strukturelles kleben im konstruktiven glasbau

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Das Kleben im Konstruktiven Glasbau wird seit mehr als zwanzig Jahren durch die Ver- wendung ein- und zweikomponentiger Silikone dominiert. UV- und lichthärtende Acrylate können die Gestaltungsmöglichkeiten beim Kleben im Konstruktiven Glasbau auf Grund ihrer Transparenz, ihrer verarbeitungstechnischen Vorteile und ihrer höheren Festigkeit erweitern. Deshalb wurde das Alterungsverhalten dieser Klebstoffe an Klebungen aus Floatglas und Metall umfassend untersucht und sinnvoll durch einige Bauteilversuche an geklebten Anwendungen im Konstruktiven Glasbau ergänzt. Unter Einhaltung bestimmter Anwendungsgrenzen wurde erstmalig die grundsätzliche Eignung von UV- und lichthärten- den Acrylaten für Anwendungen im Konstruktiven Glasbau nachgewiesen. Structural bonding in glass engineering. Adhesive joints in glass construction have been carried out by using one- and two-component silicones for more than twenty years. But UV- and light-curing acrylates in glass construction offer further design potentials due to their inherent transparency, their advantages in the production process and an increased material strength. Therefore, the ageing performance of these adhesives was comprehen- sively tested on bonded joints of float glass and metal. Afterwards the study was completed by further tests on life-sized samples of different glass applications. Now, for the first time it has been proofed that UV- and light-curing acrylates are suitable in principle to be used for certain applications in glass construction. die Forderung, dass mindestens ein Fügeteil für dieses Licht durchstrahl- bar sein muss. Wegen seiner Transpa- renz ist Glas als Fügeteil besonders geeignet. Der Aushärtevorgang der Kleb- stoffe ist in Abhängigkeit von Lam- pentyp, Lampenintensität, Lampen- abstand, Dicke des durchstrahlbaren Fügepartners, Klebfläche und Schicht- dicke der Klebung in der Regel im Sekunden- bis einstelligen Minuten- bereich abgeschlossen (Tab. 1). Im Vergleich zu den üblicherweise ver- wendeten Silikonen im Fassadenbau kann hier die Dauer des Herstellungs- prozesses geklebter Verbindungen deutlich gesenkt werden. Aufgrund ihrer vergleichsweise niedrigen Viskosität verfügen diese Klebstoffe über eine eher wässrige Konsistenz. Diesbezüglich sind Glä- ser geeigneter über die Glasfläche zu verkleben als über die Glaskanten, wo Bernhard Weller Silke Tasche Strukturelles Kleben im Konstruktiven Glasbau 1 Motivation Der Baustoff Glas wird zunehmend in Hochbaukonstruktionen eingesetzt, da er transparent ist und somit den Wunsch nach lichtdurchlässigen Bau- werken erfüllt. Das Kleben ist vorteil- haft, um die vollständige Transparenz von Glaskonstruktionen herauszustel- len und Kräfte materialgerecht in den Baustoff Glas einzuleiten. Klebverbin- dungen ermöglichen eine flächenhafte und damit gleichmäßige Krafteinlei- tung in die Bauteile (Bild 1). Lokale Spannungsspitzen können über die Schichtdicke und die Elastizität des Klebstoffs minimiert werden [1], [2]. 2 Strahlungshärtende Acrylate Die betrachteten einkomponentigen und lösungsmittelfreien UV- und lichthärtenden Acrylate härten durch radikalische Polymerisation aus. Der Aushärtemechanismus wird durch spezielle Lampen angeregt, die Licht eines bestimmten Wellenlängenbe- reichs ausstrahlen. Hieraus resultiert Bild 1. Spannungsverteilung geschraubter und geklebter Verbindungen Fig. 1. Tension distribution of screwed and bonded fixings DOI: 10.1002/stab.200810029 F F F F 28 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau Spezial 2008 – Konstruktiver Glasbau

