silke reh - monami.hs-mittweida.de · bibliographische beschreibung: ! silke reh: widerstände...

47
Silke Reh Widerstände gegen das Konzept der Offenen Arbeit am Beispiel einer Kindertagesstätte BACHELORARBEIT HOCHSCHULE MITTWEIDA UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES Fakultät Soziale Arbeit Roßwein, 2014

Upload: dinhnhi

Post on 19-Jul-2018

232 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

!!Silke Reh

!!

Widerstände gegen das Konzept der Offenen Arbeit am Beispiel einer Kindertagesstätte

!!!!

BACHELORARBEIT !!!!

HOCHSCHULE MITTWEIDA

UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES !

!Fakultät Soziale Arbeit

Roßwein, 2014

!!!!!!!!

Silke Reh !

!Widerstände gegen das Konzept der Offenen Arbeit

am Beispiel einer Kindertagesstätte !

!eingereicht als

!!BACHELORARBEIT

an der !!

HOCHSCHULE MITTWEIDA

UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES !

!Fakultät Soziale Arbeit

Roßwein, 2014 !!!!

Erstprüfer: Frau Prof. Dr. phil. B. Wolf Zweitprüfer: Herr Prof. Dr. phil. S. Beetz

Bibliographische Beschreibung:

!Silke Reh:

Widerstände gegen das Konzept der Offenen Arbeit am Beispiel einer

Kindertagesstätte. 43 Seiten

Roßwein, Hochschule Mittweida/Roßwein, Fakultät Soziale Arbeit.

Bachelorarbeit, 2014

!!Kurzreferat:

!Die vorliegende Ausarbeitung befasst sich mit der Erforschung der Ablehnung

des Offenen Konzepts in Kindertageseinrichtungen. Anhand theoretischer

Erarbeitungen soll verdeutlicht werden, warum Veränderungen in den

Konzeptionen der heutigen Kindertagesstätten erforderlich werden.

In der Praxis wird dieses Konzept jedoch oftmals vom pädagogischen Personal

abgewiesen. Mit Hilfe von zwei geführten Interviews mit Erzieherinnen einer

Kindertagesstätte soll erforscht werden, welche Gründe sich hinter einer

Ablehnung verbergen und welche Folgerungen sich daraus für die

pädagogische Arbeit in Kindertagesstätten ergeben. !!

Inhaltsverzeichnis !Einleitung! 2!

1. Die Notwendigkeit der Veränderung 3 1.1 Wandel der Kindheit 4

1.1.1 Veränderte Bedingungen des Aufwachsens in der Familie 4

1.1.2 Veränderte Bedingungen des Aufwachsens in der Schule 5

1.1.3 Veränderte Bedingungen des Aufwachsens in der Freizeit 6

1.2 Ein „neues Bild vom Kind“ 8

1.3 Ein „neues Bild vom Menschen“ 9

2. Fazit für das pädagogische Handeln 10 3. Offene Arbeit 11

3.1 Definition 11

3.2 Sichtbare Seiten der Offenen Arbeit 12

3.3 Unsichtbare Seiten der Offenen Arbeit 13

3.4 Qualifizierungsmerkmal der Offenen Arbeit 13

4. Methodisches Vorgehen der Untersuchung 16 4.1 Informationen zu den Interviewpartnerinnen 16

4.2 Die Interviewsituation 17

4.3 Aufbereitung der Interviews 17

5. Auswertung der Interviews 18 5.1 Bisherige Befassung mit dem Thema der Offenen Arbeit 19

5.2 Reduzierung des Konzepts auf die sichtbare Seite 22

5.3 Ungewissheit der Umsetzungsmöglichkeiten des Offenen Konzeptes 24

5.4 Sorgen der Mehrarbeit sowie der Kontrolle durch KollegInnen 27

5.5. Vorurteile bezüglich des Chaos und der Unverbindlichkeiten 29

5.6 Die pädagogischen Grundhaltungen zu Berufsausbildungszeiten 31

5.7 Sonstige Erkenntnisse 34

6. Zusammenfassung der Untersuchung 35 7. Resümee der Untersuchungsergebnisse 37 8. Folgerungen für die pädagogische Arbeit in Kindertagesstätten 39 9. Literaturverzeichnis 41 10. Anlagen 44

Einleitung !Wer erinnert sich nicht gern an seine Kindergartenzeit zurück? Die Lieblingserzieherin, auf die man sich immer gefreut hat, das Geheimversteck im Garten, das nur der beste Freund oder die beste Freundin kannte, das Lieblingsspielzeug, worum sich alle Kinder stritten oder auch der typische, vertraute Geruch des Kindergartens. Es gab aber auch Momente, die weniger Freude bereiteten. Diese waren vor allem durch Zwänge und Machtausübungen der ErzieherInnen gekennzeichnet. Der Teller musste grundsätzlich leergegessen werden, unabhängig davon, ob man zum Beispiel Spinat mochte oder nicht. Der Mittagsschlaf war eine tägliche Pflicht, der man nachkommen musste und verhielt man sich nicht regelkonform, wie von den ErzieherInnen gewünscht, musste man in der Ecke oder vor der Tür stehen. !Ich bin seit kurzem selbst als Gruppenleiterin einer altersgemischten Gruppe in einer Kindertagesstätte (in der Folge Kita genannt) tätig. Die zuvor beschriebenen eigenen Erfahrungen in Bezug auf Zwänge und Machtausübungen sind leider so auch heute teilweise noch vorzufinden. Kinder werden beispielsweise gezwungen ihr Essen aufzuessen, auch wenn sie bereits satt sind. Sie müssen knapp zwei Stunden still auf ihren Betten liegen obwohl sie nicht schlafen können. Sie dürfen nur in ihren gruppenzugehörigen Zimmern spielen und Freunde bzw. Freundinnen können sie lediglich bei Gruppenzusammenlegungen am Morgen oder am Nachmittag treffen. Mit der Ausübung einer pädagogischen Arbeit, wie zuvor beschrieben, bin ich sehr unzufrieden. Das Gefühl, die Kinder einzusperren, ihnen Zwänge aufzuerlegen und sie in ihrem Spielverhalten zu hindern, ist für mich persönlich und fachlich so nicht mehr vertretbar. !Ebenso wie ich empfanden Erzieher und Erzieherinnen diese Situationen schon vor einigen Jahren in den Kindertagesstätten. Aus ihrer Einstellungsveränderung zur pädagogischen Arbeit mit Kindern entstand das Konzept der Offenen Arbeit. Eine zunehmende Zahl von Kitas entscheidet sich für dieses Konzept. Die veränderten Lebensbedingungen von Kindern und deren Bedürfnisse stehen für sie im Vordergrund. Das pädagogische Personal überdenkt zunehmend die eigene Rolle im kindlichen Bildungsprozess und justiert sie neu. !Ein Anliegen der Offenen Arbeit ist es, den Kindern ein Maximum an Selbstbestimmung zu gewährleisten und (institutionelle) Zwänge aufzuheben. Dieser Öffnungsprozess gelingt jedoch nur, wenn die innere Haltung der ErzieherInnen entsprechend offen ist. !!

!2

Das bedeutet, sie müssen unter anderem aufgeschlossen sein für: !• differierende Entwicklungswege von Kindern und Erwachsenen

• fortschreitende Ideen und individuelle Lösungen

• unterschiedliche Perspektiven und Konzepte

• Veränderungen usw. (vgl. Lill 2006, S. 3 f.). !Die Offene Arbeit stellt kein kommodes Konzept dar. Aufgrund der alltäglichen Veränderungen in Bewegung, Reflexion und Auseinandersetzung gestaltet es sich schwierig MitarbeiterInnen, hierfür zu begeistern (vgl. ebd.). Die Vorurteile, das Konzept würde für Chaos, Unverbindlichkeiten und offene Türen stehen, sind laut Gerlinde Lill (2012) massiv (vgl. Lill 2012, S. 5). Doch sind tatsächlich die zuvor benannten Vorurteile die Gründe dafür, dass das Konzept der Offenen Arbeit von einer großen Anzahl pädagogischer Fachkräfte abgelehnt wird? !Zunächst werde ich im ersten Teil meiner Erarbeitung auf die Notwendigkeit der Veränderung in Kindertagesstätten eingehen. Der Wandel der Kindheit sowie das „neue Bild vom Kind“ und das „neue Bild vom Menschen“ verdeutlichen die Dringlichkeit einer Einstellungsveränderung der pädagogischen Fachkräfte. An-schließend soll eine kurze Illustrierung die theoretische Charakteristik des Konzepts der Offenen Arbeit wiedergeben. Der zweite Teil der Ausarbeitung stellt die empirische Untersuchung dar. Zunächst werde ich meine methodische Vorgehensweise genauer definieren und erläutern. Im Anschluss daran werde ich anhand von zwei geführten Interviews mit Kolleginnen aus der Einrichtung erörtern, welche Gründe wirklich hinter einer Ablehnung des Offenen Konzeptes stehen. !1. Die Notwendigkeit der Veränderung

!Im Vergleich zur früheren Kindheit genießen die Kinder von heute eine freizügigere Erziehung mit umfassenden Mitspracherechten und individueller Selbstentfaltung (vgl. Hurrelmann & Bründel 2003, S. 7). Zudem ist der überwiegende Teil der Kinder materiell gut abgesichert, so dass Sorgen in Bezug auf Verpflegung, Kleidung und Wohnraum kaum vorhanden sind (vgl. Mansel 1996, S. 7). Jedoch wächst auch eine immer größer werdende Gruppe von ihnen mit psychischen Unsicherheiten auf. !Aufgrund der Individualisierung und der progressiven Differenzierung befinden sich Heranwachsende in einem spezifischen Spannungsfeld.

!3

Sie müssen rasante Veränderungen ihrer Lebenswelt bewältigen sowie über umfassende Handlungskompetenzen und ausreichende Anpassungskapazitäten verfügen. Die veränderten Rahmenbedingungen der Sozialisation von Heran-wachsenden beeinflussen den Prozess der persönlichen Entfaltung. Selbstredend erlangen Kinder von heute auch neue Kompetenzen und Fertigkeiten. Wenn diese jedoch unzureichend sind und die notwendigen Anpassungskapazitäten überfordern, können Fehlanpassungsleistungen steigen und somit die gesunde Entwicklung der Heranwachsenden belasten. !Die Zunahme der Kriminalität, der Aggressivität, des Alkohol- und Drogenkonsums, des Unfallverhaltens, der Delinquenz sowie der wachsende Anteil von psychischen Auffälligkeiten, chronischen Krankheiten und psychosomatischen Beschwerden weisen auf einen steigenden spezifischen bio-psycho-sozialen Spannungszustand der Heranwachsenden hin (vgl. Mansel 1996, S. 10 ff./Brinkhoff 1996, S. 25 ff.). !Als Grundlage für professionelles Agieren von ErzieherInnen sind folglich Kenntnisse über die aktuellen Lebensbedingungen der Kinder erforderlich (vgl. Sächsisches Staatsministerium für Kultus 2011, S. 12). Diese zu berücksichtigen und differenziert darauf einzugehen machen das Handeln im 21. Jahrhundert aus. Somit ist zunächst erforderlich, sich den Wandel der Kindheit genauer zu betrachten. Was hat sich verändert und welche Folgerungen entwickeln sich aus diesem Wissen? !1.1 Wandel der Kindheit !Der gesellschaftliche Wandel tangiert die Entfaltung der Kinder und deren Wahrnehmungs-, Aneignungs- und Verarbeitungsbedingungen. Durch die Innovation der Industrialisierung, Kommerzialisierung, Verstädterung und Verinselung des Lebens im Alltag, verlangt dies eine starke Neuorientierung und Anpassungsleistung der Heranwachsenden ab. Um die Divergenz der Kinder von heute im Vergleich zu früher begreifen zu können, werden folgend die Hintergründe der aktuellen Sozialisations-bedingungen kurz dargelegt. !1.1.1 Veränderte Bedingungen des Aufwachsens in der Familie !Die Scheidungsrate hat im 20. Jahrhundert enorm zugenommen und somit auch ein Aufwachsen der Kinder von heute in „Ein-Eltern-Familien“ (und auch in „Ein-Kind-Familien“). Auf die Entwicklung eines Kindes muss diese Tatsache jedoch noch keine ungünstigen Auswirkungen haben.

!4

Vielmehr sind die korrelierenden Erfahrungen einer Ehescheidung bzw. Trennung, wie beispielsweise die zu bewältigenden Spannungen zwischen den Eltern und die Trennung von einem bisher unterstützungsleistenden Elternteil, problematisch für eine wohlbehaltene Entwicklung der Kinder. Für die Kinder bedeutet eine Scheidung/Trennung der Eltern eine einschneidende Neuordnung ihres bisherigen Familien-gefüges. Oftmals gehen mit einer Scheidung auch Wohnungs- und/oder Wohnortwechsel einher, welche zudem einen Verlust für die Kinder bezüglich ihrer gewohnten Umgebung sowie ihrer Freunde zur Folge haben (vgl. Mansel 1996, S. 12 ff./Brinkhoff 1996, S. 25 ff.). Hinzu kommt der hektische und verplante Alltag (nicht nur) Alleinerziehender, in dem kaum Zeit verbleibt, sich den Bedürfnissen der Kinder ausreichend zuzuwenden. Viele Kinder müssen sich an die Berufstätigkeit ihrer Eltern anpassen, was aber nicht ihren eigenen Interessen entspricht (vgl. Ziegler 1996, S. 60 f.). !Eine wachsende Anzahl von Kindern erlebt außerdem erhebliche Orientierungs- und Existenzsorgen aufgrund des niedrigen Einkommens der Elternteile oder möglicher Arbeitslosigkeit und bei Angewiesenheit auf Sozialhilfe (vgl. Mansel 1996, S. 12 ff./Brinkhoff 1996, S. 25 ff.). !Doch nicht nur das Familienleben der Kinder von heute hat sich verändert. Auch die Ansprüche in der Schule sind deutlich gewachsen. !1.1.2 Veränderte Bedingungen des Aufwachsens in der Schule !Vor Jahrzehnten suchten die Kinder die Schule trotz enormer staatlicher und gesellschaftlicher Eingriffe sowie harter Strafen und körperlicher Züchtigung lieber auf, als dies heutzutage der Fall ist. Die Gründe dafür sind gut nachvollziehbar. Noch in keiner Epoche zuvor war die Bildung in der Schule so relevant wie heute. Das Erlernen von Detail- und spezifischem Fachwissen sowie das Aneignen von operativem und logischem Denken, stellen die Priorität der Institution Schule dar (vgl. Mansel 1996, S. 13 ff./Brinkhoff 1996, S. 25 ff./Ziegler 1996, S. ff. ). „Kinder leben heute in einer Gesellschaft, die individuelle Anstrengungen erfordert und jeden Menschen auf Leistung programmiert“ (Hurrelmann & Bründel 2003, S. 130). Jedoch steht dieses in Diskrepanz mit der Selbstverwirklichung sowie der Festigung von subjektiven Fähigkeiten und Fertigkeiten der Heranwachsenden. Der Schulalltag ist mittlerweile geprägt von Testaten zur Abfrage dieses Wissens. Dadurch steigt der Leistungsdruck für die Kinder enorm. Bereits im Alter von acht bis zehn Jahren sind sich Kinder der Bedeutung guter Noten und Zeugnisse bewusst und Fehltritte werden als Bedrohung der Zukunftschancen empfunden.

