strategieinduziertes crm-controlling bei borussia dortmund

6
PRAXIS 48. Jg. 2004, H.2 | Controlling & Management | ZfCM 119 Einleitung Das Kerngeschäft Fußball wurde bei vie- len Bundesligavereinen längst um soge- nannte fußballnahe Geschäftsfelder erwei- tert. So zählen bei Borussia Dortmund eine eigene Teamsportmarke (goool.de) ebenso wie ein eigenes Reisebüro oder auch eine Internetagentur (Sports&Bytes) zur Unternehmensgruppe. Insgesamt er- zielt die Branche allein in Deutschland jährlich ein Umsatzvolumen von mehr als einer Milliarde Euro. Dieser gestiege- nen Komplexität durch die Vielfalt von Segmenten, Vertriebskanälen und Ge- schäftsmodellen soll durch eine Verbesse- rung der Analysefähigkeit von Vertriebs- maßnahmen einer nachhaltigen Effizienz- steigerung in der Fan- und Kundenan- sprache und -bearbeitung sowie der Er- höhung der Dienstleistungs- und Service- qualität begegnet werden. Unter dem Motto „Kommerz mit Herz“ geht es Borussia Dortmund nicht aus- schließlich um die Entwicklung und Ge- winnung von Kunden im Premiumseg- ment. Es geht vielmehr strategisch auch darum, eine nachhaltige emotionale Bin- dung der Fans an den Verein auf breiter Basis zu erlangen. Fußballclubs besitzen hier eine Ausnahmestellung, da traditio- nell eine hohe emotionale Bindung eben- so wie eine hohe und oftmals dauerhafte Loyalität zwischen Verein sowie Fans und Kunden gegeben ist. In den sich zunehmend schneller ver- ändernden Märkten wird zukünftig für viele Unternehmen die Qualität ihres Kundenzugangs sowie die Analyse kun- dengerichteter Maßnahmen von ent- scheidender unternehmerischer Bedeu- tung sein. Das Customer Relationship Manage- ment (CRM) leistet hier einen Beitrag „zur aktiven und systematischen Analyse, Planung, Gestaltung und Kontrolle der Kundenbeziehung (…). Insofern handelt es sich um ein ganzheitliches Konzept der Unternehmensführung, das alle kun- denbezogenen Prozesse abteilungsüber- greifend integriert und optimiert“ (Strauß 2001, S. 249). Kundenbeziehungsmana- gement, Kundenbindungsmanagement und die Messung des Maßnahmenerfolgs sind die Konzepte beziehungsweise An- sätze, die dabei in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken. (vgl. Brezina 2001). Voraussetzung einer Realisierung des Customer-Relationship-Managements und CRM-Controlling ist eine weitge- hend integrierte Informationswertschöp- fungskette, um bereichs-/spartenübergrei- fende und damit kunden- bzw. kunden- gruppenspezifische Auswertungen zu er- möglichen. Für das CRM-Controlling heißt das, eine integrierte Infrastruktur im Sinne einer analytischen CRM-Lösung zu implementieren, um damit problemindu- zierte Abfragen und Maßnahmenentwick- lungen sicherzustellen. Strategieinduziertes CRM- Controlling bei Borussia Dortmund Dirk Kleine / Detlef Thiemann Voraussetzung eines funktio- nierenden CRM-Controlling ist die Einbettung in den Strategie- prozess des Unternehmens. Die Balanced Scorecard ist ein geeignetes Instrument zur Steuerung von CRM-Maßnahmen. Die Zielgruppen eines CRM sowie deren Bedürfnisstrukturen müssen selektiert und analysiert werden. Das operative CRM-Controlling setzt bereits am Beginn der Wert- schöpfungskette im Vertrieb an. Bewertungs- und Analysekon- zepte von Kundenbeziehungen sind am Kundenlebenszyklus auszurichten. Strategierelevanz des CRM-Ansatzes Wichtige Voraussetzung eines funktio- nierenden CRM-Controlling ist die Einbettung in den Strategieprozess des Unternehmens. Dabei sollten strategiekon- forme segment- und produktgruppen- orientierte Planungsinformationen und Zielvorstellungen maßgeblich bei der Fest- legung und Installation von Auswertungs- routinen und Analysemuster berücksich- tigt werden. Die Balanced Scorecard liefert Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Geschäftsprozessmanagement, Postfach 19 40, 49009 Osnabrück E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Dirk Kleine, University of Applied Sciences Osnabrück, Kontakt: Prof. Dr. Dirk Kleine, University of Applied Sciences Osnabrück,