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Das Kleben im Konstruktiven Glasbau wird seit mehr als zwanzig Jahren durch die Ver-wendung ein- und zweikomponentiger Silikone dominiert. UV- und lichthärtende Acrylatekönnen die Gestaltungsmöglichkeiten beim Kleben im Konstruktiven Glasbau auf Grundihrer Transparenz, ihrer verarbeitungstechnischen Vorteile und ihrer höheren Festigkeiterweitern. Deshalb wurde das Alterungsverhalten dieser Klebstoffe an Klebungen ausFloatglas und Metall umfassend untersucht und sinnvoll durch einige Bauteilversuche angeklebten Anwendungen im Konstruktiven Glasbau ergänzt. Unter Einhaltung bestimmterAnwendungsgrenzen wurde erstmalig die grundsätzliche Eignung von UV- und lichthärten-den Acrylaten für Anwendungen im Konstruktiven Glasbau nachgewiesen.

Structural bonding in glass engineering. Adhesive joints in glass construction have beencarried out by using one- and two-component silicones for more than twenty years. ButUV- and light-curing acrylates in glass construction offer further design potentials due totheir inherent transparency, their advantages in the production process and an increasedmaterial strength. Therefore, the ageing performance of these adhesives was comprehen-sively tested on bonded joints of float glass and metal. Afterwards the study was completedby further tests on life-sized samples of different glass applications. Now, for the first timeit has been proofed that UV- and light-curing acrylates are suitable in principle to be usedfor certain applications in glass construction.

die Forderung, dass mindestens einFügeteil für dieses Licht durchstrahl-bar sein muss. Wegen seiner Transpa-renz ist Glas als Fügeteil besondersgeeignet.

Der Aushärtevorgang der Kleb-stoffe ist in Abhängigkeit von Lam-pentyp, Lampenintensität, Lampen-abstand, Dicke des durchstrahlbarenFügepartners, Klebfläche und Schicht-dicke der Klebung in der Regel imSekunden- bis einstelligen Minuten-bereich abgeschlossen (Tab. 1). ImVergleich zu den üblicherweise ver-wendeten Silikonen im Fassadenbaukann hier die Dauer des Herstellungs-prozesses geklebter Verbindungendeutlich gesenkt werden.

Aufgrund ihrer vergleichsweiseniedrigen Viskosität verfügen dieseKlebstoffe über eine eher wässrigeKonsistenz. Diesbezüglich sind Glä-ser geeigneter über die Glasfläche zuverkleben als über die Glaskanten, wo

Bernhard WellerSilke Tasche

Strukturelles Kleben im Konstruktiven Glasbau

1 Motivation

Der Baustoff Glas wird zunehmend inHochbaukonstruktionen eingesetzt, daer transparent ist und somit denWunsch nach lichtdurchlässigen Bau-werken erfüllt. Das Kleben ist vorteil-haft, um die vollständige Transparenzvon Glaskonstruktionen herauszustel-len und Kräfte materialgerecht in denBaustoff Glas einzuleiten. Klebverbin-dungen ermöglichen eine flächenhafteund damit gleichmäßige Krafteinlei-tung in die Bauteile (Bild 1). LokaleSpannungsspitzen können über dieSchichtdicke und die Elastizität desKlebstoffs minimiert werden [1], [2].

2 Strahlungshärtende Acrylate

Die betrachteten einkomponentigenund lösungsmittelfreien UV- undlichthärtenden Acrylate härten durchradikalische Polymerisation aus. DerAushärtemechanismus wird durch

spezielle Lampen angeregt, die Lichteines bestimmten Wellenlängenbe-reichs ausstrahlen. Hieraus resultiert

Bild 1. Spannungsverteilung geschraubter und geklebter VerbindungenFig. 1. Tension distribution of screwed and bonded fixings

DOI: 10.1002/stab.200810029

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28 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau Spezial 2008 – Konstruktiver Glasbau

