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1 SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Musikstunde "I, the poet William Yeats“ William Butler Yeats zum 150. Geburtstag (3) „The Song of Wandering Aengus“ - Mythen und Liebe Von Antonie von Schönfeld Sendung: Mittwoch 01. Juli 2015 9.05 10.00 Uhr Redaktion: Ulla Zierau Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für € 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de

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Page 1: SWR2 Musikstunde · Ivor Gurney die letzten 15 Jahre seines Lebens verbringt. Vor dem Krieg hat Gurney am Royal College of Music bei Charles Villiers Stanford, ab 1919 dann bei Ralph

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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE

SWR2 Musikstunde "I, the poet William Yeats“

William Butler Yeats zum 150.

Geburtstag … (3) „The Song of Wandering Aengus“ -

Mythen und Liebe

Von Antonie von Schönfeld

Sendung: Mittwoch 01. Juli 2015 9.05 – 10.00 Uhr

Redaktion: Ulla Zierau

Bitte beachten Sie:

Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere

Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

Mitschnitte auf CD

von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst

in Baden-Baden für € 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030

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Musikstunde mit Antonie v. Schönfeld

SWR2

Mittwoch, 1. Juli 2015, 9.05-10.00

"I, the poet William Yeats“

- William Butler Yeats zum 150. Geburtstag (1-5)

III. „The Song of Wandering Aengus“ - Mythen und Liebe

Signet

"I, the poet William Yeats“ heißt es in dieser Woche, eine Reihe zum

150. Geburtstag des irischen Dichters und Literatur-

Nobelpreisträgers und zu seinen Dichtungen und den

musikalischen Folgen. -

„The Song of Wandering Aengus“ ist die dritte Folge überschrieben

-

es geht um Liebe und Politik, um Poesie und das wirkliche Leben

dazu heißt Sie herzlich willkommen - AvS

Titelmusik

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William Butler Yeats hat einmal gesagt, ein Gedicht müsse so gut

sein, dass man es laut lesen wolle! Das laute Lesen von Gedichten

ist ein bisschen aus der Mode gekommen - und das Auswendig-

Lernen, eine gute Voraussetzung für´s Rezitieren-können - ist

sowieso nicht mehr populär, - schade eigentlich!

Gerade Yeats Gedichte haben einen ausgesprochen

verlockenden Rhythmus, viele - gerade auch die Balladen - haben

eine Sprachmelodie, die zum Rezitieren - und Zuhören! - einlädt.

Da werden schließlich Geschichten erzählt - Geschichten, in

Versen komprimiert.

Im englischen Original ist diese besondere dynamische

Sprachmelodie in fast allen seinen Gedichten zu erleben und das

durchaus auch in der deutschen Übertragung - oder besser: in

manchen Übertragungen, da gibt es große Unterschiede.

Yeats Art seine Gedichte vorzutragen ist allerdings durchaus

gewöhnungsbedürftig. Er rezitiert - das ist so gewollt - in einer fast

wiegenden Art und Weise. -Das Gedicht The Fiddler of Dooney hat

Yeats 1931 aufgenommen, wenige Jahre vor seinem Tod.

In der Aufnahme erzählt der Dichter zunächst, warum er den

fröhlichen Fiddler nach Dooney platziert habe: Hier, bei Dooney

Rock, nicht weit von Innisfree in County Sligo, habe er als Kind

häufig Picknick gemacht, - mit dem Gedicht über den ‚Merry

Fiddler’ wolle er an diesen Platz erinnern.

Und das tut er in dem ihm eigenen (wie ich es irgendwo

beschrieben gelesen habe) "windig-murmelnden Klang“:

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Musik 1a William Butler Yeats 1´40 CD1 <2>

gelesen von William Butler Yeats

der Hörverlag 978-3-8445-1823-8, LC

Musik 1b Trad/Stockton´s Wing A-0´58 <6>

Aarons´s Key

Stockton´s Wing

EMI 7243 831216 2 5, LC

Musik 1c William Butler Yeats 0´50 CD2 <2>

Der Geiger von Dooney

gelesen von Burkhart Klaußner

der Hörverlag 978-3-8445-1823-8, LC

________________________________________________________

William Butler Yeats, The Fiddler of Dooney,

einmal von ihm selbst gelesen und einmal - in der deutschen

Übertragung von Norbert Hummelt - von Burghart Klaußner.

