stereophotogrammetrische wellenaufnahmen mit schneller bildfolge

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78 Deutsche i-]Fydrographische Zeitsehrift. Band 3, Heft 1/2. 1950 Stereophotogrammetrische Wellenaufnahmen mit schneller Bildfolge Von Arnold Schumacher (I-Iierzu Tafel 3 und 4) Zusammenfassung. Es wird eine Vorrichtung fiir stereophotogrammetrische Wellenauf- aufnahmen beschrieben, die Aufnahmen im Abstand yon 1 sck w~hrend eines Zeitraumes zu machen gestattet, tier die Periode der l~ngsten Sturmwellen fibertrifft. Als Beispiel der damit erreichbaren Ergebnisse werden vier zusammengehSrige in sekundlichem Abstand aufeinander- folgende ~Wellenpl~ne besprochen, die Ausschnitte aus ciner vollentwickelten Sturmsee vom Nordatlantischen Ozean darstcllen und I~Shenunterschiede his zu 16,5 m enthalten, w~hrend der Abstand zwischen den beiden I-Iauptt~lern mindestens 350 m betr~gt. Stereophotogrammetrie wave.pictures in rapid sequence (Summary). A stercophotogram- metric apparatus is described which allows a stereophotograph to be taken every second, and which works long enough to enable the longest storm wave sto be photographed during a whole wave period. Four consecutive topographic plans of a storm wave in the North Atlantic, comprising differences in height up to 16,5 m and a distance between the two main troughs of at least 350 m, are attached and briefly discussed. D ie DeutsChe Seewarte iibernahm im Jahre 1938 die Aufgabe, neue Wellenmessungen auf See durchzuffihren, die vornehmlich als Grundlage ftir die Kl~rung schiffbautechnischer Fragen dienen sollten. Es war beabsichtigt, im Lauf der Zeit tunliehst aus allen Meeresgebieten mit besonders charakteristischem Seegang Unterlagen beizubringen. Als Mel~verfahren kam zun~tchst nur die stereophotogrammetris~he Aufnahme in Frage; denn da ganz bestimmte Ozeangebiete untersueht werden sollten, so konnte nur an Bord yon Handelsschiffen, d. h. also yon in Fahrt befind]ichen Schiffen, gearbeitet werden; Aufzeich- nungen z. B. mit dem Seegangsmel]gerat nach Pabst wahrend ozeanographiseher Stationen yon Forschungsschiffen waren nur als gelegentliche Ergiinzung ins Auge zu fassen. Bei dem stereophotogrammetrischen Verfahren war es dank der Entwicklung der l~eihenmel3kammern ffir Luftaufnahmen mSglich, den seit langem geforderten Schritt yon der Einzelaufnahme zur l%eihenaufnahme mit sekundlichem Abstand zu machen. Die Zeiss-Werke in Jena, die bereits das Aufnahmeger~tt fiir die ,,Meteor"-Expedition 1925/27 geliefert batten, stellten- unter Ver- wendung yon Flugzeugmel~kammern - auch die neue Vorrichtung her. Mit dem Bau war be- sonders Ing. Wiistemann betraut. Die Vorrichtung ist im Juli 1943 in Hamburg vernichtet worden. Die Abbildung zeigt das rechte Aufnahmeger~t, yon dem spiegelbildlich gebau~en linken Geri~t aus gesehen. Das Mittelstiick bildet die eigent- liehe Kammer (1) ; dieser ist reehts die Fihn- kassette aufgesetzt, die etwa 60 m Film (ausreiehend fiir reichlieh 300 Aufnahmen) fassen konnte. Die Kammern hatten das Format 18 • 18 cm. Das Objektiv, ein Ortho- metar 1 : 4,5, / = 21 cm, war ein photo- grammetrisches Spezialobjektiv yon hoher Verzeichnungsfreiheit. Ein 4-Lamellen-Ver- schlul] zwischen den Linsen des Objektiw lieB sieh mit Hilfe des Knopfes (2) au] Belichtungszeiten von 1/75, 1/120und 1/150sek einstellen (Knopf(5) diente zur 0ffnung de~ Verschlusses fiir Justierzwecke) ; aul3erdem konnten mit Hilfe des Knopfes (3) zwe: verschiedene Gelbfilter vorgeschaltet wet. den. Die Anlegerahmen hatten sechs MeB

