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P.Knoll, Mechanik Skriptum zu Physikalische Laborübungen I für Physiker/Innen Kurs H.Feichtinger, P.Knoll, A.Leitner und M.Lippitsch Institut für Experimentalphysik Karl-Franzens-Universität Graz

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P.Knoll, Mechanik

Skriptum zu Physikalische Laborübungen I

für Physiker/Innen

Kurs

H.Feichtinger, P.Knoll, A.Leitner und M.Lippitsch

Institut für Experimentalphysik Karl-Franzens-Universität Graz

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 2

P.Knoll, Mechanik

INHALTSVERZEICHNIS

I Einleitung 3

I.1 Allgemeines 3

I.2 Protokollführung 4

II Grundlagen des Messens 5

II.1 Meßabweichungen 5 II.1.A Systematische Meßabweichungen 5 II.1.B Zufällige (statistische) Meßabweichungen 6 II.1.C Zusammenhänge zwischen physikalischen Größen: physikalische Gesetzmäßigkeiten 10 II.1.D Fehlerfortpflanzung 12

III Einfache Bewegungen 14

III.1 Schiefe Ebene 16

III.2 Lineare Bewegungen und Rotationen 17 III.2.A Ableitung: Mechanik rotierender starrer Körper 18 III.2.B Trägheitsmomente einfacher Körper 19

III.2.B.a Kugel 19 III.2.B.b Hohlzylindersegment 20

III.2.C Beispiel: Rotierender Massepunkt 21 III.2.D Beispiel: rollende Kugel 23

III.2.D.a Auf schiefer Ebene 23 III.2.D.b In V-förmiger Rinne 24

III.2.E Atwood'sche Fallmaschine 26

IV Reibung 29

IV.1 Experimentelle Analyse von Bewegungsvorgängen 29

IV.2 Haft- Gleit- und Rollreibung 31

IV.3 Bewegungsabläufe mit geschwindigkeitsabhängiger Reibung 37

IV.4 Innere Reibung bei laminarer Strömung 40

IV.5 Allgemeine Reibung in Gasen und Flüssigkeiten 43

V Schwingungen 44

V.1 einfache Drehschwingung 47

V.2 Gedämpfte Schwingungen 49

V.3 Fouriertransformation der freien Schwingung 51

V.4 Erzwungene Schwingung 55

V.5 Gekoppelte Schwingungen 59

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 3

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I Einleitung

I.1 Allgemeines Die Laborübungen I aus Experimentalphysik für Physiker/Innen umfassen 15 Übungseinheiten im Semester, wovon ca. 12 Übungsnachmittage der eigenen Durchführung von Experimenten zur Verfügung stehen. Die restlichen Übungseinheiten dienen für Vorbesprechung, Tests, Wiederholungen etc. Es besteht Anwesenheitspflicht; in begründeten Fällen können maximal 2 Übungsnachmittage versäumt werden, um noch einen positiven Laborabschluß erreichen zu können. Es versteht sich von selbst, daß der Lehrinhalt versäumter Übungseinheiten von den Studierenden selbständig nachgeholt wird. Zu den Übungen sind außer Schreibzeug, Lineal usw. auch ein technisch-wissenschaftlicher Taschenrechner (Betriebsanleitung!) sowie verschiedene Sorten Millimeterpapier (linear, logarithmisch) mitzubringen, um eine sinnvolle Auswertung und Darstellung der Meßergebnisse zu gewährleisten. Bei einigen Übungsaufgaben kann auch die Verwendung eines Zirkels hilfreich sein. Die im Praktikum aufgestellten Computer können verwendet werden. Die Laborübungen I gliedern sich in einzelne Übungsaufgaben. Der/die LehrveranstaltungsleiterIn erklärt kurz die benötigten physikalischen Zusammenhänge und die Durchführung der einzelnen Aufgaben. Diese werden dann zu zweit durchgeführt. Damit soll frühzeitig das wissenschaftliche Teamwork trainiert werden. Andererseits soll daraus keine einseitige Arbeitsteilung entstehen. Im Lauf der Übung soll jeder der beiden Partner wenigstens einmal jede der anfallenden Tätigkeiten durchgeführt haben. Über jede durchgeführte Übung ist durch jeden Teilnehmer während derselben ein eigenes Protokoll zu erstellen. Dafür ist ein eigenes Heft oder ein Ordner anzulegen. Alle Protokolle bereits durchgeführter Aufgaben sind ständig verfügbar zu halten. Die Zeit während der Laborübungen sollte vor allem zum Experimentieren und zum Hinterfragen der physikalischen Vorgänge verwendet werden. Zu diesem Zweck ist es notwendig, sich vor den jeweiligen Laborübungen mit benötigten Grundlagen aus Vorlesung und Lehrbuch vertraut zu machen, um einerseits Unklarheiten durch Fragen während der Laborübungen beseitigen zu können und andererseits nicht durch Unwissenheit im Experimentieren behindert zu sein. Letztendlich liegt es auch an Ihnen, aus einer praktischen Lehrveranstaltung möglichst viel Wissen und Verständnis vermittelt zu bekommen. Die Vortragenden können hier nur bestmögliche Hilfestellung anbieten. Die Benotung der Laborübungen I beruht auf Ergebnissen von Kurztests, welche während der Übungsnachmittage abgehalten werden, der Mitarbeit, den Abschlußtests (praktisch und theoretisch) und der Protokollführung. Ein mündliches Abschlußgespräch am Ende des Semesters kann ebenfalls mit einbezogen werden.

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 4

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I.2 Protokollführung Grundsätzlich soll über jedes wissenschaftliche Experiment Protokoll geführt werden. Zweck des Protokolls ist es: a) Die Versuchsbedingungen so festzuhalten, daß das Experiment nach den Aufzeichnungen

von einem selbst oder von anderen reproduziert werden kann, b) Das Experiment beeinflussende Nebenbedingungen festzuhalten, damit auch nachträglich

etwaige Fehlerursachen erkannt werden können, c) Die Originalmeßergebnisse unverändert und vollständig festzuhalten, um eine spätere

Auswertung beliebig oft und unter veränderten Gesichtspunkten zu ermöglichen. Das Protokoll sollte beinhalten: 1. Aufgabenstellung: Der genaue Zweck des Experimentes; was soll bestimmt werden. 2. Voraussetzungen und Grundlagen: welche physikalischen Voraussetzungen, welche Beziehungen benötige ich, um die genannte Aufgabe zu lösen. Hier soll nicht ein Lehrbuch wiedergegeben werden, sonder die wichtigsten Formeln und Beziehungen in Stichworten angegeben werden, die später für die Auswertung benötigt werden. Auch die Angabe der Definition der zu bestimmenden physikalischen Größe kann hier sinnvoll sein. Verweise auf einzelne Kapitel in Lehrbüchern können hilfreich sein. 3. Versuchsaufbau: Eine genaue Skizze (Abmessungen etc.) des Versuchsaufbaues, um ihn jederzeit reproduzierbar nachbauen zu können. Die Beschriftung ist einheitlich im Text, den Tabellen und Skizzen aufeinander abzustimmen. Wichtige Spezifikationen von Geräten sind anzugeben, soweit sie nicht aus der Gerätebezeichnung bekannt sind. 4. Meßergebnisse: In Form von Tabellen, Kurven etc. sind hier die originalen Meßwerte, also die unmittelbaren Ablesungen von den Geräten des Meßaufbaues ohne irgendwelchen Umformungen, Umwandlungen, Berechnungen etc., anzugeben. Wichtige Nebenbedingungen (z.B. Lufttemperatur, Luftdruck, Feuchtigkeit, etc. ) sollten ebenfalls erfaßt werden, wenn eine Beeinflussung des eigentlichen Meßergebnisses zu erwarten ist. Irgendwelche auffälligen Veränderungen während des Experimentes sollten genau vermerkt werden. 5. Auswertung: Entsprechend der in Punkt 2) angegebenen Beziehungen ist aus den Meßergebnissen in Punkt 4) das in Punkt 1) formulierte Endergebnis zu berechnen. 6. Diskussion: Hier sollte eine kurze Reflexion über die durchgeführte Aufgabe und das erzielte Ergebnis stattfinden. Fehleranalyse, Vergleich zu tabellierten Werten, kritische Durchleuchtung des Meßaufbaues mit möglichen Verbesserungsvorschlägen sollten hier in sinnvoller Weise gebracht werden. Es empfiehlt sich für das Protokoll ein eigenes gebundenes Heft zu verwenden. Lose Zettel sind ungeeignet, da sie leicht verloren gehen können und damit mühsame Meßreihen vergeblich waren.

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II Grundlagen des Messens

Messen bedeutet quantitatives Vergleichen einer Größe mit der zugehörigen Einheit. Notwendige Voraussetzung dafür ist die Definition einer Einheit und die Festlegung einer Meßvorschrift. Physikalische Einheiten und Meßvorschriften werden jeweils mit einer Genauigkeit definiert, wie sie dem aktuell höchsten Stand der Meßtechnik entspricht. Alltägliche Messungen werden mit Geräten durchgeführt, die zwar entsprechend den Einheiten geeicht sind, allerdings reicht die Eichung nicht an die Genauigkeit der Definition heran. Üblicherweise liegt die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit bei Meßgeräten bei 1/10 der kleinsten noch auflösbaren Größe, also etwa bei einem Maßstab mit Millimetererteilung bei 0.1 mm. Allerdings ist hier größte Vorsicht geboten, da Meßgenauigkeit und Ablesegenauigkeit eines Meßinstrumentes nicht unbedingt miteinander gekoppelt sein müssen. (z.B. billige Meßgeräte mit Digitalanzeigen mit vielen Stellen.) Für genaue Messungen sollten die verwendeten Meßgeräte stets auf ihre Genauigkeit hin überprüft werden. (z.B. Kurze Probemessung einer bereits bekannten physikalischen Größe.)

II.1 Meßabweichungen Bei den meisten Messungen entspricht der erzielte Meßwert dem „wahren“ Wert immer nur bis auf eine endliche Differenz, Meßabweichung oder einfach Fehler genannt. Es ist Aufgabe der Fehlerabschätzung zu ermitteln, in welchem Bereich der wahre Wert wahrscheinlich liegt. Die Meßabweichungen können zwei verschiedene Ursachen haben, die eine getrennte Berücksichtigung erfordern: systematische und zufällige („statistische“) Meßabweichungen.

II.1.A Systematische Meßabweichungen Diese Meßabweichung beeinflußt die Meßgröße meist in eine bestimmte Richtung; systematisch zu große oder zu kleine Werte. Sie entstehen entweder durch „Fehler“ der Meßinstrumente (falsche Kalibrierung) oder durch „Fehler“ des Meßverfahrens selbst. Fehlerbehaftete bzw. nicht mehr kalibrierte Meßgeräte: Typische Beispiele für diesen unmittelbar einsichtigen Fall sind: verbogene Maßstäbe, Vergleichsmassenstücke mit Massenzunahme durch Korrosion, durch mechanische Gewaltanwendung (Hinunterfallen) beschädigte Zeigerinstrumenten, schwache Batterien bei elektrischen Instrumenten, verstellte Justierschrauben und Einstellregler, Alterung von Meßinstrumenten, etc. Fehlerbehaftetes Meßverfahren: Grundsätzlich ist jeder Meßvorgang ein Eingriff in das zu messende System und verändert dieses (mehr oder weniger stark). So wird z.B. bei der Temperaturmessung eines Körpers dieser mit dem Thermometer in Berührung gebracht. Dabei kommt es zu einem Wärmefluß zwischen beiden Körpern, der die Temperaturen beider Körper verändert. Ein weiteres Beispiel ist die Längenzunahme eines Drahtes, der zwecks Bestimmung seiner Länge parallel zum Maßstab gespannt werden muß. Das Erkennen, quantitative Abschätzen und Minimieren möglicher systematischer Abweichungen ist ein essentieller Bestandteil jedes Experiments. Systematische

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Abweichungen können nur durch eine kritische Analyse des Meßvorganges und der verwendeten Meßgeräte erkannt und vermieden werden. Sie können nicht mit Hilfe der Fehlerrechnung eliminiert werden. So kann z.B. helfen, eine Meßgröße über verschiedene Verfahren gleichzeitig zu bestimmen (z.B. die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges mit Laserpistole, einem Radargerät, Analyse eines abgestrahlten Tones bestimmter Frequenz mittels des Dopplereffektes und direkte Messung der Zeit für eine bestimmte zurückgelegte Wegstrecke.) Die Analyse systematischer Fehler ist sicher eine der schwierigsten und es kann prinzipiell nie absolute Garantie geben, daß keiner vorliegt. Aber bei sorgfältigem Experimentieren kann diese Fehlerquelle minimiert werden.

II.1.B Zufällige (statistische) Meßabweichungen Sie haben ihre Ursache in verschiedenen Störeinflüssen während der Messung, die weiters nicht beeinflußt werden können. Auch bei hinreichend kleinen systematischen Abweichungen wird die mehrmalige Messung einer Größe meist nicht genau übereinstimmende Ergebnisse liefern. Mißt man z.B. die Dauer eines streng reproduzierbar ablaufenden Vorganges mittels einer handbedienten Stoppuhr mehrmals hintereinander, so bewirken die vom "Zufall" abhängigen Reaktionszeiten des Experimentators bei der Betätigung der Stoppuhr eine Streuung der einzelnen Meßwerte. (Man könnte in diesem Fall vermuten, daß hauptsächlich eine systematische Meßabweichung aufgrund der Reaktionszeit entsteht. Diese ist jedoch sowohl beim Start als auch beim Stop der Uhr vorhanden und wird somit bei diesem Experiment kompensiert. Was bleibt ist die Streuung in den Reaktionszeiten). Abschätzung von "zufälligen" Fehlern Bei einer einzelnen Messung kann im allgemeinen nicht abgeschätzt werden, wie groß der Fehler ist. Meist werden daher Meßreihen durchgeführt. Dabei heißt die Menge aller überhaupt möglichen Meßwerte die Grundgesamtheit, die der wirklich gemessenen Werte eine Stichprobe. Treten bestimmte Meßwerte innerhalb einer Stichprobe mehrfach auf, so ist es instruktiv, die Häufigkeit jedes Meßwerts als Funktion dieses Wertes aufzutragen. (Oft ist es dazu nötig, jeweils mehrere benachbarte Meßwerte in einer Klasse zusammenzufassen.) Man erkennt in einem derartigen Diagramm leicht, daß die Meßwerte streuen und daß bestimmte Werte besonders häufig vorkommen. Man kann diese Häufigkeitsverteilung durch eine Häufigkeitsfunktion beschreiben, die im Falle sehr großer Stichproben (Anzahl der Meßwerte gegen Unendlich) eine stetige Funktion ist. Sind die Meßabweichungen "zufälliger" Natur, so wird die Häufigkeitsverteilung für unendlich viele Meßwerte durch eine Gaußfunktion beschrieben. In diesem Zusammenhang ist es wichtig etwas näher darauf einzugehen, was als "zufällig" bezeichnet wird. Gemeint ist dabei das Auftreten von Meßabweichungen die sich in Form einer Gaußkurve um den eigentlichen Meßwert verteilen. Man nennt dies eine Normalverteilung. Mathematisch erhält man diese Funktion, wenn man folgenden Fall betrachtet, welcher das "random walk" Problem genannte wird. Man betrachtet einen Betrunkenen (Meßgröße), der mit einer Wahrscheinlichkeit p einen Schritt der Länge ∆x (störender Einfluß von Außen) in Vorwärtsrichtung, und mit der Wahrscheinlichkeit q=1-p einen Schritt nach rückwärts macht. Nach insgesamt N Schritten ergibt sich dann eine Wahrscheinlichkeit, den Betrunkenen an einem bestimmten Ort x aufzufinden. Die sich ergebenden Wahrscheinlichkeitsverteilung für den Aufenthalt des Betrunkenen (Meßgröße samt Störeinflüssen) ist die Binominalverteilung. Für gleiche Wahrscheinlichkeit eines

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Schrittes nach vor und zurück (gleiche Wahrscheinlichkeit der Meßabweichung zu größeren und kleineren Werten), also für p=q=0,5 ergibt sich eine symmetrische Verteilung. Für besonders viele Schritte (N→∞) mit beliebig kleiner Schrittweite (∆x→0) geht die symmetrische Binomialverteilung in die Gaußverteilung über. (siehe z.B. F.Reif, Statistische Physik und Theorie der Wärme). Demnach bekommt der Begriff "zufällig" in unserem Zusammenhang folgende Bedeutung: Es wirken unendlich viele Störeinflüsse, welche das Meßergebnis minimal mit gleicher Wahrscheinlichkeit zu größeren und kleineren Werten hin verändern. Dies muß in der Praxis nicht für jede Meßserie zutreffen, ist aber eine durchaus berechtigte Modellannahme. In Abbildung II/1 ist z.B. das Ergebnis von 35 Messungen einer Zeit von ca. 2,25 Sekunden dargestellt. Ungefähr kann man erkennen, daß die Häufigkeitsverteilung der Meßwerte ähnlich einer Gaußkurve ist. (Exakter Weise könnte man selbst bei rein "zufälliger" Streuung der Meßwerte erst nach unendlich vielen Messungen eine Gaußkurve erwarten.) Im weiteren nehmen wir an, daß Meßwerte nur rein "zufällig" streuen. Abb.II/1: Häufigkeitsverteilung am Beispiel von 35 unabhängigen Messungen einer Zeitspanne Ziel einer physikalischen Messung ist die Ermittlung des wahren Werts, der den Meßwerten der Stichprobe zugrunde liegt. Die Gesetze der mathematischen Statistik besagen, daß auf Grund der endlichen Anzahl von erhaltenen Meßwerten über den wahren Wert nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage möglich ist. Der beste Schätzwert für den wahren Wert ist das arithmetische Mittel x aus den N Stichprobenwerten ix :

Für diesen Mittelwert ist die Summe der positiven Abweichungen gleich der Summe der negativen Abweichungen. Verschiedene Meßreihen werden aufgrund unterschiedlicher Umstände unterschiedlich große Streuungen der Stichprobenwerte um den Mittelwert liefern (unterschiedliche Breite der Häufigkeitsverteilung). Einer Meßserie wird um so mehr Aussagekraft beizumessen sein, je weniger die Meßwerte streuen. Wir benötigen daher eine

∑=

=N

iix

Nx

1

1

2,20 2,25 2,30 2,350

2

4

n

Zeit t/s

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Quantifizierung der Streuung innerhalb einer Stichprobe. Das Maß für die Streuung der Meßwerte um den Mittelwert ist die Standardabweichung s :

( )∑=

−−

=N

iixx

Ns

1

2

11

Bei einer großen Anzahl von Messungen (Gaußverteilung) liegen im Intervall sx ± ca. 68 % aller Meßwerte. Würde man mehrere Stichproben (Meßreihen) von jeweils gleichem Umfang betrachten, so würden auch die Mittelwerte dieser Stichproben noch um den „wahren“ Wert streuen. Allerdings wäre die Streuung der Mittelwerte geringer als die der Einzelwerte. Diese Streuung der Mittelwerte ist für eine physikalische Messung die wichtigste Größe. Sie bestimmt die Zuverlässigkeit des Ergebnisses der gesamten Meßreihe. Die Zuverlässigkeit der Gesamtmittelwerts ist um so höher, je kleiner die Streuung (Standardabweichung) s der Einzelmessungen ist und je höher deren Anzahl N ist. Das Maß für die Verläßlichkeit des Gesamtmittelwerts ist die Standardabweichung der Mittelwertverteilung. Eine Größe, die dieser Standardabweichung entspricht, kann auch aus einer einzelnen Meßreihe errechnet werden. Sie wird (etwas mißverständlich) als „Standardabweichung des Mittelwertes“ bezeichnet, obwohl nur ein Mittelwert vorkommt. Diese Standardabweichung m des Mittelwertes gibt an, wie weit der Mittelwert (mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit) vom wahren Wert abweichen kann. Für sie gilt:

( ) ( )∑=

−−

==N

iixx

NNNsm

1

2

11

Bei kontinuierlichen Verteilungen ist die Mächtigkeit der Grundgesamheit unendlich, d.h. die Standardabweichung des Mittelwerts wäre null und der Mittelwert exakt gleich dem wahren Wert. Wirkliche Meßreihen erfassen nur Stichproben von endlichem Umfang. Bei Stichproben ist die Standardabweichung des Mittelwerts nach obiger Beziehung vom Umfang N abhängig. Größere Meßreihen geben eine geringere Standardabweichung des Mittelwertes. Die Tatsache, daß der Umfang der Stichprobe nur als Wurzelausdruck in die Formel eingeht bedeutet, daß eine Erhöhung der Sicherheit des Mittelwerts auf diesem Wege u. U. zu einer unerträglich großen Meßzeit führt. Wirksamer ist es, die Meßmethode zu verbessern um damit geringere Streuungen zu erzeugen. Der wahre Wert der Messung liegt mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit innerhalb eines vorgegebenen Bereichs um den Mittelwert. Diese Wahrscheinlichkeit beträgt 68% für den Bereich mx ± , 95% für den Bereich mx 2± und 99.7% für den Bereich mx 3± . Als Ergebnis einer Meßreihe sollte immer der Mittelwert, die Standardabweichung des Mittelwertes und die Zahl der durchgeführten Messungen angegeben werden. Jede Angabe eines Meßergebnisses muß daher enthalten: Mittelwert, Standardabweichung des Mittelwertes, Zahl der Messungen. Der hier angegebene Fehler eines Meßwertes wird auch absoluter Fehler bezeichnet, weil er direkt das Intervall in absoluten Einheiten angibt, in dem sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit der wahre Wert befindet. Will man hingegen wissen, ob es sich um einen sehr genauen oder ungenauen Wert handelt, wird oft der relative Fehler angegeben, der auch

in Prozent ausgedrückt werden kann: xmr = , bzw. %100%

xmr = .

