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Proportionalitätsprinzip
unter Solvency II –
Perspektiven aus der Praxis
Reimar Volkert
Abteilungsleiter Asset Liability Management
Hannover, 30.06.2015
© LVM Versicherung 2
Die LVM Versicherung
Rechtliche Verankerung des Proportionalitätsprinzips
Das Proportionalitätsprinzip in der Aufsichtspraxis
Die LVM Versicherung und das Proportionalitätsprinzip
Zusammenfassung und Fazit
Agenda
© LVM Versicherung
Eckdaten
Versicherungsgruppe mit angeschlossenen Finanzdienstleistungen
Im Jahr 2014 Beitragseinnahmen über 3 Milliarden Euro
Konzernweit ca. 3,3 Millionen Kunden mit fast 10,7 Millionen Versicherungsverträgen
Zielgruppen
Private Haushalte
Freiberufler
Kleine/mittlere Betriebe
Kostengünstiger Versicherungsschutz bei bedarfsorientierter Beratung, umfassendem Service und
schneller Schadenregulierung
Finanzdienstleistungsangebote, wie zum Beispiel Baufinanzierung, Tages- und Festgeld und
Investmentfonds
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Gebuchte Beitragseinnahmen
Kraftfahrt
Leben
Feuer und Sach
Kranken
Haftpflicht
Unfall (inklusive KU)
Rechtsschutz
Beistandsleistung Sonstige 10,8 im Jahre 2014: 3.133,7 Millionen Euro
1085,8
798,5
410,3
312,0
199,1
168,5
18,6
130,1
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Organigramm der LVM Versicherung
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Die LVM Versicherung
Rechtliche Verankerung des Proportionalitätsprinzips
Das Proportionalitätsprinzip in der Aufsichtspraxis
Die LVM Versicherung und das Proportionalitätsprinzip
Zusammenfassung und Fazit
Agenda
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Warum Proportionalität?
Regulierung folgt dem Trend globaler Märkte…
Rein nationale Lösungen sind zunehmend unwirksam und führen zu möglicher Regulierungsarbitrage.
Regulierungsinitiativen gehen heute überwiegend von länderübergreifenden Institutionen aus (z.B. Europäische
Union, G20-Staaten, Financial Stability Board, International Association of Insurance Supervisors).
Internationale Regulierungsinitiativen sind daher notwendigerweise auf international tätige Finanzkonzerne
zugeschnitten.
… darf dabei aber nationale Märkte nicht außer Acht lassen
85 % aller europäischen Versicherunternehmen mit einem gesamten Marktanteil von 15 % werden der Gruppe
der kleinen und mittelgroßen Versicherer zugeordnet und sind überwiegend national tätig.*
Die vollumfängliche Anwendung internationaler Regulierungsstandards auf kleine und mittlere Unternehmen würde
diese einerseits überfordern und wäre andererseits im Hinblick auf die von ihnen ausgehenden Risiken
unverhältnismäßig.
Um die Realität kleiner und mittlerer Unternehmen zu berücksichtigen, bedarf es daher notwendigerweise eines
Korrektivs.
(*) Quelle: Solvency II, The Small and Medium-Sized Undertakings and Solvency II, CEA Insurers of Europe, 2007
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Europäische Rahmenrichtlinie und Umsetzung in nationales Recht
Solvency II-Richtlinie 2009/138/EG
„Diese Richtlinie sollte kleine und mittlere Versicherungsunternehmen nicht übermäßig belasten. Eines der Instrumente zur
Verwirklichung dieses Ziels ist die ordnungsgemäße Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Dieser Grundsatz
sollte sowohl für die Anforderungen an Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen als auch für die Wahrnehmung der
Aufsichtsbefugnisse gelten.“
Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen („VAG Novelle“)
„Die Aufsichtsbehörde wendet die Vorschriften dieses Gesetzes auf eine Art und Weise an, die der Art, dem Umfang und der
Komplexität der Risiken angemessen ist, die mit der Tätigkeit der von ihr beaufsichtigten Unternehmen einhergehen.“
Begründung zur VAG Novelle, Drucksache 18/2956
„Bei prinzipienbasierten Regeln ist der Verhältnismäßigkeits- oder Proportionalitätsgrundsatz von besonderer Bedeutung.
Die Richtlinie nennt diesen Grundsatz daher ausdrücklich. Entsprechend sieht der Entwurf vor, diesen Maßstab ausdrücklich in
das Gesetz aufzunehmen. Dabei folgt der Entwurf dem Wortlaut der Richtlinie, um klarzustellen, dass der Grundsatz in dem
Sinne auszulegen ist, der den Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts entspricht.“
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Delegierte Rechtsakte
„Bei der Anwendung der Bestimmungen dieser Verordnung sollte der Art, dem Umfang und der Komplexität der
mit dem Versicherungs- oder Rückversicherungsgeschäft verbundenen Risiken Rechnung getragen werden.