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infolge von Maßungenauigkeiten ausdem Herstellungsprozess größere Kleb-fugendicken erforderlich werden kön-nen. Geeignete Klebfugendicken liegenim Bereich bis 2 mm. Im Vergleichhierzu müssen nach [3] Silikonfugenin Structural Sealant Glazing Syste-men mindestens 6 mm dick sein, umToleranzen und unterschiedliche Tem-peraturausdehnungen über die Silikon-fuge aufnehmen zu können. Auftre-tende Ungenauigkeiten können somitdurch UV- und lichthärtende Acrylatenur entsprechend ihrer Schichtdickenausgeglichen werden. Diese UV- undlichthärtenden Acrylate vergilben be-ziehungsweise verfärben nicht unterdem Einfluss von UV-Strahlung.

Wegen ihrer „glasklaren“ Trans-parenz bieten sich UV- und licht-härtende Acrylate besonders an, Glaspunktförmig, linienförmig oderflächenförmig über die Glasfläche zukleben. Die Klebung selbst tritt inden Hintergrund und lässt lediglichdie beiden geklebten Materialien imBlickpunkt des Betrachters. Die An-fangsreißfestigkeit der Klebstoffe liegtetwa eine Zehnerpotenz über derFestigkeit der Silikone, so dass Kleb-flächen entsprechend geringer dimen-sioniert werden können. Mit einer

höheren Festigkeit sinkt auch dieNeigung der Klebstoffe, unter demEinfluss von Dauerlasten zu kriechen.Durch gezielte Weiterentwicklung derAcrylate durch den Klebstoffherstellerverfügen die ehemals sehr sprödenKlebstoffe auch über elastische Eigen-schaften (vgl. Tabellen 1 und 2), sodass kleinere Bauteilverformungendurch Temperatureinflüsse auch überdie Klebungen aufgenommen werdenkönnen [4].

3 Prüfkörperversuche

Die Einführung alternativer Klebstoffeim Konstruktiven Glasbau ist ein bau-aufsichtlich langwieriger Prozess underfordert zahlreiche Untersuchungenin Bezug auf die Alterungsbeständig-keit der Klebungen sowie bauteilbe-zogene Prüfungen [4], [13]. Daherwurde die Alterungsbeständigkeit vonKlebungen aus unbehandeltem Glasin Verbindung mit glanzverchromtem,mattverchromtem und pulverbeschich-tetem Messing, gedrehtem, poliertemund geschliffenem Edelstahl sowieeloxiertem Aluminium an Prüfkörpernin Verbindung mit fünf verschiedenenstrahlungshärtenden Acrylaten in An-lehnung an die europäische Richtlinie

[3] untersucht. Diese Metalle undOberflächen repräsentieren Materia-lien, die tatsächlich für Beschläge imInnen- und Außenbereich Verwendungfinden. Es ergeben sich 35 verschie-dene Materialkombinationen, für diees galt, Aussagen zur Langzeitbestän-digkeit zu sammeln (Tab. 3). Zur Er-mittlung der Klebfestigkeit senkrechtzur Klebung wird der sogenannte Zy-linderzugversuch (Bild 2) verwendet[14]. Die Schubfestigkeit parallel zurKlebfuge wird am Druckscherprüf-körper ermittelt, der gleichermaßenfür Klebungen von Glas und Glas wieauch für Klebungen von Glas undMetall geeignet ist.

Da Klebungen von einer Vielzahlanwendungsbezogener Faktoren ab-hängig sind und die enorme Anzahlder Prüfkörper nicht komplett in An-lehnung an [3] geprüft werden konnte,war es notwendig, die Prüfkörperan-zahl sinnvoll einzuschränken [13],[14]. Als erster Schritt wurde an einerAuswahl an Prüfkörpern untersucht,inwiefern die unterschiedlichen Seitendes Floatglases aufgrund unterschiedli-cher Rauhigkeiten (Bild 3) beziehungs-weise Zinngehalte der Oberflächen aufdie Langzeitbeständigkeit der Klebun-gen Einfluss nehmen [15], [16]. Es

