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Sociability als Erfolgsfaktor digitaler Markenführung Drei Thesen zum Storytelling im Social Web 1/2010 Daniel R. Schmeißer und Christian Schneiderbauer Sonderdruck

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Page 1: Sociability als Erfolgsfaktor digitaler Markenführung · 2018. 9. 26. · gelungenes Storytelling im Social Web ist Voraussetzung für Identifikation, Austausch und Social Branding

Sociability als Erfolgsfaktor digitaler Markenführung

Drei Thesen zum Storytelling im Social Web

1/2010

Daniel R. Schmeißer und Christian Schneiderbauer

Sonderdruck

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Sonderdruck

Unternehmen stellen zunehmend fest,dass sie ihre Marken in der digitalen

Welt nicht mehr allein mit den Mitteln desklassischen Marketings führen können.Komplexität und Dynamik des Social Web(Blogs, Twitter, Youtube, Bewertungspor-tale, Social Communities wie Facebooketc.) erschweren einetop-down-geführteMarken- und Kam-pagnenstrategie. DerDialog mit den Nut-zern muss im Inter-net auf Augenhöhegeführt werden –Glaubwürdigkeit,Authentizität, Offen-heit und Transparenzsind zentrale Erfolgs-faktoren für Medienund Marken, die sichin Sachen Social Me-dia engagieren wol-len. Auch die Markt-forschung beginntumzudenken undentwickelt Herange-hensweisen, die dermodernen (digitalen)KommunikationRechnung tragen –nicht nur auf Metho-denebene, sondernauch in ihrer Grund-haltung dem zuneh-

mend kritisch und mündig gewordenenKonsumenten gegenüber.Am Beispiel einer Untersuchung vonSevenOne Media und phaydon für denSender ProSieben sollen folgende, zentra-le Fragestellungen kritisch diskutiert wer-den: Wie müssen Marken – in diesem Falle

Sendermarken – im Social Web agieren,um Aufmerksamkeit und buzz – also Ge-spräche über die Marke – zu erzeugen?Und: Wie kann die Marktforschung dieDynamik und Wirksamkeit einer Kampa-gne im Social Web zuverlässig überprüfenund hieraus Handlungsempfehlungen fürdas Social Branding ableiten?

Das Social Web als eigenständigerkultureller Lebensraum

Das Social Web ist kein reines Informations-und Austauschmedium mehr, das mög-lichst geschickt genutzt werden kann, son-dern es ist zum eigenständigen Lebens-raum vieler Menschen geworden – und die-ser Lebensraum ist für sie nicht virtuell,sondern findet sehr real, eingebettet in denAlltag, auf unterschiedlichen Plattformen(Internet, Handy, Spielekonsole etc.) statt.Gerade Fernsehsender wie ProSieben, diesich an junge Zielgruppen wenden, ste-hen daher vor der Herausforderung, ihreAngebote auch auf anderen Plattformen(MyVideo, ProSieben.de, Mobile etc.) me-

Sociability als Erfolgsfaktor digitalerMarkenführungDrei Thesen zum Storytelling im Social Web

Daniel R. Schmeißer, Diplom-Psychologeund M.A., ist Mitgrün-der und geschäftsfüh-render Gesellschafterdes qualitativ ausge-richteten Forschungs- und Beratungs-unternehmens phaydon | research+con-sulting, mit Sitz in Köln und Hamburg.Daneben ist er seit 2008 Lehrbeauftrag-ter im Masterstudiengang Wirtschafts-psychologie an der Hochschule Freseni-us, Köln.

[email protected]

Dr. Christian Schnei-derbauer, M.A., istaktuell als Unit Di-rector Program Re-search bei SevenOneMedia verantwortlichfür alle programmbezogenen Studienund Analysen der Sender SAT.1, Pro-Sieben, kabel eins und N24. Zuvorwar er in Forschung und Lehre amInstitut für Kommunikationswissen-schaft der LMU München tätig.

