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npoR ZEITSCHRIFT FÜR DAS RECHT DER NON PROFIT ORGANISATIONEN Herausgeber Prof. Dr. Birgit Weitemeyer (geschäftsführend), Dr. Wilhelm-Albrecht Achilles, Prof. Dr. Arnd Arnold, Prof. Dr. Michael Droege, Prof. Dr. Hans Fleisch, Prof. Dr. Stefan Geibel, Prof. Dr. Rainer Hüttemann, Prof. Dr. Monika Jachmann, Prof. Dr. Dominique Jakob, Prof. Dr. Peter Rawert, Prof. em. Dr. Dieter Reuter, Dr. Andreas Richter, Dr. Stephan Schauhoff, Dr. Ulrich Segna, Dr. Thomas Wachter, Dr. Reinmar Wolff Aufsätze Der Kommissionsvorschlag für eine Europäische Stiftung (Fundatio Europaea) – Streifzug durch eine europäische Kulissenlandschaft? (Prof. Dr. Dominique Jakob, M.I.L. [Lund]) S. 1 Streikrecht in der Kirche: Ja oder Nein? Die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 20.11.2012 (Dr. Friederike Meurer) S. 6 Praxisforum Rechtliche Herausforderungen für Sozialunternehmen in der Schweiz (Dr. Daniela Schönenberg) S. 8 npoR-Report npoR-Report Vereinsrecht, Stiftungsrecht, Steuerrecht (Julian Albrecht/Florian Kamp/Clara Lienicke/ Janne Seelig) S. 12 Rechtsprechung OLG Karlsruhe: Voraussetzungen für die Eintragung eines regionalen Zweigvereins Anmerkung Prof. em. Dr. Dieter Reuter S. 16 LG Köln: Aufnahme als Vereinsmitglied aus Kartellrecht S. 17 EuGH: Umsatzsteuerbefreiung für private Pflegedienstleistungen S. 20 BFH: Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer nach § 1835a BGB S. 25 Anmerkung Sebastian Fornefeld, Jonas Heckmann, Clara Lienicke, Peter Stark S. 28 Verwaltungsanweisungen OFD Magdeburg: Aufnahme von Kleinspenden bis zur Höhe von 200 in eine Sammelbescheinigung S. 30 OFD Niedersachsen: Steuerliche Behandlung des Schulschwimmens S. 30 OFD Rheinland: Anschaffung von Anteilen an einer gGmbH durch eine gemeinnützige Einrichtung S. 31 www.npoR.de Heft 1/2013 Seiten 1–40

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Zeitschrift für das Recht der Non-Profit-Organisationen

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npoR Zeitschrift für Das recht Der NoN Profit orgaNisatioNeN

HerausgeberProf. Dr. Birgit Weitemeyer (geschäftsführend), Dr. Wilhelm-Albrecht Achilles, Prof. Dr. Arnd Arnold, Prof. Dr. Michael Droege, Prof. Dr. Hans Fleisch, Prof. Dr. Stefan Geibel, Prof. Dr. Rainer Hüttemann, Prof. Dr. Monika Jachmann, Prof. Dr. Dominique Jakob, Prof. Dr. Peter Rawert, Prof. em. Dr. Dieter Reuter, Dr. Andreas Richter, Dr. Stephan Schauhoff, Dr. Ulrich Segna, Dr. Thomas Wachter, Dr. Reinmar Wolff

AufsätzeDer Kommissionsvorschlag für eine Europäische Stiftung (Fundatio Europaea) – Streifzug durch eine europäische Kulissenlandschaft? (Prof. Dr. Dominique Jakob, M.I.L. [Lund]) S. 1Streikrecht in der Kirche: Ja oder Nein? Die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 20.11.2012 (Dr. Friederike Meurer) s. 6

PraxisforumRechtliche Herausforderungen für Sozialunternehmen in der Schweiz (Dr. Daniela Schönenberg) S. 8

npoR-ReportnpoR-Report Vereinsrecht, Stiftungsrecht, Steuerrecht (Julian Albrecht/Florian Kamp/Clara Lienicke/ Janne Seelig) S. 12

RechtsprechungOLG Karlsruhe: Voraussetzungen für die Eintragung eines regionalen Zweigvereins Anmerkung Prof. em. Dr. Dieter Reuter S. 16LG Köln: Aufnahme als Vereinsmitglied aus Kartellrecht S. 17 EuGH: Umsatzsteuerbefreiung für private Pflegedienstleistungen S. 20 BFH: Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer nach § 1835a BGB S. 25Anmerkung Sebastian Fornefeld, Jonas Heckmann, Clara Lienicke, Peter Stark S. 28VerwaltungsanweisungenOFD Magdeburg: Aufnahme von Kleinspenden bis zur Höhe von 200 € in eine Sammelbescheinigung S. 30 OFD Niedersachsen: Steuerliche Behandlung des Schulschwimmens S. 30OFD Rheinland: Anschaffung von Anteilen an einer gGmbH durch eine gemeinnützige Einrichtung S. 31

www.npoR.de Heft 1/2013 Seiten 1–40

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Das iNstitut wirD geförDert Durch Die

Herausgeber:Prof. Dr. Birgit weitemeyer (geschäftsführend)Dr. wilhelm-albrecht achillesProf. Dr. arnd arnoldProf. Dr. Michael DroegeProf. Dr. hans fleischProf. Dr. stefan geibelProf. Dr. rainer hüttemannProf. Dr. Monika JachmannProf. Dr. Dominique JakobProf. Dr. Peter rawert, LL.M.Prof. em. Dr. Dieter reuterDr. andreas richter, LL.M.Dr. stephan schauhoffDr. ulrich segnaDr. thomas wachterDr. reinmar wolff

Schriftleitung:Dr. gregor roth

Redaktionsleitung:florian KampJanne seeligKathrin wrede

Redaktion:Julian albrechtclara LienickeJulia theele

npoRZeitschrift für das Recht der Non Profit Organisationen

Heft 1/2013

Titelbild:Das Titelbild zeigt einen Kirschbaum vor dem Auditorium der Bucerius Law School. Das Bäumchen wurde 2006 in Gedenken an Prof. Dr. W. Rainer Walz, Direktor des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen von 2002–2006, auf Initiative von Dr. Hansgeorg Jehner gepflanzt. Prof. Dr. Walz hatte zu Studentenzeiten in Tübingen hin und wieder Kirschen von fremden Bäumen genossen. Dies nahm sein Studienfreund Dr. Jehner, Gründer der Humanistischen Stiftung Frankfurt a.M., zum Anlass, ihm jährlich zum Geburtstag einen großen Korb Kirschen zu schenken. Diese Tradition lebt in dem Kirschbaum fort.