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 9

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Signifikanz Stimmen die Mittelwerte von zwei Meßreihen nicht überein, so kann das zwei verschiedene Ursachen haben: Entweder liegt eine zufällige Abweichung vor, oder den beiden Meßreihen liegen wirklich verschiedene „wahre“ Werte zugrunde. Die Sicherheit, mit der das Vorliegen zweier verschiedener „wahrer“ Werte angenommen werden kann, nennt man Signifikanz der Abweichung. Es können mathematische Signifikanzkriterien angegeben werden, die für physikalische Messungen meist jedoch nicht unbedingt erforderlich sind. Im allgemeinen kann man zwei Messungen als signifikant verschieden annehmen, wenn der Abstand ihrer Mittelwerte größer als die Summe der Standardabweichungen dieser Mittelwerte ist. Dann kann mit 68%iger Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß verschiedene wahre Werte den beiden Meßserien zugrunde liegen. Aufgabenstellungen: Messen Sie 50 mal die Dauer eines reproduzierbaren Vorganges, der etwa 5 s dauert, mit der Stoppuhr. Zeichnen Sie die Häufigkeitsverteilung der Meßwerte unter Bildung von mind. 9 Klassen. Bestimmen Sie Mittelwert, Standardabweichung und Standardabweichung des Mittelwerts Messen Sie mit der Schiebelehre von verschiedenen Objekten die Länge, Außen- und Innendurchmesser sowie Lochtiefe. Benützen Sie dabei den Nonius. Diskutieren Sie im Protokoll die Möglichkeit systematischer Fehler bei obigen Messungen. Praktische Durchführung: Als zu messenden Vorgang verwenden Sie die Bewegung des Elektronenstrahls über den Oszilloskopbildschirm. Dabei ist die Zeitablenkung (Time/div) auf ca. 0.5 s/cm einzustellen. Zur Vermeidung eines systematischen Fehlers ist die Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Durchgängen durch einen bestimmten Ort zu messen (warum ? ). Diskutiere mögliche systematische Fehlermöglichkeiten

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II.1.C Zusammenhänge zwischen physikalischen Größen: physikalische Gesetzmäßigkeiten

Physikalische Gesetze beschreiben die funktionelle Abhängigkeit zwischen Größen. Messungen sollen daher häufig zwei (oder mehrere) Größen in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit bestimmen. Jede der gemessenen Größen ist dabei mit Meßabweichungen behaftet. Eine anschauliche Darstellungsform für das Ergebnis solcher Messungen liefern Diagramme, welche die Abhängigkeiten wiedergeben. Im weiteren soll von dem einfachen Fall von nur zwei voneinander abhängigen physikalischen Größen ausgegangen werden. (z.B. Weg und Zeit eines bewegten Körpers). Der Mittelwert jeder einzelnen Meßreihe liefert dabei einen Meßpunkt im Diagramm, wobei z.B. die Zeit auf der x-Achse und der Ort auf der y-Achse aufgetragen wird. Die Standardabweichungen in beiden Achsenrichtungen (sowohl der Weg als auch der Zeitmessung) ist durch einen Fehlerbalken anzugeben. Der Verlauf der Funktion, die den Zusammenhang zwischen den „wahren“ Werten der Meßgrößen angibt, wird am besten durch eine sogenannte Ausgleichskurve dargestellt. Ihr Verlauf ist dadurch charakterisiert, daß die Summe der Quadrate der Abstände der Meßpunkte von der Kurve ein Minimum wird. Ist die betreffende Funktion linear, d.h. hat sie die Form

dkxy += so gilt für die Ausgleichsgerade:

=

=

−= N

ii

N

iii

xNx

yxNyxk

1

22

1

und

xkyd −= Abb.II/2: Linearer Zusammenhang zwischen den physikalischen Größen Weg und Zeit am Beispiel einer gleichförmigen Bewegung. Durch die Messpunkte ist eine Ausgleichsgerade gelegt

0

2

4

6

8

10

0 5 10 15 20 25 30

Zeit t/s

Weg

x/m

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Sollten die einzelnen Meßpunkte mit unterschiedlichen Fehlern behaftet sein, so kann dies durch gewichtete Mittelwertbildung berücksichtigt werden. Werte mit großem Fehler gehen dann weniger stark ein als Werte mit kleinem Fehler. Es soll jedoch darauf hingewiesen werden, daß üblicherweise kein statistischer Gewinn daraus gezogen werden kann, zunächst einzelne Meßwerte zusammenzufassen und den Mittelwert zu bestimmen, und dann diese Mittelwerte weiter für Ausgleichsfunktionen zu verwenden. Man kann gleich alle Meßdaten ohne Mittelwertbildung für die Ausgleichsfunktion verwenden. Da bei zeitgemäßen Vorgehen diese Bestimmung von Ausgleichskurven am Computer durchgeführt wird, ist es auch kein Problem mehr mit einer größeren Datenmenge in linearen und nichtlinearen Fitroutinen zu arbeiten. Ist der funktionelle Zusammenhang zwischen den beiden Größen nichtlinear, so gelten kompliziertere mathematische Zusammenhänge. Meist werden dann numerische Methoden, sogenannte nichtlineare Fitroutinen, eingesetzt. Diese stehen im Praktikum am Computer z.B. im Programm Origin zur Verfügung. Hier sei jedoch gleich vor einem allzu unbeschwerten "Fitten" von Meßdaten gewarnt. Allzuleicht verfällt man der Versuchung, verschiedenste Funktionen als Fitroutinen für die erhaltenen Meßwerte auszuprobieren und dann jene als beste auszuwählen, welche die kleinste Abweichung zu den Meßwerten ergibt. Dies liefert zwar schöne Diagramme, aber gewonnen ist dadurch in physikalischer Weise nicht das geringste, da die dabei bestimmten Parameter der Fitfunktion keinerlei physikalische Bedeutung haben und nicht mehr interpretiert werden können. Die Fitfunktion muß daher durch ein physikalisches Modell vorgegeben sein, damit dann die Parameter der Fitfunktion im Rahmen dieses Modells weiter interpretiert werden können. Ausnahme bilden vielleicht Problemstellungen wie das Auffinden eines möglichst analytischen Ausdrucks der im Experiment festgestellten Gesetzmäßigkeit. Z.B. ob die gefundene Abhängigkeit linear, exponentiell oder logarithmisch ist. Hier ist es jedoch im einfachen Fall von nur 2 abhängigen Größen auch möglich, durch nichtlineare Transformationen alle Gesetzmäßigkeiten auf lineare zurückzuführen. So wird etwa eine Potenzfunktion

baxy = durch zweifaches Logarithmieren (y→log y und x→log x) in eine lineare Funktion übergeführt:

axby logloglog += Eine Exponentialfunktion der Form

bxaey = wird durch einfaches Logarithmieren (y→ln y) linearisiert und man erhält

abxy lnln += Die Linearisierung in der angegebenen Art kann im ersten Fall am besten durch Darstellung in einem Diagramm mit doppeltlogarithmischer Achsenteilung erfolgen, im zweiten Fall durch einfachlogarithmische Achsenteilung. Aus einem derartigen Diagramm kann der Wert der Konstante b aus der Steigung der Ausgleichsgeraden, der Wert der Konstanten a aus dem Schnitt der Geraden mit der y-Achse für x = 1 bzw. für x = 0 ermittelt werden. Wichtig ist

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 12

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noch zu bemerken, daß im allgemeinen bei physikalischen Problemstellungen im Logarithmus genauso wie in Exponenten nur dimensionslose Größen auftreten. Demnach ist der Logarithmus grundsätzlich als Verhältnis aufzufassen. In unserem Beispiel bedeutet dies, daß

ln(y) eigentlich genauer heißt:

0

lnyy wobei y0 die Bezugsgröße mit Einheit darstellt. Soll y

das Maß für einen Weg darstellen, so kann y0 zum Beispiel 1m sein, wenn alle Längen auf 1m bezogen werden sollen. Abb.II/3: Linearisierung einer nichtlinearen Funktion durch logarithmische Darstellung gezeigt am Beispiel einer Fallbewegung

II.1.D Fehlerfortpflanzung Zuletzt soll noch der Frage nachgegangen werden, wie sich bei physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Gesamtfehler aus den Fehlern der einzelnen Meßwerte ergibt. Gehen wir von einer Gesetzmäßigkeit aus, wo die Größe G = f(Gi) (z.B. die Geschwindigkeit oder die Beschleunigung) von Meßgrößen Gi (z.B. Weg und Zeit) abhängig ist. Die Fehler der Meßgrößen pflanzen sich in das errrechnete Resultat fort. Als wahrscheinlichster Wert für die errechnete Größe kann derjenige gelten, der aus den Mittelwerten der Meßgrößen gewonnen wurde. Wenn Gi die gemessenene Größen sind, so gilt für die Standardabweichung mG der errechneten Größe G

∂∂

=i

Gi

Gi

mGGm 2

2

Die Ableitung ist dabei jeweils an der Stelle der Mittelwerte von Gi zu bilden. Diese Vorschrift gilt solange, als die einzelnen Meßgrößen in ihrem Fehler voneinander unabhängig sind, wie das für rein "zufällige" Fehler auch zutrifft. Sollten jedoch "versteckte" Abhängigkeiten vorliegen, wo z.B. eine Meßabweichung zu größeren Werten hin gleichzeitig einen anderen Meßwert in eine bestimmte Richtung beeinflußt, dann muß der Gesamtfehler auf andere Art ermittelt werden. (Genaue Analyse der gegenseitigen Abhängigkeiten der Meßfehler.) Diese Fortpflanzung des Fehlers bezieht sich auf den absoluten Meßfehler, wie er z.B. aus der Standardabweichung ermittelt wird und darf nicht auf den relativen Fehler angewendet werden.

10 100

10

100

1000

10000

Weg

x/m

Zeit t/s-50 0 50 100 150 200 250

0

10000

20000

30000

40000

50000

Weg

x/m

Zeit t/s

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 13

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Weiterführende Bemerkungen: Die Mathematik statistischer Auswertungen ist sehr hochentwickelt, wie z.B. jedesmal bei Wahlprognosen und Hochrechnungen gesehen werden kann. Auch bei physikalischen Messungen können daher Fragen, wie z.B. beeinflußt Rauschen das Ergebnis, wie kann man aus einem stark verrauschten Signal noch das Nutzsignal messen, mit welcher Wahrscheinlichkeit verbirgt sich ein bestimmtes Signal in einem komplexen Datenstrom etc. beantwortet werden. Begriffe wie Auto- und Kreuzkorrelation, Lock-In Technik etc. sind damit verbunden und sind Gegenstand höherer Lehrveranstaltungen über Experimentier- und Meßtechnik. Aufgabenstellungen: Messen Sie mit der Atwood`schen Fallmaschine die resultierende Fallzeit für 15 verschiedene Fallhöhen. Tragen Sie den Weg als Funktion der Zeit in ein Diagramm ein und versuchen Sie, durch geeignete Darstellung (Linearisierung) den funktionellen Zusammenhang deutlich zu machen. Analysieren Sie das Weg-Zeit Diagramm mit Hilfe des Computers und erstellen sie das Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm und das Beschleunigungs-Zeit-Diagramm. Formulieren Sie den Zusammenhang zwischen Weg und Zeit quantitativ und geben Sie die auftretende Beschleunigung a unter Berücksichtigung der Fehlerfortpflanzung an. Bei der Atwood'schen. Fallmaschine wirkt nach der Theorie eine Beschleunigung b

2/21

12

rmmmmmgb

++−

=

(g ..Erdbeschleunigung, m1, m2 .... Massen der Probekörper, mr ... Masse des Rades). Errechnen Sie aus dem im Experiment gegebenen Werten die (theoretisch zu erwartende) Beschleunigung und vergleichen Sie diese mit der gemessenen. Diskutieren Sie Ursachen für die Diskrepanz. Praktische Durchführung: Vorsicht bei großen Fallhöhen! Die Schnur kann beim Auftreffen eines "Gewichts" am Boden aus der Rolle laufen und somit das obere "Gewicht" herunterfallen (Kopfverletzung!) Hilfreiche Literatur: W. Walcher: Praktikum der Physik, Teubner Studienbücher Physik D. Geschke: Physikalisches Praktikum, Teubner W. Demtröder, Experimentalphysik I, Springer

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III Einfache Bewegungen

Die Bewegungen von Körpern entstehen durch das Zusammenspiel von folgenden physikalischen Größen: Kräften ( F

r), Massen (M), Ort ( xr )und Zeit (t). Weitere Größen wie

zum Beispiel der Impuls ( vMxMtxMp r&rr

r==

∂∂

= ) oder der Energieinhalt (potentielle und

kinetische) können daraus abgeleitet werden. Die physikalischen Gesetzmäßigkeiten, die nun zwischen diesen Größen wirken, wurden von Newton durch Beobachtung herausgefunden. Insbesondere ist dabei die Kraft als die Änderung des Bewegungszustandes einer Masse erkannt worden. Die Newton'schen Axiome lauten: 1. Jeder Massepunkt verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung auf

geradliniger Bahn solange keine Kräfte auf ihn einwirken. 2. Definition der Kraft: Kraft ist die Ursache einer Impulsänderung (Beschleunigung (b

r)).

3. actio = reactio: Jede Kraft erzeugt eine gleich große Gegenkraft. Diese mit Worten definierten Gesetze lassen sich etwas kompakter mathematisch formulieren. Die beiden ersten Gesetze ergeben die bekannte Beziehung:

xMxMtxM

txMvMbMp

tpF &r&&&r

r&

rr&

r&r

rr+=

∂∂

+∂∂

=+==∂∂

= 2

2

.

Dabei wurde gleich von der Vektorschreibweise Gebrauch gemacht. Bei konstanter Masse trägt nur mehr der Term mit der Beschleunigung bei. Das 3. Newton'sche Axiom, daß es zu jeder Kraft auch eine Gegenkraft gibt, also ji FF

rr−= ,

führt zur wichtigen Beziehung, daß bei Berücksichtigung sämtlicher Kräfte offenbar gilt:

0=∑i

iFr

.

Solche Systeme, wo es keine mehr nach außen gerichteten Kräfte gibt, nennt man abgeschlossene Systeme. Diese beiden mathematischen Ausdrücke bilden die Grundlagen für die Behandlung sämtlicher Bewegungsprobleme. Wählen wir als einfachen Fall eine konstante Masse M auf die eine zeitlich und örtlich konstante Kraft F in Richtung x wirken soll. Da hier ein streng eindimensionales Problem vorliegt, können wir auf die Vektorschreibweise verzichten. Aus 0=∑

iiFr

folgt, daß es eine gleich große Gegenkraft

geben muß. Dies ist die sogenannte Trägheitskraft, welche nach xMF &&rr

= für die Änderung des Bewegungszustandes verantwortlich ist. Wir erhalten direkt die Bewegungsgleichung:

0=− xMF && .

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 15

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Durch Lösen dieser Differentialgleichung erhalten wir sämtliche Zusammenhänge zwischen Weg, Zeit, Geschwindigkeit und Beschleunigung:

.constMFxb === &&

bzw. durch Integrieren:

( ) 00

00

)( vttMFdt

MFdtxxtv

t

t

t

t

+−==== ∫∫ &&& .

Besonderer Augenmerk ist hier auf die Integrationsgrenzen und die Integrationskonstante zu legen, da diese die entsprechenden Randbedingungen festlegen. In unserem Fall wurde ganz allgemein als Randbedingung festgelegt, daß zur Zeit t0 die Geschwindigkeit v0 vorliegen soll. Durch weiteres Integrieren erhält man:

( ) ( ) ( ) ( )00002

000000 2)()(

00

ttvtttMFtt

MFsdtvtt

MFsdttvsts

t

t

t

t

−+−−−+=

+−+=+= ∫∫ .

Im besonderen Fall der Randbedingungen, daß t0=0, s0=0 und v0=0 sind, erhalten wir die bekannte Gesetzmäßigkeit der gleichförmig beschleunigten Bewegung:

22

21

2)( btt

MFts == .

Bis jetzt wurden nur die Abhängigkeiten gegenüber der Zeit angegeben. Von allen anderen möglichen Beziehungen soll lediglich noch die Frage geklärt werden, welche Geschwindigkeit liegt an welchem Ort vor. Dies erhält man durch Elimination der Zeit, welche durch den Weg ausgedrückt werden kann. Wir gehen von den einfachen Randbedingungen aus und erhalten:

bsMFs

FMs

MFt

MFsv 222)( ==== .

Nachteil der hier verwendeten Methode, aus den Kräftegleichungen zu Bewegungsgleichungen zu kommen, ist, daß in komplexeren Systemen nicht immer alle Kräfte leicht zu erkennen sind und dadurch leicht Fehler entstehen. Deswegen wurden weitere Verfahren entwickelt, welche von der kinetischen und potentiellen Energie eines Systems ausgehen, welche oft einfacher zu erkennen sind. Der Vollständigkeit halber sollen sie hier kurz angeführt werden. Das Lagrange Verfahren: Aus der kinetischen Gesamtenergie eines Systems T und der gesamten potentiellen Energie V wird die Lagrange-Funktion VTxxL −=),( &rr gebildet, welche als Variablen den generalisierten Ort und seine zeitliche Ableitung beinhaltet. Die Bewegungsgleichungen

erhält man dann nach folgender Vorschrift: 0=∂∂

−∂∂

∂∂

xL

xL

t &.

