kirche zeigt sich daran,wie sie ihr Verhältnis zu Gott bestimmt. Weil wir ihm doch alles verdan-ken, was wir haben, sind wir ihm gegenüber nichts als armselige Knechte,eben »Sklaven Jesu Christi«, wie es uns der Herrenbruder vorgemachthat. Aber unser ganzer Reichtum zeigt sich, wenn wir all die Geschenkebetrachten, die wir von Gott empfangen haben.

Und damit kommen die anderen in den Blick, unsere Mitmenschen,unsere Zeitgenossen im Europa des 21. Jahrhunderts. Ihnen gegenübersollen wir unseren Glauben vertreten, unserer »Frömmigkeit« erweisen,wie es im Jakobusbrief am Ende des 1. Kapitels heißt: Wahre Frömmigkeit,so lesen wir dort, besteht nicht in flinker Rede und frommen Sprüchen,und vielleicht können wir ergänzen: auch nicht in gewichtigen theologi-schen Dialogpapieren, sondern darin, Waisen und Witwen in ihrer Notaufzusuchen und ihnen genau die Gaben zu bringen, die wir von Gottempfangen haben, als einzelne Christen und als Kirchen. Wo sind dieWaisen und Witwen heute, in der Diaspora, in der wir als Kirchen leben,im entkirchlichten und säkularisierten Europa des 21. Jahrhunderts? Ichglaube, wir müssen nicht lange nach ihnen suchen. Der Hunger nach Got-tes Wort für Seele und Leib ist groß. Es kann eine Freude sein für unsereKirchen, diese Herausforderung für ihren Glauben zu entdecken.

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Dialog als ekklesiales Band und geistliches Ereignis.30 Jahre Dialog zwischen der Rumänischen Orthodoxen Kirche und der EvangelischenKirche in DeutschlandReinhard Thöle

Lässt man die 30jährige Geschichte des bilateralen theologischen Dialogeszwischen unseren beiden Kirchen an Hand der Dokumente und unsererpersönlichen Erinnerungen noch einmal lebendig werden, so kann manzugleich staunen und bescheiden werden.

Wir können staunen darüber, dass ein Dialog, der wirklich für die Ge-schichte unserer beiden Kirchen einen Pioniercharakter trug, in den Zeitenso großer politischer Veränderungen und Umbrüche zu einer treuen Weg-gemeinschaft geworden ist. Ich muss die Stürme der Zeiten nicht ausführ-lich darstellen. Der Dialog begann in der Zeit der Teilung Europas in zweieher feindliche, gerade noch koexistierende, im Grunde aber wetteiferndepolitische Systeme. Es kamen die Zeit des Zusammenbruchs des kommu-nistischen Machtbereiches, in den Nachwendejahren die Vereinigung desgeteilten Deutschlands, die Auswanderung großer Teile der deutschen Be-völkerung aus Rumänien, die Gründung einer rumänischen Metropolie inNürnberg. Wer den Gründungsmitgliedern unseres Dialoges damals ange-sichts der ermüdenden und teils schikanösen Praxis um die Ausstellungvon Visa für die gegenseitigen Besuche gesagt hätte, in 30 Jahren werdetihr nur mit einem Personalausweis in der Tasche euch gegenseitig in einerEuropäischen Union besuchen können, hätte wohl nur ungläubiges Stau-nen ausgelöst. Man kann zugleich staunen und bescheiden werden.