Beirat des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen:ulf grensemannProf. Dr. rainer hüttemannProf. Dr. thomas KollerProf. Dr. Karl-heinz PaquéProf. Dr. Peter rawert, LL.M.Prof. em. Dr. Dieter reuterDr. andreas richter, LL.M.Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Karsten schmidtProf. Dr. Verica trstenjak

rolf hunck (ehrenmitglied)

Bibliographische Hinweise: Die Zeitschrift wurde als BLS NON PROFIT LAW NEWS eingeführt (Ausgaben 0/2003bis 4/2008). Seit 2009 trägt sie den Namen „Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisationen“.Zitierweise: npoRISSN 1868-3762 (Online-Ausgabe, Print-Ausgabe: 1868-3770)

Herausgeber: Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-OrganisationenBucerius Law SchoolHochschule für Rechtswissenschaft gemeinnützige GmbHJungiusstraße 620355 Hamburg

Geschäftsführer: Dr. Hariolf Wenzler, Benedikt Landgrebe (Stellvertreter)Vorsitzender des Aufsichtsrats: Prof. Dr. Michael GöringAmtsgericht Hamburg, HRB 75325

Redaktionelle Gesamtverantwortung: Prof. Dr. Birgit Weitemeyer

Schriftleitung: Dr. Gregor Roth; Redaktionsleitung: Florian Kamp, Janne Seelig,Kathrin Wrede; Redaktion: Julian Albrecht, Clara Lienicke, Julia Theele.

Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen,Bucerius Law School, Jungiusstraße 6, 20355 Hamburg. Telefon: (040) 30706 -270.Telefax: (040) 30706 -275. E-Mail: [email protected]. npoR im Internet: www.npoR.de.

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Liebe Leserinnen und Leser,

das Erbschaftsteuerrecht steht erneut auf dem Prüfstand des BVerfG (Az. 1 BvL 21/12). Der BFH ist davon überzeugt, dass die Steuervergünstigungen für unternehmerisches Vermögen (§§ 13a, 13b ErbStG) nicht durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigt sind und daher gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes verstoßen (BFH, Beschl. v. 27.9.2012 – II R 9/11).

Zuwendungen an gemeinnützige Körperschaften sind seit jeher von der Erbschaft- und Schenkungsteuer (ErbSt) befreit (§ 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchstabe b) ErbStG). Dies gilt für sämtliche Zuwendungen; auf Art und Wert des erworbenen Vermögens kommt es nicht an. Allerdings wird die Steuerbefreiung von strengen Auflagen abhängig gemacht: Die Körperschaft muss ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke verfolgen, so dass das erwor-bene Vermögen dauerhaft in der Sphäre der Gemeinnützigkeit gebunden ist. Darüber hinaus wird die Steuerbefreiung von einer zehnjährigen Behaltefrist abhängig gemacht.

Diese Regelung erscheint sachgerecht und entspricht den Interessen des Gemeinwohls. Allerdings zeigen sich im Vergleich zu den seit Anfang 2009 geltenden Verschonungsre-gelungen für unternehmerisches Vermögen kaum zu rechtfertigende Systembrüche. Der Erwerb von unternehmerischem Vermögen ist – vereinfacht gesagt – in Höhe von 85% bzw. 100% steuerfrei, wenn der Erwerber das Unternehmen auf die Dauer von fünf bzw. sieben Jahren fortführt. Es stellt sich bereits die Frage, warum der eigennützige Erwerb von unternehmerischem Vermögen in gleicher Weise von der Steuer befreit sein kann wie der Erwerb von Vermögen durch eine gemeinnützige Körperschaft. Der Unternehmenser-be wird und bleibt Inhaber privater Vermögenswerte und unterliegt dabei lediglich den allgemein für unternehmerisches Vermögen geltenden Gesetzen. Die gemeinnützige Kör-perschaft wird zwar auch Inhaberin der zugewendeten Vermögenswerte, kann über diese aber nicht frei verfügen, sondern muss die weitreichenden Auflagen des Gemeinnützig-keitsrechts beachten. Nicht nachvollziehbar erscheint auch, warum die Steuerbefreiung bei Unternehmenserben von einer Behaltefrist von (lediglich) fünf bzw. sieben Jahren, bei gemeinnützigen Körperschaften dagegen von einer zehnjährigen Behaltefrist abhängig gemacht wird.