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Page 1: Stereophotogrammetrische Wellenaufnahmen mit schneller Bildfolge

78 Deutsche i-]Fydrographische Zeitsehrift . Band 3, Hef t 1/2. 1950

Stereophotogrammetrische Wellenaufnahmen mit schneller Bildfolge

Von A r n o l d S c h u m a c h e r

(I-Iierzu Tafel 3 und 4)

Zusammenfassung. Es wird eine Vorr ichtung fiir s tereophotogrammetr ische Wellenauf- aufnahmen beschrieben, die Aufnahmen im Abs tand yon 1 sck w~hrend eines Zei t raumes zu machen gesta t te t , tier die Periode der l~ngsten Sturmwellen fibertrifft . Als Beispiel der dami t erreichbaren Ergebnisse werden vier zusammengehSrige in sekundlichem Abs tand aufeinander- folgende ~Wellenpl~ne besprochen, die Ausschni t te aus ciner vol lentwickel ten Sturmsee vom Nordat lan t i schen Ozean darstcl len und I~Shenunterschiede his zu 16,5 m enthal ten, w~hrend der Abs tand zwischen den beiden I-Iauptt~lern mindestens 350 m betr~gt.

Stereophotogrammetrie wave.pictures in rapid sequence (Summary). A s tercophotogram- metr ic appara tus is described which allows a s tereophotograph to be taken every second, and which works long enough to enable the longest s torm wave sto be photographed during a whole wave period. Four consecutive topographic plans of a s torm wave in t h e Nor th At lant ic , comprising differences in height up to 16,5 m and a distance between the two main troughs of a t least 350 m, are a t tached and br ief ly discussed.

D ie DeutsChe Seewarte i ibe rnahm im Jah re 1938 die Aufgabe, neue Wel lenmessungen auf See durchzuffihren, die vornehmlich als Grundlage ftir die Kl~rung schif fbautechnischer

F ragen dienen sollten. Es war beabsicht ig t , im Lau f der Zeit tunl iehs t aus al len Meeresgebieten mi t besonders charak te r i s t i schem Seegang Unte r l agen beizubringen.

Als Mel~verfahren k a m zun~tchst n u r die s te reophotogrammetr i s~he Aufnahme in F rage ; denn da ganz bes t immte Ozeangebiete un te rsueh t werden sollten, so konn te nur an Bord yon Handelsschiffen, d. h. also yon in F a h r t befind]ichen Schiffen, gea rbe i t e t werden; Aufzeich- nungen z. B. mi t dem Seegangsmel]gerat nach P a b s t wahrend ozeanographiseher S ta t ionen yon Forschungsschiffen waren nur als gelegentl iche Ergi inzung ins Auge zu fassen. Bei dem

�9 s t e reophotogrammet r i schen Verfahren war es d a n k der En twick lung der l~eihenmel3kammern ffir Luf t au fnahmen mSglich, den seit l angem geforder ten Schr i t t yon der E inze lau fnahme zur l%eihenaufnahme mi t sekundl ichem A b s t a n d zu machen. Die Zeiss-Werke in Jena , die berei ts das Aufnahmeger~tt fiir die ,,Meteor"-Expedition 1925/27 geliefert ba t t en , s t e l l t e n - un te r Ver- wendung yon Flugzeugmel~kammern - auch die neue Vorr ichtung her. Mit dem Bau war be- sonders Ing. W i i s t e m a n n be t rau t .

Die Vorr ichtung ist im Ju l i 1943 in H a m b u r g vern ich te t worden. Die Abb i ldung zeigt das rechte Aufnahmeger~t , yon dem spiegelbildlich gebau~en l inken Geri~t aus gesehen. Das Mit te ls t i ick b i lde t die eigent- liehe K a m m e r (1) ; dieser is t reehts die F ihn- kasse t te aufgesetzt , die e twa 60 m F i lm (ausreiehend fiir reichlieh 300 Aufnahmen) fassen konnte . Die K a m m e r n h a t t e n das F o r m a t 18 • 18 cm. Das Objekt iv , ein Ortho- me ta r 1 : 4,5, / = 21 cm, war ein photo- grammetr i sches Spezia lobjekt iv yon hoher Verzeichnungsfreiheit . E in 4-Lamellen-Ver- schlul] zwischen den Linsen des O b j e k t i w lieB sieh mi t Hilfe des Knopfes (2) au] Bel ichtungszei ten von 1/75, 1/120 und 1/150 sek einstel len (Knopf(5) d iente zur 0 f fnung de~ Verschlusses fiir Jus t ierzwecke) ; aul3erdem konn ten mi t Hilfe des Knopfes (3) zwe: verschiedene Gelbf i l te r vorgeschal te t wet. den. Die Anlegerahmen h a t t e n sechs MeB