Tabelle 1. Grundlegende Eigenschaften ausgewählter Acrylate im VergleichTable 1. Comparison of basic properties of selected acrylates

Klebstoff 1 PB 4468 PB 55727 PB 55789 PB 56422 PB 4432

chemische Basis modifiziertes modifiziertes modifiziertes modifiziertes modifiziertes Acrylat Acrylat Urethanacrylat Urethanacrylat Acrylat

Wellenlängenbereich in nm 320 bis 450 320 bis 420 320 bis 420 320 bis 420 380 bis 450

Farbe farblos klar

Viskosität in mPas 7000 50000 65000 70000 320

Aushärtungszeit in s 40 35 18 13 40

Wärmedehnkoeffizient in K—1 ~ 170 bis 250 · 10—6

1 Die Kennwerte wurden den Datenblättern des Herstellers entnommen [5 bis 9].

Tabelle 2. Physikalische Eigenschaften von Silikonen und Acrylaten im VergleichTable 2. Comparison of physical properties of acrylates and silicones

Eigenschaften1 SG-5002 SG-203 PB 4468 PB 55727 PB 55789 PB 56422 PB 4432

Reißdehnung in % 209,68 382,80 290,43 317,48 238,00 136,00 296,40

Reißdehnung in % nach 21 d Wasserlagerung 281,41 304,25 291,33 269,13 216,09 132,26 281,74

Reißfestigkeit in N/mm2 1,74 1,89 19,86 18,54 26,14 25,15 18,90

Reißfestigkeit in N/mm2 nach 21 d Wasserlagerung 1,67 1,83 9,41 9,49 14,11 14,50 8,89

1 Die Ermittlung der Kennwerte erfolgte am Schulterstab 5A gemäß [10]. Für diese Prüfung wurde eine einheitliche Prüfgeschwindigkeit von 5 mm/mingewählt.

2 Zweikomponentiges bauaufsichtlich zugelassenes Silikon Sikasil® SG-500 [11]. 3 Einkomponentiges bauaufsichtlich zugelassenes Silikon Sikasil® SG-20 [12].

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gen an der Atmosphärenseite des Gla-ses vorgenommen.

Zur Selektion aussichtsreicherMaterialkombinationen wurden Vor-versuche vorgenommen, bei denen le-diglich die Festigkeiten ungealterterPrüfkörper mit denen gealterter Prüf-körper nach Wasserlagerung vergli-chen wurden. Aus diesen Versuchenwurden die vielversprechendsten Ma-terialkombinationen herausgefiltert,die für punkt- und linienförmige Kle-bungen im Innen- und AußenbereichVerwendung finden.

An Klebungen aus Glas mit elo-xiertem Aluminium wurden anhandzweier Klebstoffe, die prinzipiell auf-grund ihrer Festigkeiten für punkt-und linienförmige Klebungen geeig-net erschienen, Untersuchungen zumEinfluss der Schichtdicke durchge-führt. Aus diesen Versuchen wurdefür die sich anschließenden Haupt-versuche eine einheitliche Schicht-dicke von 0,2 mm festgelegt.

In den Hauptversuchen wurdendie selektierten Materialienkombina-tionen in Anlehnung an [3] gealtert.An 15 Materialkombinationen wurden12 Alterungstests (s. Tabelle 4) sowohlan Zug- als auch an Schubproben mitje 5 Prüfkörpern durchgeführt. Dabeiwurden für Anwendungen im Innen-und Außenbereich sinnvolle Alterungs-szenarien gewählt und ergänzt. Aus-gewertet wurden die Anfangs- undRestfestigkeit sowie die Bruchbilderdahingehend, ob adhäsives oder ko-häsives Versagen vorlag, ein Fügeteil-bruch eintrat oder ob ein Mischbruchvorlag [17]. Außerdem wurde gemäßRichtlinie geprüft, ob eine Restfestig-keit von 75 % vorhanden ist. Außer-dem wurden die charakteristischenBruchfestigkeiten bei +23, –20 und+80 °C ermittelt [3].

