rekrutierung von führungskräften über trainee-programme aus humankapitaltheoretischer...

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TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN FAKULTÄT VII – WIRTSCHAFT & MANAGEMENT EHEM. FACHGEBIET VWL INSBES. EMPIRISCHE WIRTSCHAFTSFORSCHUNG PROF. DR. GERNOT WEISSHUHN Qualifikation und Erwerbsarbeit Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht Eingereicht bei Dipl.-Ök. J. Große Rövekamp Bereich Volkswirtschaftslehre Prof. Dr. G. Weißhuhn von cand. – Ing. Deniz Özgöz Matr-Nr.: 306653

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Page 1: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN FAKULTÄT VII – WIRTSCHAFT & MANAGEMENT

EHEM. FACHGEBIET VWLINSBES. EMPIRISCHE WIRTSCHAFTSFORSCHUNG

PROF. DR. GERNOT WEI HUHNẞ

Qualifikation und Erwerbsarbeit

Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht

Eingereicht beiDipl.-Ök. J. Große Rövekamp

Bereich VolkswirtschaftslehreProf. Dr. G. Weißhuhn

von

cand. – Ing. Deniz ÖzgözMatr-Nr.: 306653

cand. – Ing. Hanchao XuMatr-Nr.:

cand. – Ing. Hui JiangMatr-Nr.: 308269

cand. – Ing. Marius Rohmann

Page 2: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Matr-Nr.: 306134

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis......................................................................................................................................2

Tabellenverzeichnis..........................................................................................................................................2

1. Einleitung..................................................................................................................................................3

1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit...........................................................................................3

1.2 Aufbau und methodisches Vorgehen.....................................................................................................4

2. Grundlagen...................................................................................................................................................5

2.1. Trainee-Programm.................................................................................................................................5

2.1.1. Definitionen / Begriffserklärungen.................................................................................................5

2.1.2. Charakteristika von Trainee-Programmen......................................................................................6

2.1.3. Grundtypen von Trainee-Programmen...........................................................................................8

2.2. Die Definition der Managementebene................................................................................................11

3. Hauptteil.....................................................................................................................................................14

3.1. Humankapitaltheorien – Mikroökonomische Ansätze zu Weiterbildungsmaßnahmen.......................14

3.1.1 Der humankapitaltheoretische Ansatz mit Investitionen in allgemeines Humankapital................15

3.1.2 Der humankapitaltheoretische Ansatz mit Investitionen in firmenspezifisches Humankapital.....18

3.1.3 Nicht-monetäre humankapitaltheoretische Investitionsmodelle als Anreizsysteme.....................21

3.1.4 Betriebsgröße als Variable für das Investitionsvolumen in firmenspezifisches Humankapital......25

3.2 Empirische Untersuchung.....................................................................................................................27

3.2.1 Kosten eine Trainee-Stelle.............................................................................................................27

3.2.2 Kostenträger..................................................................................................................................30

3.2.3 Die Bedeutung der Unternehmensgröße.......................................................................................33

3.3 Analyse der Investitionsgründe in Humankapital.................................................................................36

3.3.1 Unternehmenssicht.......................................................................................................................36

3.3.2 Arbeitnehmersicht.........................................................................................................................38

4. Fazit............................................................................................................................................................40

Literaturverzeichnis........................................................................................................................................41

1

Page 3: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Standardisiertes bzw. Klassisches ressortübergreifendes Trainee-Programm...............9

Abbildung 2: Ressortübergreifendes Trainee-Programm mit Fachausbildungsphase.........................9

Abbildung 3: Ressortbegrenztes Trainee-Programm mit Vertiefungsphase......................................10

Abbildung 4: Projektorientiertes Trainee-Programm.........................................................................11

Abbildung 5: Geschätzte Gesamtkosten pro Teilnehmer und Jahr....................................................27

Abbildung 6: Verwaltung des Budgets..............................................................................................29

Abbildung 7: Teilnehmende Unternehmen nach Anzahl der Mitarbeiter..........................................33

Abbildung 8: Einstiegsgehälter nach Unternehmensgröße................................................................33

Abbildung 9: Abweichung der Einstiegsgehälter vom Durchschnitt.................................................33

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Entwicklung der Inflationsrate..........................................................................................28

Tabelle 2: Einstiegsgehälter nach Funktion.......................................................................................31

Tabelle 3: Abweichungen vom Durchschnittsgehalt – nach Funktionen...........................................32

2

Page 4: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

1. Einleitung

Trainee oder Direkteinstieg?

Diese Frage stellen sich zunehmend mehr Absolventen deutscher Hochschulen. Damit ist gemeint,

ob ein Hochschulstudent nach dem Abschluss direkt in den Beruf einsteigt oder sich für eine der

zahlreichen Trainee-Stellen bewirbt. Trainee-Programme werden seit den 70er Jahren in

Deutschland angeboten und erfreuen sich besonders in den letzten 10 Jahren einer steigenden

Beliebtheit bei Absolventen. Der Unterschied zu einem normalen Berufseinstieg besteht darin, dass

der Trainee nicht direkt von Anfang an in seinem Arbeitsbereich eingestellt ist. Vielmehr durchläuft

der Trainee im Ausbildungszeitraum von 6 bis 24 Monaten mehrere Abteilungen des

Unternehmens, um das Unternehmen als Ganzes kennenzulernen. Besonders attraktiv für

Absolventen ist die meist sehr internationale Ausrichtung der Programme. Die Unternehmen

erhoffen sich durch diese Art von „Ausbildung“ qualifizierten Nachwuchs zu schaffen, welcher

später einmal höhere Positionen mit Entscheidungs- und Führungscharakter besetzen soll. Um

dieses Ziel zu erreichen, nehmen Unternehmen einen erheblichen finanziellen Aufwand in Kauf.

Daher werden an Absolventen, die sich für eine Trainee-Stelle interessieren, sehr hohe

Anforderungen im Rahmen von akademischen Leistungen und Soft Skills gestellt, damit sie die

späteren Erwartungen der Unternehmen hinsichtlich der Führungsaufgaben erfüllen.

Doch sind derart hohe Investitionen in die Ausbildung des späteren Führungsnachwuchses

wirtschaftlich überhaupt vertretbar, wenn bereits ein externer Arbeitsmarkt mit „fertig“

qualifizierten Führungskräften existiert, aus dem sich die Unternehmen bedienen können? Gerade

weil Trainees in der Ausbildungsphase mehr „learning“ als „doing“ betreiben, erreichen sie für das

Unternehmen kaum wirtschaftlichen Mehrwert. Sie erzeugen zugleich höhere Personalkosten

(Gehalt, Schulung, Reisekosten ins Ausland) als ein Direkteinsteiger.

Weshalb sind also Unternehmen dennoch bereit, diese hohen Personalkosten auf sich zu nehmen?

Diese Fragestellung wird in den folgenden Kapiteln anhand von Humankapitaltheorien und

verschiedenen empirischen Untersuchungen analysiert.

1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit

In dieser Arbeit soll untersucht werden, weshalb eine hohe Anzahl von Unternehmen bereit ist,

erhebliche monetäre Investitionen für Trainee-Programme zu tätigen, um den eigenen

3

Page 5: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Führungsnachwuchs auszubilden. Es soll außerdem dargestellt werden, wieso sich die Unternehmen

gegen eine externe Rekrutierung von Führungskräften entscheiden. Für die Beantwortung der

Fragestellung sollen Humankapitaltheorien in Betracht gezogen werden.

1.2 Aufbau und methodisches Vorgehen

Zunächst werden Trainee-Programme, deren Gestaltung und Ablauf erläutern. Im Hauptteil werden

für die Fragestellung relevante Humankapitaltheorien dargestellt und erläutert; dies stellt die

wissenschaftliche Grundlage für die Beantwortung der Problemstellung. Nach der theoretischen

Darlegung folgt eine empirische Untersuchung der Personalkosten für Trainee-Stellen, um die im

Hauptteil erläuterten Humankapitaltheorien zu untermauern. Abschließend werden im Fazit

Aussagen über die Entscheidungsgründe der Unternehmen getroffen.

4

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2. Grundlagen

2.1. Trainee-Programm

Trainee-Programme scheinen derzeit für Unternehmen und Hochschulabsolventen ein beliebtes

Thema zu sein. In diesem Kapitel werden zuerst die Definitionen von Trainee und Trainee-

Programmen zur Einführung der Arbeit betrachtet. Anschließend wird beschrieben, wodurch ein

Trainee-Programm charakterisiert ist und nachfolgend werden die Grundtypen von Trainee-

Programmen erklärt.

2.1.1. Definitionen / Begriffserklärungen

2.1.1.1. Trainee

Der Begriff „Trainee“ stammt aus dem angelsächsischen Sprachraum und wird als

„Auszubildender“ oder „Praktikant“ übersetzt.1 Im Allgemeinen wird es für in Ausbildung stehende

Personen verwendet.

1948 wurde der Begriff in Deutschland erstmals benutzt und Ende der siebziger Jahre war der

Begriff bei immer mehr Großunternehmen bekannt.2 Im Allgemeinen bezeichnet der Begriff

„Trainee“ in Deutschland auszubildende Hochschulabsolventen, die in das Berufsleben einsteigen

wollen.3 „Dieser spezifische Personenkreis aus Hochschulabsolventen, die ihre berufliche Tätigkeit

beginnen, zählt zu dem Nachwuchs der Führungskräfte, die auch als zukünftiges Führungspotential

der Unternehmungen gelten.“4

2.1.1.2. Trainee-Programm

In den 70er und 80er Jahren haben sich die Idee wie auch der Begriff „Trainee-Programm“ in

immer mehr Unternehmen durchgesetzt.5 Leider gibt es unterschiedliche Definitionen für den

Begriff „Trainee-Programm“. Aber allgemein versteht man unter „Trainee-Programm“ „ein für

Fachhochschul- oder Universitätsabsolventen entwickeltes Weiterbildungs- bzw.

Einarbeitungsprogramm, das zeitlich gestaffelt sowie berufs- und unternehmensspezifisch

1 Vgl. Weber (1993), S.2652 Vgl. Förderreuther (1988), S.173 Vgl. Weber (1993), S.2654 Arnold (1999), S.195 Vgl. Förderreuther (1988), S.17

5

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ausgerichtet ist. Es dient in erster Linie der Rekrutierung von Führungsnachwuchskräften“, 6 daher

haben Trainee-Programme die Aufgabe, berufsfähige Hochschulabsolventen zu Nachwuchskräften

heranzubilden und auf zukünftige Führungsaufgaben vorzubereiten.7 Nach Georg von Landsberg ist

das Trainee-Programm ein Personalentwicklungselement, das als „[…] betriebliche Vollendung der

universitären Vorleistung“8 gesehen werden kann.

Den Begriff des Trainee-Programms definiert Thom wie folgt: „Durch das Trainee-Programm soll

ein ausgewählter Kreis von Hochschulabsolventen eine Grundlagenausbildung für die spätere

Übernahme von Führungsfunktionen erhalten, die Kenntnisse über eigene Fähigkeiten und

Neigungen vertiefen, Kommunikationsbeziehungen aufbauen, Organisationsstruktur und -kultur

einer Unternehmung kennenlernen können. […] Die programmveranstaltende Unternehmung

beabsichtigt eine gesicherte Versorgung mit qualifizierten Nachwuchskräften für freiwerdende bzw.

neu zu schaffende Positionen sowie eine Verbesserung ihrer Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt der

Hochschulabsolventen.“9

2.1.2. Charakteristika von Trainee-Programmen

Durch den globalen Wettbewerb, den rasanten technischen Fortschritt und viele anderen

Einflussfaktoren wird das Einstiegsprogramm unternehmensspezifisch für den Fach- und

Führungsnachwuchs entwickelt.

Nach Georg von Landsberg ist das Angebot an Trainee-Programmen grundsätzlich flexibel und

variabel. „Flexibel, weil sich die Einarbeitung stark am betrieblichen Personalbedarf, an der

Arbeitsmarktlage sowie an der Eignung und Neigung des Bewerbers ausrichtet. Variabel, weil das

Trainee-Angebot eines Unternehmens erlischt, wenn der Führungsnachwuchs des Unternehmens

auf längere Zeit sichergestellt ist. Es kann also sein, dass manche Unternehmen Trainee-Programme

entwickeln, dieses Angebot jedoch zeitweilig zurückziehen und es erst später, wenn Bedarf besteht,

wieder anbieten.“10

Nach Thom lassen sich die Trainee-Programme durch weitere Merkmale charakterisieren:11

Teilnehmerkreis

6 Förderreuther (1988); Enaux/Molina (2002/2003)7 Vgl. Förderreuther (1988), S.178 Von Landsberg (1981), S.879 Thom (1987), S.21810 Von Landsberg (1980), S.811 Vgl. Thom (1987), S. 218.