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 16

P.Knoll, Mechanik

In unserem vorigen Beispiel der einfachen gleichförmigen Beschleunigung lautet die

Lagrange-Funktion: FxxMxxL += 2

21),( && und man erhält als Bewegungsgleichung:

0=− FxM && . Hamilton Formulismus: Hier geht man von der Gesamtenergie eines Systems aus, welche durch generalisierten Ort und Impuls in Form der Hamiltonfunktion VTpxH +=),( rr angegeben wird. Die

Bewegungsgleichung erhält man dann nach folgender Vorschrift: xHp r&r

∂∂

−= zusammen mit

pHx r&r

∂∂

= .

In unserem vorigen Beispiel der einfachen gleichförmigen Beschleunigung lautet die

Hamilton-Funktion: FxMpFxxMpxH −=−=

221),(

22& . Als Bewegungsgleichungen erhält

man: Fp =& und Mpx =& . Daraus erhält man wiederum die bereits bekannte

Bewegungsgleichung als Differentialgleichung 2. Ordnung in x: FxM =&& . Dieser Formalismus leitet bereits zur quantenmechanischen Behandlung über.

III.1 Schiefe Ebene Der einfache Fall der gleichförmig beschleunigten Bewegung kann am ehesten beim freien Fall oder, allgemeiner, auf einer schiefen Ebene realisiert werden. Der in Abbildung III/1 dargestellte Körper mit Masse M sollte dabei reibungsfrei (keine Tangentialkräfte an der Auflagefläche des Körpers) entlang der schiefen Ebene hinuntergleiten. Diese Richtung wird als x-Richtung angenommen. In diese Richtung wirkt jedoch nicht die volle Gewichtskraft

MgG = (M Masse des Körpers, g Erdbeschleunigung), sondern nur ein Teil davon, welcher aus der Komponentenzerlegung in die Kraft FN normal zur schiefen Ebene und die Kraft FP parallel dazu gewonnen wird. Man erhält: αcosMgFN = und αsinMgFP = .

Abb.III/1: Kräfte auf der schiefen Ebene

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 17

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Die senkrecht zur Ebene wirkende Kraft FN wird durch eine gleich große Kraft FU kompensiert, welche die Unterstützung der Last durch die Ebene darstellt. Nur die parallel-Komponente FP ist mit einer Bewegung verbunden und wird durch eine entsprechende Trägheitskraft kompensiert. Analog zu vorigem Beispiel erhalten wir die Bewegungsgleichung:

αsinMgFxM p ==&& . Mit den einfachen Randbedingungen t0=0, s0=0 und v0=0 erhalten wir die entsprechenden Beziehungen:

αsingMFxb === && .

Die auftretende Beschleunigung ist somit durch den Faktor αsin geschwächt. Für die Geschwindigkeit erhält man:

αsin)(0

gttMFdtxxtv

t

==== ∫ &&& .

Für die Messung am einfachsten zugänglich ist die Bestimmung der Zeit, die für eine bestimmte Wegstrecke gebraucht wird. Man erhält:

αsin21

2)( 22 gtt

MFts == .

Daraus kann bei bekanntem Winkel der schiefen Ebene die Erdbeschleunigung bestimmt werden. Entlang des Weges wird die jeweilige Differenz an potentieller Energie in kinetische Energie umgesetzt. Ist die Bewegung nicht reibungsfrei, so ist die wirksame Kraft um die Reibungskraft vermindert und die auftretende Beschleunigung kleiner (siehe Abschnitt IV). Allerdings ist es recht aufwendig in dieser Anordnung eine fast reibungsfreie Bewegung zu realisieren. Dies würde z.B. den Einsatz einer Luftkissenanordnung erfordern. Viel leichter läßt sich fast reibungslose Fortbewegung durch das Rollen einer Kugel erreichen.

III.2 Lineare Bewegungen und Rotationen Die Mechanik rotierender Körper wird meist als wesentlich schwieriger empfunden. Sind dann noch rotierende Teile mit linear bewegten verbunden, wie dies bei den meisten mechanischen Maschinen der Fall ist, treten oft ungeahnte Schwierigkeiten auf. Die rollende Kugel ist ein einfaches Beispiel einer Rotationsbewegung (die der Kugel), welche mit einer linearen Bewegung (die des Massenschwerpunktes) verkoppelt ist. Wir wollen zuerst ein paar einfache Gesetzmäßigkeiten von rotierenden Massepunkten herleiten, und dann das Problem der Verkopplung mit linearen Bewegungen an Beispielen behandeln.

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 18

P.Knoll, Mechanik

III.2.A Ableitung: Mechanik rotierender starrer Körper Gehen wir von dem Gesetz xMF &&r

r= aus, welches aus den Newton'schen Axiomen gewonnen

wurde. Für mehrere Massepunkte läßt es sich erweitern zu: 0=−∑i

ii xMF &&rr

. Rotationen sind

nun dadurch charakterisiert, daß dabei alle Punkte auf einer Geraden, der Drehachse, unverändert bleiben. Wir wählen nun einen Punkt auf der Drehachse als Bezugspunkt und betrachten für alle i Massepunkte den Ortsvektor ir

r bezüglich dieses Bezugspunktes. Wir erweitern die letzte Gleichung indem wir mit den Vekoren ir

r von links das Vektorprodukt

bilden und erhalten: ( ) ∑∑∑ ×−×=×−×==−×i

iiiii

iiiiii

iiii prFrxMrFrxMFr &rrrr&&rrrr&&rrr 0 . Dabei

wird die Größe iii FrTrrr

×= das Drehmoment und iii prl rrr×= der Drehimpuls des i-ten

Massepunktes genannt. Damit haben wir bereits eine Formulierung des Newton'schen

Gesetzes für Rotationen gefunden: ∑∑ =i

ii

i lT &rr. Weiters ist es zweckmäßig bei Rotationen

anstelle der Ortskoordinate eine Winkelkoordinate einzuführen, welche entsprechend des Drehsinnes (Rechtssystem) ebenfalls ein Vektor ist. Für eine infinitesimale Verschiebung gilt:

rdrdxd rrrr+×= ϕ . Für Winkelgeschwindigkeit und Winkelbeschleunigung des i-ten

Massepunktes erhält man: iiiiiiii rrrrxv &rrr&rr&r&rr+×=+×== ωϕ und iiiiiii rrrxb &&r&rrr&r&&r

r+×+×== ωω .

Damit kann man auf reine Winkelgrößen transformieren und erhält für den Drehimpuls: 0+=×+××=×=×= iiiiiiiiiiiiiii IrrMrrMvMrprl ωω rt&rrrrrrrrrr

. Dabei wurde aus dem etwas komplizierten Ausdruck mit dem doppelten Kreuzprodukt der Vektor der Winkelgeschwindigkeit herausgezogen, wofür ein Tensor 2. Stufe eingeführt werden mußte. Dieser Tensor wird Trägheitsmoment genannt und kann durch komponentenweisen Vergleich bestimmt werden:

+−−−+−−−+

=2,

2,,,,,

,,2,

2,,,

,,,,2,

2,

yixiziyizixi

ziyizixiyixi

zixiyixiziyi

ii

rrrrrrrrrrrrrrrrrr

MIt

.

Dieser Tensor des Trägheitsmomentes ist symmetrisch und ein wichtiges Hilfsmittel bei der Beschreibung von Drehbewegungen. Wir betrachten nun wiederum die eigentliche Bewegungsgleichung und transformieren den Term mit der Drehimpulsänderung ebenfalls auf

Winkelgrößen: iiiiiiiiiiiiiii IIrMrrMrxMrl ωωωω r&t&rt

&rrrr&rr&&rr&r +=××+××=×= . Damit erhalten wir bereits die Bewegungsgleichung ausgedrückt in Winkelgrößen:

( ) ( )∑∑∑∑ −−=−−=

−=×−×=

iiiii

iiiii

iii

iiiii IITIITlTprFr ϕϕωω &r&

t&&r

trr&t&rtr&rr

&rrrr0 .

Wichtig ist zu betonen, daß bis jetzt nur mathematische Umformungen auf Winkeländerungen durchgeführt wurden, und daher auch in dieser Form beliebige Bewegungen beschrieben werden können. Dabei ist die Wahl des Bezugspunktes auf der Drehachse nicht unbedingt notwendig. Von Vorteil ist diese Art der Beschreibung allerdings bei reinen Rotationen, da dann alle Massepunkte die gleiche Winkelgeschwindigkeit besitzen. Wählt man dann den Bezugspunkt auf der Drehachse und betrachtet Drehungen um den Schwerpunkt, dann werden die Gleichungen besonders einfach und auch der Tensor des

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 19

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Trägheitsmomentes wird während dieser reinen Rotation eine recht einfach zu berechnende konstante Größe. Interpretieren wir die Änderung des Drehimpulses ebenfalls als Drehmoment, so erhält man noch folgende Gleichung:

0=∑j

jTr

.

Diese letzten beiden Gleichungen stellen die Newton'schen Axiome in Winkelgrößen dar. Damit läßt sich jedes mechanische Problem genauso lösen. Für reine Rotationen, wo alle Massepunkte die gleiche Winkelgeschwindigkeit besitzen, vereinfachen sie sich zu:

( ) 00 =−=−=−=−= ∑∑∑ ωϕϕϕ &rtr

&&rtrt

&&rr

&&rtr

ITITITITi

ii

ii

iii .

Dabei kann bezogen auf eine Achse ein Gesamtträgheitsmoment des Körpers angegeben werden, welches konstant ist.

III.2.B Trägheitsmomente einfacher Körper Bei der Beschreibung von Bewegungen mit Hilfe von Winkelgrößen spielt das Trägheitsmoment eine entscheidende Hilfe. Als Tensor 2. Stufe kann er durch geeignete Wahl der Achsen auf reine Diagonalform gebracht werden (Hauptachsenform). Dies ist bei einfachen Körpern für Achsen durch den Massenschwerpunkt, welche gleichzeitig Symmetriehauptachsen sind, der Fall. Dann berechnen sich die 3 Trägheitsmomente ganz einfach als die Summe über alle Massenpunkte multipliziert mit dem Quadrat des kürzesten Abstandes zu der jeweiligen Drehachse. Aus diesen Hauptträgheitsmomenten einfacher Körper lassen sich dann die Trägheitsmomente beliebiger Körper bezüglich beliebiger Achsen mithilfe folgender Gesetzmäßigkeiten ermitteln: (1) Transformation von Hauptachsen auf beliebige Achsen durch den Schwerpunkt mit Hilfe

einer orthogonalen Transformation: 1−= OIOI HB

tttt.

(2) Berechnung des Trägheitsmomentes Ia für Achsen außerhalb des Schwerpunktes aus dem

Trägheitsmoment I bezüglich des Schwerpunktes mit Hilfe des Satzes von Steiner. Ist a der Abstand des Schwerpunktes von der Drehachse und M die Gesamtmasse des Körpers so ist 2MaIIa += .

(3) Zusammensetzung der Trägheitsmomente komplizierter Körper aus einfachen Körpern

mithilfe der Addition von Trägheitsmomenten bezüglich der gleichen Drehachse.

III.2.B.a Kugel Wir gehen von einer homogenen Kugel aus mit konstanter Dichte innerhalb des Kugelradiuses. Am zweckmäßigsten werden Kugelkoordinaten r, ϕ, ϑ verwendet, welche durch x=rcosϕsinϑ, y=rsinϕsinϑ und z=rcosϑ definiert sind. Das infinitesimale Volumselement dV lautet dann in Kugelkoordinaten: dV=r2sinϑdrdϕdϑ. Die Masse der Kugel ergibt sich zu:

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 20

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VRRrddrdrdVMRR

V

ρπρπρϕϑρϑϕϑρρ πππ π

==⋅=−=== ∫ ∫ ∫∫ 3422

3cos

3sin

332

000

3

0

2

0 0

2 .

Das Trägheitsmoment bezüglich einer Achse durch den Mittelpunkt (Schwerpunkt) kann leicht mit Hilfe des Abstandsquadrates a2 eines infinitesimalen Massepunktes von der Drehachse berechnet werden. Wir wählen die Drehachse in z-Richtung und erhalten:

( )

MRRRRR

rddrdrdVrdVaIRR

V Vzz

23

255

2

00

3

0

5

0

2

0 0

3422

52

34

52

582

322

5

cos31cos

5sinsin

===⋅

−=

=+−==== ∫ ∫ ∫∫ ∫πρπρπρ

ϕϑϑρϑϕϑρϑρρ πππ π

Daraus lassen sich auch die Trägheitsmomente komplizierterer kugelförmiger Körper berechnen. Die Hohlkugel, welche nur Masse zwischen den Radien R1 < R2 aufweist ergibt sich zu:

( )15

8 51

52

122,1RRIII −

=−=πρ ,

ganz analog zur Masse:

( )31

32122,1 3

4 RRMMM −=−=π .

III.2.B.b Hohlzylindersegment Für die Beschreibung eines Zylinders werden zweckmäßigerweise Zylinderkoordinaten r, ϕ und z verwendet. Ein infinitesimales Volumselement ergibt sich dann zu: dV=rdrdϕdz. Wir wollen ein Zylindersegment betrachten, daß zwischen den Radien R1 < R2 und zwischen den Winkeln α1 und α2 über die Dicke d homogen mit der Dichte ρ ausgefüllt ist. Die Masse des Hohlzylindersegmentes ergibt sich zu:

( )( )122

12

20

2

0 222

1

2

1

2

1

2

1

ααρϕρϕρ α

α

α

α

−−=== ∫ ∫ ∫ RRdzrdzrdrdM dR

R

R

R

d

.

Für das Trägheitsmoment bezüglich der z-Achse erhält man:

( )( )

( )( )222

442

12

212

21

22

21

22

124

14

20

4

0

2 2

1

2

1

2

1

2

1

RRMRRdRR

RRdzrdzrdrdrI dR

R

R

R

d

zz

+=−−

+=

=−−=== ∫ ∫ ∫

ααρ

ααρϕρϕρ α

α

α

α

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 21

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III.2.C Beispiel: Rotierender Massepunkt Als einfaches Beispiel betrachten wir einen mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω im festen Abstand r zur Drehachse rotierenden Punkt mit der Masse M. Zunächst behandeln wir das Problem im herkömmlichen kartesischen Koordinatensystem und den darauf formulierten Newton'schen Gesetzen. Die rotierende Bewegung soll in der x-y-Ebene stattfinden und wir erhalten für Ortsvektor, Geschwindigkeit und Beschleunigung:

=

0sincos

trtr

x ωω

r ,

−=

0cossin

trtr

v ωωωω

r und

−−

=0sincos

2

2

trtr

b ωωωω

r.

Aus den Newton'schen Axiomen folgt ein Kraftvektor, welcher für die Beschleunigung verantwortlich sein muß:

−−

==

=

0sincos

2

2

trtr

MbMFFF

F

z

y

x

ωωωω

rr.

Diese Kraft ist auf die Drehachse gerichtet und wird von der starren Verbindung des Massepunktes zur Drehachse aufgenommen. Sie wird Zentripedalkraft genannt. Der Betrag der Kraft ist 2ωMrFF ==

r. Die entsprechend gegengesetzte Kraft ist die Trägheitskraft und

weist vom Drehmittelpunkt weg, ist gleich groß und ist die allgemein bekannte Fliehkraft. Diese auftretenden Kräfte, die nicht a priori vorgegeben wurden und erst zwanghaft entstanden sind um einen bestimmten Bewegungsvorgang (Rotation) zu ermöglichen, werden Zwangskräfte genannt. Eine weitere Zwangskraft, die Corioliskraft, tritt bei diesem einfachen Problem nicht auf, weil der Abstand zur Drehachse konstant ist. Wichtig ist anzumerken, daß der Ortsvektor zwar den augenblicklichen Ort des Massepunktes beschreibt, aber sein Betrag nicht dem zurückgelegten Weg entspricht. Diesen erhalten wir als Integration über den Betrag

der Geschwindigkeit: trdtrdttrtrdttvtsttt

ωωωωωω ==+== ∫∫∫00

222222

0

cossin)()( r . Die

Integrationskonstante wurde hier mit Null angenommen. In gleicher Weise läßt sich dieses Problem mit Hilfe der vorhin abgeleiteten Gesetze für Winkeländerungen beschreiben. Der Massepunkt rotiert mit konstanter Winkelgeschwindigkeit und man erhält:

=

==

=

000

ωω

&

&vtr

zzyzxz

yzyyxy

xzxyxx

z

y

x

IIIIIIIII

ITTT

T .

Demnach handelt es sich um eine drehmomentfreie gleichförmige Rotation in Analogie zur kräftefreien gleichförmigen linearen Bewegung. Hier sieht man bereits den Vorteil der Verwendung der Gleichungen in Winkelgrößen, da die Beschreibung wesentlich einfacher ist. Allerdings nur solange, als man nur in dem Verhalten der makroskopischen Drehbewegungen interessiert ist. Zwangskräfte, wie z.B. die Fliehkraft sind hier nicht explizit ersichtlich. Etwas tieferen Einblick erhält man noch, wenn nun die einzelnen Drehgrößen wie Drehmomente,

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 22

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Drehimpulse und Trägheitsmomente auch tatsächlich ausgerechnet werden. In unserem Fall der einfachen Rotation in einer Ebene sind nur die z-Komponenten von Bedeutung. Wir berechnen:

=+−=

−−

×

=×=

0cossinsincos00

0sincos

0sincos

2222

2

2

ttrttrMtr

trMtr

trFrT

ωωωωωωωωωω

ωω

rvr,

−−

=

+−−−+−−−+

=2

222

222

22

22

22

000coscossin0cossinsin

rtrttr

ttrtrM

rrrrrrrrrrrrrrrrrr

MI

yxzyzx

zyzxyx

zxyxzy

ωωωωωω

t.

Der Trägheitstensor besteht nur aus der zz-Komponente als zeitlich stabile Größe, während die anderen Komponenten nur zeitweise auftreten und für den Bewegungsvorgang nicht maßgebend sind. Das Trägheitsmoment eines einzelnen Massepunktes ist daher Mr2, wobei r den Normalabstand zur Drehachse bedeutet. Die Kreisfrequenz hat nur eine z-Komponente, da nur der Winkel des Massepunktes in der x-y-Ebene sich ändert:

==

ϕωω

&

r 00

, mit 0ϕωϕ += t .

Die weiteren Größen ergeben sich zu:

ωω

ωωωω

ωω

rtrrrrrI

rMtr

trMtr

trvMrprl =

=

−×

=×=×=

2

00

0cossin

0sincos

.