Die Restschubfestigkeiten nachEinlagerung im SUN-Test, einer kom-binierten Beanspruchung aus Wasser-einwirkung bei erhöhter Temperatur

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B. Weller/S. Tasche · Strukturelles Kleben im Konstruktiven Glasbau

Stahlbau Spezial 2008 – Konstruktiver Glasbau

Bild 2. ZylinderzugprüfkörperFig. 2. Test specimens to investigate thetensile strength

Bild 3. Unterschiedliche Oberflächen-rauhigkeiten von Atmosphären- undBadseite des Floatglases [16]Fig. 3. Different roughness of bath- andatmosphere side of float glass [16]

Tabelle 3. Untersuchte MaterialkombinationenTable 3. Investigated combinations of materials

MK 11 MK 22 MK 33 MK 44 MK 55 MK 66 MK 77

M-GV, GU M-MV, GU M-PB, GU E-GD, GU E-PO, GU A-EL, GU E-GS, GU

1 PB 04468 11 12 13 14 15 16 17

2 PB 55727 21 22 23 24 25 26 27

3 PB 55789 31 32 33 34 35 36 37

4 PB 55779 41 42 43 44 45 46 47

5 PB 56422 51 52 53 54 55 56 57

1 glanzverchromtes Messing, unbehandeltes Floatglas; 2 mattverchromtes Messing, unbehandeltes Floatglas; 3 pulverbeschichtetes Messing, unbe-handeltes Floatglas; 4 gedrehter Edelstahl, unbehandeltes Floatglas; 5 polierter Edelstahl, unbehandeltes Floatglas; 6 eloxiertes Aluminium, unbe-handeltes Floatglas; 7 geschliffener Edelstahl, unbehandeltes Floatglas;

zeigte sich hier, dass an der Atmo-sphärenseite langzeitbeständigere Kle-bungen möglich sind (Bild 4). Infolge-dessen wurden alle weiteren Klebun-

Bild 4. Zugfestigkeiten von Atmosphären- und Badseite des Floatglases vor undnach AlterungFig. 4. Tensile strengths of bath- and atmosphere side of float glass before and afterageing

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und UV-Bestrahlung, zeigen, dass diegeforderte Restfestigkeit von 75 % inkeinem Fall eingehalten wird (Bild 5).Auch eine reine Wasserlagerung führtezu einem vergleichbaren Festigkeits-verlust. Nichtsdestotrotz sind die Rest-festigkeiten immer noch deutlich höherals die der Silikone. Eine reine UV-Bestrahlung führt hingegen zur Ver-festigung, vermutlich verursacht durchNachvernetzung der Klebstoffe.

Die Ergebnisse nach einem JahrFreibewitterung (Bild 6) fallen sehrdifferenziert aus (Bild 7). Bei Zugpro-

ben zeigte sich ein erhöhter Festigkeits-abfall für den PB 4468 und PB 55727auf Edelstahl und eloxiertem Alumi-nium. Bei den Schubproben hatte derPB 4468 den größten Festigkeitsab-fall. Repräsentativ für alle Ergebnisseder Alterungstests kann festgehaltenwerden, dass ein einheitlicher Sicher-heitsfaktor zur Bemessung von Acry-latklebungen nicht festgelegt werdenkann, da die Ergebnisse in Abhängig-keit vom Klebstoff und den zu kleben-den Materialien zu sehr schwanken.

