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Internationale Revue für Soziale Sicherheit 31 © 2012 Autor(en) Internationale Revue für Soziale Sicherheit © 2012 IVSS Internationale Revue für Soziale Sicherheit, 65, 1/2012 Veröffentlicht von Blackwell Publishing Ltd, 9600 Garsington Road, Oxford OX4 2DQ, UK, und 350 Main Street, Malden, MA 02148, USA Korrespondenzadresse: Pascale Turquet, Maître de Conférences de Sciences Economiques-HDR, Uni- versité Rennes 2, 6, Avenue Gaston Berger, 35043 Rennes, Frankreich; E-Mail: pascale.turquet@ univ-rennes2.fr. Pascale Turquet ist zudem für das CAPPS (Centre d’Analyse des Politiques Publiques de Santé, EHESP) in Rennes, Frankreich, tätig. Reformen der Finanzierung der Krankenversicherungssysteme in den Niederlanden, in Deutschland und in Frankreich: Auswirkungen auf die Abdeckung und Umverteilung Pascale Turquet Université Rennes 2, Frankreich Auszug Seit mehreren Jahren bemühen sich die Krankenver- sicherungssysteme in Deutschland, Frankreich und den Nieder- landen, ihre Ausgaben zu drosseln und ihre Einnahmequellen, ursprünglich vor allem Sozialabgaben, zu diversifizieren. Diese Diversifizierung kann in einer erweiterten Finanzierung aus öffentlicher Hand bestehen oder auch, indem stärker auf private Ressourcen oder Anbieter zurückgegriffen wird. In Deutschland und den Niederlanden gehen die Reformen mit der Entwicklung einer Konkurrenzsituation zwischen den Versicherern einher. In Frankreich sind private Zusatzversiche- rungen unverzichtbar geworden, um eine ausreichende medi- zinische Versorgung zu gewährleisten. Diese unterschiedlichen Maßnahmen haben außerdem Konsequenzen auf die Umver- teilung, gegen die mit sozialen Hilfsmaßnahmen kaum anzu- kommen ist. Schlüsselwörter Finanzierungsmethode, Angebot von Gesundheitsleistungen, Geltungsbereich, Organisation und Methoden, Niederlande, Deutschland, Frankreich

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Page 1: Reformen der Finanzierung der Krankenversicherungssysteme in den Niederlanden, in Deutschland und in Frankreich: Auswirkungen auf die Abdeckung und Umverteilung

Internationale Revue für Soziale Sicherheit

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© 2012 Autor(en) Internationale Revue für Soziale Sicherheit © 2012 IVSS Internationale Revue für Soziale Sicherheit, 65, 1/2012

Veröffentlicht von Blackwell Publishing Ltd, 9600 Garsington Road, Oxford OX4 2DQ, UK, und 350 Main Street, Malden, MA 02148, USA

Korrespondenzadresse: Pascale Turquet, Ma î tre de Conf é rences de Sciences Economiques-HDR, Uni-versit é Rennes 2, 6, Avenue Gaston Berger, 35043 Rennes, Frankreich; E-Mail: [email protected] . Pascale Turquet ist zudem f ü r das CAPPS (Centre d ’ Analyse des Politiques Publiques de Sant é , EHESP) in Rennes, Frankreich, t ä tig.

Reformen der Finanzierung der

Krankenversicherungssysteme

in den Niederlanden, in

Deutschland und in Frankreich:

Auswirkungen auf die

Abdeckung und Umverteilung

Pascale Turquet

Universit é Rennes 2, Frankreich

Auszug Seit mehreren Jahren bem ü hen sich die Krankenver-sicherungssysteme in Deutschland, Frankreich und den Nieder-landen, ihre Ausgaben zu drosseln und ihre Einnahmequellen, urspr ü nglich vor allem Sozialabgaben, zu diversifi zieren. Diese Diversifi zierung kann in einer erweiterten Finanzierung aus ö ffentlicher Hand bestehen oder auch, indem st ä rker auf private Ressourcen oder Anbieter zur ü ckgegriffen wird. In Deutschland und den Niederlanden gehen die Reformen mit der Entwicklung einer Konkurrenzsituation zwischen den Versicherern einher. In Frankreich sind private Zusatzversiche-rungen unverzichtbar geworden, um eine ausreichende medi-zinische Versorgung zu gew ä hrleisten. Diese unterschiedlichen Ma ß nahmen haben au ß erdem Konsequenzen auf die Umver-teilung, gegen die mit sozialen Hilfsma ß nahmen kaum anzu-kommen ist.

Schl ü sselw ö rter Finanzierungsmethode , Angebot von Gesundheitsleistungen , Geltungsbereich , Organisation und Methoden , Niederlande , Deutschland , Frankreich

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Einf ü hrung

In Europa liegen zwei Hauptformen von Gesundheitssystemen vor: einerseits inte-grierte, sogenannte Beveridge-Gesundheitssysteme (im Vereinigten K ö nigreich und in Skandinavien) und andererseits Krankenversicherungssysteme des bismarck-schen Typs (in Deutschland, den Benelux-L ä ndern und Frankreich). In diesem Artikel sollen vornehmlich Letztere betrachtet werden. Die genannten Krankenver-sicherungssysteme verf ü gen ü ber Kassen, die nach dem Tiers-payant-Prinzip funk-tionieren und die urspr ü nglich vor allem von lohnabh ä ngigen Beitr ä gen fi nanziert wurden. Seit den 1980er-Jahren wurden diese Systeme kontinuierlich reformiert, um die steigenden Kosten zu drosseln und mehr Einnahmequellen zu schaffen ( Saltman, 2010 ). Dies ist in allen drei L ä ndern der Fall, die im Folgenden untersucht werden sollen: die Niederlande, Deutschland und Frankreich. Vor drei ß ig Jahren wurden in diesen L ä ndern eine Reihe vergleichbarer Ma ß nahmen zur Einschr ä n-kung des Angebots eingef ü hrt, wie etwa eine Beschr ä nkung der Anzahl praktizie-render Ä rzte und Krankenhausbetten sowie die Einf ü hrung fester Budgets f ü r unterschiedliche Bereiche (Krankenh ä user, ambulante Behandlungen). Diese Ma ß- nahmen f ü hrten in manchen F ä llen (in den Niederlanden) zu Wartelisten und haben sich hinsichtlich der Ausgabenregulierung nicht immer als wirksam erwie-sen. Auch der Versuch, die Nachfrage einzuschr ä nken (verst ä rkte Kostenbeteiligung der Patienten), der vor allem in Frankreich praktiziert wird, konnte keine ü berzeu-genden Ergebnisse liefern. Im Jahr 2008 ü berschritten die Gesundheitsausgaben in Deutschland und Frankreich 10 Prozent des BIP. In den Niederlanden lag der Wert etwas tiefer 1 .

Die Diversifi zierung der Ressourcen ist eine j ü ngere Entwicklung, die zurzeit in mehreren europ ä ischen L ä ndern diskutiert und auf unterschiedliche Art und Weise umgesetzt wird. Eine solche Diversifi zierung kann in einer erweiterten Finanzie-rung aus ö ffentlicher Hand bestehen ( ü ber die Besteuerung von Kapital und Konsum oder ü ber staatliche Beitr ä ge, also einen Transfer des staatlichen Budgets) oder auch durch den st ä rkeren Zugriff auf private Ressourcen (vermehrte Kosten-beteiligung des Patienten, Beitragszahlungen an private Versicherer). Die Reformen beschr ä nken sich indes nicht auf die Finanzierung der Krankenversicherungen. Zu den anvisierten Zielen z ä hlt unter anderem die Schaffung einer Konkurrenzsitua-tion zwischen den Versicherungen, wie dies in Deutschland und den Niederlanden bereits seit l ä ngerem der Fall ist. Gemein ist den Reformbem ü hungen, dass sie privatwirtschaftliche Verwaltungsverfahren bzw. private Anbieter ins Spiel bringen, um eine Konkurrenzsituation herbeizuf ü hren und die H ö he der Ausgaben aus ö ffentlicher Hand zu verringern. Bei dieser Entwicklung kommt es jedoch h ä ufi g

1. Zahlen zu den Gesundheitsausgaben und ihren Tr ä gern sowie zur Anzahl der praktizierenden Ä rzte und der Krankenhausbetten fi nden sich in den Tabellen in Anhang 1.

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zu einer Verlagerung der Beitragslast unter den Versicherten, wodurch das traditi-onelle Solidarit ä tsprinzip 2 der Krankenkassen infrage gestellt wird, weil der Zusam-menhang zwischen Einkommen und Beitr ä gen aufgeweicht wird.

Im Jahr 2006 wurden in den Niederlanden die Sozialversicherung und die private Krankenkasse f ü r die Grundversorgung zusammengelegt. Im Rahmen dieser Reform sind die lohnabh ä ngigen Arbeitnehmerbeitr ä ge durch einen festen Beitrag abgel ö st worden, der direkt an die Versicherer gezahlt wird. Im Jahr 2007 erlebte auch Deutschland eine Reform der Finanzierung des Krankenkassensys-tems. Es gilt ein einheitlicher Beitragssatz, zu welchem die Krankenkassen einen pauschalen Zusatzbeitrag von ihren Mitgliedern einfordern k ö nnen. Anfang 2011 wurde der Wechsel zu privaten Krankenversicherungen f ü r Besserverdienende ver-einfacht. In Deutschland und den Niederlanden fl ie ß en die Geldmittel aus Beitr ä- gen und Steuern in einen Ausgleichsfonds, w ä hrend die Pr ä mien direkt an die Versicherer gezahlt werden und damit den Wettbewerb zwischen den Versicherun-gen ankurbeln sollen.

In Frankreich wurden die lohnabh ä ngigen Beitr ä ge in den 1990er-Jahren durch proportionale Beitr ä ge ersetzt, die sich aus dem Erwerbseinkommen, Verm ö gens- sowie Investitionsgewinnen und sonstigen Eink ü nften errechnen. Die eigentliche, „ stille Metamorphose der Krankenversicherung “ ( Tabuteau, 2010 ) war jedoch die Erh ö hung der Kostenbeteiligung der Patienten und ihre Folgen: F ü r ambulante Pfl ege und Medizinalg ü ter mussten private Zusatzversicherungen abgeschlossen werden. In diesem Bereich basieren die Beitragszahlungen auf versicherungsmathe-matischen Prinzipien.

Der vorliegende Artikel ist folgenderma ß en aufgebaut: Es folgt zun ä chst eine Beschreibung und Analyse der Ziele und Modalit ä ten der Reformen in den Nieder-landen, in Deutschland und Frankreich. Anschlie ß end untersuchen wir, wie sich der Wettbewerb zwischen den Anbietern sowie die vermehrte Einschaltung privater Anbieter, insbesondere hinsichtlich der Umverteilung, auswirken. Der Artikel schlie ß t mit Kommentaren und Bemerkungen der Autorin.