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marken ffir die innere Orientierung der Aufnahmen; diese wurden durch Mitphotographieren eines selbstt~tigen Aufnahmezghlers gekennzeiehnet. Die Kammern saBen, um einen beschr~nk- ten Betrag verschwenkbar, auf einer Stehaehse ; diese ruhte in einem glockenf5rmigen Unter- tell (8), tier mit den drei Justierschrauben (9) horizontiert werden konnte. In der Aufnahme- riehtung ragte aus diesem Unterteil (8) der Notorantrieb (10) - 220 V - hervor, der das Auf- ziehen des Versehlusses, das genaue Planlegen des Films (dureh Druck gegen eine Plat te mittels Geblgses), die Belichtung und den Weitertransport des Filmes besorgte.

Ffir die Ausrichtung der Aufnahmegergte gegeneinander trug jede Kammer ein I-Ialte- fernrohr (12) und je zwei Libellen (13). Die genaue ttorizontierung nach den Libellen und die Herstellung des ,,Normalfalles" mit Hilfe der schon erw~hnten Justierschrauben (9) war natiirlieh nur bei vSlliger guhelage des Sehiffes mSglich; ffir gewShnlich muBte man sich mit n~herungsweisem Einspielen der Libellen begnfigen und sieh darauf beschr~nken, die Faden- kreuze im Oknlar der Haltefernrohre und die auf die Kopfscheiben der Gegenfernrohre weiB aufgerissenen Fadenkreuze weehselseitig zur Deekung zu bringen. Damit ffir jede Aufnahme die Stellung der Kammern zueinander ermittelt werden konnte, photographierten sich die Ger~te bei jeder Belichtung gegenseitig. Zu diesem Zweek war vor dem Objektiv eine Linse (in der Abbildung links siehtbar) und dahinter eln Prisma angebracht, durch die das Bild einer Markierungslampe (7) auf den Teil des Filmes geworfen wurde, auf dem normalerweise tier Himmel abgebildet worden w~re. Linse und Prisma befanden sich im oberen Teil des Strahlen- ganges der eigentlichen Wellenaufnahme, der jedoeh durch ein vorgesetztes Segment ab- geblendet war (wie entspreehend - in der Abbildung sichtbar - der untere Tell der ttilfsauf- nahme). - Zu jedem Aufnahmegergt geh5rte ein Sehaltkasten; die gesamte Vorrichtung wurde mit Hilfe eines Druekknopfsehalters bet~tigt. Aufnahmefolgen yon 15-20 sek Dauer reichten aus, um yon 350-600 m langen Wellen eine Periode zu erfassen. Die ~ufterste zulgssige Dauer ununterbroehener Beanspruchung- der eine l~ngere Erholungspause folgen muf t t e - war 30 sek.

Als erstes Beobachtungsgebiet wurde der winterliche Nordatlantische Ozean gewghlt. Dank dem groften Entgegenkommen des Norddeutschen Lloyd konnten der Verfasser und sein Mitarbeiter, Photograph K r a t o c h w i l , im Winter 1938/39 mehrere Reisen des Schnell- dampfers ,,Europa" zwischen Bremerhaven und New York zur Erprobung der Vorrichtung und spgter zur Durchffihrung auswertbarer Aufnahmen benutzen.