Dazwischen haben ein Fiddler und die irische Band Stocktons Wing

Irish Folk gespielt.

Die Geige gehört in Irland zum Grundinstrumentarium einer

Folkband: um hier Musik zu machen reicht eigentlich schon ein

Geiger (oder besser Fiddler), ein Sänger oder eine Sängerin,

vielleicht eine Flöte dazu oder der traditionelle Piper, und etwas für

den Rhythmus - da tun es im Notfall auch zwei Löffel.

Irische Folktunes sind vielfach auch in der Kunstmusik verwendet

worden: Im Jahr 1901 - nur wenige Jahre, nachdem Yeats seine

Gedichtsammlung The Wind among the Reeds herausgegeben

hatte u.a. mit dem Fiddler von Dooney - wurde beim Feis-Ceoil-

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Festival zum ersten Mal ein Preis ausgeschrieben für eine

Komposition, die traditionelle irische Melodien zur Grundlage hat.

1904 gewann der damals noch junge irische Komponist Hamilton

Harty diesen Preis mit seiner Irish Symphony.

Harty verwendet hier mehrere irische Stücke: Zu Beginn des 2.

Satzes - The Fair Day (Der schöne Tag) - wird zunächst durchaus

derb der Dorfgeiger beim Stimmen seines Instrumentes imitiert -

einmal über alle Saiten die Quinten - was dann direkt in die Musik

führt, zunächst in den bekannten irischen ‚Reel’ The Blackberry

Blossom.

Später in diesem Satz lässt Harty die Melodie eines Liedes folgen:

The girl I left behind me (Das Mädchen, das ich verlassen habe).

Dieses Stück erklingt in parallel geführten Quinten, was den

merkwürdigen Eindruck vermittelt, als ob hier ein Stück in zwei

Tonarten gespielt würde. Harty hat dazu erklärt, dass er einmal im

Norden Irlands eine Flöten-Band habe spielen hören, die - in

unterschiedlichen Tonlagen gestimmt - ein Stück gespielt

zusammen hätte:

_______________________________________________________

Musik 2 Hamilton Harty 3´06 <2>

The Fair Day

aus: An Irish Symphony –

Vivace ma non troppo presto

Ulster Orchestra

Ltg. Bryden Thomson

CHAN 6525, LC 7038

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The Fair Day -

das Ulster Orchestra spielte den zweiten Satz aus der Irish

Symphony von Hamilton Harty, die Leitung hatte Bryden Thomson.

Ob Musiker oder Schriftsteller - wer es zu etwas bringen, wer als Ire

Karriere machen wollte, der war - gleich, wie sehr er seiner Heimat

verbunden war - fast gezwungen, Irland zumindest für eine Weile

zu verlassen:

Karriere machte man in England, genauer gesagt in London.

Hamilton Harty geht als junger Musiker mit Anfang zwanzig nach

London und hat hier zunächst großen Erfolg als Klavierbegleiter

u.a. der Geiger Joseph Szigeti und Fritz Kreisler. - Sein Landsmann,

der knapp zwanzig Jahre ältere Charles Villiers Stanford aus Dublin,

geht schon zum Studium nach London und gehört hier später zu

den Gründern des Royal College of Music.

Und genau dieser Gedanke an Reüssieren, Bekannt-Werden,

Geld-Verdienen hat auch schon Yeats Vater, den Maler John

Butler Yeats, nach London gehen lassen - und war so die Ursache

für die vielen Wechsel seiner Familie zwischen Sligo und London.

„Jeder Irländer, der der Überzeugung war,

dass seine Lebensaufgabe in der höheren Ebene geistiger

Berufe läge“, so schreibt George Bernard Shaw,

„der fühlte auch, dass er in der Hauptstadt wohnen und

internationale Kultur besitzen müsse, das heißt, er erkannte

als Bedingung, dass er aus Irland herauskommen müsse.“

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Und wichtig noch Shaws Zusatz:

„Damals gab es weder eine „Gälische Liga’

noch den Glauben, dass Irland selbst

Kulturkeime in sich tragen könne.“

Doch Irland hatte sehr wohl eine eigene Kultur, die allerdings

Jahrhunderte lang von den Engländern unterdrückt worden war:

die Kultur der Kelten, das Gälische.