Niederlande: Wettbewerb zwischen den Versicherern

In den Niederlanden schlug der erste Versuch der Einf ü hrung einer allgemeinen Krankenversicherung im Jahr 1904 fehl. Erst 1941 wurde eine Krankenversicherung f ü r B ü rger mit niedrigem und mittlerem Einkommen eingerichtet ( van de Ven und Schut, 2008 ). Die Algemene Wet Bijzondere Ziektekosten (AWBZ), f ü r die eine allgemeine Versicherungspfl icht besteht und welche die Langzeitpfl ege abdeckt

2. Nach diesem Prinzip zahlt jedes Mitglied Beitr ä ge gem ä ß der H ö he seines Einkommens in die Kran-kenkasse ein und erh ä lt daf ü r Leistungen gem ä ß seinen Bed ü rfnissen (seinem Gesundheitszustand).

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(chronische Erkrankungen, lange Krankenhausaufenthalte und Pfl egebed ü rftig-keit), existiert erst seit 1968 3 .

Seit 1968 basiert das niederl ä ndische Krankenversicherungssystem also auf der Unterteilung in Langzeitpfl ege (die von der AWBZ abgedeckt ist) und medizinische Grundversorgung. F ü r Letztere existierten bis 2006 zwei parallele, aber getrennte Systeme ( Cohu, Lequet-Slama und Volovitch, 2006 ; Vasselle und Cazeau, 2008 ):

• eine staatlich organisierte Versicherung f ü r B ü rger unter einer bestimmten Ein-kommensgrenze oder ü ber 65 Jahre ( Ziekenfondswet — ZFW). Diese Versicherung wurde im Wesentlichen ü ber einkommensabh ä ngige Beitr ä ge fi nanziert;

• eine freiwillige private Krankenversicherung f ü r alle anderen Personenkreise, wobei die Versicherer seit 1986 verpfl ichtet sind, eine Grundversicherung anzubie-ten, deren Kosten und Leistungsumfang gesetzlich vorgeschrieben sind.

Die niederl ä ndische Regierung ist seit Ende der 1960er-Jahre ü ber die steigenden Gesundheitskosten beunruhigt. Ab Mitte der 1970er-Jahre unternahm sie Anstren-gungen, um Preise und Leistungsumfang zu kontrollieren. Ein Gesamtbudget f ü r Krankenh ä user wurde 1983 eingef ü hrt. Ab den 1990er-Jahren wurden in den Kli-niken besch ä ftigte Spezialisten pauschal und nicht mehr nach Leistung bezahlt ( van de Ven und Schut, 2008 ). Aufgrund dieser rigorosen Ma ß nahmen sank der Anteil des BIP f ü r die Gesundheitskosten zwischen 1995 und 2000 deutlich (von 8,5 auf 8,2 Prozent), doch sind seit damals auch Wartelisten entstanden ( Helderman et al., 2005 ).

Parallel zu diesen Einschr ä nkungen des Leistungsangebots wurden im Abstand von f ü nf Jahren zwei Strukturreformen der Krankenversicherung angesetzt: der Dekker-Plan im Jahr 1987 und der Simon-Plan im Jahr 1992. Beide Pl ä ne zielten darauf ab, die Sozialversicherung und die private Versicherung f ü r die medizinische Grundversorgung zusammenzuf ü hren und eine Konkurrenz zwischen den ver-schiedenen Anbietern dieses Sektors zu schaffen. Keines der beiden Projekte konnte jedoch realisiert werden, da Versicherer, Arbeitgeber und Ä rzte die Umsetzung blockierten.

Seit 1992 wurden dennoch nach und nach unterschiedliche Konkurrenzele-mente in das ZFW-System eingef ü hrt: Das regionale Kassenmonopol wurde abge-schafft, und die Versicherten k ö nnen den Versicherer frei w ä hlen. Die Kassen erhielten die Erlaubnis, zus ä tzlich zu den bereits gezahlten einkommensabh ä ngigen Beitr ä gen Nominalpr ä mien zu erheben 4 ( van de Ven und Schut, 2008 ). Die Versi-cherten wechselten jedoch kaum den Versicherungsanbieter, und die Versicherer machten keinen Gebrauch von der ihnen gew ä hrten M ö glichkeit selektiver

3. Die Ausgaben der AWBZ belaufen sich auf circa 40 Prozent der gesamten Gesundheitskosten. Die Finanzierung erfolgt durch Mitgliederbeitr ä ge, durch den Staat und durch Zuzahlungen der Versicherten (Zuzahlungen gem ä ß zu versteuerndem Einkommen) ( Schut und van den Berg, 2009 ). 4. Die Zusatzgeb ü hren sind zwischen 1995 und 2005 stetig angestiegen und erreichten zwischen 10 und 15 Prozent der Gesamtausgaben ( Helderman et al., 2005 ).

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Vertragsabschl ü sse mit Anbietern von Gesundheitsdiensten. Die Ma ß nahmen f ü hrten jedoch zu vermehrten Zusammenschl ü ssen zum einen zwischen Versiche-rungsanbietern (unter anderem zwischen Kassen und Privatunternehmen in Hol-dings) und zum anderen unter Krankenh ä usern 5 . 1991 wurde ein System f ü r den Risikoausgleich zwischen den Kassen eingef ü hrt ( Douven, Mot und Pomp, 2006 ), das 2002 durch die Einbeziehung des Arzneimittelverbrauchs und 2004 durch die Ber ü cksichtigung von Krankenhausaufenthalten deutlich verbessert wurde ( Hel-derman et al., 2005 ).

Am 1. Januar 2006 trat die neue obligatorische Krankenversicherung f ü r die medizinische Grundversorgung inkraft und l ö ste die Unterscheidung zwischen ö ffentlichen und privaten Krankenkassen auf 6 , wie es bereits 20 Jahre zuvor der Dekker- und der Simon-Plan beabsichtigt hatten. Alle Versicherer — nun Privat-unternehmen — sind jetzt dazu berechtigt, Profi te zu erwirtschaften und ihren Aktion ä ren Dividenden auszuzahlen ( van Ginneken, Busse und Gericke, 2008 ). Alle einkommenssteuerpfl ichtigen Einwohner des Landes sind verpfl ichtet, eine Kran-kenversicherung f ü r die Grundversorgung abzuschlie ß en. Der Staat ü bernimmt die Versicherung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren.

Das wesentliche Ziel der Reform war die St ä rkung des Wettbewerbs zwischen den Versicherungsunternehmen. Diese Konkurrenz ist insofern gesetzlich reguliert, als dass eine bestimmte Mindestversorgung vorgeschrieben und eine Risikoauswahl ausgeschlossen wird. Die Versicherer k ö nnen die H ö he der Pr ä mien f ü r die einzel-nen Deckungsbereiche frei bestimmen, doch muss sie f ü r alle Versicherten f ü r den gleichen Deckungsbereich gleich hoch sein. (Die Versicherten k ö nnen die H ö he des Selbstbehalts frei w ä hlen, was sich auf ihre Pr ä mie auswirkt, der Selbstbehalt muss aber auf jeden Fall bezahlt werden, bevor die Versicherung die weitergehenden Kosten ü bernimmt.) Dieser obligatorische, nicht versicherungsf ä hige Selbstbehalt betrug im Jahr 2010 mindestens 165 EUR(und maximal 650 EUR, doch wurde dieser Tarif von den Niederl ä ndern kaum gew ä hlt) ( Wierink, 2010 ). Der Selbstbe-halt betrifft alle Pfl egema ß nahmen, au ß er jene des Hausarztes, Behandlungen bei Geburt und Mutterschaft sowie Zahnbehandlungen bei Versicherten unter 22 Jahren. Seit 2009 k ö nnen die Versicherungsgesellschaften den Versicherten den Selbstbehalt unter bestimmten Umst ä nden erlassen: bei regelm ä ß igen Vorsor-geuntersuchungen oder Pfl egema ß nahmen durch bestimmte Partneranbieter. Diese Form von Vertr ä gen steckt jedoch noch in den Kinderschuhen ( Wierink, 2010 ).

Die Finanzierung der Krankenversicherungen setzt sich also folgenderma ß en zusammen ( Busse, Schlette und Zimmermann, 2006 ; Sch ä fer et al., 2010 ; Wierink, 2010 ):

5. In den Niederlanden gab es im Jahr 1985 noch 160 Krankenh ä user, im Jahr 2005 noch 100 und im Jahr 2009 nur noch 93 ( Wierink, 2010 ). 6. Die hier beschriebene Reform betrifft nicht die AWBZ.

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• Direkte Nominalpr ä mien an die Versicherungsgesellschaften von allen Versicherten ü ber 18 Jahren;

• Beitr ä ge, deren H ö he vom Einkommen (mit Plafonierung) inklusive Sozialleis-tungen abh ä ngt. Diese Beitr ä ge werden vom Arbeitgeber ü bernommen und stellen im Prinzip eine Art Sozialabgabe seitens der Arbeitgeber dar. Die Beitr ä ge fl ie ß en in eine vom Staat subventionierte Ausgleichskasse (der Staat ü bernimmt die Gesundheitskosten f ü r Minderj ä hrige). Die Geldmittel dieser Kasse werden gem ä ß einem Risikoschl ü ssel zwischen den Versicherern aufgeteilt.

Die beiden Einnahmekategorien (Nominalpr ä mien und Beitr ä ge) sollen die Ausgaben der Krankenversicherungen f ü r Erwachsene je zu 50 Prozent abdecken ( Ministry of Health, Welfare and Sport, 2006 ) 7 . Die Nominalpr ä mien beliefen sich im Jahr 2009 auf 933 bis 1150 EUR ( Sch ä fer et al., 2010 ), im Schnitt also auf 1059 EUR pro Jahr und Erwachsenen ( Wierink, 2010 ). Vor der Reform zahlten die in ö ffentlichen Krankenkassen Versicherten im Schnitt Beitr ä ge in H ö he von 350 EUR pro Jahr ( van de Ven und Schut, 2008 ), w ä hrend sich die durchschnittli-chen Pr ä mien der privaten Versicherungen auf 2000 EUR beliefen. Einkommens-starke Haushalte sind nach der Reform also im Vorteil, insbesondere da sie vorher auch Versicherungsbeitr ä ge f ü r ihre Kinder zahlen mussten (dies ist nicht mehr der Fall, da der Staat die Versicherung Minderj ä hriger ü bernimmt).