[email protected]

Die Autoren

Erläuterung (von links oben nach links unten): Tims Webblog mit Webisodes und Archiv (www.friendslost.de), Youtube-Channel, ProSieben-Website, Bluetooth-Säule,Twitter-Seite TimFriendslost

Multi-Channel-Kampagne für den ProSieben TV-Movie Kill Your Darling

© Schmeißer/Schneiderbauer; planung & analyse 1/10

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Product: PAXX PubDate: 001 Zone: 1 Edition: 1 Page: X090 User: PAPB Time: 02-22-2010 09:27 Color: YKCM

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dienübergreifend und geräteunabhängigbereitzustellen und adäquate Multi-Chan-nel-Strategien zu entwickeln, um auch wei-terhin erfolgreich am Markt zu agieren undim Zentrum der Fan-Gemeinde zu stehen.In der hier skizzierten Studie geht es um diemarktforscherische Begleitung eines auf-wändig produzierten TV-Movies mit demTitel Kill Your Darling. In diesem Mystery-Movie versucht der Protagonist Tim, seineFreunde Mike, Nina und Jenny aufzuspü-ren, die nach einer Party spurlos ver-schwunden sind. Im Vorfeld der TV-Aus-strahlung wurden online 30 dreiminütigeWebisodes angeboten. Inhalt dieser Webi-sodes waren die Videobotschaften vonTims Freunden aus dem Berliner Unter-grund, in dem der „Fratzenschneider“ sei-ne Opfer gefangen hält. Sie bilden die Vor-geschichte zum TV-Film, ohne allerdings dieEigenständigkeit des Movies zu tangieren.Die Zuschauer erhielten auf einer eigens ein-gerichteten Website (www.friendslost.de)

die Möglichkeit, Tim bei der Suche nachseinen Freunden zu unterstützen, indemsie Informationen sammelten und zusam-mentrugen. Weitere tagesaktuelle Infor-mationen wurden von Tim im späteren Ver-lauf auch bei Twitter kommuniziert. Parallelkamen eine klassische OnAir-Kampagne(Trailer) sowie mobile Aktionen über Blue-tooth-Säulen im Raum Berlin zum Einsatz(siehe Abbildung 1).Im Rahmen einer begleitenden qualitativenStudie sollte überprüft werden, wie dieWebisodes und Social Media Maßnahmensowie deren Verknüpfung mit dem TV-For-mat von ProSieben von den Zuschauernwahrgenommen und beurteilt werden,welche Gespräche der Videoblog im Vor-feld der TV-Ausstrahlung auslöst und in-wiefern eine solche Online-OnAir-Ver-knüpfung auf die Bekanntheit und Akzep-tanz der Kampagne sowie des Formatseinzahlt (siehe zum UntersuchungsdesignAbbbildung 2). Hierzu wurden zwei ge-

schlossen-moderierte Blog-Foren aufge-setzt, in denen jeweils 25 Teilnehmer übersechs Wochen, von Beginn der Webisodesbis zur Ausstrahlung des Movies, dazu ein-geladen wurden, sich untereinander aus-zutauschen. Zeitgleich wurde ein SocialMedia Monitoring durchgeführt, das überzwei Monate das Gesprächsaufkommenim Social Web beobachtete, quantifizierteund qualitativ analysierte. Im Anschlusswurden asynchrone Online Fokusgruppenim Chat sowie klassische Fokusgruppen zurvertiefenden Analyse des Movies und derProSieben-Programmreihe Thrill Time, imRahmen derer Kill Your Darling ausge-strahlt wurde, durchgeführt.Die Ergebnisse der Untersuchung sowie Im-plikationen für die marktforscherische He-rangehensweise an Kampagnen im SocialWeb sollen im Folgenden anhand von Leit-thesen dargestellt werden.

These 1: Sociability als neuesParadigma für Markenführung imSocial Web

Sociability meint die Fähigkeit einer An-wendung, Marke oder Kampagne, Kom-munikation und Interaktion zwischen denNutzern zu ermöglichen. Marken sind indem Maße sociable, in dem sie eine Identi-tät stiften, Gruppenzugehörigkeit ermögli-chen und Vernetzung zwischen Nutzern er-lauben (siehe Abbildung 3). Durch das Web2.0 entstehen virtuelle soziale Systeme mitkomplexen Ordnungsmustern, die eigenenGesetzmäßigkeiten folgen. Branding imSocial Web funktioniert nach anderen Kri-terien als im klassischen Marketing: Es gehtzwar auch um Awareness (Aufmerksam-keit) und Persuasion (Überzeugung), aberdoch in einem modifizierten Sinne.Awareness im Social Web ist nicht visuelleAufmerksamkeit oder Erinnerung einerMarke, sondern eine Marke ist aware,wenn sie Teil der Gespräche im Netz gewor-