Zur Vereinfachung ist in nachstehender Tabelle nochmals die Analogie zwischen den einzelnen Größen angegeben:

lineare Bewegung Rotation Zusammenhang xr , Ort

xv &rr= , Geschwindigkeit

xb &&rr

= , Beschleunigung

ϕr , Winkel

ϕω &rr= , Winkelgeschwindigkeit

ϕ&&r , Winkelbeschleunigung

rdrdxd rrrr+×= ϕ rrv &rrrr

+×= ω , rrrb &&r&rrr&r

r+×+×= ωω

Fr

, Kraft Tr

, Drehmoment

FrTrrr

×=

M , Masse It

, Trägheitsmoment

+−−−+−−−+

22

22

22

yxzyzx

zyzxyx

zxyxzy

rrrrrrrrrrrrrrrrrr

M

bzw. in einfachen Systemen wo I

ωω rtrrr IrrM =××

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 23

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diagonal: 2ααα rMI =

pr , Impuls

lr

, Drehimpuls ωωrtrrr

rrrrr

IrMr

vMrprl

=××=

=×=×=

pbMF &rrr

== ωω &rtr&t&rrIIlT +==

0=∑i

iFr

0=∑i

iTr

III.2.D Beispiel: rollende Kugel III.2.D.a Auf schiefer Ebene Rollt eine Kugel eine schiefe Ebene hinunter, so ist die Drehung der Kugel mit der Translation ihres Massenschwerpunktes verkoppelt solange die Haftreibung zwischen Ebene und Kugel groß genug ist. Die antreibende Kraft parallel zur Ebene und die benötigten Variablen sind in Abb. III/2 gezeigt:

Abb.III/2: Kräfte bei einer Kugel auf der schiefen Ebene Es wirkt die Kraft parallel zur Ebene mit αsinMgFp = , welche die Masse M der Kugel in x-Richtung beschleunigt. Ist der Auflagepunkt A der Kugel durch genügend große Reibung Fµ>Fp mit der Ebene rutschfrei verbunden, dann wirkt im Auflagepunkt eine gleich große Gegenkraft αsinMgFp −=− , welche durch den Abstand r ein Kräftepaar bildet und zu einem Drehmoment rFT p= Anlaß gibt. Kraft und Drehmoment sind jedoch nicht zwei voneinander unabhängige Größen, sondern stellen jeweils die gleiche, den Bewegungszustand ändernde physikalische Ursache dar. Wir können daher in der weiteren Beschreibung entweder von der Kraft, oder vom Drehmoment ausgehen. Ebenso ist die Bewegung der Kugel in x-Richtung nicht von seiner Winkeländerung unabhängig. Die beiden Variablen sind durch ϕrx = miteinander verbunden, wobei der Winkel im Bogenmaß anzugeben ist. Im weiteren soll die Beschreibung nach den beiden verschiedenen Möglichkeiten weiterverfolgt werden.

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 24

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lineare Beschreibung

Rotationsbeschreibung

Wir gehen davon aus, daß die antreibende Kraft

αsinMgFp = in Richtung x die Masse M beschleunigt und dabei gleichzeitig die Kugel in Rotation um ihren Massenmittelpunkt bringt. Damit wirkt der antreibenden Kraft die Massenträgheit der Kugel xMFT &&−= und die Trägheit der Rotation

2rxI

rI

rTF R

R&&&&

−=−

==ϕ

entgegen. Die

Kräftegleichung liefert folgende Bewegungsgleichung:

0=++ RTp FFF ,

αsin22 MgFxrIM

rxIxM p ==

+=+ &&

&&&& .

Dies ergibt eine gleichförmig beschleunigte Bewegung mit der konstanten Beschleunigung:

α

αα

sin75

52sinsin

22

2

2

2

g

MrMr

MgrIMr

Mgrxb

=

+=

+== &&

Das Drehmoment T versucht die Kugel um ihren Auflagepunkt A zu Drehen. Dem wirkt das Drehmoment der Massenträgheit ϕ&&AR IT −= mit dem Trägheitsmoment IA der Kugel um ihren Auflagepunkt entgegen. Die Gleichung der Drehmomente führt zu der Bewegungsgleichung:

0=− RTT ,

αϕ sinrMgI A =&& . Dies ergibt eine gleichförmig beschleunigte Rotation mit der konstanten Winkelbeschleunigung:

AIrMg αϕ sin

=&& .

Das Trägheitsmoment der Kugel um den Auflagepunkt A kann mit Hilfe des Satzes von Steiner aus dem Trägheitsmoment I der Kugel um seinen Schwerpunkt zu: 2MrII A += berechnet werden. Die lineare Beschleunigung erhalten wir zu:

αα

ααϕ

sin75

52

sin

sinsin

22

2

2

22

gMrMr

MgrMrI

MgrI

MgrrxbA

=+

=

=+

==== &&&&

III.2.D.b In V-förmiger Rinne Die rollende Kugel auf einer schiefen Ebene läuft entlang des größten Gradienten in der potentiellen Energie (Fallinie) und ist daher gegenüber seitlichen Einflüssen recht instabil, was genaue Messungen erschwert. Dies kann vermieden werden, wenn die Kugel in einer Rinne abrollt, welche die seitlichen Freiheitsgrade der rollenden Kugel einschränkt. Allerdings werden durch die dann zusätzlich auftretenden seitlichen Kräfte einerseits kompliziertere Reibungsverhältnisse geschaffen, andererseits bewirken die seitlichen Kräfte zusätzliche Drehmomente, welche zu komplizierten Drehbewegungen (und somit zusätzlicher Rotationsenergie) der Kugel führen können. Die Ableitung der Bewegungsvorgänge einer Kugel, die eine V-förmige Rinne hinabrollt ist ganz analog zur einfachen rollenden Kugel, nur mit dem Unterschied, daß die Kugel nicht auf ihrem maximalen Radius abrollt, sondern auf einem kleineren Radius βcos2 rr = , wie aus Abb. III/3 ersichtlich ist. Dies muß bei der Berechnung der Drehmomente berücksichtigt werden, wobei hingegen das Trägheitsmoment der Kugel um seine Achse nicht beeinflußt wird.

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 25

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Abb.III/3: Kugel in V-förmiger Rinne Wir wählen zweckmäßigerweise die Beschreibung mithilfe der Koordinaten der linearen Bewegung und erhalten analog:

αsin22

22

MgFxrIM

rxIxM p ==

+=+ &&

&&&& .

Wir erhalten als Beschleunigung:

β

αααα

222

222

2

22

22

22

cos521

sin

521

sin

52sinsin

+=

+=

+=

+==

g

rr

g

MrMr

MgrIMr

Mgrxb && .

Die alternative Beschreibung über die Rotation um die Auflagepunkte würde wiederum zum gleichen Ergebnis führen, wenn das entsprechende Trägheitsmoment für die Drehung um die Auflagepunkte eingesetzt wird (Steiner'scher Satz). Zu beachten ist, daß in der Praxis diese idealisierten Verhältnisse nur sehr schwer (mit viel Aufwand) einigermaßen realisiert werden können. Liegt die V-förmige Schiene z.B. nicht wirklich mit ihrem Querschnitt horizontal, dann sind beide Auflagepunkte nicht mehr gleich belastet, was zu komplizierten Bewegungen (schiefe Drehachse) der Kugel und damit verbundenen schwer erfassbaren Reibungsverhältnissen führt. Ist die V-förmige Schiene über ihre Länge nicht homogen, also liegt z.B. leichte Durchbiegung vor, oder ist die Schiene etwas verzogen, sodass die Unsymmetrie zwischen linker und rechter Flanke örtlich unterschiedlich sein kann, so können kaum mehr exakte Ergebnisse vorhergesagt werden. Aufgabe des Experimentes ist es, Abweichungen zu dem idealisierten Verhalten festzustellen und entsprechend zu interpretieren.

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 26

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III.2.E Atwood'sche Fallmaschine

Abb.III/4: Atwood'sche Fallmaschine Die Atwood'sche Fallmaschine benützt zwei Gewichtsmassen M1 < M2, welche durch einen Faden über eine Rolle miteinander verbunden sind. Es wirkt nur mehr die Differenz der beiden Gewichte als antreibende Kraft, während die träge Masse als die Summe beider Gewichtsmassen auftritt. Wird der Faden und das Rad als masselos betrachtet erhält man folgende einfache Bewegungsgleichung:

( )bMMgMgM 2112 +=− , woraus sofort folgt:

21

12

MMMMgxb

+−

== && .

Die Näherung des masselosen Fadens kann dabei noch am ehesten in Kauf genommen werden, allerdings ist die Umlenkrolle mit entsprechender Masse Mr behaftet, was zu einem zusätzlichen trägen Verhalten über das Trägheitsmoment der Rolle Ir führt. Weiters ist die Winkeländerung dϕ der Rolle, wie schon im Beispiel der rollenden Kugel, mit der Ortsänderung dx=rdϕ beider Massen gekoppelt. Wir stellen wiederum die Kräftegleichung auf, indem wir berücksichtigen, daß die Rolle ein Drehmoment der Trägheit:

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 27

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xrIIrFT r

rrr &&&& === ϕ

ausübt. Damit erhalten wir:

( ) brIbMMgMgM r

22112 ++=− ,

und somit als Beschleunigung:

221

12

rIMM

MMgxbr++

−== && .

Ist die Rolle als Zylinderscheibe anzusehen, so ist ihr Trägheitsmoment bezüglich der

Zylinderachse 2

2rMI rr = und wir erhalten:

221

12

rMMM

MMgxb++

−== && .

Zuletzt soll nur noch kurz der Fall eines nicht masselosen Fadens diskutiert und die dabei auftretende Bewegungsgleichung angeschrieben werden. Zunächst erhöht sich das Trägheitsmoment der Umlenkrolle, da noch zusätzlich die Masse des Fadens, der über die obere Hälfte des Rades geleitet ist, dazugezählt werden muß. Wir bezeichnen mit I dieses erhöhte Trägheitsmoment. Weiters trägt mit der Länge l2(0)+x der Faden an der Masse M2 mit seinem Gewicht zur antreibenden Kraft bei, während der Faden an M1 mit l1(0)-x=l0-l2(0)-x die antreibende Kraft vermindert. Zusätzliche erhöht die Länge des frei hängenden Fadens l0 die wirkende träge Masse. Nehmen wir eine Masse des Fadens Mf=ρfl, welche proportional zu seiner Länge l ist, so erhalten wir als Bewegungsgleichung:

( ) ( ) ( ) xrIxlMMxllggMxlggM r

fff &&&&202120122 )0()0( +++=−−−−++ ρρρ .

Etwas übersichtlicher lautet die Differentialgleichung:

( )( )02122021 )0(22 llMMgxgxrIlMM fff −+−=+

+++ ρρρ && .

Diese kann durch zweifache Integration gelöst werden:

( )( ) ∫ ∫∫ ∫ =−−+−

+++ t tl

l

x

l ff

ftdxd

xgllMMgrIlMM

0 0

2

)0( )0(

2

0212

20212

2 22)0(2 ρρ

ρ.

Die erste Integration liefert:

( )( )( ) ∫∫ =

−−−−+−+++

−tl

l f

ff

f

ftdtdx

lMMgxgllMMg

grIlMM

0)0( 012

021220212

2

2)0(2ln

2 ρρρ

ρ

ρ.

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 28

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Nach der 2. Integration erhält man:

( )( ) ( )

2ln

2

2

)0(2

01220212

2

tXXXg

lMMgrIlMM

l

lf

ff

=−−−

+++

ρ

ρρ

mit

( )( )( )012

0212 2)0(2lMMg

xgllMMgX

f

ff

ρρρ

−−−−+−

= .

Für M1=M2=0 stellt dies das Ergebnis einer über eine Rolle hinunterfallende Kette dar. Das Trägheitsmoment von Rad und Faden ergibt sich zu:

22

2rrrMI fr ρπ+= .

Daraus ergibt sich fr rM

rI ρπ+=

22 .

Für eine weitere Analyse des massebehafteten Fadens empfiehlt sich die numerische Behandlung am Computer. Aufgabenstellung: Bestimmen Sie die benötigte Zeit für eine bestimmte Wegstrecke einer rollenden Kugel und vergleichen Sie mit dem theoretisch erwarteten Ergebnis. Führen Sie diesen Versuch für verschieden Kugeln und verschieden Winkel der V-förmigen Rinne durch. Nehmen Sie das Weg-Zeit-Diagramm an der Atwood'schen Fallmaschine mit Oszilloskop und Computer auf. Ermitteln Sie daraus das Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm und das Beschleunigungs-Zeit-Diagramm numerisch. Bestimmen Sie daraus die Masse des Rades. Vergleichen Sie die aus der Messung erhaltenen Kurven mit den am Computer zu berechnenden theoretischen Vorhersagen. Praktische Durchführung: 1. Die V-förmige Aluminiumschiene läßt sich auf verschiedene Anfangshöhen einstellen. Start- und End-Zeitpunkt können über die elektronische Zeituhr durch Schaltkontakte direkt erfaßt werden. 2. Das Rad der Atwood'schen Fallmaschine ist mit einem 10-Gang Potentiometer verbunden, wodurch der zurückgelegte Weg als Spannung dem Oszilloskop zugeführt werden kann. Der Speicher des Oszilloskops kann in den Computer über IEEE-Schnittstelle eingelesen werden und von entsprechenden Programmen weiter verarbeitet werden.

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 29

P.Knoll, Mechanik

IV Reibung

Das im vorigen Abschnitt beschriebene Verhalten von Bewegungsvorgängen wird in der Praxis kaum beobachtbar sein. Grund dafür ist, daß weit mehr als die bisher berücksichtigten Kräfte bei einer Bewegung auftreten. Insbesondere werden immer auch Kräfte beobachtet, welche die Relativgeschwindigkeit eines Körpers gegenüber seiner unmittelbaren Umgebung reduzieren wollen. Diese Kräfte werden Reibungskräfte genannt. Zunächst sollen die bei einem Bewegungsvorgang auftretenden Kräfte etwas näher experimentell untersucht werden.

IV.1 Experimentelle Analyse von Bewegungsvorgängen Wir gehen von der Atwood’schen Fallmaschine aus, deren Weg-Zeit-Diagramm in den Computer eingelesen werden kann und dort zur weiteren Analyse zur Verfügung steht. Die beiden Masse wurden dabei in diesem Beispiel zu M1=0,80 kg und M2=0,87 kg bestimmt. Die Masse der drehenden Scheibe soll 0,13 kg betragen. Dies ergibt eine theoretische

Beschleunigung von 065,087,08,0

8,087,081,9

221

12

++−

=++

−=

rMMM

MMgb m/s2 = 0,396 m/s2. Die

Randbedingungen werden im Experiment so gesetzt, daß am Ort s0 = 0 m mit der Anfangsgeschwindigkeit v0 = 0 m/s der Bewegungsvorgang gestartet wird. Allerdings kann die Datenerfassung von Ort und Zeit erst etwas verspätet mit t0 = -0,5 s gestartet werden. Theoretisch erwartet man daher folgende Abhängigkeit des Weges von der Zeit:

( ) ( ) 200

200

20 2

3222

)( tbtbttbttbtttbts +−=−−−= = 0,198 t2 + 0,396 t + 0,1485 m.

Dieser theoretisch erwartete Verlauf ist in Abb.IV/1 zusammen mit dem tatsächlich gemessenen Werten verglichen.

-0.4 -0.2 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4

0

1

2

3

4

5

6

7

8

Y =0.1485+0.396 X+0.198 X2

Y =0.02734+0.11245 X+0.10874 X2

experimentell theoretisch

Weg

s [m

]

Zeit t [s]-0.4 -0.2 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

1.2

1.4

1.6

1.8

2.0

2.2

2.4

Y =0.198+0.396 X

Y =0.11231+0.21758 X

experimentell theoretisch

Ges

chw

indi

gkei

t v [m

/s]

Zeit t [s]

Abb.IV/1: Weg-Zeit Diagramm Abb.IV/2: Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm Dabei treten erhebliche Abweichungen zwischen dem theoretisch erwarteten Verhalten und den tatsächlichen Messwerten auf. Offenbar ist die tatsächliche Beschleunigung etwa nur die Hälfte. Um die Ursache dafür etwas näher zu ergründen, empfiehlt es sich die weiteren Zusammenhänge anzuschauen, wie sie in den Abb.IV/2 bis Abb.IV/5 dargestellt sind. Dabei

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 30

P.Knoll, Mechanik

erhält man Geschwindigkeit und Beschleunigung aus den experimentellen Werten durch numerisches Differenzieren. Zu beachten ist, daß durch die experimentellen Ungenauigkeiten (ebenso wie durch mangelnde numerische Genauigkeit in der Datenerfassung) das eigentliche Messsignal durch starke Schwankungen (Rauschen) überlagert ist, was vor allem bei den höheren Ableitungen besonders stark zu tragen kommt.

-0.4 -0.2 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.40.00

0.05

0.10

0.15

0.20

0.25

0.30

0.35

0.40

0.45

0.50

Y =0.396

Y =0.21836-0.00114 X

experimentell theoretisch

Besc

hleu

nigu

ng b

[m/s

2 ]

Zeit t [s]

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.00.00

0.05

0.10

0.15

0.20

0.25

0.30

0.35

0.40

0.45

0.50

Y =0.396

Y =0.221-0.01444 X

experimentell theoretisch

Bes

chle

unig

ung

b [m

/s2 ]

Weg s [m]

Abb.IV/3: Beschleunigungs-Zeit-Diagramm Abb.IV/4: Beschleunigungs-Weg-Diagramm

0.2 0.3 0.4 0.50.00

0.05

0.10

0.15

0.20

0.25

0.30

0.35

0.40

0.45

0.50

Y =0.396

Y =0.21955-0.00703 X

experimentell theoretisch

Bes

chle

unig

ung

b [m

/s2 ]

Geschwindigkeit v [m/s]0.2 0.3 0.4 0.5

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1.0

Y =0.687

Y =0.38092-0.01221 X

experimentell theoretisch

Kra

ft F

[N]

Geschwindigkeit v [m/s]

Abb.IV/5: Beschleunigungs-Geschwindigkeits-Diagramm

Abb.IV/6: Kraft-Geschwindigkeits-Diagramm

Von besonderer Bedeutung sind hierbei vor allem die verschiedenen Beschleunigungs-Diagramme, da sie den Hinweis liefern, ob tatsächlich die angenommene gleichförmig beschleunigte Bewegung vorliegt. Leider ist hier jedoch, bedingt durch die zweiten Ableitungen, die Genauigkeit sehr stark eingeschränkt. Dies ist in unserem Beispiel, analog zum Praktikumsversuch, durch die zu geringe numerische Auflösung der Ortsdaten bedingt. Man erkennt eine in Zeit, Ort und Geschwindigkeit einigermaßen konstante Beschleunigung mit leichter Tendenz zur Abnahme. Ob diese Abnahme nun wirklich durch eine orts-, zeit- oder geschwindigkeitsabhänge Größe verursacht wurde läßt sich aus diesen Diagrammen alleine jedoch nicht verifizieren (selbst bei besserer Genauigkeit der Meßdaten nicht). Erst wenn der Versuch unter veränderten Randbedingungen (Wiederholung zu anderer Zeit t0, Start des Bewegungsvorganges an einem anderen Ort s0 und starten mit einer anderen Anfangsgeschwindigkeit v0) durchgeführt wird, könnte man erkennen, daß der Bewegungsablauf unabhängig vom gewählten Zeitpunkt oder dem Anfangsort ist, jedoch nicht von der gewählten Anfangsgeschwindigkeit. Somit muß noch eine weitere Kraft vorhanden sein, welche leicht von der Geschwindigkeit abhängt. Die für die Änderung des

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 31

P.Knoll, Mechanik

Bewegungszustandes verantwortliche Gesamtkraft erhalten wir, wenn wir die experimentell bestimmte Beschleunigung mit der gesamt wirkenden trägen Masse multiplizieren. In

unserem Beispiel ist die gesamte träge Masse 221

rT

MMMM ++= = 1,735 kg. Damit

erhalten wir das in Abb.IV/6 dargestellte Verhalten der gesamten wirkenden Kraft als Funktion der Geschwindigkeit. Die Diskrepanz zwischen der aus der Massendifferenz bisher berechneten antreibenden Kraft und der tatsächlich wirkenden Kraft wird als die zusätzliche Reibungskraft FR = 0,306 (±0,015) + 0,01(±0,04) v ermittelt. Dabei ist die Geschwindigkeit in m/s einzusetzen und die Kraft erhält man in Newton. Die in Klammer angegebenen Werte geben den Genauigkeitsbereich der einzelnen Parameter an, wie sie bessere Fitroutinen aus der Streuung der Meßwerte als Standardabweichungen berechnen. Demnach liegt eine auf ca. 3% genau bestimmte geschwindigkeitsunabhängige Reibungskraft von 0,3 N vor, während die Geschwindigkeitsabhängigkeit durch einen Koeffizienten zwischen –0,03 und +0,05 Ns/m beschrieben wird. Ob dies den tatsächlichen Verhältnissen entspricht läßt sich in diesem Fall sehr leicht nachprüfen, da in den vorigen Abbildungen keine echten Meßdaten verwendet wurden sondern eine Simulation, welche jedoch auch die Streuung der Meßdaten und die geringe numerische Auflösung berücksichtigt. Diese Simulation wurde mit eine Reibungskraft FR = 0,3 + 0,03 v durchgeführt, was mit den in unserer Analyse ermittelten Wertbereichen übereinstimmt. Eine Verbesserung der beschriebenen Analyse müßte in einer Erhöhung der Genauigkeit der Ortsdaten ansetzen, um so zu verläßlicheren Beschleunigungswerten zu kommen. Dann ist auch die Durchführung mit geänderten Anfangsbedingungen sinnvoll, welche zur Charakterisierung der auftretenden Kräfte notwendig ist. Zwar scheint auch die künstliche Glättung (Smoothing) der Geschwindigkeitskurve eine effektive Alternative darzustellen, allerdings ist dies mit einer künstlichen Manipulation und Veränderung der Meßdaten verbunden, wodurch die statistische Aussagekraft einer Nachfolgenden Fit-Methode verloren geht bzw. stark beeinträchtigt wird. Besser ist hier geschickte numerische Differenziermethoden anzuwenden, welche ein breites Datenintervall betrachten. Allerdings wird dann die Information an den Datenrändern (Beginn und Ende) stark eingeengt, wodurch ebenfalls wieder keine gute statistische Genauigkeit über den Anstieg der Fit-Kurve erzielbar ist. Letztlich gilt wie immer der Grundsatz, daß Information, welche nicht schon ursprünglich in den Meßdaten vorhanden ist, auch nicht mit noch so hohen Aufwand im „smoothing“ oder „fitten“ herbeigezaubert werden kann.

