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Römische Geschichte I – Die Republik Jan Bruners Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 2 Königszeit 2 3 Die Republik 2 3.1 Das politische System .............................. 3 3.1.1 Magistrate ................................ 3 3.1.2 Volksversammlungen .......................... 4 3.1.3 Senat .................................. 5 4 Der Ständekampf (4. Jahrhundert) 6 5 Die Unterwerfung Italiens (ca. 350-265 v. Chr.) 7 6 Der Aufstieg zur Weltherrschaft (264-133 v.Chr.) 8 6.1 Rom im Westen - Punische Kriege ........................ 8 6.2 Rom und der hellenistische Osten ........................ 10 7 Die römische Innenpolitik bis zu den Gracchen 11 8 Die römische Revolution (133-30 v. Chr.) 12 8.1 Die Gracchen .................................. 12 8.2 Wiederaufnahme der Revolution ......................... 13 8.3 Restauration unter Sulla ............................. 15 8.4 Pompeius und das Ende der Restauration .................... 16 8.5 Caesar und das 1. Triumvirat .......................... 17 8.5.1 Der Aufstieg Octavians ......................... 20

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Page 1: Römische Geschichte I – Die Republik · 1 Vorgeschichte 2 1 Vorgeschichte Zu Beginn des zweiten Jahrtausends drangen zum ersten Mal indogermanische Stämme in Itali-en ein: sie

Römische Geschichte I – Die Republik

Jan Bruners

Inhaltsverzeichnis

1 Vorgeschichte 2

2 Königszeit 2

3 Die Republik 23.1 Das politische System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

3.1.1 Magistrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.1.2 Volksversammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.1.3 Senat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

4 Der Ständekampf (4. Jahrhundert) 6

5 Die Unterwerfung Italiens (ca. 350-265 v. Chr.) 7

6 Der Aufstieg zur Weltherrschaft (264-133 v.Chr.) 86.1 Rom im Westen - Punische Kriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86.2 Rom und der hellenistische Osten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

7 Die römische Innenpolitik bis zu den Gracchen 11

8 Die römische Revolution (133-30 v. Chr.) 128.1 Die Gracchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128.2 Wiederaufnahme der Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138.3 Restauration unter Sulla . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158.4 Pompeius und das Ende der Restauration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168.5 Caesar und das 1. Triumvirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

8.5.1 Der Aufstieg Octavians . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

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1 Vorgeschichte 2

1 Vorgeschichte

Zu Beginn des zweiten Jahrtausends drangen zum ersten Mal indogermanische Stämme in Itali-en ein: sie bildeten die Terramare-Kultur. Die zweite Welle der Indogermanisierung (um 1000)brachte zwei Gruppen nach Italien: die Umbro-Sabeller und die Latino-Fallisker, eine relativ klei-ne Minderheit. Sie begründeten die Villanova-Kultur. Die Ureinwohner wurden zum großen Teilverdrängt oder vermischten sich mit den neuen Völkern.

Etwa 100 Jahre später begannen die Etrusker, sich in Italien anzusiedeln. Von den Küsten ausdrangen sie ins Landesinnere vor und nahmen die Toskana in Besitz. Sie gründeten im 8./7. Jahr-hundert die latinische Siedlung Rom. Der römischen Legende zufolge wurde die Stadt 753 vontrojanischen Flüchtlingen (Aeneas) bzw. ihren Nachkommen (Romulus) gegründet. Wenig späterbegannen auch griechische Kolonisten in Italien Fuß zu fassen. Sie beschränkten sich allerdingsauf die Küsten und versuchten nicht, Einfluß auf die Italiker zu gewinnen. Dagegen bauten dieEtrusker zielstrebig ihre Herrschaft über Italien aus. Sie unterwarfen die Umbrier und bildeteneine Herrenschicht auf dem Gebiet der heutigen Toskana. Gleichzeitig installierten sie ihre Kulturund den von den Griechen übernommenen Stadtstaat. Häufig waren sie Vermittler der griechi-schen Kultur. Im 6. Jahrhundert war die etruskische Expansion vor allem in Norditalien sehr stark:sie führte bis zur Adria und zum Po.

2 Königszeit

Die Etrusker übertrugen ihr aristokratisches System auf Rom: die Patrizier/Ritter bildeten denAdelsrat (Senat), der den König wählte. Die Macht des Königs war stark von seiner persönlichenAutorität abhängig, seine Würde konnte nicht vererbt werden. Das Vorbild war der etruskische„lucumo“. Der römische Staat übernahm also die etruskische (mit griechischen Elementen durch-setzte) Kultur und entwickelte sie weiter. Rom stieg im Laufe des 6. Jahrhunderts schnell zu großerBedeutung auf und vergrößerte sein Gebiet durch Eingemeindungen von 150 auf 882 km2 . SeinHerrschaftsgebiet erstreckte sich über Latium hinaus.

3 Die Republik

Der römische Adel, die Patrizier, fühlte sich zunehmend von der etruskischen Vorherrschaft unddem Königtum eingeschränkt. Sie vertrieben den letzten König, Tarquinius Superbus (angeblich510) und befreiten sich von der etruksischen Herrschaft. Dadurch verlor Rom zunächst seineVormachtstellung im Latium, die es unter dem Schutz der Etrusker hatte ausbauen können. DerDruck durch die sabellisch-oskischen Stämme führte dazu, daß sich die römisch-latinische Ge-meinschaft trotzdem nicht auflöste. Erst zu Beginn des 4. Jahrhunderts konnte Rom zum Ge-genstoß ausholen und große Gebiete gewinnen. 396 hatte es auch gegen die Etrusker Erfolg undzerstörte Veii. Am 16. Juli 387, dem dies alliensis, eroberten die Kelten Rom nach einer Vernich-tungsschlacht an der Allia.

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3 Die Republik 3

In der frühen Republik herrschte wie vorher der Adel, allerdings ohne den König als übergeordneteInstanz. Die Folge war eine Aufwertung der Adelsversammlung (Senat), der jetzt die höchstepolitische Instanz darstellte. Zunächst gab es noch kein Exekutivorgan, sondern nur Heerführer(praetores), die jeweils für ein Jahr amtierten. Ein praetor maximus vertrat, ebenfalls für ein Jahr,die Stelle des Königs. Der Adel war in drei Tribus aufgeteilt, die 10 Curien enthielten, zu denen dieeinzelnen Sippen (gentes) und Familien gehörten. Aus diesen Curien wurden die Curiatkomitien(comitia curiata) gebildet, die politische Entscheidungen trafen. Allerdings gab erst das Votum desSenats (patrum auctoritas) ihren Beschlüssen Gültigkeit. Die adeligen Familien (die Nachfolgerder Sippen) waren ein starker und relativ unabhängiger Sozialkörper.

3.1 Das politische System

Nach Polybios hatte der römische Staat eine gemischte Verfassung mit demokratischen (Volks-versammlung), monarchischen (Magistrate) und aristokratischen Elementen (Senat). Tatsächlichwurde Rom aber von einem aristokratischen Gremium, dem Senat, geleitet und war insofern ei-ne Adelsrepublik, obwohl der Senat keine der drei Gewalten (Exekutive, Judikative, Legislative)offiziell ausübte.

3.1.1 Magistrate

Die Magistrate bildeten (nach modernem Sprachgebrauch) die Exekutive bzw. Judikative des rö-mischen Staates, an ihrer Spitze standen seit der Konsulatsverfassung von 367 (leges Liciniae Sex-tiae) die Konsuln, die auch den Oberbefehl über das Heer (imperium) hatten. Ein Prätor (spätermehrere) war für die Rechtsprechung zuständig, wobei er sich auf traditionelle Prozeßformelnstützten (bis zum Zwölftafelrecht in der Hand der Pontifices). Aedilen regelten die Ordnung beiMärkten und organisierten die öffentlichen Feste, Quästoren trieben Steuern ein und verwaltetenden Haushalt.

Jeder römische Magistrat amtierte nur ein Jahr (Prinzip der Annuität) und war stets an die Zu-stimmung eines Kollegen gebunden (Prinzip der Kollegialität). Die Interzession z.B. des jeweilsanderen Konsuls konnte jede Initiative verhindern. Dadurch war gewährleistet, daß sich jederBeamte vor einem Beschluß mit seinem Kollegen und anderen einflußreichen Mitgliedern desSenats verständigte. Die höheren Magistrate hatten zusätzlich ein Verbietungsrecht gegenüberMagistraten nierdigeren Ranges: ein Konsul konnte allen Magistraten (außer dem Diktator unddem Volkstribunen) eine Initiative verbieten. Weitere Prinzipien waren das Verbot der Kontinuität(Bekleidung mehrerer Ämter in unmittelbarer Folge) und der Iteration (mehrmalige Bekleidungeines Amtes).

Die höheren Magistrate hatten das alleinige Initiativrecht in Rom: sie beriefen und leiteten sowohlSenat als auch die Volksversammlungen. Das entsprach der üblichen Trennung in initiierende undbeschlußfassende Gewalt, anders als die heutige Dreiteilung. Ursprünglich wurden die Magistratewohl durch den Senat bestellt, später dann durch die verschiedenen Volksversammlungen (s.u.)

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3 Die Republik 4

gewählt. Die Mitglieder der aristokratischen Familien durchliefen die Ämterlaufbahn (cursus ho-norum) nach diesen Regeln, eingebunden in ein Netz aus Traditionen und moralisch gebunden andie Beschlüsse des Senats (senatus consultum). Nach der Bekleidung der höheren Ämter nahmensie selbst einen Platz im Senat ein.

Mit der Ausdehnung des römischen Reiches und der Einrichtung von Provinzen wurden neueBeamte notwendig, um die außeritalischen Gebiete zu verwalten. Für diese Aufgaben wählte manehemalige Konsuln und Prätoren (Prokonsuln bzw. Proprätoren), die den politischen und militä-rischen Oberbefehl in ihrer Provinz hatten. Diese Promagistraturen, ursprünglich für eine etwasverlängerte Amtszeit eines Magistraten geschaffen, seit Sulla ein reguläres Amt, erwiesen sich alsgefährlich: durch die fehlende Kontrolle des Senats und die teilweise göttliche Verehrung im Os-ten entwickelten einige römische Statthalter den Ehrgeiz, die Macht auch in Rom an sich zureißen (s. Die römische Innenpolitik bis zu den Gracchen). Außer den exekutiven Magistratengab es die Zensoren, die die Steuer- und Senatslisten für fünf Jahre festlegten. Wegen der großenBedeutung dieses Amtes für die Zusammensetzung des Senats und der Stimmgewichte in denZenturiatskomitien wurden nur Männer von großer moralischer Autorität für dieses Amt ausge-wählt. Sie amtierten bis zu 18 Monate. In Notfällen wurde an die Stelle der Konsuln ein Diktatormit umfassenden Vollmachten gesetzt. Innerhalb von sechs Monaten mußte er die gestellte Auf-gabe erledigen. Weil in diesem Fall die sichere Kontrolle durch einen Kollegen nicht gegeben war,mußte er die konkrete Aufgabe innerhalb von sechs Monaten erledigen, was im Fall eines Kriegesauch völlig ausreichte.