Seit 2006 zahlt das Finanzamt einen monatlichen Gesundheitszuschuss an die-jenigen Versicherten, bei denen die Krankenversicherung mehr als 4 Prozent (bei Alleinstehenden) bzw. mehr als 6,5 Prozent (bei Paaren) des Einkommens aus-macht. Im Jahr 2009 betrug der Zuschuss maximal 692 EUR f ü r Alleinstehende und 1461 EUR f ü r Familien ( Sch ä fer et al., 2010 ). Diese Unterst ü tzung reicht jedoch nicht immer aus, um die Kostenbelastung bei den einkommensschw ä chsten Perso-nen auszugleichen, sodass circa 20 Prozent der Bev ö lkerung nach Einf ü hrung der neuen Krankenversicherung ü ber weniger Kaufkraft verf ü gen als zuvor 8 ( Gre ß , Manouguian und Wasem, 2007 ). Die Kosten dieser Unterst ü tzung (die etwa einem Drittel der niederl ä ndischen Bev ö lkerung zugutekommt) sind seit ihrer Einf ü hrung deutlich angestiegen: Im Jahr 2006 waren es noch 2,5 Milliarden EUR gewesen, im Jahr 2009 bereits 3,5 Milliarden ( CBS Web Magazine, 2010 ). Dieses starke Wachs-tum liegt im Anstieg der Nominalpr ä mien in den Jahren 2007 und 2008 begr ü ndet (ein Anstieg zwischen 5 und 10 Prozent je nach Versicherer [ Wierink, 2010 ] ). Nachdem im Jahr 2006 ä u ß erst attraktive Tarife angeboten worden waren, die bis

7. Zurzeit machen die Pr ä mien und Selbstbehalte nur knapp 50 Prozent der Ressourcen des Fonds aus ( Sch ä fer et al., 2010 ). 8. Obwohl auch andere Ma ß nahmen diesem Verlust entgegenwirken sollen, zum Beispiel die Anhebung des Kindergelds und der Renten (Gre ß , Manouguian und Wasem, 2007 ).

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hin zu Verlustgesch ä ften bei manchen Gruppentarifen gingen 9 , mussten die Versi-cherer die Verluste anschlie ß end nat ü rlich ausgleichen. Dies erkl ä rt im Zusammen-spiel mit den steigenden Gesundheitskosten die Infl ation bei den Pr ä mien.

Weder der Wettbewerb zwischen den Versicherern noch jener, der von ebendie-sen Versicherern zwischen den Anbietern von Gesundheitsleistungen initiiert wurde, hat sich jedoch bislang positiv auf die Kostenregulierung ausgewirkt. Die Gesundheitskosten pro Kopf sind insgesamt in den Jahren 2006 und 2007 um 4 Prozent gestiegen ( van de Ven und Schut, 2009 ). W ä hrend 20 Prozent der Versi-cherten im Jahr 2006 die Versicherung gewechselt haben (insbesondere aufgrund neuer Gruppentarife), fi el dieser Prozentsatz ab 2007 wieder auf den vorherigen Wert ab (zwischen 4 und 5 Prozent) ( Okma, 2008 ). Die Bedingungen f ü r Wettbe-werb scheinen auf dem Krankenversicherungsmarkt nicht wirklich erf ü llt zu sein. Hier zeichnet sich vielmehr eine zunehmende Konzentration ab: 1990 gab es in den Niederlanden 118 Versicherungsunternehmen, w ä hrend es 2008 nur noch 32 waren ( Dutch Health Care Authority, 2008 ). Faktisch teilen sich sogar nur vier gro ß e Versicherungsunternehmen 89 Prozent des Marktes ( Thomson und Mossialos, 2009 ).

Diese Versicherer verhalten sich momentan nicht wirklich wie K ä ufer von Gesundheitsleistungen. Meist schlie ß en sie mit s ä mtlichen Leistungsanbietern Ver-tr ä ge ab, anstatt selektiv vorzugehen. Im Jahr 2009 machte nur eine einzige Versi-cherungspolice von dieser M ö glichkeit Gebrauch ( Sch ä fer et al., 2010 ), und nur 17 Prozent der Versicherungsunternehmen haben derzeit vor, die Anzahl ihrer Vertragspartner zu verringern ( Wierink, 2010 ). Diese Situation hat mehrere Ursa-chen: das Fehlen zuverl ä ssiger Informationen ü ber die Qualit ä t der medizinischen Versorgung, die Ablehnung der Verbraucherorganisationen gegen ü ber Beschr ä n-kungen sowie die Struktur der medizinischen Leistungserbringung: Seit den Ein-schnitten ab den 1980er-Jahren gibt es in den meisten Regionen nur noch ein einziges Krankenhaus (diese Form der Klinikplanung wurde 2008 beendet, doch die Anzahl an Betten sinkt weiter) ( Sch ä fer et al., 2010 ). Obgleich die Finanzierung von Krankenh ä usern ü ber ein globales Budget zugunsten eines auf Diagnosis Related Groups (DRGs) basierenden Systems aufgegeben wurde, belief sich der Anteil der verhandelbaren Klinikkosten im Jahr 2009 dennoch nur auf ein Drittel ( Thomson und Mossialos, 2009 ). Bei der ambulanten Versorgung gestaltet sich die

9. Zwei Drittel dieser Gruppen sind Arbeitnehmer und als solche f ü r Versicherer sehr attraktiv, weitere sind beispielsweise Patienten- oder Verbrauchergruppen. Die erw ä hnten Praktiken f ü hrten bei privaten Versicherungsunternehmen in den Jahren 2006 und 2007 zu Verlusten in H ö he von 900 Millionen EUR ( Vasselle und Cazeau, 2008 ), die durch die Reserven der Versicherer ausgeglichen wurden. Die alteinge-sessene Krankenkasse AGIS hat den privaten Versicherern vorgeworfen, Dumpingtarife anbieten zu k ö nnen, da sie ü ber gr ö ß ere fi nanzielle Reserven verf ü gen (vor 2006 bestanden hierzu f ü r private und ö ffentliche Kassen unterschiedliche Vorschriften) ( van Ginneken, Busse und Gericke, 2008 ).

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Situation nicht wesentlich besser, da die Anbieter hier leicht Kartelle bilden k ö nnen 10 . Aus diesem Grund stellen Van Ginneken, Busse und Gericke (2008 ) die Frage, ob es angebracht ist, mit diesen „ regionalen Monopolen “ Vertr ä ge abzuschlie ß en.

Deutschland: Steigende Beitragss ä tze und freiwillige Zusatzversicherungen

Die obligatorische Krankenversicherung ( Gesetzliche Krankenversicherung — GKV) ist eine der f ü nf S ä ulen des deutschen Gesundheitswesens und geht auf die Sozial-gesetzgebung von Bismarck aus dem Jahr 1883 zur ü ck. In Deutschland basierte die Krankenversicherung lange auf den Prinzipien der parit ä tischen Finanzierung (zu gleichen Teilen durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer) und der Selbstverwaltung (freie Beitragsgestaltung jeder Krankenkasse). Es gibt eine gesetzlich festgelegte Einkommensgrenze, bis zu der die Mitgliedschaft bei der gesetzlichen Krankenver-sicherung obligatorisch ist. Deutsche B ü rger, deren Einkommen diesen Grenzwert ü berschreitet, sind dazu nicht verpfl ichtet und k ö nnen sich privat gegen Krankheit versichern (nach individuellen Versicherungstarifen). 88 Prozent der Deutschen sind derzeit Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen. Vor kurzem wurden jedoch die zwei Prinzipien der parit ä tischen Finanzierung und der Selbst-verwaltung aufgegeben:

• im Jahr 2005 wurde ein Zusatzbeitrag f ü r die Besch ä ftigten in H ö he von 0,9 Prozent eingef ü hrt;

• der Beitragssatz ist seit 2009 einheitlich gesetzlich geregelt (siehe unten). In Deutschland wurde das Krankenversicherungssystem seit den 1980er-Jahren

mehrfach reformiert. S ä mtliche Reformen zielten darauf ab, die Kosten zu senken, die Finanzierung umzugestalten und die Krankenversicherung umzuorganisieren ( Altenstetter und Busse, 2005 ). Hierzu wurden verschiedene Ma ß nahmen ergriffen: Finanzierung mit festen Budgets, Einf ü hrung eines Referenzpreises f ü r pharmazeu-tische Produkte 11 , regionale Beschr ä nkung kostspieliger Ausstattungen und Begren-zung der Anzahl freiberufl icher Ä rzte sowie Ausweitung eines Systems von Zuzahlungen ( Busse et al., 2000 ). Das wirksamste Verfahren zur Einschr ä nkung der

10. Ein Beispiel: Ü ber die Frage, ob sich ein Allgemeinarzt in einer Region niederlassen kann, entschei-den die bereits dort niedergelassenen Ä rzte gemeinsam ( Bocognano et al., 1998 ). Meistens tritt eine Vertretung der Allgemeinmediziner mit dem gr ö ß ten Versicherer der Region in Verhandlung, und alle Mediziner richten sich nach den ausgehandelten Tarifen ( Sch ä fer et al., 2010 ). Das neu eingef ü hrte Krankenversicherungssystem ist f ü r Allgemein ä rzte sehr vorteilhaft, da diese dadurch Eink ü nfte aus zwei Quellen beziehen (Verg ü tung pro Leistung und pro Kopf). 2006 hat dies zu deutlich gesteigerten Eink ü nften gef ü hrt. 11. Nach zahlreichen Beschwerden seitens der Pharmaindustrie wegen der Festsetzung von Referenz-preisen f ü r bestimmte Produkte kam es zu mehreren Klagen vor Gericht. Das Bundesverfassungsgericht hat 2002 die Verfassungsm ä ß igkeit dieses Systems best ä tigt. Die Kassen ü bernehmen bei den entspre-chenden Produkten die Kosten nur in H ö he des Referenzpreises ( Kaufmann, 2010 ).

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Gesundheitskosten scheinen feste Budgets f ü r unterschiedliche Arten von Ausgaben zu sein ( Busse et al., 2000 ). Diese Politik wurde durch die Reform von 1993 unter-st ü tzt, mit der auch das Prinzip der Konkurrenz in das Krankenversicherungssys-tem eingef ü hrt wurde. Der Wettbewerb zwischen den Versicherungsunternehmen ergibt sich aus der freien Wahl der Versicherung seit 1996 12 , w ä hrend die Konkur-renz zwischen den Krankenh ä usern seit 2003 durch die progressive Einf ü hrung eines Zahlungssystems mit prospektiven Budgets f ü r Krankenh ä user gest ä rkt wurde (seit 2007 ist dies die einzige Finanzierungsform von Krankenh ä usern). Gleichzeitig nahmen die Zuzahlungen zu, w ä hrend die Anzahl der freiberufl ichen Ä rzte noch mehr beschr ä nkt wurde.

