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18 JOT 9.2012 AUTOMOBIL-LACKIERUNG JOURNAL FüR OBERFLäCHENTECHNIK D ie Wirtschaft und insbesondere der Automobilmarkt wachsen in China seit Jahren deutlich stärker als in anderen Regionen der Welt. Dement- sprechend werden dort zahlreiche neue Automobilwerke errichtet und mit modernsten Fertigungstechnologien ausgerüstet. Im Bereich der Oberflä- chentechnik bedeutet dies: Einsatz neu- er, kompakter Lackierprozesse, Vollau- tomatisierung, Energieeffizienz und Ressourcenschonung. Dass es sich hier nicht nur um häufig benutzte Schlag- worte handelt, zeigt die heutige Situa- tion dort. China, ein Land beinahe so groß wie die Vereinigten Staaten von Ame- rika. Mit über 1,3 Milliarden Men- schen das bevölkerungsreichste Land der Erde. Wirtschaſtlich betrachtet die Nummer 2 weltweit. Mit einem, aus der Sicht anderer Wirtschaſtsnationen, traumhaſten Wirtschaſtswachstum von 9,2 % im Jahr 2011 (Deutschland in 2011: 3,0 %). 48 % des Bruttoinlands- produktes kommen aus der Industrie, 42 % werden durch Dienstleistungen erwirtschaſtet, der Rest in der Land- wirtschaſt. China, ein Land, das zu den sogenannten BRIC-Staaten (BRIC: Brasilien, Russland, Indien, China) ge- zählt wird, hat sich zu der aufstreben- den Wirtschaſtsmacht schlechthin ent- wickelt. Der in den zurückliegenden Jahren stark expandierende chinesische Auto- mobilmarkt hat sich 2011 auf hohem Niveau etwas beruhigt. Hauptgrund da- für war ein Eingriff der chinesischen Regierung, die die wirtschaftliche Vollautomatisch und effizient So werden heute Autos in China lackiert Der chinesische Automobilmarkt boomt. Die zahlreichen neuen Werke, die in China entstanden sind, setzen modernste Technologien ein. Die Lackiererei mit dem weltweit niedrigsten Energiebedarf pro lackierter Karosserie wird im nächsten Jahr in China in Betrieb gehen. Prognostizierte Automobilproduktion weltweit (CAGR: Compound Annual Growth Rate, durch- schnittliches jährliches Wachstum) (Quelle: PWC, JD Power) Die Top-Ten der chinesischen Automobilhersteller und ihre Marktanteile in 2011 (Quelle: CAAM, Macquarie Research, February 2012)

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automobil-lackierung J o u r n a l F ü r o b e r F l ä c h e n t e c h n i k

Die Wirtschaft und insbesondere der Automobilmarkt wachsen in

China seit Jahren deutlich stärker als in anderen Regionen der Welt. Dement­sprechend werden dort zahlreiche neue Automobilwerke errichtet und mit modernsten Fertigungstechnologien ausgerüstet. Im Bereich der Oberflä­chentechnik bedeutet dies: Einsatz neu­er, kompakter Lackierprozesse, Vollau­tomatisierung, Energieeffizienz und Ressourcenschonung. Dass es sich hier nicht nur um häufig benutzte Schlag­worte handelt, zeigt die heutige Situa­tion dort.

China, ein Land beinahe so groß wie die Vereinigten Staaten von Ame­rika. Mit über 1,3 Milliarden Men­schen das bevölkerungsreichste Land der Erde. Wirtschaftlich betrachtet die Nummer 2 weltweit. Mit einem, aus der Sicht anderer Wirtschaftsnationen, traumhaften Wirtschaftswachstum von 9,2 % im Jahr 2011 (Deutschland in 2011: 3,0 %). 48 % des Bruttoinlands­produktes kommen aus der Industrie, 42 % werden durch Dienstleistungen erwirtschaftet, der Rest in der Land­wirtschaft. China, ein Land, das zu den sogenannten BRIC­Staaten (BRIC: Brasilien, Russland, Indien, China) ge­zählt wird, hat sich zu der aufstreben­den Wirtschaftsmacht schlechthin ent­wickelt.