Zu den offiziellen Ämtern kamen im Laufe des 5. Jahrhunderts die zunächst zwei (später zehn) re-volutionären plebejischen Volkstribune, die die Plebs im Ständekampf anführten. Sie waren nichtwie die Magistrate durch die Komitien, sondern durch eine Versammlung der Plebejer gewählt.Auch sie hatten das Initiativrecht.

3.1.2 Volksversammlungen

Das System der beschließenden und nichtbeschließenden Volksversammlungen war in Rom ziem-lich kompliziert. Zunächst gab es eine einfache Zusammenkunft des Volkes (contio), auf der Ge-setzesanträge diskutiert oder bestimmte Informationen bekanntgegeben wurden.

Die ursprüngliche gesetzgebende Versammlung, die Curiatkomitien (comitia curiata), wurde nachdem gentilizischen Prinzip der Curien einberufen, in der jeder Bürger an seine Familie und damitan den patrizischen pater familias gebunden war. Während des Ständekampfes wurde den Curiat-komitien durch die Verlagerung ihrer Kompetenzen jede Bedeutung entzogen. Der Beschluß vonGesetzen (leges) lag nun bei den Zenturiatskomtien (comitia centuriata). Die einzelnen Zenturiensetzten sich nach Vermögen zusammen (98 Zenturien der Patrizier und Reichen / 95 Zenturi-en der Armen), wodurch auch hier der Adel dominierte. Die Tributkomitien (comitia tributa),die ebenfalls Gesetze beschließen konnten, richteten sich in ihrer Zusammensetzung nach demWohnort (Tribus) der Bürger und bildeten das demokratischste Gremium der Republik.

Während des Ständekampfes entwickelten sich die Versammlungen der Plebs (concilia plebis)ebenfalls zu einer gesetzgebenden Versammlung. Ursprünglich konnten sie - entsprechend ihrer

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3 Die Republik 5

Zusammensetzung - nur die Volkstribunen und die plebejischen Aedilen wählen, seit 287 (lexHortensia) waren ihre Beschlüsse (plebis scita) den Gesetzen der Komitien gleichgestellt. Auchdie concilia plebis versammelten sich nach der Tribusordnung.

Alle Versammlungen mußten von einem Magistraten (die concilia plebis von einem Volkstribu-nen) einberufen und geleitet werden und konnten nur über die Anträge der Magistrate entschei-den. Kein nichtbeamteter Bürger konnte Anträge einbringen. Die Aufgabenverteilung der Komi-tien bzw. Concilien war folgende: Beschlüsse über Krieg und Frieden und Todesurteile mußtenvon den Zenturiatskomitien beschlossen werden, außerdem wurden die Konsuln, Praetoren undZensoren von ihnen gewählt. Die niederen Ämter - Aedilen und Quästoren - wählten die Tri-butkomitien, die Volkstribunen und plebejischen Aedilen die Concilien der Plebs. Alle anderenBeschlüsse konnten von jeder Versammlung gefasst werden. Wegen der aufwendigen Zenturien-ordnung wurden die Zenturiatskomotien allerdings immer seltener einberufen. Seit dem horten-sischen Gesetz ist wohl kaum ein Gesetz mehr von ihnen beschlossen worden, nur bei den o.g.wichtigen Angelegenheiten wurden sie noch einberufen.

3.1.3 Senat

Die traditionelle Versammlung des Adels, der Senat, war die politische Mitte des römischen Staa-tes. Er bestand ursprünglich aus den patres (Vätern) der patrizischen Familien. Während des 5.Jahrhundert wurden Plebejer als zunächst nicht stimmberechtigte conscripti (Beisitzer) aufgenom-men. Der Unterschied zwischen patrizischen und plebejischen Senatoren verwischte sich auchnach den Ständekämpfen nie ganz, nur die Patrizier konnten das Interregnum ausüben und hat-ten die patrum auctoritas, mit der sie Volksbeschlüsse formal bestätigen mußten.

Bis zur lex Ovinia (312) wurden die Senatoren auf Lebenszeit durch den höchsten Beamten (prae-tor maximus, später Konsul) bestimmt, danach übernahm der Zensor diese Aufgabe. Er war dabeian feste Regeln (mores) gebunden: die ehemaligen höheren Beamten durften nicht übergangenund eine bestimmte Zahl von Senatoren (ca. 300) nicht überschritten werden. Allerdings wurdevon nun an formal alle fünf Jahre der gesamte Senat neu bestellt, und zwar nach dem Prinzipder Würdigkeit (optimum quemque) aus beiden Ständen. Unter Sulla (81 v. Chr.) wurde die Be-stellung durch den Zensor für alle Promagistrate abgeschafft, sie traten automatisch in den Senatein.

Im römischen Volk bestand immer eine feste Vorstellung von der Würdigkeit einer Person, so daßsowohl bei der Wahl der Beamten (die später in den Senat aufrückten) als auch bei der Bestellungdurch den Zensor nur ein bestimmter Kreis von angesehenen Aristokraten in Frage kam.

Der Senat wurde von den höheren Magistraten (Konsuln und Prätoren, später auch Volkstribu-nen) versammelt und geleitet, er war also in seiner Initiative von ihnen abhängig. Die Senatorenäußerten sich in der Sitzung nacheinander ihrem Rang entsprechend, die Meinung der ranghöchs-ten entschied auch in der Abstimmung. Daraus ergab sich schließlich der senatus consultum, for-mal nur ein Ratschlag, tatsächlich aber eine bindende Anweisung an den leitenden Magistraten.Offiziell hatte der Senat Kompetenzen vor allem in der Finanzpolitik. Während der Ständekämpfe

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4 Der Ständekampf (4. Jahrhundert) 6

mußte der Senat einige Kompetenzen an die Volksversammlungen abgeben, er behielt aber in vie-len Punkten durch seinen Einfluß auf die Magistrate und durch das Gewicht seiner Mitglieder inden Volksversammlungen die faktische Macht, die nicht auf einer klar umrissenenen Vollmacht,sondern auf der überkommenen Ordnung beruhte.

4 Der Ständekampf (4. Jahrhundert)

Der Gegensatz zwischen Adel und politisch rechtlosem Plebs führte bereits im Laufe des 5. Jahr-hunderts zu Spannungen. Die freien Grundbesitzer forderten als Stützen der römischen Militär-macht auch politischen Einfluß. Im Ständekampf ertrotzten die Volkstribunen, gestützt auf dieMacht der Masse, Rechte für die Plebejer. Sie repräsentierten damit die Gegenspieler der Patri-zier im Ständekampf. 450 wurde das römische Recht auf Druck des Volkes erstmals kodifiziert(Zwölftafelrecht). Auch die Rechte des Volkstribunen und seine Unverletzlichkeit wurden aufge-nommen.

Der Ständekampf und sein erfolgreicher Abschluß legten die Grundlage zur römischen Vormachtin Italien. In raschen Schritten - wenn auch teilweise gegen erbitterten Widerstand der Patrizier- erkämpften sich die Plebejer Zugang zu den wichtigen staatlichen Positionen. Das 367 neuge-schaffene Amt eines Konsuls stand auch den Plebejern offen (leges Liciniae Sextiae). Auch zu denanderen Ämtern wurden sie nach und nach zugelassen (Zensor 351, Prätor 337, Diktator 314,Pontifices 300). Die Macht des Senats (patrum auctoritas) gegenüber Plebisziten wurde 339 er-heblich eingeschränkt, er konnte sie nicht mehr nachträglich aufheben. Die Zensoren erhielten312 (lex Ovinia) das Recht, die Senatsliste des kommenden Jahres festzulegen und sie auch durchPlebejer zu ergänzen, damit war die Zweiteilung des Senats in nicht stimmberechtigte plebeji-sche conscripti und patrizische patres dem Inhalt nach (nicht formal) aufgehoben. 304 wurde dieRechtsprechung durch Prozeßformeln auf Betreiben des Patriziers Appius Claudius Caecus perGesetz (ius Flavianum) dem Monopol der Pontifices entzogen.

Das Provokationsrecht (lex Valeria) von 300 bildete schließlich die Grundlage des römischen Bür-gerrechts: jeder römische Bürger hatte das Recht, gegen Todesstrafe und hohe Geldbußen sofortEinspruch zu erheben und seine Sache vor das Volk zu bringen. Mit der Erklärung von Plebis-ziten (Beschlüssen der concilia plebis) zu allgemeinen Volksbeschlüssen durch die lex Hortensia287 endete der Ständekampf, die Tributkomitien und die concilia plebis übernahmen Schritt fürSchritt die Funktionen der schwerfälligen Zenturiatskomitien.

Die Plebs verschwand als gegnerische Klasse, indem ihre Häupter in die neue Nobilität aufstiegen.Diese neue Führungsschicht stellte von nun an den Senat. Sie besetzte die Ämter und kontrol-lierte die Komitien, weil sie ihre Versammlungen aus sakralrechtlichen Gründen verhindern oderverschieben lassen konnte. Entscheidend für die Zugehörigkeit zur Nobilität war nicht mehr derjuristische Status, sondern die tatsächliche Macht und Geltung einer Familie.

Die römische Verfassung, in der Verbote immer Vorrang vor Geboten hatten, hätte theoretischins Chaos führen müssen: jede Initiative konnte verhindert werden. Das Regulativ bildete die

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5 Die Unterwerfung Italiens (ca. 350-265 v. Chr.) 7

Tradition, die Berufung auf die Sitten und die Moral der Älteren, deren Einhaltung vom Zen-sor überwcht wurde. Auf religiösem Gebiet waren die Sitten dagegen locker, es herrschte großeToleranz.