Weitere Reformen folgten ( Busse und Riesberg, 2004 ), darunter das Gesetz zur Stabilisierung der Beitragss ä tze von 2002, das unter anderem eine Kostenanhebung f ü r medizinische Leistungen und eine Anhebung der Krankenhausbudgets aus-schloss. Seit der Reform von 2003 werden die Patienten erneut st ä rker zur Kasse gebeten, und das medizinische Grundversorgungspaket wurde neu geschn ü rt: Pro Quartal wird beim erstmaligen Aufsuchen eines Allgemeinarztes oder bei au ß er-planm ä ß iger Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen (ambulante Versor-gung) eine Praxisgeb ü hr in H ö he von 10 EUR f ä llig. Die Zuzahlungen bei Medikamenten sowie bei Klinikaufenthalten wurden erh ö ht ( Carrera, Siemens und Bridges, 2008 ). Diese verst ä rkte Kostenbeteiligung der Patienten 13 wird im Ü brigen seit Ende der 1990er-Jahre nicht mehr als Mittel zum Schutz vor Ausnutzung des Gesundheitssystems, sondern direkt als Mittel zur Finanzierung des Systems pr ä- sentiert ( Busse et al., 2000 ). Die Reformen in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten zielen also sowohl auf das Angebot als auch auf die Nachfrage ab. Dennoch waren sie nicht ausreichend, um die langfristige Erh ö hung der Beitrags-s ä tze einzud ä mmen: von 10,4 Prozent im Jahr 1975 (European Observatory on Health Care Systems, 2000) auf 15,5 Prozent im Jahr 2011 14 .

Das Gesetz von 2003 hat aber die Diskussion ü ber die Krankenversicherung nicht beendet. In diesem Jahr hat die R ü rup-Kommission die Debatte erneut ent-facht und in eine neue Richtung gelenkt. Bislang betraf die Diskussion vor allem Fragen der Gleichbehandlung und der Zuzahlungen (obwohl es bei den politischen Ma ß nahmen zur Beschr ä nkung der Gesundheitskosten seit Ende der 1990er-Jahre vor allem um die Stabilisierung der Beitragss ä tze ging — Hassenteufel, 2004 ). Seit 2003 beziehen sich die Ü berlegungen der R ü rup-Kommission direkt auf die Finanzierungsmodalit ä ten: Ziel ist die Entkoppelung der Ressourcen der

12. Hierzu wurde im Jahr 1994 ein Risikoausgleichssystem eingef ü hrt. 13. Kinder sind hiervon ausgenommen. Die Kostenbeteiligung ist auf max. 2 Prozent des Einkommens begrenzt (1 Prozent bei chronischen Erkrankungen) ( Siadat und Stolpe, 2005 ). 14. Deutsche Sozialversicherung , Webseite der deutschen Sozialversicherung, < http://www.deutsche-sozialversicherung.de/fr/assurance_maladie/maladie_fi nancement.html > (Stand 18.03.2011).

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Krankenversicherung vom Arbeitsmarkt, mit anderen Worten die Senkung der Lohnnebenkosten durch die Einf ü hrung eines von den Sozialbeitr ä gen unabh ä n-gigen Finanzierungssystems.

In Deutschland wird den beitragsfi nanzierten Gesundheitsausgaben seit den 1980er-Jahren regelm ä ß ig vorgeworfen, die Wettbewerbsf ä higkeit der deutschen Unternehmen zu unterminieren und so die Deutschland AG zu gef ä hrden. Aller-dings hat das schwache Wachstum der Gesamtlohnsumme auch dazu beigetragen, die Beitragssumme zu beschr ä nken, was wiederum eine Erh ö hung der Beitragss ä tze notwendig machte (unter dem geballten Einfl uss der Arbeitslosigkeit, der Bev ö lke-rungsalterung und einer restriktiven Linie der Lohnpolitik, wie sie seit Anfang dieses Jahrzehnts betrieben wird) 15 . Dazu kommen noch die Beitragsverluste auf-grund vermehrt sehr schwach entl ö hnter Arbeitspl ä tze, der sogenannten „ Mini-jobs “ (weniger als 400 EUR im Monat), f ü r welche zum Beispiel nur der Beitragsanteil der Arbeitgeber zu bezahlen ist.

Nach Abschluss ihrer Arbeit brachte die R ü rup-Kommission zwei unterschied-liche Finanzierungsvorschl ä ge vor. Die beiden Empfehlungen hatten eines gemein-sam, n ä mlich den Willen, die Erh ö hung der Beitr ä ge einzud ä mmen und den bereits bestehenden Wettbewerb im Krankenversicherungssystem noch zu verst ä rken. Die zwei Vorschl ä ge ( Bode, 2006 ; Carrera, Siemens und Bridges, 2008 ; Schubert und Schnabel, 2009 ; Vasselle und Cazeau, 2006 ) werden hiernach erl ä utert:

• Die B ü rgerversicherung , wie sie von der SPD unterst ü tzt wurde, h ä tte darin bestanden, die Krankenversicherung mithilfe der Gesamtheit der Einkommen s ä mtlicher B ü rger zu fi nanzieren. Ihr Ziel war, die Kapitaleink ü nfte zu besteuern und die Beitragspfl icht auf die gesamte Bev ö lkerung auszudehnen (in dem die Unterscheidung zwischen Sozialversicherung und privater Versicherung abgeschafft w ü rde). Es ging au ß erdem darum, den Wettbewerb zu intensivieren, indem den privaten Versicherern der Zugang zum Markt der Kranken-Grundversicherung erm ö glicht w ü rde, und zwar gem ä ß den auf den nicht gewinnorientierten Sektor anwendbaren Regelungen.

• Die Kopfpauschale , wie sie die CDU wollte, h ä tte von jedem einzelnen B ü rger ab einem gewissen Einkommensniveau gezahlt werden sollen. Mechanismen f ü r die teilweise Ü bernahme durch den Staat waren ebenfalls vorgesehen (f ü r Kinder und Personen mit niedrigem Einkommen).

Im Februar 2007 hat der Bundestag f ü r das Gesundheitswesen letztendlich eine kontroverse Gesetzesvorlage angenommen. Mit diesem Gesetz wurde die Mitglied-schaft in einem ö ffentlich-rechtlichen Krankenversicherungssystem f ü r obligato-risch (bei Strafe im Unterlassungsfall) erkl ä rt (mindestens 200 000 Personen, d. h. Langzeitarbeitslose, Selbstst ä ndige ohne Lohn usw., waren zu diesem Zeitpunkt

15. Der Anteil der L ö hne im deutschen BIP sank von 55,1 Prozent im Jahr 1991 auf 49,1 Prozent im Jahr 2008 ( Jamet, 2009 ).

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nirgends versichert). Die Versicherungspfl icht, der die Einzelpersonen jetzt unterstehen, ist mit der Pfl icht f ü r die Versicherer verbunden, s ä mtliche Aufnah-megesuche zu akzeptieren. Somit m ü ssen die Privatversicherungen die Kranken-Grundversicherungsvertr ä ge ohne vorherige ä rztliche Untersuchung anbieten ( Kaufmann, 2009 ).

Was die Finanzierung anbelangt, so wurde schlie ß lich keine der erw ä hnten L ö sungen umgesetzt. Es wurde ein Gesundheitsfonds ins Leben gerufen ( GKV, 2007 ); zudem wird jetzt f ü r alle Krankenkassen ein einheitlicher Beitragssatz ange-wandt (diese Ma ß nahme l ä utete das Ende der autonomen Verwaltung der Beitr ä ge durch die Krankenkassen ein). Der neue Gesundheitsfonds verwaltet seit 2009 s ä mtliche Finanzmittel zentral, n ä mlich Beitr ä ge und Steuereinnahmen (wobei Letztere dazu da sind, die Mutterschaft und die Krankenversicherung der Kinder zu fi nanzieren). Die Versicherungsnehmer s ä mtlicher ö ffentlicher Krankenkassen zahlen denselben Beitrag (mit einheitlichem Beitragssatz), und der Staat ist f ü r die Verteilung der Geldmittel an die Kassen zust ä ndig, welche nach einem Risiko-schl ü ssel pro Kopf berechnet werden. Dieses Ausgleichssystem, welches bereits zwei Reformen durchlief (2001, um die chronischen Krankheiten einzubeziehen, und 2003 mit der Einbeziehung der besonders hohen Risiken), muss dennoch verbessert werden, um die M ö glichkeit f ü r die Kassen, sich ihre Risiken auszuw ä hlen, einzu-schr ä nken. Krankenkassen, die in fi nanziellen Schwierigkeiten stecken, haben neu die M ö glichkeit, von ihren Versicherten einen zus ä tzlichen Beitrag zu verlangen, und zwar bis zu 1 Prozent des beitragspfl ichtigen Monatseinkommens. Verm ö gen-seink ü nfte werden dabei nicht einbezogen, und der Unterschied zwischen Sozial-versicherung und Privatversicherung bleibt bestehen. Um dem veranschlagten Defi zit in H ö he von 9 Milliarden EUR f ü r 2011 zu begegnen, trat am 1. Januar 2011 ein neues „ Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung “ (GKV-Finanzierungsgesetz) in Kraft. Dieses Gesetz 16 :

• erh ö ht den Beitragssatz auf 15,5 Prozent 17 (gegen ü ber 14,9 Prozent zuvor); • schafft den — in Prozent vom Lohn ausgedr ü ckten — H ö chstsatz ab, der bis

anhin auf den Zusatzbeitrag angewandt wurde, den die Versicherungen eintreiben konnten;

16. Siehe: Krankenkassen Deutschland < http://www.krankenkassen.de/gesetzliche-krankenkassen/gesundheitsreform/gesundheitsreform2010/ > ; Krankenversicherung < http://www.krankenversicherung.net/gesundheitsreform > ; Bundesministerium f ü r Gesundheit < http://www.bmg.bund.de/ > . Wissen private Krankenversicherung < http://www.wissen-private-krankenversicherung.de/gesundheitsreform-2010-wechselfrist-arbeitnehmer > ; Bundesverband Deutscher Versicherungskaufl eute e.V. < http://www.bvk.de/oeffentlich/presse/bvk-pressemitteilungen/gesundheitsreform-fo-rdert-private-vorsorge.html > ; Institut der deutschen Wirtschaft K ö ln < http://www.iwkoeln.de/Publikationen/IWNachrichten/tabid/123/articleid/24440/Default.aspx > (eingesehen am 18.03.2011). 17. Dieser Satz besteht aus einem Arbeitgeberbeitrag von 7,3 Prozent und einem Arbeitnehmerbeitrag von 8,2 Prozent.