!5

Die Folgen sind Unsicherheiten und Ängste, die erforderlichen Kenntnisse nicht abrufen zu können (vgl. Mansel 1996, S. 13 ff./Brinkhoff 1996, S. 25 ff./Ziegler 1996, S. 40 ff.). Bei schulischen Leistungsschwierigkeiten ergeben sich schnell soziale und psychische Spannungen, was auch Aussagen von Schülern und Schülerinnen im Grundschulalter bestätigen (vgl. Hurrelmann & Bründel 2003, S. 132). Doch dieser Leistungsdruck geht nicht nur von der Schule und dem eigenen Selbst aus, sondern auch von der Familie. Eltern üben einen gewaltigen Druck (bewusst und unbewusst) aus, um die schulischen Leistungen ihrer Kinder zu optimieren. Das bedeutet, dass die Eltern oftmals außerhalb des Unterrichts den Kindern zusätzlich ein erhebliches Lernpensum aufgeben, unabhängig davon, ob ihr Kind durchschnittlich gute oder schlechte Noten erhält. Dieser erzeugte Stress belastet die Kinder oftmals über ihre gesamte Schulzeit hinweg. Zudem steht es in Widerspruch zu ihren eigenen Bedürfnissen nach Spiel und Bewegung, welche in diesem Fall deutlich vernachlässigt werden (vgl. Mansel 1996, S. 13 ff./Brinkhoff 1996, S. 25 ff./Ziegler 1996, S. 40 ff.). !Nebenbei bemerkt sind die hohen Erwartungen, welche Eltern an ihre Kinder stellen, zum Teil auch Folge des veränderten Familiengefüges (Ein-Eltern-Familien und Ein-Kind-Familien) und der damit verbundenen erhöhten Aufmerksamkeit der Eltern-Kind-Beziehung. Doch die Erwartungshaltungen der Eltern oder gegebenenfalls auch das Sanktionsverhalten bei unerwünschten Noten wirken sich immens auf die subjektiv empfundene Belastung von Kindern aus, was zu erheblichen Beeinträchtigungen des seelischen, körperlichen und sozialen Wohlbefindens von SchülerInnen führen kann (vgl. Hurrelmann & Bründel 2003, S. 131 f.). !Ein weiterer, aus meiner Sicht, sehr bedenklicher Wandel in der Kindheit aufgrund des Leistungsdrucks in der Schule ist die Tatsache, dass die Kinder inzwischen die Erfahrung machen, dass sie als Persönlichkeit weitgehend aufgrund ihrer erbrachten Leistungen und nicht aufgrund ihrer selbst Wert geschätzt werden (vgl. Mansel 1996, S. 13 ff./Brinkhoff 1996, S. 25 ff.). !1.1.3 Veränderte Bedingungen des Aufwachsens in der Freizeit !Die Freizeit der Kinder von heute ist zunehmend durch vorkonstruierte und verplante Aktivitäten gekennzeichnet. Das bedeutet beispielsweise, dass spezielle Angebote in einer Vielzahl angeboten werden (z.B. Ballettunterricht, Fußball, Yoga für Kinder usw.), welche jedoch überwiegend zeitgebunden und oftmals nicht in der Nähe der Wohnorte der Kinder angesiedelt sind. Somit sind die Kinder abhängig von der Beförderung durch die Eltern, da sie diese Orte nicht autark erreichen können (Stichwort Verinselung).

!6

Zudem werden inzwischen Treffen mit Freunden und Freundinnen (vor allem bei jüngeren Kindern) unter den Eltern geplant und abgesprochen. Auch hierfür sind die Kinder von heute abhängig von ihren Eltern, welche sie zu den vereinbarten Terminen mit den Freunden bringen. Hierbei ist jedoch, wie bereits unter Punkt 1.1.1 - Veränderte Bedingungen in der Familie - geschildert, zu beachten, dass viele Eltern aufgrund ihrer beruflichen Einbindung wenig Zeit für die Bedürfnisse ihrer Kinder haben. Das bedeutet, dass die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung der Kinder aufgrund der wenigen Zeit ihrer Eltern eingeschränkt werden (vgl. Mansel 1996, S. 15 ff./Brinkhoff 1996, S. 25 ff./Ziegler 1996, S. 40 ff.). !Gleichzeitig verbietet oftmals die zunehmende Verstädterung und das hohe Verkehrs-aufkommen den Kindern das selbstbestimmte und eigenverantwortliche Erschließen ihrer Wohnumgebung. Das heißt, natürliche Spiel- und Bewegungsräume der Kinder werden durch den Ausbau von modernen Städten ersetzt. Spielräume und -plätze werden öffentlich konstruiert, sind jedoch nur schwierig und über gefahrvolle Verkehrswege zu erreichen. Dies hat unter anderem zur Folge, dass ein freies, unkontrolliertes Spielen der Kinder kaum möglich ist (vgl. ebd.). Zudem entfällt somit die Möglichkeit, dass sich Kinder produktiv mit der inneren und äußern Wirklichkeit auseinandersetzen und diese gestalten sowie verändern können, da sie ihre Umwelt nicht mehr als eine zusammenhängende und beeinflussbare Größe erfahren (vgl. Hurrelmann & Bründel 2003, S. 145). !Aufgrund des Mangels an Räumen ziehen sich die Kinder somit oftmals in den häuslichen Lebensraum (Stichwort Verhäuslichung) zurück. Jedoch wird lautes Spielen in den privaten Räumlichkeiten aufgrund zu kleiner und dicht anliegender Nachbarwohnungen wenig geduldet. Vor allem für gering verdienende Eltern ist es aufgrund überhöhter Mietkosten nicht möglich, den notwendigen Freiraum für ihre Kinder zu schaffen. !Der steigende und vielfach kritisierte Medienkonsum der Kinder von heute kann möglicherweise auch eine zwangsläufige Resonanz auf die eben beschriebenen Umstände sein (vgl. Mansel 1996, S. 15 ff./Brinkhoff 1996, S. 25 ff./Ziegler 1996, S. 40 ff.). !Die zuvor geschilderten Ausführungen demonstrieren, dass in der Freizeitgestaltung der Kinder die Spontanität verloren geht, da Unternehmungen und Verabredungen mit Freunden und Freundinnen genau geplant und organisiert werden müssen.

!7

Diese Lebenssituation kann zu Unzufriedenheit bei den Kindern führen, da sie Unternehmungen nur dann durchführen können, wenn es ihr Zeitplan und der ihrer Eltern zulässt und nicht wie sie Lust dazu haben (vgl. Ziegler 1996, S. 76). !Doch nicht nur die veränderten Bedingungen des Aufwachsens der Kinder von heute zeigen eine Notwendigkeit der Veränderung der pädagogischen Arbeit in der Kinderbetreuung auf. Ebenfalls sollten die folgenden Aspekte des „neuen Bildes vom Kind“ und vom Menschen berücksichtigt werden. !1.2 Ein „neues Bild vom Kind“ !Die Bildungspläne der einzelnen Bundesländer thematisieren bereits das bestehende „Kinderbild“ der Offenen Arbeit. Im Sächsischen Bildungsplan von 2011 wird beschrieben, dass aufgrund der unterschiedlichen Lebensbedingungen des Aufwachsens und dem damit verbundenen Wandel der Kindheit den Kindern eine enorme Neuorientierung sowie Anpassungsleistung abverlangt wird, um in der Welt bestehen zu können. Hierbei ist es jedoch erforderlich, dass sich die Kinder nicht nur an gesellschaftliche Gegebenheiten anpassen, sondern ihnen Möglichkeiten geboten werden, diese selbst zu gestalten und zu reformieren (vgl. Sächsisches Staats-ministerium für Kultus 2011, S. 15). Doch trotz des neuen Bildungsverständnisses hat sich der organisatorische Alltag in zahlreichen Kindertagesstätten bisher wenig geändert. Nach wie vor ist der Kindergartenalltag gekennzeichnet von beständigen Abläufen und Strukturen wie beispielsweise Vorgabe der festen Essenszeiten, der Mittagsruhe, der Spielzeiten im Außenbereich und somit auch des Treffens mit Spielgefährten und Spielgefährtinnen aus anderen Gruppen (vgl. Mienert & Verholz, S. 5). Infolgedessen wird den Kindern die Möglichkeit zur Selbstgestaltung verwehrt. !Allerdings wurde bereits mit der UN-Kinderrechtskonvention vom 20. November 1989 unter anderem erklärt, dass auch Kinder ein Recht darauf haben frei zusammen zu kommen und ihre Ansichten auszutauschen. In den Artikeln 12 bis 15 wurde folgendes ausgesprochen: !• Artikel 12: Die Berücksichtigung des Kinderwillens

• Artikel 13: Meinungs- und Informationsfreiheit

• Artikel 14: Die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit

• Artikel 15: Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit (vgl. National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland, S. 15). !

!8

Doch nicht nur in den Regelungen auf UN-Ebene, sondern auch im Sozialgesetzbuch und insbesondere im KJHG (Kinder-und-Jugendhilfe-Gesetz) sind die Rechte der Kinder verankert. Folglich kann also jedes Kind mit seinen Rechten und Bedürfnissen selbst bei seiner eigenen Entwicklung mitwirken. Jedes Kind sollte daher die Möglichkeit erhalten, mit allem was Gesellschaft ausmacht in Berührung zu kommen, um sich die Welt anzueignen sowie sich mit ihr auseinanderzusetzen (vgl. Sächsisches Staatsministerium für Kultus 2011, S. 16). !Das neue Bildungsverständnis - „Kinder bilden sich selbst und Erwachsene können sie dabei begleiten“ (vgl. Mienert & Verholz, S. 5) - erfordert jedoch einen Wandel der grundlegenden Annahme, wie der Mensch sich sozialisiert. Aus diesem Grund wird nachfolgend näher auf diese Thematik eingegangen. !1.3 Ein „neues Bild vom Menschen“ !Das „Bild vom Menschen“ wird unter Erziehungswissenschaftlern und Psychologen unter der Bezeichnung „Paradigmawechsel“ lebhaft diskutiert. Für das zukünftige pädagogische Handeln ist es erforderlich zu erkunden, ob der Mensch seinem Naturell entsprechend als frei oder als generell fixiert anzusehen ist. Das Paradigma des „generell fixierten Menschen“ sieht diesen als Verhaltenswesen an, welches auf objektiv gegebene Reize der Umwelt reagiert. Das heißt, das Verhalten des Menschen wird durch seine Erbanlagen, seine Biografie sowie durch die gesellschaftlichen Bedingungen beträchtlich beeinflusst - er ist das Produkt seiner Lebensbedingungen. Für die Arbeit in Kindertagesstätten würde dies folglich bedeuten, die Lebensumstände des sozialen Milieus aufzugreifen und zu nivellieren. Das Ziel wäre hierbei, eine konsequente Veränderung des Verhaltens des Kindes herbeiführen zu wollen (vgl. Regel & Wieland 1993, S. 16 ff.). !Die neueren Theorien des „freien Menschenbildes“ beruhen auf der Annahme, dass der Mensch sich über seine Umwelt sowie über seine eigene Person nonkonformistische Theorien bildet und sein Handeln daran anpasst. Er ist ein autonomes Wesen, welches rational, reflexiv und kommunikativ handelt und somit in einer kognitiven Welt aufwächst. Diese Theorie erfordert ein radikales Revidieren der bisherigen Denkweise, denn nicht die Erbanlagen, die eigene Biografie oder die gesellschaftlichen Bedingungen bestimmen das Leben des Menschen, sondern er ist selbst Akteur seiner eigenen Entwicklung. !In Kindertagesstätten hat diese Ansicht des „freien Menschenbildes“ zur Folge, an die Bedeutung und die Beschaffenheit des Herkunftsmilieus anzuknüpfen.

!9

Ziel soll es sein, den Kindern Möglichkeiten zu bieten, ihr „unangebrachtes Verhalten“ zu reflektieren und dadurch klüger, sozialer und sinnvoller zu agieren (vgl. ebd.). Unter Berücksichtigung aller zuvor benannten Reformierungsgründe ergeben sich für die pädagogische Arbeit folgende Schlussfolgerungen, auf welche ich im Punkt 2. - Fazit für das pädagogische Handeln - näher eingehen möchte. !2. Fazit für das pädagogische Handeln !Durch die Theorie des freien Menschenbildes, den veränderten Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und der Entfaltungskraft des frühkindlichen Bildungs-prozesses, kommt der Arbeit der pädagogischen Fachkräfte eine erhebliche Bedeutung zu. Es geht nicht mehr nur darum, Kinder zu fördern, sondern ihnen Möglichkeiten zu bieten, sich aktiv an ihrer Identitätsentwicklung zu beteiligen und sich mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Gerade in Anbetracht der veränderten Lebensverhältnisse von Kindern, die zunehmend wenig Kontakt in ihrer Freizeit zu Spielgefährten und -gefährtinnen haben, wird dem Spielkontakt in Kindertageseinrichtungen eine hohe Relevanz zugeschrieben (vgl. Hurrelmann & Bründel 2003, S. 115 f.). !Die Herausforderung ist groß, denn nicht nur die Neuorientierung der pädagogischen Leitbilder, sondern auch die Vielzahl an verschiedenen Rollenbildern von Erziehern und Erzieherinnen, erfordern eine Neuordnung der Perspektive auf die Kinder sowie eine flexiblere Ausrichtung des Tagesablaufes und der Strukturen in Kindertagesstätten (vgl. Mienert & Vorholz 2007, S. 9 f.). Diese „neuen“ Anforderungen setzen bei den ErzieherInnen Qualifikationsprozesse voraus, welche sich mit den unterschiedlichen Lebensgestaltungen und Berufs-ausübungen von Eltern, den damit verbundenen veränderten Lebenssituationen von Kindern sowie auch dem eigenen Berufsverständnis von Erzieherinnen befassen (vgl. Hurrelmann & Bründel 2003, S. 121). !In der Folge heißt das: !• ErzieherInnen sollen unterstützend und anregend in die Selbstbildungsprozesse von

Kindern einwirken. Dies jedoch in differierendem Maße dirigierend. Das heißt, sie sollen sich mehr zurück nehmen, allerdings präsent und ansprechbar sein als interessierte BegleiterInnen (vgl. Mienert & Vorholz 2007, S. 1 ff.). !

• Sie müssen ihre Rolle im kindlichen Bildungsprozess neu überdenken, stets reflektieren und definieren.

!10

Sie sollen sich der Vielzahl an Rollenbildern bewusst werden und in der Lage sein, im pädagogischen Alltag situationsbezogen zu erkennen zu können, in welche Rolle sie sich begeben müssen (vgl. ebd.). !• Es ist für das pädagogische Personal erforderlich, die Komplexität der Lebens-

bedingungen von Kindern sowie deren Auswirkungspotential zu berücksichtigen und differenziert darauf einzugehen (vgl. Ziegler 1996, S. 80 f.). !