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Social Media Studiendesign

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Unternehmen stehen zunehmend vor der Herausforderung, ih-re Kommunikations-Kampagnen auf Social Media auszuwei-ten, um neue und junge Zielgruppen adäquat ansprechen zukönnen. Der Beitrag zeigt anhand einer multi-methodalen Un-tersuchung für den Sender ProSieben, dass der Erfolg von SocialMedia-Kampagnen von zahlreichen Faktoren abhängig ist: Eingelungenes Storytelling im Social Web ist Voraussetzung fürIdentifikation, Austausch und Social Branding einer Marke. Derhier skizzierte Open Research Ansatz stellt die Forschungsme-thodik des geschlossen-moderierten Blog-Forums in den Mittel-punkt einer neuen Sicht auf den mündigen Konsumenten imSocial Web.

Kurzfassung

More and more companies are facing the challenge to expandtheir communication campaigns to social media in order toadequately address new and younger target audiences. Thispaper outlines within the scope of a multi-method investigationfor the channel ProSieben that the success of social media cam-paigns depends on a variety of factors: successful storytelling inthe social web is prerequisite for brand identification, exchangeand social branding. The open research approach outlined here,places the research methodology of closely moderated blog foraat the centre of a new view of the responsible consumer withinthe social web.

Abstract

Product: PAXX PubDate: 001 Zone: 1 Edition: 1 Page: X091 User: PAPB Time: 02-22-2010 09:27 Color: YKCM

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den ist. Aussagen zu einer Marke oder ei-nem Produkt können eine Eigendynamikentwickeln, die im Idealfall zum Storytellingüber die Marke führt, ohne dass es einenfest definierten Erzähler der Geschichtegibt.Persuasion war noch nie eine Einbahnstra-ße, aber im Social Web wird immer deutli-cher: Marken und Produkte (auch Perso-nen) leben von ihrer digitalen Reputation,die authentisch, glaubwürdig und in sichkohärent sein sollte. Daran lässt sich arbei-ten, aber nicht gezielt manipulieren. Per-suasion ist eine Folge von glaubwürdigerKommunikation, von Sinn und Bedeutung,die im Laufe der Zeit entsteht und durchErzählungen transportiert wird.Im Zusammenhang mit der durchgeführ-ten Untersuchung ging es um die Frage,inwieweit die vorgelagerte Web-Kampa-gne in der Lage ist, das Format selbst, aberauch die Programm-Marke Thrill Time unddie Sendermarke ProSieben positiv bei denNutzern zu verankern:

Social Branding

Das Social Branding der Kampagne war er-folgreich: ProSieben wurde früh – obwohlnicht offen kommuniziert – von den Usernals Absender ermittelt, was dem Game-Prinzip des Blogs aber nicht schadete. ImGegenteil: Die Kampagne und der Sender

ProSieben wurden sowohl von Teilnehmerndes Blogs als auch in den relevanten Medi-enblogs positiv erwähnt.

Social Usability

Social Usability hat sich im Rahmen der Un-tersuchung als weiterer wichtiger Aspektherausgestellt. Es wurde deutlich, dass esnicht nur um klassische Anforderungen andie Usability geht, sondern in besonderemMaße um soziale Funktionen, die das Story-telling und die Interaktion der Nutzer för-dern und aufrechterhalten, wie zum Beispielein Archiv der Webisodes mit kurzen Erläu-terungen für Einsteiger („Stand der Dinge“).