5 Die Unterwerfung Italiens (ca. 350-265 v. Chr.)

Die Situation nach dem dies Alliensis gestaltete sich zunächst schwierig: bis 340 kam es häufig zuKeltenvorstößen, Etrusker und Volsker drangen ebenfalls vor. Trotzdem gelang es Rom, bis 350erneut zur größten Macht in Italien aufzusteigen. Durch die römische Expansion kam es zumKrieg mit dem samnitischen Bund, dem einzigen ernstzunehmenden Gegner (1. SamnitischerKrieg, 343 - 341). Er endete ohne wesentliche Kampfhandlungen. Ein Aufstand der latinischenBundesgenossen 340 bis 338 (Latinerkrieg) endete mit deren politischer Entmachtung.

Der 2. Samnitische Krieg (326 - 304) wurde mit wechselndem Erfolg geführt: 321 mußte sichdas gesamte römische Heer bei Kaudium ergeben und Frieden schließen. 316 flammte der Kon-flikt wieder auf und endete nach wechselvollem Verlauf 304 mit einem Friedensschluß. Daraufhinkonnte Rom seine Stellung gegenüber den Stämmen in Zentralitalien festigen. Während des Krie-ges war vom Zensor Appius Claudius Caecus der Bau der Via Appia begonnen worden, um dieTruppenbewegungen zu erleichtern.

Wegen beiderseitiger Einmischung in lukanische Konflikte brach 298 der 3. Samnitische Krieg(298 - 290) los. Gleichzeitig mußte sich Rom gegen Kelten, Etrusker und Sabiner wehren. BeiSentinum errangen die Römer 295 einen überwältigenden Sieg gegen ein keltisch-samnischesHeer. Der Krieg endete 290 wieder mit einer Wiederherstellung des Status quo, was faktisch eineStärkung Roms bedeutete. In einer Schlacht bei Arretium 284 wurden die Römer von den Keltenvernichtend geschlagen, konnten sie aber im Jahr darauf zurückdrängen und die Situation imNorden befrieden.

Ein Konflikt Roms mit Lukanien wegen Roms Unterstützung der Griechenstädte 282 führte zumEingreifen Tarents und Samniums auf lukanischer Seite. Tarent rief 280 den epirotischen KönigPyrrhos zu Hilfe. Die Pyrrhoskriege (280-272) brachten trotz der Siege des Königs keine Entschei-dung. Nach Pyrrhos’ Tod wurde ganz Süditalien (auch Samnium) römisch. Bis 267/6 unterwarfRom auch das übrige Unter- und Mittelitalien bis zum nördlichen Apennin. Die Organisationdes italischen Herrschaftsgebietes bestand nicht in der Einsetzung einer römischen Verwaltungfür bestimmte Untertanengebiete, zu der auch die römischen Beamten nicht ausreichten. Bei derBehandlung der besiegten Gegner benutzte Rom drei Verfahren:

<ul><li>unauflöslicher Bundesvertrag (foedus aequum oder iniquum)</li><li>Halbbürgergemeindenohne Stimmrecht</li><li>Inkorporation in römisches Staatsgebiet bzw. Bildung eines Munizipi-ums</li></ul>

Auf den abgetretenen Gebieten wurden entweder römische Kolonien (eine Art Munizipien mit rö-mischem Bürgerrecht außerhalb des Staatsgebietes) oder latinische Kolonien (aus Römern/Latinerngebildete Gemeinden ohne römisches Bürgerrecht, die als Keime der Romanisierung wirkten).

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6 Der Aufstieg zur Weltherrschaft (264-133 v.Chr.) 8

Im Laufe der Zeit übernahmen die Bundesgenossen die römischen Strukturen: die Romanisie-rung Italiens begann. Während der Auseinandersetzungen wurde das römische Heer ständig neuorganisiert und verbessert und die Grundlagen für seine spätere Durchschlagkraft gelegt.

6 Der Aufstieg zur Weltherrschaft (264-133 v.Chr.)

Anders als z.B. Alexander der Große strebte Rom eine Weltmachtstellung nicht an. Die Verwick-lungen in Kriege und die Erweiterung des eigenen Einflußbereiches ergaben sich einerseits ausdem römischen Sicherheitsbedürfnis, andererseits aus Verpflichtungen gegenüber Bundesgenos-sen.

In der Zeit zwischen 264 und 133 v. Chr. stieg Rom von einer mittleren Macht zur beherrschen-den Weltmacht auf. Zunächst versuchte Rom, auch die entfernten Gebiete über Bündnisverträgezu kontrollieren, gab diese Strategie nach mehreren Kriegen schließlich auf und richtete Provinzenein, die ein Promagistrat (Prokonsul oder Proprätor) im Anschluß an seine Amtszeit als regulärerMagistrat verwaltete. Diese römischen Statthalter hatten keinen Kollegen neben sich und verfüg-ten zur Kontrolle der Provinzen über militärische Machtmittel.

6.1 Rom im Westen - Punische Kriege

Noch während der Konsolidierungsphase trat Rom mit dem 1. Punischen Krieg (264 - 241) indie Weltpolitik ein. Noch im Pyrrhoskrieg waren Rom und Karthago Verbündete gewesen. Dieoskische Stadt Messana auf Sizilien rief Karthago 270 zur Hilfe gegen Syrakus unter König Hie-ron. Karthago legte eine Besatzung nach Messana, die sich aber 265 gegen den Willen Karthagoszurückzieht. Der Kommandant der Besatzung wird hingerichtet und Messana von Karthago undHieron belagert. Die Stadt bat Rom um Unterstützung, ein konsularisches Heer zog 264 nachSizilien und erklärte Karthgao und Syrakus den Krieg. 263 wurde ein Separatfrieden mit Hierongeschlossen. Rom baute eine Flotte und konnte sich nach mehreren Seesiegen die Überfahrt nachAfrika sichern. 255 wurde das römische Heer in Afrika geschlagen, bei der Rückfahrt wurde die rö-mische Flotte bei 254 durch einen Sturm vernichtet. Nach dem Verlust einer zweiten Flotte durchSturm und Kämpfe gab Rom den Seekrieg zunächst auf, konnte aber 241 den Krieg mit einerprivat finanzierten Flotte für sich entscheiden. Sizilien wurde römisch und Roms Großmachtrollewurde weiter gefestigt. Karthago mußte nach dem Krieg gewaltige Reparationen (insegesamt 3200Talente) zahlen. Die Stadt war ein eigentlich unkriegerisches Seehandelsimperium (814 von derphönikischen Stadt Tyros als Kolonie gegründet), das nur für Kriege ein Söldnerheer anwarb. Po-litisch bestand ein krasser Gegensatz zwischen den herrschenden Kaufleuten und den Feldherren,die durch die Söldner eine gewisse Macht hatten. Diese mußten sich scharf kontrollieren lassen.Nach der Niederlage gegen Rom kam es wegen fehlender Soldzahlungen zu Meutereien, die Kar-thago an den Rand des Untergangs brachten. Rom nutzte die Situation 237 zu einer Erpressung:Karthago mußte auch Sardinien ud Korsika abtreten. 227 wurden Sizilien, Sardinien und Korsikazu römischen Provinzen. Um die politischen Aufgaben des gewachsenen Gebietes zu bewältigen,richtete Rom weitere Beamtenstellen ein: 4 Flottenbevollmächtigte und 3 zusätzliche Prätoren.

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6 Der Aufstieg zur Weltherrschaft (264-133 v.Chr.) 9

Rom gönnte sich keine Pause und engagierte sich vielfältig: im 1. Illyrischen Krieg (229) zerschluges den Seeräuberstaat Illyrien und erlangte dadurch die Schutzherrschaft über die griechischenStädte in Dalmatien, der 2. Illyrische Krieg (219) gegen den von Rom eingesetzten DynastenDemetrios (er war ein Bündnis mit Makedonien eingegangen) war eher eine Polizeiaktion. Bis218 wurde auch Oberitalien unterworfen: eine keltische Allianz wurde im 1. Keltenkrieg (225 -222) von den Römern geschlagen.

Der 2. Punische Krieg (218 - 201) entzündete sich an zwei Herausforderungen Hannibals, deskarthagischen Statthalters in Spanien. Sein Vater, Hamilkar Barkas (Geschlecht der Barkiden),und sein Schwager, Hasdrubal, hatten die Herrschaft Karthagos in Spanien bedeutend gefestigt,als Hasdrubal 221 umgebracht wurde. Hannibal machte sich an die Erweiterung des kartha-gischen Gebiets, belagerte 219 einen römischen Verbündeten, die iberische Stadt Sagunt, undüberschritt unerlaubt den Ebro, um die gesamte iberische Halbinsel zu besetzen. Statt sich in Spa-nien angreifen zu lassen, überquerte Hannibal die Alpen und ging zum Angriff über. Bei Trebia(218), am Trasimenischen See (217) und schließlich bei Cannae (216) schlug er die zahlenmä-ßig überlegenen römischen Heere. Den Zeitgenossen wurde klar, daß Hannibal in der Schlachtunüberwindlich war.

Sein Ziel war es, die römischen Bundesgenossen auf seine Seite zu bringen, um Rom zu isolieren.Allerdings hatte er die feste Bindung Italiens an Rom unterschätzt. Obwohl einige wichtige Städteüberliefen (Syrakus, Capua) blieb eine Massenreaktion aus. Hannibals Bündnis mit Philipp V. vonMakedonien brachte ihm keinen Vorteil: die überlegene römische Flotte konnte das makedonischeHeer von Italien fernhalten und den 1. Makedonischen Krieg (212 - 205) gegen Philipp und denAchäischen Bund auf Griechenland beschränken.

Nach Cannae blieb Rom nur die Möglichkeit einer Ermattungsstrategie, mit der sich gleichzei-tig politisch die konservativen Gegner des Volkstribunen Gaius Flaminius unter Quintus FabiusMaximus durchsetzten. 211 wurde Publius Cornelius Scipio (Beiname Africanus) als Nachfolgerseines Vaters und seines Onkels Kommandant in Spanien, wo er die karthagischen Truppen raschvernichtete. 205 wählte man ihn zum Konsul. Er setzte nach Afrika über und besiegte den rück-kehrenden Hannibal schließlich 202 bei Zama. Der Friedensvertrag von 201 verbot Karthago je-de Kriegsfürhung ohne römische Zustimmung. Außerdem förderte Rom den numidischen KönigMasinissa als Gegengewicht. Nach dem Krieg machte sich Rom an die Befriedung Spaniens, dieBestrafung untreuer Bundesgenossen und das „Aufräumen“ in Italien. Die Nobilitätsherrschaftkonnte sich weiter konsolidieren, weil die Politik ihrer Gegner bei Cannae versagt, ihre eigenedagegen zum Erfolg geführt hatte.

