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Polymere Statistische Modelle und Phasenübergänge Projektarbeit statistische Mechanik – Benedikt Burgard & Jürgen Häring Was sind Polymere? Makromoleküle, die aus einigen hundert bis hunderttausend Monomeren zu einer langen Kette aneinandergereiht sind. Monomere sind kleine Moleküle die als Grundbausteine für Polymere dienen. Neben der Kettenlänge bestimmt die Monomerarchitektur maßgeblich die physikalischen Polymereigenschaften: - Verzweigungen - Nebengruppen - Bindungswinkel Bekannte Beispiele aus verschiedenen Bereichen: PVC, DNA, Teflon, Nylon, Plexiglas, Neoprene Netzwerke Wichtig für die makroskopischen Eigenschaften von Polymeren ist die Netzwerkbildung. Dabei wird grob in drei Stufen von Vernetzung eingeteilt: - stark vernetzt - schwach oder weitmaschig vernetzt - kaum oder nicht vernetzt Weiter werden vorhandene Netzwerke nach ihrer Struktur eingeteilt: z.B. linear, sternförmig, kammförmig... Die Einteilung der Polymerwerkstoffe lassen sich im wesentlichen auf den Vernetzungsgrad zurückführen. Unterschieden wird in der Werkstofftechnik in: - Thermoplaste (kaum/nicht vernetzt) - Elastomere (schwach/weitmaschig vernetzt) - Duroplaste (stark vernetzt) Den Grund für die Unterscheidung als verschiedene Werkstofftypen verstehen wir durch den Abschnitt Polymerzustände. Durch den Vernetzungsgrad zeigen die Stoffe grund verschiedene thermische Eigenschaften. Statistische Modelle Definitionen: - Mittlerer quadratischer End-zu-End Abstand - Gyrationsradius: Mittlerer Abstand der Monomere zum Molekülschwerpunkt - CharakteristischeVerhältnis Vergleichsmaß zw. frei verbundener Kette und anderen realen Ketten Frei verbundene Kette: Simpelstes Modell, ohne Wechselwirkung der Glieder - feste Bindungslänge für alle Bundungen - freier Bindungswinkel - freier Rotationswinkel Zur Beschreibung der mechanischen und thermischen Eigenschaften, greift nun an den Enden der Kette eine Kraft an. Dabei wird nur die potentielle Energie in der Kette betrachtet. Unter Verwendung des Modells vom kanonischen Ensemble mit: Z i : Einteilchenzustandssumme l i : Erwartungswert der auf projezieren Segmentlänge L: End-zu-End Abstand des Polymers Völlig verschieden von Kristallen zieht sich ein Polymer also mit steigender Temperatur zusammen ! Erklärung: Durch steigende Temperatur nimmt die Unordnung der Kette zu und sie verkneult sich. Modell beschreibt zwar Grundzüge von Polymeren, reale Ketten sind jedoch viel steifer, weil: - Monomere wechselwirken untereinander - Monomerverbindung legt Bindungswinkel fest - Nebengruppen verbieten manche Rotationswinkel - unterschiedliche Bindungsabstände benötigen Modelle die mehr der Realität entsprechen Frei rotierende Ketten: - feste Bindungslänge für alle Bundungen - fester Bindungswinkel - freier Rotationswinkel Worm-Chain-Model: Model bei dem eine Doppelkette zu einer „Leiter“ querverzweigt ist Wird verwendet um Mechanik der DNA zu simulieren Hamiltonfunktion in den erweiterten Modellen wird zu kompliziert für die analytische Lösung, Numerische Lösung oder Simulationen Kuhsche Segment: Grundgedanke: reale Kette einer fiktiven, frei verbundenen Kette zuordnen, diese ist analytisch lösbar Dazu experimentell bestimmen: Mit: N, l: Parameter der realen Kette N', l': Parameter der fiktiven Kette a, b: Proportionalitätsfaktoren zwischen den Ketten Experimente ergeben z.B. für Polyäthylen: L max =0,83NL und L 2 =6,7Nl 2 l' ≈ 8l und N' ≈ 0,1N mit = 1 K B T , i = F d = Fd cos i Z i = d i exp i { r i } Z i = 0 2 0 d i d i d 2 sin d 2 exp Fdcos = 4 d F sinh Fd N l i 〉∗Z i = d i l i { r i } exp i { r i } l i 〉∗Z i = 0 2 0 d i d i cos i sin i d 3 