Eine Versuchsaufstellung auf dem oberen Promenadendeck, bei der sieh die Objektive etwa 17 m fiber der Wasseroberflgche befanden, erwies sich als ungiinstig, da die Arbeit hier sehon bei verh~tltnism~ftig geringem Seegang durch Spritzer gestSrt wurde. (Es konnte nur naeh Luv photographiert werden; denn in Lee war die Klmm stgndig dureh gauch und Ab- gase aus den Schornsteinen verdeckt.) Daranfhin erklgrte sich die Sehiffsleitung (Kapt. O. S e h a r f , Leitender Offizier W. K r a c k e ) dankenswerterweise damit einverstanden, dab die Vorrichtung in der Autohalle zwischen den Schornsteinen aufgestellt wurde, deren W~nde zu diesem Zweek auf Steuerbord und Baekbord je zwei leicht verschlieftbare Luken erhielten. Die HShe der Objektive fiber dem Wasser betrug hier 26,5 m, die Lgnge der Standlinie 24,46 m; diese war beil~ufig dadurch begrenzt, daft die oberen Decks durch sog. Dehnungsfalten unter- teilt sind, die dazu dienen, die Verwindungen des Sehiffes im Seegang abzufangen. Bei dieser endgfiltigen Aufstellung, bei der die Apparate vSllig geschiitzt waren und bequem yon einer Seite zur ahderen geschafft werden konnten, waren die beiden Grundbedingungen, ange- messene Aufnahmeh5he und ausreiehende Standlinie noch besser erffillt, als bei den mit Un- terstfitzung der Notgemeinschaft ausgefiihrten Aufnahmen des Verfassers auf dem Dampfer ,,Deutschland" der Hamburg-Amerika Linie im Februar und M~rz 1929, bei denen die H5he der Apparate fiber dem Wasser 24 m und die L~nge der Standlinie 14,77 m war 1. Zum Aus- wechseln der Filmspulen konnte eine kleine zusammenlegbare Dunkelkammer in der Autohalle aufgestellt werden. Bei den Erw~gungen fiber die zu erwartende ~Tindrichtung und die danach

1 Xoch l~ngere Standlinien hatte W. L a a s 1904/05 auf dem Ffinfmaster ,,Preu/3en" be i den fiberhaupt ersten stereophotogrammetrischen Wellenaufnahmen, die auf dem Ozean ge- maeht worden sind, zur Verffigung (etwa 36 und 58 m); jedoch diirfte bei der geringen t~She der Ger~te fiber Wasser (6-9 m) meist die dritte und kfirzeste Standlinie (22,13 m) angewandt worden sein.

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zu w~hlende Aufstellung an Steuerbord oder Backbord war die Bordwetterkarte sehr wergvoll, die der Navigationsoffizier, 1. Offizier F. K n e v e l k a m p , regelm~Big naeh dem Funkwetter- berieht der Deutsehen Seewarte zeiehnete.

Die Ausmessung der Aufnahmen hatte das Institut ffir Photogrammetrie der Teehnisehen I-Ioehschule in Berlin-Charlottenburg, Direktor Prof. Dr.-Ing. L a e m a n n , fibernommen, der zusammen mit seinem Mitarbeiter Dr.-Ing. habil. Got t h a r dr, aueh die Vorriehtung fiber- prfifte. Die Arbeit an den im Frtihjahr 1939 gewonnenen Aufnahmen wurde dureh den Aus- brueh des Krieges unterbroehen, so dag der Deutsehen Seewarte nut sieben Wellenpl~ne zu- gegangen sin& t{iervon sind die letzten vier auf Tafel 3 wiedergegeben; die drei ersten sind nieht ergiebig genug, um den Abdruek zu reehtfertigen. Die vier Plane sind m. W. die erste kartographisehe Darstellung der Entwieklung eines Stfiekes Meeresoberfliehe w~hrend weniger Sekunden unter der Wirkung einen vollen Sturmes.

Die Urzeiehnungen der mit einem Stereoplanigraphen yon Zeiss hergestellten Wellen- plane (Ausmessung: Dipl.-Ing. F. Masur) haben den MaBstab 1 : 1000. Die reehnerisehe Un- genauigkeit der Ausmessung, ermittelt auf Grund von Uberlegungen wie sic E. K o h l s e h f i t t e r ~ und naeh ihm der Verfasser s angestellt haben, ist um etwa die Hilfte gr6ger als bei den AuL nahmen auf der ,,Deutschland", da die Unsieherheit der stereoskopisehen Parallaxe mit der Linge der Standlinie w~Lehst; augerdem traten bei der ,,Europa", die keine Sehlingerkiele oder Sehlingertanks besaB, wesentlieh gr6Bere Rollwinkel auf als bei der ,,Deutschland" (Verfasser beobaehtete Klinometeraussehl/~ge bis zu 230 naeh jeder Seite), so dab mit gr6Berer Unsieher- heir betreffs der Seeh6he der Objektive gereehnet werden mug, naeh fibersehl~glieher Reeh- hung mit • 3 m. Der reehnerisehe Entfernungsfehler bzw. der H6henfehler ffir eine 10 m hohe Welle ist in 250 m Abstand vom Sehiff • 19 em bzw. ~= i cm, in 500 m Abstand • 77 cm bzw. ~= 1,5 em. Der Entfernungsfehler bleibt demnaeh bei dem gew~hlten Mal3stab von 1 : 1000 in der GrSBenordnung der Ausmessungsfehler, die infolge der Dehnung und Sehrumpfung des Papiers zu gew~rtigen sind.