Die politischen und militärischen Leistungen Roms in den Konflikten im Osten und in Spani-en blieben weit unter Roms Möglichkeiten (die Befriedung Spaniens dauerte von 153 bis 133wurde erst von Scipio Aemilianus, dem Enkel des Africanus, beendet) und schürten bei den Geg-nern die Hoffnung, Rom doch noch zu besiegen, bei den Römern ein Gefühl der Unsicherheit,das schließlich zu einer destruktiven Außenpolitik und zu blinder Vernichtung führte: nachdemKarthago sich ohne Zustimmung Roms in einen Krieg mit dem numidischen König Masinissahatte verwickeln lassen, erklärte Rom ihm den Krieg. Dieser 3. Punische Krieg (149 - 146) wurdeebenfalls von Scipio Aemilianus geleitet und endete mit der völligen Zerstörung Karthagos, seinStaatsgebiet wurde zur Provinz Africa.

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6 Der Aufstieg zur Weltherrschaft (264-133 v.Chr.) 10

6.2 Rom und der hellenistische Osten

Im hellenistischen Osten hatte sich Rom (mit Ausnahme der illyrischen Kriege und des kurzen1. Makedonischen Krieges) bisher nicht engagiert. Dort gab es die Diadochenreiche, die sich inden 50 Jahren nach Alexanders Tod etabliert hatten: neben dem Staat der Ptolemäer in Ägyptendas Seleukidenreich mit dem Mittelpunkt Nordsysrien und den makedonischen Staat. WährendMakedonien und der ptolemäische Staat relativ einheitlich waren, mußten die Seleukiden stän-dig gegen den Zerfall kämpfen. Seit 221 herrschte im Ptolemäerreich der schwache PtolemaiosIV. Philopator, in Makedonien und im Seleukidenreich die tatkräftigen Könige Philipp V. undAntiochos III. (seit 223).

Nach einemHilferuf von Rhodos und Pergamon (201) wegen makedonischer Annexionen begannder 2. Makedonische Krieg (200 - 197) gegen Philipp V. Dem Konsul Titus Quinctius Flamininusgelang es, ab 198 eine antimakedonische Bewegung innerhalb des Achäischen Bundes (PhilippsVerbündeter) zu schaffen und den Krieg zu beenden, bevor Antiochos eingriff. Nach dem Frie-densschluß wurde Makedonien zur Mittelmacht deklassiert. Rom zog sich 194 aus Griechenlandzurück.

Das Seleukidenreich hatte im Laufe des 3. Jahrhunderts erhebliche Verluste hinnehmen müssen,im Osten hatten sich das gräko-baktrische Reich und das Partherreich gebildet. Antiochos III.(der Große), Herrscher des Seleukidenreiches, gewann bis 205 die östlichen Strapien zurück undannektierte ab 196 die nach der makedonischen Niederlage befreiten Städte in Kleinasien. Es ge-lang ihm auch kurzzeitig, den politischen und territorialen Verlust wettzumachen. Er wollte einneues seleukidisches Großreich schaffen und glaubte, Rom werde dies zulassen. In Wirklichkeitlief genau dieser Plan den römischen Interessen, die ein Gleichgewicht mehrerer mittlerer Staatenunter römischer Hegemonie wünschten, entgegen. 191 brach der Krieg gegen Antiochos (191 -188) aus, auf dessen Seite auch der Ätolische Bund kämpfte. 189 siegte Rom vernichtend bei Ma-gnesia. Der Friede von Apameia (188) beendete auch den Großmachtstatus des Seleukidenreichesim westlichen Teil. Die Attaliden in Pergamon wurden zur Vormacht in Kleinasien. Makedonien,das diesmal auf römischer Seite gekämpft hatte, erhielt einige Gebiete zurück.

Rom wollte eine eigene Präsenz in Griechenland vermeiden, scheiterte aber mit dieser Politik: Per-seus von Makedonien (seit 179) schlug einen antirömischen Kurs ein und zog andere romfeindli-che Staaten auf seine Seite, was schließlich zum 3. Makedonischen Krieg (171 - 168) führte. BeiPydna (168) wurde Perseus besiegt, danach erkannte die römische Regierung die Notwendigkeiteiner stärkeren Kontrolle: die Romfeinde wurden nach Italien deportiert (ca. 2000 Männer, dar-unter auch der Historiker Polybios) und die griechischen Staaten weiter geschwächt. Mißtrauenwar von nun an die römische Grundhaltung. Die griechische Stadt Korinth wurde nach einemAufstand des Achäischen Bundes und Makedoniens 148 gegen Rom zerstört und Makedonien zurrömischen Provinz. Durch Erbschaft erhielt Rom 133 Pergamon und machte daraus die ProvinzAsia. Damit hatte es endlich seine verfehlte Politik der lockeren Oberhoheit im Osten aufgege-ben.

Durch den engen Kontakt mit dem Osten entstand eine römisch-griechische kulturelle Sym-biose, die allerdings teilweise auf schroffe Ablehnung (Cato) in Rom stieß. Ihr bedeutendsterVertreter war der nach Rom deportierte griechische Historiker Polybios (198-177), der auch zu

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dem griechisch-römischen Scipionenkreis um Scipio Aemilianus gehörte. Er schrieb ein gewal-tiges Geschichtswerk über Rom und verkörperte als römischer Botschafter in seiner Heimat dieVerbindung von römischem Westen und hellenistischem Osten.

7 Die römische Innenpolitik bis zu den Gracchen

Nach dem Ende der Ständekämpfe konnte sich eine neue plebejisch-patrizische Führungsschicht,die Nobilität, etablieren. Sie schloß sich, wie früher die Patrizier, zunehmend gegen neue Mitglie-der ab. 232 setzte der Volkstribun Gaius Flaminius im politischen Kampf kurzzeitig eine Auswei-tung der herrschenden Klasse durch, so daß von nun an (bis etwa 216) häufiger ein außenstehen-der homo novus zum Konsulat gelangte.

Seit dem 2. Punischen Krieg waren gewaltige Summen nach Rom geflossen und hatten die wohl-habenden Schichten erheblich verbreitert. Die neureichen „Kapitalisten“ gelangten nach der timo-kratischen Zenturienordnung in die höchsten Zenturien (Ritterzenturien) und damit zunächst zugroßem politischen Einfluß. Um einen unkontrollierten Zugang der Ritter zur Führungsschichtzu verhindern, verband eine Reform der Zenturiatskomitien 218 die Tribus- mit der Zenturien-ordnung und stärkte das ländliche Element gegenüber dem stadtrömischen Kapital. Die Korrela-tion von Zensus und politisch-sozialer Rangordnung wurde aufgehoben. Im selben Jahr verbot dielex Claudia des Tribunen Quintus Claudius den Senatsmitgliedern den Handel als selbständigenErwerbszweig und schrieb dadurch die Position der Nobilität als Agrarierschicht fest. Mit diesenMaßnahmen grenzte man die reichen, aber politisch nun bedeutungslosen Ritter von den Mitglie-dern der römischen Führungsschicht ab und schuf einen neuen Stand, den sog. Ritterstand. Um129 wurde diese Abgrenzung weiter formalisiert, indem der Eintritt in den Senat an den Austrittaus dem Ritterstand geknüpft wurde.

Trotz dieser Konflikte um seine Zusammensetzung regierte der Senatsadel bis zur Mitte des 2.Jahrhunderts im Schatten der erfolgreichen Außenpolitik unangefochten: seine Macht war durchdas Klientelsystem und die Tradition gesichert, die Konsulate gingen an die Angehörigen wenigerFamilien. Wichtigstes Prinzip war die Gleichheit innerhalb des Adels, die Erhebung einzelnerAristokraten über die anderen wurde sofort energisch bekämpft: der ältere Cato erreichte denRückzug des Scipio Africanus aus der Politik, weil ihm dessen Popularität gefährlich schien.

Aber es zeigten sich bereits erste Anzeichen einer beginnenden Desintegration der Nobilität,hauptsächlich wegen der unkontrollierte Macht der Promagistrate in den Provinzen und der zu-nehmenden Einflüsse des Ostens (stärkere Betonung des Individuums, luxuriöse Lebensformen)auf die traditionelle römische Gesellschaft. Ehrgeiz und Gewinnstreben der Adeligen, bisher durcheinen strikten Verhaltenskodex verhindert, wurden immer ausgeprägter. Der Senat versuchte, dieseTendenzen durch Gesetze gegen den Luxus (leges sumptuariae) und den Ämterehrgeiz abzuschwä-chen: der cursus honorum wurde reformiert, um einen zu raschen Aufstieg zu verhindern: bis 27mußten junge Adelige im Heer dienen, ab 37 konnten sie Ädil, ab 40 Prätor und ab 43 Konsulwerden. Zwei Jahre Abstand zwischen verschiedenen Ämtern und zehn Jahre zwischen zwei Kon-sulaten (später wurde die mehrmalige Bekleidung sogar ganz verboten) waren vorgeschrieben.

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Aber diese Maßnahmen konnten eine weitere Auflösung nicht verhindern. Nach der Beseitigungder letzten Widerstände gegen die römische Vorherrschaft (Spanien, Karthago, Korinth, Numan-tia) trat die Zerrüttung des politischen Systems zutage. Die Außenpolitik wurde vom integrativenElement zu einem Arsenal von innenpolitischen Machtmitteln.