Der BFH spricht in anderem Zusammenhang davon, dass die geltenden Verschonungs-regelungen zu Fehlanreizen führen. Bei der Gründung von Stiftungen spielte es oftmals auch eine Rolle, dass die normale Vermögensübertragung u.U. eine erhebliche Steuerbe-lastung ausgelöst hätte, wohingegen der Erwerb durch eine gemeinnützige Körperschaft stets von der ErbSt befreit war. Dem Vernehmen nach wären viele (auch große) Stiftungen in Deutschland nicht errichtet worden, wenn es die ErbSt nicht gegeben hätte. Auch heute stellt sich für einen Vermögensinhaber die Frage, warum er sein privates Vermögen auf eine gemeinnützige Körperschaft übertragen soll, wenn er die Steuerfreiheit (ganz oder teilweise) auch so erlangen kann. Seit 2009 ist somit ein ganz wesentlicher Anreiz für ge-meinnütziges Engagement entfallen. Die Motivation von Stiftern ist naturgemäß schwer zu belegen. Allerdings deuten einige Zahlen darauf hin, dass es bereits zu solchen Fehl-anreizen gekommen sein könnte. Das Erbschaftsteueraufkommen ist seit 2009 kontinuier-lich gesunken (2009: ca. 4,6 Mrd. Euro, 2010: ca. 4,4 Mrd. Euro, 2011: ca. 4,3 Mrd. Euro, 2012: ca. 4,2 Mrd. Euro). Dies liegt sicherlich nicht daran, dass immer weniger Vermögen übertragen wird; ganz im Gegenteil. Vielmehr ist anzunehmen, dass dies die ersten Aus-wirkungen der neuen Verschonungsregelungen sind. Demgegenüber ist die Anzahl der Stiftungsneugründungen im selben Zeitraum deutlich zurückgegangen (2009: 914, 2010: 824, 2011: 817 und 2012: 645). Dies hat sicher zahlreiche Ursachen, könnte aber auch auf fehlende bzw. falsche Anreize des geltenden ErbStR zurückzuführen sein.

Unabhängig vom Ausgang der Entscheidung des BVerfG sollte der Gesetzgeber zwi-schen dem Erwerb durch gemeinnützige Körperschaften und dem Erwerb durch private Unternehmenserben künftig wieder deutlicher unterscheiden. Der Erwerb von unterneh-merischem Vermögen kann steuerlich durchaus begünstigt werden, allerdings nicht in gleichem Umfang (oder noch größerem Umfang) als der Erwerb von gemeinnützig ge-bundenem Vermögen. Für Unternehmensinhaber sollte auch in Zukunft ein steuerlicher Anreiz bestehen, sich gemeinnützig zu engagieren.

Ihr

Thomas Wachter

VorwortnpoR Heft 1/2013 i

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ii Inhaltsverzeichnis npoR Heft 1/2013

aufsätzeProf. Dr. Dominique Jakob, M.I.L. (Lund) Der Kommissionsvorschlag für eine Europäische Stiftung (Fundatio Europaea) – Streifzug durch eine europäische Kulissenlandschaft? S. 1

Dr. Friederike Meurer Streikrecht in der Kirche: Ja oder Nein? Die Urteile des Bundesarbeits- gerichts vom 20.11.2012 S. 6

PraxisforumDr. Daniela Schönenberg Rechtliche Herausforderungen für Sozialunternehmen in der Schweiz S. 8

npor-reportJulian Albrecht/Florian Kamp/Clara Lienicke/Janne Seelig npoR-Report Vereinsrecht, Stiftungsrecht, Steuerrecht S. 12

rechtsprechungVoraussetzungen für die Eintragung eines regionalen Zweig- vereins in das Vereinsregister (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.1.2012 – 14 Wx 21/11) S. 16Anmerkung Prof. em. Dr. Dieter Reuter S. 16

Aufnahme als Vereinsmitglied aus Kartellrecht (LG Köln, Urt. v. 9.2.2012 – 88 O 33/10) S. 17

Umsatzsteuerbefreiung für private Pflegedienstleistungen (EuGH, Urt. v. 15. 11. 2012 – C-174/11) S. 20

Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer nach § 1835a BGB sind bis zum Veranlagungszeitraum 2011 nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei (BFH, Urt. v. 17.10.2012 – VIII R 57/09) S. 25Anmerkung Sebastian Fornefeld, Jonas Heckmann, Clara Lienicke, Peter Stark S. 28

VerwaltungsanweisungenAufnahme von Kleinspenden bis zur Höhe von 200 €, für die grundsätzlich der vereinfachte Nachweis gemäß § 50 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStDV genügt, in eine Sammelbescheinigung (OFD Magdeburg, Verf. v. 18.9.2012 – S 2223 – 70 – St 217) S. 30

Steuerliche Behandlung des Schulschwimmens (OFD Niedersachsen, Verf. v. 12.1.2012 – S 2706 - 219 – St 241/ S 7100 - 801 - St 171) S. 30

Anschaffung von Anteilen an einer gGmbH durch eine gemein- nützige Einrichtung unter Einsatz zeitnah zu verwendender Mittel(OFD Rheinland, Verf. v. 20.9.2012 – S 0174 – 2012/0005) S. 31

rubriken

npoR-Aktuell S. III

Von den Finanzmärkten S. V

Veranstaltungshinweise S. VI

npoR-Dokumentation S. 32

Veranstaltungsberichte

5. Liechtensteinischer Stiftungsrechtstag 2012 S. 33

12. Hamburger Tage des Stiftungs- und Non-Profit-Rechts am 9. und 10. November 2012 an der Bucerius Law School S. 34

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npor-aktuell

npoR-AktuellnpoR Heft 1/2013 iii

gesetzgebung

JStG 2013 (erneut) vom Bundesrat abgelehnt Das Jahressteuergesetz (JStG) 2013 wurde in der Plenarsitzung des Bundesrats vom 1.2.2013 durch Beschluss erneut abgelehnt. Es wurde ursprünglich am 25.10.2012 vom Bundestag verabschiedet und war bereits am 23.11.2012 (u.a. auch wegen der umsatzsteuerrechtlichen Problematik der Essensleistungen durch Wohlfahrtsverbände) im Bundesrat gescheitert. Nachdem der Vermittlungsausschuss angerufen wurde, lehnte der Bundestag am 17.1.2013 dessen Beschlussempfehlung ab, sodass der Bundesrat nunmehr über den unveränderten Vorschlag abzustimmen hatte. Es kann nun erneut der Vermittlungsausschuss angerufen werden oder aber versucht werden, einzelnen – weniger kontroversen – Aspekten des Gesetzes ein separates Gesetzgebungsverfahren zu widmen.