Der in den zurückliegenden Jahren stark expandierende chinesische Auto­mobilmarkt hat sich 2011 auf hohem Niveau etwas beruhigt. Hauptgrund da­für war ein Eingriff der chinesischen Regierung, die die wirtschaftliche

Vollautomatisch und effizient

So werden heute autos in china lackiertDer chinesische Automobilmarkt boomt. Die zahlreichen neuen Werke, die in China entstanden sind, setzen modernste Technologien ein. Die Lackiererei mit dem weltweit niedrigsten Energiebedarf pro lackierter Karosserie wird im nächsten Jahr in China in Betrieb gehen.

Prognostizierte automobilproduktion weltweit (cagr: compound annual growth rate, durch-schnittliches jährliches Wachstum) (Quelle: PWC, JD Power)

Die top-ten der chinesischen automobilhersteller und ihre marktanteile in 2011 (Quelle: CAAM, Macquarie Research, February 2012)

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Dynamik etwas drosselte, um die Infla­tion einzugrenzen. Die Automobilher­steller zeigen sich jedoch nach wie vor vom chinesischen Markt überzeugt und investieren Milliardenbeträge in die Errichtung neuer Produktionskapazitä­ten. Nach Angaben der Automobil­experten von PWC (PWC: Price Water­house Cooper) stieg die chinesische „Light­Vehicle­Produktion“ im Jahr 2011 um 600 000 Einheiten oder 4,2 %. Das entspricht etwa dem doppelten Wert des Wachstums in Westeuropa (2011: 300 000 Einheiten beziehungs­weise 2,3 %).

Vieles spricht dafür, dass der Auto­mobilmarkt in China auch in den kom­menden Jahren überdurchschnittlich wächst, bedingt durch steigende Real­einkommen und das wachsende Be­dürfnis nach individueller Mobilität. Zum Vergleich: Während in Deutsch­

land zurzeit über 500 Fahrzeuge auf 1000 Einwohner kommen, sind es in China noch weniger als 50 – ein gigan­tischer Nachholbedarf. Vor diesem Hin­tergrund erwartet PWC, dass die Auto­mobilproduktion in China zwischen 2011 und 2016 um über 11 Mio. Einhei­ten wachsen wird.

Die chinesischen Automobilher­steller sind nicht mehr nur auf den In­landsmarkt fixiert. Der chinesische Au­tomobilexport lag im letzten Jahr bei 824 000 Fahrzeugen, eine Zunahme um 50 % gegenüber dem Vorjahr. Die Hauptabnehmer finden sich allerdings nur in den Schwellenländern – bisher.

Soviel zur Statistik. Wie sieht es in China aber in der Automobillackierung aus? Eine generelle Zielsetzung aller chinesischen Automobilhersteller und Joint Ventures ist es, möglichst energie­effizient zu produzieren. Hierzu stehen

die verschiedensten Ansätze zur Verfü­gung. Die wichtigsten von ihnen sind der Lackierprozess, die Layoutgestal­tung und die Anlagen­ sowie die Appli­kationstechnik, die je nach Investitions­volumen der OEMs einzeln oder kom­biniert umgesetzt werden können und werden.

Nun aber der Reihe nach. Mitte der neunziger Jahre fand eine Revolution in der Automobillackierung statt. Ein süd­deutscher Hersteller setzte bei seiner neuen Fahrzeugklasse als erster einen „verkürzten“ Lackierprozess auf Was­serbasis ein. Verkürzt bedeutet in die­sem Zusammenhang: Die Füllereigen­schaften werden in die Basislackschicht verlagert, der klassische Füllerauftrag entfällt und somit auch die Füllerlinie. Klingt einfach, war es aber nicht. Eine echte Pionierleistung, möglich nur durch eine intensive Zusammenarbeit