Die Notwendigkeit für Veränderungen ist folglich unstrittig. Es erfordert großen Mut, neue Wege zu gehen und das Gewohnte in Frage zu stellen. Jedoch bietet dies auch eine Vielzahl an Möglichkeiten und Chancen. Kinder können sich freier entfalten ohne Druck und Zwang. Gleichzeitig eröffnet diese Neuorientierung den ErzieherInnen Methoden einer flexibleren Arbeitsweise. !Diese (neue) Grundeinstellung spiegelt sich im Konzept der Offenen Arbeit wieder. Es unterstützt das Streben der Kinder nach Autonomie und Eigenverantwortung. Es räumt den Kindern Möglichkeiten ein, ihren Alltag selbst zu gestalten, sich aktiv zu beteiligen und Teil der gesamten Einrichtung zu sein. Im Zentrum steht die Ausrichtung am Kind sowie seinen ganz eigenen, individuellen Bedürfnissen. !3. Offene Arbeit !Da der Schwerpunkt dieser Ausarbeitung auf dem Untersuchungsteil liegt, wird die folgende Erörterung zum Thema der Offenen Arbeit lediglich kompakt zusammen-gefasst. !Bei den nachstehenden Ausführungen beziehe ich mich hauptsächlich auf die Literatur von Gerlinde Lill. Sie ist freiberufliche Bildungsreferentin und Autorin und gründete zusammen mit Christa Möllers das Netzwerk Offene Arbeit Berlin (NOA). Schon seit vielen Jahren engagiert sie sich dafür, Kindern Raum für ihr Streben nach Eigenständigkeit in Kitas und Schulen zu schaffen. Sie begleitet und unterstützt Einrichtungen und ErzieherInnen, die den Weg in die Offene Arbeit wagen möchten (vgl. Lill 2012, S. 91). !3.1 Definition !Aufgrund der Komplexität und der großen Vielgestaltigkeit der Arbeitsmethoden ist eine eindeutige Definition des Konzeptes der Offenen Arbeit nicht möglich.

!11

Gerlinde Lill (2012) beschreibt die Offene Arbeit als ein Konzept, welches eine Veränderung des bisherigen Zusammenlebens in der Kita (und auch in der Schule) impliziert. Ziel soll es sein, das Wohlbefinden der Kinder durch Begrenzung und Aufhebung von Abhängigkeiten sowie durch Stärkung der Eigenständigkeit als Kernpunkt allen (sozialpädagogischen) Handelns zu sehen. !Das bedeutet auch: !• niemanden auszugrenzen (z.B. aufgrund des Geschlechts oder einer Behinderung),

• die Verschiedenheit von Bedürfnissen und Lebensbedingungen zu erfassen sowie differenziert darauf zu reagieren und

• Machtverhältnisse abzubauen (vgl. Lill 2012, S. 5 ff.). !Zusammenfassend kann man sagen, signifikant soll das Konzept Abhängigkeiten begrenzen und die Eigenständigkeit der Kinder stärken, indem das (pädagogische) Handeln der ErzieherInnen gänzlich nach dem Wohlbefinden der Kinder ausgerichtet wird. Das heißt, für das pädagogische Personal ist es erforderlich, sich in konsequenter Aufmerksamkeit zu üben, um Veränderungsbedarf wahrzunehmen, bisher unzugängliche Möglichkeiten zu erproben und den Kindern sowie sich selbst neue Erfahrungen zu gewähren. Offene Arbeit bedeutet, gewohnte Arbeitsweisen und deren Wirkung zu überdenken (reflektieren) und offen zu sein für Alternativen, neue Perspektiven und nicht nur das bisher Herkömmliche für möglich zu halten (vgl. ebd.). !Wie in allen (pädagogischen) Konzeptionen gibt es zwei Seiten. Die sichtbare Seite, auf welche Konzepte überwiegend reduziert werden und die unsichtbare Seite, welche den pädagogischen Grundgedanken darstellt. Hierauf wird folgend eingegangen. !3.2 Sichtbare Seiten der Offenen Arbeit !Hauptsächlich wird das Konzept der Offenen Arbeit, wie bereits zuvor erwähnt, auf den sichtbaren Aspekt reduziert. Das bedeutet zum Einen die Herabsetzung des Konzeptes auf die räumliche Ausgestaltung, wie beispielsweise das Kreieren von „Funktionsräumen“ oder eines Speisesaals und zum Anderen die Reduzierung auf organisatorische Bedingungen, wie beispielsweise die Flexibilisierung von Strukturen und Lockerung von Grenzen (vgl. Lill 2012, S. 8 ff.). Aufgrund dieser äußeren, wiederkehrenden Strukturelemente prägt sich dies vermeintlich als fundamental ein. Doch Offene Arbeit integriert mehr als nur äußere Erscheinungsmerkmale, wie die unsichtbare Seite der Offenen Arbeit verdeutlicht.

!12

3.3 Unsichtbare Seiten der Offenen Arbeit !Die unsichtbaren Perspektiven der Offenen Arbeit sind der Schwerpunkt des Konzepts. Diese beinhalten unter anderem die Reflexion von bisherigen Denk- und Handlungsmustern, die Reformierung des pädagogischen Bildungs- und Rollen-verständnisses, den Impulsen der Kinder zu folgen, die Selbstbestimmungsrechte der Kinder zu sichern, den Lebensort „Kindertagesstätte“ im Kollektiv zu gestalten und umzugestalten usw. (vgl. ebd.). Das bedeutet also, im Kernpunkt der Offenen Arbeit steht das Schaffen von Entscheidungsfreiräumen sowie das selbstbestimmte, aktive Mitgestalten der Kinder am Kita-Alltag. Das bedeutet aber leider auch, dass die veränderte Beziehung zwischen den ErzieherInnen und den Kindern häufig nicht wahrgenommen wird. Die Charakteristik des Konzepts der Offenen Arbeit besteht allerdings insbesondere darin, dass sich aus diesem Grundgedanken eine Vielfalt divergenter Gestaltungs-möglichkeiten ergibt. Denn Offene Arbeit differenziert. Somit können Räume, Tagesabläufe und pädagogische Angebote nicht allerorts identisch ausgeprägt sein (vgl. Lill 2010). !Die Fragen: „Wie sieht Offene Arbeit aus?“, „An welchen Merkmalen ist sie zu erkennen?“ sind, wie zuvor erwähnt, schwer zu beantworten. Folgend soll meinerseits das Wesentliche hierzu zusammengetragen werden. !3.4 Qualifizierungsmerkmal der Offenen Arbeit !Den Mittelpunkt und somit das Qualifizierungsmerkmal der Offenen Arbeit stellt die gemeinsame Planung und Verantwortung dar. Den Kindern sollen mehr Rechte zugestanden werden. Sie sollen ihren Tagesablauf selbst mitgestalten und planen dürfen. Sie werden befragt und können ihre Ansichten äußern sowie eigene Ideen und Vorstellungen einbringen. Beispielsweise sind folgende Beteiligungsmöglichkeiten denkbar: !• Die Kinder bestimmen mit über die Raum- und Farbgestaltung.

• Sie können Wünsche äußern, welche gesammelt und beachtet werden, in Bezug auf Unternehmungen außerhalb der Kindertagesstätte.

• Projektplanungen werden verwirklicht, die aus dem Einfallsreichtum der Kinder resultieren.

• Essenswünsche und Kochrezepte der Kinder werden integriert. !

!13

Dies bedeutet folglich, dass Erzieher und Erzieherinnen künftig nicht mehr alles vorgeben und bestimmen. Sie sollen von ihrer eigenen Macht abgeben und auf die Kompetenzen der Kinder vertrauen. Dies ist laut Gerlinde Lill die schwierigste Anforderung für das pädagogische Personal auf dem Weg in das Offene Konzept. Jedoch bedeutet dies auch nicht, alles zu gestatten. Die Erzieher und Erzieherinnen geben den Rahmen vor, in welchem sich die Kinder bewegen. Sie bieten Orientierung und stecken Grenzen ab. Dabei ist entscheidend, wovon das pädagogische Personal seine Rahmenvorgaben ableitet, wie diese begründet werden, ob die Vorgaben tatsächlich einen Nutzen erfüllen und wie sie von den Kindern wahrgenommen werden (autoritativ und übermächtig oder unterstützend und angemessen) (vgl. Lill 2011). !Ein weiteres Recht, welches neben der zuvor beschriebenen Beteiligung der Kinder bei dem Konzept der Offenen Arbeit zu beachten ist, ist das Selbstbestimmungsrecht der Kinder. Selbstbestimmung bedeutet, jedes Kind hat das Recht von Beginn an in seiner Individualität sowie in seiner Entscheidungsfreiheit respektiert zu werden. Für das Konzept der Offenen Arbeit bedeutet dies beispielsweise: !• Die Kinder haben die Freiheit selbst zu entscheiden was sie essen.

• Kein Kind wird gezwungen Angebote der ErzieherInnen wahrnehmen zu müssen.

• Den Kindern wird die Wahlmöglichkeit zwischen dem Innen- und Außenbereich der Kindertagesstätte zugestanden.

• Weder werden Kinder zum Liegen/Schlafen gezwungen, noch am Schlafen gehindert. !

Ebenfalls ist ein wichtiger Gesichtspunkt der Offenen Arbeit, die Welt mit Kinderaugen zu sehen. Für die ErzieherInnen sollte es ein persönliches Anliegen sein, die Gefühle der Kinder nachvollziehen zu können und den Sinn ihres Handelns verstehen zu wollen, sie zu beobachten und zu zuhören, ohne den Blick auf Defizite der Kinder und die „passende“ Fördermaßnahme zu wenden (vgl. ebd.). !Auch trotz dieser vorangehenden Schilderung über Merkmale der Offenen Arbeit stellt es große Schwierigkeiten dar, zu beschreiben, wie ein Konzept umgesetzt werden kann. Es kommt seitens des pädagogischen Personals oft zu Vorurteilen und Ablehnungen. Bei der Offenen Arbeit bleibt nichts wie es ist, denn sie lebt von Bewegung (vgl. Lill 2006, S. 7). Doch sind tatsächlich die Vorurteile, das Konzept würde für Chaos und Unverbindlichkeiten sorgen, der Grund dafür, dass das Konzept der Offenen Arbeit von einer großen Anzahl pädagogischer Fachkräfte abgelehnt wird?

!14

Ich vermute, dass auch noch andere Faktoren eine Rolle spielen, wie beispielsweise die Sorgen und Ängste bezüglich einer erheblichen Mehrarbeit, der Ungewissheit, wie das Konzept der Offenen Arbeit in der eigenen Einrichtung umgesetzt werden sollte sowie der persönlichen Kontrolle durch MitarbeiterInnen und KollegInnen, welche somit die Möglichkeit haben, die pädagogische Arbeit jedes Einzelnen zu beobachten und zu bewerten. Ebenfalls denke ich, dass intensivere Auseinandersetzungen mit dieser Thematik bisher kaum stattgefunden haben und lediglich durch Erzählungen untereinander in Teams Informationen zur Konzeptionsumsetzung ausgetauscht werden. Zudem vermute ich, dass das Konzept hauptsächlich auf die sichtbaren Aspekte (Ausgestaltung der Räumlichkeiten, organisatorische Bedingungen usw.) reduziert wird. !Im Verlauf der Auswertung wird deutlich, dass ich vermehrt darauf achte, ob eine allumfassende und literarische Befassung mit dem Konzept der Offenen Arbeit stattgefunden hat. Ich bin der Ansicht, dass Einstellungsveränderungen des pädagogischen Personals Grundvoraussetzung sind, sich überhaupt mit der Thematik der Offen Arbeit zu befassen. Das bedeutet beispielsweise, dass ErzieherInnen bemerken, dass sie mit der aktuellen pädagogischen Arbeit unzufrieden sind oder feststellen, dass bestimmte Abläufe und Strukturen für sie fachlich nicht mehr vertretbar sind. Aus dieser Einstellungsveränderung ergibt sich meiner Ansicht nach die Suche nach Lösungsmöglichkeiten, was dazu führen kann, dass eine umfangreiche Auseinandersetzung zum Beispiel durch Literaturrecherche stattfindet und die Ablehnung des pädagogischen Personals dem Konzept gegenüber folglich abnimmt. !Diese Vermutungen sollen Bestandteil dieser Ausarbeitung sein. Mein Ziel ist es, zu eruieren, welche Widerstände gegen das Konzept der Offenen Arbeit bestehen und warum diese von den befragten Erzieherinnen der ausgewählten Kita gegebenenfalls eine Ablehnung erfahren. Im Mittelpunkt stehen dabei die subjektiven Ansichten der Interviewteilnehmerinnen. Bei der Auswertung der Interviews soll darüber Aufschluss gegeben werden, welche Vorurteile, Sorgen und Ängste hinter einer Ablehnung des Offenen Konzepts in der eigenen Einrichtung stehen und welche Folgerungen sich daraus für die pädagogische Arbeit in Kindertagesstätten ergeben. !!!!!

!15

4. Methodisches Vorgehen der Untersuchung !Als Untersuchungsmethode habe ich mich schlussendlich für die Durchführung von qualitativen Interviews entschieden, da sich anhand eines persönlichen Gesprächs subjektive Empfindungen, persönliche Einstellungen und Vorstellungen sowie Ansichten und Wahrnehmungen der TeilnehmerInnen besser herausarbeiten lassen, als beispielsweise durch einen Fragebogen. Zudem besteht die Möglichkeit der Nachfrage. !Bei der Gestaltung meiner Interviews habe ich mich für ein teilstrukturiertes Interview entschieden (Atteslander 1993, S. 156). Hierbei wurden Fragen meinerseits mittels eines Gesprächsleitfadens vorbereitet (vgl. Anlage I: Interview-Leitfaden), um relevante und thematisch konvergierende Aussagen zu erhalten sowie die Thematik der Interviews vorzugeben. Für die Gestaltung des Leitfadens wurde an die bereits theoretisch herausgearbeiteten Perspektiven angeknüpft. Dieser Interviewleitfaden sollte jedoch lediglich eine Orientierung bieten. Mir war wichtig, dass jederzeit die Möglichkeit gegeben war, die Reihenfolge der Fragen veränderbar zu gestalten. Somit bestand die Eventualität flexibel auf angesprochene Themen meiner Interviewpartnerinnen einzugehen (vgl. Atteslander 1993, S. 158). Weiterhin bemühte ich mich, die Antworten der Teilnehmerinnen nicht durch Suggestivfragen in eine bestimmte Richtung zu lenken, um verfälschte Äußerungen nicht entstehen zu lassen. !4.1 Informationen zu den Interviewpartnerinnen !Die Teilnehmerinnen E1 und E2 sind ebenso wie ich Erzieherinnen einer altersgemischten Gruppe von 3- bis 6jährigen Kindern. Die Teilnehmerin E1 wurde von der Kita-Leitung als „Gruppenleiterin“ eingesetzt, die Teilnehmerin E2 als „Ergänzungskraft“ dieser Gruppe. Die Teilnehmerinnen sind 49 und 58 Jahre alt und haben in der ehemaligen DDR eine Berufsausbildung als Kindergärtnerinnen absolviert (vgl. Anlage II: Z. 28 f./S. 5 & Anlage II: Z. 28 f./S. 5). Aufgrund ihrer vielen Arbeitsjahre im Beruf der Erzieherin habe ich mir die beiden Teilnehmerinnen für meine Interviews ausgewählt. Meine Vermutung war, dass es sich gerade für diese beiden Erzieherinnen schwierig gestalten könnte, das Konzept der Offenen Arbeit anzunehmen, denn laut Mienert und Vorholz prägt die eigene Bildungsgeschichte sowie die pädagogische Grundhaltung zu ihren Aus-bildungszeiten das gegenwärtige Verhalten und Erleben der ErzieherInnen bewusst und unbewusst weiter (vgl. Mienert & Vorholz, S. 7 ff.).

