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robert wegener Archäologische Untersuchung zur ostdeutschen Kultur

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robert wegener

Archäologische Untersuchung zur ostdeutschen Kultur

Robert Wegener 2010

Der Schwerpunkt meiner künstlerischen Arbeit bezieht sich seit 2008 auf die DDR-Kultur, die Vergangenheit und deren Nachwirken auf die Gegenwart. Dabei ist die Archäologische Untersuchung zur Ostdeutschen Kultur ein Kunstprojekt, welches sich vordergründig der Geschichts(re)konstruktion widmet.

Das Sammeln und Ordnen, Analysieren und Archivieren als Handeln bestimmen diese Arbeitsweise - eine Form der Spu-rensicherungen. In der Präsentation von Fotografien, Frag-menten, Objekten, bis hin zu ganzen Räumen werden die vielschichtigen Sinndimensionen und Problemstellungen gespiegelt, die u.a. in der Geschichtswissenschaft, Muse-ologie und Philosophie seit den 80er Jahren mit Bezug auf eine authentische Geschichtsdarstellung diskutiert werden.

Durch wissenschaftliche Methoden der Archäologie wie Ausgrabung, Datierung, Dokumentation und Archivierung, die wiederum durch künstlerische Methoden der Manipulati-on, absurde Neukombinationen, Isolation oder Nachahmungen aufgebrochen werden – entsteht ein subversives rereading von Zeichen, die ihre ursprüngliche Herkunft zwar nicht verleugnen, aber im neuen Kontext andere Bedeutungsebenen entfalten und Einsichten vermittelt. Durch einen flexiblen Umgang mit Relikten und gespeicherten Erinnerungspartikeln wird eine inhaltlich-formale Neuordnung erreicht. Zwar ge-ordnet aber letztlich unkommentiert werden die Fundstücke einer vergangenen Zeit gesammelt und mit neuen Objekten und/oder Räumen neu kombiniert - zu einer Geschichts(re)konstruktion.

Die dabei angesprochenen politischen und gesellschafts-kritischen Themen sollen in die Tiefen und Zwiespälte menschlichen Handels weisen, damit die Arbeiten immer wie-der zur Auseinandersetzung mit der eigenen sozialen Iden-tität anregen.

Arbeitskonzept:

Biographie

Robert Wegener

* 1974 in Jena

Lebt und arbeitet in Weimar und Leipzig.

Arbeit & Ausbildung

2008 Promotion, PhD. -Freie Kunst- Bauhaus-Universität Weimar

2002-2003 Kuration, Organisation, Leitung, Backupfestival|loungelab 02/03, Weimar

2000-2008 Ausstattung, freier Mitarbeiter in div. Film- und Theaterproduktionen, Deutschland/Österreich

1995-2004 Architekturstudium, Bauhaus-Universität Weimar

1990-1993 Tischlerausbildung, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Gruppenausstellungen 2008-2010

2011 Leipzig „Pilotenküche“ Baumwollspinnerei

Erfurt „Luxus“ Kunsthaus

2010 Weimar „Bilderwahn“ Galerie Eigenheim

Leipzig „Pilotenküche“ Baumwollspinnerei

2009 Zürich CH Galerie Mehrzweckhalle

Plauen „Mauerfall“ Galerie im Malzhaus

Gera „UNTERwegS“ HöhlerBiennale

2009 Erfurt „Kunstlawine“ ehm. Innenministerium Thüringen

Erfurt „Change“ Kunsthaus

2008 Erfurt „Klub500“ Kunsthaus

Chemnitz „Obsessionen“ Begehungen

Preise & Stipendien

2010-2012 Stipendium in der Graduiertenförderung des Freistaats Thüringen & der Bauhaus-Universität Weimar

2011 Artists in Residence „Pilotenküche“Baumwollspinnerei Leipzig

2010 Aufenthaltsstipendium „Pilotenküche“Baumwollspinnerei Leipzig

Bibliographie

2009 „UNTERwegS“ HöhlerBiennale Gera, Hrsg. Höhler e.V. (Katalog)

2008 „Obsessionen“ Begehungen Chemnitz, Hrsg. Eocus e. V. (Katalog)