Das Bewusstsein einer eigenen Kultur ist erst in den letzten

Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts langsam wieder aufgekeimt; -

die knapp zehn Jahre, die Shaw älter war als Yeats, reichten für

eine grundsätzliche Änderung der politischen Stimmung. Die

Gälische Liga beispielsweise ist 1893 gegründet worden: Man

wollte die alte irische Sprache, das Gälische, wieder beleben bzw.

sie lebendig halten.

In der heutigen Verfassung der Republik Irland wird Gälisch als

Haupt-Amtssprache geführt, mit der Begründung, sie sei „die

nationale Sprache“.

Unseren Ohren ist diese Sprache fremd - und mit den vertrauten

Klängen eines irischen ‚Jig’ oder ‚Reel’ scheinen die alten irischen

Weisen kaum etwas gemein zu haben:

________________________________________________________

Musik 3 Traditional ca. 0´35 CD 3 <15>

Caillerch An Airgid (1´44)

The Johnstons

edel 012087ERE, LC 1666

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Wovon hier auf Gälisch gesungen wird (von Mitgliedern der Band

The Johnstons) - ich kann es Ihnen nicht sagen.

William Butler Yeats beginnt sich schon früh für die irische Kultur

einzusetzen, beispielsweise mit seiner ausgesprochen erfolgreichen

Veröffentlichung irischer Märchen in The Celtic Twilight (1893),

doch die gälische Sprache hat er nicht gesprochen und auch nie

gelernt.

Vielleicht haben ihn seine Probleme beim Lesen-Lernen als Kind

abgeschreckt, in seinen autobiographischen Schriften bezeichnet

sich Yeats als ‚ungelehrigen Schüler’,

„da es mir schwerfiel, mich mit etwas zu befassen,

dass weniger interessant war als meine eigenen

Gedanken...“

Die alte Kultur, die keltische Mythologie - Märchen und Sagen aus

Irland und auch aus Schottland - kommen Anfang des neuen

Jahrhunderts auch in England in Mode, Sammlungen wie The

Celtic Twilight werden gelesen und weiter empfohlen und auch

zeitgenössische Gedichte mit dieser Thematik stoßen auf Interesse.

Ein Komponist, der bevorzugt Texte von Zeitgenossen vertont hat -

durchaus ungewöhnlich damals - ist Ivor Gurney, der hierzulande

kaum bekannt ist.

Und Gurney hat etliche Lieder auf die Gedichte von William Butler

Yeats komponiert.

Ivor Gurney, ein hochbegabter Komponist und Dichter, wurde

1890 in Gloucester geboren. Er zählt zur Kriegsgeneration der

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jungen Männer, die an der Somme und an der Marne einen Teil

ihres Lebens gelassen haben. Zwar überlebt Ivor Gurney den

mörderischen Stellungskrieg in Frankreich, doch die Erlebnisse in

den Gräben, Shell-Shock und Verletzungen durch das Inhalieren

von Senfgas haben vermutlich mit dazu beigetragen, dass Gurney

nach dem Krieg zunehmend an Geistesverwirrung leidet.

1922 gibt ihn seine Familie in eine Psychiatrische Klinik in Kent, wo

Ivor Gurney die letzten 15 Jahre seines Lebens verbringt.

Vor dem Krieg hat Gurney am Royal College of Music bei Charles

Villiers Stanford, ab 1919 dann bei Ralph Vaughan Williams studiert.

In den wenigen Jahren nach dem Krieg, die er einigermaßen bei

Gesundheit ist - Gurney ist noch keine dreißig! - schreibt er vor

allem Gedichte und komponiert Lieder. Über 300 Lieder hat er

geschrieben, von denen inzwischen etwa hundert veröffentlicht

und einige auch aufgenommen worden sind.