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• verk ü rzt die Periode, w ä hrend derer die sozialversicherten Personen die festge-legte Einkommensgrenze ü berschreiten m ü ssen, um eine Privatversicherung w ä hlen zu k ö nnen, von urspr ü nglich drei Jahren auf ein Jahr. Diese Einkommensgrenze wurde im Ü brigen leicht gesenkt (auf 49 500 EUR/Jahr).

Der Beitragssatz in der Krankenversicherung gilt jetzt als fester Satz; dies bedeu-tet, dass in Zukunft jede Ausgabenerh ö hung durch den Zusatzbeitrag (der jetzt unbeschr ä nkt ist) fi nanziert werden muss. In Anbetracht des Umstands, dass es sich beim Zusatzbeitrag um eine Pauschale handelt, weist er eine gro ß e Ä hnlichkeit mit einem Nominalbeitrag auf. Ü bersteigt der Betrag, den der Versicherte in dieser Form bezahlt, 2 Prozent seines Einkommens, hat der Versicherte Anrecht auf eine Ausgleichszahlung, welche theoretisch seinen Beitrag auf diesen H ö chstsatz senken soll (vgl. L ü ngen und B ü scher, 2010 ). Theoretisch, weil diese Sozialausgleichszah-lung auf der Grundlage der Durchschnittspr ä miens ä tze, die von den deutschen Versicherten gezahlt wurden, berechnet wird und nicht etwa auf der H ö he der Pr ä mie, die der Beitragszahlende tats ä chlich bezahlt. Es geht darum, den Wettbe-werb zwischen den Krankenkassen zu f ö rdern (indem die Versicherten dazu ermu-tigt werden, sich eine kosteng ü nstigere Versicherung zu suchen) 18 .

Frankreich: Erweiterung der Grundfi nanzierung und mehr Spielraum f ü r Privatversicherungen

Die Krankenversicherung in Frankreich entstand mit der Einf ü hrung der sozialen Sicherheit nach dem Zweiten Weltkrieg. Das allgemeine System der sozialen Sicher-heit deckt die Mehrheit der Besch ä ftigten in der Privatwirtschaft ab, w ä hrend die Selbst ä ndigen bei anderen Kassen versichert sind. Die universelle Krankenversiche-rungs-Grunddeckung ( couverture maladie universelle, CMU), die im Jahre 1999 eingef ü hrt wurde, erm ö glicht allen seit mehr als drei Monaten regul ä r in Frankreich niedergelassenen Personen den Zugang zur Krankenversicherung, wenn sie nicht anderweitig ein Recht auf eine Versicherung haben (Berufst ä tigkeit usw.).

Die mit steigenden Ausgaben konfrontierten Krankenkassen durchlaufen seit den 1970er-Jahren verschiedene Sanierungspl ä ne. Obwohl ab dieser Periode Ma ß- nahmen zur quantitativen Kontrolle des Angebots ergriffen wurden (Einf ü hrung des Numerus clausus in den medizinischen Fakult ä ten, Beschr ä nkung der Anzahl Betten und Einf ü hrung des Globalbudgets im Krankenhaus), betreffen die Mehr-heit der Ma ß nahmen, die im Lauf des vergangenen Jahrzehnts getroffen wurden, allein die Nachfrage: Einf ü hrung (im Jahr 1983) und rasante Ausbreitung der pau-

18. Gem ä ß den Berechnungen des Bundesministeriums f ü r Gesundheit (BMG) m ü sste diese Aus-gleichszahlung in naher Zukunft gegenstandslos sein, weil der Zusatzbeitrag, der von den Kassen ein-gefordert wird, in den n ä chsten zwei Jahren wegen der Erh ö hung der Beitragss ä tze durchschnittlich 16 EUR im Monat nicht ü bersteigen wird.

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schalen Selbstbeteiligung bei Krankenhauspfl ege, Erh ö hung des Eigenanteils der Patienten (das sogenannte ticket mod é rateur) f ü r ambulante Medizin und Medika-mente. Aufgrund der Ineffi zienz dieser Ma ß nahmen und der wachsenden Finan-zierungsschwierigkeiten entstanden in den 1990er-Jahren neue Werkzeuge zur Kontrolle des Angebots. Der Plan Jupp é von 1996 sah insbesondere die M ö glichkeit von fi nanziellen Sanktionen f ü r die freiberufl ichen Ä rzte vor, falls diese das vom Parlament verabschiedete Ausgabenziel ab diesem Datum ü berschritten. Aufgrund der Gegnerschaft eines Teils der Ä rzteschaft wurde diese Ma ß nahme „ im deutschen Stil “ schnell aufgegeben. Dieser Plan enthielt auch den Vorschlag, versuchsweise einen „ Leitarzt “ (m é decin r é f é rent) 19 als erste Anlaufstelle einzuf ü hren.

Das Gesetz vom 13. August 2004 hat die Mechanismen zur Eind ä mmung der Nachfrage wiederaufgenommen, indem der Schwerpunkt absichtlich auf die Ma ß- nahmen zur Erh ö hung der Selbstzahlungen gelegt wurde: Es wurde ein nicht r ü ck-forderbarer Beitrag von einem Euro f ü r jeden Besuch beim Allgemeinpraktiker eingef ü hrt, und die Krankenhauspauschale (forfait hospitalier) wurde erh ö ht. Die Reform f ü hrte au ß erdem das Prinzip des Hausarztes als erste Anlaufstelle (m é decin traitant) ein, wobei die Versicherten, die einen Spezialisten direkt aufsuchen, fi nan-ziell benachteiligt werden (Senkung des R ü ckerstattungssatzes, aber auch die M ö g-lichkeit f ü r die direkt konsultierten Ä rzte, mit ihrer Honorarforderung die festgelegten Limiten zu ü berschreiten) 20 . 2006 wurde zulasten des Patienten eine festgelegte Selbstzahlung eingef ü hrt f ü r station ä re Interventionen im Krankenhaus, deren Kosten 91 EUR ü berschreiten; und seit 2008 gelten pauschale Selbstzahlun-gen ( participations forfaitaires , oft zu Unrecht als Selbstbehalt bezeichnet) f ü r Medi-kamente, paramedizinische Eingriffe und Krankentransporte.

Die Finanzierungsmethoden der franz ö sischen Krankenversicherung wurden in der zweiten H ä lfte der 1980er-Jahre ebenfalls umfangreichen Reformen unterwor-fen. Zu jener Zeit wurden die von den Arbeitnehmern zu zahlenden Krankenver-sicherungspr ä mien fast vollst ä ndig durch den allgemeinen Sozialbeitrag (contribution sociale g é n é ralis é e, CSG) ersetzt 21 . Die CSG fi nanziert sich aus der Lohneinkommenssteuer (mehr als 70 Prozent der Einnahmen), den Steuern auf Verm ö gens- und Investitionsgewinnen, auf anderweitigen Einkommen und den Gewinnen aus Spielen ( Commission des Comptes de la S é curit é Sociale , der

19. Anm. des Ü bersetzers: Im Unterschied zum neueren, freieren Modell des m é decin traitant konnte ein Patient seinen m é decin r é f é rent nicht aussuchen. Vielmehr erkl ä rte sich ein Arzt bereit, f ü r einen Patienten der m é decin r é f é rent , also eine Art Leitarzt zu sein. Er musste Allgemeinarzt sein und erhielt bei Einhaltung einer Reihe von Bedingungen eine Pauschalverg ü tung pro Patient und Jahr. 20. Die Ma ß nahme ist insofern doppeldeutig, als sie es den Ä rzten erm ö glicht, die Tarife zu ü berschrei-ten, und weil sie dazu f ü hrt, dass diese ihre Tarife von denjenigen der sozialen Sicherheit entkoppeln ( Tabuteau, 2006 , S. 216). 21. Nur die Taggelder (Geldleistungen) werden weiterhin von den lohnabh ä ngigen Beitr ä gen fi nanziert.

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Rechnungsausschuss der sozialen Sicherheit, 2010). Die CSG wurde 1991 einge-f ü hrt, doch sie fi nanziert medizinische Leistungen erst seit 1997. Mehr als 60 Prozent der Einnahmen der CSG wurden im Jahr 2009 f ü r die Krankenversiche-rung eingesetzt ( Commission des Comptes de la S é curit é Sociale , 2010 ). Die Rechts-form der CSG f ü hrte bei ihrer Einf ü hrung in Frankreich zu heftigen Debatten: Nach franz ö sischem Recht ist es eine Steuer, die jedoch Merkmale eines Beitrags aufweist; so wird sie zum Beispiel spezifi sch (f ü r die Finanzierung der sozialen Sicherheit) eingesetzt. Die CSG war Teil der Strategie, die Finanzierungsgrundlage zu erweitern. Die CSG ist gegenw ä rtig die zweitgr ö ß te Einnahmequelle f ü r die franz ö sische Kran-kenversicherung, direkt nach den Beitr ä gen (gr ö ß tenteils Arbeitgeberbeitr ä ge).

Die Arbeitgeberbeitr ä ge an die soziale Sicherheit ihrerseits wurden im Umfeld des Mindestlohns stark gesenkt. Zwar wurden ab 1993 generelle Arbeitskosten senkende Ma ß nahmen (deren Effi zienz im Hinblick auf die Schaffung von Arbeits-pl ä tzen ziemlich kontrovers ist) im Rahmen der Bek ä mpfung der Arbeitslosigkeit eingef ü hrt und seither massiv weiterentwickelt. Diese Ma ß nahmen bestehen in einer degressiven Befreiung der von den Arbeitgebern einzuzahlenden Sozialbei-tr ä ge auf L ö hnen, die zwischen 1 und 1,6 SMIC 22 liegen. Seit 2007 sind auch die Ü berstunden von den Beitr ä gen befreit. Die Einnahmenausf ä lle f ü r die soziale Sicherheit, die sich aus diesen Ma ß nahmen ergeben, werden durch Ausgleichszah-lungen kompensiert (indem diese einen Teil der Einnahmen aus bestimmten Steuern ü berwiesen erh ä lt). Angesichts der Bedeutung der CSG und des Ausma ß es der Befreiung von Sozialabgaben kann man mit Recht der Ansicht sein, dass der „ Bezug zwischen der Finanzierung der Krankenversicherung und den Arbeitskos-ten heute praktisch nicht mehr besteht “ ( Cornilleau, 2008 , S. 73). Die Einnahmen aus der CSG gen ü gen jedoch nicht, um die Krankenversicherung zu fi nanzieren, deren Defi zit 2011 11 Milliarden EUR erreichen d ü rfte — w ä hrend die staatlichen Instanzen weiterhin keinerlei Anstalten machen, im Hinblick auf ihre Finanzierung irgendwelche Entscheidungen zu treffen.

