swr2 musikstunde · ivor gurney die letzten 15 jahre seines lebens verbringt. vor dem krieg hat...
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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde "I, the poet William Yeats“
William Butler Yeats zum 150.
Geburtstag … (3) „The Song of Wandering Aengus“ -
Mythen und Liebe
Von Antonie von Schönfeld
Sendung: Mittwoch 01. Juli 2015 9.05 – 10.00 Uhr
Redaktion: Ulla Zierau
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
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Musikstunde mit Antonie v. Schönfeld
SWR2
Mittwoch, 1. Juli 2015, 9.05-10.00
"I, the poet William Yeats“
- William Butler Yeats zum 150. Geburtstag (1-5)
III. „The Song of Wandering Aengus“ - Mythen und Liebe
Signet
"I, the poet William Yeats“ heißt es in dieser Woche, eine Reihe zum
150. Geburtstag des irischen Dichters und Literatur-
Nobelpreisträgers und zu seinen Dichtungen und den
musikalischen Folgen. -
„The Song of Wandering Aengus“ ist die dritte Folge überschrieben
-
es geht um Liebe und Politik, um Poesie und das wirkliche Leben
dazu heißt Sie herzlich willkommen - AvS
Titelmusik
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William Butler Yeats hat einmal gesagt, ein Gedicht müsse so gut
sein, dass man es laut lesen wolle! Das laute Lesen von Gedichten
ist ein bisschen aus der Mode gekommen - und das Auswendig-
Lernen, eine gute Voraussetzung für´s Rezitieren-können - ist
sowieso nicht mehr populär, - schade eigentlich!
Gerade Yeats Gedichte haben einen ausgesprochen
verlockenden Rhythmus, viele - gerade auch die Balladen - haben
eine Sprachmelodie, die zum Rezitieren - und Zuhören! - einlädt.
Da werden schließlich Geschichten erzählt - Geschichten, in
Versen komprimiert.
Im englischen Original ist diese besondere dynamische
Sprachmelodie in fast allen seinen Gedichten zu erleben und das
durchaus auch in der deutschen Übertragung - oder besser: in
manchen Übertragungen, da gibt es große Unterschiede.
Yeats Art seine Gedichte vorzutragen ist allerdings durchaus
gewöhnungsbedürftig. Er rezitiert - das ist so gewollt - in einer fast
wiegenden Art und Weise. -Das Gedicht The Fiddler of Dooney hat
Yeats 1931 aufgenommen, wenige Jahre vor seinem Tod.
In der Aufnahme erzählt der Dichter zunächst, warum er den
fröhlichen Fiddler nach Dooney platziert habe: Hier, bei Dooney
Rock, nicht weit von Innisfree in County Sligo, habe er als Kind
häufig Picknick gemacht, - mit dem Gedicht über den ‚Merry
Fiddler’ wolle er an diesen Platz erinnern.
Und das tut er in dem ihm eigenen (wie ich es irgendwo
beschrieben gelesen habe) "windig-murmelnden Klang“:
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Musik 1a William Butler Yeats 1´40 CD1 <2>
gelesen von William Butler Yeats
der Hörverlag 978-3-8445-1823-8, LC
Musik 1b Trad/Stockton´s Wing A-0´58 <6>
Aarons´s Key
Stockton´s Wing
EMI 7243 831216 2 5, LC
Musik 1c William Butler Yeats 0´50 CD2 <2>
Der Geiger von Dooney
gelesen von Burkhart Klaußner
der Hörverlag 978-3-8445-1823-8, LC
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William Butler Yeats, The Fiddler of Dooney,
einmal von ihm selbst gelesen und einmal - in der deutschen
Übertragung von Norbert Hummelt - von Burghart Klaußner.
Dazwischen haben ein Fiddler und die irische Band Stocktons Wing
Irish Folk gespielt.
Die Geige gehört in Irland zum Grundinstrumentarium einer
Folkband: um hier Musik zu machen reicht eigentlich schon ein
Geiger (oder besser Fiddler), ein Sänger oder eine Sängerin,
vielleicht eine Flöte dazu oder der traditionelle Piper, und etwas für
den Rhythmus - da tun es im Notfall auch zwei Löffel.