Auslandsaufenthalte

2000-2001 Österreich Wien, Studium & Arbeit

1998 Japan Tokio, Kyoto, Nara, Osaka, Hiroschima, Exkursion

1995 USA NewYork, Arbeitsaufenthalt

Robert Wegener 2010

„Von der Innerlichkeit“ Raumskulptur, Leipzig 2011

Die begehbare Raumskulptur „Von der Innerlichkeit“ war ein Verhör- und Besprechungs-raum der ostdeutschen Kriminalpolizei. Die Raumelemente sind authentisch und wurden aus dem ehem. Thüringer Innenministerium in Erfurt entnommen. Aus diesen originalen Elementen entstand eine fragmentarisch, offene und sich überlagernde Struktur - ein dekonstruierter Raum.Mit dem Begriff „deutsche Innerlichkeit“ wird auf kultureller Ebene den Deutschen

gerne Innerlichkeit im Sinne eines Rückzugs des Subjekts aus der Welt, aber auch eine besonnene und empfindsame Gemütslage zugeschrieben. Das deutsche Bürgertum im 18. Jahrhundert war gekennzeichnet durch eine erzwungene Machtabstinenz, die sich in einer praktischen Distanz zur politischen Sphäre und in einer unpolitischen Haltung nieder-schlug. Das Individuum war gezwungen durch eine auferlegte Handlungshemmung sich in die eigene Innerlichkeit zurückzuziehen. Dieser melancholische Reflexionshang bedeutet den Rückzug ins Private, eine Weltflucht. Zurückgezogen kompensierte das bürgerliche Individuum seine gesellschaftliche Ohnmacht, in dem es das „Geistige“ kultivierte. Die-ser kontemplativen Einstellung entspricht eine Opposition zu Freiheitskonzepten; einer Dichotomie von politischer und geistiger Freiheit, wobei letztere als unabhängig von sozialen Strukturen gedacht wurde. Diesen bürgerlichen Eskapismus deutet W. Lepenies in seinem Buch „Melancholie und Gesellschaft“ als ideologischen Reflex auf die deutsche Misere und sieht in der daraus resultierenden Verspätung der Bourgeoisie eine Konstan-te des deutschen Sonderweges. In ihrem aufgezwungenen Freiheits- und Demokratiedefizit stehen die ostdeutschen

Intellektuellen in der Tradition des deutschen Bürgertums. Dieser Rückzug in die bür-gerliche Psychologie der Innerlichkeit spricht für deren melancholische Verfasstheit und ein ambivalentes Verhältnis zur Macht. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Utopie vom Sozialismus als Realitäts- und Weltflucht lesen, die jedoch spätestens in den siebziger Jahren im realexistierenden Sozialismus als gescheitert wahrgenommen werden musste. Der Sozialismus mit seinen Wurzeln im Stalinismus würde nicht zur erhofften „besseren Gesellschaft“ reifen, die damit verbundene Aufgabe des realen utopischen Projekts zugunsten eines fiktiven, rein utopischen, ist jedoch vor diesem Hintergrund lediglich als Restauration des intellektuellen Habitus zu lesen. Heiner Müllers Aus-spruch „Untergang oder Barbarei“ , der eine Abwandlung der von Rosa Luxemburg formu-lierten Alternativen „Sozialismus oder Barbarei“ darstellt, geht ein in einen neuen Geschichtspessimismus, der sich auch in Christa Wolfs Kassandra spiegelt, wenn sie ihre Figur resümieren lässt: „So ist, wenn Sieg auf Sieg am Ende Untergang bedeutet, der Untergang in unsere Natur gelegt“.Eine melancholische Haltung für die die Ruine als Sinnbild stehen kann. Sie setzt

sich im Stadium des Verfalls vor den Augen des Betrachters in all ihrer Geschichtlich-keit wieder zusammen und zeigt die Veränderung des Lebens. Ein dekonstruierter Raum gleich einer Ruine, eine fragmentarisch, offene und sich überlagernde Struktur. Es ist ein Raum im Zwischenraum. Die Skulptur entspricht ungefähr den Abmessungen von 5,80 x 4,20 x 3,60 m (lbh). Dies sind die Dimensionen jenes Raumes im Ministerium des Innern der DDR - Bezirk Erfurt. Der Raum war an den Wänden und Decke schallisoliert und mit weißen Lochblechen verkleidet, so dass ein sehr beengtes und gedämpftes Raumgefühl entstand. Dieser Raum wurde bis 1989 als abhörsicheres Besprechungs- und Verhörzimmer genutzt.