IV.2 Haft- Gleit- und Rollreibung Im weiteren sollen einige einfache Beispiele von Reibungsarten besprochen werden. Bewegen sich zwei einander berührende Körper gegeneinander, so üben sie aufeinander eine Reibungskraft aus. Die Haftreibung ist gleich groß und entgegengesetzt gerichtet jener Kraft, die erforderlich ist, die beiden Körper gegeneinander in Bewegung zu setzen. Die Gleitreibung ist gleich groß und entgegengesetzt gerichtet der Kraft, die erforderlich ist, die Körper mit konstanter Geschwindigkeit gegeneinander zu bewegen. Ein spezieller Fall ist das Abrollen eines Körpers auf einem anderen, wo die Berührungspunkte zueinander keine Geschwindigkeitsdifferenz haben. Die dabei doch geringe Rollreibung wird etwas später besprochen. All diese Reibungsarten werden als unabhängig von der Geschwindigkeit behandelt, solange der Geschwindigkeitsunterschied genügend gering ist. Weiters wird bei diesen Reibungen davon ausgegangen, dass die auftretende Reibungskraft nur in einem

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 32

P.Knoll, Mechanik

linearen Zusammenhang mit der Belastung (Kraft normal auf die Berührungsfläche) steht und keine weiteren Größen (z.B. Größe der Berührungsfläche) zunächst eingehen. Für die Haftreibung RH definiert sich der Haftreibungskoeffizient µH als Proportionalfaktor zur Normalkomponente FN der Kraft, die beide Körper aneinander drückt:

NHH FR µ= . Er hängt von der Art und Oberflächenbeschaffenheit der beiden Körper ab. Zur Bestimmung dieses Koeffizienten kann ein Körper auf eine schiefe Ebene gelegt und der Neigungswinkel der Ebene solange vergrößert werden, bis der Körper bei einem bestimmten Winkel α zu gleiten beginnt. Die Kraftkomponente normal zur schiefen Ebene ergibt sich dann aus der Gewichtskraft und dem Winkel α:

αcosgMFN = wobei M die Masse des Körpers und g die Erdbeschleunigung sind. Die Haftreibung ist entgegengesetzt gleich der Gewichtskomponente parallel zur schiefen Ebene:

αsingMRH = Für den Haftreibungskoeffizienten ergibt sich somit

αααµ tan

cossin

===N

HH F

R

Hat sich der Körper einmal in Bewegung gesetzt, gleitet er beschleunigt die um den Winkel ϕ geneigte Ebene nach unten. Dabei tritt Gleitreibung auf. Die Gleitreibung RG ist für die Reibung zwischen festen Körpern annähernd unabhängig von der Relativgeschwindigkeit und proportional zur Normalkomponente der Kraft:

NGG FR µ= . Darin ist µG der Gleitreibungskoeffizient. Es gilt meistens µG< µH. Der Körper bewegt sich beschleunigt. Die beschleunigende Kraft F ist die Differenz aus der Parallelkomponente der Gewichtskraft und der Gleitreibung:

ϕµϕϕ cossinsin gMgMRgMF GG −=−= Der Gleitreibungskoeffizient kann daher durch Messung der wirksamen Beschleunigung

)cos(sin/ ϕµϕ GgMFb −== ermittelt werden:

ϕ

ϕµ

cos

)(singb

G

−= .

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 33

P.Knoll, Mechanik

Die Bestimmung der wirksamen Beschleunigung 22t

sb = kann aus gemessenen Werten für

den Weg s und die benötigte Zeit t beim Neigungswinkel ϕ erfolgen. Daraus ergibt sich für den Gleitreibungskoeffizienten:

ϕ

ϕµ

cos

2sin 2tgs

G

−= .

Wird der Versuch in einer V-förmigen Schiene durchgeführt muss berücksichtigt werden, dass der Körper auf 2 Flächen aufliegt. Unter Verwendung des in Abb.III/3 definierten Winkels β teilt sich die Normalkomponente der Kraft auf die beiden Flächen zu gleichen Teilen (symmetrisches Profil) auf:

β2cos2221 +== N

NNFFF .

Ebenso tritt die Gleitreibungskraft auf beiden Flächen auf und wirkt in Summe entgegen der Geschwindigkeit:

βµ

2cos2221 +== N

GGGFRR .

Demnach ergibt sich die beobachtete Beschleunigung:

)2cos22

cos2(sin22 β

ϕµϕ+

−== Ggtsb

und daraus der ermittelte Gleitreibungskoeffizient zu:

22cos22

cos

2sin 2 βϕ

ϕµ

+−

=tgs

G .

Für eine 180° - 2β = 90° gewinkelte Schiene unterscheidet sich das Ergebnis gegenüber der einfachen schiefen Ebene durch einen Faktor 2

1 . Rollt ein Körper auf einem anderen ab, so haben die beiden Berührungspunkte gegeneinander die Geschwindigkeit null; es sollte also keine Reibung auftreten. In der Realität deformieren sich jedoch beide Körper inelastisch, sodass Bewegungsenergie in Wärme überführt wird, wodurch eine schwache Reibung vorliegt. Diese Tatsache wird als Rollreibung bezeichnet. Strenggenommen liegt durch die endliche Ausdehnung der Berührungsflächen beim Abrollen auf einer schrägen Flanke auch Gleitreibung vor, welche jedoch zusammengefasst mit der eigentlichen Rollreibung beschrieben wird. Die Rollreibung hängt wieder vom Material und der Oberflächenbeschaffenheit des Körpers und der Ebene ab.

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 34

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Die Rollbewegung eines Körpers wird durch ein Drehmoment TR = r FR = µRFN gebremst, worin FN die normal auf die schiefe Ebene wirkende Gewichtskomponente ist. Daraus folgt die Definition des Rollreibungskoeffizienten µR zu:

rFF

N

RR =µ .

Die Rollreibungskraft FR ist dabei in erster Näherung als geschwindigkeitsunabhängig angenommen worden und führt somit zu einer reduzierten, aber dennoch gleichförmigen, beschleunigten Bewegung. Sie kann experimentell aus der gemessenen Beschleunigung

+

−==

β

α

2

2

cos521

sin2

M

FMgtsb R

ermittelt werden:

]cos5

212sin[ 22

+−=

βα

tsgMFR .

Dabei ist der allgemeinere Fall einer V-förmigen Schiene mit um den Winkel β geneigten Flanken angenommen. Die Neigung der Schiene gegenüber der Horizontalen ist durch den Winkel α gegeben. Wie gerade ausgeführt liegt dann an beiden Flanken Reibungskraft an, wobei noch strenggenommen bei endlicher Auflagefläche durch die Schrägstellung der Flanken die Kugel auf unterschiedlichen Radien abrollen muss, wodurch es zu zusätzlichen Gleitreibungen kommt. Dies soll jedoch alles in der Rollreibung zusammengefasst werden und es ergibt sich für die gesamte Reibungskraft:

( )ββ

αµµ2cos22cos

cos2

2

2121 +

=+

=+=r

MgrFFFFF R

RNNRRR .

Damit ergibt sich der Rollreibungskoeffizient zu

+−

+=

αβα

ββµ

coscos5

212tan

22cos22cos 2

2 gtsr

R .

Die Tatsache, dass bei β ≠ 0 auch Gleitreibung beinhaltet ist wollen wir nicht weiter verfolgen, da dafür im Fall β = 0 durch kleine Inhomogenitäten der Auflageflächen (Kratzer etc.) es zu Rotationskomponenten um eine Achse senkrecht zur Ebene kommen kann, wodurch wiederum Gleitreibungsbeiträge eingebunden sind. Außerdem ist im letzten Fall auch noch Bewegungsenergie in der Rotation der Kugel um seine senkrechte Achse gegeben, welche ebenfalls als Rollreibung interpretiert werden würde. Für die Versuche zur Reibung zwischen festen Körpern ist anzumerken, dass die Abhängigkeit von der Oberflächenbeschaffenheit sehr groß ist und dadurch entlang eines Bewegungsvorganges kaum reproduzierbare Bedingungen zu erreichen sind. Etwas Abhilfe

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 35

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kann durch eine große Anzahl von Versuchen an verschiedensten Stellen der Oberfläche erreicht werden, wodurch über die vorhandenen Inhomogenitäten gemittelt wird. Gleiches gilt auch für den Rollwiderstand, wo allerdings noch erschwerend dazu kommt, dass dieser sehr klein ist. Im Praktikumsversuch der rollenden Kugel tritt sehr häufig ein negativer Rollwiderstand auf. Dies bedeutet, dass die Kugel stärker beschleunigt, als bereits ohne Reibung in der Theorie angenommen wurde. Eine genaue Analyse des Rollreibungskoeffizienten für unterschiedliche Neigungen der Schiene und für unterschiedliche Radien der Kugel kann hier den offenbar systematischen Fehler aufdecken. Entweder wird die Kugel durch eine weitere Kraft zusätzliche beschleunigt, oder ihre wirksame Trägheitskraft ist geringer als angenommen. Ersteres könnte die Federkraft des Auslösekontaktes für die Zeitmessung sein. Allerdings sollten sich hier die beiden Federkräfte für Start- und Stop-Impuls gegenseitig kompensieren. Außerdem würde man hier vor allem bei geringen Neigungen und für kleine Kugeln mit geringer Masse eine starke Abweichung erwarten. Auch eine Durchbiegung der Schiene könnte zu stärkeren mittleren Beschleunigungen führen, allerdings würde man auch hier eine Abnahme dieses Effektes mit zunehmender Neigung erwarten und außerdem sollte dieser Effekt bei schwereren Kugeln ausgeprägter sein. Zweiter Einfluss durch eine geringere wirksame Trägheit ließe sich entweder durch eine inhomogene Massenverteilung der Kugel, durch das Abrollen der Kugel auf einem größeren Radius (Flankenwinkel der V-förmigen Schiene) oder durch ein leichtes Rutschen der Kugel auf der Schiene erklären, da dann nicht die maximal mögliche Rotationsenergie die Kugel aufnimmt. Dieser Effekt sollte vor allem bei starken Neigungen der Schiene stärker ausgeprägt sein. Im Praktikumsversuch ist der ermittelte Rollwiderstandskoeffizient meist unabhängig von der verwendeten Kugel stark abnehmend (weit in negative Werte hinein) mit zunehmender Neigung der Schiene. Dies lässt ein leichtes Rutschen der Kugel als wahrscheinlichste systematische Abweichung vermuten. Trägt man den ermittelten Rollwiderstandskoeffizienten als Funktion gegen die Neigung auf, so lässt er sich für verschwindende Neigung extrapolieren und sollte einen kleinen positiven Wert in der Gegend von ca. 0,09mm aufweisen. Der Begriff Rutschen müsste allerdings noch näher physikalisch beschrieben werden. In den Abbildungen IV/7 und IV/8 sind verschiedene Möglichkeiten des Rutschens in ihrer Auswirkung auf Beschleunigung und Ermittlung des Rollwiderstandes verglichen. Zunächst kann man davon ausgehen, dass reines Rollen nur dann vorliegt, wenn die Auflagepunkte der Kugel auf der Schiene keine Geschwindkeitsdifferenz aufweisen, also ideale Haftung vorliegt. Am Auflagepunkt der Kugel kann die Reibungskraft proportional zur normal auf die Auflagefläche wirkende Kraft angesetzt werden:

NFF µµ = . Solange diese Reibungskraft Fµ größer als die antreibende Kraft Fp ist, liegt reines Rollen vor (siehe z.B. Abb.III/2). Erst wenn Fµ<Fp, gleitet die Kugel teilweise die Schiene hinunter. Das Kräftepaar, welches die Kugel in Rotation versetzt, ist dann durch Fµ bestimmt. Der Rest der Kraft Fp - Fµ verursacht dann nur mehr eine lineare Beschleunigung der Kugel. Die Gesamtbeschleunigung des Schwerpunktes erhält man dann zu:

( ) ( ) ( )( )

MFFMg

MrMr

FFr

r

MFF

IFFr

b NNNN

R

p

A

R 21

222

212

222

2 cos

52

+−+

+

+

=−

+−

=µα

µµµµ

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 36

P.Knoll, Mechanik

+−+

+

+

αµα

β

βα

βµµ

2cos22cos2cos

cos521

2cos22cos2

cos

2

g

gr

R

.

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,00

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

18% Schlupf

µ=0,2

Experiment

Rollen

µ=0,4

µ=0

Bes

chle

unig

ung

[m/s

2 ]

Neigung [sin α ]

0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0-2,0

-1,8

-1,6

-1,4

-1,2

-1,0

-0,8

-0,6

-0,4

-0,2

0,0

0,2

Rollen

µ =0,4µ=0,2µ=0

18% Schlupf

Experiment Y =0,09-0,72 X

µR [m

m]

Neigung [sinα ]

Abb.IV/7:Vergleich der Beschleunigungen verschieden rutschender Kugeln

Abb.:IV/8: Ergebnis der Auswertung des Rollwiderstandskoeffizienten für verschieden rutschende Kugeln.

In den Abbildungen IV/7 und IV/8 sind das Verhalten für gleitende Kugeln mit µ=0, 0,2 und 0,4 eingezeichnet. Zu beachten ist, dass diese Kurven nur für starke Neigungen gelten, weil dann die Bedingung Fµ<Fp erfüllt ist. Bei Neigungswinkeln kleiner als der Kreuzungspunkt mit der rollenden Kugel ist diese Bedingung nicht mehr erfüllt, und die Kugel verhält sich wie eine rein rollende. Offensichtlich kann dadurch das experimentell beobachtete Verhalten nicht beschrieben werden. Dazu muss angemerkt werden, dass dieser abrupte Übergang von der rollenden in die teilweise gleitende Bewegung in der Praxis wahrscheinlich nicht stattfindet. (Dies würde einem abrupten Übergang von der Haft- in die Gleitreibung entsprechen.) Eher wahrscheinlich ist, dass der Übergang etwas weicher erfolgt, was ein gewisses gleitendes Verhalten auch bei Fµ>Fp voraussetzt. Dies wird im allgemeinen als Schlupf bezeichnet, ähnlich einem Schlupf von Antriebsrädern (z.B. eines KFZ). Wir wollen dies an der rollenden Kugel dadurch simulieren, dass wir nicht die volle mögliche Rotationsenergie der Kugel zulassen sondern eine um den Faktor 1-s reduzierte. Die Beschleunigung erhalten wir dann zu:

( )

( ) ( )β

βα

βµαµ

222

2

212

22

cos5211

2cos22cos2

cossin

521 s

gr

g

MrsMr

FFr

Frb

RNN

Rp

−+

+−

=−+

+−

= .

Wie aus den Abbildungen IV/7 und IV/8 hervorgeht, erhalten wir eine zufriedenstellende Erklärung der Messdaten wenn s = 0,18 gewählt wird. (Die Parameter waren in allen Rechnungen: µR = 0,09mm, r = 15mm, β = 45° und g = 9,81m/s2) Der Beweis, dass tatsächlich Schlupf vorliegt ist damit allerdings noch nicht erbracht. Zu der gleichen Abhängigkeit der Beschleunigung mit der Neigung gelangt man auch, wenn z.B. das Trägheitsmoment der Kugel um seinen Schwerpunkt bei gleicher Masse um 18% geringer angenommen wird. Dies würde eine inhomogene Dichteverteilung voraussetzen. Ebenso würde das Abrollen der Kugel auf einem etwas größeren Radius zum gleichen Ergebnis

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 37

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führen. Dies wäre der Fall, wenn der Winkel β anstelle von 45° nur ca. 36° aufweisen würde. Konsequenz daraus wäre, dass kein 90° Winkel der V-förmigen Schiene sondern ein 108° Winkel vorliegt. Erst weitere gezielte Experimente können hier Aufschluss geben. So kann durch Markieren der Kugel die benötigten Umdrehungen ermittelt werden, um so einen eventuellen Schlupf nachzuweisen. Eine unabhängige Bestimmung des Trägheitsmomentes der Kugel könnte eventuelle Inhomogenitäten der Dichteverteilung aufzeigen. Ebenso könnte eine Bestimmung des Winkels der V-förmigen Schiene unter Belastung der Kugel zur Verifizierung des verwendeten Winkels β herangezogen werden. Aufgabenstellung: Bestimmen Sie den Haftreibungskoeffizienten für zwei verschiedene Materialien auf Aluminium Bestimmen Sie den Gleitreibungskoeffizienten für zwei verschiedene Materialien auf Aluminium Messen Sie mit einer Stahlkugel bei verschiedenen Neigungswinkeln die Zeit die für das Abrollen entlang der Rollbahn erforderlich ist. Zeichnen Sie ein Diagramm der Beschleunigung als Funktion des Neigungswinkels (unter Annahme einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung). Stellen Sie fest, ob die Proportionalität zwischen Beschleunigung und Sinus des Neigungswinkels erfüllt ist. Versuche Sie aus den gemessenen Werten den Rollreibungskoeffizienten zu ermitteln. Stellen sie den Rollreibungskoeffizienten als Funktion des Neigungswinkels in einem Diagramm dar und versuchen Sie systematische Abweichungen zu interpretieren. Praktische Durchführung: 1., 2. Auf der schiefen V-förmigen Schiene durch Kippen derselben.