Dazu zählt das heitere The Fiddler of Dooney:

________________________________________________________

Musik 4 Ivor Gurney 1´55 <5>

The Fiddler of Dooney

Michael George, Bass

Clifford Benson, Klavier

CDH 55237, LC 7533

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The Fiddler of Dooney -

Das waren Michael George und Clifford Benson (am Klavier) mit

diesem Gedicht von William Butler Yeats in einer Vertonung von

Ivor Gurney.

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Mit Mitte zwanzig lebt William Butler Yeats noch bei seiner Familie,

ob zu Besuch in Sligo im Großelternhaus oder in London in Bedford

Park, einem Künstlerviertel, das nicht wirklich wohlhabend ist, doch

hier ist man durchaus unter sich.

Yeats ist „A Man of Letters“, ein Schriftsteller ohne feste Anstellung.

Sein Kunststudium in Dublin hat ihn nicht überzeugen können, die

Malerei - das ist die Domäne des Vaters und des Bruders, in seiner

Familie sind eigentlich alle künstlerisch begabt, - auch Lili und Lolly,

die Schwestern - und jeder besitzt auch schriftstellerisches Talent.

Eine Begegnung im Januar 1889 soll Yeats ganzes weiteres Leben

beeinflussen, sie liest sich zunächst ganz harmlos:

„Einmal fuhr eine Kutsche bei uns in Bedford Park vor

mit Miss Maud Gonne, die meinem Vater eine Empfehlung

vom alten John O´Leary brachte, dem Führer der Fenier“

schreibt Yeats in seiner Autobiographie.

John O´Leary war einer der großen Streiter für die irische

Unabhängigkeit.

Schon diese erste Begegnung sorgt für Zündstoff innerhalb der

Familie:

„Sie erboste meinen Vater durch ihr Lob des Krieges

um seiner selbst willen, nicht als ob er manches Gute

hervorbrachte, sondern als ob Aufruhr an sich etwas

Gutes sei. Ich unterstützte sie gegen meinen Vater, was ihn

noch mehr aufbrachte, obwohl er hätte einsehen müssen,

dass (...)ein so junger Mensch wie ich nicht anderer

Meinung sein konnte als eine Frau, die so schön war und so

jung.“

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Die Geschwister waren sich sicher: Maud Gonne hatte nicht den

Vater, den Maler kennenlernen wollen - sie wollte dem Poeten

begegnen!

Yeats rückblickender Kommentar ist trocken:

„the troubling of my life begann“.

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Musik 5 Rebecca Clarke 1´14 < 20>

Shy one (To an Island in the Water)

Anthony Rolfe Johnson, Tenor

Graham Johnson, Klavier

CDA 66709, LC 7533

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„To an Island in the Water

With her I would fly“ -

so lauten die letzten beiden Zeilen des kurzen Gedichtes Shy one

von William Butler Yeats, gerade zu hören mit Anthony Rolfe

Johnson und - am Klavier - Graham Johnson.

Vertont hat es die englische Komponistin Rebecca Clarke Ende

der zwanziger Jahre. Auch sie war übrigens eine Studentin des

irischen Komponisten Charles Villiers Stanford, als Bratschistin

gehörte sie (noch vor dem Ersten Weltkrieg) zu den ersten

weiblichen Mitgliedern des berühmten Queen’s Hall Orchestra in

London.

„Shy“ - „scheu“ ist diese Maud Gonne sicherlich nicht, eher im

Gegenteil! Yeats verabredet sich noch am ersten Tag ihrer

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Begegnung mit ihr für denselben Abend - und sie akzeptiert. So

wie auch am nächsten und am übernächsten Abend.

„Damals schien sie wie eine klassische Verkörperung des

Frühlings, als ob der Lobspruch des Vergil,

‚Sie geht wie eine Göttin“ für sie allein gemacht wäre“,

so Yeats später,

„Ihr Teint hatte den Schimmer von Apfelblüten,

durch die das Licht fällt, und ich erinnere mich, dass sie an

diesem ersten Tag bei (...) solchen Blüten am Fenster stand.“

Mich wundert es nicht, dass William Butler Yeats für diese

Erscheinung eines der schönsten Liebesgedichte der Weltliteratur

geschrieben hat:

Had I the Cloths of Heaven - Kleider des Himmels.