Irische Folktunes sind vielfach auch in der Kunstmusik verwendet
worden: Im Jahr 1901 - nur wenige Jahre, nachdem Yeats seine
Gedichtsammlung The Wind among the Reeds herausgegeben
hatte u.a. mit dem Fiddler von Dooney - wurde beim Feis-Ceoil-
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Festival zum ersten Mal ein Preis ausgeschrieben für eine
Komposition, die traditionelle irische Melodien zur Grundlage hat.
1904 gewann der damals noch junge irische Komponist Hamilton
Harty diesen Preis mit seiner Irish Symphony.
Harty verwendet hier mehrere irische Stücke: Zu Beginn des 2.
Satzes - The Fair Day (Der schöne Tag) - wird zunächst durchaus
derb der Dorfgeiger beim Stimmen seines Instrumentes imitiert -
einmal über alle Saiten die Quinten - was dann direkt in die Musik
führt, zunächst in den bekannten irischen ‚Reel’ The Blackberry
Blossom.
Später in diesem Satz lässt Harty die Melodie eines Liedes folgen:
The girl I left behind me (Das Mädchen, das ich verlassen habe).
Dieses Stück erklingt in parallel geführten Quinten, was den
merkwürdigen Eindruck vermittelt, als ob hier ein Stück in zwei
Tonarten gespielt würde. Harty hat dazu erklärt, dass er einmal im
Norden Irlands eine Flöten-Band habe spielen hören, die - in
unterschiedlichen Tonlagen gestimmt - ein Stück gespielt
zusammen hätte:
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Musik 2 Hamilton Harty 3´06 <2>
The Fair Day
aus: An Irish Symphony –
Vivace ma non troppo presto
Ulster Orchestra
Ltg. Bryden Thomson
CHAN 6525, LC 7038
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The Fair Day -
das Ulster Orchestra spielte den zweiten Satz aus der Irish
Symphony von Hamilton Harty, die Leitung hatte Bryden Thomson.
Ob Musiker oder Schriftsteller - wer es zu etwas bringen, wer als Ire
Karriere machen wollte, der war - gleich, wie sehr er seiner Heimat
verbunden war - fast gezwungen, Irland zumindest für eine Weile
zu verlassen:
Karriere machte man in England, genauer gesagt in London.
Hamilton Harty geht als junger Musiker mit Anfang zwanzig nach
London und hat hier zunächst großen Erfolg als Klavierbegleiter
u.a. der Geiger Joseph Szigeti und Fritz Kreisler. - Sein Landsmann,
der knapp zwanzig Jahre ältere Charles Villiers Stanford aus Dublin,
geht schon zum Studium nach London und gehört hier später zu
den Gründern des Royal College of Music.
Und genau dieser Gedanke an Reüssieren, Bekannt-Werden,
Geld-Verdienen hat auch schon Yeats Vater, den Maler John
Butler Yeats, nach London gehen lassen - und war so die Ursache
für die vielen Wechsel seiner Familie zwischen Sligo und London.
„Jeder Irländer, der der Überzeugung war,
dass seine Lebensaufgabe in der höheren Ebene geistiger
Berufe läge“, so schreibt George Bernard Shaw,
„der fühlte auch, dass er in der Hauptstadt wohnen und
internationale Kultur besitzen müsse, das heißt, er erkannte
als Bedingung, dass er aus Irland herauskommen müsse.“
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Und wichtig noch Shaws Zusatz:
„Damals gab es weder eine „Gälische Liga’
noch den Glauben, dass Irland selbst
Kulturkeime in sich tragen könne.“
Doch Irland hatte sehr wohl eine eigene Kultur, die allerdings
Jahrhunderte lang von den Engländern unterdrückt worden war:
die Kultur der Kelten, das Gälische.
