rauchen in der schwangerschaft
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Der Gynäkologe 5 · 2004 | 473
Es ist bekannt, dass Rauchen mütterli-che Serumwerte beim pränatalen Down-Syndrom-Screening im 2. Trimenon derSchwangerschaft beeinflusst. Schwan-gere, die rauchen, haben höhere Wertefür α-Fetoprotein und niedrigere für un-konjugiertes Östriol und gesamtes so-wie freies β-hCG. Auch Inhibin-A kanndurch Rauchen deutlich erhöht sein.
Einige Autoren halten diesen Einfluss fürso ausgeprägt, dass sie für Raucherinneneine Anpassung der Screeningwerte vor-schlagen,zumindest in Bevölkerungen,indenen viel geraucht wird.
Durch Bestimmung von schwanger-schaftsassoziiertem Plasmaprotein A(PAPP-A) und freiem β-hCG im mütter-lichen Serum lassen sich im 1. Trimenonder Schwangerschaft rund 60% der Fetenmit einem Down-Syndrom entdecken,hierbei ist PAPP-A erniedrigt und β-hCG
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A. Geipel · U. GembruchAbteilung für Geburtshilfe und Pränatale Medizin, Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde,Universitätsklinikum Bonn
Rauchen in der SchwangerschaftEinfluss auf schwangerschaftsassoziiertesPlasmaprotein A, freies β-hCG und Nacken-transparenz
erhöht.Kombiniert man die Serumwertemit der Nackentransparenz, so lässt sichdie Diagnoserate auf etwa 85–90% stei-gern.
Nur wenige Arbeiten gibt es darüber,wie Rauchen diese Werte im 1. Trimenonbeeinflusst.PAPP-A war hier bei Rauche-rinnen deutlich erniedrigt, doch freies β-hCG und α-Fetoprotein blieben im Ge-gensatz zu den Ergebnissen im 2. Trime-non unverändert.Mögliche Einflüsse desRauchens auf die Nackentransparenz hatbisher allerdings noch niemand unter-sucht.Die vorliegende prospektive Scree-ningstudie untersucht den Einfluss desRauchens auf das Down-Syndrom-Scree-ning im 1. Trimenon.
Methoden
Von 1998–2000 führten die Autoren beifreiwilligen, unselektierten finnischenFrauen zwischen der 8. und 14. Gestati-onswoche 3178 Messungen der Nacken-transparenz und 4540 Bestimmungen dermütterlichen Serumwerte durch. Wäh-rend dieser Zeit erstellten sie auch die Nor-malwerte für Nackentransparenz, PAPP-A und freies β-hCG.Eingang in die Studiefanden nur reguläre Einlingsschwanger-schaften, sodass die Gruppe für dieNackentransparenz 3115 und die für dieSerumwerte 4436 Frauen umfasste. DieGestationsalter lagen zwischen 7 Wo-chen + 2 Tagen und 13 Wochen + 6 Tagen,
gewöhnlich durch eine Ultraschallunter-suchung bestimmt. Da die Autoren dieNormalwerte erst im Laufe der Studie er-mittelten, erfuhren die Schwangeren dieErgebnisse der Blutuntersuchungen nicht.Ihr Rauchverhalten wurde durch Befra-gung ermittelt.Die Werte für PAPP-A undβ-hCG wurden in beiden Gruppen vergli-chen, ebenso die für die Nackentranspa-renz.
Ergebnisse
Angaben zu ihrem Rauchverhalten hat-ten 4279 Schwangere in der Serumscree-ninggruppe (96%) und 2903 in derNackentransparenzgruppe (93%) ge-macht. In beiden Gruppen rauchten 454(11%) bzw. 284 (10%) Frauen. Nichtrau-cherinnen wogen im Schnitt 66,4 kg undRaucherinnen 67,0 kg. Das durchschnitt-liche Gestationsalter betrug 85,9 Tage beiden Nichtraucherinnen und 84,9 Tage beiden Raucherinnen,die mit einem Durch-schnittsalter von 28,4 Jahren geringfügigjünger waren als Nichtraucherinnen(29,7 Jahre).Bei Frauen,die rauchten,warPAPP-A während der Schwangerschaftstatistisch signifikant erniedrigt (medianMOM 0,81), freies β-hCG jedoch unver-ändert (median MOM 1,06); ihre Fetenzeigten eine signifikant verdickte Nack-entransparenz (median MOM 1,13).Nied-rigere Konzentrationen von PAPP-A hät-ten in der Folge zu einer erhöhten Rate
Gynäkologe 2004 · 37:473–474DOI 10.1007/s00129-004-1530-yOnline publiziert: 27. April 2004© Springer-Verlag 2004
RedaktionK. Diedrich, LübeckR. Felberbaum, Lübeck
Folgender Originalbeitrag wurde für Sie gelesen und kommentiert:
Niemimaa M, Heinonen S, Seppälä M,
Ryynänen M (2003) The Influence of
smoking on the pregnancy-associated
plasma protein A, free β human chorionic
gonadotrophin and nuchal translucency.
