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32 albanien heilkräuter vom balkan Salbei, Lavendel, Wacholder und andere Heil- und Gewürzpflanzen kommen in beträchtlichen Mengen aus Albanien. Dort werden sie traditionell in der Natur gesammelt und auch in zertifizierten Biobetrieben angebaut.

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albanien

heilkräuter vom balkanSalbei, Lavendel, Wacholder und andere Heil- und Gewürzpflanzen kommen in beträchtlichenMengen aus Albanien. Dort werden sie traditionell in der Natur gesammelt und auch in zertifizierten Biobetrieben angebaut.

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securvital - das magazin 3 | 18

as Sammeln von wildem Salbei isteine anstrengende Handarbeit. In

der kargen Hügellandschaft im Süden Alba-niens ist der Kräutersammler Petrica Ngjelaunterwegs, um zwischen trockenem Grasund kalkigen Felsbrocken die würzigen Salbeiblätter zu ernten. »Salbei wächstmeistens an Felsen und Steinen«, sagt der40-Jährige. Mit einer Sichel schneidet er die Büschel ab, wobei er darauf achtet, dieWurzeln nicht zu beschädigen und immerein Drittel der Pflanzen stehen zu lassen, für die Ernte im nächsten Jahr.

Von Juni bis Oktober kann Petrica NgjelaSalbei sammeln. Bis zu 25 Euro verdient erfür eine Tagesernte von fünfzig bis sechzigKilogramm. »Es ist das wichtigste Einkom-men unserer Familie, und das nun schonseit zwanzig Jahren.« Zusätzlich arbeitet erauch bei der Ernte von Wacholder mit. Inden wenig entwickelten Bergregionen ver-dienen sich viele Albaner ihren Lebensun-terhalt mit dem Sammeln von Wildkräu-tern. Andere Verdienstmöglichkeiten gibt

es kaum. Erntehelfer im benachbarten Grie-chenland wäre eine der wenigen Alternati-ven. Albanien ist, obschon Beitrittskandidatzur EU, eines der ärmsten Länder Europas.

bio-qualitätEtwa 20 Millionen Euro pro Jahr beträgtdas albanische Handelsvolumen für Heil-und Gewürzkräuter. Das ist zwar nur ein

Bruchteil der Gesamtexporte des Landes,aber ein wichtiger Einkommenszweig fürviele Familien in den ländlichen Regionen.Albanien gilt als weltweit wichtigster Exporteur von Salbei, der unter anderembei Halsschmerzen und Entzündungenhilft. Auch bei anderen Heil- und Gewürz -pflanzen ist Albanien so etwas wie derKräutergarten Europas. Das österrei-chische Bio-Unternehmen Sonnentor zum Beispiel importiert aus Albanien Malven-blüten, Kornblumen, Oregano, Wacholder-beeren, Lindenblüten und eine Reihe vonweiteren Pflanzen für die Herstellung undZubereitung von Tees und Gewürzen, allein zertifizierter Bio-Qualität.

Hauptabnehmer in der EuropäischenUnion ist Deutschland, darüber hinauswird auch viel in die USA exportiert. Albanien verkauft von den wichtigstenKräutern jeweils mehrere Tausend TonnenTrockenware pro Jahr. Die Bedeutung die-ses Exportgutes zeigt sich selbst mitten inder Hauptstadt Tirana: Vor dem alten

Kulturpalast aus kommunistischen Zeitenwachsen Salbei, Oregano und Lavendel ineingefassten Beeten.

Die sehr unterschiedlichen Böden, Klima-zonen und Landschaften Albaniens bringeneine große Vielfalt an Pflanzenarten hervor.300 verschiedene Arten von Heil- und Ge-würzpflanzen wurden in Albanien be-stimmt. Zum Teil zeichnen sie sich durch ei-

nen besonders hohen Gehalt an Inhalts-stoffen aus. Auf dem Weltmarkt sind siedeshalb begehrt für die Herstellung von Ge-würzen, Essenzen, Tees, Kosmetik oder Me-dizinprodukten. Das ist ein Pluspunkt fürdas arme Land, in dem so viele Familien vonden Überweisungen ihrer ausgewandertenAngehörigen abhängig sind.

esel statt traktorAm Ende eines langen Arbeitstages bringtPetrica Ngjela seine Ernte zu einem klapp-rigen Lastwagen am Fuße des Berges. DenWagen hat die Firma »Gjerda MedicalPlants« geschickt. Sie hat als lokales Verar-beitungsunternehmen rund zweitausendSammler im Einsatz. Wenn die Ladeflächevoll ist, zuckelt der Lastwagen über gewun-dene Bergstraßen hinab zur Verarbeitungin die Stadt Berat.