!16

Ob dies letztendlich derart zu bestätigen ist, zeigt sich unter Punkt 5.6 - Die pädagogischen Grundhaltungen zu Berufsausbildungszeiten. !4.2 Die Interviewsituation !Die Interviews fanden am 21.11.2013 und am 22.11.2013 jeweils nach Dienstende in der Einrichtung statt. Als Durchführungsort wurde von mir das Therapiezimmer ausgewählt, um den Teilnehmerinnen eine zwanglose und ungestörte sowie gewohnte und vertraute Umgebung zu bieten. Zudem wurde somit ausgeschlossen, dass durch die Anwesenheit von KollegInnen oder anderen Personen eine gewisse Gehemmtheit seitens der Teilnehmerinnen entstand. !Die Gespräche wurden nach Einholen der Erlaubnis beider Teilnehmerinnen mittels Diktiergerät aufgezeichnet. Zudem wurde meinerseits die Vertraulichkeit und Anonymität sowie das Löschen des Audiomitschnittes nach durchgeführter Transkription zugesichert. !Zu Beginn der Interviews erläuterte ich zunächst den Sinn und Zweck dieses Gesprächs sowie die Grundgedanken des Offenen Konzepts, um Verwirrungen der Teilnehmerinnen auszuschließen und nicht vom Thema meiner Untersuchung abzuweichen. Gleichzeitig machte ich deutlich, dass eine Besprechung bezüglich des Offenen Konzepts in der Kinderkrippe bei diesen Interviews nicht vorgesehen ist, denn einzig dieser Teilaspekt der Offenen Arbeit bietet Unmengen an Diskussionsstoff, so dass dies den Rahmen der vorliegenden Ausarbeitung überschritten hätte. Um es den Interviewteilnehmerinnen zu ermöglichen, sich in den Ablauf einzuge-wöhnen, begann ich anschließend zunächst mit Fragen zur beruflichen Laufbahn beider Teilnehmerinnen. In der Folge näherte ich mich dann schrittweise durch meine Fragestellungen an das Thema des Offenen Konzepts an. !Während der Interviews hielt ich mich interessiert zurück und versuchte mittels solidarisierender Gesten den Gesprächsfluss aufrecht zu erhalten. !4.3 Aufbereitung der Interviews !Um eine genaue Analyse der Audioaufzeichnungen vornehmen zu können wurden diese meinerseits wörtlich sowie mit nonverbalen Aspekten des Gesprächs transkribiert (vgl. Anlagen II & III: Interview 1 & Interview 2). Somit bot sich mir die Möglichkeit, die verschiedenen Äußerungen der Teilnehmerinnen in Relation der gesamten Gespräche zu betrachten sowie Vergleiche der Dialoge anzustellen.

!17

Zudem bestand für mich die Möglichkeit Gesagtes mehrfach und unter verschiedenen Aspekten zu prüfen. Meinerseits wurde hierbei berücksichtigt, dass bestimmte Informationen, die Rückschlüsse auf Personen oder ähnliches zulassen, anonymisiert wurden (vgl. Lamnek 2005, S. 402 ff.). !5. Auswertung der Interviews !Gemäß eines durch Lamnek (2005) beschriebenen Auswerteverfahrens wurde nach der Transkription der Interviews zunächst die folgende Inhaltstabelle über die besprochenen Themen der beiden geführten Interviews erstellt (vgl. Lamnek 2005, S. 405 ff.). !

!Anhand dieser Tabelle konnte ein erster Überblick über den gesamten Themenkomplex der einzelnen Interviews aufgezeigt werden. Ziel war es, aus der Datenfülle bestimmte inhaltlich relevante Aspekte herauszufiltern. !!

Themenschema zur Auswertung

persönliche Daten: Alter

Einstieg in den Beruf: Ausbildung/berufliche Laufbahn/seit wann in der Einrichtung

Bewertung der aktuellen Tätigkeit:

welche Aufgaben/was gefällt besonders gut/Kriterien für Angebotsgestaltung

Veränderungen in der pädagogischen Arbeit:

gab es Veränderungen/wenn ja, welche

Befassung mit dem Konzept der Offenen Arbeit:

ja oder nein/welches Wissen ist vorhanden

kritische Auseinandersetzung mit dem Konzept:

vorhandene Auseinandersetzung/Vorstellungen über das Konzept/gegebene Grundvoraussetzungen/Chancen und Grenzen des Konzepts/ausreichende Förderung

Auswirkungen des Konzepts:

Auswirkungen auf aktuelle Tätigkeit/Vorstellung über Umsetzung in der eigenen Einrichtung

aktuelle Konzeption der Einrichtung:

Punkte, die bei aktueller Konzeption geändert werden könnten

!18

Anschließend wurde darauf aufbauend eine etwas abgeänderte Themenmatrix als von Lamnek (2005) beschrieben angefertigt (siehe Anlage IV: Themenmatrix), welche bereits die Aussagen der Interviewteilnehmerin gegenüberstellte. Somit konnte eine übersichtliche Zusammenfassung der relevanten Themen und Ansichten der Teil-nehmerinnen erstellt werden (vgl. Lamnek 2005, S 405 ff.). !Folgend werden nun die getätigten Aussagen der Teilnehmerinnen E1 und E2 mit Hilfe der erstellten Themenmatrix in Zusammenhang mit meinen in der Ausarbeitung beschriebenen Vermutungen dargestellt. Ich habe die Abschnitte nach zu untersuchender Hypothese unterteilt, so dass durch die Darstellung der Aussagen der Teilnehmerinnen meine Annahmen widerlegt bzw. bestätigt werden können. Im anschließenden Themenbereich geht es lediglich darum, welche Ergebnisse festgestellt werden konnten. Welche Schlussfolgerungen sich daraus ergeben wird erst unter Punkt 7. - Zusammenfassung der Untersuchung - ausgeführt. !5.1 Bisherige Befassung mit dem Thema der Offenen Arbeit !Eine Vermutung meinerseits war, dass eine intensive Auseinandersetzung mit dem Konzept sowie dessen Inhalt bisher wenig erfolgte und dass der Wissensaustausch darüber hauptsächlich unter KollegInnen und weniger durch eigene Literatur-recherchen stattfand. Dies hat meiner Ansicht nach zur Folge, dass oftmals Meinungen unkritisch übernommen werden ohne sich mit allen Perspektiven des Offenen Konzeptes befasst zu haben. Letzteres kann jedoch in dieser Ausarbeitung aufgrund des damit einhergehenden umfangreichen Ausmaßes keine Beachtung finden. Hierüber könnte eine neue detaillierte Untersuchung Aufschluss geben. Im folgenden Abschnitt soll daher die bisherige Auseinandersetzung mit dem Konzept der Offenen Arbeit erörtert werden, um daraufhin gegebenenfalls an andere Gesichtspunkte der Untersuchung anknüpfen zu können. !Beide Interviewteilnehmerinnen gaben an, bereits in Dienstberatungen über das Konzept der Offenen Arbeit diskutiert zu haben (vgl. Anlage II: Z. 19 f./S. 11 & Anlage III: Z. 24 f./S. 26). Jedoch erfolgte eine intensivere Befassung mit dem Thema, zumindest bei der Teilnehmerin E1 laut eigener Aussage, nicht (vgl. Anlage II: Z. 20 ff./S. 11). !Die Teilnehmerin E2 teilte mir mit, dass sie auf unterschiedliche Weise bereits Einblick in das Konzept der Offenen Arbeit nehmen konnte. Während ihrer beruflichen Laufbahn war sie als Erzieherin in einem Schulhort tätig, welchem ein „Teiloffenes Konzept“ zugrunde lag.

!19

Sie beschrieb, dass dort beispielsweise Tischtennisplatten sowie ein Tischkicker im Flur aufgestellt wurden, mit welchem die Kinder der Einrichtung gerne spielten, dass eine Kollegin sehr kreativ war und somit vermehrt Bastelangebote erstellte oder dass die Kinder stellenweise auch ohne betreuende Erzieher/Erzieherinnen auf dem Außengelände der Einrichtung spielen durften (vgl. Anlage III: Z. 3 ff./S. 6). Des weiteren teilte sie während des Gespräches mit, dass ihre Tochter als Erzieherin in einer Kindertagesstätte tätig ist, welche nach dem Offenen Konzept arbeitet. Es handelt sich vermutlich um ein neu erbautes Gebäude, welches eine Art „Containerbau“ darstellt. Dies wurde bereits einige Zeit vor dem Interview in einer Unterhaltung deutlich. Aufgrund des bestehenden Interesses der Teilnehmerin E2 suchte sie ihre Tochter in der Einrichtung auf, um einen Einblick in die Konzeptionsgestaltung zu erhalten (vgl. Anlage III: Z. 19 ff./S. 6). !Im Verlauf des Interviews stellte sie oftmals Vergleiche zu dieser Einrichtung an. Hiermit wollte sie meiner Ansicht nach verdeutlichen, dass sie eine Umsetzung dieses Konzeptes unter bestimmten Bedingungen für möglich hält. Da dieser Themenbereich in dem aktuellen Zusammenhang jedoch keine Rolle spielen soll, wird hierauf an dieser Stelle nicht weiter eingegangen. !Zweifelsfrei wird sehr deutlich, dass sich die Teilnehmerin E2 bereits intensiver mit dem Konzept der Offenen Arbeit auseinandergesetzt hat. Sie zeigt Interesse und möchte eruieren, wie das Konzept in der Praxis umgesetzt wird. Zudem hatte sie bereits eigene Erfahrungen im Hort sammeln können. Hierbei war anhand ihrer Aussagen jedoch schwer erkennbar, welche Kriterien das „Teiloffene Konzept“ der Einrichtung ausmachten. Ich habe den Eindruck, sie selbst konnte nicht direkt nachvollziehen, welche Kernpunkte dieses Konzept im Vergleich zu anderen Konzepten aufweist. Dies könnte zum Einen daran liegen, dass die Konzeption der Horteinrichtung selbst inhaltlich mangelhaft war und zum Anderen könnte die Möglichkeit bestehen, dass sich die Teilnehmerin E2 eventuell mit der Ausgestaltung des Konzepts arrangiert hat, jedoch eine Reflexion und umfangreiche Befassung mit der Konzeption der Horteinrichtung kaum erfolgte. Bei vorliegender Konzeption könnte dieser Thematik gesondert und tiefgreifender nachgegangen werden. !Bezüglich der Fragestellung im Interview, welche eigene Vorstellung zum Konzept der Offenen Arbeit vorhanden ist, war bei der Teilnehmerin E1 auffällig, dass sie ihre eigenen Vorstellungen über das Konzept abhängig machte von den Umsetzungs-möglichkeiten in der eigenen Einrichtung (vgl. Anlage II: Z. 9 ff./S. 15). Sie ging nicht themenbezogen auf die Frage ein, sondern beschrieb und hinterfragte wie eine Realisierung in der eigenen Einrichtung erfolgten könnte.

!20

Was Offene Arbeit für sie selbst zunächst bedeutetet und wie sie diese definiert, kann folglich nicht näher erörtert werden. !Die Teilnehmerin E2 bezeichnete auf die Frage der eigenen Vorstellungen über das Konzept der Offenen Arbeit dieses als „eine finanzielle gute Sache“ (Anlage III: Z. 3 f./S. 7). Sie ist der Ansicht, dass das Offene Konzept unter anderem auch bezweckt, dass beispielsweise nicht alle Zimmer einer Einrichtung mit Bausteinen ausgestattet werden müssen, sondern lediglich das themenbezogene Zimmer. Weiterhin äußerte sie, dass die Kinder bei diesem Konzept interessenbezogen handeln könnten. Zudem würden sie ihrer Ansicht nach selbstständiger, da nicht mehr alles von den ErzieherInnen vorgeben wird (vgl. Anlage III: Z. 26 ff./S. 15 f.). In welchem Kontext dies jedoch für sie steht bleibt offen. Um den Redefluss der Teilnehmerin E2 nicht zu hindern, konnte meinerseits keine Nachfrage erfolgen. Es fällt auf, dass sich die Teilnehmerin E2 tiefgründiger mit der Fragestellung befasst hatte als die Teilnehmerin E1. Sie führte die Frage nicht auf die aktuelle Einrichtung zurück, sondern stellte Zusammenhänge dar. !Laut Gerlinde Lill (2012) beginnen Öffnungsprozesse, welche Hauptbestandteil für die Umsetzung des Konzeptes der Offenen Arbeit sind, im Kopf. Durch Überdenken gewohnter Arbeitsweisen und Ansichten sowie Neujustierung dieser, erfolgt ein erster Schritt in Richtung des Offenen Konzeptes (vgl. Lill 2012, S. 6). Die Teilnehmerin E2 vermittelt den Eindruck, sich gedanklich mit dieser Thematik auseinandergesetzt zu haben. Sie erkennt bereits, dass im Kindergartenalltag Vorgaben durch das pädagogische Personal erfolgen und die Kinder somit in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt werden. Außerdem traut sie den Kindern zu, dass sie am Konzept der Offenen Arbeit wachsen (vgl. Anlage III: Z. 24 f./S. 19). Weiterhin äußert sie sinngemäß, dass die Offene Arbeit nicht nur auf die Kinder Auswirkungen hat, sondern auch auf die ErzieherInnen (vgl. Anlage III: Z. 12 ff./S. 26). !Ich bin aufgrund dieser Aussagen der Teilnehmerin E2 der Ansicht, dass sie sich bereits unbewusst in Reflexion zu ihrer eigenen Berufsrolle befindet. Zudem scheint sie zu erkennen, welche Chancen das Konzept für die Kinder bieten kann. Ich vermute, dass die eigene Berufserfahrung, welche sie in der Horteinrichtung mit dem „Teiloffenen Konzept“ gesammelt hat sowie der Austausch mit ihrer Tochter, welche in einer Kindertagesstätte mit dem Offenen Konzept tätig ist, die notwendigen Denkanstöße liefert. Trotzdem bin ich anhand der bisherigen Interpretation der Aussagen beider Teilnehmerinnen der Meinung, dass diese sich gelegentlich in Austausch und Überlegungen bezüglich des Konzepts der Offenen Arbeit befinden.