Darüber hinaus wurde an einigenMaterialkombinationen versucht, dieLangzeitbeständigkeit durch Ober-flächenvorbehandlung zu verbessern.Oberflächenvorbehandlungsverfahrenkönnen dazu dienen, die Adhäsionauf Oberflächen beziehungsweise dieAlterungsbeständigkeit der Klebungenzu verbessern. Aufgrund dessen wurdeversucht, die Ergebnisse bei Wasserla-gerung an Klebungen auf poliertemEdelstahl durch Oberflächenvorbe-handlung zu verbessern. Das Glas wur-de hierbei gereinigt und anschließendmittels Pyrosil®-Verfahren vorbehan-delt. Auf Seiten des Metalls wurdenebenfalls das Pyrosil®-Verfahren, dasAtmosphärenplasma und das SACO-Verfahren angewandt. Man erkennt,dass in allen Fällen die Anfangsfestig-keit gravierend verbessert werdenkann. Nach Wasserlagerung ist dergeringste Festigkeitsabfall an sandge-strahlten Oberflächen zu erkennen.Ein vorwiegend adhäsives Versagenauf der Metallseite konnte jedoch nichtvermieden werden (Bild 8).

Grundsätzlich wurde aufgrundder wesentlich kleineren Klebfläche

ein größerer Festigkeitsabfall an denDruckscherprüfkörpern festgestellt.Im Rahmen dieser Untersuchungenwurde festgestellt, dass die verschie-denen Edelstahloberflächen zu keinenwesentlich unterschiedlichen Kleb-festigkeiten führen. Vielmehr scheintdie Klebfestigkeit durch die klebtech-nischen Eigenschaften des Grundma-terials bestimmt zu werden. Gute Al-terungsbeständigkeiten konnten fürKlebungen auf eloxiertem Aluminiumnachgewiesen werden. Jegliche Was-sereinwirkung ist problematisch undmuss konstruktiv vermieden werden.Bei +80 °C zeigte sich ein größererFestigkeitsabfall, jedoch sind dieübertragbaren Kräfte noch wesent-lich größer als die der Silikone. DieEinwirkung von Kälte, UV-Einstrah-lung und Klimawechsel ist als unpro-blematisch einzustufen.

Tabelle 4. Durchgeführte Alterungstestsin Anlehnung an [3]Table 4. Executed ageing tests accor-ding to [3]

Klebfestigkeit bei +23 °C AF2 23

Klebfestigkeit bei –20 °C RF3 20

Klebfestigkeit bei +80 °C RF 80

Wasserlagerung mitUV-Bestrahlung – SUN-Test RF S

UV-Bestrahlung RF UV

Wasserlagerung RF WL

Feuchtigkeit und NaCl-Umgebung RF SS

Reinigungsmittel RF RM

Feuchtigkeit und SO2-Umgebung RF SO2

Einfluss angrenzenderMaterialien RF KM

Klimawechsel1 RF KW

Freibewitterung1 RF FB

1 Diese Alterungstests wurden zusätzlich zur [3]durchgeführt.

2 Anfangsfestigkeit3 Restfestigkeit

Bild 5. Restfestigkeiten ausgewählter Materialkombinationen nach 21 d SUN-Test(RF S) und 21 d Wasserlagerung (RF WL)Fig. 5. Residual strengths of some adhesive bonded joints after ageing, 21 d SUN-Test(RF S), 21 d water immersion (RF WL)

Bild 6. Freibewitterungsstand auf demDach des Beyer-Baus der TU Dresdenmit eingelegten Zug- und Schubprüf-körpernFig. 6. Natural weathering of tensile andshear test specimens on the roof of Beyer-Bau of TU Dresden

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Die Ergebnisse der Langzeit-prüfungen zum Kriechverhalten derAcrylate im Vergleich zum Silikon ha-ben bewiesen, dass bei Raumtempera-tur eine deutlich geringere Kriechnei-gung vorhanden ist. Nach Entlastungwird ein Großteil derVerformung ela-stisch reversibel abgebaut. Der deutli-che Festigkeitsabfall bei Raumtempe-ratur (RF 80) macht diesbezüglich wei-tere Untersuchungen erforderlich.