Das Bewusstsein einer eigenen Kultur ist erst in den letzten
Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts langsam wieder aufgekeimt; -
die knapp zehn Jahre, die Shaw älter war als Yeats, reichten für
eine grundsätzliche Änderung der politischen Stimmung. Die
Gälische Liga beispielsweise ist 1893 gegründet worden: Man
wollte die alte irische Sprache, das Gälische, wieder beleben bzw.
sie lebendig halten.
In der heutigen Verfassung der Republik Irland wird Gälisch als
Haupt-Amtssprache geführt, mit der Begründung, sie sei „die
nationale Sprache“.
Unseren Ohren ist diese Sprache fremd - und mit den vertrauten
Klängen eines irischen ‚Jig’ oder ‚Reel’ scheinen die alten irischen
Weisen kaum etwas gemein zu haben:
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Musik 3 Traditional ca. 0´35 CD 3 <15>
Caillerch An Airgid (1´44)
The Johnstons
edel 012087ERE, LC 1666
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Wovon hier auf Gälisch gesungen wird (von Mitgliedern der Band
The Johnstons) - ich kann es Ihnen nicht sagen.
William Butler Yeats beginnt sich schon früh für die irische Kultur
einzusetzen, beispielsweise mit seiner ausgesprochen erfolgreichen
Veröffentlichung irischer Märchen in The Celtic Twilight (1893),
doch die gälische Sprache hat er nicht gesprochen und auch nie
gelernt.
Vielleicht haben ihn seine Probleme beim Lesen-Lernen als Kind
abgeschreckt, in seinen autobiographischen Schriften bezeichnet
sich Yeats als ‚ungelehrigen Schüler’,
„da es mir schwerfiel, mich mit etwas zu befassen,
dass weniger interessant war als meine eigenen
Gedanken...“
Die alte Kultur, die keltische Mythologie - Märchen und Sagen aus
Irland und auch aus Schottland - kommen Anfang des neuen
Jahrhunderts auch in England in Mode, Sammlungen wie The
Celtic Twilight werden gelesen und weiter empfohlen und auch
zeitgenössische Gedichte mit dieser Thematik stoßen auf Interesse.
Ein Komponist, der bevorzugt Texte von Zeitgenossen vertont hat -
durchaus ungewöhnlich damals - ist Ivor Gurney, der hierzulande
kaum bekannt ist.
Und Gurney hat etliche Lieder auf die Gedichte von William Butler
Yeats komponiert.
Ivor Gurney, ein hochbegabter Komponist und Dichter, wurde
1890 in Gloucester geboren. Er zählt zur Kriegsgeneration der
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jungen Männer, die an der Somme und an der Marne einen Teil
ihres Lebens gelassen haben. Zwar überlebt Ivor Gurney den
mörderischen Stellungskrieg in Frankreich, doch die Erlebnisse in
den Gräben, Shell-Shock und Verletzungen durch das Inhalieren
von Senfgas haben vermutlich mit dazu beigetragen, dass Gurney
nach dem Krieg zunehmend an Geistesverwirrung leidet.
1922 gibt ihn seine Familie in eine Psychiatrische Klinik in Kent, wo
Ivor Gurney die letzten 15 Jahre seines Lebens verbringt.
Vor dem Krieg hat Gurney am Royal College of Music bei Charles
Villiers Stanford, ab 1919 dann bei Ralph Vaughan Williams studiert.
In den wenigen Jahren nach dem Krieg, die er einigermaßen bei
Gesundheit ist - Gurney ist noch keine dreißig! - schreibt er vor
allem Gedichte und komponiert Lieder. Über 300 Lieder hat er
geschrieben, von denen inzwischen etwa hundert veröffentlicht
und einige auch aufgenommen worden sind.
Dazu zählt das heitere The Fiddler of Dooney:
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Musik 4 Ivor Gurney 1´55 <5>
The Fiddler of Dooney
Michael George, Bass
Clifford Benson, Klavier
CDH 55237, LC 7533
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The Fiddler of Dooney -
Das waren Michael George und Clifford Benson (am Klavier) mit
diesem Gedicht von William Butler Yeats in einer Vertonung von
Ivor Gurney.