6

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Nicht jeder kann an das Trainee-Programm teilnehmen, da die Trainee-Programme nur auf

eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet sind. Der Teilnehmerkreis beschränkt sich meistens

auf Universitäts- bzw. Fachhochschulabsolventen, die nach dem Studium neu ins

Berufsleben kommen wollen, weil solche Leute durch das Studium eher für spätere Fach-

und Führungsaufgaben qualifiziert sind. Jedes Unternehmen wird hohe Anforderungen an

dem Teilnehmer stellen und seine Trainees sorgfältig auswählen. Aufgrund der zahlreichen

Bewerber nimmt das Unternehmen nur den Hochschulabsolvent an, der eine

überdurchschnittliche Leistung bringt, viele praktische Erfahrungen gesammelt hat und sein

Profil die Unternehmensanforderung am besten entspricht. Früher waren Trainee-

Programme vorwiegend für Absolventen der Wirtschaftswissenschaften vorgesehen. Es gibt

aber auch Ausbildungsprogramme für Ingenieure und Naturwissenschaftler. In den letzten

Jahren gab es jedoch Programme, die für andere Personengruppen wie für gut qualifizierte

Mitarbeiter des Unternehmens geeignet sind.12

Ausbildungszeitraum

Der Ausbildungszeitraum des Trainee-Programms ist unterschiedlich im jeden

Unternehmen, aber die meisten Trainee-Programme dauern 6 - 24 Monate. 13 In der

Vergangenheit wurde ein Trend erkennbar, die durchschnittliche Dauer der Programme zu

verkürzen, deswegen wird der Großteil der Programme zwischen zwölf und achtzehn

Monaten durchgeführt. Ressortübergreifende Programme dauern tendenziell länger als

ressortbegrenzte Trainee-Programme, da der Trainee in mehreren Bereichen eingesetzt

wird. Ein Arbeitsplatzwechsel ist eigentlich nicht möglich, daher entscheidet man schon zu

Beginn des Berufseinstiegs über den zukünftigen Arbeitsbereich.

Didaktische Strukturierung

Trainee-Programme müssen didaktisch strukturiert, planvoll organisiert, gesteuert und nicht

zufällig ausgestaltet werden.

Es gibt einige charakteristische „Elemente“ von Trainee-Programmen, die man in der

Literatur wiederfinden kann:

Job-Rotation: Arbeitsplatz- bzw. Aufgabenwechsel innerhalb einer Organisation

Training-off-the-job: die geplante Weiterbildung außerhalb des Arbeitsplatzes

Training-on-the-job: das Lernen am Arbeitsplatz

12 Vgl. Ferring/Staufenbiel (1993), S.22413 Vgl. Thom/Giesen (1998), S.6

7

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Projektarbeit: zeitlich befristete Arbeit an einem Projekt

Die Programme beinhalten die Job-Rotation mit überwiegend praktischem Training in

einem oder mehreren Unternehmungsbereichen, in Verbindung mit zielgerichteten,

begleitenden Weiterbildungsmaßnahmen. Durch Job-Rotation lernt der Trainee die

Unternehmung besser kennen und erhält somit einen vertieften Einblick. Das Prinzip

„learning-by-doing“ wird besonders im Vordergrund betrachtet. Durch die präzise Auswahl

von Lerninhalten, Lernorten, Lernmitteln und -methoden soll der Trainee weiteres Wissen

und Fähigkeiten erwerben; somit kann er sich besser über seine Präferenzen und Wünsche

zur zukünftigen Arbeitsstelle klarwerden.

Ausrichtung auf mehrere Personen

Trainee-Programme sind meistens mit Kosten verbunden im Gegensatz zum Direkteinstieg.

Das Unternehmen muss viel Geld für den Ablauf des Programms in unterschiedlichen

Bereichen/Abteilungen investieren. Damit die Kosten nicht umsonst anfallen, wird das

Trainee-Programm mehrere Personen gleichzeitig und für mehrere Jahrgänge der

Absolventen angeboten.14

Ausgestaltung

Da die Trainee-Programme nicht gesetzlich definiert sind, ist das Unternehmen bei der

zeitlichen, inhaltlichen und finanziellen Ausgestaltung relativ frei. Deswegen werden

Trainee-Programme in verschiedenen Formen angeboten. Die Unternehmen können ihre

eigenen Schwerpunkte setzen oder sogar Kombinationen zwischen mehrere Programmtypen

anbieten.15

2.1.3. Grundtypen von Trainee-Programmen

1981 haben Thom und Ferring drei verschiedene Typen von Trainee-Programmen konzipiert, zwei

weitere werden von Thom und Giesen in Jahr 1998 noch ergänzt. Diese Grundtypen unterscheiden

sich nach „ […] der Art, der Anzahl sowie der Aufenthaltsdauer der von einem Trainee zu

durchlaufenden Ressorts und damit in der Ausbildungsbreite bzw. -tiefe sowie dem Grad der

Ausgabenverantwortung […] und dem Grad der Standardisierung.“16

14 Vgl. Thom (1987), S. 22015 Vgl. Thom (1987), S. 21816 Thom/Giesen (1998), S.18

8

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2.1.3.1. Standardisiertes bzw. Klassisches ressortübergreifendes Trainee-Programm

Beim klassischen ressortübergreifenden Trainee-Programm durchläuft der Trainee in gleichen

Zeitabschnitten verschiedene wichtige Ressorts, da er später als Führungskraft sich in allen

Abteilungen gleich gut auskennen muss, um wichtige Entscheidungen für das Unternehmen zu

treffen. Aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer in den jeweiligen Abteilungen wird dem Trainee gar

keine oder nur sehr begrenzt Verantwortung für die ihm zugeteilten Aufgaben übertragen. Das

Training-off-the-job beinhaltet allgemeine berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahmen. Die

Entscheidung über den späteren Aufgabenbereich wird während oder gegen Ende des Programms

getroffen.

Abbildung 1: Standardisiertes bzw. Klassisches ressortübergreifendes Trainee-Programm

Quelle: Ferring/Thom (1981), S.24

Durch diesen Programmtyp kann der Trainee mögliche zukünftige Tätigkeiten kennenlernen. Und

die Unternehmen auf der anderen Seite haben die Möglichkeit, über den Einsatz des Trainees in

einem der zu durchlaufenen Abteilungen flexibel zu entscheiden.

2.1.3.2. Ressortübergreifendes Trainee-Programm mit Fachausbildungsphase

Ein anderer Programmtyp ist wie das klassische Trainee-Programm auch ressortübergreifend, aber

mit Fachausbildungsphase. Der Unterschied zum vorherigen ist die kürzere

Grundausbildungsphase. Die standardisierte Grundausbildungsphase mit einer kurzen

Aufenthaltsdauer dient hier mehr zur Orientierung und Informationen. Der Trainee kann dadurch

einen Überblick über mehrere Ressorts gewinnen, aber meist wird keine Aufgabenverantwortung

von ihm verlangt. Dann folgt eine intensivere, deutlich längere und in einem Ressort zu

durchlaufende Fachausbildungsphase mit teilweiser oder ganzer Übertragung von

Aufgabenverantwortung. Der Trainee arbeitet sich dort vertieft ein, da er im späteren festen

Arbeitsverhältnis höchstwahrscheinlich in diesem Bereich eingesetzt wird.

9

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Abbildung 2: Ressortübergreifendes Trainee-Programm mit Fachausbildungsphase

Quelle: Ferring/Thom (1981), S.24

Dieser Programmtyp hat den Vorteil, dass der Trainee während der Fachausbildungsphase bereits

Aufgabenverantwortung übernehmen kann. Andererseits können die Unternehmen das

Entwicklungspotential vom Trainee besser einschätzen. Das Prinzip „learning-by-doing“ wird in

der Fachausbildungsphase besonders hervorgehoben und führt den Trainee intensiver und

langsamer in die zukünftige Tätigkeit ein.

2.1.3.3. Ressortbegrenztes Trainee-Programm mit Vertiefungsphase

Beim ressortbegrenzten Trainee-Programm findet die Grundausbildungsphase in nur einem Ressort

mit unterschiedlichen Arbeitsstationen statt. Gegen Ende der Grundausbildungsphase wird

entschieden, welchen spezifischen Aufgabenbereich der Trainee vollverantwortlich übernehmen

soll und diese Aufgaben wird der Trainee in der Vertiefungsphase intensiv bearbeiten.

Abbildung 3: Ressortbegrenztes Trainee-Programm mit Vertiefungsphase

Quelle: Ferring/Thom (1981), S.24

Der hohe Grad an Ausbildungsverantwortung und das „Training-on-the-job“ sind bei diesem

Grundtyp stark ausgeprägt. Dieser Programmtyp verlangt vom Trainee klare Zielvorstellungen über

seine zukünftige berufliche Tätigkeit. Von der Unternehmensseite wird verlangt, dass eine

10

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sorgfältige Kompetenzanalyse schon vor Beginn des Ausbildungsprogramms durchgeführt wird,

wer in welcher Abteilung arbeiten soll.17

2.1.3.4. Projektorientiertes Trainee-Programm

Beim projektbezogenen Trainee-Programm steht klar die Projektarbeit im Vordergrund. Der

Trainee wird bei einer oder mehreren kleinen, oft bereichsbezogenen Projekten eingesetzt, um das

Unternehmen kennenzulernen. Er übernimmt von Beginn an teilweise oder volle Verantwortung für

den ihm zugeteilten Aufgabenbereich und nimmt dabei Kontakt zu anderen Ressorts auf. Die

Projekte sind ausgerichtet auf die jeweiligen Bedürfnisse der Unternehmungen. Ein Projekt ist eine

besondere, umfangreiche und zeitlich begrenzte Aufgabe von relativer Neuartigkeit, hohem

Schwierigkeitsgrad und Risiko, die in der Regel limitiertes Kostenbudget und enge

fachübergreifende Zusammenarbeit aller Beteiligten fordert. Je nach Unternehmungszielen und der

strategischen Ausrichtung verlaufen die Projekte in den Unternehmen unterschiedlich ab.

Wenn der Trainee an einem einzigen komplexen und länger dauernden Projekt mitarbeiten soll, ist

es sinnvoll, die Projekttätigkeit durch einen oder mehrere Informationsaufenthalte in verschiedenen

Unternehmensbereichen zu ergänzen. Somit stellen die Informationsaufenthalte eine wichtige

Informations- und Orientierungsfunktion dar.

Abbildung 4: Projektorientiertes Trainee-Programm

Quelle: Thom/Giesen (1998), S.8

2.1.3.5. Individuelles und flexibles Trainee-Programm

Typisch bei individuellen Trainee-Programmen ist, dass der Trainee gemeinsam mit der

Personalabteilung und den zuständigen Fachabteilungen die Auswahl von Ressorts, die Dauer und

den Ablauf festlegen kann. Es werden wenige Ressorts hier durchlaufen und die Anzahl der

Ausbildungsstationen ist auf wenige fach- wie ressortbezogene Stationen begrenzt. Der Trainee 17 Vgl. Thom (1987), S. 252

11

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trägt vom Anfang an die Verantwortung für seine Tätigkeit. Die Wünsche und Bedürfnisse der

Ausbildungsteilnehmer können mittels dieser Programmkonzeption am besten berücksichtigt

werden und das Unternehmen verspricht sich davon eine positive Imagewirkung. Der Trainee wird

bei diesem Grundtyp hoch motiviert sein, da durch die Integration des Teilnehmers mehr

Eigenverantwortung und Freiräume angeboten werden.18 Es ist auch möglich, dass die einzelnen

Merkmale der oben genannten Programmtypen in den individuellen Trainee-Programmen integriert

werden, um die Abfolge und Inhalte der Programme individuell zu bestimmen.

2.2. Die Definition der Managementebene

Um zu untersuchen, ob Trainee-Programme geeignet sind, Nachwuchsmitarbeiter für die

Managementebenen zu qualifizieren, müssen Managementebenen zunächst definiert werden. Nun

ist es naheliegend, Managementebenen an Aufgaben des Managements festzulegen. Hierfür kann

man den klassischen Fünferkanon von Managementfunktionen, die 1955 von Harold Koontz und

Cyril O’Donnel beschrieben wurden heranziehen.19 Die fünf Funktionen Planning, Organizing,

Staffing, Directing und Controlling werden im folgendem näher erläutert.

Planning

Bei der Planung werden Unternehmensziele in Koordination mit allen Abteilungen festgelegt.