Neben diesen inneren Problemen der Führung wurde auch das Verhältnis Rom - Italien durch dieständige Benachteiligung der Bundesgenossen schwierig: obwohl die Italiker die gleichen Pflich-ten hatten, wurden sie auf vielen Gebieten (Beutezuteilung, Bürgerrechte) schlechter behandelt.Hinzu kam die soziale Krise - die in Italien selbst die Form einer Agrarkrise hatte - durch dieZusammenballung des Kapitals der gesamten römischen Welt in den Händen weniger römischerGeschäftsleute und Statthalter. Die anhaltenden Kriege hatten das kleine und mittlere Bauerntumsehr geschwächt, viele Höfe wurden an Angehörige der Aristokratie verkauft, die nach der lexClaudia gezwungen waren, ihre gesamten Kapitalien in Grundbesitz anzulegen. Auch das Staats-land (ager publicus) geriet nach dem Hannibalischen Krieg zum größten Teil in die Hände dergroßen Grundbesitzer, die noch über ausreichende Betriebsmittel verfügten. Die entstehendengroßen Landgüter ließ man durch Sklaven (seltener) oder Lohnarbeiter bewirtschaften. WeiteTeile der Landbevölkerung zogen nach Rom und bildeten dort das städtische Proletariat odersanken zum Lohnarbeiter ab. Die Behandlung der Sklaven wurde durch das Überangebot an Ar-beitskräften und den Preisverfall immer schlechter, auf Sizilien brach deshalb 136 der 1. SizilischeSklavenkrieg aus, der 132 mit Militärgewalt niedergeschlagen wurde. Für die römische Führungschien das Problem der Proletarisierung am drängendsten, weil die militärische Macht Roms aufdem Milizheer aus selbständigen Bauern beruhte. Der von konservativer Seite getragene Ansatzeiner gerechteren Verteilung zumindest des Staatslandes wurde 140 von den senatorischen Groß-grundbesitzern im Keim erstickt.

8 Die römische Revolution (133-30 v. Chr.)

8.1 Die Gracchen

Durch diese verschiedenen Belastungen des politischen Systems kam es schließlich zur Revolution,die mit der Errichtung des Augusteischen Prinzipates endete. Nach der gescheiterten Bodenreformvon 140 kam eine progressive Gruppe innerhalb des Senats zum Zug: 133 wurde Tiberius Sem-pronius Gracchus, ein junges Mitglied der Nobilität, durch die Protektion einflußreicher FreundeVolkstribun. Er vertrat Reformideen in der sozialen Frage und legte ohne Zustimmung des Se-nats entsprechende Gesetze vor: ein Ackergesetz beschränkte die Okkuppation von Staatsland auf500 Morgen und gab das übrige Land in Parzellen von 30 Morgen an Bauern als gebundenes Ei-gentum. Eine Ackerkommission aus drei Männern sollte diese Reform durchführen und etwaigeStreitigkeiten regeln, der Senat war also auch in der Exekutive ausgeschaltet. Diese Vorhaben wa-ren an sich noch nicht revolutionär und hätten sich unter Umständen auch durchsetzen können.Verantwortlich für den Mißerfolg war der wiederholte Bruch der Verfassung: einen interzedieren-den Volkstribun ließ Gracchus durch eine Volksversammlung absetzen. Als er dann auch noch

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versuchte, zum zweiten Mal Volkstribun zu werden ermordeten ihn die Senatoren mit ihrem An-hang. Die politische Klasse teilte sich in konservative Optimaten, die die Senatspolitik vertraten,und progressive Popularen, die als Volkstribunen agierten. Die Einheit der Nobilität war zerbro-chen und die Revolution hatte begonnen.

Obwohl die Optimaten gesiegt hatten, war ihre Position alles andere als günstig: die soziale Krisehatte sich weiter verschärft (vor allem im Osten kam es zu Sklavenaufständen) und die Stimmungder Bevölkerung war für den ermordeten Volkstribunen. Deshalb ließ der Senat die Agrarreformzunächst unangestastet, während die Anhänger des Tiberius verfolgt wurden. Die Ackerkommissi-on arbeitete weiter, geriet allerdings mit zunehmendem Erfolg auch in Konflikt mit den italischenBewohnern des römischen Staatslandes. Daraufhin entmachtete der Senat die Kommission. EineInitiative des progressiven Konsuls von 125, Marcus Fluvius Flaccus, den Italikern das römischeBürgerrecht zu verleihen, um damit den Konflikt zwischen der Ackerkommission und den Bun-desgenossen zu entschärfen, scheiterte am Veto seines Kollegen.

Gaius Gracchus, der jüngere Bruder des Tiberius und Mitglied der Ackerkommission seit 130,war umsichtiger und politisch erfahrener, als er 123 Volkstribun wurde. Zunächst beseitigte er dieverfassungsrechtlichen Hindernisse, an denen sein Bruder gescheitert war (mehrfache Bekleidungdes Tribunats, Absetzung eines Volkstribunen durch das Volk). Mit der Übertragung der Ge-schworenengerichte an die Ritter schuf er ein politisches Gegengewicht zur Nobilität und setztedie Ritter zu Richtern über die Provinzialverwaltung, die in den Händen der Senatoren lag. Senatund Ritterstand wurden endgültig zu politischen Gegnern. Ein Getreidegesetz (lex frumentaria)sollte für gleichbleibend günstiges Korn sorgen und den Rückhalt bei der stadtrömischen Plebsstärken.

Der Agrarreform verlieh er neuen Schwung, gab der Ackerkommission ihre alten Rechte zurückund vergrößerte die Zahl der zu verteilenden Parzellen. Er scheiterte schließlich am Widerstanddes Volkes, das von seinem konservativen Gegenspieler Marcus Livius Drusus manipuliert wur-de, gegen die von ihm propagierte außeritalische Kolonisation und das Bürgerrecht für Italiker:121 wurde er nicht mehr zum Volkstribun gewählt, kurz darauf ließ er sich von einem Skla-ven umbringen. In der folgenden Restauration wurde die Agrarreform endgültig liquidiert, dieGetreidegesetzgebung und die Rittergerichte blieben dagegen erhalten, um die Eintracht wieder-herzustellen.

8.2 Wiederaufnahme der Revolution

Unter dem Eindruck ständiger Niederlagen gegen eigentlich weit schwächere Gegner und wieder-holter Sklavenaufstände kam mit Marius Gaius ein Mann zum Konsulat, der die nächste Phaseder Revolution einläutete. Er hatte im Jughurtinischen Krieg (112 - 105) unter Quintus CaeciliusMetellus gedient und konnte in Rom den Eindruck erwecken, er sei als Feldherr geeigneter. 107wurde er als homo novus zum Konsul gewählt und besiegte Jughurta zwei Jahre später. Unterdem Eindruck des Erfolges wählte man ihn bis 100 mehrmals zum Konsul, der die Kimbern nachder vernichtenden Niederlage 105 bei Arausio bekämpfen sollte. Bei Aquae Sextiae (102) undVercellae (101) besiegte er ein Heer der Kimbern und Teutonen.

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Die Heeresreform des Marius - er rekrutierte die Soldaten hauptsächlich aus dem Proletariat -schuf das Problem der Veteranenversorgung, das für die spätere Zeit innenpolitisch bestimmendsein sollte. Der traditionelle Bürgersoldat wandelte sich zu einem neuen Typus, der keine zivileExistenz hatte. Auch die enge Bindung von militärischen Führern und Soldaten, die das Heer zueinem machtpolitischen Instrument machte, hatte hier ihren Ursprung.

Marius’ politisches Talent fiel gegen sein militärisches stark ab, er brauchte daher geschickte Freun-de. Sein Widerwille gegen die herrschende Nobilität machte ihn zum Verbündeten des popularenVolkstribunen von 103, Lucius Appuleius Saturninus, eines fähigen Agitators. Appuleius versuch-te, Marius’ politische Ziele (Versorgung der Veteranen) durchzusetzen, indem er sich auf dessenPopularität stützte. In seinem zweiten Tribunat (100) scheiterte er - wie Gaius Gracchus - an deraußeritalischen Kolonisation und der Gleichberechtigung der Italiker. Marius war zu unbeweglich,um seinen Freunden zu helfen, so daß es der Nobilität erneut gelang, die Revolution aufzuhaltenund ihre Köpfe zu ermorden. Marius selbst wurde politisch kaltgestellt.

Durch die erneute Konsolidierung verhärtete sich auch der Konflikt Ritter - Senatsadel. Die Rit-ter waren schon durch den Angriff auf die Gracchischen Rittergerichte (106) durch den KonsulQuintus Servilius Caepio verstimmt. Das Konsulat von Quintus Mucius Scaevola und LuciusLicinius Crassus (95), beide erklärte Gegner eines politischen Ritterstandes, verschärfte die Span-nungen. Demonstrativ wurde daher ein Gegner des Caepio freigesprochen. 92 wurde sogar derLegat des Scaevola wegen angeblicher Erpressung vor Gericht gezogen. Die Politisierung der Justizwurde gefährlich.

Marcus Livius Drusus, der Sohn des konservativen Gegenspielers von Gaius Gracchus, vertratals Volkstribun 91 eine optimatische Politik mit popularem Anstrich: der Widerstreit zwischenSenat und Rittern sollte durch die Aufnahme von 300 Rittern in den Senat und die Abschaf-fung der reinen Rittergerichte erreicht werden. Die Ritter waren mit diesen Maßnahmen, die nurzur Aufsaugung der nobilitierten Ritter geführt hätten, keineswegs einverstanden. Dem Volk ver-sprach Drusus gleichzeitig die Wiederaufnahme der Gracchischen Siedlungspolitik, den Italikerndas Bürgerrecht. Er wollte die Revolution mit revolutionären Mitteln beenden und hatte auchgegen gewaltsame Aktionen nichts einzuwenden. Der Senat, dem diese Methoden unheimlichwurden, ließ ihn fallen, er wurde ermordet.

Dadurch sahen sich die Italiker ihrer letzten Hoffnung beraubt; sie waren von der römischen Poli-tik stets vertröstet worden und teilweise sogar schroff gedemütigt worden. Mitten in das innenpo-litische Chaos (der Anhang des Drusus wurde durch ein Inquisitionstribunal verfolgt) brach derBundesgenossenkrieg (91 - 88). Er schuf die paradoxe Situation, daß die Italiker versuchten, denrömischen Staat zu zerstören, um in ihn aufgenommen zu werden. Schließlich bot Rom den treugebliebenen Völkern 90/89 das römische Bürgerrecht an, Italien wurde ein einheitlicher Staat. Al-lerdings waren die Altbürger weiterhin durch das Tribusrecht privilegiert. Durch die Belastungendes Krieges kam es zu einer wirtschaftlichen Krise in Rom: Italien war verwüstet, die Provinzenkonnten wegen des Krieges nicht voll genutzt werden.