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Mit Mitte zwanzig lebt William Butler Yeats noch bei seiner Familie,
ob zu Besuch in Sligo im Großelternhaus oder in London in Bedford
Park, einem Künstlerviertel, das nicht wirklich wohlhabend ist, doch
hier ist man durchaus unter sich.
Yeats ist „A Man of Letters“, ein Schriftsteller ohne feste Anstellung.
Sein Kunststudium in Dublin hat ihn nicht überzeugen können, die
Malerei - das ist die Domäne des Vaters und des Bruders, in seiner
Familie sind eigentlich alle künstlerisch begabt, - auch Lili und Lolly,
die Schwestern - und jeder besitzt auch schriftstellerisches Talent.
Eine Begegnung im Januar 1889 soll Yeats ganzes weiteres Leben
beeinflussen, sie liest sich zunächst ganz harmlos:
„Einmal fuhr eine Kutsche bei uns in Bedford Park vor
mit Miss Maud Gonne, die meinem Vater eine Empfehlung
vom alten John O´Leary brachte, dem Führer der Fenier“
schreibt Yeats in seiner Autobiographie.
John O´Leary war einer der großen Streiter für die irische
Unabhängigkeit.
Schon diese erste Begegnung sorgt für Zündstoff innerhalb der
Familie:
„Sie erboste meinen Vater durch ihr Lob des Krieges
um seiner selbst willen, nicht als ob er manches Gute
hervorbrachte, sondern als ob Aufruhr an sich etwas
Gutes sei. Ich unterstützte sie gegen meinen Vater, was ihn
noch mehr aufbrachte, obwohl er hätte einsehen müssen,
dass (...)ein so junger Mensch wie ich nicht anderer
Meinung sein konnte als eine Frau, die so schön war und so
jung.“
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Die Geschwister waren sich sicher: Maud Gonne hatte nicht den
Vater, den Maler kennenlernen wollen - sie wollte dem Poeten
begegnen!
Yeats rückblickender Kommentar ist trocken:
„the troubling of my life begann“.
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Musik 5 Rebecca Clarke 1´14 < 20>
Shy one (To an Island in the Water)
Anthony Rolfe Johnson, Tenor
Graham Johnson, Klavier
CDA 66709, LC 7533
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„To an Island in the Water
With her I would fly“ -
so lauten die letzten beiden Zeilen des kurzen Gedichtes Shy one
von William Butler Yeats, gerade zu hören mit Anthony Rolfe
Johnson und - am Klavier - Graham Johnson.
Vertont hat es die englische Komponistin Rebecca Clarke Ende
der zwanziger Jahre. Auch sie war übrigens eine Studentin des
irischen Komponisten Charles Villiers Stanford, als Bratschistin
gehörte sie (noch vor dem Ersten Weltkrieg) zu den ersten
weiblichen Mitgliedern des berühmten Queen’s Hall Orchestra in
London.
„Shy“ - „scheu“ ist diese Maud Gonne sicherlich nicht, eher im
Gegenteil! Yeats verabredet sich noch am ersten Tag ihrer
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Begegnung mit ihr für denselben Abend - und sie akzeptiert. So
wie auch am nächsten und am übernächsten Abend.
„Damals schien sie wie eine klassische Verkörperung des
Frühlings, als ob der Lobspruch des Vergil,
‚Sie geht wie eine Göttin“ für sie allein gemacht wäre“,
so Yeats später,
„Ihr Teint hatte den Schimmer von Apfelblüten,
durch die das Licht fällt, und ich erinnere mich, dass sie an
diesem ersten Tag bei (...) solchen Blüten am Fenster stand.“
Mich wundert es nicht, dass William Butler Yeats für diese
Erscheinung eines der schönsten Liebesgedichte der Weltliteratur
geschrieben hat:
Had I the Cloths of Heaven - Kleider des Himmels.
Neben anderen Komponisten hat auch Ivor Gurney diese Zeilen
vertont:
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Musik 6 Ivor Gurney 2´47 <23>
The Cloths of Heaven
Paul Agnew, Tenor
Julius Drake, Klavier
CDA 67243, LC 7533
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Paul Agnew mit Julius Drake am Klavier mit einer Vertonung von
William Butler Yeats Gedicht The Cloths of Heaven von Ivor Gurney.