Konfrontiert mit dieser noch nie dagewesenen Verschlechterung der Bilanz und der Weigerung der ö ffentlichen Hand, die obligatorischen Beitr ä ge zu erh ö hen, kann man annehmen, dass das Ausma ß der Leistungen und die medizinischen G ü ter, die von den Grundversicherungen verg ü tet werden, sowie die R ü ckerstat-tungss ä tze in Zukunft weiter nach unten korrigiert werden. Jedes neue Gesetz ü ber die Finanzierung der sozialen Sicherheit f ü hrt wieder neue Ma ß nahmen in diesem Sinn ein. Wie wir gesehen haben, ist die Verschlechterung bei der Ü bernahme von Ausgaben durch die Krankenversicherung nichts Neues. Unter dem Deckm ä ntel-chen der Missbrauchsbek ä mpfung und der Eigenverantwortung der Patienten wird diese Politik bereits seit mehreren Jahren im Bereich der Krankenversicherung durchgesetzt. In Tat und Wahrheit sind diese Ma ß nahmen die Konsequenz aus den

22. Der SMIC (Salaire Minimum Interprofessionnel de Croissance) ist der gesetzliche Mindestlohn.

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wiederholten Misserfolgen der Angebotskontrolle und scheinen eher die Ü bertra-gung der Ausgaben auf den Privatsektor zum Ziel zu haben ( Turquet, 2004 ).

Statistisch gesehen verzeichnet der Anteil ä rztlicher Leistungen und medizini-scher G ü ter, der von der sozialen Sicherheit ü bernommen wird, seit mehr als einem Jahrzehnt nur einen geringen R ü ckgang (von 77,1 Prozent im Jahr 1995 auf 75,5 Prozent im Jahr 2009 [ F é nina et al., 2010 ] ). Diese Statistik t ä uscht indes und verschleiert den Blick auf erhebliche Missverh ä ltnisse. So werden die Langzeiter-krankungen, also die chronischen Krankheiten und schweren Erkrankungen, zu 100 Prozent von den Grundversicherungen ü bernommen, die Krankenhausausga-ben indessen etwa zu 90 Prozent. Die Grundversorgung (Allgemeinarzt und Medi-kamente) aber genie ß t nicht dieselben Erstattungss ä tze und wird nur zu 65 Prozent von der Grundversicherung ü bernommen ( F é nina et al., 2010 ). Dieser Satz betr ä gt mithin nur noch 55 Prozent, wenn man die Langzeitpfl ege nicht ber ü cksichtigt ( Tabuteau, 2010 ). Der Anteil der Ausgaben f ü r die Grundversorgung, der von der franz ö sischen Krankenversicherung fi nanziert wird, liegt dementsprechend auf einem viel tieferen Niveau als in den meisten ü brigen L ä ndern Europas.

Dieser niedrige Ü bernahmesatz f ü hrte dazu, dass sich die privaten, individuellen oder kollektiven Zusatzversicherungen 23 stark entwickelt haben (Gruppenvertr ä ge im Rahmen der Unternehmen) 24 . Die Institutionen, die Krankenpfl egezusatzversi-cherungen anbieten ( organismes compl é mentaires d ’ assurance maladie , OCAM), decken gegenw ä rtig ungef ä hr 85 Prozent der franz ö sischen Bev ö lkerung ab und fi nanzierten im Jahr 2009 13,8 Prozent der franz ö sischen Ausgaben f ü r ä rztliche Leistungen und medizinische G ü ter ( F é nina et al., 2010 ). Sie spielen eine entschei-dende Rolle f ü r den Zugang zu den von den Krankenversicherungen nur wenig oder gar nicht erstatteten Leistungen (in erster Linie zahn ä rztliche Leistungen und Optik). In Frankreich unterscheidet man drei verschiedene Typen von OCAM, die Krankenpfl egezusatzversicherungen anbieten, und diese sind unterschiedlichen Regeln unterworfen ( Del Sol und Turquet, 2005 ; Turquet, 2006 ): Die Mutuelles (Versicherungsvereine nach dem Gegenseitigkeitsprinzip), die Pensionskassen (institutions paritaires de pr é voyance) und die Versicherungsgesellschaften. Die Mutuelles und die Pensionskassen sind Institutionen ohne Gewinnzweck. Zurzeit sind die Mutuelles die gr ö ß ten Zusatzversicherer. Sie haben jedoch in diesem wett-bewerbsintensiven Umfeld gro ß e Schwierigkeiten, ihre Prinzipien der Solidarit ä t zu bewahren ( Turquet, 2003 ).

Nicht die ganze Bev ö lkerung verf ü gt jedoch ü ber eine Zusatzversicherung, weshalb Sozialhilfe notwendig wurde: die universelle Krankenpfl ege-

23. Ü bernahme der Gesamtheit oder eines Teils der Selbstbeteiligung des Versicherten und der „ Zuzah-lungen “ ( co-paiements) ( Turquet, 2004 ). 24. Unter bestimmten Bedingungen ist die Finanzierung dieser vom Arbeitgeber abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertr ä ge nicht an Sozialbeitr ä ge gebunden, womit ein starker Anreiz f ü r die Entwicklung dieser Art von Versicherungen besteht.

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Zusatzversicherung ( couverture maladie universelle compl é mentaire oder CMUc) 25 . Die CMUc erm ö glicht es Personen mit geringem Einkommen, kostenlos zu einer Zusatzversicherung zu kommen, die notwendig ist, um angesichts der niedrigen Erstattungsrate der Grundversicherungen in bestimmten Bereichen einen guten Zugang zu den Pfl egeleistungen zu erhalten. Die CMUc deckt praktisch 7 Prozent der Bev ö lkerung Frankreichs ab. Da die CMUc einkommensabh ä ngig ist, schafft sie unweigerlich Zugangsschwellen. Aus diesem Grund wurde 2005 eine Beihilfe zur Zahlung einer Kranken-Zusatzversicherung eingerichtet. Diese Beihilfe, die sogenannte aide compl é mentaire sant é (ACS), ist f ü r Personen gedacht, deren Ein-kommen zwischen dem H ö chstbetrag, der zur universellen Krankenpfl ege-Zusatz-versicherung (CMUc) berechtigt, und diesem H ö chstbetrag zuz ü glich 26 Prozent liegt. Diese Beihilfe variiert je nach Alter des Versicherten. Doch dieses System fi ndet nur schwer seinen Platz, und von den zwei Millionen Menschen, f ü r welche die ACS urspr ü nglich vorgesehen war, kommen tats ä chlich weniger als ein Viertel in den Genuss dieser Beihilfe. Einer der Gr ü nde f ü r diese unzureichende Verbreitung ist die H ö he der Kosten der privaten Zusatzversicherung, die die ACS bei Weitem nicht vollst ä ndig abzudecken vermag.

Wettbewerb, Entwicklung der Privatversicherung und Umverteilung: Welche Lehren lassen sich aus diesen

Reformen ziehen?

Die oben erw ä hnten Reformen der drei Krankenversicherungssysteme haben eines gemeinsam: den Willen, das Erwerbseinkommen und die Finanzierung der Kran-kenversicherung zu entkoppeln. Diese Entkoppelung ist erst im Ansatz erfolgt und noch lange nicht abgeschlossen: Die Sozialbeitr ä ge bzw. Sozialabgaben bleiben in den drei untersuchten L ä ndern weiterhin die wichtigste Finanzierungsquelle. In Deutschland ist dies besonders offensichtlich, aber auch in den Niederlanden, wo die AWBZ sowie ein Teil der Grundversorgung weiterhin aus dieser Art Quelle fi nanziert werden. In Frankreich wurden die Arbeitgeberbeitr ä ge weitgehend erlas-sen, sie sind aber noch nicht verschwunden, und beinahe drei Viertel der CSG-Einnahmen stammen aus Erwerbseinkommen.

Den neu mobilisierten Ressourcen werden gleich mehrere Ziele zugedacht: Entlastung der Arbeitskosten, Erweiterung der fi nanziellen Basis, aber auch (in Deutschland und in den Niederlanden) F ö rderung des Wettbewerbs zwischen den Versicherungsinstituten ü ber eine Nominalpr ä mie, die vom Einkommen entkop-pelt ist. Die Resultate dieser Konkurrenz sind jedoch ebenso fragw ü rdig wie die Konsequenzen dieser Reformen im Hinblick auf die Umverteilung, wobei diese

25. Sie wird nicht vom Sozialbeitrag CSG fi nanziert, sondern von einer Abgabe auf den Umsatz der Krankenpfl egezusatzversicherungen (OCAM).

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Konsequenzen durch den Vormarsch der freiwilligen Privatversicherung noch ver-schlimmert werden k ö nnten.

Wettbewerb zwischen den Versicherern: Bedingungen, die nur schwer herstellbar sind, und wenig ü berzeugende Ergebnisse

Es sind ganz offensichtlich die deutschen und niederl ä ndischen Reformen, die am meisten Ä hnlichkeiten aufweisen: Versicherungszwang f ü r die gesamte Bev ö lke-rung, Einf ü hrung eines Finanzierungsfonds, in welchem die Finanzmittel zentral verwaltet und mit einem Risikoschl ü ssel verteilt werden, Einf ü hrung einer vom Einkommen unabh ä ngigen Nominalpr ä mie, R ü ckgriff auf die staatliche Finanzbe-teiligung (das hei ß t, Steuergelder), um insbesondere die Versicherung f ü r die Kinder zu fi nanzieren.

Der Wunsch, die Versicherungen gegeneinander konkurrieren zu lassen, war ein weiterer Grund f ü r die Reformen in Deutschland und in den Niederlanden ( Entho-ven, 1993 ). Im Rahmen eines „ organisierten Wettbewerbs “ sollten die Versicherun-gen mit den Anbietern von Pfl egeleistungen einen Vertrag abschlie ß en, um steigende Kosten zu vermeiden. Es ist allerdings f ü r eine Versicherung einfacher, ihre Kunden nach Risiken auszuw ä hlen, als mit Krankenh ä usern oder Allgemein ä rzten selektiv Vertr ä ge abzuschlie ß en. Hier kommt jedoch eine h ö here Instanz ins Spiel, n ä mlich der Staat, der diesen Wettbewerb regulieren soll, um einen gerechten Zugang zu den Pfl egeleistungen sicherzustellen. Es liegt alsdann am Regulierer, den Leistungs-korb mit den Mindest-Pfl egeleistungen zu defi nieren, die zur Finanzierung not-wendigen Gelder der gesamten oder teilweisen Gesundheitskosten einzuziehen und diese dann nach dem Risikoschl ü ssel pro Kopf unter den Versicherern aufzuteilen ( Bocognano et al., 1999 ). Theoretisch hat der Versicherer keinerlei Interesse an einer Risikoselektion, und die Patienten werden ermutigt, die effi zienteste Institu-tion auszuw ä hlen: in den Niederanden und in Deutschland ist das diejenige, welche die niedrigsten Pr ä mien anbietet.