ein innovatives anlagenkonzept für die transporter-lackierung mit großer Varian-tenvielfalt: Die gesamtzahl der roboter be-trägt für das boxenkonzept 42 geräte. Da-gegen würden 64 roboter in einer konven-tionellen, sequenziellen lackierlinie stehen. Die länge des auswaschsystems der boxen ist mit 58 m deutlich kürzer als die der Ver-gleichslinie, die 91 m aufweisen würde. Da-raus ergeben sich einsparungen beim ener-gieverbrauch von rund 36 % und von circa 34 % beim invest. hierbei sind die mehrkos-ten für die etwas aufwendigere Fördertech-nik sowie die belüftung der transferzonen beim boxenkonzept berücksichtigt. nicht unerwähnt sollte die reduzierung der Farb-wechselverluste beim boxenkonzept blei-ben. Diese beträgt knapp 5 tonnen lack pro Jahr. bild oben: layout; bild unten: Station während der Vor-inbe-triebnahme.

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der drei beteiligten Partner, des Anwen­ders, des Lackmaterialherstellers und des Anlagenlieferanten.

Die Reaktionen auf diese Innova­tion waren zunächst relativ verhalten. Erst allmählich wagten sich auch ande­re Hersteller auf dieses Terrain; es ent­standen verschiedene Varianten, die heute meist unter dem Begriff „kom­pakter Lackierprozess“ zusammenge­fasst werden. Mittlerweile gibt es kaum einen der großen Autobauer, der nicht einen dieser Prozesse einsetzen würde. Die Vorteile? Reduzierung von Invest, Flächenbedarf, Energieverbrauch. Der

kompakte Prozess hat sich etabliert, bis in die Premiumklasse hinein.

Zurück zu China. Auch dort findet dieser Lackierprozess in verschiedenen Varianten seine Anwendung. Bisher hauptsächlich als 3wet­Prozess auf Lö­semittelbasis, zukünftig, nach einer kürzlich erfolgten Änderung der Um­weltvorschriften, als 3wet­Prozess auf Wasserbasis. Die Anwender finden sich vorwiegend bei den Joint Ventures, in denen meist noch der westliche Partner den Prozess vorgibt. Es wird aber si­cherlich nicht allzu lange dauern, bis sich die kompakten Lackierprozesse

auch bei den rein chinesischen Herstel­lern etablieren. Dafür sorgen schon die chinesischen Partner der Joint Ventures, die auch eigene Werke betreiben und bauen.

Hand in Hand mit dem Prozess be­stimmt das Layout die Wirtschaftlich­keit einer Lackiererei. Ein exzellentes Beispiel hierzu wurde in JOT 9/2011 präsentiert. Es handelt sich um ein soge­nanntes Boxenkonzept für die Lackie­rung von Transportern, kombiniert mit dem kompakten 3wet­High­Solid­Pro­zess. 3wet bedeutet nichts anderes, als dass alle drei Lackaufträge, das heißt Füller, Basislack und Klarlack direkt hin­tereinander, also ohne Zwischentrock­nung, aufgetragen werden. Die ganze Schicht wird erst nach dem letzten Lack­auftrag in einem Trockner vernetzt.

Die Karosserien durchlaufen zu­nächst eine Reinigungsstation. Danach erfolgt der Füllerauftrag auf den Außen­flächen, hier ebenfalls in einer Durch­laufstation zusammengefasst. Nun wird auf die einzelnen Boxen verteilt. In je­der Box wird der komplette Basislack­ und Klarlackauftrag, innen wie außen erledigt. Jede Box kann mit einer varia­blen, an die jeweilige Lackieraufgabe angepassten Taktzeit betrieben werden. Der Vergleich mit einer sequenziellen Linie gleicher Kapazität zeigt die Vortei­le dieses Konzeptes in aller Deutlichkeit: Das Boxenkonzept bietet für die vor­handenen Randbedingungen eine Lö­sung mit einem reduzierten Investment und den geringsten Betriebskosten.

Warum wird dieses Beispiel hier nochmals erwähnt? Ganz einfach: Die Anlage wird derzeit in China realisiert.