Von der Innerlichkeit zur Abwesenheit politischer Sphären

dekonstruierter Sozialismus

„Von der Innerlichkeit“ Raumskulptur, Leipzig 2011

„Zimmer 9.10“ Rauminstallation, Leipzig 2010

„Zimmer 9.10“ Rauminstallation, Leipzig 2010

Für diese Rauminstallation wurde aus einer ehema-ligen Kaserne am Ettersberg/Weimar (ehem. Wehrmachts-Flakregiment; danach von der Roten Armee genutzt) die alten Tapeten aus einem kompletten Raum herausgelöst. Diese Tapete (DDR-Produktion) hängt in gleicher Form im Galerieraum von der Decke ab und lässt den Raum wiedererstehen. Die russischen Tageszeitungen, die an der Rückseite der Tapete als Makulatur vormals an die Wände gebracht wurden, sind nun von außen sichtbar. An den russischen Tageszeitungen (Prawda, Nowaja Gase-ta, Sowjetkaja Armija etc.) sind noch Farbpartikel sichtbar die vermutlich aus der NS-Zeit stammen. Es entsteht ein gehäuteter Innenraum, an dessen Äußerem das ehemals Innere sichtbar wird.

Der Titel der Arbeit „Zimmer 9.10“ ist eine Anspie-lung auf die Montagsdemonstration vom 9.Oktober 1989 in Leipzig, wo Kurt Masur und andere zur Gewaltlosig-keit aufriefen. Diese Demonstration stellt einen Wen-depunkt in der Auseinandersetzung mit dem SED-Regime dar. Der massive Druck der friedlichen Montagsdemon-strationen im gesamten Land, führte letzten Endes zum Zusammenbruch der DDR.

„go WEST“ Rauminstallation, Erfurt 2009

In einem ehemaligen Besprechungsraum des Thüringer Innenministeriums, früher Ministerium des Inneren, in Erfurt, steht auf weißem Grund eine zerfallene Gold-gräberstadt. Sie entspringt jenen Träumen, die eine feste Verankerung in der DDR-Kultur bildeten. Einer Sehnsucht nach Freiheit innerhalb eines totalitären Systems, die ihren Ausdruck in der „Wild-West-Roman-tik“ fand. Der Raum ist an den Wänden und Decke schallisoliert

und mit weißen Lochblechen verkleidet, so dass ein sehr beengtes und gedämpftes Raumgefühl entsteht. Der Raum ist verlassen, zurück bleibt der Traum ei-

ner in Freiheit lebenden Gesellschaft.„go WEST“ Rauminstallation, Erfurt 2009

„Vorwärts und nicht Vergessen!“ Rauminstallation, Gera 2009

Die Raum- und Klanginstallation besteht aus einer „Wandzeitung“ und mehreren Tischen und Stühlen, die übereinander gestapelt, wie weggeräumt, in einem Sei-tenarm eines Kellers den Durchgang versperren. Tische und Stühle sind ehemaliges Schulinventar der DDR. Die Wandzeitung ist in ihrer Ästhetik angelehnt an jene, wie sie in den meisten öffentlichen Gebäuden zu fin-den waren und ist ca. 150x75 cm groß. Auf ihr prangt die Aufschrift „Vorwärts und nicht Vergessen!“ - die Aufschrift bildet die erste Zeile des Refrains des Solidaritätsliedes von 1929 und ist teilweise beschä-digt.Die Neonröhren, der dabei stehenden alten Industri-

eleuchte, sind defekt und beginnen in unregelmäßigen Abständen zu flackern, zu erlöschen und wieder zu er-hellen. Der entstehende Klang wird durch das Keller-gewölbe noch verstärkt.Die Installation ist so aufgebaut, dass man durch die

teilweise ordentlich übereinandergestapelten Stühle und Tische auf die Wandzeitung blickt, der Durchgang aber versperrt bleibt.