4 Bauteilversuche

Das Potential von UV- und lichthär-tenden Acrylaten wurde außerdemüber Trag- und Gebrauchstauglich-keitsprüfungen in verschiedenen An-wendungen entsprechend den gelten-den Richtlinien im KonstruktivenGlasbau geprüft. Im Speziellen wur-den Glasausfachungen in Absturzsi-cherungen, Glaslamellen im Fassaden-bereich sowie Überkopfverglasungenin geklebten Varianten untersucht.Die Prüfungen wurden in der Regelan ungealterten Bauteilen vorgenom-men. Teilweise wurden gleichartig ge-klebte Bauteile der Freibewitterungausgesetzt. Diese werden regelmäßigkontrolliert und nach mehrjährigerFreibewitterung geprüft. Zudem wurdeuntersucht, inwiefern die Klebungenin der Lage sind, Zwangsbeanspru-chungen infolge Temperatur auszu-gleichen.

Ein Vordachsystem diente dazu,punktförmig mit Acrylat geklebte Ver-bund-Sicherheitsgläser aus 2 ¥ 8 mmTVG im Überkopfbereich zu prüfen.Dabei wurde unterschieden in punkt-förmig angehängte und punktförmigaufgeklebte Gläser. Für beide Varian-ten wurde die Tragfähigkeitsprüfungbis zur dreifachen charakteristischenLast durchgeführt, ohne dass ein Ver-sagen der Glasscheibe oder der Kle-bungen eintrat. Die anschließendeResttragfähigkeitsprüfung wurde unterBeaufschlagung der halben charakte-ristischen Last und Anschlagen derGlasscheiben an statisch ungünstig-ster Stelle vorgenommen. Die Rest-standzeit übertraf die bauaufsichtlich

geforderte Zeit bei weitem. In keinemFall kam es zum Versagen der Kle-bungen. Nach mehrjähriger Freibe-witterung werden die gleichen Prüfun-gen an aufbaugleichen Überkopfver-glasungen durchgeführt (Bilder 9 und10).

An zwei verschiedenen Glasla-mellensystemen, einem Einfeld- undeinem Zweifeldträgersystem, wurdenpunkt- und linienförmige Klebungeneiner Trag- und Resttragfähigkeits-prüfung unterzogen, wobei die Glas-lamellen sowohl mit Silikon als auchmit einem UV- und lichthärtendenAcrylat geklebt wurden (Bild 11). DieEinfeldträgersysteme konnten auf-grund der großen Verformungen etwabis zur vierfachen charakteristischenLast beansprucht werden. Die Zwei-feldträgersysteme hielten etwa demachtfachen Lastniveau stand. Im Falleeines Scheibenbruchs kam es zumBruch der Unterkonstruktion bezie-hungsweise das Glas wurde an punkt-förmigen Acrylatklebungen kreisför-mig bis zur PVB-Ebene herausgeris-sen (Bild 12). Die Klebungen als solcheblieben intakt. Im Anschluss wurdendie Glaslamellen nach Scheibenbrucherfolgreich einer Resttragfähigkeits-prüfung unterzogen. Für beide Kleb-

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B. Weller/S. Tasche · Strukturelles Kleben im Konstruktiven Glasbau

Stahlbau Spezial 2008 – Konstruktiver Glasbau

Bild 7. Restfestigkeiten ausgewählter Materialkombinationen nach 1 a Freibewitte-rung (RF FB1)Fig. 7. Residual strengths of selected adhesive bonded joints after 1 a natural weathe-ring (RF FB1)

Bild 8. Restfestigkeit der Klebungen anvorbehandeltem poliertem Edelstahl, R0Standardreinigung,V1 Pyrosil®-Verfahrennach R0, V2 Atmosphärenplasma nachR0, V3 Sandstrahl-Coating nach R0Fig. 8. Residual strengths of adhesivebonded joints with pre-treated polishedstainless steel, R0 preset cleaning, V1Pyrosil®-technique after R0, V2 atmos-pheric plasma after R0, V3 grit blastingafter R0

Bild 9. Geklebte Überkopfverglasung inder FreibewitterungFig. 9. Adhesively connected overheadglazing during natural weathering

Bild 10. Detail der geklebten Überkopf-verglasungFig. 10. Detail of the adhesively connec-ted overhead glazing