exp Fdcos i l i 〉∗Z i = 2 d 3 [ 1 dF cosh Fd 1 Fd 2 sinh Fd ] ⇒〈 l i 〉= 1 F d coth Fd L = i l i 〉= [ 1 F d coth Fd ] N s 2 = 1 N 1 2 0 i j N N L ij 2 L 2 = i N l 2 2 0 i j N N l i l j l i ∣= l L 2 = Nl 2 ,s 2 = Nl, C N = 1 C N = L' 2 Nl 2 1 F F wobei L' 2 experimentell von der realen Kette ermittelt wird Bindungswinkel Rotationswinkel l i ∣= l l i ∣= l L 2 = Nl 2 1 cos 1cos ,C N = 1 cos 1cos i = Bücherquellen: Bartenev/Zelenev - Physik der Polymere [Leipzig 1979]; Schwabl - Statistische Mechanik [Springer 2006]; Ferienkurs - Physik der Polynome [Jülich 1991] Internetquellen (13.07.11): http://www.chrismadden.co.uk/wordpress/wp-content/uploads/2008/08/gene-dna-climb.gif; sundoc.bibliothek.uni-halle.de/diss-online/01/01H327/prom.pdf C N = N'l' 2 Nl 2 = a, N' = a 2 b N , l' = b a l L max = N'l' = aNl , L 2 = N'l' 2 = bNl 2 Polymerzustände Die thermischen Zustände von Polymeren werden über Materialeigenschaften wie Deformierbarkeit, oder Elastizitätsmodul definiert. Glasartig (I): Glas wird auch als unterkühlte Flüssigkeit betrachtet. Wird ein niedermolekularer Stoff im flüssigen Zustand zu schnell gekühlt, schafft er es beim Erstarren nicht seine normale Kristallstruktur einzunehmen. Durch ihre amorphe Struktur werden Polymere unter einer Glastemperatur T G glasartig. Sie erstarrt und werden spröde, Eigenschaften eines Festkörpers. Durch die tiefe Temperatur friert die Konformation der Molekülketten quasi ein. Erweichung (T G ): Zwischenmolekulare Kräfte in den amorphen Bereichen werden überwunden, Molekülketten werden beweglich. Normal ist T G nicht festlegbar, besitzt Hysterese und ist z.B. Kühlratenabhängig. Interessanterweise liegt die Erweichungs-, oder auch Glastemperatur in den meisten Fällen bei etwa 60% der Schmelztemperatur auf einer absoluten Temperaturskala. Hochelastischer Zustand (II): Verhalten unterscheidet sich stark durch den Vernetzungsgrad Duroplaste: - Erreichen von T G bewirkt zwar merkbare, sprunghafte Änderung der Deformierbarkeit, Stabilität bleibt jedoch weitgehend erhalten - Ab einer bestimmten Temperatur wird fast stufenartig das hochelastische Plateau von Kurve 1 erreicht – fast kristalline, hochvernetzte Struktur wird aufgebrochen Elastomere: - Weitmaschige Vernetzung sorgt für große Beweglichkeit, somit gut deformierbar - Verformung, z.B. Auseinanderziehen senkt die Entrophi der Polymere Nachdem die Kraft verschwindet wird der Zustand größerer Unordnung wieder angestrebt und der Ausgangszustand wird wieder eingenommen (Memory-Effekt) Thermoplaste: - Werden nach erreichen von T G schnell sehr elastisch Schmelzen (T S ): Duroplaste und Thermoplaste gehen in einen zähflüssigen Zustand über (viskoses Fließen (III)), in dem sie verformt werden können. Diese Form wird bei abkühlen beibehalten. Elastomeren haben keine Schmelztemperatur, sie behalten weiterhin ihren hochelastischen Zustand bei, bis zur chemischen Zersetzung. Chemische Zersetzung (T ch ): Die Polymerketten selber brechen auseinander zu einzelnen Monomeren. Es es handelt sich nicht mehr um ein Polymer! Einsatzbereich: Durch die grundverschiedenen thermischen Eigenschaften der drei Werkstofftypen, finden sie meist nach dem Schema unten in bestimmten Polymerzustände Anwendung: Deformierbarkeit Temperatur T G T S T ch I II III 1 2 3 Bereiche I glasartig II hochelastisch III viskoses Fließen Grenztemperaturen T G Erweichung T S Schmelzen T ch chemische Zersetzung Werkstofftypen 1 Duroplaste (stark vernetzt) 2 Elastomere (schwach vernetzt) 3 Thermoplaste (linear, amorph) Verwendungsbeispiele: Duroplaste: Schutzhelme, Karosserieteile Elastomere: Reifen, Gummibänder, Dichtungen Thermoplaste: Spielzeug, Verpackungen, Rohre