Im Rahmen einer „ organisierten Konkurrenz “ m ü ssen die Krankenversiche-rungsm ä rkte auf eine Art und Weise strukturiert sein, die jeglichen Wettbewerb, der auf etwas anderem als dem Preis basiert, ausschlie ß t. Wenn jegliche nicht tarif ä- ren Hindernisse eliminiert sind, dann gibt es — jedenfalls theoretisch — keine Hindernisse mehr f ü r die Mobilit ä t. Die Versicherungen haben somit keine andere Wahl, als die Kosten zu kontrollieren ( Legal, 2009 ). In einem solchen Kontext m ü sste die Nominalpr ä mie auf dem Krankenversicherungsmarkt eine Signalwir-kung haben, die den Effi zienzgrad einer Versicherung oder ihrer Rolle als Anbieter von Pfl egeleistungen widerspiegelt.

Doch sind die Versicherungen wirklich in der Lage, als K ä ufer von Pfl egeleis-tungen aufzutreten? Setzt doch diese Aufgabe eine erhebliche Kenntnis voraus, und es w ä re auch eine pr ä zise Festlegung von Qualit ä tsstandards durch eine h ö here

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Instanz n ö tig 26 . Laut dem niederl ä ndischen Rat f ü r ö ffentliches Gesundheitswesen und Pfl ege (zitiert von Sch ä fer et al., 2010 ) sind solche Bedingungen in den Niederlanden nicht gegeben — , und dies in einem europ ä ischen Land, in dem diese Art von Experimenten mit einer k ü nstlich aufrechterhaltenen Konkurrenz fort-schrittlicher nicht sein k ö nnte. Die Versicherer scheinen zum gegenw ä rtigen Zeit-punkt auf den Preis fokussiert zu sein statt auf Qualit ä t (die viel schwieriger zu evaluieren ist). Die wegen der Angebotskonzentration bestehende Schwierigkeit, Vertr ä ge abzuschlie ß en, wurde bereits oben erw ä hnt. Die gegenw ä rtige Situation in den Niederlanden ä hnelt vielmehr einem bilateralen Oligopol zwischen den Versi-cherungen und den Leistungserbringern als dem von der ö ffentlichen Hand erw ü nschten Wettbewerb ( Okma, 2008 ).

In Deutschland fi ndet der Wettbewerb nicht mehr ü ber die unterschiedlichen Beitragss ä tze der verschiedenen Krankenkassen statt, sondern ü ber eine Zusatzpr ä- mie (die nunmehr unbeschr ä nkt ist); au ß erdem, in geringerem Ma ß , durch die Differenzierung der Leistungen, die den Versicherten geboten werden ( Kaufmann, 2009 ). Tats ä chlich d ü rfen die Kassen seit 2004 ihren Kunden fi nanzielle Anreize bieten, und zwar in Form von Boni an die Versicherten, die an Pr ä ventionsaktivi-t ä ten teilnehmen. Seit 2007 bieten die Kassen au ß erdem verschiedene Formen von Selbstbehalten an. Allerdings f ü hren diese Praktiken automatisch zu einer Selektion ( Stock et al., 2010 ).

Ganz allgemein, und obwohl der Staat diesen Praktiken einen strikten Rahmen setzt, ist es denkbar, dass diese wettbewerbsf ö rdernden Ma ß nahmen f ü r die „ schlechten Risiken “ Nachteile nach sich ziehen: Weil sie meistens weniger mobil sind, wie es sich bei der Wettbewerbsf ö rderung der deutschen Kassen in den 1990er-Jahren gezeigt hat, sind sie weniger gut als die „ guten Risiken “ in der Lage, die Konkurrenz zu ihren Gunsten auszuspielen. Obwohl die Einf ü hrung eines Kom-pensationssystems (wie in jedem System organisierter Konkurrenz) jegliche Anwandlung der Versicherer zum Absch ö pfen der guten Risiken im Keim ersticken sollte, sieht es so aus, als sei dies nicht ganz gelungen. 27 Denn selbst das niederl ä n-dische Risikoausgleichssystem, das als das ausgefeilteste der Welt betrachtet wird, k ö nnte offensichtlich noch verbessert werden ( van de Ven and Schut, 2008 ). Der Ausgleich verl ä uft in zwei Phasen ( Wierink, 2010 ):

• Der Ex-ante -Ausgleich gr ü ndet auf dem sozio- ö ko-geo-demografi schen Profi l der Versicherten. Einbezogen werden auch der Konsum von pharmazeutischen Produkten und die Krankenhausaufenthalte der Vergangenheit;

• Der Ex-post- Ausgleich ist dazu da, au ß erordentlich hohe Ausgaben (Kranken-hausaufenthalte), die die Versicherer decken m ü ssen, auszugleichen.

26. Die Kosten der Schaffung dieses Wettbewerbs sind signifi kant: Es sind dies die Kosten f ü r Informa-tion, Kontrolle und Regulierung. 27. Obwohl die Selektion der Risiken verboten ist, kann sie dennoch verkappt praktiziert werden, so zum Beispiel ü ber das Angebot an Zusatzpolicen oder Komplement ä rvertr ä gen (siehe unten).

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Doch ist dieser Ex-post -Finanzausgleich noch nicht ausgereift, weil er die Komorbidit ä t (also das gemeinsame Auftreten mehrerer Pathologien) sowie bestimmte Pathologien (zumeist Geisteskrankheiten) nicht miteinbezieht. Seit 2008 geht jedoch seine Funktion tendenziell zur ü ck, weil der Staat die Schwelle f ü r diesen Ausgleich angehoben hat, was de facto das von den Versicherungen zu tra-gende Risiko erh ö hte. F ü r diese war dies wiederum ein Anreiz, verkappte Formen der Risikoselektion anzuwenden, so zum Beispiel ü ber die freiwillige Zusatzversi-cherung (siehe unten) ( van de Ven and Schut, 2008 ).

Anti-redistributive, also umverteilungsfeindliche Ma ß nahmen, die Sozialhilfe auf den Plan rufen

Die Pauschalpr ä mie, die den Versicherungsgesellschaften direkt bezahlt wird und vor kurzem in Deutschland und in den Niederlanden als Wettbewerbsinstrument eingef ü hrt wurde, belastet Personen mit niedrigem Einkommen st ä rker und ist eine umverteilungsfeindliche Abgabe. Deshalb wurde es notwendig, die Zusatzpr ä mie, die defi zit ä re Krankenkassen bei ihren Versicherungsnehmern einfordern k ö nnen, nach oben zu begrenzen (im Falle Deutschlands bis 2011), oder ein Sozialhilfesys-tem f ü r Wenigverdienende einzuf ü hren (in den Niederlanden seit 2006 und in Deutschland ab 2011).

Man kann durchaus der Ansicht sein, dass eine solche Finanzierungsmethode mit der Tinbergen-Regel ü bereinstimmt, wonach genauso viele Instrumente einge-setzt werden m ü ssen, wie Ziele verfolgt werden ( Honekamp und Possenriede, 2008 ). Die Nominalpr ä mie w ä re das Instrument zur Herstellung von Wettbewerb, w ä hrend Steuergutschriften oder Sozialhilfe Instrumente der Umverteilung w ä ren. Der gemeinsame Einsatz beider Instrumente birgt allerdings Widerspr ü che: Gem ä ß Brandt (2008 ) k ö nnte solche Sozialhilfe den Wettbewerb verf ä lschen, ja sogar die am wenigsten konkurrenzf ä higen Versicherungen mithilfe von ö ffentlichen Geldern fi nanzieren. Gem ä ß Brandt sollte also auf Subventionen zum Erwerb von Zusatz-versicherungen f ü r Personen mit niedrigem Einkommen verzichtet werden (mit der Begr ü ndung, dass solche Subventionen die Effi zienz der Ma ß nahmen reduzie-ren und die Staatsausgaben erh ö hen).

Sozialhilfe kann also als Hindernis f ü r das korrekte Funktionieren der Markt-mechanismen erscheinen. F ü r die Bef ü rworter der Schaffung von Wettbewerb m ü sste die Preissenkung, die mit der Einf ü hrung eines Systems dieser Art einher-geht, eigentlich ausreichen, um die Situation der Versicherten zu verbessern. Die Experimente, die bis zum heutigen Tag durchgef ü hrt wurden, erlauben es jedoch nicht, diese Hypothese zu best ä tigen. Hingegen k ö nnen solche Analysen die weitere Rolle einkommensabh ä ngiger Ma ß nahmen gef ä hrden, die mit der Einf ü hrung von Nominalpr ä mien notwendig werden. Die Indexierung dieser einkommensabh ä n-gigen Subventionen an der Wachstumsrate der Gesundheitsausgaben kann

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l ä ngerfristig — besonders in einer Periode des Konjunkturr ü ckgangs — durch ung ü nstige Haushaltsbeschl ü sse wieder infrage gestellt werden. Dies k ö nnte den Graben zwischen der Pr ä mie, die die Versicherten zahlen m ü ssen, und der staatli-chen Beihilfe noch vertiefen. Das ist in der Schweiz der Fall ( Honekamp und Pos-senriede, 2008 ), wo die Gesundheitsausgaben trotz der Schaffung eines Wettbewerbs zwischen den Versicherungen weiterhin in anhaltendem Rhythmus ansteigen. In Deutschland stellt sich die Frage noch nicht: Es scheint, als sei die fi nanzielle Unter-st ü tzung der Wenigverdienenden hier die unumg ä ngliche Kompensierungsma ß- nahme f ü r die Abschaffung der Pr ä mienobergrenze. Aber in den Niederlanden wird wegen der steigenden Kosten dieser Ma ß nahme f ü r den ö ffentlichen Haushalt die Einkommensgrenze, die zu Beihilfe berechtigt, nach unten korrigiert werden, was die Anzahl der Beg ü nstigten reduzieren wird. Diese Ma ß nahme m ü sste durchaus zu Konsequenzen f ü r die Krankenversicherung der bed ü rftigsten Niederl ä nder f ü hren 28 .