IV.3 Bewegungsabläufe mit geschwindigkeitsabhängiger Reibung

Reibungsverhältnisse sind besonders schwierig sowohl experimentell als auch theoretisch zu erfassen. Neben komplizierten Abhängigkeiten von der Geschwindigkeit sind auch vielfach Abhängigkeiten vom Ort maßgebend, welche a priori nicht bekannt sind. In diesem Abschnitt sollen die Auswirkungen von Reibungskräften auf Bewegungsvorgänge erörtert werden, welche nur geschwindigkeitsabhängig sind. Im allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass die Reibungskraft in eine Polynomreihe in der Geschwindigkeit entwickelt werden kann:

.......2210 +++= vFvFFFR

Streng genommen müsste berücksichtigt werden, dass sowohl Kraft als auch Geschwindigkeit Vektoren sind und daher Tensoren als Koeffizienten auftreten. Wir wollen uns hier aber nur auf jene Kraftkomponente konzentrieren, welche in Richtung der Geschwindigkeit entgegenwirkt und anderer Effekte, wie z.B. Tragflächen mit Auf- und Abtrieb sollen unberücksichtigt bleiben.

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 38

P.Knoll, Mechanik

Die Bewegungsgleichung lässt sich dann sofort mit Hilfe der antreibenden Kraft FA und der wirkenden Massenträgheit M anschreiben zu:

......2210 −−−−=−== vFvFFFFFvMxM ARA&&& .

Dies entspricht einem Beschleunigungs-Geschwindigkeits-Diagramm von:

......)(2

210

MvFvFFF

MFFvb ARA −−−−

=−

=

Daraus erhält man durch Integration die Geschwindigkeit als Funktion der Zeit:

( )0

)(

2210

11.....

0 0

ttM

dtMvFvFFF

dvtv

v

t

tA

−==−−−−∫ ∫ .

Liegt nur eine lineare Abhängigkeit der Reibung von der Geschwindigkeit vor, so ergibt die Integration das einfache Ergebnis:

( )0010

10

1

1)(ln1 ttMvFFF

tvFFFF A

A −=

−−

−−− .

Woraus sich

( )01

01

0

1

0)(tt

MF

AA evF

FFF

FFtv−−

−−

−=

ergibt. Das Beschleunigungs-Zeit-Diagramm kann daraus durch Differenzieren nach der Zeit gewonnen werden:

( ) ( )01

01

0100

1

01)(tt

MF

Att

MF

A eMvF

MFFev

FFF

MFtb

−−−−

−=

−= .

Die Beschleunigung nimmt somit mit der Zeit exponentiell ab. Die Geschwindigkeit erreicht dabei nach unendlich langer Zeit den Grenzwert:

1

0)(F

FFv A −=∞ .

Durch weitere Integration erhält man:

( ) ( ) ( )

−+−

−=

−−

−=

−−−−

∫∫ 101

0

01

0

01

0

10

1

00

1

0

1

0)(

ttMF

AAt

t

ttMF

AAts

s

evF

FFFMtt

FFFdtev

FFF

FFFds

wodurch sich das Weg-Zeit-Diagramm ergibt:

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 39

P.Knoll, Mechanik

( ) ( )

−+−

−+=

−−1)( 0

1

01

0

10

1

00

ttMF

AA evF

FFFMtt

FFFsts

Wir sind somit in der Lage, etwas genauer den Bewegungsvorgang an der Atwood'schen Fallmaschine zu beschreiben. Aus der Abb.IV/6 konnte die geschwindigkeitsabhängige Reibungskraft zu: FR = 0,306 (±0,015) [N] + 0,01(±0,04) [Ns/m] v ermittelt werden. Die antreibende Kraft war:

( ) ( )8,087,081,912 −=−= MMgFA N = 0,6867 N. Die wirkende träge Masse ist:

221rMMMM ++= = 1,735 kg.

Mit den gewählten Randbedingungen s0=0 m, v0=0 m/s und t0=-0,5s liegt folgendes Weg-Zeit-Diagramm vor:

( ) ( ) ( )( )

=

−++

−=

−+−

−=

+−−−1

01,0735,15,0

01,0306,06867,01)(

5,0735,101,0

10

1

0 01 ttt

MF

A eteFMtt

FFFts

( )( )1145,660507,38035,19 5,0005764,0 −++= +− tet . Das Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm lautet dann:

( ) ( )( )5,0005764,0

1

0 107,381)( 01

+−−−−=

−= ttt

MF

A eeF

FFtv .

Zuletzt können wir auch noch das Beschleunigungs-Zeit-Diagramm und das Beschleunigungs-Geschwindigkeits-Diagramm angeben:

( ) ( )5,0005764,00 2194,0)( 01

+−−−=

= tttMF

A eeM

FFtb .

vvMF

MFFvb A 005764,02194,0)( 10 −=−

−= .

Dadurch sind wir in der Lage, den Bewegungsablauf bei der Atwood'schen Fallmaschine nicht nur im Bereich der Messdaten wiederzugeben, sondern darüber weit hinaus das Verhalten vorherzusagen. Die Extrapolation zu langen Zeiten und Wegen ist in den Diagrammen IV/9 bis IV/12 gezeigt. Demnach erreichen wir eine Grenzgeschwindigkeit von ca. 38 m/s nach ca. 1000 s. Dabei würde ein Weg von ca. 30 km benötigt werden. Zu beachten

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 40

P.Knoll, Mechanik

ist jedoch, dass die aus dem Experiment ermittelte geschwindigkeitsabhängige Reibung sehr ungenau ist. Dadurch ist auch die Extrapolation mit großer Ungenauigkeit behaftet, gibt aber das prinzipielle Verhalten sehr gut wieder. Das tatsächliche, der Simulation zu Grunde liegende Verhalten ist als punktierte Linie ebenfalls gezeigt. Wie aus den Diagrammen ersichtlich, ist nur ein sehr geringer Teil des Bewegungsablaufes durch die Messung erfasst worden, wodurch sich ebenfalls die hohe Ungenauigkeit der Extrapolation begründet.

0 200 400 600 800 1000-5000

0

5000

10000

15000

20000

25000

30000

35000

extrapoliert

experimentell

tatsächlich

Weg

[m]

Zeit [s]0 200 400 600 800 1000

-5

0

5

10

15

20

25

30

35

40

extrapoliert

experimentell

tatsächlich

Ges

chw

indi

gkei

t [m

/s]

Zeit [s]

Abb.IV/9: Extrapoliertes Verhalten im Weg-Zeit-Diagramm

Abb:IV/10: Extrapoliertes Verhalten im Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm

0 200 400 600 800 1000

0,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

extrapoliert

experimentell

tatsächlich

Bes

chle

unig

ung

[m/s

2 ]

Zeit [s]

0 10 20 30 40

0,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

extrapoliert

experimentell

tatsächlich

Bes

chle

unig

ung

[m/s

2 ]

Geschwindigkeit [m/s]

Abb. IV/11: Extrapoliertes Verhalten im Bescheunigungs-Zeit-Diagramm

Abb.IV/12: Extrapoliertes Verhalten im Beschleunigungs-Geschw.-Diagramm

IV.4 Innere Reibung bei laminarer Strömung Neben der Reibung zweier Festkörper besitzt auch die Relativbewegung eines Körpers in einer Flüssigkeit oder Gas Reibung. Ebenso ist auch die Bewegung von zwei Flüssigkeits- oder Gasschichten zueinander mit Reibung behaftet. Diese Art der Reibung kann jedoch nicht mehr als Geschwindigkeitsunabhängig angesehen werden. Es treten lineare Abhängigkeiten von der Geschwindigkeit (laminare Strömung), quadratische (Wirbelbildung) bis hin zu höheren Potenzen auf. Wir wollen uns hier zunächst der laminaren Strömung widmen, welche eine lineare Geschwindigkeitsabhängigkeit der Reibungskraft aufweist. Bewegt sich ein fester Körper in einem flüssigen oder gasförmigen Medium erfolgt die Reibung meist nicht an der Grenzschicht zwischen Festkörper und Medium, wo die Flüssigkeits- oder Gasmoleküle durch Adhäsionskräfte an die Oberfläche des Festkörpers gebunden sind, sondern zwischen benachbarten Schichten des Mediums selbst (innere

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 41

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Reibung). Dies ist dadurch bedingt, daß die Adhäsionskräfte wesentlich stärker als die inneren Kräfte im Medium selbst sind, wodurch die Reibung durch die inneren Kräfte des Mediums verursacht wird. Die Reibungskraft, die auf eine mit der Geschwindigkeit ν durch ein Medium bewegte ebene Fläche Α wirkt, ist proportional der Größe dieser Fläche und dem Geschwindigkeitsgefälle im Medium:

sdvdAFR η=

worin s den Abstand von der Fläche bezeichnet. Die Proportionalitätskonstante η heißt die Viskosität oder Zähigkeit des Mediums. Sie ist eine Materialeigenschaft, hängt aber von äußeren Einflußgrößen (Druck, Temperatur etc.) ab. Die Viskosität bestimmt die Reibungseigenschaften des Mediums, solange die Strömung laminar bleibt, d.h. keine Wirbel auftreten.

Abb.IV/13: Geschwindigkeitsgradient bei der inneren Reibung Bewegt sich eine Kugel langsam durch eine unendlich ausgedehnte Flüssigkeit, so wird sie laminar umströmt. Für die auf die Kugel wirkende Reibungskraft gilt das Stokes´sche Gesetz

vrFR ηπ6−= worin r der Radius der Kugel und ν ihre Geschwindigkeit ist. Die Reibungskraft ist proportional zur Geschwindigkeit und wirkt dieser entgegen. Wird die Kugel durch eine äußere Kraft beschleunigt, so wächst mit der Geschwindigkeit auch die Reibungskraft. Die Beschleunigung wird dadurch verringert. Sie wird gleich null, wenn die Reibungskraft gleich der äußeren Kraft geworden ist. Dann bewegt sich die Kugel mit konstanter Geschwindigkeit, wie schon im vorigen Abschnitt gezeigt wurde. Die Messung der Viskosität einer Flüssigkeit kann nach der sogenannten Kugelfallmethode erfolgen. Auf eine in einer Flüssigkeit fallende Kugel wirken drei Kräft: die Gewichtskraft FG, der Auftrieb FA und die Reibungskraft FR. Nach einer anfänglichen Beschleunigungsphase bewegt sich die Kugel mit konstanter Geschwindigkeit ν, sobald die Summe der Kräfte null geworden ist. Es gilt dann

06 =−−=++ vrgVgmFFF KFlRAG ηπρ

v=0

v

s

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 42

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(m Kugelmasse, g Erdbeschleunigung, Flρ Dichte der Flüssigkeit, KV Kugelvolumen). Werden die Kugelmasse, der Kugelradius, die Flüssigkeitsdichte und die konstante Geschwindigkeit gemessen, kann daraus die Viskosität errechnet werden.

Abb.IV/14: Kräfte bei der Kugelfallmethode In der Praxis kann die Bedingung einer unendlich ausgedehnten Flüssigkeit nur sehr schlecht erfüllt werden, wodurch für den endlichen Radius R des Flüssigkeitsgefäßes eine Korrekturfunktion f(r/R) berücksichtigt werden muss. Das für endlichen Flüssigkeitsradius R korrigierte Stokes'sche Gesetz lautet dann:

−=

RrvfrFR ηπ6 .

Aus einer Messserie mit verschiedenen Kugelradien kann die Korrekturfunktion bestimmt

werden. In den meisten Fällen kann mit einem einfachen linearen Ansatz RrCRrf += 1)/(

bereits gute Übereinstimmung mit dem Experiment erzielt werden. Aufgabenstellung: Messen Sie die Viskosität einer vorgegebenen Flüssigkeit mit der Kugelfallmethode mit jeweils 10 Kugeln verschiedenen Durchmessers. Bestimmen sie eine geeignete Korrektorfunktion für den endlichen Durchmesser des Flüssigkeitsbehälters. Praktische Durchführung: Vor dem Experiment ist die Flüssigkeit gut durchzurühren und Luftblasen sind möglichst zu vermeiden!

FR

FA

FG

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 43

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IV.5 Allgemeine Reibung in Gasen und Flüssigkeiten Der bisher behandelte Spezialfall laminarer Strömung und der daraus resultierenden linearen Abhängigkeit der Reibungskraft von der Geschwindigkeit ist bei höheren Geschwindigkeiten nicht mehr gegeben. Die laminare Strömung bricht dann teilweise zusammen und es erfolgt eine Wirbelbildung in der Flüssigkeit oder Gas, welche zusätzliche Energie dem Bewegungsvorgang entzieht. Man geht davon aus, dass die Reibungskraft proportional zur kinetischen Energie der Flüssigkeit 2

2vρ und der angeströmten Fläche A ist:

AvfFR 2

2ρ= .

Der Proportionalitätsfaktor f wird Widerstandsbeiwert genannt. Man geht sogar soweit, dass man für sämtliche Reibungsarten auf diese universelle Beziehung zurückgreift und nur den Widerstandsbeiwert entsprechend anpasst. Für den Fall der Stokes'schen Reibung würde man dann erhalten:

Avfrv2

62ρπη = ,

Re12121212

22 ====

ηρρ

ηπρπη

vrvrvrrvf .

Dabei wurde die sogenannte Reynolds'sche Zahl ηρvr=Re eingeführt. Die Analyse

verschiedenster Reibungsvorgänge in Flüssigkeiten und Gasen ergibt, dass die dabei auftretenden Widerstandsbeiwerte als Funktionen dieser Reynolds'schen Zahl geschrieben werden können. Demnach kann ganz allgemein die Reibungskraft angeschrieben werden:

AvfFR 2(Re)

2ρ= .

Der Vorteil liegt darin, dass nun bei Variation der Größe eines Objektes (z.B. Modell) durch Änderung von Zähigkeit, Dichte oder Geschwindigkeit gleiche Reynolds'sche Zahl und damit gleiche Strömungsbedingungen erreicht werden können. In folgender Tabelle sind für einige Strömungsvorgänge die entsprechenden Widerstandsbeiwerte als Funktion der Reynolds'schen Zahl angegeben:

Strömungsvorgang

Widerstandsbeiwert und Gültigkeitsbereich

laminare Strömung um eine Kugel: (Stokes) Re12

=f , Re < 1

laminare Strömung in einem Rohr: (Hagen-Poiseuille) Re8

=f , Re<1160

turbulente Strömung in einem Rohr: (Blasius) 4 Re221582,0

=f , Re>1160

angeströmte ebene Platte (Druckwiderstand) f = 1,56 angeströmter Zylinder (Druckwiderstand) f = 0,9

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 44

P.Knoll, Mechanik

V Schwingungen

Bisher wurden Bewegungsabläufe betrachtet, wobei Kräfte beteiligt waren, welche von den ersten und zweiten zeitlichen Ableitungen des Ortes abhängig waren. In beiden Fällen haben wir uns nur auf den linearen Zusammenhang beschränkt, welcher im Fall der zweiten Ableitung zur Trägheitskraft, und im Fall der ersten Ableitung zur geschwindigkeitsabhängigen Reibungskraft geführt hat. Im weiteren wollen wir uns noch mit dem Fall der ortsabhängigen Kraft beschäftigen, wobei wir uns wiederum nur auf den linearen Zusammenhang beschränken wollen. Solche linear vom Ort abhängigen Kräfte werden zum Beispiel bei einer linearen Feder, welche dem Hook’schen Gesetz genügt, angetroffen und sind für die sehr wichtigen Schwingungen verantwortlich. Zunächst wollen wir ganz kurz das Bewegungsproblem mit einer Kraft

fxF −= analysieren, welche immer zum Nullpunkt des Ortes gerichtet sein soll. Dieser Kraft muß einer entsprechenden Trägheitskraft gleich sein, damit das Newton’sche Axiom, die Summe aller Kräfte muß Null sein, erfüllt ist. Wir erhalten die Bewegungsgleichung für eine Masse M, wobei wir der Einfachheit wegen von einem rein eindimensionalen Problem ausgehen und daher die Vektorschreibweise vernachlässigen können:

0=+ fxMb . Daraus erhalten wir sofort die Beschleunigung als Funktion des Ortes:

Mfxb −= .

Die weiteren gewünschten Abhängigkeiten können jedoch nicht mehr durch einfaches Integrieren bestimmt werden, sondern eine etwas aufwendigere mathematische Prozedur (Lösen einer Differentialgleichung 2.Grades) ist erforderlich. Mathematische Prozedur: Für die Beschreibung der mathematischen Grundlagen sei auf entsprechende Lehrbücher bzw. Vorlesungen der Analysis bzw. der Mathematischen Methoden in der Physik verwiesen. Es soll wegen der Wichtigkeit jedoch hier eine kurze Zusammenfassung gegeben werden. Die Bewegungsgleichung ausgedrückt durch Ort und Zeit lautet:

02

2

=+ fxdt

xdM

und stellt eine gewöhnliche, homogene Differentialgleichung 2.Ordnung dar. Ihre allgemeine Lösung erhält man als Linearkombination von zwei linear unabhängigen speziellen Lösungen, von denen zumindest eine gefunden werden muß, die weitere kann dann berechnet werden. In diesem Fall können gleich zwei spezielle Lösungen

gefunden werden, da offenbar sowohl ( )Mftcos als auch ( )M

ftsin obiger Differentialgleichung genügen. Die Wronski-Determinante

( ) ( )( ) ( ) ( ) ( ) 0

22 sincoscossin

sincosω==+=

−Mf

Mf

Mf

Mf

Mf

Mf

Mf

Mf

Mf

Mf

Mf

tttt

tt

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 45

P.Knoll, Mechanik

ist dabei unabhängig von der Zeit ungleich Null, wodurch die lineare Unabhängigkeit der beiden speziellen

Lösungen gezeigt ist. Wir erhalten daher als allgemeine Lösung für alle Zeiten t, wobei mit Mf=0ω eine

kompaktere Schreibweise erreicht wird

tctctx 0201 sincos)( ωω += . Die beiden reellen Koeffizienten c1 und c2 sind dabei zunächst beliebig und müssen durch die vorgegebenen Randbedingungen bestimmt werden. Die beiden speziellen Lösungen stellen dabei zwei Basisvektoren dar, wodurch die beiden Koeffizienten auch als Komponenten eines 2-dimensionalen Vektors aufgefasst werden können. Anstelle der umständlichen Vektorschreibweise kann im hier vorliegenden 2-dimensionalen Fall auch auf die komplexe Schreibweise zurückgegriffen werden und mit tietit 0

00 sincos ωωω =+ läßt sich die allgemeine reelle Lösung auch mit

( ) ( ) ( ) ( )ϕωωϕωϕω +==== tAeeAeeAAetx tiitiiti0cosReReRe)( 000

schreiben. Dabei steht die komplexe Amplitude A mit den vorherigen Koeffizienten über folgende Beziehung in Verbindung:

( ) ( )( )( ) tAtAtitiAAAe irirti

0000 sincossincosReRe 0 ωωωωω −=++= wodurch sich 1cAr = und 2cAi −= ergibt. Anzumerken ist, dass üblicherweise die komplexe Schreibweise

verwendet wird und dabei die explizite Verwendung des Realteiles weggelassen wird also : tiAetx 0)( ω= . Die allgemeine Lösung unserer Bewegungsgleichung lautet somit:

( ) ( )ϕωω +== tAAetx ti0cosRe)( 0 .

Dabei müssen Betrag der komplexen Amplitude A und die Phase

r

iAAarctan=ϕ durch die

Randbedingungen bestimmt werden. Die weiteren Zeitabhängigkeiten können nun durch einfaches Differenzieren gewonnen werden:

( ) ( ) ( ) )(sinReRe)( 220000

00 txAtAiAeAedtdtv titi −−=+−=== ωϕωωω ωω

( ) ( ) )(cosRe)( 22200

200

200

0 tvAxtAiAedtdtb ti −−=−=+−== ωωωϕωωω ω .

Wählen wir als allgemeine Randbedingungen 00 )( xtx = und 00 )( vtv = , so erhalten wir für Amplitude und Phase:

20

202

0 ωvxA += und 00

00

0arctan tx

v ωω

ϕ −

= .