Konsultationspapier zu ermäßigten Mehrwert- steuersätzen Am 8.10.2012 hat die EU eine offene

Konsultation zu den bestehenden Vorschriften der ermäßigt zu besteuernden Güter und Dienstleistungen gestartet. Sie beruht auf der „Mitteilung der Kommission … zur Zukunft der Mehrwertsteuer“, KOM(2011) 851. Ziel ist die Erarbeitung eines neuen MwSt-Systems in der EU, das einfacher, effizien-ter und robuster ausgestaltet sein soll. Bis zum 4.1.2013 hat-ten interessierte Kreise die Möglichkeit, Beiträge in Bezug auf die in dem Konsultationspapier „Überprüfung bestehender Gesetzgebung zu ermäßigten MwSt-Sätzen“ aufgeworfenen Fragen einzureichen. Nach umfassender Konsultation mit In-teressengruppen und Mitgliedstaaten soll bis Ende 2013 ein Vorschlag vorgelegt werden.

Hamburgisches Transparenzgesetz Am 6.10.2012 ist das Hamburgische Transparenzgesetz ( HmbTG) in Kraft getreten. Damit wird das in Hamburg geltende Informations-freiheitsgesetz (IFG) ersetzt und der Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu Informationen der Verwaltung erweitert. Das Gesetz regelt detailliert, wer in Hamburg unter welchen Vor-aussetzungen welche Informationen zu welchen Kosten ertei-len muss und wie der Datenschutz zu berücksichtigen ist. Die Informationen werden unverzüglich, spätestens einen Monat nach Antragstellung zur Verfügung gestellt. Ob und wieweit Unterlagen über Stiftungen hierunter fallen, ist noch nicht ge-klärt.

Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes Am 1.2.2013 hat der Bundestag grünes Licht für das „Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes“ gegeben. Er stimmte den gleichlautenden Gesetzentwürfen der Bundesregierung und der Fraktion CDU/CSU und FDP auf der Basis der

Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zu. Vorher fand eine öffentliche Anhörung vor dem Finanzausschuss des Bundestages statt, in deren Rahmen Interessenvertreter und Wissenschaftler zu Worte kamen. Das geplante Gesetz, welches den vormalig als Gemeinnützigkeitsentbürokratisierungsgesetz (GemEntBG) bekannten Entwurf fortführt, enthält viele Verbesserungen

für gemeinnützige Organisationen, insbesondere für Stiftungen. Stiftungen könnten nach den Plänen flexibler Rücklagen bilden und andere Stiftungen langfristig mit Vermögen ausstatten (Endowments). Zudem würde die Anerkennung von Verbrauchsstiftungen erleichtert, die Haftung ehrenamtlich Tätiger reduziert und die Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale angehoben. Vergütungsregelungen müssen in der Satzung geregelt werden. Das Gesetz geht am 1.3. in den Bundesrat. Stimmt dieser zu, tritt das Gesetz rückwirkend zum 1.1.2013 in Kraft.

Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement Die 29. und 30. Sitzung des Unterausschusses Bürger-schaftliches Engagement haben im November und Dezember 2012 stattgefunden. Im November wurden unter anderem aktuelle Studien zu lokalen Infrastruktureinrichtungen und Netzwerken der Engagementförderung vorgestellt und mit Prof. Dr. Annette Zimmer (Universität Münster) und Prof. Dr. Thomas Olk (Universität Halle-Wittenberg) diskutiert. Im Dezember wurden Studien zum Thema „Ethnische Diversität, soziales Vertrauen und Zivilengagement“ sowie zum Thema „Freiwilliges Engagement von Menschen mit Migrationshintergrund“ und der Gesetzentwurf zur Entbürokratisierung des Gemeinnützigkeitsrechts besprochen.

rechtsprechung

Gründung einer rechtsfähigen Stiftung durch Versorgungsunternehmen Mit Urteil vom 19. De-zember 2012 – 16 A 1451/10 hat das OVG Nordrhein-West-falen entschieden, dass die Gründung einer rechtsfähigen bürgerlich-rechtlichen Stiftung durch ein von der Stadt be-herrschtes Versorgungsunternehmen mit eigener Rechts-persönlichkeit dann gegen die ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB darstellende Bestimmung des § 100 Abs. 3 GO NRW verstößt und nichtig ist, wenn in die Stiftung wesent-lich oder ausschließlich finanzielle Mittel des Versorgungs-unternehmens eingebracht werden sollen. Denn § 100 Abs. 3 GO NRW verbietet die Einbringung von Gemeindevermö-gen in eine Stiftung, es sei denn, der mit der Stiftung verfolg-te Zweck kann auf andere Weise nicht erreicht werden. Dies wurde vorliegend verneint.

Ambulante Chemotherapien im Krankenhaus nicht steuerpflichtig Nach einem Urteil des FG Münster vom 24.10.2012 – 10 K 630/11 (Revision anhängig, Az. BFH I R 82/12) stellt die Abgabe von Krebsmedikamenten (sogenann-ten Zytostatika) durch ein Krankenhaus im Rahmen ambulanter Chemotherapien einen Zweckbetrieb dar und unterliegt damit nicht der Körperschaftsteuer. Wie die stationäre Behandlung stelle auch die ambulante Chemotherapie eine einheitliche Krankenhausleistung dar. Der BFH hat dem EuGH mit

Entscheidung vom 15.5.2012 die Frage, ob auch die Abgabe von Zytostatika durch Krankenhausapotheken umsatzsteuerfrei ist, unter dem Aktenzeichen V R 19/11 vorgelegt.

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iV npoR-Aktuell npoR Heft 1/2013

finanzverwaltung

Gewinnermittlung bei Betrieben gewerblicher Art Mit Schreiben vom 3.1.2013 – IV C 2 - S 2706/ 09/10005 hat das BMF die Frage geregelt, ob eine juristische Person des öffentlichen Rechts (jPöR) den Gewinn ihrer ein-zelnen Betriebe gewerblicher Art (BgA) auch nach Einfüh-rung der Doppik nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln kann oder zwingend durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln hat.