Mit Publius Sulpicius Rufus versuchte 88 zum letzten Mal ein Volkstribun, Politik gegen des Wi-derstand des Senats zu machen. Er scheiterte mit einer Initiative zur Gleichberechtigung der Neu-bürger (ihrer Verteilung auf alle Tribus) - und damit der endgültigen Beseitigung von Spannungen

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- wegen des Widerstandes der optimatischen Konsuln, von denen der eine Lucius Cornelius Sulla,war.

8.3 Restauration unter Sulla

Sulla, ein snobistischer Aristokrat aus verarmter Familie, stand in direktem Gegensatz zu Marius,dem „Emporkömmling“, dessen erbitterter Feind er war. Mit ihm teilte er das militärische Talent,anders als dieser war Sulla aber auch ein gerissener Politiker. Die Innenpolitik Roms seit denGracchen und die popularen Methoden waren ihm zuwider.

Er hatte seine Eignung bereits im Jughurtinischen Krieg als Quästor des Marius und im Bundes-genossenkrieg gegen die Samniten bewiesen und wurde jetzt vom Senat mit dem Kommando im1. Mithridatischen Krieg (87 - 83) betraut. Mithridates VI. von Pontos hatte wegen der römischenSchwäche fast ganz Kleinasien einnehmen können und verbündete sich mit Athen und Böotienunter dem alten Schlagwort der griechischen Freiheit. Er besetzte die Provinz Asia und erobertedie Ägäisinseln. 88 wurde bei der Vesper von Ephesos aufgrund eines Ediktes ein Massaker unterder römischen Bevölkerung angerichtet.

Als Sulpicius Rufus den Oberbefehl von einer Volksversammlung Marius zusprechen ließ, führ-te Sulla sein Heer 88 nach Rom (1. Marsch auf Rom) und übernahm die Macht - der bisherschlimmste Verfassungsbruch. Sulpicius wurde ermordet, Marius floh. Das Heer hatte zum erstenMal einen innenpolitischen Streit mit Gewalt entschieden, eine Entwicklung, die mit der Heeres-reform eingeleitet worden war.

Bevor Sulla die Besetzung des Konsulats regeln konnte, mußte er zum Krieg in den Osten ziehenund ein Gefolgsmann des Marius, Cinna, kam an die Macht. Er wurde zwar als Konsul zunächstgestürzt, kehrte aber mit einem illegitimen Heer unter Marius’ Befehl zurück. Dieser ermutigteseine Soldaten, politische Feinde zu töten und sich zu bereichern, was zu Massenabschlachtungenführte. NachMarius’ Tod 86 in seinem 7. Konsulat übernahm Cinna das Kommando und erklärtejeweils sich und einen Kollegen zum Konsul.

Währenddessen hatte Sulla im Osten gesiegt (Athen und Böotien waren verwüstet worden) undzog 83 erneut nach Rom (2. Marsch auf Rom). Seine Gegner hatten zwar ganz Italien und dieUnterstützung der Bundesgenossen sicher, konnten aber dem erprobten Heer Sullas und seinerFührung nichts entgegensetzen. Cinna wurde bei einer Meuterei ermordet. Innerhalb eines Jah-res hatte Sulla ganz Italien in der Hand und ließ die Abschlachtungen in umgekehrter Richtungfortführen: während Marius und Cinna die Senatsaristokratie verfolgt hatten, wurden jetzt ge-zielt Ritter ermordet und ihr Vermögen eingezogen. Öffentliche Aushänge der geächteten Feinde(Proskriptionen) galten als Freibrief für Mord und Raub. Die Versorgung seiner Veteranen warkein Problem: er vertrieb und vernichtete die Italiker von ihrem Land und wies es seinen Soldatenzu.

Sulla installierte 82 als „verfassungsgebender Diktator“ ein Regime mit dem Ziel, den römischenStaat zu reformieren und die alte Adelsrepublik zu erhalten. Das Initiativrecht des Volkstribunenund die Rittergerichte wurden abgeschafft, Statthalterposten nur noch an Promagistrate für ein

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Jahr vergeben (ihre Militärgewalt beschränkte sich auf ihre Provinz), der Senat auf 600 vergrößert(auch Ritter und Italiker wurden aufgenommen) und die Erstellung der Senatslisten durch denZensor beendet. Außerdem wurden gewesenen Tribunen eine Ämterlaufbahn verboten. Sulla ver-suchte, Rom krisenfest zu machen und den Brauch durch feste Vorschriften zu ersetzen. Im Jahr79 trat er freiwillig zurück, er starb 78 als Privatmann.

Nach seinem Tod waren die Verhältnisse zunächst stabil. Die Führungsschicht bestand zwar ausdekadenten Opportunisten, die Politik mit Geld betrieben: für öffentliche Veranstaltungen, Beste-chung und Anwerbung von Terrorbanden wurde das aus den Provinzen gezogene Kapital ausgege-ben. Viele Aristokraten hatten während der Proskriptionen alle Hemmungen fallen lassen und sichrücksichtslos bereichert und gemordet. Trotz seiner Schwäche konnte sich das Optimatenregimeauf das sullanische System stützen und die Angriffe durch die Angehörigen der Proskribierten unddie Volkstribune abwehren.

Die wenigen Ausnahmen hatten kaum politisches Gewicht. Zu ihnen zählte Marcus Tullius Ci-cero, der Konsul von 63, ein homo novus und Verehrer der Nobilität mit bemerkenswerter Red-nergabe und Bildung, dem allerdings die notwendige Zähigkeit und Unbeirrbarkeit fehlte. SeinGegenstück war Cato Minor Uticensis, ein unbeugsamer und entschlossener, aber kaum gebilde-ter oder intellektueller Mensch aus altem Senatsadel, der das moralische Rückgrat der römischenFührung bildete.

Mehrere Krisen blieben ohne größere Wirkung: ein Umsturz des Konsuls Marcus Aemilius Le-pidus (78) scheiterte, der Statthalter von Spanien, Sertorius, errichtete eine römische Gegenre-gierung und torpedierte das sullanische System. Er hatte große militärische Erfolge im seit 80geführten Krieg (das Kommando hatte Gnaeus Pompeius), bis es schließlich wegen der Belastun-gen zu einer Abfallbewegung seiner iberischen Verbündeten kam. 72 wurde er von seinen eigenenLeuten ermordet. Im Jahr davor war der Sklavenaufstand des Spartakus (73 - 71) ausgebrochen.Gleichzeitig mußte sich Rom gegen die Korsaren an der Adria und in Dalamatien engagieren.Bereits 74 begann der 3. Mithridatische Krieg (74 - 63), nachdem Mithridates die kurz zuvoreingerichtete Provinz Bithynien angegriffen hatte. Nach großen römischen Erfolgen unter demKommando von Lucullus kam es zu einem Rückschlag und Pompeius übernahm das Komman-do.

8.4 Pompeius und das Ende der Restauration

Gnaeus Pompeius (Magnus) hatte sich 83 eigenmächtig ein Heer aus Freiwilligen verschafft undSulla zur Verfügung gestellt. Gegen jede Tradition - und vor allem gegen das sullanische System -befehligte er mit knapp 20 Jahren ohne ordentliches Amt eigene Truppen, die ihm den BeinamenMagnus (nach Alexander) gaben und ihn als Imperator begrüßten. Obwohl dem konservativenSulla dieses Verhalten mißfiel, ließ er ihn gewähren. Die Angst des Senats, er werde wie Sulla dieMacht ergreifen, brachte ihn schließlich auf die Bahn der Opposition, auch wenn er selbst keinepolitischen Ambitionen besaß.

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In Spanien hatte Pompeius erfolgreich gegen Sertorius gekämpft und bewarb sich nach seinerRückkehr 71 für den Konsulat, was der Senat natürlich (Pompeius war nicht einmal Ädil gewe-sen) verweigerte. Im Austausch gegen die Wiederherstellung des Initiativrechts der Volkstribunenerhielt Pompeius die Unterstützung des Volkes bei seiner Kandidatur zum Konsulat. Das Regimekonnte dem Druck der Straße angesichts eines laufenden Prozesses (gegen den Adeligen Verreswegen Korruption) nichts entgegensetzen und wählte Pompeius, der bis dahin nicht Mitglied desSenats gewesen war. Sein Kollege, Marcus Licinius Crassus, war durch die Proskriptionen zumreichsten Mann Roms geworden und fühlte sich dadurch zum Politiker berufen. Nach seinerÜberzeugung war Politik allein eine Geldfrage. Außerdem wurden die Ritter wieder zu den Ge-schworenengerichten zugelassen und die Zensur wieder eingeführt. Das Ende der Restaurationwar gekommen.

Das Seeräuberproblem machte einen zentralen Konstruktionsfehler der sullanischen Verfassungaktuell: es konnte von Rom nicht gelöst werden, weil das Kommando eines Magistraten räumlichbegrenzt, die Gegner aber mobil waren. Pompeius erhielt 67 durch Volksbeschluß (lex Gabinica)ein umfassendes Kommando gegen die Seeräuber und durchbrach damit erneut Sullas Verfassung.Innerhalb eines Vierteljahres war das Seeräuberunwesen beendet. Im nächsten Jahr erhielt Pom-peius durch die lex Manilia das Kommando für den gesamten Osten und beendete den Krieggegen Mithridates 63. Mit der Einrichtung der Provinz Syria 64 besiegelte er das Ende des Seleu-kidenreiches, die römischen Provinzen im Osten schützte er durch vorgelagerte Klientelfürstentü-mer. In den fünf Jahren nach 67 wurde er zum mächtigsten Mann Roms und damit der antikenWelt.

In Rom plante der Senator Catilina die Ermordung der Konsuln des Jahres 65 nach seiner miß-glückten Kandidatur für das Amt (1. Catilinische Verschwörung). Als der Plan aufgedeckt wurde,hatte sich Catilina alle Sympathien verscherzt und an seiner Stelle wählte der Senat den homonovus Cicero zum Konsul für das Jahr 63. Daraufhin kam es zum Putsch, den Cicero allerdingsunterdrücken konnte. Druch diesen Sieg war die optimatische Regierung bei der Rückkehr desPompeius bedeutend gestärkt. Obwohl Pompeius sein Heer 62 entließ und lediglich die Anerken-nung seiner Politik im Osten und die übliche Versorgung seiner Veteranen forderte, behandelteder Senat ihn wie den Verlierer im politischen Kampf und bearbeitete seine Wünsche sehr schlep-pend.