In den Abbildungen V/1 bis V/6 sind die entsprechenden Bewegungsdiagramme für die Randbedingungen t0=0s, v0=0m/s und x0=1m und den Werten M=1kg, f=1N/m gezeigt. Es liegt eine periodische Bewegung vor, welche Schwingung genannt wird. Nach der Zeit

0

π=Pt , welche Periodendauer oder Schwingungsdauer genannt wird, wird der gleiche

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 46

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mechanische Zustand (Ort, Geschwindigkeit, Beschleunigung) wieder erreicht und der Bewegungsablauf setzt sich um die Periondendauer zeitversetzt identisch fort. Der Weg oszilliert dabei um dem Wert x=0, welcher Ruhelage bezeichnet wird, die Auslenkung aus der Ruhelage wird auch Elongation und die maximale Auslenkung Amplitude bezeichnet. Die Geschwindigkeit verhält sich dabei um 90° phasenverschoben, d.h. dass in der Ruhelage maximale Geschwindigkeit erreicht wird und umgekehrt.

0 2 4 6 8 10

-1.0

-0.5

0.0

0.5

1.0

Weg

[m]

Zeit [s] 0 2 4 6 8 10

-1.0

-0.5

0.0

0.5

1.0

Ges

chw

indi

gkei

t [m

/s]

Zeit [s]

Abb.V/1: Weg-Zeit-Diagramm einer Schwingung Abb.V/2: Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm

0 2 4 6 8 10

-1.0

-0.5

0.0

0.5

1.0

Besc

hleu

nigu

ng [m

/s2 ]

Zeit [s]-1.5 -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0 1.5

-1.0

-0.5

0.0

0.5

1.0

Ges

chw

indi

gkei

t [m

/s]

Weg [m]

Abb.V/3: Beschleunigungs-Zeit-Diagramm Abb.V/4:Geschwindigkeits-Weg-Diagramm

-1.5 -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0 1.5

-1.0

-0.5

0.0

0.5

1.0

Besc

hleu

nigu

ng [m

/s2 ]

Weg [m]-1.5 -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0 1.5

-1.0

-0.5

0.0

0.5

1.0

Besc

hleu

nigu

ng [m

/s2 ]

Geschwindigkeit [m/s]

Abb.V/5: Beschleunigungs-Weg-Diagramm bAbb.V/6: Beschleunigungs-Geschwindigkeits-Diagramm

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 47

P.Knoll, Mechanik

Weiters ist es sehr nützlich, sich den Verlauf von kinetischer, potentieller und gesamter Energie während des Schwingungsvorganges anzusehen. Wie Abb.V/7 zeigt, findet eine laufende periodische Umwandlung von potentieller Energie 2

21 fxV = in kinetische Energie

221 MvT = und umgekehrt statt, während die gesamte Energie

( ) 202

1221

022

0022

21 sincos AMAftAMtAfVTH ωωωω ==+=+= konstant bleibt.

0 2 4 6 8 10

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7 kinetisch potentiel gesamt

Ener

gie

[J]

Zeit [s]

Abb.V/7: Verlauf von kinetischer-, potentieller- und gesamter Energie während eines Schwingungsvorganges

V.1 einfache Drehschwingung Eine einfache praktische Realisierung kann durch eine Drehschwingung einer Metallscheibe verwirklicht werden. Die periodische veränderliche Größe ist der Drehwinkel ϕ der Metallscheibe um eine vorgegebene Achse. Dies ist möglich, wenn auf den Körper ein Drehmoment T wirkt, das eine Funktion des Drehwinkels ist. Der Wert des Winkels ϕ, bei dem T gleich null wird, heißt in Analogie zur linearen Schwingung Ruhelage. Das Drehmoment ist jeweils so gerichtet, daß der Körper gegen die Ruhelage hin beschleunigt wird. Für die Winkelbeschleunigung gilt dann analog

IT

=ϕ&&

worin I das Trägheitsmoment des Körpers in Bezug auf die Drehachse ist.

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 48

P.Knoll, Mechanik

Der lineare Zusammenhangs zwischen Drehwinkel und Drehmoment ist durch:

ϕrDT −= gegeben. Der Proportionalitätsfaktor Dr heißt das Direktionsmoment. Ein linearer Zusammenhang zwischen Winkel und Drehmoment ist häufig eine gute Näherung der wirklichen Verhältnisse, da jede beliebige Funktion um die Ruhelage in eine Potenzreihe entwickelt und für genügend kleine Winkel nach dem ersten Glied abgebrochen werden kann. Im Fall der Gültigkeit des linearen Zusammenhangs ist die Schwingungsdauer tP unabhängig von der Amplitude. Es gilt

rP D

It π2=

Mittels der angegebenen Beziehung kann das Direktionsmoment oder das Trägheitsmoment bestimmt werden, wenn die Schwingungsdauer und die jeweils andere Größe bekannt sind. Das Direktionsmoment kann im Prinzip auch direkt ermittelt werden, wenn zu einem bekannten von außen angelegten Drehmoment die Winkelauslenkung gemessen wird. Häufig ist dies aus meßtechnischen Gründen nicht möglich. Auch die direkte Ermittlung des Trägheitsmomentes ist bei beliebig geformten Körpern schwierig. Um beide Größen aus reinen Messungen der Schwingungsdauer zu ermitteln, kann man das Trägheitsmoment θ des Körpers um einen definierten Wert θ' verändern und die dadurch geänderte Schwingungsdauer tP' bestimmen. Noch genauere Ergebnisse erhält man, wenn man das Trägheitsmoment in n Schritten um definierte Werte θ' erhöht und dann durch geeignete Auftragung von Periodendauer und Anzahl an zusätzlichem Trägheitsmoment mit Hilfe einer Ausgleichsgeraden gleichzeitig unbekanntes ursprüngliches Trägheitsmoment und Direktionsmoment bestimmen. Das Trägheitsmoment erhöht sich dabei mit I(n)= I + nI'. Daraus ergibt sich eine geänderte Periodendauer:

rP D

nIInt '2)( += π .

Durch Quadrieren erhält man einen linearen Zusammenhang:

nD

ID

Intrr

P'44)(

222 ππ

+= .

Trägt man nun in einem Diagramm tP

2(n) als y-Wert und n als x-Wert auf, so kann man aus der ermittelten Ausgleichsgeraden Dr und I bestimmen. Wird das rücktreibende Drehmoment durch Verdrillung eines Drahtes der Länge l und des Radiuses r bewirkt, so gilt für das Direktionsmoment:

lGrDr 2

4π= .

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 49

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Dabei ist G der Torsionsmodul, welcher durch das Material des Drahtes bestimmt wird. Aufgabenstellung: Berechnen Sie einen allgemeinen Ausdruck für das Trägheitsmoment eines Hohlzylinders und seiner Segmente und bestimmen Sie damit das Trägheitsmoment der vorhandenen Zusatzmassen unter Vernachlässigung der Schraubenlöcher. Bestimmen Sie aus der Schwingungsdauer ohne und mit Zusatzmassen das Trägheitsmoment und das Direktionsmoment des Drehpendels (unter Vernachlässigung der Dämpfung). Ermitteln Sie den Torsionsmodul des verwendeten Drahtes. Praktische Durchführung: Der Torsionsdraht darf nicht fest gespannt werden, ansonsten entsteht erhöhte Lagerreibung!

V.2 Gedämpfte Schwingungen Wie bei allen Bewegungsvorgängen wird in der Praxis ein Teil der Bewegungsenergie in Wärme umgewandelt, was als Reibung bekannt ist. Die entsprechende Reibungskraft ist im allgemeinen eine Funktion der Geschwindigkeit, wobei wir uns wiederum mit dem linearen Anteil begnügen wollen. Die gedämpfte Schwingung unseres Drehpendels wird dann durch folgende Differentialgleichung beschrieben:

0=++ ϕϕϕ rDgI &&& bzw. nach Division durch Ι:

02 20 =++ ϕωϕγϕ &&&

mit: γ2=Ig und 2

0ω=I

Dr .

γ heißt die Dämpfungskonstante des schwingenden Systems. Die Lösung erhält man durch den Ansatz: tiAet ωϕ =)( . Die Eigenfrequenz ergibt sich dabei als komplexe Zahl mit

)(022

0 γωγγωγω ±=−±= ii . Die allgemeine Lösung lautet daher:

( )tititt eAeeAet )(022

0 ReRe)( γωγγωγϕ −−− =

= . Durch die Dämpfung wird daher einerseits die

Amplitude exponentiell abklingen, und andererseits die Schwingungsdauer zu:

)(22

4

2

022

02

2 γωπ

γω

ππ=

−=

=

Ig

ID

tr

P

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 50

P.Knoll, Mechanik

vergrößert. Im Verlauf mehrerer Schwingungen verringert sich die Schwingungsamplitude nach einer e-Potenz. Als Dämpfungsverhältnis k wird der Quotient zweier aufeinanderfolgender Amplituden bezeichnet, es hängt von der Dämpfungskonstante γ und von der Schwingungsdauer tP ab. Für zwei beliebige Auslenkungen im Zeitabstand tP erhalten wir:

( ) ( )PPP

PP

ttitttitt

tit

P

eeeeAeeAe

tttk γγωγ

γωγ

γωγ

ϕϕ

===+

= −++−

−)(

)(

)(0

0

0

)()( .

Als logarithmisches Dekrement δ wird der natürliche Logarithmus des Quotienten aus zwei aufeinanderfolgenden Amplituden bezeichnet. Es gilt

Ptk γδ == ln . Für die praktische Messung kann man auch von n-Vielfachen der Schwingungsdauer ausgehen, da gilt:

Pntn γδ = Als Relaxationszeit oder Abklingzeit der Schwingung wird diejenige Zeit τ bezeichnet, in der die Amplitude auf den 1/e-fachen Wert der Anfangsamplitude abgefallen ist. Es gilt die Beziehung:

gI21

==γ

τ .

Da die Schwingungsenergie quadratisch in der Amplitude ist, fällt sie doppelt so schnell wie die Amplitude ab:

δτγ 222

)()( −−− ===

+ eeetEttE P

P

ttP .

Als Güte (Q-Faktor, von "quality") des Systems ist weiters definiert das 2π-fache des Verhältnisses aus Abklingzeit τ und Schwingungsdauer tP:

τγωτπ )(2 0==Pt

Q .

Da im praktischen Versuch immer eine Reibung vorliegt, ist die Bestimmung der ungedämpften Resonanzfrequenz I

Dr=0ω nicht direkt möglich. Durch Veränderung der Dämpfung (z.B. unterschiedlich starke Wirbelstrombremse) können jedoch die verschiedenen

Resonanzfrequenzen 2200 )( γωγω −= bestimmt werden. Trägt man dann in einem

Diagramm )(20 γω gegen 2γ auf, so sollte sich ein linearer Zusammenhang ergeben, wobei

der Hypotenusenabschnitt der ungedämpften Resonanzfrequenz entspricht.

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 51

P.Knoll, Mechanik

Hilfreiche Literatur: Siehe z.B.: W. Demtröder, Experimentalphysik 1, Kap. 10.4 Aufgabenstellung: Zeichnen Sie mit dem Speicheroszilloskop den zeitlichen Verlauf der (gedämpften) Schwingung des Drehpendels auf. Bestimme daraus jeweils das Verhältnis zweier aufeinanderfolgender Amplituden und die anderen Dämpfungsmaße: logarithmisches Dekrement, Relaxationszeit, Güte Praktische Durchführung: Machen Sie sich mit den diversen Funktionen des Speicheroszilloskops vertraut.

V.3 Fouriertransformation der freien Schwingung Als Beispiel einer gedämpften freien Schwingung ist in Abb.V/8 ähnlich der im Praktikum bestimmten gedämpften Drehschwingung der Verlauf eines Schwingungsvorganges mit ungedämpfter Resonanzfrequenz ω0=2π0,5s-1 und einer Dämpfungskonstanten von

1,01 == τγ s-1 dargestellt.

0 10 20 30 40 50

-100

-50

0

50

100

Am

plitu

de [w

illk.

Ein

heite

n]

Zeit [s]0,0 0,5 1,0 1,5 2,0

0

50

100

150

200

volle Transf.

vereinfacht

diskrete FFT

Frequenz [Hz]

Am

plitu

de [w

illk.

Ein

h.]

-90

0

90

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0

Frequenz [Hz]

Pha

se [g

rad]

Abb.V/8: Freie gedämpfte Schwingung im Messintervall.

Abb.V/9: Phase und Betrag der Amplitude für die verschiedenen Frequenzkomponenten.

Es stellt sich die Frage, welche Schwingungsfrequenzen in so einer abklingenden Schwingung vorhanden sind. Wenn die Amplitude über alle Zeit konstant bleibt, (also eine ungedämpfte Schwingung vorliegt) ist diese Frage recht einfach zu beantworten, weil dann offenbar nur die Resonanzfrequenz I

Dr=0ω auftritt. Im Fall der Dämpfung wissen wir nur, dass diese auf 22

00 )( γωγω −= verändert wird. Aber offenbar ist hier doch noch ein Unterschied, da ja diese veränderte Resonanzfrequenz auch nicht mit konstanter Amplitude anliegt, sondern mit der Zeit abklingt. Die korrekte Antwort auf unsere Frage liefert der mathematische

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 52

P.Knoll, Mechanik

Formalismus der Fourier-Transformation. Über den genauen mathematischen Hintergrund sei auf die einschlägigen Lehrbücher und Vorlesungen verwiesen. Allerdings stellen die Fourier-Transformationen, Fourier-Analysen, Harmonischen-Entwicklungen, Spektralzerlegungen etc. eine derart wichtige Grundlage für das Verständnis der modernen Physik dar, dass nicht früh genug deren physikalische Bedeutung verständlich gemacht werden kann. In diesem Sinne soll hier vor allem der physikalische Hintergrund der Fourier-Transformation einer gedämpften Schwingung gegeben werden. Zunächst wenden wir einfach den mathematischen Formalismus auf die gedämpfte Schwingung in komplexer Darstellung titeAet )(0)( γωγϕ −= an und erhalten die komplexe Amplitude der Frequenzkomponente ω durch:

( )( )

( )

∞−−∞

−−∞

−−=== ∫∫

00

)(

0

)(

0 )(221)(

21)(

00

γωγωππϕ

πωϕ

γωγωγωγωω

iiAedtAedtet

tiitiiti

( )( )( )( )

( ) 220

02

0 )()(

)(2)(

γωγωγωγω

γωγωπωϕ π

+−

+−=

−−−

=i

iA A

.

Dies ergibt für den Betrag der Amplitude für die Fourier-Komponente ω und deren Phase:

( ) 220 )(2

)(γωγωπ

ωϕ+−

=A und

−=

=

γγω

ωϕωϕψ w)(arctan

))(Re())(Im(arctan 0 .

Dieses Ergebnis ist in Abb.V/9 als punktierte Linie dargestellt und wird dort als einfaches Ergebnis bezeichnet. Grund dafür ist, dass ja tatsächlich keine komplexe Amplitude sondern eine reelle ( ) ( )tittittit eAeeAeeAet )()(

21)( 000Re)( γωγγωγγωγϕ −−−− +== vorliegt, was zu einem

entsprechend komplizierteren Ergebnis führt, welches in Abb.V/9 ebenfalls zum Vergleich dargestellt ist. Die Unterschiede sind dabei geringfügig (der Betrag der Amplitude ist nur halb so groß) und nur bei geringen Frequenzen bemerkbar, weshalb hier von der einfachen Behandlung weiter ausgegangen werden kann. Die bisherigen Frequenzabhängigkeiten werden Amplituden- und Phasenspektrum der gedämpften Schwingung bezeichnet. Von weiterer Bedeutung ist auch das Verhalten der Energie, welche zum Quadrat der Amplitude proportional ist. Wir erhalten:

( )( )220

2*

)(2)()()(

γωγωπωϕωϕω

+−==

AP ,

welches als Power-Spektrum bezeichnet wird. Es ist der reziproke Wert eines Polynoms 2.Grades, welcher Lorentz-Kurve genannt wird. Diese ist in Abb.V/10 dargestellt. Dabei liegt der Maximalwert bei:

2

2

0max 2))((

πγγω AP = .

Wichtig ist auch noch das Maß der Breite der Lorentzkurve. Als Halbwertsbreite bezeichnet man das Intervall, welches von den Punkten um das Maximum begrenzt wird, wo das Powerspektrum auf den halben Wert des Maximalwertes abgefallen ist. Man erhält:

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 53

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( )( ) ))((242 22

2

2

2max γγω

γγππγ±=

+== PAAP .

Demnach ist die volle Halbwertsbreite des Powerspektrums γω 2=Γ in Kreisfequenz ausgedrückt, bzw. π

γ=Γf im Frequenzspektrum, und kann zur Bestimmung der Dämpfung herangezogen werden. Die gesamte Fläche A unterhalb des Powerspektrums lautet:

γπγ

ωω max

2

2)( PAdPA === ∫

∞−

.

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0

0

10000

20000

30000

40000

Halbwertsbreite

Qua

drat

der

Am

plitu

de [w

illk.

Ein

h.]

Frequenz [Hz]

0 20 40 60 80 100

-100

-50

0

50

100

Am

plitu

de [w

illk.

Ein

h.]

Zeit [s]

Abb.V/10: Power-Spektrum Abb.V/11: Fiktive periodische Fortsetzung der gemessenen gedämpften Schwingung

Zu beachten ist, dass in den Abbildungen jeweils die Frequenz als x-Achse aufgetragen ist, aber die Formeln sich auf die Kreisfrequenz beziehen, wodurch ein Faktor von 2π für die Bestimmung der Dämpfung aus der Halbwertsbreite zu berücksichtigen ist. In der praktischen Durchführung muss berücksichtigt werden, dass nicht über unendlich lange Zeit gemessen werden kann, und dass die einzelnen Messwerte der Auslenkung auch nicht beliebig dicht beieinander liegen können. Daher beschreiben die bisherigen Ausführungen nur ein idealisiertes Verhalten, welches praktisch nie erreicht wird. Gehen wir davon aus, dass über eine Messzeit tMess hindurch der Verlauf der gedämpften Schwingung verfolgt werden kann. Die mathematische Gültigkeit der verwendeten Fourier-Transformation ist nur bei periodischen Funktionen gegeben (Satz von Fourier). Dies wird dadurch erreicht, dass sogenannte periodische Randbedingungen das Ende der Messung mit dem Anfang verbinden und dadurch aus jeder Messung eine periodische gemacht wird. Dies bedeutet, dass nach der eigentlichen Messzeit von 50s in Abb.V/11 die Messung fiktiv periodisch fortgesetzt wird. Nur bei sehr großen Messzeiten (im Idealfall unendlich lang) ist der dadurch entstandene Fehler vernachlässigbar ist. Für jede beliebige Messgröße f(t) bedeutet dies, dass f(t+tMess) = f(t) ist. Für einen Schwingungsvorgang ist dadurch ( ) )()( teett titti

MessMess ϕϕ ωω ===+ + , was

die Bedingung liefert:

πω 2ntMess = oder Mess

n tn πω 2

= .

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 54

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Dies bedeutet, dass nur mehr ganz bestimmte Kreisfrequenzen möglich sind, welche die durch die Messzeit vorgegeben periodischen Randbedingungen erfüllen. Es bedeutet auch, dass es eine untere Schranke für die sinnvolle Genauigkeit der Kreisfrequenz gibt, nämlich:

Messtπω 2

=∆ .