!21

Eine Wissensbeschaffung anhand von beispielsweise Literaturrecherchen, welche unterschiedliche Perspektiven und Inhalte darstellen, erfolgte meiner Meinung nach bisher nicht. Ich bin davon überzeugt, dass bei einer Befassung, auch literarisch, durch die Teilnehmerin E2 eine Erweiterung des Blickwinkels und somit auch ein Öffnungsprozess erfolgen würde. !Meine in der Ausarbeitung beschriebene Vermutung, dass lediglich durch Gespräche untereinander Informationen bezüglich des Konzepts der Offenen Arbeit ausgetauscht wurden und umfassende eigene, insbesondere literarische, Recherchen bisher kaum stattgefunden haben, sind folglich zu bestätigen. !5.2 Reduzierung des Konzepts auf die sichtbare Seite !Ebenso wie Gerlinde Lill (2012) bin ich der Ansicht, dass Offene Arbeit meistens auf die sichtbare Seite reduziert wird. Dies kann unter anderem bewirken, dass die Umsetzungsmöglichkeiten in den Einrichtungen abhängig gemacht werden von beispielsweise räumlichen oder personellen Voraussetzungen. Anhand der Aussagen der beiden Interviewteilnehmerinnen soll anschließend auf diesen Themenaspekt eingegangen werden. !Auf die Fragestellung, welche Grundvoraussetzungen für das Offene Konzept ihrer Meinung nach gegeben sein müssten, erwiderten beide Teilnehmerinnen sehr deutlich, dass die räumlichen Gegebenheiten fundamental seien (vgl. Anlage II: Z. 28 f./S. 15 & Anlage III: Z. 25 f./S. 17). Die Teilnehmerin E2 beschrieb es folgendermaßen: „Das A und O ist der Raum. Dass ich das gestalten kann“ (Anlage III: Z. 2 f./S. 18). Dies wurde nicht nur in diesem Zusammenhang geäußert, sondern auch bei der Nachfrage, ob sie sich dieses Konzept in der eigenen Einrichtung vorstellen könnte. Hierbei waren beide Teilnehmerinnen fest davon überzeugt, dass die räumlichen Konstellationen nicht geeignet wären und es somit nicht möglich wäre, dieses Konzept in der eigenen Einrichtung zu verwirklichen (vgl. Anlage II: Z. 29 f./S. 18 & Anlage III: Z. 4 ff./S. 23). !Die Teilnehmerin E1 erläuterte zudem, dass es erforderlich wäre, zeitliche Voraussetzungen zu schaffen in Bezug auf beispielsweise Vorbereitungszeiten für die Angebotsgestaltung (vgl. Anlage II: Z. 4 ff./S. 16). Diese Aussage traf sie ebenfalls in Zusammenhang mit der Fragestellung, ob sie sich eine Umsetzung des Konzepts der Offenen Arbeit in der eigenen Einrichtung vorstellen könnte (vgl. Anlage II: Z. 30 f./S. 18). Die Teilnehmerin E2 vertrat die gleiche Ansicht.

!22

In der eigenen Einrichtung könnte sie sich das Offene Konzept, neben den räumlichen Gegebenheiten, aufgrund des aktuellen Personaleinsatzes sowie der Arbeitsstunden-anzahl nicht vorstellen (vgl. Anlage III: Z. 14 ff./S. 25). !Zusammenfassend ist zu sagen, das meine Vermutung, das Konzept der Offenen Arbeit würde hauptsächlich auf die sichtbare Seite reduziert werden, zu bestätigen. Außerdem ist ein Zusammenhang zwischen der Reduzierung auf diese sichtbaren Aspekte sowie der Ansicht der Umsetzungsmöglichkeiten in der eigenen Einrichtung bei beiden Teilnehmerinnen festzustellen. Beide Teilnehmerinnen sind der Meinung, dass die räumliche Ausgestaltung entscheidend wäre für den Schritt in die Offene Arbeit. Außerdem wurden organisatorische Bedingungen wie beispielsweise der Personaleinsatz und die Arbeitsstundenverteilung als grundlegend für die Umsetzung in der eigenen Einrichtung mit angegeben. Lediglich äußerten beide Teilnehmerinnen, dass alle (ich vermute, sie meinen das gesamte Team einer Einrichtung) vom Konzept der Offenen Arbeit überzeugt sein sowie dieses gemeinsam vertreten müssten, sonst würde es nicht funktionieren (vgl. Anlage II: Z. 4 f./S. 16 & Anlage III: Z. 31 f./S. 9). !Selbstredend stellt dies eine Grundvoraussetzung für das Gelingen einer Konzeption dar. Sind die MitarbeiterInnen nicht davon überzeugt, ist die Umsetzung folglich gefährdet. Dies gilt für jedes Konzept und jede Konzeption einer Einrichtung. !Jedoch findet im Verlauf der Interviews die unsichtbare Seite des Konzepts der Offenen Arbeit kaum Beachtung. Kernpunkte wie beispielsweise bisherige Denk- und Handlungsmuster zu reflektieren oder gemeinsam mit den Kindern den Lebensort „Kindertagesstätte“ zu gestalten bzw. umzugestalten werden nicht als relevant wahrgenommen. Gerlinde Lill (2012) formuliert, dass Offene Arbeit nicht abhängig ist von den räumlichen Gegebenheiten (vgl. Lill 2012, S. 10). Befasst man sich intensiv mit dem Konzept der Offenen Arbeit ist zu erkennen, dass nicht die räumlichen Voraus-setzungen oder der Personaleinsatz die Offene Arbeit ermöglichen, sondern vorrangig die Einstellung des pädagogischen Personals. Dies wurde zwar von den Teilnehmer-innen angesprochen, jedoch nicht für derart relevant erachtet wie die sichtbaren Seiten des Konzepts. !Wie bereits erwähnt, ist somit die von mir aufgestellte Hypothese, das Konzept der Offenen Arbeit würde hauptsächlich auf die sichtbare Seite reduziert werden, zu bestätigen. !

!23

5.3 Ungewissheit der Umsetzungsmöglichkeiten des Offenen Konzeptes !Eine weitere Vermutung meinerseits war, dass eine große Unsicherheit beim pädagogischen Personal aufgrund der Ungewissheit entsteht, wie das Konzept der Offenen Arbeit in der eigenen Einrichtung umgesetzt werden könnte. Diese Ungewissheiten könnten gegebenenfalls auch Gründe darstellen, weshalb das Konzept der Offenen Arbeit von einer Vielzahl von ErzieherInnen abgelehnt wird. !Während des Interviews mit der Teilnehmerin E1 war sehr auffällig, dass sie sich im Gespräch selbst immer wieder Fragen stellte in Bezug auf die Umsetzungs-möglichkeiten des Konzepts in der eigenen Einrichtung. Beispielsweise beschäftigte sie sich mit der Thematik, wie Entwicklungsgespräche mit den Eltern erfolgen sollten, wenn sich die Kinder nicht in ihrem Blickfeld befinden und sich oft in anderen Räumlichkeiten aufhalten als sie selbst (vgl. Anlage II: Z. 1 ff./S. 12). Eine weitere Sorge beschrieb sie in Zusammenhang damit, dass sich die Kinder auf Dauer bestimmten Tätigkeiten entziehen könnten. Sie vermutete, dass sie sich gemäß ihren Vorlieben und Interessen entsprechende Angebote heraussuchen würden und wenig offen wären für andere Aktivitäten (vgl. Anlage II: Z. 4 ff./S. 13). Gleichzeitig sieht sie hierin eine Abhängigkeit mit der anschließenden schulischen Ausbildung. Denn in der Schule könnten sich die Kinder laut ihrer Aussage nicht mehr frei entscheiden, da es einen festen Zeit- und Stundenplan gibt, an welchen sich die Kinder halten müssten. Zudem vermutete sie, dass aufgrund der einseitigen Angebotsauswahl Defizite bei den Kindern entstehen könnten (vgl. Anlage II: Z. 29 ff./S. 16 f.). !Ebenfalls befasste sie sich mit der Problematik, wie Angebote erstellt werden müssten. Am Beispiel von Plätzchen backen wendete sie sich gedanklich der Umsetzungs-möglichkeit dieses Angebotes zu. Die Unsicherheit, ein solches Angebot für 50 Kinder erstellen zu müssen, stellte ein bedeutendes Problem für sie dar. Ihr Fazit: „muss sehr gut durchdacht sein“ (Anlage II: Z. 24/S. 19). !Allein anhand dieser Auszüge aus dem geführten Interview wird deutlich, dass die Aussagen der Teilnehmerin E1 von sehr vielen Unsicherheiten, Zweifeln und offenen Fragen geprägt sind. Diese Ungewissheiten führen meiner Meinung nach dazu, dass sie sich dem Konzept gegenüber eher verschließt, denn auf die Frage, welche Chancen das Konzept der Offenen Arbeit für die Kinder und ErzieherInnen mit sich bringen würde, war sie lediglich der Ansicht, dass die Kinder ihren speziellen Neigungen, Interessen und Fähigkeiten nachgehen könnten, was zu einer Entwicklung der Kinder führen könnte. Zudem wären die Kinder integrierter und könnten den Umgang mit allen ErzieherInnen und Kindern verfolgen (vgl. Anlage II: 19 ff./S. 16).

!24

In welchem Zusammenhang die Kinder integrierter wären und eine Entwicklung dieser stattfinden könnte, wurde von ihr nicht weiter erläutert. Auch die eventuell gegebenen Möglichkeiten, welche das pädagogische Personal betreffen, sind ihrerseits nicht erwähnt worden. !Im Verlauf des gesamten Interviews wirkte die Teilnehmerin E1 relativ unsicher und unschlüssig bezüglich der Umsetzungsmöglichkeiten des Konzepts der Offenen Arbeit. Es erweckt den Eindruck, dass sich ihr der Sinn und Zweck des Offenen Konzeptes kaum erschließt. Zudem besteht für sie, meiner Meinung nach, bisher auch keine Notwendigkeit, die aktuelle pädagogische Arbeit zu verändern. Sie ist beispielsweise mit der gegenwärtigen Konzeption der eigenen Einrichtung, welche den Situationsansatz in altersgemischten Gruppen verfolgt, sehr zufrieden und Änderungen würde sie gegenwärtig nicht vornehmen wollen (vgl. Anlage II: Z. 19 ff./S. 24). Ich bin der Überzeugung, dass Reflexionsprozesse in Bezug auf ihr eigenes pädagogisches Bildungs- und Rollenverständnis bisher nicht stattgefunden haben. Einzig, dass die Kinder die Chance bekommen, ihren speziellen Interessen und Neigungen folgen zu können, zeigt eine mögliche Reflexion zu bisherigen Perspektiven der Kinder. !Ein weiterer Grund könnte jedoch auch darin liegen, dass sie selbst bislang keine beruflichen Erfahrungen mit Öffnungsprozessen in Kindertagesstätten hatte. Bisher war sie in Einrichtungen tätig, welche ausschließlich altershomogene Gruppenmodelle favorisierten. Erst seit ein paar Jahren arbeitet sie in altersgemischten Gruppen (vgl. Anlage II: Z. 32 f./S. 8). Sie ist der Ansicht, dass es notwendig ist, in Einrichtungen mit dem Offenen Konzept zu hospitieren, um die fehlenden Erfahrungen auszugleichen (vgl. Anlage II: Z. 11 ff./S. 14). Ich glaube für sie ist es wichtig, sich erst einmal zu orientieren und die Möglichkeit zu bekommen mit eigenen Augen zu sehen, dass das Konzept der Offenen Arbeit umsetzbar ist. !Bei der Teilnehmerin E2 fiel auf, dass diese keine Unsicherheiten hinsichtliche der Umsetzungsmöglichkeiten zeigte. Hinterfragte sie Problemstellungen, fand sie selbstständig Lösungsansätze für die Umsetzungsgestaltung. Bei der Frage nach den Umsetzungsmöglichkeiten in der eigenen Einrichtung war sie der Ansicht, dass zunächst die Kinder und das pädagogische Personal den Umgang damit erlernen müssten, dass die Möglichkeit besteht sich in der Einrichtung frei zu bewegen. Jedoch ist sie sich sicher, dass die Kinder diese ihnen zugestandene Freiheit annehmen würden (vgl. Anlage III: Z. 10 ff./S. 24).

!25

Die Teilnehmerin E2 ist der Meinung, die Kinder würden sich wohl fühlen, wenn ihnen die Möglichkeit gegeben würde, mit Freunden und Freundinnen anderer Gruppen zu spielen (vgl. Anlage III: Z. 22/S. 20). Sie hinterfragte im Vergleich zur Teilnehmerin E1 nicht, wie eine personelle Umsetzung in Bezug auf die Realisierung dieses Konzepts in der eigenen Einrichtung erfolgen könnte, sondern sie äußerte in fester Überzeugung, dass eine generelle Anhebung der Arbeitsstunden erforderlich werden müsste aufgrund der intensiveren Vorbereitungs-zeiten für die Angebotsgestaltung (vgl. Anlage III: Z. 13 ff./S. 25). !In der Gesamtheit ihrer Aussagen fällt auf, dass sie eine sehr offene Einstellung zum Konzept der Offenen Arbeit vertritt. Sie ist der Ansicht, die Kreativität der Kinder würde gefördert werden, sie könnten sich selbst ausprobieren und frei entfalten (vgl. Anlage III: Z. 3 ff./S. 17). Zudem denkt sie, dass das Offene Konzept mehr Vorteile haben würde als Nachteile (vgl. Anlage III: Z. 32 f./S. 20). Die Teilnehmerin E2 ist sich auch darüber bewusst, dass der Weg vom Geschlossenen ins Offene Konzept eine große Umstellung werden und nicht problemlos gelingen würde (vgl. Anlage III: Z. 27 ff./S. 25 & Z. 3 ff./S. 26). Für ihre eigene Einrichtung könnte sie es sich jedoch aufgrund der räumlichen Voraussetzungen nicht vorstellen. Einem Wechsel in eine Einrichtung mit Offenem Konzept würde sie allerdings nicht im Wege stehen. Lediglich müsste sie sich, laut eigener Aussage, intensiv damit befassen (vgl. Anlage III: Z. 22 f./S. 25 & Z. 5 ff./S. 27). !Ich glaube, diese Offenheit dem Konzept gegenüber liegt einerseits an der von mir bereits erörterten unbewussten Reflexion zur eigenen Berufsrolle der Teilnehmerin E2 und andererseits an der bisherigen Berufserfahrung in der Horteinrichtung mit dem „Teiloffenen Konzept“ sowie dem Austausch mit ihrer Tochter, welche bereits mit dem Offenen Konzept arbeitet. Im Vergleich zur Teilnehmerin E1 konnte sie sich durch die Besichtigung der Einrichtung, in der die Tochter tätig ist, bereits einen Überblick verschaffen wie die Umsetzung des Offenen Konzeptes möglich ist. !In der Gesamtheit aller Aussagen ist zu konstatieren, dass die von mir vermuteten großen Unsicherheiten in Bezug auf die Konzeptumsetzung in der eigenen Einrichtung nicht für beide Teilnehmerinnen zutreffen. Die bei der Teilnehmerin E1 vorhandenen Ungewissheiten könnten meiner Ansicht nach auf einen eventuell fehlenden Blick für die Notwendigkeit des Veränderungsbedarfs der aktuellen pädagogischen Arbeit sowie auf den bisher unerkannten Sinn und Zweck des Konzepts zurückgeführt werden. Es könnten aber auch mangelnde berufliche Erfahrungen in Bezug auf die Offene Arbeit sowie nicht vorhandene Möglichkeiten für einen Einblick in die Konzeptgestaltungen und Konzeptumsetzungen der Grund für die gezeigten Unsicherheiten sein.