Upload: detlef-thiemann

Post on 25-Aug-2016

215 views

Category:

Documents


2 download

TRANSCRIPT

Page 1: Strategieinduziertes CRM-controlling bei borussia Dortmund

PRAXIS

48. Jg. 2004, H.2 | Controlling & Management | ZfCM 119

Einleitung

Das Kerngeschäft Fußball wurde bei vie-len Bundesligavereinen längst um soge-nannte fußballnahe Geschäftsfelder erwei-tert. So zählen bei Borussia Dortmundeine eigene Teamsportmarke (goool.de)ebenso wie ein eigenes Reisebüro oderauch eine Internetagentur (Sports&Bytes)zur Unternehmensgruppe. Insgesamt er-zielt die Branche allein in Deutschlandjährlich ein Umsatzvolumen von mehrals einer Milliarde Euro. Dieser gestiege-nen Komplexität durch die Vielfalt vonSegmenten, Vertriebskanälen und Ge-schäftsmodellen soll durch eine Verbesse-rung der Analysefähigkeit von Vertriebs-maßnahmen einer nachhaltigen Effizienz-steigerung in der Fan- und Kundenan-sprache und -bearbeitung sowie der Er-höhung der Dienstleistungs- und Service-qualität begegnet werden.

Unter dem Motto „Kommerz mit Herz“geht es Borussia Dortmund nicht aus-schließlich um die Entwicklung und Ge-winnung von Kunden im Premiumseg-ment. Es geht vielmehr strategisch auchdarum, eine nachhaltige emotionale Bin-dung der Fans an den Verein auf breiterBasis zu erlangen. Fußballclubs besitzenhier eine Ausnahmestellung, da traditio-nell eine hohe emotionale Bindung eben-so wie eine hohe und oftmals dauerhafteLoyalität zwischen Verein sowie Fans undKunden gegeben ist.

In den sich zunehmend schneller ver-ändernden Märkten wird zukünftig fürviele Unternehmen die Qualität ihresKundenzugangs sowie die Analyse kun-dengerichteter Maßnahmen von ent-scheidender unternehmerischer Bedeu-tung sein.

Das Customer Relationship Manage-ment (CRM) leistet hier einen Beitrag„zur aktiven und systematischen Analyse,Planung, Gestaltung und Kontrolle derKundenbeziehung (…). Insofern handeltes sich um ein ganzheitliches Konzeptder Unternehmensführung, das alle kun-denbezogenen Prozesse abteilungsüber-greifend integriert und optimiert“ (Strauß2001, S. 249). Kundenbeziehungsmana-gement, Kundenbindungsmanagementund die Messung des Maßnahmenerfolgssind die Konzepte beziehungsweise An-sätze, die dabei in den Mittelpunkt derBetrachtung rücken. (vgl. Brezina 2001).Voraussetzung einer Realisierung desCustomer-Relationship-Managementsund CRM-Controlling ist eine weitge-hend integrierte Informationswertschöp-fungskette, um bereichs-/spartenübergrei-fende und damit kunden- bzw. kunden-gruppenspezifische Auswertungen zu er-möglichen. Für das CRM-Controllingheißt das, eine integrierte Infrastruktur imSinne einer analytischen CRM-Lösung zuimplementieren, um damit problemindu-zierte Abfragen und Maßnahmenentwick-lungen sicherzustellen.

