perinatale mortalität und kaiserschnitt

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H. PUD~R: Perinatale MortMit~t und KMserschnitt 109 Die Therapie smite zun/ichst stets abwartend eingestellt sein, eine aktive Therapie so]Ire erst nach Auswertung des R6ntgenbildes und nach Anwendung der fibrigen Hilfsmittel einsetzen. Die sicherste therapeutisehe Mal~nahme nach vergeblicher abwartender HMtung ist die Schnittentbindung. Dabei wird die geringste kindliche Mortalit/~t beobachtet. 6. Herr H. PUDER-Boehum: Perinatale Mortalitiit und Kaisersehnitt. (IV[it 3 Textabbildungen.) W/ihrend in Deutschland die perinatale ~ortalit/~t, d.h. die kind- liehe Sterblichkeit nach der 28. Schwangersehaftswoche his zum 10. Tag post partum, zwisehen 4 und 5% liegt, wird aug anderen L//ndern, so z. B. der Schweiz und den USA, fiber Zah]en berichtet, die um 3 % liegen. W'ir haben uns die Aufgabe gestellt, aus den Geburtenzahlen der Landes-Frauenklinik Bochum Anhaltspunkte zu gewinnen, ob die peri- natMe Sterblichkeit dureh eine verbesserte operative Geburtshilfe, insbesondere durch eine erweiterte oder ver- /~nderte KMserschnitt- indikation, zu senken ist. Wir beziehen uns dabei auf 12330 Ge- burten yore 1.1.47 bis 30.5.56. frl)~#zb#r/enants// NN Abb. 1. Die perinatale 5~_[ortalitht (LandeslFrauenklinik B ochum ) Die Tabelle 1 und Abb. 1 zeigen zun/~chst die Entwicklung der perinatMen Sterblichkeit in den letzten 50 Jahren. Tubelle 1. Die ]cindliche Sterblichkeit 1906--1956 an der Lande6"-Frauenlclini/c Bochum Zeitraum Perinatale Gesamt- Sterblieh- keit 9,17 7,61 5,57 5,03 4,29 4,58 I Anteil der Friih- I geburten (unter ~500 g) % Friihge- burten- frequenz Friih- geburten- sterblich- keit bis 10. Tag post partum % 1906--1913 1914---1921 1922--1930 1931--1938 1939--1946 1947--1956 30 31 28 34 42 66 % 6,84 44,08 Sterblich- keit reifer Kinder ante partum % 0,65 0,47 0,82 0,34 0,50 0,48 Sterblich- keit reifer Kinder intra Ge- partnm burten- bis zum zahl 10. Tag post partum % 5,72 4142 4,78 7171 3,19 9330 2,99 6221 1,97 6704 1,07 12330

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H. PUD~R: Perinatale MortMit~t und KMserschni t t 109

Die Therapie smite zun/ichst stets abwartend eingestellt sein, eine aktive Therapie so]Ire erst nach Auswertung des R6ntgenbildes und nach Anwendung der fibrigen Hilfsmittel einsetzen. Die sicherste therapeutisehe Mal~nahme nach vergeblicher abwartender HMtung ist die Schnittentbindung. Dabei wird die geringste kindliche Mortalit/~t beobachtet.

6. Herr H. PUDER-Boehum: Perinatale Mortalitiit und Kaisersehnitt. (IV[it 3 Textabbildungen.)

W/ihrend in Deutschland die perinatale ~ortalit/~t, d .h . die kind- liehe Sterblichkeit nach der 28. Schwangersehaftswoche his zum 10. Tag post partum, zwisehen 4 und 5% liegt, wird aug anderen L//ndern, so z. B. der Schweiz und den USA, fiber Zah]en berichtet, die um 3 % liegen.

W'ir haben uns die Aufgabe gestellt, aus den Geburtenzahlen der Landes-Frauenklinik Bochum Anhaltspunkte zu gewinnen, ob die peri- natMe Sterblichkeit dureh eine verbesserte operative Geburtshilfe, insbesondere durch eine erweiterte oder ver- /~nderte KMserschnitt- indikation, zu senken ist.

Wir beziehen uns dabei auf 12330 Ge- burten yore 1 .1 .47 bis 30.5.56.

frl)~#zb#r/enants//

NN Abb. 1. Die perinatale 5~_[ortalitht (LandeslFrauenklinik

B o chum )

Die Tabelle 1 und Abb. 1 zeigen zun/~chst die Entwicklung der perinatMen Sterblichkeit in den letzten 50 Jahren.