Die Fahrt geht vorbei an kleinen Maisfel-dern. Männer ernten den Mais per Handund laden die Bündel auf den Rücken vonEseln. Das ist ein häufiger Anblick in Alba-

nien, erst langsam entwickelt sich einemotorisierte Landwirtschaft. Auf einemkahlen Hang neben dem Feld liegt ausSteinen in riesigen Buchstaben das WortNEVER. »Bis zum Sturz des Regimes im Jahr1990«, erklärt der Fahrer, »waren die Steinenoch zu ENVER angeordnet« – zu Ehren desDiktators Enver Hodscha. Nach dessenSturz nahmen beherzte Anwohner die

D

Lavendel, Salbei und Malven (oben) sind wertvolle Exportgüter Albaniens. Die Maisernte ist für den Eigenverbrauch.

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Umgestaltung der Steinbuchstaben vor. Inden Firmenhallen von »Gjerda MedicalPlants« im Gewerbegebiet Berats ratternmoderne Maschinen. Sie entfernen Stän-gel, Staub und Steine. Ein eigenes Labortestet den Ölgehalt und bestimmt die Arten. »Wir müssen unserehohe Qualität sicherstel-len, ansonsten haben wirkeine Chance bei unserenAbnehmern«, erklärt derDirektor, Gjergji Qose. Umdie 2.500 Tonnen verschie-dener Pflanzen verkauft das Unternehmenpro Jahr, überwiegend Salbei, Oregano undLavendel.

Doch die Geschäfte mit dem Haupt -produkt Salbei gehen schlechter. Währendbei den Wildsammlungen darauf zu ach-ten ist, dass kein übermäßiger Raubbaubetrieben und nur in nachhaltigen Men-gen geerntet wird, bauen immer mehrLandwirte Salbei auf ihren Feldern als Kul-turpflanze an, auch mit importiertemPflanzgut. Damit steigt das Angebot aufdem Markt.

»Der Anbau in der Landwirtschaft bringtzwar höhere Erträge, aber weniger Quali-tät«, meint Direktor Gjergji Qose. Salbeiaus Albanien verliere damit seinen gutenRuf. »Zum Glück wächst der Markt für zer-tifizierte Bioprodukte aus nachhaltigerSammlung. Er macht mittlerweile fast ein

Drittel unseres Verkaufes aus.« Vom Bio-Boom profitiert auch das italienisch-alba-nische Gemeinschaftsunternehmen Natu-ralba in der Nähe der Hafenstadt Durres.Vom Firmensitz aus geht der Blick über Pinienwälder und das azurblaue Meer der

Adria. In den Bergen rundherum sorgenWildkräuter für einen unverwechselbarenDuft, der sich mit der salzigen Brise vomMeer vermischt. Naturalba liefert hand -verlesene Pflanzen an renommierte Her-steller von Naturkosmetik, Medizin undNahrungsergänzungsmitteln.

kostbares ölEbenso wie beim Sammeln wird auch beider Weiterverarbeitung vieles von Handgemacht. An Sortiertischen stehen Frauenund Männer mit Mundschutz. So schützensie sich gegen Staub und eine Überdosisätherischer Öle, während sie die angelie-ferte Ware nach Größe und Qualität sortie-ren, ganze Blätter von beschädigten tren-nen und kleine Steine und Verunreinigun-gen herausfischen. Mit seinen niedrigenLöhnen hat Albanien einen Wettbewerbs-

vorteil auf dem Weltmarkt. Ein Beispiel für erfolgreichen Anbau von Heil- und Gewürzpflanzen hat der Landwirt Ilir Gjo-laj erbracht. Vor dreizehn Jahren kaufte er für 200 Euro seinen ersten Hektar in derRegion Koplik am Shkodra-See. »Alle ha-ben mich damals für verrückt erklärt, weilich mein Geld in einen Haufen Steinesteckte, niemand wollte in die Land -wirtschaft gehen«, erinnert er sich. Mittlerweile baut er Salbei, Lavendel, Korn-blumen und verschiedene andere Medizi-nal- und Gewürzpflanzen an. Zusammenmit Partnern bewirtschaftet er jetzt ins -gesamt 90 Hektar.

Die kalkhaltigen Böden der Region sind gut geeignet für den Anbau. Die vielenSteine speichern die Sonnenwärme. Hiertrifft die alte landwirtschaftliche Traditionmit modernen Verarbeitungsmethodenzusammen. Um die Erträge zu erhöhen,hat Ilir Gjolaj eine neue Destillations -anlage gekauft. »Sie holt den gesamten Ölgehalt aus den Pflanzen. Vorher schaff-ten wir nicht einmal die Hälfte.« Auf denersten Blick sieht die Ausbeute gering aus.

Aus einer Tonne Lavendel gewinnt mangerade einmal sechs bis zehn Liter Öl, beiStrohblumen sogar nur eineinhalb bis zweiLiter. Aber für das Öl zahlen Kosmetik -firmen oder Hersteller von Arzneimittelngutes Geld: 1.500 Euro pro Liter, wenn dieQualität stimmt. n

Die Kräuterernte wird von Hand sortiert und geprüft, nur beste Qualität ist für Tee geeignet.

»Die Ernte von wildem Salbeiist das wichtigste Einkommenunserer Familie.«Petrica Ngjela, Salbei-Sammler