Dabei wird zwischen langfristige, und kurzfristige Planung (operativ). Bei der langfristigen Planung

beträgt der Planungshorizont drei bis fünf Jahre, wobei hier grobe strategische Ziele geplant

werden. Die operative Planung hat einen Planungshorizont von ein bis zwei Jahren und legt

konkrete operative Ziele wie z.B. Absatzvolumen fest.20

Organizing

Die Organisation als Tätigkeit, beinhaltet die Festlegung der Unternehmensstruktur und

Hierarchiestruktur.

Staffing

In der Personalplanung wird unter anderem der Personalbedarf kalkuliert und entsprechend

organisiert. Darüber hinaus werden Maßnahmen zur Personalentwicklung getroffen.

Directing

18 Vgl. Thom/Giesen (1998), S.819 Vgl. Georg Schreyögg Jochen Koch S.920 Vgl. Georg Schreyögg Jochen Koch S.10

12

Page 14: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Die in durch die Organisation geschaffenen strukturellen Voraussetzungen gegeben, „schließt sich

idealtypisch die permanente, konkrete Veranlassung der Arbeitsausführung und ihre zieladäquate

Feinsteuerung im vorgegebenen Rahmen als zentrale Führungsaufgabe an“21.

Controlling

Die Kontrolle stellt den letzten Schritt des klassischen Managementkonzepts dar. Es soll mit einem

Soll/Ist Vergleich gezeigt werden inwiefern die vereinbarten Ziele erreicht wurden. 22

Das Problem bei der klassischen Management Betrachtung ist, dass die genannten Aufgaben nicht

ausschließlich der Führungsebene zugeordnet werden können. Bis auf „Directing“ sind dies

vielmehr allgemeine Aufgaben der Unternehmensadministration an denen sowohl Manager als auch

Sachbearbeiter beteiligt sind. Daher eignet sich diese Betrachtung nur bedingt zur Definition der

Managementebene im Kontext dieser Arbeit.

Um eine klar die Managementebene zu definieren, beziehen wir uns in dieser Arbeit auf alle

Teilbereiche klassischen Fünferkanon von Managementfunktionen von Harold Koontz und Cyril

O’Donnel, mit der zusätzlichen Vorrausetzung dass der Angestellte über Personalverantwortung

verfügt.

3. Hauptteil

3.1. Humankapitaltheorien – Mikroökonomische Ansätze zu Weiterbildungsmaßnahmen

Im Rahmen des neoklassischen Ansatzes wird angenommen, dass Individuen versuchen ihren

Gewinn über der Zeit im Markt zu maximieren23. Dabei können Individuen in Bildung investieren,

um ihre Fähigkeiten zu erweitern. Mikroökonomische Ansätze analysieren diese

Weiterbildungsmaßnahmen (z.B. Trainee-Programme) mit Hilfe von humankapitaltheoretischen

Modellen. In diesen Modellen wird der Humankapitalstock des Individuums als Summe der

Ausbildungen (schulischer/beruflicher) und der Weiterbildungen interpretiert24. Generell

beschreiben humankapitaltheoretische Ansätze den „Trade off“ zwischen zukünftigem und

heutigem Einkommen25. Denn Weiterbildungsaktivitäten sind risikobehaftete Investitionen in

21 Georg Schreyögg Jochen Koch S.1122 Vgl. Georg Schreyögg Jochen Koch S.1123 Vgl. Clar/Dore/Mohr 199724 Vgl. Becker (1964)25 Siehe Mincer 1974

13

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Humankapital, welche das heutige Einkommen schmälern. Vor dem neoklassischem Hintergrund

investiert der Einzelne nur dann, wenn die anfallenden Kosten geringer sind als die zukünftig zu

erwartenden Erträge. Diese Kosten setzen sich zum einen aus den direkten Kosten der

Weiterbildung und zum anderen aus den Opportunitätskosten für das entgangene Einkommen (Zeit,

die durch die Weiterbildungsmaßnahme nicht zur Einkommensgenerierung genutzt werden kann)

zusammen. Die Erträge ergeben sich aus der gesteigerten Arbeitsproduktivität und generieren im

Zeitablauf Quasi-Renten26. Folglich müssen Hypothesen vor diesem humankapitaltheoretischem

Hintergrund formuliert werden, welche zum optimalen individuellem Humankapitalniveau, zur

zeitlichen Verteilung der Weiterbildungsinvestitionen, zur Aufteilung der Kosten und der Erträge

auf die Investoren (Arbeitnehmer und/oder Arbeitgeber), zu anreizkompatiblen Arbeitsverträgen, zu

Folgewirkungen auf das Arbeitsplatzwechselverhalten der Arbeitnehmer (bedingt durch

Bildungsinvestitionen), zu der Einkommensentwicklung im Zeitverlauf führen27.

Nachfolgend werden theoretische Hypothesen vorgestellt, welche sich mit ökonomischen

Fragestellungen zum Thema Weiterbildung auseinandersetzen. Dabei werden diese ökonomischen

Hypothesen im Rahmen dieser Arbeit dahingehend erläutert, dass die Weiterbildungsaktivität

„Trainee-Programm“ im Vordergrund steht.

Im Kapitel 3.1.1 wird die Investition in allgemeines Humankapital ökonomisch erklärt. Es existiert

eine ideale Aufteilung von Einkommen und Investition in allgemeines Humankapital im Zeitverlauf

eines Erwerbslebens28.

Im Kapitel 3.1.2 wird die Investition in firmenspezifisches Humankapital ökonomisch erklärt, das

heißt, dass das vermittelt Wissen nur beschränkt oder gar nicht außerhalb des jeweiligen

Unternehmens verwendet werden kann. Es werden theoretische Ansätze beschrieben, wie die

Kosten/Erträge aufgeteilt werden.

Das Kapitel 3.1.3 beschäftigt sich mit den nicht-monetären Anreiz-Systemen. Es werden

Möglichkeiten erläutert, um das beschriebene Problem des „Moral Hazards“29 zu umgehen. Dabei

werden verschiedene Modelle vorgestellt u.a. das Senioritätsabhängige Beförderungssystem, der

Beförderungswettbewerb und das Modell von Prendergast.

26 Williamson definiert die Quasi-Rente als die Differenz zwischen dem Ertrag einer Investition und dem Ertrag ihrer nächstbesten alternativ Verwendung (vgl. Williamson 1985) 27 Vgl. Pannenberg 1994, S.1528 Vgl. Pannenberg 1994, S.1629 Vgl. Kapitel 3.1.2

14

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Im Abschnitt 3.1.4 wird der Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße und dem

Investitionsvolumen in Humankapital analysiert, dabei werden verschiedene Erklärungen geliefert,

warum das Investitionsvolumen von der Unternehmensgröße abhängig sein kann.

3.1.1 Der humankapitaltheoretische Ansatz mit Investitionen in allgemeines Humankapital

Dieser theoretische Ansatz ermöglicht einen nutzenmaximalen Zeitpfad für Investitionen in

Humankapital, Löhne, Einkommen, Arbeitsangebot und Konsum30. Dies ist auf die optimale,

individuelle Zeitallokation im Rahmen von dynamischen Arbeitsangebotsmodellen im Verlauf

eines Erwerbslebens zurückzuführen. Dabei zählen in der Theorie alle schulischen und

betrieblichen Ausbildungen als Investitionen in das Humankapital. Trainee-Programme sind

folglich Weiterbildungsmaßnahmen (vgl. Kapitel 2.1) und somit Investitionen in Humankapital. Die

folgenden Annahmen werden im Rahmen der allgemeinen Humankapitaltheorie getroffen.

(a) Investitionen in Humankapital sind allgemein, d.h., dass die Produktivität des

Arbeitnehmers in allen Betrieben gleichermaßen steigt. Dies impliziert, dass der

Arbeitnehmer die Investition alleine zu tragen hat, da ihm auch sämtliche Erträge zu Gute

kommen.

(b) Es existiert ein „Trade-Off“ zwischen heutigem und zukünftigem Einkommen. Unter der

Annahme aus (a) verzichtet man auf heutiges Einkommen (Investition in

Weiterbildungsmaßnahme und Opportunitätskosten in Form des zeitlichen Aufwandes für

die Weiterbildung) zugunsten von zukünftigem Einkommen (Einkommen nach der

Weiterbildung).

(c) Das Humankapital eines Individuums veraltet und wird mit der konstanten

Abschreibungsrate δ abgeschrieben. Eine Erklärung für diese Annahme liefert Weizsäcker

(1986, S.37 f.). Er unterscheidet zwischen globalen (technischer Wandel) und individuellen

(abnehmende geistige Fähigkeiten) Faktoren, welche das Humankapital im Zeitverlauf

schmälern.

(d) Basierend auf dem neoklassischem Ansatz gelten die Marktgleichgewichtsbedingungen. Es

folgt eine einheitliche Ertragsrate aus den Investitionen in Humankapital für alle

Arbeitnehmer31.

(e) Die Arbeitnehmer sind risikoneutral und besitzen perfekte Informationen.

30 Vgl. Pannenberg 1994, S.1731 Weiss (1986 S. 604 ff.) erläutert die Annahmen, welche nötig sind, damit das Gleichgewicht begründet ist

15

Page 17: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

In der Literatur finden sich unterschiedliche Ansätze für die humankapitaltheoretische

Produktionsfunktion. Für unsere Analyse wählen wir das „Job-Choice Model“, in welchem die

Weiterbildungsaktivitäten an bestimmte Arbeitsplätze gebunden sind32. Denn auch Trainee-

Programme sind Arbeitsplatz gebundene Weiterbildungsmaßnahmen.

Mit Hilfe des Models von Blinder/Weiss (1976) lassen sich Hypothesen erstellen, welche Aussagen

über Investitionen in allgemeines Humankapital und die Einkommensentwicklung im Zeitablauf

treffen. Ausgangspunkt ist die folgende Einkommensfunktion:

(3.1.1)

Dabei ist Et das beobachtbare Einkommen und Ht das bereits akkumulierte Humankapital

(Einkommenspotential) zum Zeitpunkt t. Der Faktor r kann als derjenige Teil interpretiert werden,

welcher von dem Humankapital realisiert wird. Ist r = 1, so wird das komplette

Einkommenspotential umgesetzt. Wenn r = 0 ist, wird kein Einkommen realisiert. Diese Situation

ist mit „reinem schooling“ gleichzusetzen. Damit wird das Humankapital maximal gesteigert. Die

Veränderung des Humankapitals kann dabei mit Hilfe der Humankapital-Produktionsfunktion

beschrieben werden:

(3.1.2)

∆Ht ist die Veränderung des Humankapitals. Ht-1 spiegelt das Humankapital aus der Vorperiode

wieder. Das muss gemäß den oben getroffenen Annahmen mit δ abgeschrieben werden. Mit Hilfe

der Funktion f(th) kann die Humankapitalerhöhung erfasst werden. Der zeitliche Aufwand, welcher

die Opportunitätskosten darstellt, wird mit Hilfe von th beschrieben. Außerdem wird angenommen,

dass H0 ≥0. Des Weiteren wird mit diesem H0 die unterschiedliche Anfangsausstattung an

Humankapital erfasst und auch die individuellen Fähigkeiten, mit denen Humankapital akkumuliert

wird.

Betrachtet man nun den Lebenszyklus eines Individuums vor dem Hintergrund der theoretischen

Überlegungen kommt zu den folgenden 4 Phasen33.

Phase 1: Schule

32Pannenberg (1994 S.18 f.) erläutert das „time-allocation Model“. Er weist das zurück mit der Begründung, dass dieses Modell eine unendliche Anzahl von Arbeit/Weiterbildungsmaßnahmen suggeriert, die es in der Realität nicht gibt, und favorisiert somit ebenfalls das „Jobs-Choice Model“ 33 Vgl. Pannenberg (1994 S.22f.)

16

Et=r∗H t

ΔH t=f ( th )−δH t−1

Page 18: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Hier ist r = 0 (s. Gleichung 3.1.1). Es wird kein Einkommen generiert. Folglich steigt der

Humankapitalbestand an.

Phase 2: Beruflicher Einstieg

Es folgt eine abnehmende Investitionstätigkeit in Humankapital im Zeitablauf. Begründet wird das

mit der im Alter sich verkürzenden Amortisierungszeit. Der Lohn steigt in dieser Phase an. Hat sein

Maximum aber kurz vor der dritten Phase. Auch das Humankapital hat sein Maximum vor dieser

Phase. Begründung ist, dass die Abschreibungen hier größer als die getätigten Investitionen sind.