Der junge Dichter ist schon bei der ersten Begegnung mit Maud
Gonne hin und weg: ihre Erscheinung und Schönheit, aber auch
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ihre Verve und Begeisterungsfähigkeit für revolutionäre Ziele - die
Unabhängigkeit Irlands - beeindrucken ihn ungemein.
Auch Yeats setzt sich ein für die Unabhängigkeit Irlands, doch er
hat früh erkannt - und kein Geringerer als John O’Leary hat ihn
darin bestärkt - dass sein Kampf ein literarischer sei. Maud Gonnes
politische Überzeugung und Einsatzbereitschaft dagegen lodert
und sprüht - und reissen ihn mit.
Sie schreibt Pamphlete und kämpft später, in den heißen Zeiten
des Freiheitskampfes, für die Freilassung politischer Häftlinge, - er
schreibt und dichtet und soll später ein nationales Theater
gründen, um die Kultur der Iren auch auf die Bühne zu bringen.
Sie soll ihm nicht die gewünschte Ehefrau werden, doch - über
Jahrzehnte - ein Gegenüber, ein Unruhestifterin, Mitstreiterin,
Freundin im Geiste.
Wenn Yeats die mythologischen Figuren der keltischen Sagen in
den Mittelpunkt seiner Dichtungen stellt, dann holt er sie damit
gleichzeitig in die eigene Gegenwart. -Vielleicht liegt darin ein
Grund für die Beliebtheit seiner Texte bis heute.
The Song of Wandering Aengus ist so ein Beispiel, das Gedicht wird
bis heute immer wieder vertont, - hier (von Anfang der siebziger
Jahre) von Donovan
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Musik 7 Donovan 3´50 <23>
The Song of Wandering Aengus
BGOCD 372, LC ?
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The Song of Wandering Aengus von William Butler Yeats ist in
derselben frühen Sammlung erschienen wie The Fiddler of Dooney,
in The Wind among the Reeds von 1899.
Hier wird von einem jungen Mann erzählt, der durch die Gegend
streift, eine Angel bastelt, eine Forelle fängt.
Aengus ist bei den Kelten der Gott der Liebe und der Jugend.
„I went out to the hazel wood
Because a fire was in my head“...
das klingt nach innerer Unruhe, nach Auf-der-Suche-Sein.
Und richtig: Er - Aengus - begegnet der Liebe. Und: dem Lieben.
Doch nachdem ‚sie’ - die Erscheinung eines schimmernden
Mädchens - ihn beim Namen gerufen hat verschwindet sie in heller
werdendem Licht.
Erschöpft von der Suche nach dieser Erscheinung träumt Aengus -
in der dritten Strophe alt geworden - immer noch davon, sie zu
finden und zu lieben, und dann kommen die berühmten
symbolträchtigen Bilder von den ‚silbernen Äpfeln des Mondes’
und den ‚goldenen Äpfeln der Sonne’, das Feminine und das
Maskuline.
Nach Yeats mythologischer Vorstellung wird der Mensch dann,
wenn der mystische Bund von Sonne und Mond mit der Natur
geschlossen ist, von den Gesetzen der Welt befreit sein.
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The Song of Wandering Aengus erzählt von der Leidenschaft des
Dichters für die alten irischen Legenden und von seiner
Leidenschaft für die junge Maud Gonne. Diese Frau wird sein
Leben lang etwas von der schimmernden Erscheinung behalten -
und eigentlich hat sie das Yeats auch von Anfang an klar
gemacht.
All die Heiratsanträge, die er ihr über die Jahre macht - sie weist sie
zurück, was angeblich einen Grund hat: Poeten heiraten nicht!
Yeats solle seine ganze Energie vielmehr in seine Bestimmung
setzen als Literat, als Dichter für die irische Nation.