8.5 Caesar und das 1. Triumvirat

Gaius Julius Caesar, der für die Regierung viel gefährlicher werden sollte als Pompeius, war einstrikter Gegner des sullanischen Systems und der Senatsoligarchie. Er hatte trotz seiner ungünsti-gen Position als Anhänger des Marius und des Cinna alle Ämter durchlaufen und wurde im Jahre60 zum Konsul für 59 gewählt. Seine verschiedenen Vorstöße, wie Pompeius außerordentlicheKommanden zu erhalten, waren alle gescheitert, so daß er mächtige Verbündete brauchte, umnach seinem Konsulat eine Provinz und damit militärische Macht zu bekommen.

Er fand sie in Pompeius und Crassus, die zwar persönlich verfeindet waren, aber beide im offenenKonflikt mit dem Senat standen: im Jahre 60 entstand das 1. Triumvirat. Der Nutznießer diese

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Bündnisses war Caesar. In seinem Konsulat setzte er zwar alle Forderungen des Pompeius durch;aber das Wichtigste war sein prokonsularisches Kommando für das Jahr 58. Er erhielt vom Volkdie Gallia Cisalpina und Illyricum, vom Senat zusätzlich die Gallia Narbonensis für die Dauer vonfünf Jahren. Dieser Beschluß verstieß in fast jeder Hinsicht gegen die übliche Ordnung: mehrereProvinzen, teilweise Verleihung durch das Volk und längere Amtszeit.

Trotz dieses für Caesar befriedigenden Ergebnisses war die Triumviratspolitik wenig erfolgreich,es gab große Widerstände in Volk und Senat und viele Beschlüsse konnten nur durch Verfas-sungsbruch erzwungen werden. Auch das terroristische Verhalten des Clodius, dem Caesar denWeg zum Volkstribunen für das Jahr 58 gebahnt hatte, wurde dem Triumvirat angelastet. Auchdie Verhältnisse zwischen den Triumvirn waren wechselhaft. 56 wurde das Bündnis dennoch er-neuert, weil Caesar eine Verlängerung seines Kommandos (um weitere 5 Jahre) brauchte und aufUnterstützung angewiesen war. Pompeius und Crassus erfüllten Caesars Wünsche als Konsuln desJahres 55, sie selbst erhielten Spanien (Pompeius) und Syrien (Crassus). Pompeius blieb wegender Getreideversorgung, die er seit 57 als Prokonsul verwaltete, in Rom und ließ seine Provinzendurch Legaten regieren. Wegen der zunehmend chaotischen Situation in Rom - Schlägertruppsterrorisierten Volk und Senat - wurde Pompeius 52 zum consul sine collega gewählt und nähertesich damit dem Senat weiter an. Crassus war 53 gegen die Parther gefallen. Die Entwicklung liefauf einen Bruch mit Caesar zu.

Die Unterwerfung Galliens (58 - 51) durch Caesar hatte ihm ein treu ergebenes Heer und großemilitärische Erfahrung gebracht. 52 wurde ein letzter großer Aufstand unter Vercingetorix in einerSchlacht bei Alesia beendet. Sein einziges Ziel war nun, die Veteranenversorgung und die Aner-kennung seiner Verfügungen in Gallien. Allerdings näherte sich das Ende seines Imperiums unddie Situation des Pompeius nach seiner Rückkehr aus dem Osten hatte gezeigt, daß man in Romohne Amt nichts durchsetzen konnte. Außerdem hätten ihn seine Gegner als Privatmann vor Ge-richt stellen können. Er wollte deshalb unmittelbar im Anschluß an sein Imperium den Konsulatbekleiden.

Die lex Licinia Pompeia von 55 verhängte deshalb eine Beratungssperre über Caesars Provinzen biszum 1. März 50, des Jahres also, in dem Caesars Imperium offiziell endete. Zu diesem Zeitpunktwaren den Konsuln des Jahres 50, die allein das Recht hatten, die prokonsularischen Provinzen imnächsten Jahr zu verwalten, bereits andere Provinzen zugewiesen worden, so daß erst die Konsulnvon 49 nach dem Ende ihrer Amtszeit am 1. Januar 48 Caesars Nachfolge antreten konnten, wennCaesar bereits Konsul war. Er sollte sich ohne persönliches Erscheinen bewerben dürfen, d.h. vonseiner Provinz aus. Diese Strategie scheiterte: seit dem Tod Julias 54 (Pompeius’ Frau und CaesarsTochter) und Pompeius’ neuer Ehe mit einer Optimatentochter war das Band zwischen Pompeiusund Caesar gelockert, so daß Pompeius 52 ein Gesetz einbrachte, nach dem zwischen Magistraturund Promagistratur 5 Jahre liegen mußten. Damit konnte am 1. März 50 aus den Reihen derKonsularen ein Nachfolger für Caesar bestimmt werden, der spätestens Anfang 49 die Provinzenübernehmen konnte. Außerdem sollte Caesar nun für seine Kandidatur persönlich als Privatmannin Rom erscheinen.

Ein übereilter Vorstoß der Optimaten im Jahr 51 zur Ernennung eines Nachfolgers scheitertewegen der legalen Beratungssperre. Ab dem 1. März 50 konnte der mit Caesar verbündete Volks-tribun Curio (vorher ein erbitterter Gegner) die Beratungen durch Gegenvorschläge und Inter-

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zessionen ein halbes Jahr lang behindern und schließlich einen Senatsbeschluß durchsetzen, derCaesar und Pompeius zum Rücktritt aufforderte. Caesar war bereit, die Entmilitarisierung seinerGegner durch den Verlust seiner eigenen militärischen Macht zu erkaufen. Damit waren die Opti-maten gezwungen, selbst gegen die Verfassung zu verstoßen: der Konsul Gaius Marcellus betreuteeigenmächtig und ohne Zustimmung des Senats Pompeius mit der militärischen Rüstung gegenCaesar.

Obwohl Caesar zu Beginn des Jahres 49 Pompeius und Cicero für einen Kompromiß gewinnenkonnte, erklärte der Senat am 7. Januar den Staatsnotstand gegen Caesar und beauftragte Pom-peius mit seiner Bekämpfung in der Hoffnung, Caesar werde seine zaudernde Politik beibehaltenund dem Senatsheer Zeit zur Aufstellung geben. Man hatte sich getäuscht: sofort zogen CaesarsTruppen aus der Gallia Cisalpina über den Rubikon und übernahmen Rom, Pompeius und derHauptteil des Senats flohen in den Osten. Dort gab es große militärische Reserven, und Pompeiushatte unumschränkte Autorität. Im Westen dagegen stand gegen Caesar noch das spanische HeerPompeius’, in Gallien erklärte sich Massilia für den Senat. Caesars Versöhnungspolitik fand inItalien kein Echo, er mußte sich den Staatsschatz unter Verletzung der tribunizischen Unverletz-lichkeit sichern und war dadurch auch politisch weitgehend isoliert.

Bis zum Ende des Jahres gelang es Caesar, Massilia und Spanien (Schlacht bei Ilerda) einzuneh-men. Obwohl er sein Heer 48 überraschend nach Albanien übersetzte, geriet er kurz darauf wegender maritimen Überlegenheit des Gegners in einen Versorgungsengpaß. Sein Versuch, eine Ent-scheidungsschlacht herbeizuführen, endete erfolglos bei Dyrrhachium. Pompeius favorisierte eineZermürbunsgtaktik (die wegen der abgeschnittenen Versorgung Caesars auch vernünftig war),ließ sich aber von der Siegesgewißheit der Optimaten anstecken und entschloß sich zum offe-nen Angriff: bei Pharsalos in Thessalien vernichteten Caesars Truppen das feindliche Heer am 9.August 48. Auf seiner Flucht wurde Pompeius in Ägypten, daß sich auf die Seite des Siegers ge-schlagen hatte, von einem seiner Offiziere ermordet. Während Caesar die Verhältnisse in Ägyptenzugunsten Kleopatras regelte, bildete sich in Afrika ein neues Heer der Optimaten, das er am 6.April 46 bei Thapsus besiegt. Daraufhin beging Cato Selbstmord. Bei Munda in Spanien wurdenam 17. März 45 schließlich die Söhne des Pompeius geschlagen.

Caesar reformierte die Verwaltung: römisches Bürgerrecht für Norditalien (die Provinz Gallia Cis-alpina wurde nach Caesars Tod 42 aufgehoben), latinisches Bürgerrecht für Spanien und Sizili-en, einheitliche Munizipien und Kalenderreform (Julianischer Kalender). Die Außenkolonisationwurde in Afrika und dem griechischem Osten erneut aufgenommen. Der Senat wurde auf 900vergrößert, unter ohnen viele homines novi, die der alten Aristokratie als Schandfleck galten. Seineschlechte Position als Aufrührer versuchte Caesar durch Milde gegenüber den Gegnern (clementiaCaesaris) zu verbessern.

Bereits 46 hatte er sich die Diktatur für 10 Jahre reservieren lassen, außerdem bekleidete er von46 bis 44 den Konsulat, 45 ohne Kollegen. Erst als er sich im Früjahr 44 zum Diktator auf Le-benszeit (dictator perpetuus) erklären ließ, war das Ende der Republik und der Toleranzgrenzeerreicht. Caesars offene Entmachtung des Senats blieb ohne Rückhalt im Volk. Wegen seiner Mil-de gegenüber den Gegnern hatte man gehofft, er werde den Staat wie Sulla lediglich reformieren,jetzt war die Enttäuschung um so größer: eine Gruppe von Senatoren ermordete Caesar währendeiner Sitzung unter Führung des Gaius Cassius Longinus und des Marcus Junius Brutus.

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Nach Caesars Tod blieb die kopflose Führungsschicht ohne Autorität. Die Politik war gelähmtund verlagerte sich auf junge Karrieristen. Die einzige politische Initiative ging von Marcus An-tonius aus, der jetzt bis zum Amtsantritt Dolabellas allein Konsul war. Seine Ausgangspositionwar günstig: er war Statthalter von Oberitalien und Gallia Comata und höchster Magistrat. Aller-dings hatte er einige Konkurrenten: Aemilius Lepidus, der magister equitum Caesars hatte Rommit seinen Truppen besetzt, und auch die anderen Caesarianer (Dolabella, Caesars Nachfolgerim Konsulat, Hirtius und Pansa, die Konsuln des Jahres 43) meldeten ihre Ansprüche an. GaiusOctavius, den Adoptivsohn Caesars, wurde zunächst nicht ernst genommen.