Die Belastungen und Schwierigkeiten, die damit für die Versicherungsunternehmen einhergehen, sollten deren
Risikoprofil angemessen sein. Bei der Anwendung der in dieser Verordnung festgelegten Anforderungen sollten
Informationen als wesentlich betrachtet werden, wenn sie den Entscheidungsprozess oder das Urteil ihrer
Adressaten beeinflussen könnten.“
„Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend sollten Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen
keine Informationen veröffentlichen müssen, die für ihr Geschäft nicht relevant oder die nicht wesentlich sind.“
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Einfluss der Prinzipienorientierung auf die Proportionalität
Das prinzipienorientierte Recht verwendet überwiegend unbestimmte Rechtsbegriffe und allgemein gehaltene
Normen und verschafft somit der Verhältnismäßigkeit stärkere Freiräume, z.B.
„angemessenen transparenten Organisationsstruktur“
„wirksamen Risikomanagement“
„wirksamen internen Kontrollsystem“
Diese unbestimmten Rechtsbegriffe scheinen insbesondere in der zweiten Säule stark verankert.
Dies schafft den Versicherungsunternehmen die Freiheit, die Norm nach ihren unternehmensindividuellen
Auffassungen auszurichten.
Die Konkretisierung wird vom Gesetzgeber bewusst auf die nachgelagerte Regelungsebene verschoben.
Die anwendenden Organe (Unternehmen und Aufsicht) werden somit verstärkt in die Verantwortung genommen
den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu integrieren.
Führt die persönliche Haftung der Organe zu einer übervorsichtigen Auslegung der unbestimmten
Rechtsbegriffe seitens der Unternehmen?
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Die LVM Versicherung
Rechtliche Verankerung des Proportionalitätsprinzips
Das Proportionalitätsprinzip in der Aufsichtspraxis
Die LVM Versicherung und das Proportionalitätsprinzip
Zusammenfassung und Fazit
Agenda
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Beispiel: Vorbereitung auf Solvency II: Risikomanagement
„Bei der Umsetzung der Anforderungen an das Risikomanagement spielt der Grundsatz der Proportionalität eine
erhebliche Rolle. Die Anforderungen sind auf eine Weise zu erfüllen, die der Wesensart, dem Umfang und der
Komplexität der mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens einhergehenden Risiken gerecht wird. Der
Proportionalitätsgrundsatz knüpft also an das individuelle Risikoprofil eines jeden Unternehmens an und verlangt
daher eine Einzelfallbetrachtung. Die Einschätzung, welche Gestaltung als proportional anzusehen ist, ist auch in
Bezug auf das einzelne Unternehmen nicht statisch, sondern passt sich im Zeitablauf den sich verändernden
Gegebenheiten an. In diesem Sinne haben die Unternehmen sowie die Versicherungsgruppen zu prüfen, ob und
wie die vorhandenen Strukturen und Prozesse weiter entwickelt werden können und gegebenenfalls müssen.“
„Proportionalität betrifft nicht die Frage, ob die geltenden Anforderungen zu erfüllen sind. Sie wirkt sich nur
darauf aus, auf welche Art und Weise die Anforderungen erfüllt werden können.“
Quelle: Vorbereitung auf Solvency II: Risikomanagement, BaFin, 26.05.2015
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Sind insbesondere kleine Versicherungsunternehmen in der Lage die Vielzahl der Regelungstexte für
sich zu interpretieren oder kann schon hieraus eine übermäßige Belastung entstehen?
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Proportionalität in der Aufsichtspraxis
Bereits in den Gesetzestexten enthaltene konkrete Möglichkeiten zur Nutzung der Proportionalität werden von
der Aufsicht an die Unternehmen weitergegeben (z.B. Befreiungsmöglichkeit von Teilen der vierteljährlichen
Berichterstattung).
Teilweise werden aber in den Gesetzestexten vorgesehene optionale Möglichkeiten für Erleichterungen nicht
komplett ausgeschöpft (z.B. Erstellung der vierteljährlichen Solvabilitätsübersicht).
Darüber hinaus sieht die BaFin die Unternehmen in der Verantwortung das Proportionalitätsprinzip adäquat
umzusetzen.
Die Verantwortung der Interpretation der unbestimmten Rechtsbegriffe verbleibt somit bis auf weiteres bei den
Unternehmen.
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Die LVM Versicherung
Rechtliche Verankerung des Proportionalitätsprinzips
Das Proportionalitätsprinzip in der Aufsichtspraxis
Die LVM Versicherung und das Proportionalitätsprinzip
Zusammenfassung und Fazit
Agenda
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Einordnung der LVM aus Sicht von EIOPA
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Schadenversicherung Lebens- und Krankenversicherung
Kleine Versicherer:
Bruttoprämien < 100 Mio. EUR
Mittelgroße Versicherer:
100 Mio. EUR < Bruttoprämien < 1 Mrd. EUR
LVM a.G. fällt hiernach nicht in die Gruppe der
kleinen und mittelgroßen Versicherer.