Von den vielen Geschichten ihrer Biographie, die dahinter stehen,
auch von ihren Lieben, wird er viel später erst erfahren:
„Es dauerte Jahre bis ich in ihr Inneres blicken konnte,
das unter so viel Schönheit und Energie verborgen lag.“
Doch die Begegnung mit Maud Gonne, die Begegnung mit der
Liebe, mit dem Lieben löst in Yeats eine Entwicklung aus, die mit
Suchen und Bestimmung und Ausdruck zu tun hat.
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Musik 8 William Butler Yeats 1´20 CD2 <4>
The Song of Wandering Aengus
gelesen von Wolfram Koch
der Hörverlag 978-3-8445-1823-8, LC
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Das Lied des Wandernden Aengus in der deutschen Übertragung
von Norbert Hummelt, gelesen von Wolfram Koch.
Neben dem englischen Original, das zu lesen - auch laut zu lesen! -
sich immer lohnt (auch wenn man nicht jedes Wort versteht), gibt
es verschiedene deutsche Fassungen.
Anfang der siebziger Jahre hat der Luchterhand Verlag eine
deutsche Gesamtausgabe von Yeats Werken herausgegeben.
Ediert hat sie Werner Vordtriede, der auch etliche der Gedichte ins
Deutsche übertragen hat.
Bis heute ist das übrigens die einzige deutsche Gesamtausgabe
von Yeats Werken, - leider ist sie nie neu aufgelegt worden,
antiquarisch kann man sie noch bekommen.
-Die Gedichte aber hat Luchterhand im Jahr 2005 von fünf
Autoren neu übertragen lassen und herausgegeben, daraus
stammt die gerade gehörte Fassung von Norbert Hummelt.
Es ist spannend, verschiedene Übertragungen - oder vielleicht
besser ‚Nach-Dichtungen’ - miteinander zu vergleichen: Alle
haben ihre Berechtigung, manches bleibt letztlich
Geschmacksfrage.
Mich spricht die ältere Übertragung von Werner Vordtriede - rein
subjektiv - mehr an als die gerade gehörte. -Vielleicht sind es die
Bilder, die er verwendet, vielleicht ist es die Wortwahl, die mir mehr
in die Zeit von Yeats zu passen scheint:
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Das Lied des Wandernden Aengus
Ich ging hinaus zum Haselwald,
Weil mir im Kopf ein Feuer ging,
Und schnitt und schält einen Haselstab,
Am Faden eine Beere hing.
Weiße Nachtfalter wurden wach,
Stern flackert auf wie Falterding.
Ich warf die Beere in den Bach
Und einen Silberfisch da fing.
Wie ich ihn legte auf den Grund
Und ging und blies die Flamme an,
Da raschelte es auf vom Grund,
Rief mich mit meinem Namen an:
Schimmernd ein Mädchen war es da,
Im Haare Apfelblütenduft,
Rief mich beim Namen und zerrann
Und blasste hin durch lichte Luft.
Wohl bin ich alt und Wandersmann
Durch hohles Land und hohes Land,
Doch will ich spähn, wohin sie sprang,
Sie küssen, führen an der Hand
Und gehen durchs lange bunte Gras
Und pflücken zeit und zeitenlang
Die Silberäpfel mir vom Mond,
Die goldnen mir vom Sonnenrand.
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Musik 9 Arnold Bax 2´08 <9>
Country Tune
Michael McHale, Klavier
RTE lyric fm CD139, LC
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Country Tune von Arnold Bax, gespielt von Michael McHale.
William Butler Yeats Familie wurde nicht warm mit der großen,
schlanken Heroine Maud Gonne: Den Vater hatte sie aufgebracht
mit ihrer wilden Begeisterung für Krieg, eine seiner Schwestern
konnte ihre „sort of royal smile“ nicht ausstehen, es muss etwas
Herablassendes in diesem königlichen Lächeln gelegen haben.