8.5.1 Der Aufstieg Octavians

Gaius Octavius, der spätere Augustus, wurde 63 v. Chr. als Mitglied der provinzialen Oberschichtgeboren. Er entwickelte früh eine enge Bindung zu seinem Großonkel Gaius Julius Caesar undwurde von ihm mit Ehren überhäuft. Die Nachricht vom Tod Caesars erreichte ihn in Albanien,wo er seine Ausbildung erhielt und wo auch die für den Partherfeldzug bereitgestellten Legionenstationiert waren. Statt dem Rat der Offiziere zu folgen und mit den Truppen auf Rom zu mar-schieren, zog er mit einer kleinen Begleitung und der Kriegskasse Caesars nach Italien. In Lucidaerfuhr er von seiner Adoption durch Caesar und nannte sich von nun an Gaius Julius Caesar(ohne den üblichen Zusatz Octavianus).

Währenddessen hatte Antonius sich in Rom durchsetzen können: er erhielt die Gallia Cisalpinafür fünf Jahre und zusätzlich die makedonischen Legionen für den Partherfeldzug. Andererseitshatte er durch die Abschaffung der Diktatur für alle Zeiten und die Ablehnung der DivinisierungCaesars jede Popularität verloren. Ende April reiste er nach Kampanien, um die Veteranen Caesarszu versorgen.

Octavian hatte mit der Annahme des Erbes auch erhebliche finanzielle und moralische Verpflich-tungen übernommen: die Rache für seinen Vater und die Auszahlung eines Geldgeschenkes analle römischen Bürger. Antonius, der mit einem Heer aus Kampanien zurückgekehrt war, ver-weigerte die Herausgabe des caesarischen Vermögens, worauf Octavian seinen gesamten Besitzverkaufte, die Geschenke auszahlte und so in den Ruf moralischer Integrität gelangte. WährendOctavian nun die Sympathie der Veteranen und der plebs urbana genoß, hatte Antonius immernoch sämtliche Machtmittel (Magistratur, Truppen und Geld) in der Hand.

Die Situation änderte sich, als es zu einem Bündnis Octavians und der Republikaner unter Cice-ro kam. Cicero wollte den unerfahrenen Caesarerben gegen den mächtigen Antonius ausspielen,um ihn danach zu beseitigen. Octavian hatte bereits illegal Truppen in Kampanien aufgestellt undbrachte auch zwei der makedonischen Legionen zum Überlaufen. Der Senat legalisierte seine Stel-lung und beauftragte ihn mit einem proprätorischen Imperium zum Kampf gegen Antonius.

Dieser war in die Gallia Cisalpina gezogen und hatte den republikanischen Statthalter DecimusBrutus, der die Übergabe der Provinz verweigerte, eingeschlossen. Im April 43 kam es zum Feld-zug des Konsuls Hirtius und Octavians gegen Antonius. Pansa, der mit 4 Legionen folgte, wurdevon Antonius angegriffen und geschlagen, konnte aber durch den herbeieilenden Hirtius geret-tet werden. In der Entscheidungsschlacht bei Mutina unterlag Antonius und floh in die Gallia

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Comata. Daraufhin wurde die Entmachtung Octavians durch Cicero eingeleitet. Octavian be-endete sofort die Verfolgung Antonius’ und ging nach Rom, wo er mit seinem Heer seine Wahlzum Konsul erzwang. Antonius konnte seine Stellung im Norden ausbauen, Munatius Plancus,der Statthalter der Narbonensis, stellte sich auf seine Seite, Decimus Brutus wurde auf der Fluchtermordet.

In Norditalien kam es zu einem Treffen zwischen Antonius, Octavian und Lepidus und zur Grün-dung des 2. Triumvirats. Octavian und Antonius sollten gemeinsam den Krieg gegen die Caear-mörder im Osten führen, während Lepidus als Statthalter in Rom fungierte. In Italien war diePosition des Antonius sehr stark: er hatte viele Verbindungsleute an wichtigen Posten, außerdemwar Lepidus sein erklärter Gefolgsmann.Um das Besoldungsproblem zu lösen, wurden wie unterSulla Proskriptionen ausgehängt: 300 Senatoren und 2000 Ritter fielen ihnen zum Opfer. An-tonius erhielt für das folgende Jahr die Provinzen Gallia Cisalpina und Comata, Lepidus GalliaNarbonensis und Spanien und Octavian Africa, Sardinien und Sizilien. Durch die mächtige Stel-lung des Antonius war Octavian außerdem gezwungen, das Konsulat niederzulegen und an zweiAnhänger des Antonius zu übergeben. Vor der Volksversammlung wurde das Triumvirat bestätigtund auf fünf Jahre befristet.

Nach der Ausschaltung der inneren Gegner rüsteten die Triumvirn zum Krieg gegen die Caesar-mörder. Nach zahlreichen Beschlüssen zur sakralen Verehrung Caesars Anfang 42 (mit dem Ziel,die Bevölkerung auf den Krieg einzustimmen), zogen Octavian und Antonius in den Osten. Vonden 43 Legionen, die ihnen zur Verfügung standen, brachen etwa 21 auf, von denen 19 in derSchlacht bei Philippi kämpften. Brutus und Cassius, die Heerführer auf der anderen Seite führtenebenfalls 19 (von 21) Legionen an.

Sextus Pompeius, der Sohn des Pompeius, blieb mit seiner mächtigen Flotte ein unberechenbarerFaktor. Octavian ließ ihn durch einen Stellvertreter in eine Schlacht verwickeln, um die Überfahrtvon Brindisi an die dalmatische Küste zu ermöglichen. Bei Philippi trafen die Heere im Herbst42 schließlich aufeinander, Antonius stand gegen Cassius, Octavian gegen Brutus. Nach dem Siegdes Antonius beging Cassius Selbstmord, während Brutus auf dem anderen Flügel siegreich blieb,Octavian versteckte sich in den Sümpfen. Gleichzeitig siegte die Flotte der Caearmörder undvernichtete zwei Legionen. In der zweiten Schlacht verlor Brutus gegen Antonius. Er und vieleandere Adelige aus seinem Heer begingen Selbstmord oder wurden hingerichtet, seine Soldatenliefen über.

Nach der endgültigen Niederlage der Caesarmörder und damit der Republik wurden die Aufgabenneu verteilt: Antonius erhielt den gesamten Osten zur Neuordnung, außerdem die Gallia Comataund Narbonensis und sechs Legionen, Octavian erhielt den Westen und fünf Legionen, Lepiduslediglich Afrika. Italien sollte gemeinsam beherrscht werden. Octavian nutzte die ihm übertrageneVeteranenversorgung zu seinem Vorteil: zwar brachten die rücksichtslosen Enteignungen Volkund Senat gegen ihn auf, aber die Treue der Veteranen war ihm sicher. Ein Versuch des LuciusAntonius, Volkstribun und Bruder des Triumvirn, das Triumvirat für ungesetzlich erklären zulassen, scheiterte, er wurde bei Perusia von den Octavian treu ergebenen Truppen geschlagen undfloh zu Antonius in den Osten. Perusia wurde als Warnung geplündert, der gesamte Stadtratermordet. Nach dem Tod des Statthalters der Gallia Cisalpina, Fufius Callenus, ließ Octavian imJahr 40 die Provinz besetzen.

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Auf diese Nachrichten hin verbündete sich Antonius mit Sextus Pompeius und schnitt Roms Ge-treideversorgung ab. Bei seinem Eintreffen in Italien solidarisierte sich sein Heer mit dem Heerdes Octavian, beide waren gezwungen, sich im September 40 auf den Vertrag von Brundisiumzu einigen: der ganze Westen sollte Octavian gehören, Antonius blieb im Osten. Eine Heirat desAntonius mit der Schwester Octavian, Octavia, sollte den Vertrag besiegeln. Kurz darauf wurdewegen der andauernden Seeblockade der Vertrag von Misenum (39) zwischen Octavian und Sex-tus Pompeius geschlossen, der auch dessen Stellung im Machtgefüge anerkannte. Er erhielt dieInseln Sardinien, Sizilien und Korsika sowie die Provinz Achaia für fünf Jahre.

Diese Einigung und propagandistische Maßnahmen festigten Octavians Position weiter. Aller-dings muß er eine schwere Niederlage gegen Sextus Pompeius hinnehmen, der als Reaktion aufden Angriff die Seeblockade Roms erneuert. Im Vertrag von Tarent (Frühjahr 37) erhielt er ge-gen die Zusicherung von 20.000 Legionären 120 Schiffe aus der Flotte des Antonius. Außerdemwurde das Triumvirat um weitere fünf Jahre verlängert. Marcus Vipsanius Agrippa, der engsteVertraute Octavians, baute mit den Schiffen die Flotte wieder auf und besiegte im September 36Sextus Pompeius entscheidend bei Naulochus. Lepidus versuchte, die Nachfolge des Sextus Pom-peius auf Sizilien anzutreten und griff Octavian an, aber seine Truppen liefen geschlossen über,er wurde in Italien interniert. Währenddessen hatte Antonius im Osten eine große Niederlagegegen die Parther erlitten. Langsam begannen sich die Machtverhältnisse zugunsten Octavians zuverändern.

Auch die gegen Antonius gerichtete Propaganda wegen dessen Lebensstils im Osten begann lang-sam. Sie wurde der wichtigste Teil der PolitikOctavians. Schon zu Beginn seines Konsulats 33 hielter eine scharfe Rede im Senat und entfaltete einen hemmunsglosen Propagandafeldzug. Schließ-lich brach Antonius die Vorbereitungen für einen neuen Partherkrieg ab und zog mit seinem Heernach Ephesos, wo er sich mit Kleopatras Flotte vereinigte. In Rom bedrohte Octavian mit sei-ner Leibgarde den Senat, der zum großen Teil zu Antonius floh und dort eine Gegenregierungbildete. Octavian erklärte Kleopatra den Krieg und ließ seinen Feldherrn Agrippa angreifen. BeiActium schloß dieser das Heer des Antonius ein und zwang es zur Kapitulation. Antonius floham 2. September 31 nach Alexandria, wo er nach der Einnahme der Stadt durch Octavian Selbst-mord beging. Kleopatra folgte ihm neun Tage später. Octavian hatte sein Ziel erreicht: er war derunbestritten mächtigste Mann des römischen Reiches.