!26

5.4 Sorgen der Mehrarbeit sowie der Kontrolle durch KollegInnen !Ein Verdacht meinerseits war, dass ErzieherInnen das Konzept aufgrund der Sorgen der erheblichen Mehrarbeit ablehnen könnten. Ebenfalls vermutete ich, dass durch die Öffnung der Gruppen eventuell mehr Kontrolle der eigenen pädagogischen Arbeit durch KollegInnen erfolgen könnte. Das heißt, KollegInnen untereinander könnten die Umgangs- und Arbeitsweisen ihrer MitarbeiterInnen beobachten und sich darüber eine Meinung bilden. Es bestünde somit die „Gefahr“, dass die eigene Arbeit kritisch hinterfragt wird und ein Gefühl der Kontrolle und Rechtfertigung untereinander entsteht. !Zunächst wird jedoch nachfolgend der Aspekt der Mehrarbeit erörtert. !Beide Teilnehmerinnen sind der Ansicht, dass eine intensivere Vorbereitung sowie Planung erforderlich würden aufgrund unterschiedlichen Alters und der erhöhten Anzahl der Kinder, welchen man sich durch eine Öffnung der Gruppen zuwenden müsste (vgl. Anlage II: 33 ff./S. 19 f. & Anlage III: 1 ff./S. 25). Dieses Argument beider Teilnehmerinnen war für mich so nicht nachvollziehbar. Die Teilnehmerinnen E1 und E2 sind in ihrer Gruppe verantwortlich für Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren. Warum eine intensivere Vorbereitung dann in einem Offenen Konzept hierzu erforderlich wäre erschließt sich mir so nicht, denn in ihrer aktuellen Gruppenzusammenstellung sind sie ebenfalls mit dieser Thematik konfrontiert. !Aufgrund der vermehrten Vorbereitung in Bezug auf die erhöhte Anzahl der Kinder vermute ich, dass sie der Ansicht sind, dass das Anfertigen von Bastelvorlagen oder ähnlichem sehr arbeits- und zeitaufwändig wäre. Somit vermute ich bereits anhand dieser Aussagen, dass die Sorge der Mehrarbeit bei beiden Teilnehmerinnen besteht. Nachstehend soll eine weiterführende Erörterung erfolgen. !Die Teilnehmerin E1 thematisierte zudem, dass die Beobachtung der Kinder zunehmen würde sowie die Reflexion der Beobachtung. Damit zusammenhängend ist sie der Meinung, dass die Entwicklungsgespräche mit den Eltern sich schwieriger gestalten würden, denn im Vergleich zur aktuellen Gegebenheit kann sie ihre Kinder von „jeder Seite beleuchten“ (Anlage III: Z. 10/S. 20). Sie äußerte weiterhin, dass zu Beginn der Ausübung des Konzepts der Offenen Arbeit die pädagogische Arbeit für alle ErzieherInnen schwieriger werden würde, aufgrund der Einschätzung der einzelnen Charakterzüge jedes Kindes der Einrichtung. Sie stellte einen Vergleich mit ihrer aktuellen Tätigkeit in der altersgemischten Gruppe mit 16 Kindern an.

!27

Von den Kindern ihrer Gruppe weiß sie, wie jedes einzelne auf seine ganz eigene Weise ansprechbar ist und motiviert werden kann. Bei dem Offenen Konzept müsste man sich, laut ihrer Aussage, auf Kinder einstellen, welche man bisher nicht so intensiv kannte (vgl. Anlage II: Z. 11 ff./S. 20). Ebenfalls äußerte sie im Zusammenhang mit der Fragestellung, ob ihrer Meinung nach eine ausreichende Förderung der Kinder erfolgen könnte, dass dies schwer umsetzbar wäre. Denn alle KollegInnen müssten sich über jedes einzelne Kind zusammensetzen und äußern, was sie zu jedem einzelnen Kind beobachtet haben. Daran würde es ihrer Ansicht nach scheitern (vgl. Anlage II: Z. 16 ff./S. 18). !Zusammenfassend ist für die Teilnehmerin E1 zu sagen, dass sie mir gegenüber nicht direkt äußerte, dass sie die Mehrarbeit als problematisch befinden würde. Jedoch erweckte es anhand ihrer Aussagen bei mir den Eindruck, dass diese Sorge der Mehrarbeit bei ihr besteht. Sie zieht gelegentlich Vergleiche mit ihrer Gruppe, in der sie für 16 Kinder verantwortlich ist. Diese 16 Kinder beobachtet sie, bespricht dies mit ihrer Kollegin, führt Entwicklungsgespräche mit den Eltern und gestaltet Angebote. !Mit einer Öffnung der Gruppen könnten aber nun einerseits mehr als 16 Kinder täglich an ihren Angeboten teilnehmen und andererseits sind dies eventuell auch Kinder, welche sie bisher kaum kannte. Sie ist somit gezwungen sich auf „neue“ Kinder einzustellen, diese zu beobachten und Elterngespräche zu führen. Ich habe gerade bei dieser Thematik das Gefühl, dass dies für sie den bedeutendsten Aspekt darstellt. Es zeigte sich, dass meiner Meinung nach in Verbindung mit den zuvor benannten Aussagen die Sorge bezüglich Mehrarbeit bei der Teilnehmerin E1 besteht. !Die Teilnehmerin E2 war eher der Ansicht, dass die Angebotsgestaltung einen immensen Aufwand darstellen würde. Hierbei brachte sie auch sehr deutlich zum Ausdruck, dass sie nicht bereit wäre diese zu betreibende Vorbereitung zu Hause zu verrichten. Ihrer Ansicht nach müssten Änderungen in Bezug auf die Arbeitsstunden vorgenommen werden (vgl. Anlage III: Z. 5 ff./S. 25). Hierbei ist zu erwähnen, dass die Teilnehmerin E2 gegenwärtig viele Vorbereitungs-maßnahmen für Bastelangebote zuhause trifft. Sie begründet dies damit, dass die Kinder ihrer Gruppe ihren Mittagsschlaf im eigenen Gruppenraum vornehmen und für sie somit kein Raum zur Verfügung steht, um diese Vorbereitungen in der Einrichtung vorzunehmen. !Weitere Aussagen der Teilnehmerin E2 in Bezug auf die Sorge der Mehrarbeit konnten meinerseits nicht erörtert werden.

!28

Die unterschiedlichen Ansichten der beiden Teilnehmerinnen begründen sich meiner Ansicht nach darin, dass die Teilnehmerin E1 als „Gruppenleiterin“ einer altersgemischten Gruppe tätig ist. Somit führt sie die Beobachtungen der Kinder in der Gruppe durch und tauscht sich lediglich darüber mit der Teilnehmerin E2 („Ergänzungskraft“) aus. Ebenfalls dokumentiert sie diese Beobachtungen und führt Elterngespräche durch. Die Teilnehmerin E2 ist folglich mit der Thematik der Beobachtung und Reflexion sowie mit zu führenden Elterngesprächen kaum konfrontiert. Im Interview äußerte sie auf die Frage, welche Aufgaben sie in ihrer Gruppe übernimmt, dass sie die Teilnehmerin E1 unterstützt, sie gemeinsam Ideen für Angebote austauschen und den Tagesablauf miteinander organisieren (vgl. Anlage III: Z. 12 ff./S. 11 f.). Folglich steht für sie eher die Problematik der Angebotsgestaltung im Mittelpunkt. Sie äußert zwar, dass es notwendig werden wird, vermehrt Beobachtungen bei den Kindern durchzuführen, um den Eltern Auskünfte geben zu können, jedoch erweckt es bei mir den Eindruck, dass dies für sie nicht so relevant ist wie bei der Teilnehmerin E1. !Zusammenfassend ist zu sagen, dass beide Teilnehmerinnen auf unterschiedliche Weise Befürchtungen haben in Bezug auf Mehrarbeit. Somit kann ich meine Hypothese hierzu bestätigen. !In der Gesamtheit der Aussagen beider Teilnehmerinnen war für mich die Problematik der Kontrolle der eigenen pädagogischen Arbeit durch KollegInnen nicht heraus-zuarbeiten. Ich denke nicht, dass beide Teilnehmerinnen aus taktischen Gründen diese Thematik unberücksichtigt gelassen haben sondern, dass sie sich dieser Tragweite des Offenen Konzeptes nicht bewusst sind. Ein Grund könnte darin liegen, dass sie sich, wie bereits erörtert, bisher weniger umfassend mit der Offenen Arbeit befasst haben. Somit kann zu dieser Vermutung meinerseits keine Aussage getroffen werden. !5.5. Vorurteile bezüglich des Chaos und der Unverbindlichkeiten !Gerlinde Lill (2012) behauptet, dass ErzieherInnen befürchten das Konzept der Offenen Arbeit würde für Chaos und Unverbindlichkeiten sorgen (vgl. Lill 2012, S. 5). Dieser Hypothese wollte ich mit meiner Untersuchung ebenfalls nachgehen. Entspricht es der Tatsache, dass ErzieherInnen Bedenken haben, dass jeder macht was er will, es keine Grenzen gibt und die Kinder anarchisch durch die Einrichtung jagen während das pädagogische Personal am Rande eines Nervenzusammenbruchs steht? !Folgend soll dies anhand meiner beiden geführten Interviews erörtert werden.

!29

Die Teilnehmerin E1 teilte mir zu Beginn des Interviews mit, dass sie etwa gegen 1990/1991 einen Bericht im Fernsehen über eine Kindertagesstätte der alten Bundesländer verfolgte (vgl. Anlage II: Z. 17 ff./S. 9). Sie beschrieb das Gesehene folgendermaßen: „Die sind über die Tische gesprungen während des Essens und da hab ich gedacht, nä, also wenn das hier so kommt, das ist nichts für mich“ (Anlage II: Z. 1 ff./S. 10). Sie erwähnte in diesem Zusammenhang die antiautoritäre Erziehung (vgl. Anlage II: Z. 22/S. 9), woraufhin ich hinterfragte, ob sie das Konzept der Offenen Arbeit mit dieser Erziehungsform verbinden würde. Hintergrund dieser Frage war, dass überwiegend auch die antiautoritäre Erziehung mit Chaos und Unverbindlichkeiten verbunden wird. Sie verneinte dies, jedoch sprach sie dabei zunehmend leiser und erläuterte ihre Aussage nicht weiter. !Über das gesamte Interview hinweg fiel bei der Teilnehmerin E1 auf, dass sie ab und an Äußerungen zunehmend leiser vornahm. Diese Art, ihre Ansichten auszudrücken, ist für mich schwer einzuordnen. Ich vermute einerseits, dass sie sich unsicher fühlt in ihren Aussagen aufgrund eventuell geringer ausgeprägter Kenntnisse und andererseits, dass sie Äußerungen bewusst leiser tätigt, um sich die Möglichkeit eines Einspruches vorzubehalten. !Für die zuvor beschriebene Thematik denke ich, dass sie sich unsicher war, ob nicht doch Zusammenhänge gegeben sind zwischen dem Offenen Konzept und der anti-autoritären Erziehung. Zu dieser Annahme komme ich aufgrund des weiteren Gesprächsverlaufes. Denn sie äußerte weiterhin in Zusammenhang mit dem verfolgten Fernsehbericht, dass einige Regeln eingehalten werden sollten, welche zu unserer „deutschen Kultur“ gehören. Auf Nachfrage, welche Regeln dies wären, teilte sie unter anderem mit, dass alle gemeinsam am Tisch sitzen sollten, um Mahlzeiten einzunehmen und dabei eine ruhige Atmosphäre herrschen sollte (vgl. Anlage II: Z. 7 ff./S. 10). !Während meiner Intervieweröffnung teilte ich beiden Teilnehmerinnen kurz die Grundgedanken des Offenen Konzeptes mit. Unter anderem erwähnte ich, dass die Essenszeiten flexibler gestaltet werden und dies beispielsweise durch einen Speisesaal ermöglicht werden kann. Die Teilnehmerin E1 bezog sich während des geführten Interview mehrmals auf diese Thematik, so dass ich aufgrund ihrer Aussagen zu folgendem Entschluss komme. !!

!30

In Bezug auf die Ausgestaltung der Mahlzeiten in einem Speisesaal bestehen bei der Teilnehmerin E1 Befürchtungen, dass dies zu einer sehr unruhigen und unkontrollierten Begebenheit führen könnte (so wie sie es in Bezug auf den gesehenen Fernsehbericht erläutert). Jedoch kann meinerseits nicht vollständig nachgewiesen werden, dass bei der Teilnehmerin E1 die Vorurteile, die Offene Arbeit würde für Chaos und Unverbindlichkeiten stehen, vorhanden sind. !Die Teilnehmerin E2 erweckte ebenfalls nicht den Eindruck, dass sie das Konzept der Offenen Arbeit mit Chaos und Unverbindlichkeiten verbindet. Sie äußerte, dass es wichtig wäre, dass die Zuständigkeiten für das Aufräumen der Funktionsräume geklärt werden (vgl. Anlage III: Z. 14 f./S. 7) und dass in Bezug auf die Aufsichtspflicht klare Absprachen unter den KollegInnen herrschen, damit diese gewährt werden kann (vgl. Anlage III: Z. 2 f./S. 19). Jedoch konnte ich während der Auswertung des gesamten Interviews nicht die Feststellung treffen, dass sie chaotische Zustände mit dem Offenen Konzept verbindet. !Somit ist folglich die Vermutung, dass ErzieherInnen befürchten, dass Konzept der Offenen Arbeit mit Chaos und Unverbindlichkeiten einhergehen würde, zumindest für meine beiden Interviewteilnehmerinnen, teilweise nicht zu bestätigen. !5.6 Die pädagogischen Grundhaltungen zu Berufsausbildungszeiten !Wie bereits mitgeteilt, habe ich mir die beiden Teilnehmerinnen aufgrund ihrer vielen Arbeitsjahre im Beruf der Erzieherin ausgewählt. Ich vermutete, dass gerade diese beiden Erzieherinnen der Einrichtung dem Konzept der Offenen Arbeit sehr kritisch gegenüber stehen. Laut Mienert und Vorholz prägt die eigene Bildungsgeschichte sowie die pädagogische Grundhaltung zu den Ausbildungszeiten von ErzieherInnen bewusst und unbewusst das gegenwärtige Verhalten und Erleben (vgl. Mienert & Vorholz, S. 7 ff.). !Folgend soll nun auf diese Thematik eingegangen werden. !Beide Teilnehmerinnen haben, wie bereits erwähnt, in der ehemaligen DDR eine Berufsausbildung als Kindergärtnerin absolviert (vgl. Anlage II: Z. 28 f./S. 5 & Anlage II: Z. 28 f./S. 5). Die Teilnehmerin E1 teilte mir im Interview mit, dass sie zu Zeiten der ehemaligen DDR die Tagesgestaltungen in Kindergärten nach einem straff durch-organisierten Bildungs- und Erziehungsplan ausrichten musste. Das heißt, in diesem Konzept wurde vom Staat für die ErzieherInnen vorgegeben, welche Angebote je nach Alter der Kinder vorbereitet werden mussten.