Denn schaut man sich die Gleichung (3.1.2) an, erkennt man, dass trotz eines Bildungsaufwandes

ein negatives ∆H entstehen kann, wenn die Abschreibungsrate hoch genug ist. Folglich sinken die

Löhne und der Humankapitalbestand trotz Weiterbildungsmaßnahmen.

Phase 3: „Reine“ Einkommenserzielung

Potentielles und beobachtbares Einkommen sind identisch. Hier ist r = 1 (s. Gleichung 3.1.1). Lohn

und Humankapital sinken gleichermaßen (mit der Abschreibungsrate δ).

Phase 4: Ruhestand

In dieser Phase wird das Humankapital weiter abgeschrieben.

Pannenberg (1994 S. 24 f.) kritisiert das Modell anhand von zwei Schwachstellen. Zum einen kann

mit empirischen Untersuchungen widerlegt werden, dass das Einkommen nicht am Ende der Phase

2 und die ganze Phase 3 über sinkt. Die Abschreibungsrate muss folglich kompensiert werden.

Folgende theoretische Überlegung schließt diese Schwachstelle. Geht man von einem learning-by-

doing Effekt aus, welcher keine Investitionskosten besitzt und größer als die Abschreibungsrate ist,

so kommt man auch zu steigenden Löhnen am Ende der Phase 2 und in der Phase 334. Zum anderen

kritisiert Pannenberg, dass keine Aussagen über unfreiwillige Unterbrechungen getroffen werden35.

Diese theoretischen Überlegungen zu den unfreiwilligen Unterbrechungen wird im Rahmen der

Arbeit aber keine Bedeutung bemessen, da sie für die Untersuchung von Trainee-Programmen

irrelevant sind.

Festzuhalten bleibt, dass mit Hilfe der Modelle empirisch testbare Hypothesen erzeugt werden

können. Arbeitnehmer finanzieren ausschließlich die Investitionen in (allgemeines) Humankapital,

da sie selbst die Nutznießer der Investitionen sind. Lebenseinkommensprofile werden mit Hilfe der

34 Vgl. Killingsworth (1982)35 Pannenberg (1994 S. 25) erweitert das oben beschriebene Modell des Lebenszyklus, um unfreiwillige Unterbrechungen im Laufe eines Erwerbslebens

17

Page 19: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Humankapitaltheorie erklärt. Durch Investitionen in das Humankapital und der damit verbundenen

höheren Arbeitsproduktivität des Einzelnen steigt der Lohn im Zeitablauf. Des Weiteren impliziert

dieser theoretische Ansatz, dass das Einstiegsniveau an Einkommen von Arbeitnehmern bei

Investitionen in allgemeines Humankapital geringer ist, dafür aber zu einem höheren

Humankapitalstock führt, was wieder zu höheren Lohnsteigungsraten führt. Durch die unterstellte

Risikoneutralität hat der Arbeitnehmer keinen Anreiz, seinen Arbeitsplatz zu wechseln, da er in

jeder Firma den gleichen Lohn (gemäß seiner Arbeitsproduktivität) erhält.

3.1.2 Der humankapitaltheoretische Ansatz mit Investitionen in firmenspezifisches Humankapital

Bei den in Kapitel 3.1.1 behandelten humankapitaltheoretischen Ansätzen handelt es sich um die

Bildung von allgemeinem Humankapital. Das bedeutet, dass die Aneignung von Humankapital so

interpretiert wird, dass die Arbeitsproduktivität des Arbeitnehmers in allen auf dem Markt

befindlichen Firmen in gleichem Maße steigt. Das hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer die

Investition alleine zu tätigen hat, da er auch die Erträge bekommt. Geht man aber davon aus, dass

die Arbeitsproduktivität in der beschäftigten Firma im höheren Maße steigt als in alternativen

Firmen, folgen daraus erhebliche Auswirkungen auf den Umfang an Investitionen in Humankapital,

auf das Betriebswechselverhalten und die Einkommensentwicklung der Arbeitnehmer36. Becker

(1975) spricht an dieser Stelle von „firm-specific-human-capital“ und analysiert die Bildung von

firmenspezifischem Humankapital mit dem folgenden 2-Perioden-Modell. In der ersten Periode

wird in das firmenspezifische Humankapital investiert, in der zweiten Periode resultieren daraus

Quasi-Renten. Für das Modell werden die folgenden Annahmen getroffen37:

a) Das individuelle Niveau an Humankapital ist gegeben.

b) Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind risikoneutral38.

c) Die Arbeitsproduktivität in Periode 2 des Arbeitnehmers unterliegt zufälligen

Schwankungen (innerhalb und außerhalb des Betriebes; diese Schwankungen sind per

Annahme nicht miteinander korreliert [Cov(inner,außerhalb)=0] ).

d) Asymmetrische Information (Arbeitsproduktivität): Der Arbeitgeber kennt am Ende der

Periode 1 die Produktivität des Arbeitnehmers in der Firma. Der Arbeitnehmer hingegen

kennt die allgemeine Produktivität und die daraus resultierende alternative Jobangebote.

36 Vgl. Pannenberg (1994 S. 27)37 Vgl. Pannenberg (1994 S. 29)38 Pannenberg (1994 S.33 f.) erläutert den Einfluss von Risikoaversion auf das 2-Perioden-Modell

18

Page 20: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

e) Der Kontrakt wird in Periode 1 festgelegt und beinhaltet den Umfang in firmenspezifisches

Humankapital, die Arbeitgeber/Arbeitnehmeranteile an den Investitionen und die Aufteilung

der Erträge (Lohn in Periode 1 und 2).

f) Neuverhandlungen nach Periode 1 sind ausgeschlossen. Der Vertrag kann nur einseitig

aufgelöst werden.

g) Die Kostenfunktion C für firmenspezifisches Humankapital h ist gegeben [mit C(h)´>0,

C(h)´´>0]

Mit Hilfe dieser Annahmen lässt sich die Arbeitsproduktivität a des Arbeitnehmers in der 2. Periode

wie folgt darstellen (gilt für die Weiterbeschäftigung in derselben Firma):

(3.1.3)

H gibt dabei den Bestand von allgemeinem Humankapital an. Das kleine h stellt den Umfang an

firmenspezifischem Humankapital dar. Der Störterm η hat den Erwartungswert Null vor der ersten

Periode (ex ante) kann aber die erwartete Arbeitsproduktivität m (bezogen auf das

firmenspezifische Humankapital) nach der ersten Periode (ex post) ändern:

(3.1.4)

Der Marktlohn in Periode zwei w2 wird mit der oben genannten Formel definiert. Dieser setzt sich

zum einen aus dem Bestand an allgemeinem Humankapital und zum anderen aus dem

firmenspezifischen Humankapital multipliziert mit dem Störterm ε zusammen. Auch hier ist der

Erwartungswert des Störterms Null. Aber falls firmenspezifisches Humankapital vermittelt wird,

welches in Periode 2 auch anderen Firmen nutzt, so erfasst das ε und erhöht folgerichtig den

Marktlohn.

Die Quasi-Rente39 R die sich ergibt, lässt sich wie folgt bestimmen:

(3.1.5)

Der ex ante festgelegte Lohn für Periode 2 wi lässt sich wie folgt definieren:

(3.1.6)

Dabei wird mit Hilfe von α ein Teil der Quasi-Rente dem Arbeitnehmer ausgezahlt.

Auch der Arbeitgeber-Gewinn r lässt sich ermitteln:

39 Williamson definiert die Quasi-Rente als die Differenz zwischen dem Ertrag einer Investition und dem Ertrag ihrer nächstbesten alternativen Verwendung (vgl. Williamson 1985)

19

a=H+h( m+η )

w2=H+hε

R=a−w2

w i=H +α∗m∗h

Page 21: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

(3.1.7)

Bei einer volkswirtschaftlichen Betrachtung ist ein Arbeitsverhältnis in Periode 2 effizient, wenn

Gleichung (3.1.5) ≥ 0 ist. Ansonsten sollte gekündigt oder entlassen werden. Es sind aber auch

volkswirtschaftlich ineffiziente Kündigungen/Entlassungen möglich. Dies passiert genau dann,

wenn die Gleichung (3.1.5) ≥ 0 ist und entweder der Arbeitgeber entlässt, weil die Gleichung

(3.1.7) < 0 ist oder der Arbeitnehmer kündigt, wenn der Marktlohn w2 größer ist als der zu

erhaltende Lohn wi. Um diese ineffizienten Trennungen zu minimieren, muss neben der optimalen

Investitionsentscheidung ein in Gleichung (3.1.6) optimales α ermitteltet werden40.

Für empirisch zu überprüfende Hypothesen betreffend der Einkommensentwicklung fehlt noch der

Lohn in der ersten Periode. Bei einem langfristigen kompetitiven Gleichgewicht muss der

Gesamtertrag Null sein, denn der Gegenwartswert des gemeinsamen Ertrages muss genau den

Investitionskosten entsprechen41. Das impliziert, dass der Anteil des Arbeitnehmers am

Gesamtertrag bezogen auf den Gegenwartswert seinen Teil der Investitionskosten wiederspiegelt.

Folglich wird er in Periode 1 einen Betrag erhalten, der unter dem Marktlohn liegt, aber über der

Arbeitsproduktivität an seinem Arbeitsplatz. In Periode 2 erhält er dafür einen Lohn, der über

seinem Marktlohn liegt, aber unter seiner Arbeitsproduktivität an seinem Arbeitsplatz. Darstellen

lässt sich der Lohn w1 wie folgt:

(3.1.8)

β ist somit ein Anteil von den Kosten C für die Investition in das firmenspezifische Humankapital,

welcher der Arbeitnehmer durch einen Lohnabschlag trägt.

Pannenberg (1994 S.37 f.) kritisiert das 2-Perioden-Modell dahingehend, dass die Kosten der

Investition in das Humankapital und die daraus resultierenden Erträge in der Realität nicht objektiv

quantifizierbar sind. Es kommt zum „Dual Moral Hazard“42. Das heißt, dass das Unternehmen nach

getätigter Humankapitalinvestition in den Arbeitnehmer den Anreiz hat, Lohnkosten einzusparen

und die Produktivitätssteigerung leugnet. Diese Strategie antizipiert der Arbeitnehmer und hat

keinen Anreiz mehr firmenspezifisches Humankapital zu generieren. Lösungsansätze für dieses

40 Pannenberg (1994 S. 31f.) maximiert hier den Gesamt-Ertrag und ermittelt somit ein optimales α und den optimalen Anteil der Investition in firmenspezifisches Humankapital. Auch erläutert Pannenberg (1994 S.36) weitere Möglichkeiten ineffiziente Trennungen zu vermeiden41 Vgl. Pannenberg (1994 S.32)42 Vgl. Prendergast (1993 S. 523)

20

r=a−wi

w1=H−ßC

Page 22: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Dilemma erläutert Pannenberg (1994 S.38 f.). Für unsere Arbeit interessante Überlegungen werden

in Kapitel 3.1.3 erläutert.

Festzuhalten bleibt, dass mit Hilfe des 2-Perioden-Modells empirisch testbare Hypothesen erzeugt

werden können. Durch Investitionen in Humankapital steigt das Einkommen im Zeitablauf. Wird in

firmenspezifisches Humankapital investiert, müssen die Ausgangslöhne niedriger sein. Dafür sind

höhere Steigungsraten zu erwarten als bei Individuen ohne Investitionen in firmenspezifisches

Humankapital. Bedingt durch die Beteiligung der Arbeitnehmer an den Quasi-Renten und dem

einhergehenden Verlust dieses Ertrages im Falle eines Arbeitsplatzwechsels sind Arbeitnehmer mit

Investitionen in firmenspezifisches Humankapital weniger geneigt, ihren Arbeitsplatz zu wechseln.

Durch die Möglichkeit der Entlassung/Kündigung lassen sich Mischfinanzierungen ableiten.