Strategieinduziertes CRM-Controlling bei Borussia DortmundDirk Kleine/Detlef Thiemann

● Voraussetzung eines funktio-nierenden CRM-Controlling istdie Einbettung in den Strategie-prozess des Unternehmens.● Die Balanced Scorecard istein geeignetes Instrument zurSteuerung von CRM-Maßnahmen.● Die Zielgruppen eines CRMsowie deren Bedürfnisstrukturenmüssen selektiert und analysiertwerden.● Das operative CRM-Controllingsetzt bereits am Beginn der Wert-schöpfungskette im Vertrieb an.● Bewertungs- und Analysekon-zepte von Kundenbeziehungensind am Kundenlebenszyklusauszurichten.

Strategierelevanz des CRM-Ansatzes

Wichtige Voraussetzung eines funktio-nierenden CRM-Controlling ist dieEinbettung in den Strategieprozess desUnternehmens. Dabei sollten strategiekon-forme segment- und produktgruppen-orientierte Planungsinformationen undZielvorstellungen maßgeblich bei der Fest-legung und Installation von Auswertungs-routinen und Analysemuster berücksich-tigt werden. Die Balanced Scorecard liefert

Betriebswirtschaftslehre, insbesondereGeschäftsprozessmanagement,Postfach 19 40, 49009 OsnabrückE-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Dirk Kleine,University of Applied Sciences Osnabrück,Kontakt: Prof. Dr. Dirk Kleine, University of Applied Sciences Osnabrück,

Page 2: Strategieinduziertes CRM-controlling bei borussia Dortmund

120 ZfCM | Controlling & Management | 48. Jg. 2004, H.2

Segment- und Spartenebene nach sichziehen muss (vgl. Link 2002, S. 544).

• Ein ganzheitliches Planungs- und Steue-rungssystem sowohl Früh- als auchSpätindikatoren beinhaltet sollte.

Ein häufig diskutierter Mangel traditionel-ler Konzepte liegt in der Vernachlässigungnachhaltiger Erfolgswirkungen zu Guns-ten einer kurzfristigen, vergangenheits-orientierten Sichtweise. Daneben wird unterSteuerungsgesichtspunkten eine Frühzei-tigkeit und Ganzheitlichkeit der Erfolgs-messung und -beeinflussung versäumt.Das Management von Bundesligaverei-nen ist vor diesem Hintergrund an einemwertorientierten Steuerungskonzept aus-zurichten. Die Abbildung 1 verdeutlichtdie strategischen und operativen Ebenen,die im Rahmen eines integrierten Pla-nungsansatzes zu berücksichtigen sind.

Die Forderung eines wertorientiertenControlling ist demnach auch auf dieSteuerung der Aktivitäten und Maßnah-men für Produkte und Kundensegmentezu übertragen. Als Ansatzpunkte für einegezielte wertorientierte Ausrichtung die-nen hierbei Werttreiber. Sie stellen die Ver-bindung zwischen den monetären und inder klassischen Steuerung häufig vernach-

eine wertvolle Hilfestellung für die Kon-kretisierung beziehungsweise Transforma-tion strategischer Zielvorstellungen in ope-rative Steuerungsgrößen.

Ausgangspunkt und Ziel des CRM-Ansatzes bei Borussia Dortmund ist es, denKontakt mit Fans, Kunden, Sponsoren undPartnern professionell zu managen, um fürden Verein und seine Stakeholder zusätz-liche Wertschöpfung zu erzielen. Vor die-sem Hintergrund ist der Auslöser einesCRM-Controlling die Tatsache, dass tra-ditionelle, GuV-orientierte Analysen nureinen Teil der geforderten Informationenbereitstellen können und darüber hinausals Spätindikatoren i. d . R. für eine prä-ventive Maßnahmeneinleitung nicht recht-zeitig verfügbar sind. Aus Unternehmens-und Profit-Center-Sicht ist zu berücksich-tigen, dass:• Wertsteigerung eng an Veränderungen

geknüpft ist und eine frühzeitige Ein-flussnahme sowie langfristige Wir-kungseffekte berücksichtigen mussund somit eine Konkretisierung auf