!31

Hierzu war es zusätzlich erforderlich eine ausgiebige schriftliche Planung seitens der ErzieherInnen zu erstellen (vgl. Anlage II: Z. 29 ff./S. 7 f.). Auch durch die Teilnehmerin E2 wurde dies so wiedergegeben (vgl. Anlage III: Z. 20 ff./S. 14). !Mienert & Vorholz behaupten, der heutige Kita-Alltag hat sich trotz des neuen Bildungsverständnisses wenig verändert und ist immer noch geprägt von festen Strukturen und Abläufen (vgl. Mienert & Vorholz, S. 5). Dies kann ich so auch durch meine Tätigkeit in einer Kindertagesstätte bestätigen. Es gibt feste Zeiten für Mahlzeiten, Sportangebote, Gartenzeiten und die Mittagsruhe. Auch die beiden Teilnehmerinnen halten bisher an diesen Abläufen und Strukturen in der Einrichtung fest. Dies wurde vor allem bei der Teilnehmerin E1 in Bezug auf die Ausgestaltung der Mahlzeiten deutlich. Wie bereits schon unter Punkt 5.5 - Vorurteile bezüglich des Chaos und der Unverbindlichkeiten - beschrieben, war die Teilnehmerin E1 der Ansicht, dass Regeln, welche laut ihrer Aussage zu unserer „deutschen Kultur“ gehören, eingehalten werden sollten. Auf Nachfrage welche Regeln dies wären teilt sie unter anderem mit, dass alle gemeinsam am Tisch sitzen sollten, um Mahlzeiten einzunehmen und dabei eine ruhige Atmosphäre herrschen sollte (vgl. Anlage II: Z. 7 ff./S. 10). Diese Aussage lässt mich zu der Ansicht kommen, dass sie sich nicht davon lösen kann, den Kindern Vorgaben zu machen wann und wie die Mahlzeiten eingenommen werden. Auch auf die Frage, was sie an der aktuellen Konzeption ihrer Einrichtung ändern würde, äußerte sie, dass sie mit der aktuellen Ausgestaltung ihrer Arbeit zufrieden wäre (vgl. Anlage II: Z. 16 ff./S. 24). !Die Teilnehmerin E2 würde ebenfalls nichts an der gegenwärtigen Konzeption ihrer Einrichtung ändern. Zudem ist sie der Ansicht, dass in der Einrichtung bereits Öffnungsprozesse stattfinden. Die Kinder der Einrichtung könnten sich laut ihrer Aussage am Morgen, bevor sich alle Gruppen zusammenfinden, entscheiden in welche Gruppe sie gehen möchten und am Nachmittag bestünde diese Möglichkeit auch. Hierzu ist jedoch zu sagen, dass diese Möglichkeit lediglich aufgrund der unterschiedlichen Dienstzeiten der ErzieherInnen gegeben ist. !Jedoch äußerte sie gelegentlich Sätze, die vermuten ließen, dass sie zumindest die Chancen, welche das Konzept der Offenen Arbeit für die Kinder bieten kann teilweise bemerkt. Außerdem vermute ich, dass sie sich bereits unbewusst in Reflexion zu ihrer eigenen Berufsrolle befindet. !!

!32

Beispielsweise erkannte sie, wie bereits unter Punkt 5.1 - Bisherige Befassung mit dem Thema der Offenen Arbeit - beschrieben, dass im Kindergartenalltag Vorgaben durch das pädagogische Personal erfolgen und die Kinder somit in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt würden (vgl. Anlage III: Z. 26 ff./S. 15). Zudem vermutete die Teilnehmerin E2, dass sich die eigenen Interessen der Kinder unter Umständen früher aufzeigen könnten, wenn ihnen nicht immer alles von den ErzieherInnen vorgegeben würde (vgl. Anlage III: Z. 23 ff./S. 16). Des weiteren war sie der Ansicht, dass sich die Kinder wohlfühlen würden, wenn sie den Kontakt zu Freunden und Freundinnen aus anderen Gruppen jederzeit wahrnehmen könnten (vgl. Anlage III: Z. 22 ff./S. 20). !Inwieweit nun die eigene Bildungsgeschichte sowie die pädagogische Grundhaltung zu den Ausbildungszeiten bewusst und unbewusst das gegenwärtige Verhalten und Erleben von ErzieherInnen prägen, kann meinerseits nicht eindeutig belegt werden. Beide Teilnehmerinnen halten an den gegenwärtigen festen Strukturen und Abläufen der eigenen Einrichtung fest, was darauf deuten könnte, dass diese durchgeplanten Tagesabläufe in Zusammenhang stehen mit dem straffen Bildungs- und Erziehungs-plan zu Zeiten der ehemaligen DDR. Gerlinde Lill (2012) beschreibt, der Mensch sei ein Gewohnheitstier. Seine über die Jahre gesammelten Erfahrungen prägen sich ein und werden zur Routine (vgl. Lill 2012, S. 51). Das heißt, dass nicht nur die pädagogische Grundhaltung zu den Ausbildungszeiten das Handeln bewusst und unbewusst beeinflusst, sondern auch die eigene Erziehung sowie die gesamte Biografie. !Folglich kann anhand der getätigten Aussagen der Interviewteilnehmerinnen diese Vermutung weder widerlegt noch bestätigt werden. Hierzu wäre eine gesonderte Untersuchung erforderlich. Zudem bin ich der Ansicht, dass es nicht möglich ist eine sichere Aussage zu diesem Themenkomplex zu treffen anhand von lediglich geführten Interviews. Ich bin der Meinung, eine solche Hypothese lässt sich nur bestätigen oder widerlegen, wenn ebenfalls die Handlungsweisen der ErzieherInnen in der Praxis beobachtet werden. !Während der Ausarbeitung hatte ich bereits mehrfach erwähnt, dass ich die beiden Teilnehmerinnen ausgewählt hatte aufgrund der Vermutung, dass es gerade diesen beiden Erzieherinnen angesichts ihrer vielen Arbeitsjahre im Beruf schwerfallen würde, das Konzept der Offenen Arbeit anzunehmen. Diese Hypothese kann ich so nicht bestätigen. Die Teilnehmerin E2 zeigte sich im Vergleich zur Teilnehmerin E1 dem Offenen Konzept gegenüber sehr aufgeschlossen.

!33

Sie konnte bereits praktische Einblicke in Öffnungsprozesse in Kindertagesstätten erhalten, was meiner Ansicht nach ihren Blickwinkel in Bezug auf ihre eigene Rolle als Erzieherin und der möglichen Perspektiven der Kinder erweiterte. Im Vergleich dazu steht die Teilnehmerin E1 dem Konzept kritischer gegenüber. Jedoch liegt dies meiner Meinung nach nicht an der Anzahl ihrer Arbeitsjahre, sondern an fehlenden Einblicken bezüglich der Offenen Arbeit. !Ich bin folglich der Ansicht, dass es nicht relevant ist, wie viele Berufsjahre bereits absolviert wurden, sondern inwieweit das eigenen Handeln sowie die eigene Rolle im kindlichen Bildungsprozess stetig reflektiert und neu justiert wird. !5.7 Sonstige Erkenntnisse !Während der Auswertung der Interviews stellte ich fest, dass ich selbst zu Beginn der Interviews hauptsächlich meine Erläuterungen zu den Grundgedanken des Konzeptes an den sichtbaren Aspekten der Offenen Arbeit deutlich gemacht habe, was so von mir nicht beabsichtigt war. Jedoch habe ich damit eventuell die Gespräche, zumindest bei bestimmten Themenpunkten, unbewusst auf die sichtbare Seite der Offenen Arbeit gelenkt. Auswirkungen auf meine Ergebnisse hat dies meiner Ansicht nach allerdings aufgrund meiner unterschiedlichen Fragestellungen nicht. Denn ich habe bewusst Frage-stellungen auch in Bezug auf die unsichtbaren Seiten der Offenen Arbeit formuliert, um die Perspektiven der Teilnehmerinnen allumfassend aufzuzeigen. !Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass kurze Zeit vor den Interviews in einer Dienstberatung von allen MitarbeiterInnen der Einrichtung gemutmaßt wurde, dass ich zukünftig als Elternzeitvertretung die Leitung der Einrichtung übernehmen könnte. Aufgrund dieser Problematik ist zu berücksichtigen, dass somit eine absolute Offenheit der Teilnehmerinnen E1 und E2 nicht gewährleistet sein könnte. Das heißt, dass eventuell bewusst einige Äußerungen der Teilnehmerinnen zurückgehalten wurden, die ich als zukünftige Vorgesetzte nicht erfahren sollte. Dies kann jedoch meinerseits nicht nachgewiesen werden. Allerdings hatte ich während der Interviews des Öfteren die Vermutung, dass gerade bezüglich der Thematik - Umsetzungsmöglichkeiten in der eigenen Einrichtung - von der Teilnehmerin E2 versucht wurde, mir stark zu verdeutlichen, dass eine Umsetzung des Offenen Konzepts nicht möglich wäre. Dies wird vor allem aufgrund folgenden Aussagen deutlich. Auf die Frage, ob sich die Teilnehmerin E2 das Konzept der Offenen Arbeit in ihrer Einrichtung vorstellen könnte antwortete sie prompt: „Klares Nein“ (Anlage III: Z. 4/S. 23).

!34

Zum Ende des Interviews kommt sie selbstständig noch einmal auf diese Thematik zurück und äußert zusätzlich: „Es sind wirklich ganz ganz viele negative Sachen von hier, ne. Mmh, wo mer das oh ne probieren sollte. Man sollte es dann och ne übern Daumen, weil ich glaube, das funktioniert dann oh ne. Mmh. Meiner Meinung“ (Anlage III: Z. 22 ff./S. 27). !Diese Aussagen der Teilnehmerin E2 überraschten mich jedoch nicht, da sie, wie bereits schon erwähnt, das Konzept der Offenen Arbeit auf die sichtbaren Aspekte reduzierte. Für sie sind die vorhandenen Räumlichkeiten fundamental, um das Konzept in der eigenen Einrichtung umzusetzen. Möglicherweise bestehen bei ihr Bedenken, dass ich als eventuell zukünftige Vorgesetzte das Konzept der Offenen Arbeit während der Elternzeitvertretung den ErzieherInnen der Einrichtung aufdrängen möchte. Dies stellt jedoch nur eine Vermutung meinerseits dar. !6. Zusammenfassung der Untersuchung !Wie bereits im Zusammenhang mit meinen aufgestellten Vermutungen erläutert, war mein Ziel, in dieser Ausarbeitung herauszufinden, warum das Konzept der Offenen Arbeit von den ErzieherInnen der untersuchten Kita bisher abgelehnt wird. Die subjektiven Ansichten meiner Interviewteilnehmerinnen sollten Aufschluss darüber geben, welche Vorurteile, Sorgen und Ängste hinter einer Ablehnung des Offenen Konzepts in der eigenen Einrichtung stehen und welche Folgerungen sich daraus für die pädagogische Arbeit in Kindertagesstätten ergeben. Während der Auswertung der beiden Interviews kam ich nunmehr zu folgenden Ergebnissen: !1. Es konnte für beide Teilnehmerinnen festgestellt werden, dass eine literarische

Auseinandersetzung mit dem Konzept der Offenen Arbeit offensichtlich bisher nicht erfolgte. Bei der Teilnehmerin E2 erweckte es jedoch den Eindruck, dass sie sich bereits unbewusst in Reflexion zu ihrer eigenen Berufsrolle befindet, was an ihrer bisherigen Berufserfahrung in einer Horteinrichtung mit dem „Teiloffenen Konzept“ und/oder der Besichtigung einer Kindertagesstätte mit dem Offenen Konzept liegen kann. !

2. Die Vermutung, dass Konzept der Offenen Arbeit hauptsächlich auf die sichtbaren Aspekte reduziert wird, ist zu bestätigen. Die gegebene räumliche Ausstattung (Größe, Anzahl, Anordnung u.ä. der Zimmer) in Kindertagesstätten ist nach Ansicht der beiden Teilnehmerinnen fundamental für die Durchführung des Offenen Konzepts, gleich gefolgt von den organisatorischen Faktoren wie beispielsweise der Personaleinsatz und die Arbeitsstundenverteilung.

!35

3. Unsicherheiten, wie das Konzept der Offenen Arbeit in der eigenen Einrichtung umgesetzt werden könnte, waren bei der Teilnehmerin E1 merklich vorhanden. Das Interview war geprägt von Zweifeln und offenen Fragen wie beispielsweise die Umsetzung von Beobachtungen der Kinder, Entwicklungsgesprächen mit den Eltern oder wie Angebotsgestaltungen erfolgen. Sie wirkte eher unsicher und unschlüssig. Im Gegensatz dazu war dies bei der Teilnehmerin E2 nicht wahrzunehmen. Sie äußerte klare Vorstellungen bezüglich einer Realisierung des Konzepts in der eigenen Einrichtung. !

4. Für beide Teilnehmerinnen konnte festgestellt werden, dass Befürchtungen in Bezug auf bevorstehende Mehrarbeit in Verbindung mit der Umsetzung des Offenen Konzepts vorhanden sind. Sie sind der Ansicht, dass aufgrund der unterschiedlichen Altersgruppen in der erhöhten Anzahl der Kinder eine intensivere Vorbereitung sowie Planung von Angebotserstellungen erforderlich werden würde.

Die Teilnehmerin E1 ist zudem der Meinung, dass die Beobachtungen der Kinder sowie die Reflexion dieser Beobachtungen zunehmen würde, da sie mit einer Öffnung der Gruppen für „neue“ Kinder zuständig wäre. !5. Es kann für die Teilnehmerinnen E1 und E2 nicht bestätigt werden, dass Bedenken

bestehen, ihre eigene pädagogische Arbeit könnte von KollegInnen beobachtet, hinterfragt oder kritisiert werden. In der Gesamtheit ihrer Aussagen konnten diesbezüglich keine Rückschlüsse von mir getroffen werden, so dass meine Hypothese weder bestätigt noch widerlegt werden kann. Meinerseits wird jedoch vermutet, dass sich die Teilnehmerinnen dieser möglichen Tragweite des Offenen Konzepts nicht bewusst sind. Hierzu könnte eine gesonderte Untersuchung Aufschluss geben. !