3.1.3 Nicht-monetäre humankapitaltheoretische Investitionsmodelle als Anreizsysteme

Das in Kapitel 3.1.2 beschriebene Dilemma zwischen Investitionsvolumen in firmenspezifisches

Humankapital und die Aufteilung der Kosten bzw. der Quasi-Rente versucht dieser Teil der Arbeit

mit einem anderem Ansatz zu lösen. Dabei ist die Nutzung von nicht-monetären Anreizen der

entscheidende Unterschied zum vorherigen Teil. Als nicht-monetäres Instrument dient dem Betrieb

die Beförderung, wobei natürlich eine hierarchische Lohndifferenz innerhalb des Betriebes

angenommen werden muss43. Das führt dazu, dass die Arbeitnehmer einen Anreiz haben, in

firmenspezifisches Humankapital zu investieren, da ihnen eine höhere Position im Unternehmen in

Aussicht gestellt wird. Um das Problem vom „Dual Moral Hazard“ aus Kapitel 3.1.2 (die

Produktivität von dem Arbeitnehmer zu niedrig auszuweisen) aus Arbeitgebersicht umgehen zu

können, bieten sich die folgenden Beförderungsregeln an: die senioritätsabhängige Beförderung

(nach der Lebensalter bzw. Betriebszugehörigkeit) und der Beförderungswettbewerb unter den

Arbeitnehmern. Die beiden Anreiz-Systeme umgehen prinzipiell das Dilemma des beidseitigen

Moral Hazard´s und werden im Folgenden beschrieben. Eine wichtige Voraussetzung dieser

Ansätze ist ein kooperatives Verhalten der Arbeitnehmer. Dies ist aber nicht immer gewährleistet,

da bei dem innerbetrieblichen Beförderungswettbewerb eher ein Leistungswettbewerb unter den

Arbeitnehmern hervorgerufen wird. Dies kann im Extrem Fall zur „Sabotage“44 unter den

Mitarbeitern führen45. Dabei ist auch im Allgemeinen zu berücksichtigen, dass ein Wettbewerb

unter den Mitarbeitern, welcher auf bestimmten Anforderungen basiert, nicht gleich den

43 Vgl. Pannenberg (1994 S.42)44 McLaughin (1988)45 Vgl. Pannenberg (1994 S.43)

21

Page 23: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Anforderungen für die nächst höhere Ebene ist (Beispiel: der beste Lehrer ist nicht der beste

Schulleiter). Der Leistungswettbewerb würde dann nämlich zu dem Peter Prinzip führen: „In einer

Hierarchie neigt jeder Beschäftigte dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.“46.

Daraus folgt, dass nach einer gewissen Zeit jede Position mal mit unfähigen Arbeitnehmern besetzt

wird, die nicht den Anforderungen genügen. Dies impliziert, dass die Arbeiten von den Mitarbeitern

ausgeführt werden, die noch nicht ihre Stufe der Inkompetenz erreicht haben47.

Es zeigt sich also, dass der innerbetriebliche Beförderungswettbewerb kein optimales Instrument für

die Aneignung von firmenspezifischem Humankapital ist.

Die senioritätsabhängige Beförderung lässt sich problemlos in das 2-Perioden-Modell von Kapitel

3.1.2 integrieren. Das Modell wird wie folgt erweitert: 48

a) Arbeitnehmer und Arbeitgeber kennen die erwartete Quasi-Rente in Periode 2 der

Humankapitalinvestition und sind risikoneutral.

b) In der ersten Periode wird ein „on-the-Job“ Training absolviert und ein Lohn w 1 gezahlt.

Der Lohn w1 wird nach der Grenzproduktivität der ersten Periode bezahlt.

c) Nach Abschluss des Trainings wird zu Beginn der zweiten Periode ein erhöhter Lohn von

w2 bezahlt. Im Laufe der zweiten Periode wird dann der Arbeitnehmer befördert. Die

Beförderung wird mit dem Periodenlohnzuschlag B vergütet.

d) Nach dem strikten Senioritätsprinzip, bei dem die Anzahl der höher bezahlten Jobs fest ist,

wird bei dem Ausscheiden der älteren Generation im Unternehmen ein Aufstiegsprozess der

nächst jüngeren in Gang gesetzt. Die Produktivität ist nicht von Relevanz bei der

Beförderung. Entscheidend ist nur die Zeit der Betriebszugehörigkeit.

e) Es wird vereinfacht angenommen, dass man sich durch das „on-the-Job“ Training

ausreichend qualifiziert hat und somit den Anforderungen beider Jobs genügt. Folglich nutzt

der Arbeitnehmer die sich ergebene Aufstiegschance.

Die Arbeitnehmer weisen also ein im Zeitverlauf steigendes Lohnprofil auf. Dennoch sind sie

alleiniger Träger der Investitionskosten in firmenspezifisches Humankapital bei einem

senioritätabhängigen Vertrag. Daraus folgt, dass das Einkommen in der ersten Periode der

Marktlohn (Wert des allgemeinen Humankapitals) abzüglich der Investitionskosten ist. Der

Arbeitnehmer verzichtet auf einen Teil seines Gehaltes in der ersten Periode, um dann in der

zweiten Periode mehr zu bekommen als seinen Marktlohn. Zusätzlich bietet sich die Möglichkeit 46 William Morrow (1969)47 Vgl. William Morrow (1969)48 Vgl. Carmichael (1983)

22

Page 24: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

eines Beförderungszuschlages. Dies bietet einen weiteren Anreiz zum Verzicht auf den Lohn in der

ersten Periode. Die individuelle Einkommensentwicklung und die Investition in firmenspezifischem

Humankapital sind somit positiv korreliert laut diesem Modell. 49

„Senioritätsabhängige Beförderungsmodelle implizieren in der dargestellten Form eine

mechanische Beförderungspolitik, die nur Mindeststandards der individuellen Arbeitsproduktivität

über die Kündigungsregel berücksichtigen kann.“50. Die Kündigungsregel, bestehend aus wa dem

Marktlohn für den allgemeinen Humankapitalbestand, M die erwartete Quasi-Rente aus der

firmenspezifischen Investition und w2 der zu bezahlende Lohn in Periode 2 lautet wie folgt:

wa + M < w2 (3.1.9)

Festzuhalten bleibt, dass der Arbeitnehmer die Kosten der firmenspezifischen

Humankapitalinvestition selber trägt. Somit erhält er einen Lohn unter dem Marktlohn in Periode 1.

In Periode 2 erhält der Arbeitnehmer dafür einen Lohn, der über dem Marktlohn liegt. Zusätzlich

besteht die Möglichkeit der Beförderung, welches dem oben beschriebenen strikten

Seniorititätsprinzip folgt und einen weiteren Anreiz zur Akkumulation von firmenspezifischem

Humankapital schafft, indem es mit einem Beförderungszuschlag vergütet wird.

Das Ein-Perioden-Modell von Prendergast (1993) beschäftigt sich mit den Lohndifferenzen im

Unternehmen. Dieses Modell macht folgende Annahmen:51

a. Es existieren zwei unterschiedliche Arbeitsstellen, die sich in dem Anspruch an den

Arbeitnehmer unterscheiden. Job E ist der einfachere, welche eine geringere Fähigkeit (n)

des Arbeitnehmers erfordert, und Job D ist der anspruchsvollere.

b. Dieses Modell berücksichtigt auch die Investition in Humankapital mit der Variablen s,

welche den Wert Null für nicht getätigte Investition und den Wert eins annehmen kann.

c. Die Arbeitsproduktivität des Arbeitnehmers sei dem Arbeitgeber auch die ganze Zeit

bekannt.

d. Ein Arbeitnehmer mit einem höheren Bestand an Humankapital hat einen Vorteil bei dem

Anspruch auf den Job D.

e. Die Humankapitalinvestition bei dem anspruchsvolleren Job weist eine höhere

Produktivitätssteigerung als die Investition in den einfacheren Job aus.

49 Vgl. Carmichael (1983)50 Pannenberg (1994, S. 46)51 Vgl. Prendergast (1993)

23

Page 25: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

f. „Definiert man nun noch n* (n+) als kritisches Niveau individueller Fähigkeiten, bei dem bei

Existenz (Nichtexistenz) von Investitionen in firmenspezifisches Humankapital eine

Beförderung erfolgt mit n* < n+.“52

Bei diesem Modell von Prendergast müssen natürlich Anreize geschaffen werden, die Investitionen

in firmenspezifisches Humankapital fördern, da diese vollständig von dem Arbeitnehmer getragen

werden. Deshalb muss aus Sicht des Arbeitnehmers die Beförderungswahrscheinlichkeit und die

erwartete Lohnsteigerung von dem einfachen Job (Lohn: wE) zu dem anspruchsvolleren Job (Lohn:

wD) größer sein als die Kosten der Investition in das firmenspezifische Humankapital. Aus

Arbeitgebersicht gilt die Bedingung, dass die zusätzliche Produktivität von dem einfachen Job E zu

dem anspruchsvollen Job D mindestens die Lohnsteigerung kompensieren muss. Zusätzlich muss

für das n* gelten, dass der erwartete Lohn nach der Investition in firmenspezifisches Humankapital

größer als die Summe von Reservationsnutzen und Investitionskosten ist.53

Diese ganzen Zusammenhänge verdeutlich diese Grafik:

Abbildung 5: Beförderungswahrscheinlichkeit und Lohndifferential

Quelle: Prendergast (1993)

Die Geraden 1-n* und 1-n+ stellen die gleichgewichtete Kombination von den oben beschriebenen

Bedingungen dar. Diese besteht aus der Beförderungswahrscheinlichkeit und den unterschiedlichen

Lohnsteigerungen für das gegebene n* und n+. Die höhere Lage von 1-n* resultiert aus dem

effektivem „on-the-Job“ Training.

52 Pannenberg (1994, S. 48)53 Vgl. Prendergast (1993)

24

Page 26: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Nun muss laut den davor genannten Bedingungen eine optimale Lohndifferenz zwischen den zwei

verschiedenen Job-Typen gefunden werden, die dem Arbeitnehmer einen Anreiz für die Investition

in firmenspezifisches Humankapital bietet, unter der Nebenbedingung, dass seine

Produktivitätssteigerung die Lohnkosten kompensiert. Somit müsste sich empirisch ein

Zusammenhang zwischen Investitionen in firmenspezifischen Humankapital, Karrieresprüngen und

Einkommensentwicklung zeigen lassen. Durch Investitionen in firmenspezifisches Humankapital

muss eine höhere Beförderungswahrscheinlichkeit entstehen und somit auch ein Lohnzuwachs nach

der Investition.

Festzuhalten bleibt, dass die Investition in firmenspezifisches Humankapital die Wahrscheinlichkeit

eines Karrieresprungs im Unternehmen erhöht. Das ist die Folge aus dem „on-the-Job“ Training

und der daraus resultierenden Produktivitätssteigerung für das Unternehmen. Außerdem lässt sich

empirisch das Carmichael-Modell überprüfen, welches senioritätsabhängige Beförderungen

vorsieht. Aus diesem strikten Senioritäts Modell müsste folgen, dass der Arbeitnehmer mit der

längsten Betriebszugehörigkeit die höchste Position bekleidet.

3.1.4 Betriebsgröße als Variable für das Investitionsvolumen in firmenspezifisches Humankapital

Die zuvor diskutierten theoretischen Modelle zu Investition in firmenspezifisches Humankapital

berücksichtigten entweder die angebotstheoretische Perspektive oder die vertragstheoretischen

Eigenschaften. Was aber nicht berücksichtigt wurde, ist die Arbeitsnachfrage der Arbeitgeber und

die daraus resultierenden Investitionen in Humankapital. Dies kann aus neuen

Produktionstechniken, der Expansion des Unternehmens oder aus dem Ausscheiden von

Mitarbeitern resultieren. Die Investitionsentscheidung ist nun abhängig von der Eignung der

Arbeitnehmer und der Arbeitsnachfrage. Dabei ist eine relevante Variable die Betriebsgröße. Sie

bildet eine entscheidende Rolle bei Investitionen in firmenspezifisches Humankapital54.

Diesen positiven Zusammenhang zwischen Größe und Investitionsvolumen beschreibt die

Portfoliotheorie: Ein großes Unternehmen besitzt sozusagen einen eigenen Arbeitsmarkt, welcher

den Mitarbeitern den Anreiz zu einem Aufstieg im Unternehmen bietet. Deswegen erhöht sich die

Verweildauer der Arbeitnehmer und macht die Investition in Humankapital sicherer. Die

Kündigung durch den Arbeitnehmer wird auch unwahrscheinlicher. Außerdem lässt sich in einem

großen Unternehmen der Erfolg der einzelnen Weiterbildungsmaßnahmen leichter erkennen, da

54 Vgl. Pannenberg (1994, S.52 - 53)25

Page 27: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

dort sehr spezialisierte Schulungen absolviert werden, die einen messbaren Fortschritt vorweisen.

Die Bewertungen der einzelnen Weiterbildungsmaßnahmen und die breite Auswahl an potentiellen

Mitarbeitern für die Fortbildung senkt das Risiko in Humankapitalinvestitionen bei großen

Unternehmen. Daraus sollte folgen, dass aus dem geringen Risiko des Arbeitgebers der Anteil an

der Humankapitalinvestition steigt bzw. große Investitionen auch erst dann getätigt werden. 55

Der „Economies of scale“ Ansatz 56 beschreibt Synergie-Effekte bei einer großen Anzahl an

schulungsfähigen Arbeitnehmern. Dadurch werden interne Schulungen erst rentabel und die

externen Schulungen immer unattraktiver. Außerdem lässt sich ein speziell auf das Unternehmen

zugeschnittener Weiterbildungskatalog realisieren.