44139 DortmundE-Mail:[email protected]: www.BVB09.de oderwww.Borussia-Aktie.de

Detlef Thiemann,Leiter Controlling, Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA undGeschäftsführer Sports&Bytes GmbH,Kontakt: Detlef Thiemann, Rheinlanddamm 207 – 209,

Abbildung 1: Ebenen der Unternehmensplanung (in Anlehnung an Hardt/Rindler 2003, S. 274)

Abbildung 2: Perspektiven der Balanced Scorecard (in Anlehnung an Kaplan/Norton 1996)

Page 3: Strategieinduziertes CRM-controlling bei borussia Dortmund

PRAXIS

48. Jg. 2004, H.2 | Controlling & Management | ZfCM 121

lässigten nicht-monetären Steuerungsgrö-ßen dar.

In dieser Hinsicht spielt die BalancedScorecard eine wichtige Rolle. Sie stellt einManagementinstrument für eine ganz-heitliche Unternehmensführung dar. IhrZiel ist es, aus der Unternehmensstrategiekonkrete operationale Ziele und Kennzah-len abzuleiten, um so ein ausgewogenesVerhältnis zwischen strategischen Zielenund operativen Ergebnisgrößen zu errei-chen. Gleichzeitig wird eine gleichgewich-tige Betrachtung von finanziellen undnicht-finanziellen Steuerungsgrößen mög-lich. In die Balanced Scorecard sollen allerelevanten Erfolgsfaktoren und Werttrei-ber einbezogen werden. Daher soll siegleichzeitig als Grundlage des hier vorge-stellten Ansatzes eines CRM-Controllingfür Bundesligavereine zu Grunde gelegtwerden.

Das Ziel ist es, Ursache-Wirkungs-Zu-sammenhänge zwischen den Perspektiven(vgl. Abbildung 2) zu ermitteln und denmarkt- und finanzbezogenen Unterneh-menserfolg frühzeitig erkennbar, gestalt-bar und im Hinblick auf die formuliertenZiele steuerbar zu machen. (z. B. durchAktivitäts- und Stückzieldefinitionen).

Grundlage für die Ableitung von ope-rativen Planungsgrößen ist somit zunächstdie Definition strategischer Ziele. Beispie-le einer strategisch erforderlichen Vorgabevon Vertriebssteuerungszielen sind:• Marktanteilsziele (Bsp.: Fanpotenziale),

gegebenenfalls unter Berücksichtigungder Wettbewerbsveränderungen und -entwicklungen.

• Volumen und Stückzahlen für zu för-dernde Produkte und Dienstleistungenangesichts der strategischen Ausrich-tung.

Die Herausforderung liegt in der Übertra-gung und Anwendung des wertorientiertenAnsatzes auf strategisch abgeleitete Struk-tur-/Volumens- und Aktivitätsziele sowiemonetäre Steuerungsgrößen und Kenn-zahlen. Für das hier vorliegende Geschäfts-feld bedeutet dies konkret:• Neukundengewinnung für spezielle

Segmente (Bsp.: Vereinsmitglieder)• Kundenbindungsziele zum Aufbau von

Image und Erfolgspotenzialen (Bsp.:Anzahl Vertragsverlängerungen in ein-zelnen Sponsoringsegmenten)

• Kundenrückgewinnung und Reaktivie-rung passiver Geschäftsbeziehungen

• Aktivierung förderungswürdiger Ver-triebskanäle (Bsp.: BVB-Portal als zen-trale Kommunikations- und Vertriebs-plattform)