Neben anderen Komponisten hat auch Ivor Gurney diese Zeilen

vertont:

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Musik 6 Ivor Gurney 2´47 <23>

The Cloths of Heaven

Paul Agnew, Tenor

Julius Drake, Klavier

CDA 67243, LC 7533

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Paul Agnew mit Julius Drake am Klavier mit einer Vertonung von

William Butler Yeats Gedicht The Cloths of Heaven von Ivor Gurney.

Der junge Dichter ist schon bei der ersten Begegnung mit Maud

Gonne hin und weg: ihre Erscheinung und Schönheit, aber auch

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ihre Verve und Begeisterungsfähigkeit für revolutionäre Ziele - die

Unabhängigkeit Irlands - beeindrucken ihn ungemein.

Auch Yeats setzt sich ein für die Unabhängigkeit Irlands, doch er

hat früh erkannt - und kein Geringerer als John O’Leary hat ihn

darin bestärkt - dass sein Kampf ein literarischer sei. Maud Gonnes

politische Überzeugung und Einsatzbereitschaft dagegen lodert

und sprüht - und reissen ihn mit.

Sie schreibt Pamphlete und kämpft später, in den heißen Zeiten

des Freiheitskampfes, für die Freilassung politischer Häftlinge, - er

schreibt und dichtet und soll später ein nationales Theater

gründen, um die Kultur der Iren auch auf die Bühne zu bringen.

Sie soll ihm nicht die gewünschte Ehefrau werden, doch - über

Jahrzehnte - ein Gegenüber, ein Unruhestifterin, Mitstreiterin,

Freundin im Geiste.

Wenn Yeats die mythologischen Figuren der keltischen Sagen in

den Mittelpunkt seiner Dichtungen stellt, dann holt er sie damit

gleichzeitig in die eigene Gegenwart. -Vielleicht liegt darin ein

Grund für die Beliebtheit seiner Texte bis heute.

The Song of Wandering Aengus ist so ein Beispiel, das Gedicht wird

bis heute immer wieder vertont, - hier (von Anfang der siebziger

Jahre) von Donovan

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Musik 7 Donovan 3´50 <23>

The Song of Wandering Aengus

BGOCD 372, LC ?

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The Song of Wandering Aengus von William Butler Yeats ist in

derselben frühen Sammlung erschienen wie The Fiddler of Dooney,

in The Wind among the Reeds von 1899.

Hier wird von einem jungen Mann erzählt, der durch die Gegend

streift, eine Angel bastelt, eine Forelle fängt.

Aengus ist bei den Kelten der Gott der Liebe und der Jugend.

„I went out to the hazel wood

Because a fire was in my head“...

das klingt nach innerer Unruhe, nach Auf-der-Suche-Sein.

Und richtig: Er - Aengus - begegnet der Liebe. Und: dem Lieben.

Doch nachdem ‚sie’ - die Erscheinung eines schimmernden

Mädchens - ihn beim Namen gerufen hat verschwindet sie in heller

werdendem Licht.

Erschöpft von der Suche nach dieser Erscheinung träumt Aengus -

in der dritten Strophe alt geworden - immer noch davon, sie zu

finden und zu lieben, und dann kommen die berühmten

symbolträchtigen Bilder von den ‚silbernen Äpfeln des Mondes’

und den ‚goldenen Äpfeln der Sonne’, das Feminine und das

Maskuline.

Nach Yeats mythologischer Vorstellung wird der Mensch dann,

wenn der mystische Bund von Sonne und Mond mit der Natur

geschlossen ist, von den Gesetzen der Welt befreit sein.

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The Song of Wandering Aengus erzählt von der Leidenschaft des

Dichters für die alten irischen Legenden und von seiner

Leidenschaft für die junge Maud Gonne. Diese Frau wird sein

Leben lang etwas von der schimmernden Erscheinung behalten -

und eigentlich hat sie das Yeats auch von Anfang an klar

gemacht.

All die Heiratsanträge, die er ihr über die Jahre macht - sie weist sie

zurück, was angeblich einen Grund hat: Poeten heiraten nicht!

Yeats solle seine ganze Energie vielmehr in seine Bestimmung

setzen als Literat, als Dichter für die irische Nation.