Wir können bescheiden werden, weil die Thematik unserer Dialogeneben der Behandlung klassischer theologischer Fragen immer wieder mitder Besinnung auf den gemeinsamen Dienst die Stürme der Zeit zu bewäl-tigen suchte. Der Rückgriff in ihre lange Geschichte war für die Kirchenin den sozialistischen Ländern ein Stückchen bescheidene Sicherheit, dassdas Erbe unserer Kirchen viel größer war, als es im Würgegriff eines ideo-logischen Machtapparates damals gelebt werden konnte. Die Zuflucht zurklassischen Theologie und zum geistlichen Leben war wie ein Gebet, dassdie gemeinsam empfundene Wahrheit des christlichen Glaubens, auch

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wenn sie oft unterschiedlich definiert und gelebt wurde, viel machtvollerwar, als das was an Menschlichkeit im real existierenden Sozialismus mitseinem Personenkult sichtbar wurde. Dann stand mit auf der Agenda un-seres Dialoges der Dienst der Kirchen im sich wieder entdeckenden zu-sammenwachsenden Europa, und das gemeinsame Erschrecken darüber,dass wir, obwohl wir aus verschiedenen Kontexten kommen, doch in sä-kularen Gesellschaften wieder ein gemeinsames Gegenüber haben, dassich mit seinen kirchlichen Wurzeln schwer tut.

Wir können bescheiden bleiben, weil auch die treue Weggemeinschaftunseres Dialoges vom Finger des in der Geschichte handelnden Gottesimmer wieder ein wenig angetippt wurde. In keinem der anderen ortho-dox-evangelischen Dialoge sind so viele Mitglieder ehemaliger Stipendiatender Kirche des anderen Landes beteiligt und durch die Teilnahme evange-lischer Mitglieder aus Rumänien und rumänischer Mitglieder aus Deutsch-land so viele persönliche biographische Verwobenheiten vorhanden, dienur als großer Schatz gewertet werden können.

I Gedenken

Ein Rückblick auf eine 30jährige Weggemeinschaft lässt uns innehalten,weil wir auch der Verstorbenen im Gebet und in der Theologie zu geden-ken haben, die die ersten Zeiten unseres Dialoges geprägt haben: Delega-tionsleiter Bischof Dr. Vasile Coman von Oradea, die Professoren DumitruStăniloae und Zoltan Galfi aus Rumänien, der spätere Erzbischof GeorgKretschmar, Landesbischof Heinze und die Pfarrerin und Dozentin Katha-rina Gaede. Wir stehen mit unserem Dialog in der Tradition einer Reiheprägender bedeutender Mitglieder unserer Kommissionen und um nichtalle zu nennen, führe ich stellvertretend an die Folge unserer rumänischenund deutschen Delegationsleiter: Bischof Dr. Vasile Coman von Oradea,Metropolit Dr. Nicolae Corneanu von Timisoara und jetzt Metropolit Dr. Se-rafim Joanta von Deutschland, Bischof Dr. Heinz-Joachim Held, BischofDr. h.c. Rolf Koppe und jetzt Bischof Martin Schindehütte aus Hannover.

II Dialoggemeinschaft

Unser sogenannter »Goslar-Dialog« wurde 1979 begonnen. Bis 2006 konn-ten elf Begegnungen abwechselnd in unseren Ländern durchgeführt wer-den. Eine Zwischenbilanz von 1998 blickt auf acht Dialoge zurück.1 Inmanchen Beurteilungen gilt darum dieser Dialog als der theologisch »er-

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folgreichste«.2 Er ist auch der Dialog, der die meisten Studien und Unter-suchungen nach sich gezogen hat.3 Hervorzuheben ist, dass dem Dialogein Erfolg auf zwei Ebenen zugleich gelungen ist. Der erste Erfolg ist esnämlich, prägnante Sätze von Übereinstimmungen auf dem Feld des klas-sischen theologischen Dialoges zu finden, die so angesichts der langenGeschichte der Trennungen nicht unbedingt zu erwarten waren. Diesesist nicht möglich ohne das Werk Dumitru Stᾰniloaes, der in einer Art ver-tiefender mystischer Dialektik nie Berührungsängste mit evangelischerTheologie hatte, aber auch nicht ohne das Werk Georg Kretschmars, derden orthodoxen Partnern aufzeigen konnte, dass es eine durchgehendepatristische Färbung auch in der evangelischen Theologie gibt. Der andereErfolg ist, dass der Dialog sich selbst theologisch und geistlich definierthat, und dabei hinausgewachsen ist über ein formales kirchenpolitischesInteresse oder Kalkül.