„Vorwärts und nicht Vergessen!“ Rauminstallation, Gera 2009

„Verbandszeug“ Volker Braun, 1981

Wohin trottest du, Freund? / Zum Haus des Verbandes. /

Was liegt an? / Versammlung, Kollege. / Ich eile;

Und worüber streiten sich heute die Meister

Einmütig? / Übers Erfassen der Realität. /

Wessen? / Die Realität. / Ah ja richtig

Man faßt es nicht, und dann kommt man nicht richtig zum Ende

Sag ich dir, dabei haß ich die unvollen-

Deten Geschichten! / Die werden wir fertigmachen. /

Ich sagte, ich eile.

Wir gingen ins Haus

Er auf das Podium, in die Sauna ich.

es spricht sich schlecht mit gebundener Zunge ...

Rauminstallation, 2008

Kaserne Ettersberg Kino Fototapete ca.350x230cm, 2008

Kaserne Nohra Kulturhaus Fototapete ca.350x230cm, 2008

Kaserne Nohra Schulungsraum Fototapete ca.350x230cm, 2008

russische Zeitungen Tapete Farbe ca.450x270cm, 2008

es spricht sich schlecht mit gebundener Zunge... Ausstellungsfoto, Chemnitz 2008

Nach dem politisch-ideologischen Scheitern des So-zialismus sowie dessen moralischen Versagens im Stalinismus, stellt sich die Frage nach der Hoff-nung, den Irrungen und der Schuld ostdeutscher Intellektueller. War es möglich, ohne die eigene Persönlichkeit in die Selbstzensur zu treiben, in einer Gesellschaft, die vom Offizialdiskurs einer Partei dominiert wurde, eine kritische Haltung zu bewahren?

„GROSSBLOCK-BAUMEISTER“ Kunststoff ca.60x40x25cm, 2010 Bj.1970

AUOK RW ArK.IV Nr. 70II-12-10TYP I 442 Teile

„Social Tank Typ I“ Kunststoff M 1:25, 2010 T-62 Gold Anker Bj.1985

AUOK RW PaK.IV Nr. 85II-12-10

„Social Tank Typ I“ Kunststoff M 1:25, 2010 T-62 Anker Bj.1974

AUOK RW PaK.IV Nr. 74III-12-10

„Selbstbausatz“ Halstuch Hölzer Karton 20x20cm, 2008

„Selbstbausatz“ Gebrauchsanweisung 20x20cm, 2008

Der „Selbstbausatz“ besteht aus einem originalen roten Thälmannpionierhalstuch, zwei runden Holzklötzchen, einer Gebrauchsanweisung und einem Karton. Das Objekt gibt vor ein original DDR-Produkt zu sein. Die Holz-klötzchen wirken jedoch irritierend und anhand der Ge-brauchsanweisung wird der Betrachter veranlasst, aus den Objekten ein Würgetuch zu bauen.Das Objekt spielt mit der Macht und der Ohnmacht in-

nerhalb eines diktatorischen Machtgefüges. Die Frage ist, inwieweit man sein Selbst in eine Gemeinschaft hinein konstruiert hat? Eine Form der Selbstzüchtigung - der Gewalt gegen das Selbst und gegen das Andere.Das Objekt steht auf einem weißem Sockel

0,30x0,30x1,00m und kann vom Betrachter benutzt, muss aber wieder rückgebaut werden.

Ausstellungsfoto, Chemnitz 2008

„Et in Arcadia ego“ Leninstatur c-Print 80x120cm, 2009

„ohne Titel“ c-print 45x30cm, 2008

„ohne Titel“ c-print 30x24cm, 2008

Photodokumentation Kaserne Nora, 2008

Impressum

Robert Wegener

* 1974 in Jena

Lebt und arbeitet in Weimar & Leipzig.

Kontakt

Demmeringstraße 23D-04177 Leipzig

Mobil: 0179-5475339

[email protected]

Foto: Jessica Siegel