Ableitung operativer Erfordernisse für das CRM-Controlling beim BVB

Neben allen technischen Voraussetzungen,die bei einer Einführung von CRM ge-schaffen werden müssen, ist es zunächstnotwendig, die Bedürfnisse der Fans undKunden sowie deren Netzwerkkommuni-kation untereinander zu kennen. Einebreit angelegte Studie zum ökonomischenNutzen der Fan-Community und gezieltewiederkehrende Befragungen der unter-schiedlichen Zielgruppen machen es mög-lich, die spezifischen Bedürfnisse heraus-zuarbeiten. Dabei ist es auch wichtig, dielatenten und/oder noch unbekannten Fans(Sympathisanten) zu erreichen und Stra-tegien zu entwickeln, um deren persönlicheBindung an den Verein zu erreichen – mitdem Ziel, den Fan auch als Kunden zu ge-winnen und eine nachhaltige Beziehungaufzubauen. Die unterschiedlichen Ziel-gruppen von Borussia Dortmund zeigt dieAbbildung 3.

Wichtige Kriterien für die individuali-sierte Fan- und Kundensteuerung könnenüber eine kontinuierliche und konse-quente Datenerhebung gewonnen werden.Nachstehend sind einige Beispiele exem-plarisch genannt:• Demographische Segmentierung der

Fans und Kunden• Eintrittsbarrieren/Austrittsbarrieren• Fanclubaktivitäten – Erfolgsfaktoren• Zufriedenheit• Sponsorenaffinitäten• Werteverständnis• Persönliche Interessensgebiete• ProduktinteressenBisher wurden Fans und Kunden wenigdifferenziert behandelt, mit der Folge vonhohen Marketing- und Vertriebsaufwen-dungen bei geringer Zielgenauigkeit undhohen Streuverlusten. Genau hier setztCRM an. CRM bedeutet, die Fußballkun-den mit den für sie maßgeschneidertenProdukten und Serviceleistungen über die

Abbildung 3: Zielgruppen für ein CRM bei Borussia Dortmund

Page 4: Strategieinduziertes CRM-controlling bei borussia Dortmund

122 ZfCM | Controlling & Management | 48. Jg. 2004, H.2

gewünschten bzw. adäquaten Kanäle an-gemessen zu versorgen, zusätzlich abereine individuelle Beziehung aufzubauen.Dabei wird die Strategie von der bisheri-gen produkt- und spieltagsorientiertenSicht auf eine fan- und kundenorientierteSicht ausgerichtet.

Aufgabe und Voraussetzungen von CRM-Planungsprozessen

Zwingende Voraussetzung ist, eine konso-lidierte Kunden- und Kontaktbasis, um dieFans und Kunden sowie deren Bedürfnissezu kennen und aus den gewonnenen Datendie richtigen Rückschlüsse zu ziehen.

Mit der CRM-Strategie verfolgt derBVB folgende Ziele:• Bindung und Mobilisierung der Fan-

und Kundengemeinschaft• Intensivierung der Kommunikation

zwischen Verein, Fans und Kunden• Vernetzung der Fan- und Kundenprofile• Erschließung unausgeschöpfter Erlös-

potenziale (Cross-/Up-Selling)• Veredelung von Sponsoringaktivitäten

durch Einbindung der Fanbasis (Win/Win-Angebote)

• Ableitung von Strategien zur Steige-rung der organisierten Fanpotenzialeunter geografischen Gesichtspunkten

• Kostensenkung durch Prozessoptimie-rung in den Bereichen Service und Ak-quisition

• Erhöhung der Fan- und Kundenzufrie-denheit

Darüber hinaus sind die Aufwendungenund Erträge für alle Aktivitäten des Un-ternehmens im Zusammenhang mit derKundenbeziehung zu bemessen und zubewerten. Borussia Dortmund verfolgteinen integrierten CRM Ansatz bereits inder selektiven Abbildung und Auswertungdes Vertriebserfolges sowie der erforder-lichen -maßnahmen. Daher arbeiten sämt-liche Vertriebswege sowie ebenfalls alleverbundenen Unternehmen online auf ei-ner zentralen Daten-/Transaktionsbasis.