Maud Gonne sprach zu William von ihrer Begeisterung für Macht,
für ‚power’, er zu ihr über spirituelle Philosophie, die Liebe kam
über ihn, sie ebbte ab, sie flutete von neuem. Und beide waren
beschäftigt: Mitte der 1890er Jahre war Yeats längst ein Dichter
von nationaler Bedeutung, Oscar Wilde hatte eine Kritik über
seiner Gedicht-Sammlungen geschrieben, positiv, interessiert,
Yeats schrieb an einem Theaterstück The Countess Cathleen - das
war niemand anderes als Maud Gonne - edierte die Werke von
William Blake und hatte einen leichten Zusammenbruch. Immer
wieder sollte er an Überspannung, Nervenreizung, Überbelastung
leiden.
Und zwischendrin ließ die Liebe, die zurückgewiesene, ihn immer
wieder besondere Zeilen dichten:
19
When You are Old
When you are old and grey and full of sleep,
And nodding by the fire, take down this book,
And slowly read, and dream of the soft look
Your eyes had once, and of their shadows deep;
How many loved your moments of glad grace,
And loved your beauty with love false or true,
But one man loved the pilgrim soul in you,
And loved the sorrows of your changing face;
And bending down beside the glowing bars,
Murmur, a little sadly, how Love fled
And paced upon the mountains overhead
And hid his face amid a crowd of stars.
Wenn du alt bist
Bist du einst alt und grau und voller Schlaf
Und nickst am Feuer ein, dann nimm dies Buch,
Lies langsam, träume dich zurück und such,
Wie mich dein Aug mit seinem Schatten traf.
Wie viele liebten dich im heitren Licht
Und, weil du schön warst, sahn dich mit Begier,
Doch einer liebt' das Pilgerherz in dir,
Die Trauer in dem wechselnden Gesicht.
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Und wenn du dich hinunterneigst zur Glut,
Dann flüstre traurig: wie die Liebe floh
Und auf den Bergen hinschritt irgendwo
Und ihr Gesicht verbarg in Sternenflut.
(deutsch: Werner Vordtriede)
Bist du einst alt - Frank Bridge hat dieses Gedicht von Yeats vertont,
die dritte Strophe allerdings weggelassen und stattdessen die erste
wiederholt. Vielleicht war ihm das Bild der Liebe, wie sie so bald
über alle Berge ist, ein zu aktives, bewegtes Bild für dieses Lied;
Bridge betont in seiner Musik das ruhige, wehmütige Element
dieser Dichtung - die durchaus melancholische Erinnerung.
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Musik 10 Frank Bridge 3´23 CD2 <13>
When you are old and grey
Gerald Finley, Bariton
Roger Vignoles, Klavier
CDA 67181/2, LC 7533
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Die Beziehung zu Maud Gonne wird Yeats sein ganzes Leben lang
begleiten - mal intensiver, mal ruhiger, sie kennen sich noch
„When they are old and grey“.
Gerald Finley - begleitet von Roger Vignoles - sang gerade die
Vertonung dieser Zeilen von Frank Bridge.
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Maud Gonne und Yeats werden Vertraute, für kurze Zeit auch
Geliebte, doch das ist eigentlich eine eher unwichtige Episode in
ihrer jahrzehntelangen Freundschaft - wichtig dabei: Die
Vorstellung in einem zukünftigen Leben vereint zu sein.
- Der Sinn für das Okkulte, für Spiritualismus ist auch etwas, das sie
teilen.
Und sie werden zusammen arbeiten: Maud Gonne als
Schauspielerin, Yeats als Dramatiker im Abbey Theatre, das William
Butler Yeats zusammen mit seiner Gönnerin Lady Gregory in Dublin
gründen wird, - doch das ist Thema morgen in der SWR2-
Musikstunde!
Vielleicht sind Sie wieder dabei,
haben Lust auf Theater und Liebe, auf Poesie und Revolution!
Und Lust vor allem, durch Irland zu streifen!
So wie jetzt noch einmal mit Hamilton Harty in seiner Tondichtung
In Ireland und damit sagt: Bis morgen, geniessen Sie die goldenen
Äpfel des Sommers sagt - AvS
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Musik 11 Hamilton Harty 9´10 <6>
In Ireland - Moderato con passione
Ulster Orchestra
Ltg. Bryden Thomson
CHAN 6525, LC 7038
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