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B. Weller/S. Tasche · Strukturelles Kleben im Konstruktiven Glasbau

stoffe konnte die Eignung an ungeal-terten Bauteilen nachgewiesen wer-den. Zwei punkt- und linienförmig mitAcrylat geklebte Glaslamellen unter-liegen noch der Freibewitterung undwerden nach mehrjähriger Freibewit-terung in gleicher Vorgehensweise ge-prüft. Bisher konnten keinerlei Schä-den an den Klebungen festgestellt wer-den [4]. Wichtig ist eine nachgiebigeHalterung, um Spannungsspitzen imGlas zu vermeiden. Zwangsspannun-gen aus Temperatur sind bei dünnenFugen immer zu beachten und sollten

entweder konstruktiv vermieden oderdurch dickere Fugen abgemildert wer-den.

5 Ausblick

Die Ergebnisse derAlterungstests undBauteilversuche haben gezeigt, dassstrahlungshärtende Acrylate im Kon-struktiven Glasbau sinnvoll genutztwerden können, sofern anhaltendeFeuchtigkeit vermieden, eine nach-giebige Halterung verwendet, einezwängungsarme Lagerung in Schei-benebene geplant beziehungsweiseausreichend dicke Klebfugen vorgese-hen werden. Diese Ergebnisse stelleneinen Grundstock dar, um UV- undlichthärtende Acrylate nach Gesichts-punkten des Konstruktiven Glasbausfür Anwendungen im Innen- undAußenbereich zu bewerten. Fortfüh-rende Untersuchungen gehen dahin,die Restfestigkeit nach Alterung zuverbessern und die Tragfähigkeit frei-bewitterter geklebter Bauteile zu un-tersuchen.

Dank

Die dargelegten Ergebnisse sind vor-wiegend im Rahmen eines von derArbeitsgemeinschaft industrielle For-schung geförderten Forschungsver-bundprojektes entstanden. Besonde-rer Dank gilt der Firma KL BeschlägeKarl Loggen GmbH, der Firma DeloIndustrieklebstoffe GmbH & Co. KGsowie dem Institut für Werkstoff- undStrahltechnik in Dresden, in dessenLabor die Alterungstests durchgeführtwurden. Die Bauteilversuche wurdenaußerdem fachlich und materiell un-terstützt durch die Sika Services AGsowie die Firma Colt InternationalGmbH.

Literatur

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[12] Sika Schweiz AG: Product DataSheet Sikasil® SG-20, Zürich 2006.

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[16] Peters, S.: Kleben von GFK undGlas für baukonstruktive Anwendun-gen. Dissertation, Universität Stuttgart,2006.

[17] DIN EN ISO 10365: Klebstoffe –Bezeichnung der wichtigsten Bruchbil-der, Ausgabe 08/1995. Berlin: BeuthVerlag.

[18] Weller, B., Prautzsch, V., Tasche, S.,Vogt, I.: Einsatz höherfester Klebstoffeim Glasbau. VDI-Bericht 1933. Düssel-dorf: VDI Verlag 2006, S. 87–102.

[19] Weller, B., Prautzsch, V., Tasche, S.,Vogt, I., Jansen, I.: Fügen und Verbin-den mit UV- und lichthärtenden Acryla-ten. Stahlbau 75 (2006), S. 521–528.

Autoren dieses Beitrages:Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weller, Dr.-Ing. Silke Tasche,Technische Universität Dresden, Fakultät Bauingenieurwesen, Institut für Baukonstruktion, 01062 Dresden

Bild 11. Punkt- und linienförmig ge-klebte Glaslamellen als Ein- und Zwei-feldträgersystem Fig. 11. Adhesive point and linear fixingsfor the connection of one-span or conti-nuous girders and glass

Bild 12. Glaslamelle nach Tragfähig-keitsprüfung mit bis zur PVB-Ebeneherausgerissenem Punkthalter und ge-brochenem GlashalterFig. 12. Adhesively connected louverafter having tested its load bearingcapacity, showing one torn out pointfixing and one broken fixing

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