Steuerliche Aspekte der Mittagsversorgung in Schulen durch Schulfördervereine Mit Informationsschreiben vom 14.1.2013 gibt das BMF einen Überblick zum steuerrechtlichen Umfeld der Mittagsversorgung durch Schulfördervereine und weist auf geplante Änderungen hin. Entscheidend ist vor allem, ob der Schulförderverein den Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts genügt und ob die Abgabe von Speisen und Getränken im Rahmen eines Zweckbetriebs erfolgt. Kann die wirtschaftliche Tätigkeit nicht als Zweckbetrieb eingestuft werden, erfolgt eine Regelbesteuerung bei Überschreiten der Grenze von 35.000,- Euro Umsatz pro Jahr. Eine Umsatzsteuerbefreiung kommt nach den Vorschriften des § 4 Nr. 18 oder 23 UStG in Betracht. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. b UStG wird relevant, wenn die Abgabe von Speisen und Getränken im Rahmen eines Zweckbetriebs erfolgt. Ein BMF-Schreiben mit positiven Auswirkungen auf das sogenannte „Sozialcatering“ soll demnächst veröffentlicht werden.

Mitteilungen

Stiftungssektor weiter auf Wachstumskurs Nach der am 31.1.2013 vom Bundesverband Deutscher Stiftun-gen vorgelegten Jahresstatistik für das Jahr 2012 wurden im vergangenen Jahr 645 neue Stiftungen bürgerlichen Rechts errichtet. Damit gibt es aktuell 19.551 Stiftungen in Deutsch-land, somit kommen im Bundesdurchschnitt auf 100.000 Bundesbürger derzeit 24 Stiftungen. Mit 126 Neugründun-gen und einem Bestand von 3.780 rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts ist Nordrhein-Westfalen als Bundesland in absoluten Zahlen führend. In Relation zur Einwohnerzahl liegt Hamburg mit 70 Stiftungen pro 100.000 Einwohner vorn. Das im Vergleich zum Vorjahr geringere Wachstum an neuen rechtsfähigen Stiftungen (zum Vergleich: 817 neue Stiftungen im Jahr 2011) begründet der Bundesverband da-mit, dass bei kleineren Stiftungssummen alternative Stif-tungsformen wie Treuhandstiftungen oder aber auch das Zustiften, zum Beispiel in Form von Stiftungsfonds, immer beliebter würden. Die Pressemitteilung sowie weitere Infor-mationen sind auf der Homepage des Bundesverbandes nachzulesen.

Präsidentenwechsel beim Stifterverband Andreas Barner, der Vorsitzende der Unternehmensleitung der Boeh-ringer Ingelheim GmbH, soll der neue Präsident des Stifter-verbandes für die Deutsche Wissenschaft werden. Dafür hat sich das Präsidium des Stifterverbandes einstimmig ausge-sprochen. Wahl und Amtsübergabe sind für die Jahresver-sammlung des Stifterverbandes im Juni geplant. Im Falle

seiner Wahl folgt Andreas Barner auf Arend Oetker, der seit 1998 Präsident des Stifterverbandes ist.

Aktive Bürgerschaft veröffentlicht „Diskurs Bür-gerstiftungen“ Als Kompetenzzentrum für Bürgeren-gagement hat die Aktive Bürgerschaft mit der Publikation „Diskurs Bürgerstiftungen. Was Bürgerstiftungen bewegt und was sie bewegen“ ein 300-seitiges Kompendium von Beiträgen zusammengestellt, welches einen kaleidoskop- artigen Einblick in die Bürgerstiftungsgesellschaft in Deutschland vermitteln soll. Die Veröffentlichung richtet sich an Interessierte des Stiftungsrechts sowie Engagement-förderer in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.

Förderpreis Aktive Bürgerschaft 2013 Am 7.3.2013 wird im Forum der DZ Bank am Brandenburger Tor in Berlin der Förderpreis Aktive Bürgerschaft 2013 für Bürgerstiftun-gen verliehen. Ausgezeichnet werden Bürgerstiftungen aus Landshut (Bayern), Wiesloch (Baden-Württemberg), Neuss (Nordrhein-Westfalen) und München (Bayern). Die Aus-zeichnung ist mit insgesamt 40.000,- Euro dotiert.

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npoR Zeitschrift für Das recht Der NoN Profit orgaNisatioNeN

heft 1/2013 seiten 1-405. Jahrgang 14.3.2013

Herausgeber: Prof. Dr. Birgit Weitemeyer (geschäftsführend), Dr. Wilhelm-Albrecht Achilles, Prof. Dr. Arnd Arnold, Prof. Dr. Michael Droege, Prof. Dr. Hans Fleisch, Prof. Dr. Stefan Geibel, Prof. Dr. Rainer Hüttemann, Prof. Dr. Monika Jachmann, Prof. Dr. Dominique Jakob, Prof. Dr. Peter Rawert, Prof. em. Dr. Dieter Reuter, Dr. Andreas Richter, Dr. Stephan Schauhoff, Dr. Ulrich Segna, Dr. Thomas Wachter, Dr. Reinmar Wolff

aufsätze

Prof. Dr. Dominique Jakob, M.I.L. (Lund)*

Der Kommissionsvorschlag für eine Europäische Stiftung (Fundatio Europaea)

– Streifzug durch eine europäische Kulissenlandschaft?

Das Projekt einer möglichen „Europäischen Stiftung“ be-wegt die stiftungsrechtlich interessierten Kreise in Europa seit einigen Jahren. Hierbei soll eine neue supranationale Rechtsform geschaffen werden, die neben dem Recht der Einzelstaaten bestehen soll und für grenzüberschreitende ge-meinnützige Stiftungstätigkeit eingesetzt werden kann. Aus-gangspunkt der Überlegungen war die Feststellung, dass die derzeitige Rechtszersplitterung im europäischen Stiftungs-sektor zu Hindernissen für grenzüberschreitende Stiftungs-tätigkeit aus (international-) privatrechtlicher sowie (interna-tional-) steuerrechtlicher Perspektive führt.1 Nachdem es für die Einführung einer Europäischen Stiftung, wie etwa bei der Europäischen Aktiengesellschaft (SE), einer EU-Verordnung bedarf, sind die europäischen Gesetzgebungsorgane gefor-dert. Aus diesem Grund hat die EU-Kommission zunächst eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben (2007–2009), im Anschluss eine öffentliche Konsultation (2009) sowie ein Folgeabschätzungsverfahren (2010–2012) durchgeführt und – nach positiven Stellungnahmen des Europäischen Wirt-schafts- und Sozialausschusses (2010) und des Europäischen Parlaments (2011) – am 8.2.2012 einen Kommissionsvor-schlag für eine Verordnung über ein europäisches Stiftungs-statut veröffentlicht. Dieser Vorschlag kann nachfolgend nur in aller Kürze vorgestellt und anschließend mit Blick auf ei-nige wenige Merkmale kommentiert werden.