6. Die Vermutung, ErzieherInnen würden das Konzept der Offenen Arbeit mit Chaos und Unverbindlichkeiten verbinden, kann ebenfalls nicht in vollem Umfang bestätigt werden. Bei der Teilnehmerin E1 bestehen meiner Ansicht nach Bedenken, dass die Ausgestaltungen der Mahlzeiten in einem Speisesaal sehr unruhig und unkontrolliert verlaufen könnten. Ob sie deshalb jedoch das gesamte Konzept der Offenen Arbeit mit chaotischen Verhältnissen assoziiert, kann in dieser Ausarbeitung nicht eindeutig geklärt werden. Die Teilnehmerin E2 erweckte nicht den Eindruck, sie würde Zusammenhänge diesbezüglich befürchten. Allerdings kann eine eindeutige Aussage aufgrund der begrenzten Ausführungen der Teilnehmerinnen zu diesem Themenbereich nicht getroffen werden. !

!36

7. Inwieweit die eigene Bildungsgeschichte sowie die pädagogische Grundhaltung zu den Ausbildungszeiten bewusst und unbewusst das gegenwärtige Verhalten und Erleben von ErzieherInnen prägen, kann meinerseits nicht eindeutig belegt werden. Beide Teilnehmerinnen halten zwar an den gegenwärtigen festen Strukturen und Abläufen der eigenen Einrichtung fest, jedoch kann dies noch kein Indiz für die zuvor beschrieben Vermutung darstellen. Zudem bin ich der Ansicht, dass es nicht möglich ist eine sichere Aussage zu diesem Themenkomplex zu treffen anhand von lediglich geführten Interviews. Ich bin der Meinung, eine solche Hypothese lässt sich nur bestätigen oder widerlegen, wenn ergänzend hierzu die Handlungsweisen der ErzieherInnen in der Praxis beobachtet werden. Eine erneute, intensivere Erforschung dieses Themengebiets könnte meiner Ansicht nach weitreichendere Erkenntnisse liefern. !

8. Für die Interviews wählte ich die Teilnehmerinnen E1 und E2 aus aufgrund ihrer vielen Arbeitsjahre im Beruf der Erzieherin und der damit verbundenen Vermutung, dass gerade sie aufgrund ihrer Dienstjahre das Konzept der Offenen Arbeit ablehnen. Jedoch ist erkennbar, dass die Teilnehmerin E2 im Vergleich zur Teilnehmerin E1 dem Konzept gegenüber weitaus aufgeschlossener gegenüber-steht, obwohl sie länger im Beruf der Erzieherin tätig ist. Somit zeigt sich, dass die Anzahl der Arbeitsjahre bei dieser Thematik keine Rolle spielt. Ich bin der Ansicht, die Reflexion und Neujustierung des eigenen Handelns sowie das Überdenken der eigenen Berufsrolle im kindlichen Bildungsprozess sind wichtige Vorraussetzungen, um dem Konzept der Offenen Arbeit nicht komplett negativ gegenüber zu stehen. !

7. Resümee der Untersuchungsergebnisse !Als Gesamtergebnis ist zu sagen, dass ein Zusammenhang besteht zwischen einer fehlenden allumfassenden (literarischen) Auseinandersetzung mit der Offenen Arbeit und der Reduzierung auf die sichtbare Seite sowie der Ungewissheit der Umsetzungs-möglichkeiten des Konzepts und der Sorge der Mehrarbeit. !Um die zuvor beschriebenen Zusammenhänge gut nachvollziehbar darstellen zu können, wird folgend diese Thematik in einer Übersichtstabelle dargestellt. !!!!!

!37

!Folglich bin ich der Ansicht, dass eine positive Haltung dem Konzept gegenüber hauptsächlich erst möglich wird, indem sich das pädagogische Personal allumfassend mit der Thematik der Offenen Arbeit befasst. Hierfür ist jedoch der Veränderungswille der ErzieherInnen Voraussetzung. Dieser entsteht meiner Meinung nach durch die Reflexion und Neujustierung des eigenen Handelns sowie durch das Überdenken der eigenen Berufsrolle im kindlichen Bildungsprozess.

Die herausgearbeitete fehlende literarische Befassung der Teilnehmerinnen

!!führt zu

einer Reduzierung der Offenen Arbeit auf die sichtbare Seite.

Diese Reduzierung auf die sichtbaren Aspekte

!!!!!!!führt dazu,

dass: 1. die Umsetzungsmöglichkeiten in

der eigenen Einrichtung abhängig gemacht werden von beispielsweise der Größe der Räumlichkeiten,

2. die unsichtbaren Aspekte unberücksichtigt bleiben und

3. sich der Grundgedanke des Konzeptes für die Teilnehmerinnen E1 und E2 nicht bzw. kaum erschließt.

Die somit verborgenen unsichtbaren Aspekte

!!!!!!führen dazu,

dass: 1. Sorgen und Unsicherheiten, wie

beispielsweise Angebotsgestaltungen für über 50 Kinder oder die erforderlichen Beobachtungen und Elterngespräche erfolgen sollen und

2. falsche Ansichten von der Konzeptumsetzung entstehen.

Diese Gesamtheit der Bedenken gegen das Konzept

!!!führt zu

einer überwiegend negativen Ansicht über das Konzept der Offenen Arbeit und einer damit einhergehenden Ablehnung.

!38

Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass zwar vermehrt ähnliche Gründe hinter einer Ablehnung des Offenen Konzepts stehen, diese jedoch für jeden einzelnen Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin eine individuell starke Gewichtung haben. !Somit ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an die pädagogische Arbeit in Kindertagesstätten. Diese werden folgend näher erläutert. !8. Folgerungen für die pädagogische Arbeit in Kindertagesstätten !Eine offene Haltung dem Konzept der Offenen Arbeit gegenüber kann nicht erzwungen, auferlegt oder einstudiert werden, sondern muss selbstständig wachsen. Die bisherigen Betrachtungsweisen über das eigene pädagogische Handeln sowie die im Lauf der Berufsjahre erworbenen Gewohnheiten können sich lediglich innerhalb eines allmählichen Prozesses wandeln. Daher ist meiner Ansicht nach vorrangig von Bedeutung, den ErzieherInnen einer Kindertagesstätte das Konzept der Offenen Arbeit nicht aufzuerlegen. Außerdem sollte ihnen die Möglichkeit gegeben werden, ihren eigenen inneren Antrieb zu entdecken etwas verändern zu wollen. !Es ist erforderlich bei jeder einzelnen Mitarbeiterin und jedem einzelnen Mitarbeiter zu erforschen, welche Gründe hinter einer bisherigen Ablehnung der Offenen Arbeit stehen, da, wie bereits in der Ausarbeitung erwähnt, vermehrt ähnliche Gründe ausschlaggebend für eine Zurückweisung des Konzeptes sind, welche jedoch meiner Meinung nach individuelle Bedeutung besitzen. Hierauf differenziert einzugehen und die Bedenken und Sorgen der MitarbeiterInnen ernst zu nehmen kann ein erster Schritt sein, dass sie sich dem Konzept selbstständig annähern. Außerdem führt dies zu einer vertrauensvolleren Ebene der Zusammenarbeit. Ein unterstützender Aspekt zum Entdecken des eignen Veränderungswillens ist die gemeinsame (literarische) Erarbeitung über die Entstehung der Offenen Arbeit und dessen Grundgedanken sowie die sichtbaren und unsichtbaren Seiten. Somit wird der Sinn und Zweck des Konzepts zunehmend erkennbar. Zudem werden meiner Ansicht nach Irrtümer bezüglich des Konzepts beseitigt, welche oftmals zu Unsicherheiten führen und folglich zu einer Ablehnung des Konzept beitragen. !Ebenfalls können Hospitationen in mehreren verschiedenen Einrichtungen mit Offener Arbeit die Sicht auf das Konzept verändern. Es wird infolgedessen für die MitarbeiterInnen greifbarer und damit einhergehend sichtbar, dass die Umsetzung der Offenen Arbeit in der Praxis unter vielen unterschiedlichen Voraussetzungen möglich ist.

!39

Korrelierend mit den Hospitationen sollten dann Gespräche mit KollegInnen, welche das Offene Konzept bereits verfolgt haben, erfolgen und Erfahrungsberichte aus-getauscht werden. !Ich glaube, dass Erzieher und ErzieherInnen Sicherheiten benötigen. Sie möchten wissen worauf sie sich einlassen. Daher sind inhaltliche Eindeutigkeiten einer Offenen Konzeption, aber auch organisatorische Gegebenheiten, welche Halt und Orientierung bieten, zwingend erforderlich. Doch nicht nur die Erzieher und ErzieherInnen selbst sind auf Sicherheit angewiesen. Auch die Kita-LeiterInnen bedürfen Unterstützung und Beratung. Hierfür sind die FachberaterInnen zuständig. Diese beraten unter anderem ErzieherInnen, LeiterInnen und Kindertageseinrichtungen in personellen, organi-satorischen und prozessorientierten Angelegenheiten. Das heißt, zu ihren Aufgaben gehören neben der Qualifizierung und Beratung des pädagogischen Personals auch die gemeinsame Planung von Konzeptionen sowie Entwicklungsprozesse voranzutreiben und zu unterstützen. Sie erarbeiten gemeinsam mit dem gesamten Team der Einrichtung erforderliche Kenntnisse und Fähigkeiten für die Umsetzung einer Konzeption. FachberaterInnen gelten laut Vera Bamler als SpezialistInnen im Elementarbereich der pädagogischen Praxis (vgl. Bamler). Mit ihrem fachspezifischen Wissen geben sie nicht nur den LeiterInnen starke Sicherheit und Zuversicht, sondern dem gesamten Team, was meiner Ansicht nach zum Öffnungsprozess enorm beiträgt. !Durch diese Ausarbeitung wurde mir bewusst, dass das Konzept der Offenen Arbeit nicht in einem engen Zeitfenster umgesetzt werden kann. Es benötigt viel Zeit, Einfühlungsvermögen, Geduld und Verständnis. Es handelt sich um einen allmählichen Prozess, in dem kein Mitarbeiter und keine Mitarbeiterin übergangen und übersehen werden sollte. Denn jeder Einzelne von ihnen ist wichtig für den Erfolg dieses Konzepts sowie der eigenen, individuellen Ausgestaltung. !!!!!!!!!!

!40

9. Literaturverzeichnis !Atteslander, P. (1993): Methoden der empirischen Sozialforschung. 7. bearb. Auflage. de Gruyter: Berlin, New York (Sammlung Gröschen 2100) !Bamler, V.: Fachberatung als Bestandteil der Qualitätsentwicklung im Bereich von Kindertageseinrichtungen und der Tagespflege. In: Textor, M.R. (Hrsg.): Kindergarten-pädagogik. Online-Handbuch. Online-Publikation: http://www.kindergartenpaedagogik.de/1550.html, verfügbar am 03.01.2013 !Brinkhoff, K.-P. (1996): Kindsein ist kein Kinderspiel. Über die veränderten Bedingungen des Aufwachsens und notwendige Perspektiverweiterung in der modernen Kindheitsforschung. In: Mansel, J. (Hrsg.) (1996): Glückliche Kindheit-Schwierige Zeit? Über die veränderten Bedingungen des Aufwachsens. Band 7. Leske + Budrich: Opladen !Hurrelmann, K. & Bründel, H. (2003): Einführung in die Kindheitsforschung. 2. Auflage. Beltz Verlag: Weinheim, Basel, Berlin !Lamnek, S. (2005): Qualitative Sozialforschung. Lehrbuch. 4. Auflage. Beltz Verlag: München, Weinheim !Lill, G. (2006): Einblicke in Offene Arbeit. Betrifft Kinder extra. Verlag das Netz: Weimar, Berlin !Lill, G. (2010): Äußere Merkmale Offener Arbeit, Teil 3. Was Sie schon immer über Offene Arbeit wissen wollten. Betrifft Kinder. Heft 11-12/10. Verlag das Netz. Online-Publikation: http://www.wbs-eltern.de/alt/wp-content/uploads/2011/05/Teil3.pdf, verfügbar am 13.12.1013 !Lill, G. (2011): Rechte von Kindern, Teil 4. Was Sie schon immer über Offene Arbeit wissen wollten. Betrifft Kinder Heft 01-02/11. Verlag das Netz. Online-Publikation: http://www.wbs-eltern.de/alt/wp-content/uploads/2011/05/Teil4.pdf, verfügbar am 13.12.2013 !Lill, G. (2012): Was Sie schon immer über Offene Arbeit wissen wollten. Fragen und Antworten. Betrifft Kinder extra. Verlag das Netz: Weimar, Berlin !

!41

Mansel, J. (Hrsg.) (1996): Glückliche Kindheit-Schwierige Zeit? Über die veränderten Bedingungen des Aufwachsens. Band 7. Leske + Budrich: Opladen !Mienert, M. & Vorholz, H.: Die neuen Bildungspläne und die Rolle der Erzieherin. Neue Aufgaben erfordern ein neues Selbstverständnis. Online-Publikation: http://www.mamie.de/pdf/RolleRaabe.pdf, verfügbar am 13.12.2013 !Mienert, M. & Vorholz, H. (2007): Umsetzung der neuen Bildungsstandards in Kindertagesstätten. Chancen und Schwierigkeiten für Erzieherinnen. In: Carle, U. & Wenzel, D. (Hrsg.) (2007): Bildungsforschung. Jahrgang 4. Ausgabe 1. Online-Publikation: http://www.bildungsforschung.org/index.php/bildungsforschung/article/viewFile/52/55, verfügbar am 13.12.2013 !National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland (Hrsg.): Übereinkommen über die Rechte des Kindes. UN-Kinderrechtskonvention im Wortlaut mit Materialien. Online-Publikation: http://www.national-coalition.de/pdf/UN-Kinderrechtskonvention.pdf, verfügbar am 13.12.2013 !Regal G. & Wieland, A. (Hrsg.) (1993): Offener Kindergarten konkret. Veränderte Pädagogik in Kindergarten und Hort. E.B.-Verlag Rissen: Hamburg !Sächsisches Staatsministerium für Kultus (Hrsg.) (2011): Der Sächsische Bildungsplan. Ein Leitfaden für pädagogische Fachkräfte in Krippen, Kindergärten und Horten sowie für Kindertagespflege. Verlag das Netz: Weimar, Berlin !Ziegler, K. (1996): Psychosoziale Bewältigung von Stress im Kindesalter. In: Mansel, J. (Hrsg.) (1996): Glückliche Kindheit-Schwierige Zeit? Über die veränderten Beding-ungen des Aufwachsens. Band 7. Leske + Budrich: Opladen !!!!!!!!!!

!42

Erklärung zur selbstständigen Anfertigung der Ausarbeitung !Ich erkläre, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und nur unter Verwendung der angegebenen Literatur und Hilfsmittel angefertigt habe. !!Waldenburg, 12.01.2014 !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

!43

10. Anlagen !

Anlage I: Interview-Leitfaden !Anlage II: Interview 1 mit der Teilnehmerin E1 !Anlage III: Interview 2 mit der Teilnehmerin E2 !Anlage IV: Themenmatrix

!44