Kleine Versicherer:
vt. Rückstellungen < 1 Mrd. EUR
Mittelgroße Versicherer:
1 Mrd. EUR < vt. Rückstellungen < 10 Mrd. EUR
LVM-Leben und LVM-Kranken werden hiernach
der Gruppe der mittelgroßen Versicherer
zugeordnet.
„Der Grundsatz der Proportionalität richtet sich nicht unmittelbar nach der Größe des Unternehmens. Vielmehr
bedeutet dieser Grundsatz, dass die Anwendung der Leitlinien angemessen zu sein hat im Hinblick auf Art,
Umfang und Komplexität der Risiken, denen ein Unternehmen ausgesetzt ist oder ausgesetzt sein könnte.“*
(*) Quelle: Vorbereitung auf Solvency II: Erwartung der BaFin und Strukturierung der Vorbereitungsphase, http://www.bafin.de
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Charakteristika von kleinen und mittelgroßen Versicherungsunternehmen
Rechtsform des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (VVaG)
Bilanzierung nach deutschem Handelsgesetzbuch (HGB)
Wenig komplexes aber stabiles Risikoprofil mit geringen Diversifikationseffekten (in der Standardformel)
Dominanz des Marktrisikos unter Solvency II
Diversifikationseffekte über mehrere Sparten gering
o Spezialisierung auf Nischen (z.B. Regionen, Sparten, Produkte)
Die LVM ist bundesweit tätig, Schwerpunkt in Westfalen
Fokussierung auf private Haushalte, Freiberufler, kleine und mittlere Betriebe
Breites Angebot zugeschnitten auf die Zielgruppe, Schwerpunkt in der Kraftfahrtversicherung
o Geringe Betriebsgröße und überschaubare Mitarbeiteranzahl
Ca. 3.500 Mitarbeiter in der Zentrale in Münster
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Unsere Erfahrungen mit dem Proportionalitätsprinzip
Teilnahme an allen Sachstandsabfragen und Testläufen und Einreichen von ORSA- und narrativem Bericht
ohne bisherige Rückmeldung der BaFin.
Ein durch uns initiiertes Gespräch mit der BaFin hat gezeigt, dass im Rahmen der Aufbauorganisation
eine Bündelung von Funktionen auf Unternehmen mit einfachem Risikoprofil beschränkt bleiben soll und
die Ausübung einer Schlüsselfunktion durch einen Vorstand bei einer ausreichenden Anzahl von geeigneten
Mitarbeitern (unter Beachtung von Fit&Proper und Interessenskonflikten) als kritisch angesehen wird.
LVM-Leben und LVM-Kranken erfüllen die Voraussetzungen zum Antrag zur Befreiung von Teilen der
quartalsweisen Berichterstattung. Für die LVM Gruppe ist die Befreiung nicht möglich und die Daten der
Tochtergesellschaften müssen in diesem Zusammenhang trotzdem aufbereitet werden.
Die geschaffenen Gestaltungsspielräume erhöhen gleichzeitig die Unsicherheit bzgl. Interpretation und
Akzeptanz seitens der BaFin.
Die Verantwortung der Interpretation verbleibt bei den Unternehmen, die Entscheidung liegt aber bei der BaFin.
Diese Unsicherheit nehmen wir verstärkt bei den Anforderungen der Säule 2 wahr.
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Die LVM Versicherung
Rechtliche Verankerung des Proportionalitätsprinzips
Das Proportionalitätsprinzip in der Aufsichtspraxis
Die LVM Versicherung und das Proportionalitätsprinzip
Zusammenfassung und Fazit
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Zusammenfassung und Fazit
In der europäischen und deutschen Gesetzgebung ist das Proportionalitätsprinzip verankert und ihm wird eine
große Bedeutung bei der Umsetzung von Solvency II beigemessen. Die konkrete Ausgestaltung wurde jedoch
bewusst an die Unternehmen und die Aufsicht gegeben.
Eine frühzeitige Konkretisierung dieser Ausgestaltung ist wünschenswert:
Anhaltende Unsicherheit führt zu unnötigen operationellen Risiken.
Die Gefahr einer uneinheitlichen Interpretation seitens der Aufsicht (BaFin, aber auch EIOPA) kann zu einem
Widerspruch gegen den Gedanken des „Level-playing Fields“ führen.
Aus Branchenberichten entsteht insgesamt der Eindruck, dass die Ausgestaltung teilweise sehr
unternehmensindividuell ist, bzw. scheinbar stark von den handelnden Personen (Unternehmen und Aufsicht)
abhängt.
Auch nach dem 1.1.2016 wird die Diskussion um Proportionalität, Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit
fortgeführt werden. Dies bietet für Unternehmen Chancen, die aber auch aktiv eingefordert werden sollten, z.B.
Initiative „Better regulation for better results“ der Europäischen Kommission
Evaluierung der Anwendung des Proportionalitätsgrundsatzes durch das Bundesministerium der Finanzen bis
Ende 2017
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit
Reimar Volkert
Abteilungsleiter Asset Liability Management