I. Inhalt

Nach dem Kommissionsentwurf2 ist die Europäische Stiftung (neuer Name Fundatio Europaea – FE) eine selbständige rechtsfähige Stiftung, die gemeinnützige Zwecke (aufge-zählt in einem abschließenden Katalog) und eine Tätigkeit in mindestens zwei Mitgliedstaaten (jedenfalls als Ziel) ver-

folgen muss. Vorgeschrieben wird ein Mindestvermögen von 25.000,- Euro; wirtschaftliche Tätigkeiten sind zuläs-sig, wenn die Gewinne zur Verfolgung des gemeinnützigen Zwecks verwendet werden, zweckfremde Tätigkeiten jedoch höchstens i.H.v. 10% des „Jahresnettoumsatzes“.

Die Stiftung erhält Rechtspersönlichkeit durch konstitu-tiven Registereintrag. Die Errichtung ist möglich durch Er-klärung zu Lebzeiten oder von Todes wegen sowie durch Umwandlung oder Verschmelzung von Stiftungen der Mit-

* Der Autor ist Professor für Privatrecht und Leiter des Zentrums für Stiftungsrecht an der Universität Zürich ( www.zentrum-stiftungsrecht.uzh.ch). Der Beitrag beruht auf einem Ausschnitt eines Vortrages, den der Autor am 2. Zürcher Stiftungsrechtstag (15.6.2012) an der Universität Zürich gehalten hat und der im ent-sprechenden Tagungsband veröffentlicht ist; siehe Jakob (Hrsg.), Stiften und Gestalten – Anforderungen an ein zeitgemäßes recht-liches Umfeld, 2013.

1 Hierzu ausführlich Jakob/Studen, Die European Foundation – Phantom oder Zukunft des europäischen Stiftungsrechts?, ZHR 2010, 61 ff.

2 Dieser Entwurf wird hier nicht im Detail wiedergegeben, sondern den nachfolgenden Ausführungen zugrunde gelegt; er sollte da-her gelesen werden und ist abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/eufoundation/proposal_de.pdf. Siehe außerdem zum Verordnungsentwurf Eckhardt/Jakob/ v. Schnurbein, Der Schweizer Stiftungsreport 2012, 2012, S. 21 f.; Jung, Die Europäische Stiftung als Innovationsfeld des Europä-ischen Gesellschaftsrechts?, BB 2012, 1743 ff; Weitemeyer, Der Kommissionsvorschlag zum Statut einer Europäischen Stiftung, NZG 2012, 1001 ff.; Werner, Die Verordnung über das Statut der Fundatio Europaea, ZStV 2012, 65 ff.; Wilke, Der Vorschlag der Kommission für das Statut einer Europäischen Stiftung, PISTB 2012, 184 ff.

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gliedstaaten. Sowohl in Bezug auf die Registrierung als auch die Aufsicht hat man sich gegen eine gemeinschaftsrechtli-che Lösung (z.B. eine zentrale Behörde in Brüssel) und für eine mitgliedstaatliche Lösung entschieden: Somit liegen Re-gistrierung und Aufsicht in den Händen des Mitgliedstaats, in welchem die Stiftung ihren Sitz hat; Zusammenarbeit und Informationsaustausch der Mitgliedstaaten sind vorgesehen.

Die Anforderungen an die Organisation sind puristisch: Vorgegeben ist ein Organ (weitere Organe sind freiwillig), die Governance besteht aus einer rein staatlichen Aufsicht durch eine Behörde im Sitzstaat. In steuerlicher Hinsicht hat man sich auf eine vermeintliche „Nicht-Diskriminierung“ geeinigt: Eine FE und ihre Beteiligten sollen nicht schlechter behandelt werden als dies bei einer jeweils nationalen „ge-meinnützigen Einrichtung“ der Fall wäre.

II. Bewertung

Die Bewertung des Entwurfs muss ihren Ausgang bei der Frage nehmen, ob und in welcher Form tatsächlich Hinder-nisse für die grenzüberschreitende Stiftungstätigkeit existie-ren. Die Reaktionen auf den Entwurf3 zeigen, dass diese Fra-ge in den Mitgliedstaaten deutlich umstrittener ist, als dies bei den Vorarbeiten durch die Kommission den Anschein hatte. Bejaht man diese Hindernisse, ist im Anschluss zu fra-gen, ob und in welcher Weise Bedarf für ein europäisches Tätigwerden besteht. Hierzu sind zwei Ebenen auseinander-zuhalten. Zum einen geht es um den Abbau von Diskrimi-nierungen über die europäischen Grundfreiheiten, der seit Jahren vom EuGH vorangetrieben wird. So soll über die europäische Niederlassungsfreiheit die zivilrechtliche An-erkennung von juristischen Personen aus anderen Mitglied-staaten gesichert werden (Urteile Centros et al.4). Daneben soll über die Kapitalverkehrsfreiheit die Anerkennung von Gemeinnützigkeitsprivilegien in einem Mitgliedstaat trotz Sitz einer Stiftung in einem anderen Mitgliedstaat (Rechts-sache Stauffer5) sowie die Anerkennung des entsprechen-den Spendenabzugs trotz Sitz des Empfängers im EU-Aus-land (Rechtssache Persche6) ermöglicht werden. Die zweite Ebene indes betrifft die davon zu trennende Frage, ob es – neben der erstgenannten Entwicklung – zusätzlich einer supranationalen EU-Stiftungsform bedarf. Für die europä-isch geprägten Vertreter des Gemeinnützigkeitssektors, wie etwa das European Foundation Centre in Brüssel,7 scheint der Fall auf der Hand zu liegen: Mit großer Euphorie wird die Bedeutung des Projekts betont, der Entwurf als Meilen-stein gepriesen und Existenz und Fortgang kausal mit der eigenen Lobbytätigkeit verknüpft.8 Doch wird schnell klar, dass es dort v.a. um die Verwirklichung der „Statute“ als sol-che und damit den Prestigeerfolg geht, nicht um den Inhalt im Einzelnen. Aus juristisch-neutraler Sicht sind die Dinge nämlich deutlich nüchterner zu betrachten: Zwar scheint die Idee gut, und die Unterstützung im Sektor für die Rechts-form ist vorhanden, jedoch sind bereits die Kompetenzen der EU (weiterhin) umstritten,9 und der Entwurf der Verordnung ist inhaltlich (sehr) bescheiden geraten. Ausdrücklich beruft sich der Verordnungsgesetzgeber auf den kleinsten gemein-samen Nenner, dessen Konturen aber bisweilen bedenklich ausgefallen sind.