Kollaboration undGruppenbildung

Des Weiteren geht es bei Sociability starkum Kollaboration und Gruppenbildung:Bereits nach kurzer Zeit entstand eine klei-ne, aber eingeschworene Gemeinschaft anNutzern, die sich über einen längeren Zeit-raum von mehreren Wochen hinweg le-bendig über Tim und die Suche nach seinenFreunden austauschte. Der Anteil von treu-en Detektiven, die über 30 Tage (!) aktiv anTims Videoblog teilnahmen und miträtsel-ten, lag bei über 20 Prozent – ein deutlichesIndiz dafür, dass interaktive Gaming-Prinzi-pien für einen Teil der Nutzer einen hohenAnreiz darstellen, auch über längere Zeit-

räume hinweg anmarkengeführtenKampagnen teilzu-nehmen.

Viralität undEmergenz

Und auch die soge-nannte Viralitätund Emergenz ha-ben zentrale Be-deutung für Socia-bility. Unter Virali-tät versteht mandie Fähigkeit einerAnwendung, sichdurch Interaktionder Nutzer im Netzzu verbreiten, unterEmergenz die Fä-higkeit einer An-wendung, Eigen-schaften, Musterund Strukturen aufder Grundlage desZusammenspielssozialer Interaktionim Netz herauszu-bilden. Hierbei ste-

hen zwei Dinge im Vordergrund: Zum einenist es notwendig, mit der Kampagne einehohe Reichweite zu erzielen, und zum an-deren muss das Umfeld dafür geschaffenwerden, dass sich die Teilnehmer im SocialWeb intensiv vernetzen können, zum Bei-spiel durch Sharing-Funktionen oder Fan-Groups in Communities.

These 2: Storytelling alsübergreifender Erfolgsfaktor fürkonvergente Kommunikation

Storytelling bezeichnet eine Erzählform,mit der unser Wissen von der Welt in Ge-schichten organisiert und weitergegebenwird. Bevor unser Wissen in Schriftform or-ganisiert wurde, erzählten sich die Men-schen solche Geschichten über die Entste-hung, Entwicklung und Zukunft der Welt inForm von Mythen. Inspiriert durch die Tie-fenpsychologie Jungs arbeitete JosephCampbell bereits 1949 in seinem Werk DerHeros in tausend Gestalten heraus, dasssich die in Mythologie und Religion erzähl-ten Geschichten über die Kulturen hinwegin ihren Strukturen und Erzählformen sehrähnelten. So entstand das Modell der Hel-denreise, das seitdem in vielen Wissen-schaftsdisziplinen genutzt wird, um Diskur-se in Medien, Politik und Gesellschaft, abervor allem auch filmische Dramaturgien zuanalysieren (siehe Abbildung 4). Der Mensch kann gar nicht anders, als Sinn-zusammenhänge in Geschichten zu orga-nisieren. Unsere gesamte Erinnerung undIdentität ist narrativ konstruiert und unter-liegt den Prinzipien des Storytellings: Ent-wicklungen folgen Spannungsfeldern undKonflikten, Storys müssen in sich konsis-tent, aber nicht wahrheitsgetreu sein, Ge-schichten sind in sich abgeschlossen undgleichzeitig offen für weitere Entwicklun-gen. Was für einen gut gemachten Filmoffensichtlich ist, lässt sich auch auf Mar-ken anwenden: Erfolgreiche Marken er-zählen uns immer auch eine Geschichteund sind auf diese Weise in Kopf und Bauchder Konsumenten verankert. Sie haben ei-ne spezifische Botschaft, die unter ande-rem über bestimmte Charaktere/Figuren(zum Beispiel Testimonials) und Plots (zumBeispiel Aktionen, Produktinnovationen,Unternehmenshistorie) transportiert wird.Storytelling erklärt aber nicht nur, wie (gu-te) Geschichten entstehen, sondern auch,wie Emotionen in unserem Alltag transpor-tiert werden: Nur Geschichten, die bewe-gen, lösen emotionale Reaktionen aus.Umgekehrt können wir unsere Emotionenerst richtig einordnen und für uns verständ-lich machen, wenn wir den Sinn und Kon-

Abbildung nach Krützen 2006, S.270

Sociability-Modell

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Product: PAXX PubDate: 001 Zone: 1 Edition: 1 Page: X092 User: PAPB Time: 02-22-2010 16:17 Color: YKCM

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Social Media Monitoring von Tims Webblog