Tubelle 1. Die ]cindliche Sterblichkeit 1906--1956 an der Lande6"-Frauenlclini/c Bochum

Zeitraum Perinatale Gesamt-

Sterblieh- keit

9,17 7,61 5,57 5,03 4,29 4,58

I Anteil

der Friih- I geburten

(unter ~500 g)

%

Friihge- burten-

frequenz

Friih- geburten- sterblich- keit bis 10. Tag

post partum

%

1906--1913 1914---1921 1922--1930 1931--1938 1939--1946 1947--1956

30 31 28 34 42 66

%

6,84 44,08

Sterblich- keit reifer

Kinder ante

partum

%

0,65 0,47 0,82 0,34 0,50 0,48

Sterblich- keit reifer

Kinder intra Ge-

partnm burten- bis zum zahl 10. Tag

post partum

%

5,72 4142 4,78 7171 3,19 9330 2,99 6221 1,97 6704 1,07 12330

l lO H. PuDEa:

In diesem Zeitraum konnte die perinatale Gesamtmortali t~t yon 9,17% (1906--1913) auf 4,58% (1947--1956), also um die H~lfte, ge- senkt werden, wobei gleichzeitig der Anteil der Friihgeburten yon 30 % auf iiber 65% angestiegen ist. W~hrend die Sterbliehkeit ante par tum eher zugenommen hat, erniedrigte sich die Mortalit~it intra par tum bis zum 10. Tag post par tum um das 5fache, was zweifellos ein Erfolg der verbesserten operativen Geburtshilfe und zu einem Tell der Er-

weiterung der Kaiserschnittindi- kation zuzuschreiben ist. Die Kaiserschnittfrequenz, die 1906 bis 1913 0,31% betrug, ist im letzten Zeitabschnitt auf 2,49% angestiegen, wobei zu]etzt der An- teil der kindlichen Indikat ionen 20,19%, also ein Fiinftel, erreicht hat.

Pl~z. E~lamp, rl'e Vofzt. A~h, vx/en 8~L~Wdg I Es ist klar, daft eine weitere

Senkung der perinatalen lKortalitgt Pl'aevl'~ PI'-Arg" | Zer#'OP'l durch eine verbesserte operative

............. J ............. ~ "////////////.~ Z? l Geburtshilfe nur bei dem relativ kleinen Anteil der intra par tum

Abb , 2. Die n o c h v e r m e i d b a r e ~ k ind l i chen Todesfalle bet 12330 Gebnrten (Landes- bis zum 10. Tag post par tum F r a u e n k l i n i k B o c h u m in den J a h r e n 1947 absterbenden rei[en Kinder mSg-

bis 1956) lich ist, wghrend der so iiberaus

hohe Prozentsatz der Friihgeburtensterblichkeit, der fiir die in Deutsch- land so hohe perinatale Gesamtsterblichkeit verantwortlieh sein dtirfte und derjenige, der vor der Geburt bzw, vor X]inikaufnahme absterben- den Kinder ein Problem der Sehwangerenffirsorge und Betreuung und damit vor allem der Friihgeburtenverhiitung ist.

Die Zahl der unter den Augen des Geburtshelfers (also ab Wehen- beginn bzw. Klinikaufnahme) bis zum 10. Tag post par tum abgestorbenen reifen Kinder betrug an der Landesfrauenklinik 1947--1956 132 = 1,07% s~mtlicher Geburten.

Wir miissen uns zungchst Iragen, ot) das Sehieksal dieser Kinder aus dem Geburtsverlauf vorauszusehen gewesen war. Eigentlich sind es nut 2 Dinge, die uns anf die Gefahr des Kindes unter der Geburt aufmerksam machen, einmal die Verschlechterung der kindlichen I-Ierz- tSne, d i e wir als intrauterine Asphyxie bezeichnen, und zum zweiten gewisse Erkrankungen der Mutter, deren Folge eine erhShte Sterb- lichkeit der Kinder ist. Unter diesen Krankheitsbildern spielen zahlen- m~f3ig eine Rolle eigentlich lediglieh die Placenta praevia, die vor- zeitige P]acentalSsung und die Eklampsie.

Pcrinatale $Ior~alitgt und Kaiserschnitt 1 l l

Tabelle 2. Kindliche Sterblichkeit bei Placenta praevia, Eklampsie und vorzeitiger Placental6sung 1947--1956 (Landes-Frauenklinik Bochum)

Placenta praevia Eklampsie . . .