1. Stiftungsbegriff

Bereits der Stiftungsbegriff ist fragwürdig. Er bezieht sich ausschließlich auf rein gemeinnützige Stiftungen und blen-det gemischte Modelle völlig aus.10 Deutlich problematischer ist jedoch der Ansatz, in Art. 5 E-VO einen abschließenden

Katalog an “zivilrechtlichen Gemeinnützigkeitskriterien“ zu definieren und an diese den Zugang zur Rechtsform zu knüpfen. Denn die hier verwendeten Begriffe stammen aus den Steuerrechten der Mitgliedstaaten und sind dort von Wertungen geprägt, die nicht den Zugang zur Rechtsform Stiftung ermöglichen, sondern die steuerliche Privilegierung einer Stiftung legitimieren sollen.

So ist schon fraglich, ob wirklich ein ausreichender Auf-wand betrieben wurde, einen den Mitgliedstaaten gemein-samen Nenner zu finden,11 so dass es hier einer Generalklau-sel, zumindest aber eines Auffangtatbestands bedurft hätte.12 V.a. aber sind bereits bei diesem ersten Grundmerkmal, das den Zugang zur Rechtsform verschafft, Auslegungsproble-me, Überraschungen und Widerstände vorprogrammiert. Denn werden steuerliche Kriterien zum zivilrechtlichen Wirksamkeitserfordernis erhoben, wird ein steuerliches An-erkennungspräjudiz suggeriert, nämlich dass die Gründung der FE ihre Steuerprivilegierung automatisch einschließt. Ob dieser Konnex tatsächlich bestehen soll oder bestehen kann, ist indes zweifelhaft, weil die Hoheit für die Besteuerung der Rechtsform wohl (auch weiterhin) bei den Mitgliedstaaten liegt.13 Dennoch scheint Art. 49 E-VO in seiner derzeitigen Formulierung davon auszugehen, dass eine FE im Staat der Gründung (und den übrigen Mitgliedstaaten) nicht gleich ei-ner nationalen Stiftung, sondern gleich einer nationalen ge-meinnützigen Stiftung behandelt wird (den Mitgliedstaaten also gerade nicht mehr das Recht gelassen werden soll, ihr eigenes Steuerrecht in Bezug auf die Gemeinnützigkeit der FE zu befragen). Und Art. 49 Abs. 3 E-VO besagt, dass „die FE den nach dem Recht der betreffenden Mitgliedstaaten gegründeten gemeinnützigen Einrichtungen gleichgestellt“ werden soll. Allein: Ratio eines Nicht-Diskriminierungsan-satzes wäre es gewesen, dass eine FE nicht schlechter be-handelt werden darf als eine nationale Stiftung (nicht: natio-

3 Vgl. dazu etwa Beschluss des Deutschen Bundesrats, Stellung-nahme vom 30.3.2012 zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Stiftung (FE), COM(2012) 35 final, BR-Drs. 74/12 (einsehbar unter www.bundesrat.de) und hierzu unten III.

4 Siehe hierzu ausführlich Jakob, in: Beuthien/Gummert (Hrsg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 5, 2008, § 119 Rn. 7 ff., auch zu den hiermit zusammenhängenden Pro-blemen des „Erwerbszwecks“ und des Funktionierens der (inter-)nationalen Stiftungsaufsicht; Jakob, Das Stiftungsrecht der Schweiz im Europa des dritten Jahrtausends, SJZ 2008, 533, 541.

5 EuGH, Urt. v. 14.9.2006 – C-386/04, Stauffer , Slg. 2006, I-8203.6 EuGH, Urt. v. 27.1.2009 – C-318/07, Persche, Slg. 2009, I-359.7 Siehe dazu http://www.efc.be. 8 Vgl. Interview mit Salole, in: Eckhardt/Jakob/v. Schnurbein (Fn. 2),

S. 23 f.9 Vgl. Stellungnahme des Deutschen Bundesrats (Fn. 3), S. 1 f.;

außerdem Weitemeyer (Fn. 2), S. 1002 f. zu der Frage, ob die FE-Verordnung auf die Kompetenzergänzungsklausel des Art. 352 AEUV gestützt werden kann.

10 Siehe hierzu bereits Jakob/Studen (Fn. 1), S. 75 ff. und insbeson-dere S. 78 f.

11 Etwa verwehrt sich die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) in ihrer Stellungnahme zum Vorschlag für eine Verordnung des Ra-tes über das Statut der Europäischen Stiftung vom 12.3.2012, S. 2, ausdrücklich dagegen, den Zweck des „Verbraucherschutzes“ als gemeinnützigen Zweck zu verstehen (abrufbar unter http://portal.wko.at/wk/startseite_th.wk?sbid=3973&dstid=0).