Die Wertschöpfungskette im Vertriebbeginnt bei der Strategiefindung, die überverschiedene Umsetzungsstufen in einekonkrete Auftragsabwicklung und Be-standspflege mündet. Es sind also sämt-liche Prozesse zu definieren, analysierenund zu bewerten, die in direktem und in-direktem Zusammenhang mit der Kam-pagne oder der CRM/Kundenstrategiestehen. „Vorn“ in der Wertschöpfungsket-te mit den Steuerungsaktivitäten zu begin-nen bedeutet bereits bei der Marktbear-beitung anzusetzen. Und das ist auchsinnvoll, denn die Zielgruppen „Markt“,„Interessenten“ und „Kunden“ bauenaufeinander auf und werden lediglich mitunterschiedlichen Instrumenten bearbei-tet. Eine ganzheitliche Vertriebssteuerungsetzt die gesamte Marktbearbeitung zuden erzielten Ergebnissen ins Verhältnis.

Die Ziele und Aufgaben der Vertriebs-steuerung zeigt die Abbildung 4.

KundenselektionDie Vertriebssteuerung muss ein kunden-bezogenes Controlling ermöglichen. Oftbesitzen Kunden als Business-Objekt imVergleich zu einzelnen Produkten ein Viel-faches an Ergebnispotenzial. Hintergrundder Kundenselektion ist es, dass alle Ak-quisitions- und Kundenbindungsaktivitä-ten grundsätzlich auf solche Kunden(-seg-mente) auszurichten sind, die für sie zu-mindest mittel- bis langfristig profitabelsind. Die Kundenanalyse bildet den Grund-stock und ist wesentliche Voraussetzungfür die Erreichung dieses Zieles. Dabei sindRückschlüsse auf die gegenwärtige und er-wartete Profitabilität der Kunden zu zie-hen. Weiterhin sind Verhaltensdaten desKunden, d. h. die Anzahl der Transaktio-nen oder die durchschnittlichen Saldi vonBedeutung, da sie Rückschlüsse auf dieProfitabilität des Kunden zulassen. Er-kenntnisse im beruflichen und privatenUmfeld des Kunden machen das Cross-Sel-ling-Potenzial transparent. Das bedeutet,dass dem Fan/Kunden gezielt auf seineBedürfnisse abgestimmte Eigenprodukteoder aber Sponsorenprodukte angebotenwerden können. Auf Basis dieser Erkennt-nisse lassen sich auch unterschiedlicheNormstrategien für die Produkt- und Ver-triebssteuerung ableiten (siehe Abbildung 5).

Der Aufwand, der in den Aufbau unddie Pflege der Kundenbeziehung investiertwird, soll in einem wirtschaftlich vorteil-haften Verhältnis zum Ertrag aus derKundenbeziehung stehen. Die Kunden-loyalität bildet eine Achse der dargestell-ten Portfolio-Analyse. Hier wird die Dau-er der Geschäftsbeziehung und die Festig-keit abgebildet. Der Kundenwert bildetdas Ertragspotenzial der Kunden ab.

Umsetzung und Regelkreis des CRM

Der hier vertretende Planungs- und Steue-rungsansatz des CRM ist eingebettet ineinen Regelkreis aus den Elementen Ziel-setzung, Planung, Steuerung und Abwei-chungsanalyse. Ein so aufgesetztes Kun-

Abbildung 4: Ziele und Aufgaben der Vertriebssteuerung

Page 5: Strategieinduziertes CRM-controlling bei borussia Dortmund

PRAXIS

48. Jg. 2004, H.2 | Controlling & Management | ZfCM 123

deninformationssystem baut daher aufeine zentrale Datenbasis auf. Bei BorussiaDortmund werden sämtliche Vertriebs-wege und operative Vorsysteme inklusivedes Ticketing online in ein ERP-Systemintegriert. Dadurch wird die Verknüpfungder Wertschöpfungskette (z. B. Kunden-ergebnisrechnung, Vertriebskanalrenta-bilität usw.) ermöglicht. Vor diesem Hin-tergrund ist nachstehender Regelkreisableitbar, dessen Ausgangspunkt die Kon-taktprofile von aktuellen und potenziellenKunden sind. Abbildung 6 fasst die

einzelnen Aspekte des Regelkreises zu-sammen.