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Page 1: Polymere - physik.uni-kl.de · Völlig verschieden von Kristallen zieht sich ein Polymer also mit steigender Temperatur zusammen! Erklärung: Durch steigende Temperatur nimmt die

PolymereStatistische Modelle und PhasenübergängeProjektarbeit statistische Mechanik – Benedikt Burgard & Jürgen Häring

Was sind Polymere? Makromoleküle, die aus einigen hundert bis hunderttausend Monomeren zu einer langen Kette aneinandergereiht sind. Monomere sind kleine Moleküle die als Grundbausteine für Polymere dienen. Neben der Kettenlänge bestimmt die Monomerarchitektur maßgeblich die physikalischen Polymereigenschaften:

- Verzweigungen- Nebengruppen- Bindungswinkel

Bekannte Beispiele aus verschiedenen Bereichen: PVC, DNA, Teflon, Nylon, Plexiglas, Neoprene

NetzwerkeWichtig für die makroskopischen Eigenschaften von Polymeren ist die Netzwerkbildung.Dabei wird grob in drei Stufen von Vernetzung eingeteilt:

- stark vernetzt- schwach oder weitmaschig vernetzt- kaum oder nicht vernetzt

Weiter werden vorhandene Netzwerke nach ihrer Struktur eingeteilt:z.B. linear, sternförmig, kammförmig...

Die Einteilung der Polymerwerkstoffe lassen sich im wesentlichen auf den Vernetzungsgrad zurückführen.Unterschieden wird in der Werkstofftechnik in:

- Thermoplaste (kaum/nicht vernetzt)- Elastomere (schwach/weitmaschig vernetzt)- Duroplaste (stark vernetzt)

Den Grund für die Unterscheidung als verschiedene Werkstofftypen verstehen wir durch den Abschnitt Polymerzustände. Durch den Vernetzungsgrad zeigen die Stoffe grund verschiedenethermische Eigenschaften.

Statistische ModelleDefinitionen: - Mittlerer quadratischer End-zu-End Abstand

- Gyrationsradius: Mittlerer Abstand der Monomere zum Molekülschwerpunkt

- CharakteristischeVerhältnisVergleichsmaß zw. frei verbundener Kette und anderen realen Ketten

Frei verbundene Kette:Simpelstes Modell, ohne Wechselwirkung der Glieder- feste Bindungslänge für alle Bundungen- freier Bindungswinkel- freier Rotationswinkel

Zur Beschreibung der mechanischen und thermischen Eigenschaften, greift nun an den Enden der Kette eine Kraft an. Dabei wird nur die potentielle Energie in der Kette betrachtet.Unter Verwendung des Modells vom kanonischen Ensemble mit:

Zi: Einteilchenzustandssummeli: Erwartungswert der auf projezieren SegmentlängeL: End-zu-End Abstand des Polymers

Völlig verschieden von Kristallen zieht sich ein Polymer also mit steigender Temperatur zusammen!Erklärung: Durch steigende Temperatur nimmt die Unordnung der Kette zu und sie verkneult sich.

Modell beschreibt zwar Grundzüge von Polymeren, reale Ketten sind jedoch viel steifer, weil:- Monomere wechselwirken untereinander- Monomerverbindung legt Bindungswinkel fest- Nebengruppen verbieten manche Rotationswinkel- unterschiedliche Bindungsabstände

→ benötigen Modelle die mehr der Realität entsprechen

Frei rotierende Ketten:- feste Bindungslänge für alle Bundungen- fester Bindungswinkel- freier Rotationswinkel

Worm-Chain-Model:Model bei dem eine Doppelkette zu einer „Leiter“ querverzweigt istWird verwendet um Mechanik der DNA zu simulieren

Hamiltonfunktion in den erweiterten Modellen wird zu kompliziert für die analytische Lösung,→ Numerische Lösung oder Simulationen

Kuhsche Segment:Grundgedanke: reale Kette einer fiktiven, frei verbundenen Kette zuordnen, diese ist analytisch lösbar

Dazu experimentell bestimmen:

Mit: N, l: Parameter der realen KetteN', l': Parameter der fiktiven Kettea, b: Proportionalitätsfaktoren zwischen den Ketten