Der Abstand der Sehichtlinien ist durehweg 1 m, versehiedentlieh 0,5 m. Die Ausgangs- ebene liegt bei alien Pl~nen in der Urzeiehnung 36,5 m unter dem linken Objektiv, um negative H6henangaben zu vermeiden. Hierdureh wird aueh eine Zusammenzeiehnung entspreehender Profile ans den Pl~Lnen mSglieh, die mit groger Ann~Lherung der Wirkliebkeit entsprieht (vgl. weiter unten und Tafel 4). In der Wiedergabe der Plgne auf Tafel 3 ist jeweils die Ebene der tiefsten Sehichtlinie als Nullebene gew~hlt, hauptsiehlieh, um eine einfache einheitliehe Sehraffur anbringen zu kSnnen.

Im Augenbliek der Aufnahme befand sieh D. ,,Europa" recht nahe dem Kern eines aus- gedehnten Tiefdruekgebietes (in etwa 150 sm Abstand naeh Siidwesten), das im Laufe des 3. April seine kr/iftigste Ausbildung erreieht hatte (vgl. die Wetterkarten auf Tafel 4). Die Windstirke betrug naeh dem meteorologisehen Sehiffstagebueh 9, in B6en 10 Bft. ; dement- spreehend lief ,,hohe stei!e See und hohe Dfinung aus WNW". Aueh der Verfasser hat nut Seegang bzw. Dfinung aus WNW beobaehtet; diese bilden auf Plan 3 und 4 ein Wellengebirgc yon mindestens 350 m L~Lnge mit einem gr6[~ten H6henuntersehied yon etwa 16,5 m. Dic Wellenh6he, gemittelt fiber eine Kamml~nge von reiehlieh 75 m (vgl. die weiter unten be- sproehenen Profile) kann zu 13 m angesetzt werden. 4 Im Verlauf der Sehiehtlinien ist abe~ aueh eine Sehwingung aus WSW erkennbar, auf allen vier Pl~Lnen im Hintergrunde, beginnenc

Die Forschungsreise S.M.S. ,,Planet". Bd. I I I , S. 139/40. Berlin 1909. 3 Ann. I-Iydrogr. u. marit, lVIeteorol. 1926, S. 396. - ,,Meteor"-Werk, Bd. VII, 2. Teil, S. 8/9

Berlin 1939. 4 Zum Vergleich sei an eine von G. W e inb lum stereophotogrammctrisch festgehalten,

Welle erinnert (G. W e i n b l u m u. W. Block , Stereophotogrammetrische Wellenaufnahmen Schiffbautechn. Ges. 36. t-Iauptversammlung. Berlin 1935; auch W. B l o c k , Die Photogram metrie im Dienste des Schiffbaues und der Meereskunde. Bildmessung u. Luftbildwesen. Beihef d. Allg. Verm.-Nachr. 11, 1936, S. 62ff.) Dort betrug der gr613te I-r6henunterschied 18,5 m, di Weller~h6he 16 m, die L~nge des vorderen Wellenabhanges 110 m. Die Aufnahme wurde w~hrcn. eines sehr rasch aufgekommenen und ira. Augenblick der Aufnahme schon wieder stark im Ab flauen begriffenen Sturmes etwa 90 sm westlich der ,,Griinde" vor dem Englischen /(anal ge macht.