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text über narrative Zusammenhänge her-stellen.Bezogen auf das Social Web hat dieser An-satz weitreichende Implikationen: Der Aus-tausch von Konsumenten in einer dynami-schen und komplett offenen Umgebungorganisiert sich auch hier über Storytelling.Man kann dies bei Beiträgen einer Blogroll,bei Gesprächen zwischen Freunden beiFacebook oder auch bei Diskussionen übereine Marke im Social Web beobachten. Un-ternehmen können dabei den Verlauf einerStory im Social Web nicht direkt und zielge-richtet steuern, aber sie können Anlässe fürStorytelling liefern und damit indirekt be-einflussen! Ein solcher Anlass kann eine gutinszenierte Produktneueinführung sein,aber auch ein spezifisches TV-Format, dasüber verschiedene Medien hinweg für Ge-sprächsstoff sorgt. Aus den Ergebnissen der Untersuchung las-sen sich folgende Schlussfolgerungen zie-hen: ● Storytelling ist der zentrale Faktor für den

Erfolg einer Social Media- und Multi-Channel-Kampagne: Nur wenn es ge-lingt, eine spannende Story mit Identifi-kationspotenzial und glaubwürdigen Fi-guren über verschiedene Medien undPlattformen hinweg erzählerisch zu vari-ieren, kann es gelingen, Nutzer und Zu-schauer für eine Idee zu begeistern.

● Storytelling im Social Web bedeutetKommunikation mit den Nutzern auf Au-genhöhe: Menschen, die sich auf Medi-enangebote einlassen, wollen ernst ge-nommen werden. Transparenz undGlaubwürdigkeit, aber auch Authentizität

der Botschaft undFiguren sind Vo-raussetzung fürdas Entstehen ei-ner sozialen Dyna-mik und der Emer-genz virtueller so-zialer Systeme.

● Storytelling alskonvergente In-szenierung be-deutet geräte-und plattformab-hängige Variationder Story, unterBerücksichtigungdes Mediums unddes Mood Ma-nagements: Somüssen Filmepi-soden im Internet(Webisodes) an-ders aufbereitet

werden als solche für mobile Nutzung(Mobisodes), weil jeder Content in eineranderen Nutzungs- und Rezeptionsver-fassung auf den Nutzer trifft.

Storytelling über verschiedene Medien hin-weg bedeutet aber auch, den Nutzer aktivin das Geschehen mit einzubeziehen, alsoentweder über Blogs, Spielelemente oderdirekten Austausch/Interaktion mit denProtagonisten (hier: Tims Videoblog oder

Tim bei Twitter). Interaktion im Social Webmuss dabei die sozialen Belohnungsme-chanismen bedienen, die für den Nutzerrelevant sind: Diese können beispielsweisedarin bestehen, Teil einer Community zusein, exklusives Wissen zu erwerben odergar Einfluss auf den Verlauf einer Story zunehmen.

These 3: Open Research als neuerAnsatz zur Generierung vonSocial Insights

Ein Ansatz, der mit den neuen Nutzungs-gewohnheiten im Social Web Ernst macht,ist das geschlossen-moderierte Blog-Forumals Erhebungs- und Austauschinstrument.Er stellt den kollaborativen Charakter desAustausches in den Mittelpunkt: Der Mo-derator gibt lediglich den Grundreiz vor, derAustausch erfolgt überwiegend unter denTeilnehmern des Blogs. Von Interesse sinddaher nicht nur die Meinungsäußerungender Teilnehmer, sondern vor allem die Ent-stehung der sozialen Dynamik innerhalbdes virtuellen sozialen Systems.Methodisch gesehen handelt es sich um einLängsschnittinstrument, das sich die Vor-teile synchroner und asynchroner Online-Kommunikation zunutze macht: In der Pro-Sieben-Studie haben sich die Nutzer sechsWochen täglich mit den anderen Teilneh-mern im Blog ausgetauscht. Dabei wurdenzu bestimmten Themen Online-Fokusgrup-

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Storytelling im Social Web: Die Reise des Helden

Product: PAXX PubDate: 001 Zone: 1 Edition: 1 Page: X093 User: PAPB Time: 02-22-2010 16:17 Color: YKCM

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Campbell, Joseph: Der Heros in tausendGestalten. Insel 1999.

Dittler, Ullrich et al.: Online-Communi-ties als soziale Systeme. Waxmann2007.