Stichwort Anlagentechnik: Das Ro­tationstauchen für Vorbehandlung und Elektrophorese mit den bekannten Vor­teilen der kurzen Anlagenlänge, des niedrigeren Energieverbrauchs und der hohen Produktqualität hat ebenso Ein­zug in China gehalten wie die Trocken­abscheidung von Lackoverspray. Insbe­sondere die energiesparende Trockenab­scheidung (EcoDryScrubber) von Dürr hat sich inzwischen zu einem Verkaufs­schlager auf dem chinesischen Markt entwickelt. Die Anwenderliste kann sich sehen lassen: BMW­Brilliance in Shenyang, FAW­Audi und FAW­VW in Changchun und Chengdu, SGM in Nor­

Sauber und energiesparend – der wasser- und chemikalienfreie Prozess zur oversprayabschei-dung. Diese technologie reduziert die energiekosten für die lackierkabinen um bis zu 60 %. Das bild oben zeigt die außenliegende Versorgung mit kalksteinmehl, das bild unten den trichterraum.

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som, Yantai und Wuhan, SVW in Nan­jing, Ningbo und Yizeng, Chery in Dali­an und DFL­Nissan in Huadu. Der letzt­genannte Kunde lackiert übrigens keine Karossen, sondern Kunststoffanbauteile.

Die Roboterlackierung für die Au­ßenflächen ist in China mittlerweile Stand der Technik. Dies liegt sicherlich daran, dass der Automobilboom in Chi­na später einsetzte als in der westlichen Welt, so dass die meisten Werke das Zeitalter der Lackiermaschinen über­sprungen haben. Genauso selbstver­ständlich wie der Robotereinsatz ist die Applikation mit Hochrotationszerstäu­bern und elektrostatischer Lackaufla­dung. Hierbei wurde von Anfang an auf die sogenannte Bell/Bell­Applikation gesetzt, die durch den höheren Auf­tragswirkungsgrad zu einer deutlichen Lackeinsparung führt. Auch hier wurde eine Evolutionsstufe übersprungen. Analog zur Außenlackierung vollzieht sich derzeit die Entwicklung im Bereich der Roboter­Innenlackierung. Die im

Westen lange Zeit eingesetzte luftzer­stäubende Applikation wird in China meist gar nicht mehr diskutiert, viel­mehr wird auch hier gleich auf die Ro­tationszerstäubung gesetzt.

Die neuen Entwicklungen im Be­reich der Anlagen­ und Applikations­technik erlauben nun auch in China ei­ne energie­ und ressourcenschonende Produktion. Schon für sich genommen bietet jede einzelne dieser Technologien bereits eine bedeutende Verbesserung der Ökobilanz. Miteinander kombiniert entstehen jedoch zusätzliche Effekte. Ein exzellentes Beispiel hierfür ist der Energieverbrauch pro lackierter Karos­serie. Ein guter Wert für neuere Auto­mobillackierereien liegt zwischen 700 und 900 kWh je lackierte Karosserie. Mit seinem auf Effizienz und Nachhal­tigkeit ausgerichteten Anlagenkonzept hat Dürr diesen Wert auf 430 kWh pro Karosse gedrückt. Ein absoluter Weltre­kord. Die Lackieranlage geht nächstes Jahr in China in Betrieb.

literaturhinweiseWorld Economic Outlook, Update Janu-ary 2012, Publikation des IMF (IMF: In-ternational Monetary Fund)VR Chinas Kraftfahrzeugmarkt wächst moderater. Germany Trade & Invest, 20.09.2011.Schumacher, H.: Modular Paint Box Concepts („Modshops“) in Comparison to Conventional Sequential Paint Lines. SURCAR, June/July 2011.Svejda, P.: Lackierbox oder Linienkon-zept? JOT 9, 2011.

Dr.-Ing. Pavel SvejdaDürr Systems GmbH, Bietigheim-Bissingen, Tel. 07142 78- 2290, [email protected], www.durr.de

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