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etwa in 350 400 m Abstand vom Sehiff, daneben aueh im Vordergrunde, z. B. auf Plan 3 und 4 in dem nur noeh teilweise erfaf3ten Tal unterhalb der 5 m-Linie (rechts vorn), auf Plan 4 auch in tier hSehsten Kuppe im Mittelgrunde im Verlauf tier 13, 14 und 15 m-Linie. Eine Sehwin- gung aus ann~thernd dieser Richtung ist als Dfinung im Protokoll einer zwei Stunden vorher gemachten Aufnahme angegeben; sie ist auch in den vorliegenden Pli~nen als Dfinung anzu- sehen. Ihre Wellenl~nge ergibt sieh als Abstand der Wellenk~mme, projiziert auf die Fort- pflanzungsriehtung, - am besten aus Plan 4 im Mittel- und Vordergrund - zu fund 100 m.

Durch die aus WNW kommende Sehwingung, die den Sehiehtlinienverlauf nicht nur auf den ersten Blick iiberwiegend bestimmt, sind 15 Schnitte im Abstand yon 5 zu 5 m gelegt worden und entspreehend tier - mit giieksieht auf die schwere See stark herabgesetzten - Schiffsgeschwindigkeit yon 12.5 kn oder 6.4 m/see fiber die Plane verschoben, so dab bei gleichbMbender Schiffsgesehwindigkeit und unver~ndertem Kurse praktisch des gleiche Stfick Meeresoberfl~che auf allen vier Pl~tnen erfagt wi~re. Unter dieser Annahme sei das Wandern des hSchsten Wellenkammes im Mittelgrunde verfolgt. Im Mittel der insgesamt mSglichen 45 Einzelmessungen ergibt sich ein sekundliehes Vorrfieken des Kammes um 15 m; zwischen den Pl~tnen 3 und 4 betr~tgt der Durehschnittswert 11 m. (Die aus den drei ersten Pl~nen ent- nommenen Werte haben ~vegen tier recht unsieheren Interpolation in Plan 2 geringeres Ge- wieht.) Wfirde man den oben schon angegebenen Abstand yon Tal zu Tal als einfache Wellen- l~nge 2 (yon im Mittel 361 m) ansehen, so wiirde dieser nach der Formel c = 1,25 I/Z eine Wandergeschwindigkeit c von nicht ganz 24 m/see entsprechen. Die eben gefundenen Werte ffir das sekundliche Vorrficken dis Wellenkammes, vor allem der letztgenannte Wert yon 11 m, wfirden sieh also in die vorliegenden Verh~ltnisse grSBenordnungsm~l~ig als Werte tier Grup- pengeschwindigkeit (u) einffigen. (u = 1/2 c, naeh S t o k e s ; vgl. z. B. T h o r a d e , Probleme der Wasserwellen S. 55/56, K r fi m m e 1, Handbueh der Ozeanographie Bd II, S. 96/97.)

Das Fortschreiten der Welle ist auf Tafel 4 in Profilen dargestellt ; die vier oberen Profile zeigen die Entwicklung von Plan 1 his 4 l~ngs der Einzelsehnitte 3, 6, 9 und 12, alas untere das Fortschreiten tier aus Sehnitt 1-15 gebildeteia mittleren Welle. Die Wandlung der Profile yon Plan zu Plan, besonders das rasche Anwachsen der sekund~ren Kuppe in Schnitt 3 ganz links, die dureh die westsfidwestliehe Diinung kaum gestSrt ist, li~gt die IJberlagerung mehrerer verschieden schneller Schwingungen aus der gleiehen R i c h t u n g - W N W - erkennen. Das gleiche gilt yon der Hauptkuppe im Mittelgrund, besonders in den Schnitten 3, 6 und 9.