Von den vielen Geschichten ihrer Biographie, die dahinter stehen,

auch von ihren Lieben, wird er viel später erst erfahren:

„Es dauerte Jahre bis ich in ihr Inneres blicken konnte,

das unter so viel Schönheit und Energie verborgen lag.“

Doch die Begegnung mit Maud Gonne, die Begegnung mit der

Liebe, mit dem Lieben löst in Yeats eine Entwicklung aus, die mit

Suchen und Bestimmung und Ausdruck zu tun hat.

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Musik 8 William Butler Yeats 1´20 CD2 <4>

The Song of Wandering Aengus

gelesen von Wolfram Koch

der Hörverlag 978-3-8445-1823-8, LC

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Das Lied des Wandernden Aengus in der deutschen Übertragung

von Norbert Hummelt, gelesen von Wolfram Koch.

Neben dem englischen Original, das zu lesen - auch laut zu lesen! -

sich immer lohnt (auch wenn man nicht jedes Wort versteht), gibt

es verschiedene deutsche Fassungen.

Anfang der siebziger Jahre hat der Luchterhand Verlag eine

deutsche Gesamtausgabe von Yeats Werken herausgegeben.

Ediert hat sie Werner Vordtriede, der auch etliche der Gedichte ins

Deutsche übertragen hat.

Bis heute ist das übrigens die einzige deutsche Gesamtausgabe

von Yeats Werken, - leider ist sie nie neu aufgelegt worden,

antiquarisch kann man sie noch bekommen.

-Die Gedichte aber hat Luchterhand im Jahr 2005 von fünf

Autoren neu übertragen lassen und herausgegeben, daraus

stammt die gerade gehörte Fassung von Norbert Hummelt.

Es ist spannend, verschiedene Übertragungen - oder vielleicht

besser ‚Nach-Dichtungen’ - miteinander zu vergleichen: Alle

haben ihre Berechtigung, manches bleibt letztlich

Geschmacksfrage.

Mich spricht die ältere Übertragung von Werner Vordtriede - rein

subjektiv - mehr an als die gerade gehörte. -Vielleicht sind es die

Bilder, die er verwendet, vielleicht ist es die Wortwahl, die mir mehr

in die Zeit von Yeats zu passen scheint:

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Das Lied des Wandernden Aengus

Ich ging hinaus zum Haselwald,

Weil mir im Kopf ein Feuer ging,

Und schnitt und schält einen Haselstab,

Am Faden eine Beere hing.

Weiße Nachtfalter wurden wach,

Stern flackert auf wie Falterding.

Ich warf die Beere in den Bach

Und einen Silberfisch da fing.

Wie ich ihn legte auf den Grund

Und ging und blies die Flamme an,

Da raschelte es auf vom Grund,

Rief mich mit meinem Namen an:

Schimmernd ein Mädchen war es da,

Im Haare Apfelblütenduft,

Rief mich beim Namen und zerrann

Und blasste hin durch lichte Luft.

Wohl bin ich alt und Wandersmann

Durch hohles Land und hohes Land,

Doch will ich spähn, wohin sie sprang,

Sie küssen, führen an der Hand

Und gehen durchs lange bunte Gras

Und pflücken zeit und zeitenlang

Die Silberäpfel mir vom Mond,

Die goldnen mir vom Sonnenrand.

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Musik 9 Arnold Bax 2´08 <9>

Country Tune

Michael McHale, Klavier

RTE lyric fm CD139, LC

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Country Tune von Arnold Bax, gespielt von Michael McHale.

William Butler Yeats Familie wurde nicht warm mit der großen,

schlanken Heroine Maud Gonne: Den Vater hatte sie aufgebracht

mit ihrer wilden Begeisterung für Krieg, eine seiner Schwestern

konnte ihre „sort of royal smile“ nicht ausstehen, es muss etwas

Herablassendes in diesem königlichen Lächeln gelegen haben.