Die letzte Beziehung stellt die klassische Unschärferelation dar und besagt, dass bei endlicher Messzeit die Frequenz nicht beliebig genau bestimmt werden kann. Man erhält daraus sofort unter Benützung von hfE == ωh die bekannte quantenmechanische Unschärferelation zwischen Energie und Zeit:

htE ==∆∆ hπ2 . Ähnliche Beziehungen lassen sich auch für örtlich periodische Vorgänge ableiten, wodurch man eine Unschärferelation zwischen Ort und Impuls erhält. Neben der endlichen Messzeit wollen wir auch berücksichtigen, dass innerhalb der Messzeit nicht unendlich viele Messungen vorliegen sondern nur N viele, weshalb Messwerte nur zu ganz bestimmten Zeitpunkten

intjtN

tjt Messj ==

zur Verfügung stehen. Das Zeitintervall zwischen zwei Messpunkten wurde dabei mit tint bezeichnet. Anstelle der kontinuierlichen Fourier-Transformation muss dann die diskrete verwendet werden:

∑=

=N

j

tijn

jnetN 1

)(1)( ωϕωϕ .

Dabei werden die komplexen Amplituden für die möglichen diskreten Kreisfrequenzen ωn berechnet. Dabei sind nur N verschiedene Werte von Interesse, da alle weiteren sich ebenfalls periodisch wiederholen. Dies sieht man sofort, wenn wir explizit einsetzen:

∑∑==

====N

j

Ninj

j

N

j

Ntj

tin

Messj

Messn et

Ne

Ntjt

Ntn

Mess

Mess

1

2

1

2

)(1)(1)2(ππ

ϕϕπωϕ .

Daraus ist direkt ersichtlich, dass für beliebiges j sich die Fourier-Komponenten ϕ(ωn)= ϕ(ωn+N) alle N Werte periodisch wiederholen. Hinzu kommt noch eine Eigenschaft der Fourier-Transformation, dass für rein reelle Auslenkungen ϕ(t), wie sie im praktischen Experiment vorliegen, die Fourier-Komponenten ϕ(ω)=ϕ(-ω) symmetrisch um den Nullpunkt liegen. Wählen wir das Intervall der betrachteten Frequenzen um den Nullpunkt, also

22NN j <≤− , so ist ersichtlich, dass in diesem Fall nur die Hälfte der N Frequenzen

unabhängige Informationen liefern. (Wegen der Periodizität der Frequenzen kann das Intervall beliebig gelegt werden.) Die maximale sinnvolle Kreisfrequenz ergibt sich dann zu:

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 55

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intmax 2

2222 ttN

MessN

ππωω === .

Diese Aussage ist gleichbedeutend mit der bekannten These aus der digitalen Signalverarbeitung, dass die Abtastfrequenz (Sampling-Rate) mindestens doppelt so hoch sein muss als die maximal zu digitalisierende Frequenz. In unserem Beispiel der gedämpften Schwingung in Abb.V/8 gehen wir davon aus, dass wir nur 50s lang beobachten und dabei 1024 Werte speichern. Daraus ergeben sich diskrete Frequenzpunkte, wie sie in Abb.V/9 eingetragen sind. Das Frequenzintervall zwischen den einzelnen Punkten ergibt sich dann zu: 50

1=∆f s-1 und beträgt somit 0,02Hz. Die Frequenzkomponenten wiederholen sich dabei periodisch alle 20,48Hz und die sinnvolle maximale Frequenz beträgt 10,24Hz. Will man mehr Punkte um die Resonanzfrequenz erhalten, was in Hinblick auf eine genauere Analyse der Kurvenform des Frequenzspektrums sinnvoll wäre, so muss die Messzeit entsprechend verlängert werden.

V.4 Erzwungene Schwingung Wird ein schwingungsfähiges System durch eine periodisch wirkende Kraft angeregt, so entsteht eine erzwungene Schwingung. Sie gehorcht im Fall einer Drehschwingungen mit zeitlich änderndem Drehmoment ( )tieTtT ωRe)( 0= der Differentialgleichung:

( )tir eTDgI ωϕϕϕ Re0=++ &&& ,

bzw. mit : γ2=Ig und 2

0ω=I

Dr

( )tieI

T ωϕωϕγϕ Re2 020 =++ &&& .

To ist dabei der Maximalwert des antreibenden Drehmoments T(t). Die Lösung dieser inhomogenen Differentialgleichung erhält man als Superposition einer speziellen Lösung mit der allgemeinen Lösung der homogenen Differentialgleichung. Diese allgemeine Lösung der homogenen Differentialgleichung haben wir bereits als gedämpfte Schwingung kennen gelernt und wird nach genügend langer Zeit, wenn der Einschwingvorgang abgeschlossen ist, nicht mehr von Bedeutung sein. Falls eine zeitlich stabile spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung existiert, so wird nur diese nach genügend langer Zeit relevant sein. Diese zeitlich stabile Lösung ist offenbar mit ( )tiet ωϕϕ Re)( 0= vorhanden. Man erhält eingesetzt in die Differentialgleichung:

( ) ( ) ( ) ( )titititi eI

Teeie ωωωω ϕωγωϕϕω ReReRe2Re 00

2000

2 =++− .

Daraus erhält man als Ergebnis eine komplexe Amplitude:

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 56

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( )( )

( )( )222220

2200

220

00

4

22 ωγωω

γωωωγωωω

ϕ+−

−−=

+−=

I

iTiI

T .

Das Verhältnis zwischen der erzielten Auslenkung und der antreibenden Kraft (Drehmoment) wird Green'sche Funktion G(ω) genannt:

( )γωωωωϕ

21)(

2200

0

iIG

T +−== .

Damit lässt sich auch kürzer schreiben:

00 )()( TG ωωϕ = . Die Bedeutung der komplexen Amplitude der erzwungenen Schwingung liegt darin, dass zwei unabhängige reelle Größen auftreten, nämlich der Betrag der Amplitude und die Phase ψ bezüglich des anregenden Drehmomentes:

( ) 222220

00

4 ωγωωϕ

+−=

I

T und 22

0

2arctanωω

γωψ−

−= .

In Abb.V/12 sind der Frequenzverlauf von Betrag der Amplitude und der Phase gezeigt und mit dem Ergebnis der Fouriertransformierten der freien gedämpften Schwingung (volle Rechnung) verglichen. Ebenso ist das Quadrat der Amplitude (Powerspektrum) in Abb.V/13 verglichen.

0.0 0.5 1.0 1.5 2.00

50

100

150

200

erzw. Schwingung

volle Fourier-Transf.

Frequenz [Hz]

Am

plitu

de [w

illk.

Ein

h.]

-90

0

900.0 0.5 1.0 1.5 2.0

Frequenz [Hz]

Pha

se [g

rad]

0.0 0.5 1.0 1.5 2.0

0

10000

20000

30000

40000 volle Fourier-Transf.

erzw. Schwingung

Halbwertsbreite

Qua

drat

der

Am

plitu

de [w

illk.

Ein

h.]

Frequenz [Hz]

Abb.V/12: Amplitude und Phase der erzwungenen Schwingung verglichen mit der Fourier-Analyse der freien Schwingung.

Abb.V/13: Powerspektrum der erzwungenen Schwingung verglichen mit der Lorentz-kurve der Fouriertransformierten der freien Schwingung.

Zunächst muss betont werden, dass zwischen dem Frequenzverhalten der freien Schwingung und der erzwungenen Schwingung unterschiedliche physikalische Voraussetzungen vorliegen. Während die Fourier-Transformation der freien Schwingung die einzelnen Beiträge der verschiedenen Frequenzen mit ihren Amplituden und relativen Phasen zum exponentiellem Abklingen der Schwingung ergibt, beschreibt Amplitude und Phase der erzwungenen Schwingung, welche Amplitude der erzwungenen Schwingung für eine bestimmte Frequenz

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 57

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der antreibenden Kraft (Drehmoment) vorliegt und welche Phasenbeziehung zwischen der Schwingung und der antreibenden Kraft sich einstellt. Dennoch sind sehr markante physikalische Gemeinsamkeiten vorhanden: So ändert sich die Phase um 180° in der Nähe der Resonanzfrequenz, wo auch die Amplitude ihr Maximum hat. Allerdings sind auch die Unterschiede sehr deutlich: So bezieht sich die Fourier-transformierte der freien Schwingung

auf die um die Dämpfung veränderte Resonanzfrequenz 2200 )( γωγω −= , während die

erzwungene Schwingung ihr Maximum bei der Resonanzfrequenz der ungedämpften Schwingung I

Dr=0ω hat. (Dies ist eine Konsequenz der Bedingung, dass nach dem Einschwingvorgang die erzwungene Schwingung bei gleicher Frequenz für unendlich lange Zeit vorliegt.) Der scheinbare Unterschied in der absoluten Phase, wie er z.B. in Abb.V/12 zu sehen ist, hat allerdings keine allzu große physikalische Bedeutung, da die absolute Phase der Fourier-transformierten freien Schwingung durch die Anfangsbedingung (in welcher Phasenlage beginnt die Schwingung bei t=0) bestimmt wird. Außerdem hat die Phase einer Frequenz bei Null keine Bedeutung. Charakteristisch ist hingegen, dass die Breite von Amplituden- und Powerspektrum der erzwungenen Schwingung eindeutig größer ist. Für die Halbwertsbreite des Powerspektrums der erzwungenen Schwingung erhalten wir:

022 γωω =Γ bzw. πγω02

=Γ f .

Nur für 0=γ oder 02ωγ = , also im Fall verschwindender Dämpfung oder extremer Überdämpfung, ergibt sich das gleiche Ergebnis wie für die Lorentzkurve der Fourier-transformierten freien Schwingung. Ebenso ist im Amplituden- und Powerspektrum der erzwungenen Schwingung eine leichte Asymmetrie zu niedrigen Frequenzen vorhanden, welche ebenfalls erst bei vernachlässigbaren Dämpfungen verschwindet. Wird die erzwungene Schwingung durch eine angetriebene zweite Metallscheibe (Auslenkung ϕ1), welche über den Torsionsdraht mit der eigentlichen Drehscheibe (Auslenkung ϕ2) des Drehpendels verbunden ist, realisiert (Praktikumsversuch), dann erhalten wir folgende mathematische Beschreibung:

( ) 01222 =−++ ϕϕϕϕ rDgI &&& . Wird die antreibende Scheibe mit ( )tiet ωϕϕ Re)( 0

11 = bewegt so erhält man:

( )tie ωϕωϕωϕγϕ Re2 01

202

2022 =++ &&& .

Daraus ergibt sich die Amplitude des antreibenden Drehmomentes zu:

01

200 ϕωIT = .

Das Amplitudenverhältnis zwischen Auslenkung der antreibenden Scheibe und des Drehpendels kann dann einfach ermittelt werden:

( ) 222220

20

01

02

4 ωγωω

ωϕϕ

+−= .

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 58

P.Knoll, Mechanik

Hilfreiche Literatur: W. Demtröder, Experimentalphysik 1, Kap. 10.5 E.W. Otten, Repetitorium Experimentalphysik, Kap. 11.4 Aufgabenstellung: Die Dämpfung der Drehschwingung ist durch den Wirbelstrom-Dämpfungsmagneten auf einen definierten Wert einzustellen (z.B. auf das Dämpfungsverhältnis k =1.25) und daraus die Dämpfungskonstante γ zu berechnen.2. Die Amplitude und Phase der Drehschwingung sind als Funktion der Erregerfrequenz zu messen und graphisch darzustellen. Aus der Amplitudenresonanzkurve ist die Halbwertsbreite zu bestimmen und aus dem gewonnene Wert die Dämpfungskonstante zu berechnen. Sie ist mit der eingestellten Dämpfungskonstante zu vergleichen. Das Experiment ist mit einer anderen Dämpfung zu wiederholen (z.B. Dämpfungsverhältnis k = 1.75). Praktische Durchführung: Das Drehpendelgerät ist so umzubauen, daß die mittlere Drehscheibe mit dem Torsionsdraht an die vom Schrittmotor angetriebene Scheibe gekoppelt ist. Der Draht zur obersten Scheibe wird entfernt. Eventuell vom Vorexperiment vorhandene Zusatz-Drehmassen aus Eisen sind zu entfernen! Auf geringe Reibung ist zu achten, keinesfalls darf der Torsionsdraht axial gespannt werden (erhöhte Lagerreibung). Die Schwingungsdauer bei der freien ungedämpften Schwingung (Idealisierung!) ist zu bestimmen (Speicheroszilloskop). Handauslenkung! Eine definiert gedämpfte Schwingung ist zu erzeugen. Durch Verschieben der Dämpfungsmagnete entlang ihrer Auflage wird die vorgeschriebene Dämpfung durch Probieren eingestellt (Kontrolle mittels Speicheroszilloskop, Protokollierung des Abklingvorganges). Eine erzwungene Schwingung ist durch periodische Anregung des Systems mittels Schrittmotor zu erzeugen. Die Schrittmotor-Elektronik wird vom Funktionsgenerator (FG) über periodische Rechtecksignale angesteuert. 1000 Perioden des FG ergeben 1 Umdrehung des Schrittmotors und damit 1 Schwingungsperiode der Erregung. Die Anregungsfrequenz ergibt sich somit als abgelesene Frequenz am FG/1000. Die Amplituden- und Phasenabhängigkeit der erzwungenen Schwingung ist durch Variation der Erregerfrequenz zu ermitteln. Hinreichend lange Einschwingzeiten abwarten! Insbesondere um die Resonanzstelle herum sind hinreichend viele Meßpunkte zu setzen. Bei Frequenzen weit unter der Resonanzfrequenz kann die schwingende Scheibe wegen der extrem geringen Drehmomente "steckenbleiben". Die entsprechenden Meßwerte sind zu verwerfen. Die Amplituden werden aus den Speicheroszilloskopdarstellungen für getriebene und antreibende Scheibe abgelesen, ebenso wie die entsprechenden Phasenverschiebungen. Die Amplituden- und Phasenkurve sind graphisch darzustellen. Aus der Resonanzkurve ist die Energiehalbwertsbreite zu bestimmen. Die daraus ableitbare Dämpfungskonstante ist mit dem eingestellten Dämpfungswert zu vergleichen. Für die gemessenen Frequenzwerte ist nach obiger Gleichung die normierte Amplitude zu berechnen (Frequenz der freien Schwingung und Dämpfungskonstante wurden zu Beginn bestimmt) und es sind die entsprechenden Punkte in das Diagramm einzutragen.

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 59

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V.5 Gekoppelte Schwingungen Üben zwei schwingende Systeme aufeinander eine Kraft aus, die eine Funktion der momentanen Auslenkung mindestens eines dieser Systeme ist, so entstehen gekoppelte Schwingungen. Die zwischen den Systemen wirkende Kraft (Koppelkraft) verändert die auftretenden Frequenzen. Die entsprechenden Bewegungsgleichungen lauten für die Drehschwingung (gekoppeltes Differentialgleichungssystem, da jede Gleichung beide Variablen ϕ1 und ϕ2 enthält):

)( 21121111 ϕϕϕϕθ −−−= DDr&&

)( 12122222 ϕϕϕϕθ −−−= DDr&& Der einfachste Fall von Koppelschwingungen ist realisiert, wenn zwei Systeme mit jeweils gleichem Trägheitsmoment θ und Direktionsmoment Dr aufeinander ein Drehmoment ausüben, das proportional zur Differenz ∆ϕ der beiden Auslenkungen ϕi ist. Die Differenz der Auslenkungen hängt von den jeweiligen Amplituden und der gegenseitigen Phasendifferenz ∆ψ der beiden Schwingungen ab. Als Fundamentalschwingungen bezeichnet man die Fälle größter und kleinster Auslenkungsdifferenz, entsprechend den Phasendifferenzen ∆ψ = 0 und ∆ψ = π. Sind die beiden Amplituden gleich, so ist die Differenz der Auslenkungen in der ersten Fundamentalschwingungen immer gleich null und es tritt keine Koppelkraft auf. Die Eigenfrequenz ↑↑ω der ersten Fundamentalschwingungen ist somit gleich der Eigenfrequenz

0ω der ungekoppelten Systeme. Bei der zweiten Fundamentalschwingung sind die rück-treibenden Momente in beiden Systemen jeweils entgegengesetzt gleich groß und ergeben sich für jedes System aus der Summe des systemeigenen Moments M = Dr ϕ und dem rücktreibenden Moment der Koppelkraft M12 = Dr12 ∆ϕ = 2 Dr12 ϕ. Entsprechend haben bei der zweiten Fundamentalschwingung beide Systeme die gleiche Eigenfrequenz ↑↓ω . Somit gilt für die beiden Fundamentalschwingungen:

Schwingt das gekoppelte System mit beliebiger Phasendifferenz, so ist die resultierende Schwingung eine Superposition der beiden Fundamentalschwingungen. In jedem Fall ergibt sich (bei geringer Dämpfung) eine Schwingung mit einer Frequenz, die dem Mittelwert aus den Fundamentalschwingungsfrequenzen entspricht und deren Amplitude moduliert wird mit der halben Differenzfrequenz der beiden Fundamentalschwingungen. Rein formal läßt sich dies auch als Superposition zweier Schwingungen der Frequenzen ω↑↑ und ω↑↓ mit deren Anfangsphasen ψ ↑↑ und ψ ↑↓ darstellen:

++

+⋅

−+

−= ↑↓↑↑↑↓↑↑↑↓↑↑↑↓↑↑

22cos

22cos)( 01

ψψωωψψωωϕϕ ttt

θω

θωω 12

02, rrr DDD +

=== ↑↓↑↑

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 60

P.Knoll, Mechanik

++

+⋅

−+

−= ↑↓↑↑↑↓↑↑↑↓↑↑↑↓↑↑

22sin

22sin)( 02

ψψωωψψωωϕϕ ttt

Den damit verbundenen Zustand nennt man "Schwebung". Beachte, daß beim Nulldurchgang der niederfrequenten Amplitudenfunktion ein Phasensprung von π auftritt! Abb.V/14: Auslenkung der jeweiligen Partner bei der gekoppelten Schwingung Aufgabenstellung: Die beiden Fundamentalschwingungen sind darzustellen und ihre Schwingungsfrequenzen zu bestimmen. Der gekoppelte Fall ist darzustellen und zu protokollieren. Der Zusammenhang zwischen Fundamentalschwingungsfrequenzen und der jetzt vorhandenen Frequenz bzw. der Schwebungsfrequenz ist zu überprüfen. Praktische Durchführung: Ohne Kopplung (Koppeldraht ausgebaut) müssen das obere und das untere Drehpendel identische Resonanzfrequenzen und identische (möglichst geringe) Dämpfung aufweisen. Die Torsionsdrähte beider Pendel sind dazu gleich lang einzustellen. Eventuell durch Aufkleben von Zusatzmassen das Trägheitsmoment erhöhen. Die Kopplung wird durch Einbau eines Koppeldrahtes hergestellt. Dessen Drahtstärke ist wesentlich geringer als bei den anderen beiden Drähten, um geringen Koppelgrad zu erzielen. Die zwei Fundamentalschwingungen durch gleichsinniges bzw. gegensinniges Auslenken der Scheiben einleiten und die dazugehörigen Frequenzen bestimmen. Koppelschwingung einleiten. Dazu eine Scheibe festhalten, die andere auslenken, dann beide gleichzeitig loslassen.

0 20 40 60 80 100 120

-1,0

-0,5

0,0

0,5

1,0

Aus

lenk

ung

Sch

eibe

1

Zeit [s]g S

0 20 40 60 80 100 120

-1,0

-0,5

0,0

0,5

1,0

Ausl

enku

ng S

chei

be 2

Zeit [s]

Physikalische Laborübungen für PhysikerInnen I Seite 61

P.Knoll, Mechanik

Mit Speicheroszilloskop beide Scheibenbewegungen protokollieren. Die jetzige Schwingungsfrequenz und die Schwebungsfrequenz ermitteln.