Fog, Klaus et al.: Storytelling: Brandingin Practice. Springer 2005.

Frenzel, Karolina et al.: Storytelling: DasPraxisbuch. Hanser 2006.

Fuchs, Werner T.: Warum das GehirnGeschichten liebt. Haufe 2009.

Krützen, Michaela: Dramaturgie desFilms – Wie Hollywood erzählt. Fischer2006.

Rebillot, Paul: Die Heldenreise. BoD Ver-lag 2008.

SevenOne Media / phaydon: „Kill yourDarling“ 2009 (unveröffentlichter For-schungsbericht).

Vogler, Christopher: Die Odyssee desDrehbuchschreibers. 2. Auflage, Frank-furt a.M. 1998.

Literatur

pen, Pinboards (thematische Foren, zu de-nen spontane Beiträge der Nutzer gesam-melt werden) oder Online-Tagebücher in-tegriert.Die Methode vermeidet weitgehend dieNachteile der direkten face-to-face-Inter-viewsituation (Interviewer-Effekte undÄhnliches), gleichzeitig ist der Kontextnicht in dem Ausmaß anonym wie bei derDurchführung asynchroner Online-Fokus-gruppen. Im Blog lernt jeder Teilnehmerden anderen über die längere Zeit hinwegkennen. Der Kontext ist hochpersönlichund doch anonym zugleich – Vorausset-zungen, wie sie im Social Web auch gege-ben sind und die ein hohes Maß an Mei-nungsaustausch begünstigen.Das skizzierte Verfahren stellt aber auchden Forscher selbst vor neue Herausforde-rungen: Er muss auf Augenhöhe und mitgrößtmöglicher Offenheit in die Diskussionmit den Nutzern eintreten. Belohnt wirddiese Partnerschaft mit einem überra-schenden Maß an Offenheit, Authentizitätund Kreativität der Befragten, was mit demVerhalten in Teststudio-Situationen nichtimmer vergleichbar ist. Der Mangel an kon-trollierter Nachfragemöglichkeit im Blogsollte allerdings – wie in der vorliegendenStudie – durch ergänzende Gruppendis-kussionen kompensiert werden.Einen weiteren Untersuchungsbausteinstellte das Social Media Monitoring dar. MitHilfe des Monitoring-Tools NetLens wurdedas Social Web nach relevanten Inhalten

durchsucht. Die so gesammelten Datenwurden quantitativ mittels Zeitreihe aus-gewertet, so dass wichtige Hinweise aufGesprächsverlauf und -aufkommen im So-cial Web über den Zeitraum der Kampagneermittelt werden konnten (siehe Abbildung5). Daneben erfolgte über ausgewählte In-halte eine qualitativ-psychologische Ana-lyse anhand der Nutzeraussagen, die Aus-kunft über die inhaltliche Bewertung derKampagne gaben.

Fazit: Marktforschung vor neuenHerausforderungen

Es hängt von zahlreichen Faktoren ab, obRezipienten kampagnengetriebene Anläs-se zum Storytelling im Social Web nutzen:Hierzu gehört vor allem eine tragfähigeStory sowie Erzählfiguren/-elemente, diezur Identifikation, Austausch und damitzum Social Branding beitragen, aber auchdie Berücksichtigung von Social Web spezi-fischen Belohnungsmechanismen sowiefunktionale Interaktionselemente, die überein hohes Maß an Social Usability verfügen.Forschungsseitig besteht die Herausforde-rung, Social Media- und Multi-Channel-Kampagnen über die gesamte Laufzeit sozu begleiten, dass Fehlentwicklungen kurz-fristig entgegengesteuert und mögliche Ef-fekte der eingesetzten Maßnahmen früh-zeitig antizipiert werden können. Durch dieSchnelligkeit des Mediums greifen Analyse,Interpretation und das Ableiten von Hand-lungsempfehlungen unmittelbar ineinan-

der und helfen, gerade in der Startphaseeiner Kampagne die richtigen Weichenstel-lungen vorzunehmen.

Product: PAXX PubDate: 001 Zone: 1 Edition: 1 Page: X094 User: PAPB Time: 02-22-2010 16:17 Color: YKCM