Vorzeitige L6sung der Placenta

Fre- Kindliehe quenz~ Gesamt- . sterbliehkeit

102 0,827 31 = 30,39 % 73 0,59 21(v. 81)=

25,93% E i

5410,4381 24 = 44,44%

i ]~i:indliehe Zahl der Sterbliehkeit, ]~:aisersehnitt- Sterbliehkeit

reifen Kinder ' reifer Kinder frequenz beim Kaiser-

83-- 81,37% 58 (v. 8 ] )=

71,60%

33-61,11%

5--6,02% 65=63,72% 6 (v. 61)-- 20--27,4%

9,84%

5=15,15% 8--14,81%

sehnitt

5 = 7,69 % 1 (v. 20)--

5%

0%

Die Tabelle 2 u n d Abb. 2 zeigen Hgufigkei t u n d kindliehe Sterb- l iehkeit dieser 3 Krankhe i t sb i lder un te r besonderer Beri icksiehtigung der Leta l i tg t der reifen Kinde r u n d der Anwendung des Kaisersehnit tes .

Es ist anzunehmen , dab dureh die Anwendung des Kaisersehni t tes hier sehon t i n optimales Ergebnis erreieht worden ist.

Tabelle 3. Anteil der theoretisch durch Sectio bzw. rechtzeitigere Settle verhi~tbar gewesenen Tocles/iille relier Kinder (1947--1956) (Landcs-Frauenklinik Boehum)

Placenta praevia . . . . . . . . . . . . . Eklampsie . . . . . . . . . . . . . . . . Vorzeitige Placental6sung . . . . . . . . . Asphyxie . . . . . . . . . . . . . . . . Wendungen, Beekenendlagen, Zangenoperatio-

non (Operationsfolgen !), Uterusrupturen . .

% Zahl Mler

Go- burton

5 0,041 6 0,049 5 0,041

60 0,487

14 0,113

90 0,731

Dllreh eine Set t le bzw. reehtzeitigere Sectio hg t t en lediglich noch 6 reife K inde r bei Eklampsie, 5 bei P lacen ta pracvia n n d 5 bei der vorzei t igen Plaeenta lSsung theoret isch geret te t werden kSnnen, das ist zusammen also knapp i/10 der Sterb- ]ichkeit reifer K inde r in t ra p a r t u m bis zum ]0. Tag post p a r t u m (Tabellc 3 und Abb. 2).

Dagegen sind in dem Zei t raum yon 1947--1956 bei ] 2330 Gebur ten 60 reife

Tabelle 4. Die durch Kaiserschnitt vermiedenen Todes/iille relier Kinder (19~7--4956)

(Landes-Frauenklinik Bochum)

% Zahl aller

Geburten

Placenta praevia . . . . . 60 Eklampsie . . . . . . . . 19 Vorzeitige t?[acental6sung . 8 Intrauterine Asphyxie . . 46

133

0,487 0,]54 0,065 0,373 1,079

Kinde r dnreh Kaisersehni t t bei P lacenta praevia, 19 bei Eklampsie u n d 8 bei vorzeitiger Placenta l6sung geret tet worden (Tabe]le 4).

112 H . PUD:E]a: P e r i n a t a l e M o r t a l i t ~ t u n d K a i s e r s c h n i t t

Im gleichen Zeitraum gingen yon 527 Fallen yon intrauteriner Asphyxie 91 reife Kinder intra partum bis zum 10. Tag post partum verloren (Tabelle 5). Von diesen h~tte ein Teil ebenfalls durch den

Tabelle 5. Die intrauterine Asphyxie und ihre Behandlung (1947--1956) Landes-Frauenklinik Bochum)

Kindtiche Sterbtiehkeit

I i Zahl . . I Prozent

Z a h l . . Prozent

I n t r a u t e r i n e A s p h y x i e n

reifer K i n d e r

527 4,271

91 17,28

1 S~mtlicher Geburten.

B e h a n d l t m g tier A s p h y x i e n

Fo rceps

3 7 7 71,54

28 7,43

(6,45) 3

E x - unbe - Sectio t r a k t i o n h a n d e l t

52 41 57 9,87 7,78 10,81

6 11 47 11,54 26 ,83 82,46 (6,52) 3

2 Kindliche Sterblichkeit s~mt!icher Zangenoperationen bzw. Kaiserschnitte.

Abb, 3. Die k ind l i che Morta l i t f i t bei tier i n t r a u t e r i n e n A s p h y x i e (Landes- F r a u e n k l i n i k B o c h u m in den J a h r e n

1 9 4 7 - - 1 9 5 6 )

Kaiserschnitt gerettet werden kSnnen. Es sind vor allem die un- behandelt abgestorbenen Kinder (Abb. 3), bei denen die Vorbedingung

zur Zange meist nicht erffillt war, man andererseits sich aus rein kindlicher Indikation nicht zur Seetio entschlie~en konnte. Ferner gehSren dazu ein Tell der bei der Extraktion verloren- gegangenen und einige durch Zangen- operation nicht gerettete Kinder. Ins- gesamt kommt man so auf etwa 60 F/~lle (Tabelle 3 und Abb. 2), die durch Kaisersehnitt hiitten gerettet werden kSnnen, w~hrend in dem gesamten Zeitraum 46 Kinder (Tabelle 4) mit einer intrauterinen Asphyxie durch Kaiser- schnitt wirklieh gerettet worden sind.