Umfang des Pfl egeleistungspakets und Entwicklung der freiwilligen Privatversicherung

Um seine fi nanzielle Beteiligung zu beschr ä nken oder um eine Beitragserh ö hung zu vermeiden, kann der Staat auch versucht sein, den Umfang der obligatorischen Krankenversicherung zu verringern, d. h. den Umfang des gedeckten Pfl egeleis-tungs- und Medizinalg ü terpakets (oder den Erstattungssatz). Eine solche Aush ö h-lung f ü hrt unweigerlich zur Entwicklung der freiwilligen Privatversicherung. Diese kann vom Typ Zusatzversicherung sein (und die G ü ter und Dienstleistungen abde-cken, die nicht von der obligatorischen Versicherung ü bernommen werden), oder vom Typ Erg ä nzungsversicherung (welche einen Teil oder die Gesamtheit der Zuzahlungen oder des Selbstbehalts der Patienten decken). In Frankreich fi nanzie-ren die Krankenpfl egezusatzversicherungen (OCAM) einen erheblichen Teil der Gesundheitsausgaben. In Deutschland, wo die Kostenbeteiligung des Patienten nach oben begrenzt ist, deckt die Erg ä nzungsversicherung (die von den Kassen angeboten wird) weniger als 20 Prozent der Bev ö lkerung ab (gegen ü ber 85 Prozent in Frankreich). Was die privaten Versicherer in den Niederlanden angeht, so bieten diese zus ä tzlich zur Ü bernahme der obligatorischen Grundversorgung ihren Versi-cherten auch eine vollkommen freiwillige dritte M ö glichkeit vom Typ Zusatzversi-cherung an. Da das Pfl egeleistungspaket der obligatorischen Versicherung zwischen 2004 und 2006 reduziert wurde (dies betraf die Psychotherapie, die Physiotherapie und die zahn ä rztlichen Leistungen), sind diese Versicherungspl ä ne sehr gefragt

28. 2009 waren in den Niederlanden bereits 1,2 Prozent der Bev ö lkerung trotz gesetzlicher Verpfl ich-tung nicht versichert (dies steht unter Strafe: Erh ö hung der Pr ä mie und Geldbu ß e). Etwas mehr als 1,5 Prozent der Holl ä nder sind mit ihren Pr ä mienzahlungen im R ü ckstand ( Wierink, 2010 ).

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( Wierink, 2010 ). In den Niederlanden sind 92 Prozent der Versicherten mit einer Versicherungspolice dieser Art versichert, haupts ä chlich f ü r die zahn ä rztliche Ver-sorgung ( Thomson und Mossialos, 2009 ).

Auf jeden Fall orientieren sich die Tarife dieser freiwilligen Privatversicherungs-pl ä ne an den Risiken 29 , wobei in der Tat jegliche horizontale Umverteilung ausge-schlossen wird. Sofern sie — wie in Deutschland und in den Niederlanden — von den Institutionen der Grundversicherung angeboten werden, erm ö glichen es diese freiwilligen Vertr ä ge nicht nur, im Rahmen der obligatorischen Grundversicherung eine verkappte Selektion der Versicherungsnehmer vorzunehmen: mit Vorzugsta-rifen f ü r die guten Risiken (oder einer systematischen Annahme der Beg ü nstigten von Gruppenvertr ä gen 30 in den Niederlanden), Ablehnung des Antrags auf Versi-cherung oder unerschwingliche Pr ä mien f ü r die schlechten Risiken, die so gezwun-gen werden, sich einen anderen Versicherer f ü r die obligatorische Grundversicherung zu suchen.

Die substitutive Privatversicherung richtet sich ihrerseits an den wohlhabende-ren Teil der Bev ö lkerung (zugelassen sind Privatpersonen mit einem Einkommen ab einer bestimmten H ö he). Das ist in Deutschland der Fall und war bis 2006 auch in den Niederlanden so. Wenn nur die Wohlhabenderen mit der versicherungsma-thematischen Tarifgestaltung eines privaten Versicherers konfrontiert sind, mag dies auf den ersten Blick akzeptabel erscheinen. Man kann es aber auch als R ü ck-schritt sehen, weil eine solche Segmentierung des Markts der Sozialversicherung die gr ö ß ten Beitragszahler raubt ( Thomson, Foubister und Mossialos, 2009 ). In dieser Hinsicht hat Deutschland den ungerechten, diskriminierenden Charakter des Systems noch versch ä rft, indem k ü rzlich ab einem gewissen Schwellenwert des Einkommens der Zugang zur Privatversicherung erleichtert wurde.

In Frankreich, wo es zwischen den Grundversicherungsinstitutionen keinen Wettbewerb gibt und wo die lohnabh ä ngigen Beitr ä ge durch die einkommensab-h ä ngigen Sozialbeitr ä ge (CSG) ersetzt wurden, ergibt sich der umverteilungsfeind-liche Charakter 31 der Krankenversicherung aus der H ö he der fi nanziellen Beteiligung des Versicherten sowie aus dessen eventueller R ü ckversicherung bei privaten Insti-tutionen. Der ungleiche Zugang zu Zusatzversicherungen machte die Einf ü hrung

29. In den Niederlanden hat sich die Anzahl Versicherer, die einen Gesundheitsfragebogen einsetzen, im Jahr 2008 mehr als verdoppelt ( Thomson und Mossialos, 2009 ). In Frankreich haben die mutuelles , die Versicherungsvereine nach dem Gegenseitigkeitsprinzip, eine Tarifgestaltung nach Altersgruppen eingef ü hrt, benutzen aber keinen ä rztlichen Fragebogen. 30. In den Niederlanden haben die Versicherten die M ö glichkeit, sich in einer Gruppe zusammenzu-schlie ß en, um mit dem Versicherer einen Vertrag abzuschlie ß en. Sie kommen so in den Genuss eines Rabatts (von h ö chstens 10 Prozent) im Rahmen der obligatorischen Grundversicherung f ü r Standard-leistungen. Diese Gruppen bestehen zumeist aus Angestellten (von ein und derselben Firma), aber es kann sich dabei auch um Gruppen mit Vereinigungscharakter handeln (zum Beispiel Patientenvereini-gungen). Siehe auch Fu ß note 9. 31. Sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Richtung.

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der einkommensabh ä ngigen Krankenpfl ege-Zusatzversicherung (CMUc) notwen-dig. Weil sie einen Schwelleneffekt generiert, musste sie durch eine Beihilfe zum Kauf einer Zusatzversicherung (aide compl é mentaire sant é , ACS) erg ä nzt werden, wobei diese angesichts der Kosten f ü r die Zusatzversicherungen allerdings ungen ü- gend war. Auch hier st ö ß t man wieder an die Grenzen eines Hilfsmechanismus, dessen Mittel nicht gen ü gen, um der Gesamtheit der Bev ö lkerung den Kauf einer f ü r den Zugang zu den Pfl egeleistungen notwendigen Versicherungsdeckung zu erm ö glichen.

Schlussfolgerungen

Die deutsche, franz ö sische und niederl ä ndische Reform haben eines gemeinsam: Die Leitprinzipien der Solidarit ä t, die ihren Krankenversicherungssystemen zugrunde liegen, werden gewisserma ß en infrage gestellt. Und zwar durch die Finan-zierung mittels Pauschalen, der Erh ö hung der Kostenbeteiligung der Versicherten und schlie ß lich durch den Vormarsch der Privatversicherungen. Es werden zuneh-mend Verwaltungsprinzipien der Privatversicherungen angewandt oder direkt private Institutionen ins Spiel gebracht. Die Regulierung durch die ö ffentliche Hand vermag das Risiko der Selektion nicht auszuschliessen und garantiert auch nicht die Aufrechterhaltung der verschiedenen Formen der Umverteilung, die das System mit lohnabh ä ngigen Beitr ä gen bietet. Die Sozialhilfe, die den umvertei-lungsfeindlichen Charakter bestimmter Ma ß nahmen kompensieren soll, hat sich bereits jetzt als v ö llig unzureichend (in Frankreich) erwiesen oder wird aufgrund der steigenden Kosten im Gesundheitswesen und der gegenw ä rtig schwierigen Lage der Staatsfi nanzen nach unten korrigiert (in den Niederlanden).

Parallel dazu reduziert sich der Bereich, den die obligatorische Versicherung abdeckt, weiter. Das geschieht in Frankreich schon seit langem; es ist eine schlei-chende Entwicklung. In den Niederlanden, wo die die Sparma ß nahmen die Gesundheitsausgaben um 20 Prozent senken sollen (4 Milliarden bei der AWBZ und 6 Milliarden bei der Grundversorgung), werden bei den Pfl egeleistungen, die von der obligatorischen Grundversicherung ü bernommen werden, erhebliche K ü rzungen vorgenommen werden, w ä hrend der Selbstbehalt weiter ansteigen wird 32 ( Wierink, 2010 ).

Es sieht auf jeden Fall so aus, als habe ü berall die Begrenzung der ö ffentlichen Ausgaben Vorrang gegen ü ber der Solidarit ä t und der Umverteilung. Der Hinweis auf die Verantwortung des Einzelnen (des Versicherungskunden oder des Konsu-menten ä rztlicher Leistungen) dient meistens nur als Alibi. Doch weder der Aufruf zu mehr Wettbewerb der Versicherer im obligatorischen Bereich noch die Ü bertra-gung der Kosten auf den Privatsektor (von den Patienten oder ihrer freiwilligen

32. Und die Ex-post-Quersubvention k ö nnte abgeschafft werden.

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Versicherung zu berappen) haben bis jetzt ihre Effi zienz unter Beweis stellen k ö nnen.

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Beilage

Tabelle 1.A Entwicklung der Gesundheitsausgaben als Prozentsatz des BIP und die wichtigsten Finanzierer in den Niederlanden, Deutschland und Frankreich

Gesundheits-ausgaben (in Prozent des BIP)

Ö ffentliche Ausgaben (in Prozent der Gesamt-ausgaben)

Sozialer Sicherheitsfonds (in Prozent der ö ffentlichen Ausgaben)

Private Ausgaben (in Prozent der Gesamt-ausgaben)

Private Versicherungen (in Prozent der Privat-ausgaben)

Niederlande 1995 8,3 71 93,6 29 49,3

Niederlande 2008 9,1 82,1 93,3 17,9 33,7

Deutschland 1995 10,1 81,6 82,5 18,4 41,5

Deutschland 2008 10,5 76,8 88,3 23,2 40,1

Frankreich 1995 10,4 79,7 94,2 20,3 58,5

Frankreich 2008 11,1 79 93,4 21 63,9

Quelle: WHO (2010 ).

Tabelle 2.A Entwicklung der Anzahl Ä rzte (auf 100 000 Einwohner) in den Niederlanden, Deutschland und Frankreich

1997 2007

Niederlande 293 384

Deutschland 313 346

Frankreich 325 336

Quelle: Europ ä ische Kommission (2010 ).

Tabelle 3.A Entwicklung der Anzahl Krankenhausbetten (auf 100 000 Einwohner) in den Niederlanden, Deutschland und Frankreich

1996 2006

Niederlande 522 446

Deutschland 958 829

Frankreich 877 718

Quelle: Europ ä ische Kommission (2010 ).