Aus diesen theoretischen Ansätzen sind Trainee-Stellen eher in großen Unternehmen zu finden, die

selbst die Nachwuchskräfte ausbilden; dies lässt sich empirisch überprüfen. Außerdem sollte

empirisch erkennbar sein, dass bei größeren Unternehmen der Anteil an der

Humankapitalinvestition deutlich größer ist als bei kleineren Unternehmen, weil die Investitionen in

Humankapital sicherer sind (vgl. 3.1.3). Zudem sollte erkennbar sein, dass große Unternehmen eher

Leute mit hohem Humankapitalbestand beschäftigen, da sie einen größeren internen Arbeitsmarkt

besitzen und somit bessere Karrierechancen bieten. Die Arbeitnehmerzahl in einem Unternehmen

kann ein Indiz für die Karrierechancen sein, da aus einer großen Anzahl an Arbeitnehmern auch ein

größerer Koordinationsaufwand resultiert. Dies führt zu mehreren Führungsebenen, die dann

Aufstiegschancen bieten.

55 Vgl. Holtmann/ Idoson (1991)56 Vgl. Haber (1991)

26

Page 28: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

3.2 Empirische Untersuchung

3.2.1 Kosten eine Trainee-Stelle

Um in den weiteren Unterkapiteln die Fragen zu untersuchen, wer die Kosten trägt und warum diese

getragen werden, werden die Kosten einer Trainee-Stelle im Vorfeld betrachtet. Hier gilt es zu

unterscheiden, ob die Kosten vor der Planung, während des Programmprozesses oder am Ende des

Programms entstanden sind. Im Folgenden werden aufgrund fehlender empirischer Daten generelle

Gedanken zur Wertung gemacht.

Bevor das Programm starten soll, fallen die „Entscheidungskosten“ an. Die Entscheidungskosten

beinhalten jegliche Aufwendungen, die durch einen einzelnen Trainee im Zuge der Beratung und

Verhandlung entstanden sind. Die Stellenbeschreibungen müssen präzise analysiert werden und das

Anforderungsprofil soll genau herausgearbeitet werden, um einen passenden Trainee für die

zukünftige Stelle zu finden. Hierzu sind die Absprachen und Verhandlungen mit den Fachkräften

im In- und Ausland wichtig, in denen der Trainee eingesetzt werden könnte.

Während der Realisierung des Programms entstehen beispielsweise Seminarkosten, die Kosten für

Personaleinsatz und Auslandsaufenthalte usw. Natürlich hängt alles von der Dauer, dem

Programmtyp und vielen anderen Kriterien ab. Es ist klar, je länger das Trainee-Programm läuft,

27

Page 29: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

desto mehr Kosten entstehen. Das kosteneffiziente Programm würde vermutlich das

ressortbegrenzte Trainee-Programm sein. (Vgl. Kapitel 2.1.3.3) Beim Einsatz in einem Ressort

arbeitet der Trainee einseitig und eintönig. Somit könnte er jedoch die Kosten der Einarbeitung

rasch "zurückzahlen". Hingegen wäre das ressortübergreifende Trainee-Programm am teuersten,

weil das Programm vielfältig gestaltet wird. (Vgl. Kapitel 2.1.3.1 und 2.1.3.2) Der Trainee wird in

mehreren Ressorts eingesetzt, um das Unternehmen als Ganzes kennenzulernen. Zudem könnte ein

Ressort sich auch im Ausland befinden, welches zusätzliche Kosten verursacht.

Am Ende des Programms fallen die so genannten „sunk costs“ an, die in der Vergangenheit

entstanden sind, aber in der Gegenwart nicht mehr zurückerstattet werden können bzw. die

unveränderbaren bereits ausgezahlten Kosten, die durch die vergangenen Entscheidungen festgelegt

wurden.

Im Jahr 1999 hat Andreas Arnold aus der Schweiz folgende empirische Untersuchungen über die

Gesamtkosten pro Jahr für einen Trainee in seiner Lizentiatsarbeit gemacht: Er hat insgesamt 1952

deutsche Unternehmen angeschrieben, um sie zu bitten an der Befragung von

Ausbildungsprogrammen teilzunehmen. Von den 1952 Firmen waren bei den 1877 Fällen die

Namen der Verantwortlichen bekannt, damit war auch sicher, dass 1877 Programm- und

Personalverantwortliche dieses Anschreiben persönlich erhalten haben. „75 Fragenbögen wurden an

die PersonalleiterInnen versandt.“ Unbekannt war es nur, wer letztendlich diese Fragebögen

ausgefüllt hatte. 57 Nach der ersten Erhebung wurde festgestellt, dass 118 Unternehmen keine

Ausbildungsprogramme in ihren Firmen hatten. Vier Unternehmen hatten die Kriterien, die in dem

Fragebogen angegeben wurden, nicht erfüllt. Zwei hatten den Fragebogen nicht erhalten. Von den

übrigen 1828 Unternehmen konnten nur 196 Fragenbögen ausgewertet werden, da die anderen sich

nicht beteiligen wollten bzw. keine Datensätze zur Verfügung gestellt hatten. In der folgenden

Abbildung hatten 160 von 196 Unternehmen die Frage über die geschätzten Gesamtkosten

beantwortet, die eine Firma für seinen Trainee pro Jahr investiert hatte.

Abbildung 6: Geschätzte Gesamtkosten pro Teilnehmer und Jahr

57 Liz-Arnold-Andreas, S.5028

Page 30: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

50 - 100 100 - 150 150 - 200 200 - 250 250 - 300 > 300 keine Angaben

0.0%5.0%

10.0%15.0%20.0%25.0%30.0%35.0%40.0%

26.5%

34.7%

13.3%

5.6%1.0% 0.5%

18.4%

Geschätzte Gesamtkosten pro Teilnehmer und Jahr

(in tausend DM)

N = 160

Quelle: Lizentiatsarbeit von Andreas Arnold

Nach den Angaben stellten etwa ein Drittel der Unternehmen (34,7%) 100.000 bis 150.000 DM für

ihr Trainee-Programm bereit. 13,3% der Unternehmen investierten hingegen 150.000 bis 200.000

DM. Somit sind die Hälfte der Unternehmen bereit bis zu 150.000 DM in das

Ausbildungsprogramm zu investieren.

Leider existieren derzeit keine aktuellen empirischen Daten im Bezug auf die Kosten einer Trainee-

Stelle. Im Rahmen unsere Arbeit wird dennoch auf die Daten von 1999 zurückgegriffen und sie mit

der Inflationsrate bis 2010 hochgerechnet. Anschließend wird die Hochrechnung mit Fallbeispielen

auf Plausibilität geprüft. Nicht nur die Inflation erhöht die Kosten von 1999 bis 2010, sondern es

werden heutzutage auch mehr finanzielle Ressourcen für die Ausbildung eines Trainees verwendet

aufgrund des erhöhten Gehalts und der indirekten Kosten, welche für den Teilnehmer aufgewendet

werden. Wenn man den Wechselkurs der Deutschen Mark zu Euro und die Inflationsraten vom Jahr

1999 bis 2010 berücksichtigt, sind ca. 50% der deutschen Unternehmen bereit etwa 91.000 €58 für

das Trainee-Programm aufzuwenden. Zur Messung der Inflation wird der Verbraucherpreisindex

herangezogen.

Tabelle 1: Entwicklung der Inflationsrate

Entwicklung der InflationsrateJahr Verbraucherpreisindex Inflationsrate2010 108,2 1,1 %2009 107,0 0,4 %2008 106,6 2,6 %2007 103,9 2,3 %

58 Berechnet mit der Inflationsrate (1999-2010) 19,1% und dem Wechselkurs von 1,9558 DM/€ bezogen auf 150 TDM29

Page 31: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

2006 101,6 1,6 %2005 100,0 1,5 %2004 98,5 1,7 %2003 96,9 1,0 %2002 95,9 1,5 %2001 94,5 1,9 %2000 92,7 1,4 %1999 91,4 0,6 %

Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland

Auf der Internetseite My-Trainee.de

wird auch angegeben, „Trainees kosten

eine Menge Geld. Etwa 90.000.-€

fließen pro Jahr in die Ausbildung eines

Trainees, berichtet das Institut für

Organisation und Personal. Dies

beinhaltet das Trainee-Gehalt, alle

arbeitgeberseitigen Sozial- und

Beschäftigungskosten, Kosten für

Auslandsaufenthalte, Netzwerkveranstaltungen, die interne Weiterbildung und verschiedene andere

Aufwendungen.“ 59

Die PR-Referentin Dr. Melanie Thielking schrieb auch in ihrem Artikel „Viel mehr als eine

ausgedehnte Betriebsbesichtigung“: „Unternehmen, die Trainee-Programme anbieten, geben sich

sehr viel Mühe mit der Ausbildung ihrer Top-Azubis und lassen sich dieses auch eine Menge Geld

kosten: So investiert zum Beispiel VW in Wolfsburg rund 125.000 Euro in jeden seiner Trainees.

Personalentwickler betrachten diese Vorleistungen jedoch nicht als Kosten, sondern als Investition

in die Zukunft.“ 60

Folglich zeigen die Fallbeispiele, dass die Hochrechnung im Rahmen der Daten von 1999 zu

plausiblen Ergebnissen führt. Es lassen sich somit die Kosten einer Trainee-Stelle grob abschätzen.

Dennoch sollten weiterführende Arbeiten aktuelle Kosten einer Trainee-Stelle ermitteln. Damit aus

einer repräsentativen Grundgesamtheit die oben genannten Fallbeispiele untermauert werden

können.

In der Lizentiatsarbeit von Andreas Arnold wurde beschrieben, dass „mehr als die Hälfte (59.7%)

der Unternehmungen eine systematische Kostenerfassung des Ausbildungsprogramms durchführt.

Dabei obliegt diese Aufgabe mehrheitlich (82.1%) der Personalabteilung. Bei neun

59 My-Trainee.de (2010)60 Thielking (2007)

30

Abbildung 7: Verwaltung des Budgets

Sonstige

Geschäftsführung

Fachabteilung

Personalabteilung

0 10 20 30 40 50 60 70

Verwaltung des Budgets für die Trainee-Programme

Prozent

Page 32: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Unternehmungen (7.7%) führt die jeweilige Fachabteilung, die der Trainee gerade besucht, eine

Kostenkontrolle durch. Sieben Unternehmungen überlassen die Kontrolle dem Finanz- und

Rechnungswesen.“ 61

Diese Aussage bestätigt auch die Studie von Kienbaum im Jahr 2002, in der von insgesamt 323

mittelständischen Unternehmen und Großkonzernen 89 Firmen an der Befragung teilgenommen

haben.62In den meisten Unternehmen trägt die Personalabteilung allein das Budget für die Trainee-

Programme (60%), da man einen besseren Überblick über die Gesamtkosten schaffen und es

leichter verwaltet werden kann. Allerdings gibt es auch etwa 20 % der Unternehmen, die Budgets

für die Trainees in den Fachabteilungen verwalten. Unternehmen, die die Fachabteilungen die

Gesamtkosten mittragen lassen, haben den Plan, ein ressortbegrenztes Trainee-Programm mit

Vertiefungsphase durchzuführen. Sie haben das Ziel, ihre Trainees für spezielle Positionen und

Funktionsbereiche auszubilden, somit legen sie weniger Wert auf die Steigerung außerfachlicher

Qualifikationen und die Steigerung der Einstellungsqualität.

Manche beteiligten Unternehmen

lassen die Kosten in der

Unternehmensentwicklung bzw. Personalentwicklung kalkulieren. Das Budget könnte auch in den

Tochterunternehmen für Aus- und Weiterbildung berechnet werden oder der Trainee selbst muss

ein Teil des Budgets tragen. Das alles ist in der Kategorie Sonstige (11%).