Mit diesen Zahlen sind fast samt]iche Todesf~lle reifer Kinder intra partum bis zum 10. Tag post partnm berficksichtigt. Es mfiBten hSchstens noch diejenigen hinzugefiigt werden, die nach Beckenendlagen- entwicklung, Wendungsoperation oder Zangenoperation ohne voraus- gegangene Asphyxie, also an den Operationsfolgen, sowie infolge einer Uterusruptur abgestorben sind und durch Sectio ebenfalls hatten ge- rettet werden kSnnen. Wir haben diese F~lle in Tabelle 3 und Abb. 2 mit 14 veranschlagt.

Der Rest der Sterbliehkeit reifer Kinder intra partum setzt sich zusammen aus nicht tebensf/~higen Mii3bildungen, trotz guter HerztSne

H. J. REISS : Zoonosen und perinataler Tod im pathologisch-anatomischen Bfld 113

nach der Geburt oder in den ersten Tagen aus anderen, zum Teil unklaren Griinden abgestorbenen Kindern, Kindern diabetischer Mfitter und einigen anderen Fgllen.

Zusammen/assend kSnnen wir also feststellen: Ohne Kaiserschnitt w~re sicher ein nicht unerheblicher Teil dieser zuletzt erwi~hnten 133 reifen Kinder (--~ 1,079% aller Geburten) infolge yon Placenta praevia, Eklampsie, vorzeitiger Plaeental5sung oder Asphyxie (Tabelle 4) unter der Geburt abgestorben. Die perinatale Mortalit~t reifer Kinder intra par tum bis zum 10. Tag post par tum hi~tte also theoretiseh fast das Doppe]te der wirk]ich erreichten betragen. Dies war ja in der Tat in frfiheren Jahren ohne kindliehe Indikation zum Kaiserschnitt der Fall.

Es h~tten retrospektiv theoretisch dureh eine erweiterte Sectio- indikation rund 90 Kinder (Tabelle 3) ~- 0,73 % aller Geburten gerettet werden k5nnen. Dabei hiitte die Sectiofrequenz schi~tzungsweise um 0,5%, also yon 2,5 auf 3%, aus kindlicher Indikation erhSht werden mfissen, da die durch rechtzeitigere Sectio vermeidbar gewesenen Todes- fgl]e mitgerechnet und yon den 0,73% abzuziehen sind. Durch eine solche Erweiterung der Sectiofrequenz ist die Sterblichkeit reifer Kinder yon Wehenbeginn an gerechnet bis zum 10. Tag post par tum noch einmal um etwa die Hglfte des bisher erreichten Prozentsatzes zu senken. Darfiber hinans dfirften durch die operative Geburtshilfe jedoch keine besseren Ergebnisse zu erwarten sein. (Dabei ist allerdings noch nicht die kindliche Kaisersehnittmortali t~t berficksichtigt, die in den letzten 10 Jahren an unserer Klinik noch rund 6 % betrug und bei einer Er- weiterung der ]cindlichen Indilcation eher noch h5her liegen dfirfte.) Es mfi6te natfirlich vorausgesetzt werden, da6 der Kaiserschnitt kein l~isiko mehr ffir das Leben der Mutter darstellt. Die mfitterliche Kaiser- schnit tmortal i ts dfirfte mit anderen Worten nicht viel fiber 0%, jedoch nieht hSher a]s die mfitterliche Gesamtgeburtsmortal i t~t liegen. In der Tat war an unserer Klinik unter den letzten 200 Kaiserschnitten kein mfitterlicher Todesfall mehr zu verzeichnen.

Die perinatale kindliche Sterblichkeit ist also in erster Linie ein Problem der l~rfihgeburtenverhfitung und damit der Schwangeren- betreuung. Bei der derzeitigen ~rfihgeburtenfrequenz (an der Landes- frauenklinik 6,84% s/~mtlicher Gebnrten) ist durch die operative Geburtshilfe, insbesondere durch eine erweiterte Kaiserschnittindikation, eine perinatale Gesamtsterblichkeit unter 4% wohl nicht zu erreichen.

7. Herr H. J. Reiss-Halle (Saale): Zoonosen und perinataler Tod im pathologiseh-anatomischen Bild. (Mit 12 Textabbildungen.)

Unter den vielen in den letzten Jahren erkannten exogenen Ur- sachen (BIcKENBACIt, MESTWEI~DT, WIEDEMANN) ffir den perinatalen

Archiv f. Gyn~ikologie, Bd. 189 (KongreBbericht) 8