Funktionen desCRM-Systems

Um die dargestellten Zielsetzungen zu er-reichen nutzt der BVB unter anderem fol-gende Funktionen:• Zentrale Kontaktverwaltung• Kontaktprofile/Kontaktklassifizierung• Kampagnenmanagement• Vertriebscontrolling

ZentraleKontaktverwaltung

Hier werden sämtliche Daten wie Adress-und Kommunikationsdetails nicht nurüber bereits existierende Kunden (Debi-toren) verfügbar, sondern ebenfalls dieDaten von Fans, Aktionären, Sympathi-santen und Partnern an einer zentralenStelle strukturiert zusammengefasst. EineDublettenprüfung stellt weitestgehendsicher, dass die Erfassung redundanterKontakte ausgeschlossen und somit einkonsistenter Datenbestand gesichert wird.

Kontaktprofile/Kontaktklassifizierung

Basierend auf den Profildaten als Ergeb-nis wiederkehrender strukturierter Be-fragungen zu den Bedürfnissen der Fansund Kunden, können diese dem Kontaktals Kriterien hinterlegt werden. Diese er-fassten Kriterien liefern ein Kundenprofil,welches die möglichst personalisierteKommunikation und die gezielte Fan- undKundenansprache ermöglicht. Zudemkönnen Kontakte automatisiert in ver-schiedene Segmente klassifiziert werden.Dies ist beispielsweise wichtig, um Kun-dendeckungsbeiträge oder Kundenpo-tenziale direkt beim Kontakt erkennen zukönnen.

Kampagnen-management

Eine Kampagne wird erstellt, um umfang-reiche Aufgaben oder Aktionen zu bün-deln, Kundensegmente systematisch zubearbeiten, Verantwortlichkeiten festzu-legen und selbst definierte Ziele (z.B. Neu-gewinnung von Mitgliedern) zu erreichen.Reaktionen (z.B. Rücklaufquote) könnenüber die Kampagnenstatistik erfasst undausgewertet werden.

Vertriebscontrolling und -steuerung

„Man kann nur das führen, was man auchmessen kann.“ Dieses Statement verdeut-licht, dass es zur Umsetzung einer strate-gisch formulierten und technisch imple-mentierten Kundenorientierung geeigne-ter Messinstrumente bedarf. Bei BorussiaDortmund durchgeführte Kampagnen

Abbildung 5: Ziele und Aufgaben der Vertriebssteuerung (vgl. Brezina 2001, S. 219 ff.)

Abbildung 6: Regelkreis des CRM-Systems (in Anlehnung an Link 2002, S. 544)

Page 6: Strategieinduziertes CRM-controlling bei borussia Dortmund

124 ZfCM | Controlling & Management | 48. Jg. 2004, H.2

können in ihrem finanziellen Erfolg gemes-sen und das Vertriebsergebnis somit ge-steuert werden. Über die Zuordnung zuden Dimensionen des Controlling ist zu-dem die Budgetierung einzelner Vertriebs-maßnahmen und eine gezielte Abwei-chungsanalyse möglich. Damit wird dieBasis für die erforderliche Steuerungs-transparenz geschaffen. Grundsätzlichkann zwischen der Steuerung von Kunden-gruppenzielen, Profit-Center-Ergebnissenund Einzelgeschäftsprofit unterschiedenwerden (vgl. hierzu auch Abbildung 7).

Die Vertriebssteuerung darf dabei nichtnur den kurzfristigen Erfolg messen, dersich in getätigten Produktverkäufen nie-derschlägt, sondern muss auch die erstlangfristig, aber dafür um so nachhaltigerim Ertrag wirksam werdenden Größen,wie z. B. Servicequalität, Fan- und Kun-denzufriedenheit messen. Die zukünftigenZielvorgaben der Mitarbeiter sollten diegewollte Intensivierung der Fan- und Kun-denbindung berücksichtigen und entspre-chend fördern. Die Vertriebssteuerung unddas Vertriebscontrolling müssen dabei be-rücksichtigen, dass die Mehrerträge auseiner stabilen Fan- und Kundenbindungerst zeitverzögert eintreten. Als Bewer-tungskonzepte einer so verstandenen Maß-nahmen- und Ergebnissteuerung bedarfes einer stärker am Kundenlebenszyklusorientierten Steuerungsmethodik.