3.2.2 Kostenträger

In diesem Kapitel soll die Frage beantwortet werden, wer die Kosten (s. Kapitel 3.2.1) des Trainee-

Programms trägt. Um diese Frage zu beantworten, schauen wir uns zum einen das Gehalt eines

Trainees an und vergleichen es mit dem eines Direkteinsteigers, um den Arbeitnehmeranteil an den

Kosten zu analysieren. Anzumerken sei, dass wir unterstellen, dass der Trainee und der

Direkteinsteiger gleichgut qualifiziert sind. Das impliziert, dass der Humankapitalstock gleich hoch

ist und sie in der Theorie den gleichen Lohn auf demselben Arbeitsplatz erzielen müssten (Ein

Trainee bekommt genauso viel wie der Direkteinsteiger, hätte er sich für den Direkteinstieg

entschieden. Gleiches gilt folglich auch umgekehrt). Diese Überlegung könnte dahingehend

kritisiert werden, dass Trainees ein höheres Anforderungsprofil haben. Somit würden Trainees über

einen höheren Humankapitalstock verfügen. Dies wäre ein interessanter Ansatz für weitere

empirische Untersuchungen. Diese Aussage kann im Rahmen dieser Arbeit aber nicht belegt bzw.

wiederlegt werden, deshalb folgen wir der oben getroffenen Annahme. Zum anderen vergleichen

61 Liz-Arnold-Andreas, S.9462 Enaux/Molina (2002/2003), S.19

31

Quelle: Kienbaum: Trainee-Studie, S.19

Page 33: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

wir die Gesamtkosten aus Kapitel 3.2.1 mit dem Gehalt eines Trainees, um den Arbeitgeberanteil zu

bestimmen. Anzumerken sei, dass wir unterstellen, dass der Trainee und der Direkteinsteiger gemäß

ihrer Arbeitsproduktivität bezahlt werden. Dies ist aber gerade beim Trainee zu bezweifeln. Denn

wie in Kapitel 3.1.2 beschrieben erhält derjenige Arbeitnehmer, welcher eine Investition in

firmenspezifisches Humankapital tätigt, einen Lohn der unter seinem Marktlohn liegt, aber über

seiner Produktivität an seinem Arbeitsplatz63. Da aber die reale Produktivität nicht objektiv

bestimmbar ist, folgen wir der oben getroffenen Annahme.

Grundlage dieser empirischen Untersuchung der Arbeitnehmergehälter ist die „Alma Mater -

Gehaltsstudie 2010: Einstiegsgehälter von Hochschulabsolventen & Vergütung für Praktika und

Abschlussarbeiten“. Diese Studie wird im Folgenden beschrieben und analysiert. Die Studie enthält

4.980 Gehaltsangaben von insgesamt 932 verschiedenen Unternehmen (Zeitraum 15.11.2009 bis

07.02.2010). Die Kennziffer n entspricht im Folgenden der Anzahl der Nennungen

(Mehrfachnennungen und keine Nennungen waren möglich). Für die Auswertung wurden

Schlüsselkategorien gebildet: Funktionsbereich, Unternehmensgröße, Branche und geografische

Verteilung. Dabei wurden die Gehaltsangaben auf volle Eurobeträge gerundet. Die Gehälter

entsprechen dabei Jahreszielgehältern inklusive etwaiger Prämien. Die Unternehmen wurden

gebeten, die Durchschnittsgehälter für Hochschulabsolventen anzugeben. Zur Verhinderung von

Verfälschungen wurden bei der Auswertung dieser Studie die drei höchsten und niedrigsten

Gehaltsnennungen je Funktionsbereich gestrichen. Nur Gehaltsnennungen für die Bundesrepublik

wurden beachtet64.

Für die Untersuchung der Trainee-Gehälter und der Gehälter der Direkteinsteiger wird die

Schlüsselkategorie Funktionsbereich weiter analysiert. Für jedes Berufsfeld werden die maximalen

und minimalen Werte angegeben sowie der Median, das 1. Quartil und das 3. Quartil berechnet. Der

Median halbiert in der Statistik eine Verteilung und gibt an, dass höchstens die Hälfte aller

Beobachtungen der Stichprobe einen Wert unterhalb des Medians haben und höchstens die Hälfte

einen Wert oberhalb des Medians haben. Das 1. Quartil (3. Quartil) beschreibt, dass 25 % (75%) der

Werte der Stichprobe unterhalb dieses Wertes liegen. Der Abstand vom 1. zum 3. Quartil wird auch

als Streuungsmaß verwendet.

63 Vgl. auch Pannenberg (1994 S.32)64 Vgl. Alma Mater – Gehaltsstudie 2010

32

Page 34: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Tabelle 2: Einstiegsgehälter nach Funktion

Quelle: Alma Mater – Gehaltsstudie 2010 S.8 [F&E = Forschung und Entwicklung]

Aus Tabelle 2 ist erkenntlich, dass der Median-Wert des Trainees den niedrigsten Wert aufweist mit

38.000 €. Auch für das erste und das dritte Quartil müssen beim Trainee Abschläge in Kauf

genommen werden. Tabelle 3 zeigt die Abschläge bezüglich der Abweichungen zum

Durchschnittsgehalt.

Tabelle 3: Abweichungen vom Durchschnittsgehalt – nach Funktionen

Abweichungen der Einstiegsgehälter vom Durchschnittsgehalt - nach Funktion Einkauf Marketing Vertrieb F&E IT- Bereich1. Quartil -1,32% -7,89% -5,26% 0,00% -5,26%Median 0,00% -2,50% 0,00% 3,75% 0,00%3. Quartil 0,00% -3,94% 0,00% 2,27% -2,27% Fertigung Finanzwesen Personal Trainee1. Quartil 0,00% -2,37% -7,89% -16,47%Median 0,00% 0,00% -2,50% -5,00%3. Quartil 0,00% 0,00% -4,55% -4,55%

Quelle: Alma Mater – Gehaltsstudie 2010 S. 10

Es lässt sich eindeutig erkennen, dass Trainees im Durchschnitt ein geringeres Gehalt beziehen als

Direkteinsteiger. Der Abschlag ist „relativ“ gering beim Median (5%). Bei dem ersten Quartil

beträgt die Abweichung doch schon „beachtliche“ 16,47%. Beim drittem Quartil sind es „lediglich“

4,55%.

33

Page 35: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Basierend auf dieser empirischen Untersuchung und der oben getroffenen Annahme, dass der

Humankapitalbestand beim Trainee gleich dem des Direkteinsteigers ist, lässt sich ableiten, dass der

Trainee einen Teil der Kosten des Programms durch einen Lohnabschlag trägt. Folgt man der oben

getroffenen Überlegung, dass der Trainee evtl. über einen höheren Humankapitalbestand verfügt, so

würde der Lohnabschlag weitaus höher ausfallen.

Wie man in Kapitel 3.2.1 erkennen kann, sind die Kosten (ca. 91.000 €) nicht alleine durch das

Gehalt (ca. 38.000 €) des Trainees zu erklären. Der Arbeitgeber trägt folglich einen hohen Beitrag

an den Kosten des Trainee-Programmes. Folgt man der Überlegung aus Kapitel 3.1.2, dass

derjenige Arbeitnehmer, welcher eine Investition in firmenspezifisches Humankapital tätigt, einen

Lohn erhält, der unter seinem Marktlohn liegt, aber über seiner Produktivität an seinem

Arbeitsplatz, folgt daraus, dass der Arbeitgeber einen noch größeren Teil der Kosten nicht durch die

Arbeitsproduktivität des Trainees ersetzt bekommt.

Festzuhalten bleibt, dass sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer für die Kosten des

Trainee-Programms aufkommen. Der Arbeitnehmer trägt hierbei aber nur einen geringen

Lohnabschlag (5% Lohnabschlag beim Median zum durchschnittlichen Lohn). Der Arbeitgeber

trägt den wesentlich größeren Teil der Kosten (vgl. Kapitel 3.2.1).

3.2.3 Die Bedeutung der Unternehmensgröße

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Einflussfaktor der Unternehmensgröße auf die Trainee-

Programme und das Gehalt. Hierbei soll anhand von der empirischen Untersuchung, der Alma

Mater – Gehaltsstudie 2010, die Theorie aus den Kapiteln 3.1.3 und 3.1.4 überprüft werden. An der

Alma Mater-Gehaltsstudie nahmen 932

Unternehmen teil. Die Studie differenziert die

Unternehmensgröße anhand der Anzahl der

Mitarbeiter, wobei dies eine eigene Einteilung

ist. Die Gesetzestexte der EU und Deutschland

definieren die Unternehmensgrößen nach der

Anzahl der Beschäftigten und entweder dem

Umsatz pro Jahr oder der Bilanzsumme pro

Jahr.65

Die 932 Unternehmen machten im Zeitraum

vom 15. November bis zum 07. Februar 2010 4.980 Gehaltsangaben, aber die Gehaltsangaben

65 Vgl. KMU-Definition der EU [2003/361/EG] und laut dem HGB [HGB 2005,§267]34

Quelle: Alma Mater – Gehaltsstudie 2010 S. 5

Abbildung 8: Teilnehmende Unternehmen nach Anzahl der Mitarbeiter

Page 36: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

beziehen sich nicht nur auf Trainee-Gehälter sondern auch auf Direkteinsteiger, wobei in Kapitel

3.2.2 kein großer Unterschied zwischen den beiden Berufseinsteigergruppen festgestellt wurde.

Trotzdem sollte unabhängig von der Art des Einstiegs ins größere Unternehmen nach der

allgemeinen Theorie aus Kapitel 3.1.4 mehr Gehalt bezahlt werden. Denn die Unternehmen bieten

laut dem Kapitel eine Karriereleiter, welche Mitarbeiter mit höherem Humankapital lockt.

Außerdem besitzt jeder Mitarbeiter eine höhere Produktivität, bedingt durch eine Spezialisierung

auf seinem Fachgebiet. Auch ist der Weiterbildungsapparat effektiver66 im größeren Unternehmen.

Andererseits steht dem gegenüber die Theorie aus Kapitel 3.1.3. Nach dieser Theorie werden die

Kosten der Weiterbildung von dem Arbeitnehmer getragen, da ihm die Möglichkeit einer

Karriereleiter geboten wird. Das sollte zu einem geringeren Einstiegsgehalt führen.

Diese theoretische Überlegung lässt sich zum

Teil auch in der empirischen Untersuchung der

Alma Mater-Studie erkennen (Abbildung 9).

Hierbei ist eine Spreizung der

durchschnittlichen Gehälter von circa 5.000 €

zu erkennen. Das durchschnittliche

Jahresgehalt ist monoton steigend über der

Mitarbeiterzahl, wobei der Gehaltsprung von

der Gruppe 1.000 - 5.000 zu der über 5.000

Mitarbeiter sehr gering ist. Dies scheint das

durchschnittlich höchste Einkommen zu sein für

einen Einsteiger.

Die Abbildung 10 verdeutlicht nochmal den

prozentualen Unterschied zum

durchschnittlichen Gehalt aller erhobenen

Daten. Sie verdeutlicht, dass bei einem

Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern

6,44% mehr als das Durchschnittsgehalt

bezahlt wird. Bei Unternehmen mit weniger

als 100 Mitarbeitern ist ein Gehaltsabschlag von

mindestens 11,42% beobachtbar.

66 Vgl. Kapitel 3.1.4 „Economics of Scale“35

Quelle: Alma Mater – Gehaltsstudie 2010 S. 11

Quelle: Alma Mater – Gehaltsstudie 2010 S. 12

Abbildung 10: Abweichung der Einstiegsgehälter vom Durchschnitt

Abbildung 9: Einstiegsgehälter nach Unternehmensgröße

Page 37: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Festzuhalten bleibt, dass die Ergebnisse der theoretischen Modelle aus Kapitel 3.1.4 in der

empirischen Alma Mater-Studie wiederzufinden sind. Zum einen ist nach der Theorie der

Humankapitalbestand der Arbeitnehmer in größeren Unternehmen höher und sie erhalten ein

dementsprechend höheres Gehalt. Zum anderen sind in der Abb. 9 und 10 auch Trainees enthalten.

Diese verursachen durch den „Economics of scale“ Effekt geringere Weiterbildungskosten als bei

kleineren Unternehmen. Dadurch kann den Trainees in größeren Unternehmen ein höheres Gehalt

bezahlt werden.

Es scheint so zu sein, dass die Karrierechance und der daraus resultierende Übernahme der

Weiterbildungskosten laut der Theorie aus 3.1.3 nicht besteht bzw. von der Theorie aus 3.1.4

überkompensiert wird.

36

Page 38: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

3.3 Analyse der Investitionsgründe in Humankapital

In den vorigen Abschnitten (Kapitel 3.2) wurde dargestellt, dass im Falle von Trainee-Programmen

hohe Investitionen sowohl von Arbeitnehmern als auch vom Unternehmen getätigt werden müssen.

Die Investition des Arbeitnehmers besteht aus einem geringen Lohnabschlag vom Einstiegsgehalt

im Vergleich zu einem Direkteinsteiger. Im Falle des Unternehmens besteht die Investition aus

hohen finanziellen Ausgaben und zusätzlichen Einbußen in der Produktivität des Trainees67. Im

folgendem Abschnitt wird aus Sicht beider Parteien erläutert, weshalb ein derart, besonders aus

Unternehmenssicht, hoher Aufwand betrieben wird, um Trainee-Programme zu realisieren.