Dabei sind vor allem zwei Akzente gesetzt worden. Auch wenn zwi-schen unseren Kirchen streng genommen keine Kirchengemeinschaft be-steht und wir auch nicht eine gegenseitige Anerkennung der Ämter undSakramenten feststellen können, können wir doch von einem »ekklesialenBand« sprechen, das unsere Kirchen auf vielen Ebenen verbindet.4 DieDialoge waren auch gekennzeichnet durch eine besondere geistliche Formder persönlichen und theologischen Begegnung. »Der Theologische Dialogselbst konnte so als ›geistliches Ereignis‹ verstanden und erfahren werden.In diesem Sinn forderte man in den Anfängen zum Geist der Reue auf,denn nur im Geist der Reue könne man die Sünde der Trennung überwin-den. So wurde es im Laufe der Gespräche üblich, bei den jeweiligen eu-charistischen Gottesdiensten in den Kommemorationsgebeten fürbittendauch der leitenden Geistlichen der anderen Kirchen zu gedenken und zu-gleich der anwesenden Leiter ihrer Gesprächsdelegationen«.5 Da aber zwi-schen uns »Übereinstimmung darin besteht, dass sich die Kirche in der

1 Vgl. Dialog der Annäherung im Glauben, in: Koppe, R. (Hg.), Theologische Ge-spräche mit der Rumänischen Orthodoxen Kirche, Studienheft 24, Hermannsburg1999, 137–148.

2 So Saarinen, R., Faith and Holiness, Göttingen 1997, 154.3 Vgl. Patuleanu, C., Die Begegnung der rumänischen Orthodoxie mit dem Protes-

tantismus, Hamburg 2000 und Nicolae Manole, Ekklesiologische Perspektiven imDialog zwischen den orthodoxen und reformatorischen Kirchen, Münster 2005und das Themenheft: Biserica Ortodoxa in dialogul ecumenic, Deisis 7–8, Regens-burg 1998/1999.

4 Aus: Kommunique des Siebten Gespräches 1995 in Selbitz, in: Koppe, Theologi-sche Gespräche, 17.

5 Koppe, Theologische Gespräche, 139f.

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eucharistischen Versammlung konstituiert, in der der Dreieinige Gott inWort und Sakrament an seiner Gemeinde handelt«,6 ist dieses bereits einZeichen von gelebter kirchlicher Gemeinschaft vor Gott.

III Ergebnisse

Im Folgenden seien einige Kernaussagen unserer Kommuniqués zusam-mengestellt, an Hand derer man die Dynamik unserer Dialoge nachspürenkann und zugleich eine zauberhafte, atemberaubende Annäherung fest-stellen kann, der man sich nicht entziehen kann.

Schrift und Tradition: »Es war die Tatsache von großer Bedeutung, dassman in diesem Dialog zwischen normativer Tradition (›Heilige Tradition‹)und kirchlicher Überlieferung unterschieden hatte. Ganz allgemein wirdgeurteilt, dass die hermeneutische Diskussion noch zu kurz komme. Derfaktische Schriftgebrauch in den beiden Kirchen ist nie ein eigenständigesThema geworden. Orthodoxe Theologie neigt eher dazu, einen Einzeltextder Bibel vom Ganzen der Heiligen Schrift her zu deuten, während pro-testantische Exegese eher vom Einzeltext ausgehend nach dem Ganzender Heiligen Schrift fragt«.7