Experimente ergeben z.B. für Polyäthylen:Lmax=0,83NL und L2=6,7Nl2

→ l' ≈ 8l und N' ≈ 0,1N

mit = 1K BT

, i=F⋅d=Fd cos i

Z i=∫di exp−i {r i}

Z i=∫0

2

∫0

d i di d2 sin d 2 exp − Fdcos =4d F

sinh Fd N

⟨l i⟩∗Z i=∫ di l i{r i}exp −i{r i}

⟨l i⟩∗Z i=∫0

2

∫0

d i di cosisin id3 exp − Fdcos i

⟨l i⟩∗Z i=2d 3 [ −1dF

cosh Fd 1Fd 2

sinh Fd ]⇒⟨ l i⟩=

1 F

−d coth Fd

⇒L=∑i⟨ l i ⟩=[ 1

F−d coth Fd ]∗N

s2= 1N12

∑0i jN

N

Lij2

L2=∑i

N

l 22 ∑0i jN

Nl i⋅l j

∣l i∣=l⇒L2=Nl2 , s2=N l , C N=1

C N=L ' 2

Nl21

F

F

wobei L'2 experimentell von der realen Kette ermittelt wird

Bindungswinkel

Rotationswinkel

∣l i∣=l

∣l i∣=l

⇒L2=Nl2 1cos 1−cos

, C N=1cos 1−cos

i=

Bücherquellen: Bartenev/Zelenev - Physik der Polymere [Leipzig 1979]; Schwabl - Statistische Mechanik [Springer 2006]; Ferienkurs - Physik der Polynome [Jülich 1991]Internetquellen (13.07.11): http://www.chrismadden.co.uk/wordpress/wp-content/uploads/2008/08/gene-dna-climb.gif; sundoc.bibliothek.uni-halle.de/diss-online/01/01H327/prom.pdf

⇒C N=N ' l ' 2

Nl2=a , N '=a

2

bN , l '=b

al

Lmax=N ' l '=aNl , L2=N ' l ' 2=bNl 2

PolymerzuständeDie thermischen Zustände von Polymeren werden über Materialeigenschaften wie Deformierbarkeit,oder Elastizitätsmodul definiert.

Glasartig (I):Glas wird auch als unterkühlte Flüssigkeit betrachtet. Wird ein niedermolekularer Stoff im flüssigen Zustand zu schnell gekühlt, schafft er es beim Erstarren nicht seine normale Kristallstruktur einzunehmen.Durch ihre amorphe Struktur werden Polymere unter einer Glastemperatur TG glasartig.Sie erstarrt und werden spröde, Eigenschaften eines Festkörpers. Durch die tiefe Temperatur friert die Konformation der Molekülketten quasi ein.

Erweichung (TG):Zwischenmolekulare Kräfte in den amorphen Bereichen werden überwunden,Molekülketten werden beweglich.Normal ist TG nicht festlegbar, besitzt Hysterese und ist z.B. Kühlratenabhängig.Interessanterweise liegt die Erweichungs-, oder auch Glastemperatur in den meisten Fällen bei etwa60% der Schmelztemperatur auf einer absoluten Temperaturskala.

Hochelastischer Zustand (II):Verhalten unterscheidet sich stark durch den VernetzungsgradDuroplaste: - Erreichen von TG bewirkt zwar merkbare, sprunghafte Änderung der Deformierbarkeit,

Stabilität bleibt jedoch weitgehend erhalten- Ab einer bestimmten Temperatur wird fast stufenartig das hochelastische Plateau von Kurve 1 erreicht – fast kristalline, hochvernetzte Struktur wird aufgebrochen

Elastomere: - Weitmaschige Vernetzung sorgt für große Beweglichkeit, somit gut deformierbar- Verformung, z.B. Auseinanderziehen senkt die Entrophi der Polymere Nachdem die Kraft verschwindet wird der Zustand größerer Unordnung wieder angestrebt und der Ausgangszustand wird wieder eingenommen (Memory-Effekt)

Thermoplaste: - Werden nach erreichen von TG schnell sehr elastisch

Schmelzen (TS):Duroplaste und Thermoplaste gehen in einen zähflüssigen Zustand über (viskoses Fließen (III)), in dem sie verformt werden können. Diese Form wird bei abkühlen beibehalten.Elastomeren haben keine Schmelztemperatur, sie behalten weiterhin ihren hochelastischen Zustandbei, bis zur chemischen Zersetzung.

Chemische Zersetzung (Tch):Die Polymerketten selber brechen auseinander zu einzelnen Monomeren.Es es handelt sich nicht mehr um ein Polymer!

Einsatzbereich:Durch die grundverschiedenen thermischen Eigenschaften der drei Werkstofftypen, finden sie meist nach dem Schema unten in bestimmten Polymerzustände Anwendung:

Def

orm

ierb

arke

it

TemperaturTG TS Tch

I II III1

2

3

BereicheI glasartigII hochelastischIII viskoses Fließen

GrenztemperaturenTG ErweichungTS SchmelzenTch chemische Zersetzung

Werkstofftypen1 Duroplaste (stark vernetzt)2 Elastomere (schwach vernetzt)3 Thermoplaste (linear, amorph)

Verwendungsbeispiele:Duroplaste: Schutzhelme, Karosserieteile

Elastomere: Reifen, Gummibänder, Dichtungen

Thermoplaste: Spielzeug, Verpackungen, Rohre