3.3.1 Unternehmenssicht

Aus Unternehmenssicht werden hohe monetäre Investitionen getätigt68, um durch Trainee-

Programme talentierte Absolventen intern für die Managementebene auszubilden. Jedoch stellt sich

hier die Frage, weshalb die Unternehmen sich nicht derart hohe Investitionen sparen und das

Managementpersonal auf dem externen Arbeitsmarkt rekrutieren. Ein Erklärungsansatz bietet der

humankapitaltheoretische Ansatz aus Kapitel 3.1.2. Wird in firmenspezifisches Humankapital

investiert, entstehen Quasi-Renten, welche dem Arbeitgeber in Form von Kosteneinsparungen

(bedingt durch einen Lohn unter der Arbeitsproduktivität) zugutekommen. Zwei Voraussetzungen

müssen dafür gegeben sein, damit sich die Investition lohnt.

Zum einen muss in firmenspezifisches Humankapital investiert werden. Davon ist in unserem Fall

auszugehen. Den nach der Theorie aus Kapitel 3.1.1 würde der Arbeitnehmer die Kosten bei einer

Investition in allgemeines Humankapital alleine tragen müssen. Die empirische Untersuchung69 hat

aber ergeben, dass der wesentlich größere Anteil der Kosten von dem Unternehmen getragen wird.

Zum anderen dürften die Arbeitnehmer nicht den Arbeitgeber nach Beendigung des Trainee-

Programms wechseln, da sonst die Quasi-Rente verloren ginge. Das Wechselverhalten der Trainee

wird laut der Theorie aus Kapitel 3.1.3 dahingehend beeinflusst, dass den Arbeitnehmern 67 Vgl. Kapitel 3.268 Vgl. Kapitel 3.269 Vgl. Kapitel 3.2

37

Page 39: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Aufstiegschancen in Aussicht gestellt werden. Es ist auch nicht zu vernachlässigen, dass der

Arbeitnehmer in firmenspezifisches Humankapital investiert hat. Folglich würde auch der

Arbeitnehmeranteil an der Quasi-Rente bei einem Arbeitsplatzwechsel verloren gehen. Leider

konnte das Wechselverhalten der Arbeitnehmer nach Beendigung des Trainee-Programms mangels

brauchbarer Daten nicht empirisch belegt werden. Auch dieses bildet ein interessantes

Forschungsfeld für weitergehende empirische Untersuchungen.

Nachfolgend werden weitere Argumente angeführt, welche als firmenspezifisches Humankapital

identifiziert werden konnten und zusätzliche Argumente für eine interne Rekrutierung liefern.

Kenntnis über das Unternehmen

Wie im Abschnitt 2.1.3 fokussieren sich die verschieden Arten von Trainee-Programmen auf das

Kennenlernen von Unternehmensabläufen. Durch mehrere Hospitanzen in verschiedenen

Bereichen und Abteilungen wird sichergestellt, dass der Trainee ein fundiertes Verständnis über die

Wertschöpfungsketten und Prozesse des Unternehmens erlangt. Spätere Führungskräfte, die solche

eine Ausbildung genossen haben, werden stets auf eine breite Unternehmenskenntnis als Grundlage

für Managemententscheidungen zurückgreifen können. Führungskräfte, die extern rekrutiert

werden, haben zunächst keinerlei Kenntnis über die allgemeine Wertschöpfungsketten und

Prozesse. Es bleibt ihnen aufgrund vom Zeitdruck im Alltagsgeschäft zudem verwehrt, an

innerbetrieblichen Fortbildungen teilzunehmen, um sich über ihren eigenen Bereich hinaus

detailliertes Wissen über das Unternehmen anzueignen.70 Deshalb sind die Entscheidungen vom

externen Führungspersonal zwar betriebswirtschaftlich kompetent. Dennoch fehlt ihnen teilweise

eine tiefgreifende Unternehmenskenntnis. Es besteht die Gefahr, das „big picture“ aus den Augen

zu verlieren. Daher ist es für Unternehmen in der Regel vorteilhafter, Führungspersonal intern zu

rekrutieren, bzw. durch Trainee-Programme auszubilden.

Unternehmenskultur

Neben Kenntnis von Wertschöpfungsketten und Prozessen eines Unternehmens ist es durchaus von

nennenswerter Bedeutung, dass das Führungspersonal ebenfalls Kenntnis von der

Unternehmenskultur besitzt. Besonders das Vorleben von unternehmenskulturellen Werten fällt

extern rekrutiertem Führungspersonal besonders schwer71. Da das Verständnis über die

70 Vgl. S.20 Weiterbildung für den akademischenFach- und Führungskräftenachwuchs71 Vgl. Sackmann, Sonja A: Erfolgsfaktor Unternehmenskultur – Mit kulturbewusstem Management Unternehmensziele erreichen und Identifikation schaffen, Wiesbaden 2004, S. 210

38

Page 40: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Unternehmenskultur nur durch ein jahrelanges „Miterleben“ des Unternehmens erlangt werden

kann, ist diesbezüglich eine interne Ausbildung des Führungspersonals der externen Rekrutierung

vorzuziehen.

Netzwerk

Da Trainees in ihrer Ausbildungsphase in zahlreiche Abteilungen arbeiten und nebenbei

Fortbildungen absolvieren, kommen sie mit zahlreichen Personen des Unternehmens in Kontakt.

Dies hat den positiven und auch erwünschten Effekt, dass der Trainee sich frühzeitig ein Netzwerk

im Unternehmen aufbauen kann. Besonders in großen Unternehmen sind solche Netzwerke relevant

für die alltägliche Arbeit. Ein solches Netzwerk muss sich eine extern eingestellte Führungsperson

erst mühsam aufbauen, wodurch er hier deutlich im Nachteil gegenüber dem intern ausgebildeten

Trainee ist.

Fehlbesetzungsrisiko

Bei Einstellungen von Führungspersonal sowohl intern als auch extern trägt das Unternehmen stets

das Risiko einer Fehlbesetzung. Es kann vorkommen, dass Kandidaten falsch eingeschätzt werden

und sich die Besetzung als ungeeignet herausstellt. Diese Fehler schaden dem Unternehmen

beträchtlich, da einerseits finanzielle Mittel für eine ungeeignete Führungsperson verschwendet

wurde und andererseits weitere Mittel aufgebracht werden müssen, um kompetenten Ersatz zu

rekrutieren. Dieses Risiko kann erheblich gesenkt werden, wenn Rekrutierungen intern ablaufen.

Denn nur dann ist es möglich, „Entscheidungen des Managers sowie deren Ergebnisse zu

beobachten und in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen“72. Denn „selbst wenn der

Arbeitgeber davon ausgeht, dass die zu erwartende relative Qualität von internen und externen

Kandidaten in Bezug auf sein Unternehmen gleich ist, wird er eher auf interne zurückgreifen, da

dort das Risiko einer Fehleinschätzung wesentlich geringer ist“73.

Transaktionskosten

Ein weiterer Vorteil der internen Rekrutierung von Führungspersonal ist das Wegfallen hoher

Transaktionskosten. Geeignetes Personal für die Führungsebene zu finden benötigt einen hohen

finanziellen Aufwand. Zunächst fällt der Verlust an Wertschöpfung für die Zeitperiode an, an dem

eine freie Stelle nicht besetzt ist. Darüber hinaus fallen Kosten in der Personalabteilung an für die

Suche nach geeignetem Personal. Außerdem ist es üblich für die Führungsrekrutierung Headhunter

72 Zimmermann 200973 Zimmermann 2009

39

Page 41: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

zu beauftragen, die über eine Vermittlungsprovision hinaus auch anteilig vom Gehalt des Managers

bezahlt werden. All diese Kosten fallen bei der internen Rekrutierung eines Trainees nicht mehr an.

Folglich gibt es eine Vielzahl von Anreizen, welche die hohen Investitionen bei Trainee-

Programmen erklären und eine interne Rekrutierung vorteilhaft machen.

3.3.2 Arbeitnehmersicht

In Kapitel 3.2.2 wurde festgestellt, dass die Einbußen im Gehalt gegenüber einem Direkteinsteiger

lediglich 5% betragen. Dies ist auch vor dem Hintergrund der Humankapitaltheorien zu erwarten

gewesen74. Der Anreiz des Arbeitnehmers auf die 5% zu verzichten, resultiert zum einen aus der

Überlegung der Aufteilung der Quasi-Renten75 und den damit verbundenen höheren

Steigerungsraten im Gehalt. Auch folgt man den Überlegungen der allgemeinen

Humankapitaltheorie76, kommt man zu höheren Steigerungsraten des Gehaltes im Zeitverlauf. Diese

höheren Steigerungsraten konnten mangels brauchbarer Daten im Rahmen der Arbeit empirisch

nicht überprüft werden. Dies ist aber ein interessantes Forschungsfeld für weitergehende

empirische Untersuchungen. Zum anderen bieten solche Programme enorme Vorteile für die

zukünftige Karrierelaufbahn77 und schaffen somit einen weiteren Anreiz einen Lohnabschlag in

Kauf zu nehmen.

Folglich sind Arbeitnehmer vor dem Hintergrund der theoretischen Überlegungen bereit einen

Lohnabschlag zu akzeptieren.

74 Vgl. Kapitel 3.1.1 und 3.1.275 Vgl. Kapitel 3.1.276 Vgl. Kapitel 3.1.177 Vgl. Kapitel 3.1.3

40

Page 42: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

4. Fazit

Diese vorliegende Arbeit beschäftigte sich mit den Trainee-Programmen und zeigte die

verschiedenen Varianten, die derzeit in den Unternehmen praktiziert werden. Diese unterscheiden

sich in der Laufzeit und dem Aufgabenfeld und den daraus resultierend unterschiedlichen Kosten

der Trainee-Programme. Um ein besseres Verständnis für die Gründe der Kosten bzw. der

Investitionen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu bekommen, gibt diese Arbeit einen

Überblick über die verschiedenen Humankapitaltheorien. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen

dem allgemeinen Humankapital und dem firmenspezifischem Humankapital. Die Theorie des

41

Page 43: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

allgemeinen Humankapitals ist nicht auf die Trainee-Programme anzuwenden, was empirisch auch

gezeigt wurde, da der Kostenträger der Weiterbildung nicht alleine der Arbeitnehmer ist. Daraus

folgt, dass während des Trainee-Programms firmenspezifisches Humankapital vermittelt wird. Dies

wird empirisch unterstützt durch den marginalen Jahresgehalts-Unterschied zwischen dem

Direkteinsteiger und dem Trainee. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber den größeren Teil der

Investition übernimmt. Die Gründe, die für den Arbeitnehmer sprechen, ein Trainee-Programm

gegenüber dem direkten Einstieg zu wählen, sind einfach zu identifizieren. Der Arbeitnehmer trägt

nur einen geringen Teil der Investition und erhält zudem die Weiterbildungsmaßnahme an sich.

Daraus sollte auch eine höhere Beförderungswahrscheinlichkeit resultieren. Dieses konnte derzeit

leider nicht empirisch belegt werden, da keine Untersuchungen über Karrierelaufbahnen und

Gehaltsverläufe nach einem Trainee-Programm existieren.

Die Gründe für den Arbeitgeber, diese hohen Investitionen fast ausschließlich alleine zu tragen,

sind erst einmal nicht so trivial. Die Absicht der Arbeitgeber ist es aber talentierte Absolventen

optimal für die eigene Managementebene auszubilden und die Ausbildung auf das Unternehmen

auszurichten. Zusätzlich ist auch anzumerken, dass es sich um eine Weiterbildung handelt mit

anschließender Produktivitätssteigerung bzw. eine Aufteilung der Quasi-Rente nach der

Ausbildung. Dieser monetäre Anreiz amortisiert im Zeitablauf die hohen Investitionskosten. Zudem

hat der ausgebildete Trainee gegenüber einem direkten Bewerber für eine Managementposition die

Vorteile, dass er die Unternehmensabläufe, die Unternehmungskultur kennt und das

Fehlbesetzungsrisiko bei ihm geringer ist. Weiterhin verfügt er über ein betriebliches Netzwerk.

42

Page 44: Rekrutierung von Führungskräften über Trainee-Programme aus humankapitaltheoretischer Sicht(Abgabe 05_02) (1)

Literaturverzeichnis

Alma mater – Gehaltsstudie 2010: Einstiegsgehälter von Hochschulabsolventen & Vergütung für Praktika und Abschlussarbeiten

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