Es sol1 nicht Aufgabe dieses Begleittextes sein, allen etwa mSgliehen Beziehungen zu theoretischen und empirisehen Ergebnissen der Wellenforsehung nachzugehen; offensiehtlich zeigt dies eine Beispiel ,,quasikinostereophotogrammetrischer" Wellenaufnahmen bereits manche Vorzfige gegentiber den Einzelaufnahmen. Sehon die einfache Wahrscheinlichkeit, dab sich unter einer Folge yon 20-30 StereomeBbildern mit Sekundenabstand, deren Aufnahme weniger Zeit- und Arbeitsaufwand erfordert als eine Einzelaufnahme mit Platten, eine An- zahl yon ergiebigen Bildpaaren befinden wird, ist ein Vorteil, der das ,,I~isiko" einer I~eise betr/ichtlich herabsetzt. Dazu kommt als wichtigster Vorzug die MSglichkeit, dieselben Wellen dutch verschiedene Phasen in Plan und Profil zu verfolgen. (Am vorteilhaftesten fiir die Aus- bringung einer kinostereophotogrammetrischen Vorrichtung sind grote Fahrgastsehiffe mit mi~giger Gesehwindigkeit.)Eine wirklich genaue Verknfipfung der Plane und Schnitte ist allerdings ja wegen des Fehlens des ,,festen Punktes im Meere" nicht mSglich. In dieser Hinsicht sind die Vorbedingungen bei Aufnahmen yon einem Kiistenpunkt aus giinstiger; hierbei kSnnte z. B. auch mit Hilfe geeigneter in alas Aufnahmefeld geworfener TreibkSrper versueht werden, Orbitalbahnen zu ermitteln. Aueh Messungen tier Windgeschwindigkeit im Aufnahmefelde nahe der Meeresoberfl~che w~tren unter Umst~tnden mSglich, am besten an mehreren Punkten. Natiirlich mu$ bei Aufnahmen yon der Kfiste aus die StSrung der Wellen im flachen Wasser in Kauf genommen werden. Aufnahmen dieser Art - soweit dem Verfasser erinnerlieh allerdings ohne Untersuchung der Orbitalbahn und genaue Aufzeiehnung der Wind- gesehwindigkeit in der eben angedeuteten Weise - waren ffir alas Jahr 1939 yon Helgoland aus geplant, unter Benutzung einer der oben beschriebenen im wesentlichen gleichen Vorrichtung.

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2 Deutsche i-~ydrographische Zeitschrift. Band 3, ~Ieft 1/2. 1950

Naehtrag. Naeh Absehlug des vorstehenden Aufsatzes wurde dem Verfasser das Bueh von O. L a c m a n n , ,,Die Ehotogrammetr ie in ihrer Anwendung auf nicht- topographischen Gebieten" (Leipzig 1950, im Verlage S. I-~irzel) bekannt. Darin sind im Abschnit t , ,Wasserwellenmessungen" (S. 103-112) aueh die auf der , ,Europa" und auf I-~elgoland benutzten Vorrichtungen unter Bei- gabe je eines Planes besehrieben. (Von den , ,Europa"-El~nen ist der im Vorstehenden als Elan 3 bezeiehnete gew/~hlt ; der ~elgol~nder Elan ist fiber 1500 m tief und zeigt ausgepr~gte parallele W ellenk~mme sowie deren Umsehwenken beim Auftreffen auf den Inselsockel. ) Laemann n immt eine gr6gere Ungenauigkeit der Ausmessung an als der Verfasser; nach seiner Sch/~tzung dfirften sich die L~ngen aufwenige Erozent, die t~6hen auf 2-3 dm genau ermit teln lassen (a. a. O. S. 110). Dazu sei bemerkt, dag eine gewisse Prfifung der vom Verfasser f/Jr die Aufnahmen auf ,,Meteor" errechneten Ungenauigkeiten an I-land yon zwei s tereophotogrammetrisch gewonnenen Elan- skizzen des Sartkt Eauls-Felsens m6glieh war, zu denen die Aufnahmen allerdings bei reeht g/in- stigen W e t t e r - u n d Lichtverh~ltnissen gemacht worden waren; hiernach dar f die errechnete Gr6genordnung der Unsicherheit als zutreffend angenommen werden. (Vgl. ,,Meteor"-Werk, Bd. VII , 2. Tell, S. 11).

Lacmanns Verzeiehnis deutscher, russischer und franz6siseher Arbei ten zur Wellenstereo- photogrammetr ie umfagt 15 Nummern ; dazu w~ren m. W. auger der in Fugnote 4 an zweiter Stelle genannten Arbeit von W. B l o c k nur noch folgende japanisehen Arbei ten naehzutragen: K o j i I-ti da k a, Study of ocean waves by stereophotogrammetry. J. Oceanogr. (Imp. Mar. Obs.

Kobe Bd 11, 1939, No. 4, S. 693-703 (In japanischer Sprache). K o j i H i d a k a , A stereophotogrammetric survey of waves and swells in the ocean. Mere. Imp.

Mar. Obs. Kobe 1941, Bd VII , Nr. 3, S. 231-368.