FazitEine verstärkte Fan- und Kundenorientie-rung und eine Verbesserung der Fan- undKundenbindung sind auch im sehr spezi-ellen Umfeld professioneller Fußballver-eine unabdingbare Voraussetzungen, umauch in Zukunft erfolgreich zu sein. DerAnsatz der Fan- und Kundenorientierunggeht dabei jedoch weit über eine rein„technische Lösung“ durch Einsatz einesCRM-Systems hinaus.

Dazu gilt es zunächst, das Wissen überdie eigenen Fan- und Kundenstrukturenauszubauen und aus den gewonnen Er-kenntnissen strategische Rückschlüsse zuziehen. CRM muss in eine fan- und kun-denorientierte Gesamtstrategie eingebet-tet werden. Interne Geschäftsprozesse sindan den Fans und Kunden auszurichten.

Eine zeitnahe Analyse der Kunden- undProduktergebnisbeiträge sichert den wirt-schaftlichen Erfolg der CRM-Aktivitäten.

Borussia Dortmund als erstes börsen-notiertes Fußballunternehmen in Deutsch-land beschreitet mit seinen CRM-Aktivi-täten in dem speziellen jedoch potenzial-reichen Umfeld des Profisports Neuland.Das bedeutet unter anderem die service-orientierte Ausrichtung sämtlicher Pro-zesse und die an langfristiger Fan- undKundenbindung orientierte Vertriebssteue-rung.

LiteraturBREZINA, R.: Analytisches Customer RelationshipManagement, in: Controlling, (2000), H. 4/5,S. 219 ff.HARDT, F./RINDLER, G.: Wertorientierte Unterneh-mensführung in einem IT/TK-Unternehmen, in:Zeitschrift für Controlling und Management, 47.Jg., (2003), H. 4, S. 273 – 277.LINK, J.: CRM-neue Perspektiven für das Marke-ting-Controlling, in: Controlling, (2002), H. 10,S. 541– 554.KAPLAN, ROBERT S./NORTON, DAVID P.: The ba-lanced scorecard: translating strategy into action,Boston, Massachusetts 1996.STRAUß, R.: Customer Relationship Management(CRM), in: DILLER, H. (Hrsg.) Vahlens GroßesMarketinglexikon, 2. Auflage, München 2001, S.249 – 251.

Weiterführende LiteraturGRUBBS, M./REICHENBACH, R.: Clienting: Kun-denservice als strategischer Erfolgsfaktor. Wiesba-den 1995.HAAS, A.: Customer Relationship Management,in: Controlling, (2002), H. 3, S. 189 –190.HERMANNS, A./THURM, M.: Customer Relation-ship Marketing, in: Controlling, (2000), H. 10,S. 469 ff.HOLMER, F./MERSUN, S.: Optimales Controllingim Multikanal-Vertrieb, in: Zeitschrift für Con-trolling & Management, 47. Jg., (2003), H. 6,S. 357 – 360.MAERTIN, C./MÜLLER, V.: In der Kostenfalle, in:Wirtschaftswoche, H. 14, 2002-03-28, S. 60 – 61.REICHHELD, F.: The loyalty effect: the hidden for-ce behind growth, profits, and lasting value, Ha-vard Business School Press 2001.REICHHELD, F./SASSER, W.: Zero defections: qua-lity comes to service, in: Harvard Business Review,September-October, S. 301– 7.SCHWANITZ, J.: Web-Controlling in der Multika-nal-Vertriebssteuerung, in: Die Bank, (2001), H. 8,S. 589 – 594.

Abbildung 7: Steuerungsebenen und Messkonzepte