Br J Obstet Gynaecol 110: 664–667
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| Der Gynäkologe 5 · 2004474
falsch-positiver Screeningergebnisse beiRaucherinnen geführt.Tatsächlich gab esin der Gruppe der Raucherinnen eine hö-here screen-positive Rate von 7,1% mit ei-nem Risiko ≥1:250 für ein Down-Syndrom,verglichen mit 5,4% bei den Nichtrauche-rinnen,obwohl diese im Schnitt älter wa-ren.
Kommentar
Die vorliegende prospektive Arbeit un-tersucht den Einfluss des Rauchens aufdie Serumparameter PAPP-A und freiesβ-hCG sowie die fetale Nackentranspa-renz als integrierte Bestandteile desDown-Syndrom-Screenings im 1. Trime-non. Während sich bezüglich des freienβ-HCG keine Unterschiede zeigten, wa-ren die PAPP-A-Werte signifikant ernied-rigt. Die Nackentransparenz war signifi-kant erhöht.
Die vorgestellten Ergebnisse in Bezugauf die um ca.15–20% niedrigeren PAPP-A-Werte im Zusammenhang mit mütter-lichem Rauchen stehen im Einklang mitden in 3 weiteren Studien publizierten Da-ten [1, 2, 3]. Der Anteil an schwangerenRaucherinnen betrug in den einzelnenStudien zwischen 8,6% und 20,8%.In derKonsequenz hätten die niedrigeren PAPP-A-Werte in der vorliegenden Arbeit zu ei-ner um ca. 2% höheren falsch-positivenRate geführt. Da in die Gesamtrisikokal-kulation allerdings auch die NT einbezo-gen wurde, ist hier eine separate Analyseder beiden Einflüsse von niedrigeremPAPP-A und vermehrter NT nicht erfolgt
Warum es zu diesen Veränderungender Serumwerte bei Raucherinnenkommt,ist nicht vollständig geklärt.PAPP-A wird hauptsächlich im Synzytiotropho-blasten synthetisiert. Plazentares Synzy-tiotrophoblastgewebe unterliegt derApoptose; mütterliches Rauchen hemmtdiesen Prozess [4].
Anhand von histomorphologischenUntersuchungen konnte auch gezeigt wer-den,dass die Anzahl von Synzytiotropho-blastnekrosen bei Raucherinnen signifi-kant höher war als bei Nichtraucherinnen[5].Dies könnte in der Konsequenz zu ei-nem gestörten fetomaternalem Austauschund somit zu niedrigeren PAPP-A-Wer-ten führen.
Korrelierend mit dem Ausmaß des Ni-kotinabusus ist eine erhöhte Rate an in-trauteriner Wachstumsrestriktion beiRaucherinnen beschrieben. Ein Mecha-nismus könnte eine gestörte Trophoblas-tinvasion der mütterlichen Spiralarterienund somit eine gestörte Plazentation sein[6].Niedrige PAPP-A-Werte wurden im 1.Trimenon auch im Zusammenhang mitfetaler Wachstumsresriktion beschrieben[3, 7, 8, 9].
In der Studie von Tul et al. [3] hattenFrauen, die von einem wachstumsretar-dierten Kind (<10.Perzentile) entbundenwurden, signifikant niedrigere PAPP-A-Werte, als Frauen mit einem zeitgerechtentwickelten Kind (0,76 vs.1,12 MoM),1/4aller Frauen mit einem SGA-Kind rauch-ten.Die durchschnittlichen PAPP-A-Wer-te betrugen für Raucherinnen mit SGA-Kindern 0,76 MoM, für Nichtraucherin-nen mit SGA-Kindern 0,82 MoM,währenddie Werte bei Raucherinnen mit zeitge-recht entwicklelten Kindern mit 0,91 MoMnur geringfügig erniedrigt waren [3].
▃ Die niedrigeren PAPP-A-Werte bei Raucherinnen könnten somit eher einHinweis auf eine gestörte Plazentationmit dem Risiko einer fetalen Wachstums-retardierung als auf ein erhöhtes Down-Syndrom-Risiko sein.
In der vorgestellten Studie war die fetaleNackentransparenz bei Raucherinnen ge-genüber Nichtraucherinnen signifikanterhöht (1,13 vs. 1,05 MoM). Die Autorenselbst messen dieser Tatsache keine kli-nische Relevanz bei.Bezüglich der Ätiolo-gie einer vermehrten Nackentransparenzbei Raucherinnen wird eine gestörte oderverzögerte Entwicklung des fetalen lym-phatischen Systems zur Diskussion ge-stellt.Vor dem Hintergrund der eher klei-nen Fallzahlen (284 Raucherinnen mitNT-Messung) sollte diese Beobachtungallerdings durch größere Untersuchungs-zahlen verifiziert werden.
Korrespondierender AutorDr. A. Geipel
Abteilung für Geburtshilfe und Pränatale Medizin,Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde,Universitätsklinikum,Sigmund-Freud-Straße 25, 53105 BonnE-Mail: [email protected]
Interessenkonflikt: Der korrespondierende Autorversichert, dass keine Verbindungen mit einer Firma,deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einerFirma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen.
Literatur
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