Sakramente in Theologie und Praxis: »Weiterhin wurde Übereinstimmungin der Auffassung von der Gegenwart Christi selbst beim Vollzug der sa-kramentalen Handlungen sowie von seiner Realpräsenz beim heiligenAbendmahl und im Hinblick auf den ekklesialen Charakter der Sakramenteerreicht. Dementsprechend sind die Sakramente Gaben Gottes, die dasKirchesein ermöglichen und die nur innerhalb der Kirche vollzogen wer-den können, weswegen die Kirche einen sakramentalen Charakter hat.›Ordentlicher Spender dieses Sakramentes (d. h. der Beichte) ist nach or-thodoxer Lehre und Praxis allein der Bischof oder der ordinierte Priester,der dazu einer zusätzlichen bischöflichen Beauftragung (Cheirothesia) be-darf. Auch in den evangelischen Kirchen ist die Wahrnehmung des Schlüs-selamtes eine der fundamentalen Aufgaben des geistlichen Amtes, zu demordiniert wird‹. Ebenfalls wurde festgestellt, ›dass wir nicht nur bei derLehre der heiligen Taufe in den Grundaussagen übereinstimmen, sondern

6 Aus: Kommunique der 11. Begegnung 2006 in Eisenach, in: Heller, D. / Schneider,J. (Hg.), Die ökumenischen Konzilien und die Katholizität der Kirche, Beiheft zurÖkumenischen Rundschau 83, Frankfurt 2009, 19.

7 A. a. O. 141f.

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auch die Grundelemente im Vollzug der Taufe gemeinsam sind‹. In derFrage der Zahl der Sakramente gibt es in unseren Kirchen Unterschiede.Dazu wurde aber gemeinsam zum Ausdruck gebracht, dass Jesus Christusselbst das eigentliche Sakrament ist«.8

Das Heil in Jesus Christus: »In einem spezifischen Sinn als endgültige Ver-vollkommnung der Gemeinschaft des Menschen mit Gott meint ›Theosis‹das, was in evangelischer Tradition als Heiligung des Menschen beschrie-ben wird. Der wesenhafte Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpfwird dabei in keinem Falle in Frage gestellt. Hinsichtlich der Synergeia-Problematik konnte geklärt werden, dass damit in orthodoxer Traditionkeinerlei eigenmächtiges menschliches Wirken am eigenen Heil gemeintsei, sondern das Werk der Liebe, zu dem der Heilige Geist die Getauftenbefähigt und sie zu ›Mitarbeitern Gottes‹ macht« (1Cor 3,9).9

Gemeinschaft der Heiligen: »Beide Dialogpartner waren sich darüber einig,dass die communio sanctorum ein ständig erneuertes Sein in Christus be-deutet und den Menschen in seine Ganzheit einschließlich seiner Bezie-hung zur Welt umfasst. Darin ist die Sendung in die Welt als Wesensmerk-mal der Kirche begründet, um sein Evangelium zu proklamieren, seineVergebung und Versöhnung weiterzugeben und so im Heiligen Geist Werk-zeug seine Herrschaft zu sein. In die Fürbitte für die Welt und füreinanderals geistliche Dimension der Sendung der Kirche sind in unseren beidenTraditionen auch die vollendeten Heiligen mit einbezogen«.10

Von der neunten Begegnung in Herrnhut (2000), der zehnten Begegnungin Cluj-Napoca (2002) und der elften Begegnung in Eisenach (2006) kannfestgehalten werden:

Gesellschaftliche Verantwortung : »Die Gottesherrschaft ist eine Zukunft,die uns bereits als Gegenwart in der Kirche begegnet, aber nur als Angeld.Die Kirche steht im Dienst an dieser Welt und nimmt darin ihre missiona-rische Aufgabe wahr. Die Sendung der Kirche ist konstitutiver Teil ihresWesens. Im politischen Engagement der Kirche für Gerechtigkeit und Ver-söhnung kommt die Liebe, die ihre soziale und solidarische Dimensionentdeckt hat, zum Ausdruck«.11

8 A. a. O. 142–144.9 A. a. O. 145.

10 A. a. O. 146.11 Vgl. Heller, D. / Koppe R. (Hg.), Die Kirche, ihre Verantwortung und ihre Einheit,

Beiheft zur ÖR 75, Frankfurt 2005, 20.