Maud Gonne sprach zu William von ihrer Begeisterung für Macht,

für ‚power’, er zu ihr über spirituelle Philosophie, die Liebe kam

über ihn, sie ebbte ab, sie flutete von neuem. Und beide waren

beschäftigt: Mitte der 1890er Jahre war Yeats längst ein Dichter

von nationaler Bedeutung, Oscar Wilde hatte eine Kritik über

seiner Gedicht-Sammlungen geschrieben, positiv, interessiert,

Yeats schrieb an einem Theaterstück The Countess Cathleen - das

war niemand anderes als Maud Gonne - edierte die Werke von

William Blake und hatte einen leichten Zusammenbruch. Immer

wieder sollte er an Überspannung, Nervenreizung, Überbelastung

leiden.

Und zwischendrin ließ die Liebe, die zurückgewiesene, ihn immer

wieder besondere Zeilen dichten:

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When You are Old

When you are old and grey and full of sleep,

And nodding by the fire, take down this book,

And slowly read, and dream of the soft look

Your eyes had once, and of their shadows deep;

How many loved your moments of glad grace,

And loved your beauty with love false or true,

But one man loved the pilgrim soul in you,

And loved the sorrows of your changing face;

And bending down beside the glowing bars,

Murmur, a little sadly, how Love fled

And paced upon the mountains overhead

And hid his face amid a crowd of stars.

Wenn du alt bist

Bist du einst alt und grau und voller Schlaf

Und nickst am Feuer ein, dann nimm dies Buch,

Lies langsam, träume dich zurück und such,

Wie mich dein Aug mit seinem Schatten traf.

Wie viele liebten dich im heitren Licht

Und, weil du schön warst, sahn dich mit Begier,

Doch einer liebt' das Pilgerherz in dir,

Die Trauer in dem wechselnden Gesicht.

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Und wenn du dich hinunterneigst zur Glut,

Dann flüstre traurig: wie die Liebe floh

Und auf den Bergen hinschritt irgendwo

Und ihr Gesicht verbarg in Sternenflut.

(deutsch: Werner Vordtriede)

Bist du einst alt - Frank Bridge hat dieses Gedicht von Yeats vertont,

die dritte Strophe allerdings weggelassen und stattdessen die erste

wiederholt. Vielleicht war ihm das Bild der Liebe, wie sie so bald

über alle Berge ist, ein zu aktives, bewegtes Bild für dieses Lied;

Bridge betont in seiner Musik das ruhige, wehmütige Element

dieser Dichtung - die durchaus melancholische Erinnerung.

________________________________________________________

Musik 10 Frank Bridge 3´23 CD2 <13>

When you are old and grey

Gerald Finley, Bariton

Roger Vignoles, Klavier

CDA 67181/2, LC 7533

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Die Beziehung zu Maud Gonne wird Yeats sein ganzes Leben lang

begleiten - mal intensiver, mal ruhiger, sie kennen sich noch

„When they are old and grey“.

Gerald Finley - begleitet von Roger Vignoles - sang gerade die

Vertonung dieser Zeilen von Frank Bridge.

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Maud Gonne und Yeats werden Vertraute, für kurze Zeit auch

Geliebte, doch das ist eigentlich eine eher unwichtige Episode in

ihrer jahrzehntelangen Freundschaft - wichtig dabei: Die

Vorstellung in einem zukünftigen Leben vereint zu sein.

- Der Sinn für das Okkulte, für Spiritualismus ist auch etwas, das sie

teilen.

Und sie werden zusammen arbeiten: Maud Gonne als

Schauspielerin, Yeats als Dramatiker im Abbey Theatre, das William

Butler Yeats zusammen mit seiner Gönnerin Lady Gregory in Dublin

gründen wird, - doch das ist Thema morgen in der SWR2-

Musikstunde!

Vielleicht sind Sie wieder dabei,

haben Lust auf Theater und Liebe, auf Poesie und Revolution!

Und Lust vor allem, durch Irland zu streifen!

So wie jetzt noch einmal mit Hamilton Harty in seiner Tondichtung

In Ireland und damit sagt: Bis morgen, geniessen Sie die goldenen

Äpfel des Sommers sagt - AvS

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Musik 11 Hamilton Harty 9´10 <6>

In Ireland - Moderato con passione

Ulster Orchestra

Ltg. Bryden Thomson

CHAN 6525, LC 7038

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