12 Vgl. Stellungnahme der WKO (Fn. 11), S. 2; vgl. auch Jakob/Studen (Fn. 1), S. 76.

13 Vgl. etwa Schäfers, in: Richter/Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, 2007, S. 369 m.w.N.

2 Aufsätze | Jakob npoR Heft 1/2013

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nale gemeinnützige Stiftung) und gerade kein europäisches Gemeinnützigkeitsrecht „light“ geschaffen wird, wie es hier aber – noch dazu rechtsformabhängig – geschehen ist.14 Die Kommission schießt also weit über das eigentliche Ziel (und auch die Anforderungen nach Stauffer) hinaus und könnte damit der Verordnung, was die Annahme durch die Mit-gliedstaaten betrifft, einen „Bärendienst“ erweisen.

Spannungen werden sich beispielsweise ergeben, wenn eine nationale Stiftung mit vergleichbarem Zweck in einem Mitgliedstaat keine Steuerbefreiung genießen würde. Etwa ist der Verbraucherschutz in Österreich kein steuerbefreiter Zweck,15 dennoch scheint nach dem Wortlaut der Verordnung eine entsprechende FE in Österreich eingetragen werden zu können; weil aber eine nationale österreichische Stiftung zu diesem Zwecke nicht steuerbefreit wäre, würde non-discri-mination aus Sicht des Mitgliedstaats Österreich eigent-lich heißen, dass die FE in ihrem eigenen Sitzstaat gar kei-ne Steuerbefreiung genießen könnte, was wiederum den an „zivilrechtlichen Gemeinnützigkeitskriterien“ aufgehängten Stiftungsbegriff ad absurdum führen würde. Und würde die gleiche Stiftung in Deutschland eingetragen, könnte sie zwar in Deutschland steuerbefreit werden (vgl. § 52 Abs. 2 Ziff. 16 AO), dürfte dies aber trotz Nichtdiskriminierungsklausel (Art. 49 Abs. 3 E-VO) in Österreich (wiederum aufgrund der Gleichbehandlung mit nationalen Stiftungen) streng genom-men nicht. Es erscheint unklar, ob der Verordnungsgeber die-se Diskrepanz in Rechnung gestellt und den angekündigten Nichtdiskriminierungsansatz bewusst oder unbewusst erwei-tert hat (oder potentiellen nationalen Stiftern gar eine „Flucht in die FE“ ermöglichen wollte). Jedenfalls ist hier dringend Klärung geboten, bevor eine entsprechende Verordnung – auch vor dem Hintergrund der fehlenden EU-Steuerkompe-tenz – von den Mitgliedstaaten angenommen werden könnte oder aufgrund der geforderten Einstimmigkeit nach Art. 352 Abs. 1 AEUV auch nur die Chance dazu bestünde.16

Auch das in Art. 6 E-VO enthaltene grenzüberschreitende Element kann in Auslegung und Konsequenz Zweifelsfragen aufwerfen.17 Zu welchem Zeitpunkt muss Grenzüberschrei-tung vorliegen, wie lange muss sie andauern, ab welcher Mindestintensität ist von einer solchen auszugehen, was pas-siert, wenn sie wieder wegfällt? Der gewählte Mittelweg, die Grenzüberschreitung als „Ziel“ genügen zu lassen, schafft hier wenig Abhilfe. Muss das Ziel Bestandteil des Stiftungs-zwecks sein? Reicht eine entsprechende Intention des Stifters oder der Organe? Was passiert, wenn das Ziel schlicht nicht verwirklicht wird oder nicht verwirklicht werden kann? Vor dem Hintergrund dieser Zweifelsfragen hätte auf das grenz-überschreitende Element verzichtet werden und stattdessen z.B. das Mindestvermögen als Eintrittsschwelle nutzbar ge-macht werden können.18

Dieses Mindestvermögen ist mit 25.000 Euro (Art. 7 Abs. 2 E-VO) nämlich sehr gering ausgefallen.19 Projekten mit ei-nem genuinen Potential für grenzüberschreitende oder gar gesamteuropäische Wirkung hätte durchaus eine höhere Schwelle zugemutet werden können. Das gleiche gilt für die „Mindestdauer“ von zwei Jahren (Art. 12 Abs. 2 E-VO), für deren Einführung oder gar Festschreibung es stiftungsrecht-lich überhaupt keinen Anlass gibt.20

Last but not least ist das Nebenzweckprivileg missglückt. 10% des „Jahresnettoumsatzes“ sind im Stiftungsrecht kei-ne brauchbare Größe, da Stiftungen einen solchen gar nicht aufweisen. Sollten hierunter die Erträge des Stiftungsvermö-gens zu verstehen sein, handelt es sich in heutiger Zeit um eine sehr volatile (und auch recht geringe) Größe, die eine

verlässliche Planung einer zulässigen zweckfremden Neben-tätigkeit erschweren bis verunmöglichen würde. Und so hätte eher über Kriterien in Bezug auf das Halten von Anteilen an wirtschaftlich orientierten Gesellschaften, in die ein Neben-erwerb ausgelagert werden kann, zur Kanalisierung des Ne-benzweckprivilegs nachgedacht werden können.21

2. Governance

Das im Verordnungsentwurf enthaltene Governance-System ist aus stiftungsrechtlicher Sicht eine Enttäuschung. Es zeigt keine modernen Tendenzen, sondern ist vor dem Hintergrund der Entwicklungen, Diskussionen und Anschauungsbeispiele, die in der letzten Dekade rechtsvergleichend zu verzeichnen waren, schon fast als „reaktionär“ zu bezeichnen. Anders als in den Vorentwürfen, die sich durch einige gute Ansätze in Bezug auf die interne Governance ausgezeichnet hatten,22 ist ein rein behördliches, externes Aufsichtssystem vorgesehen. Es finden sich keine Vorgaben im Hinblick auf ein Kontroll-organ (allerdings Transparenz- und Rechenschaftspflichten, Art. 34 E-VO), keine Beteiligtenrechte, keine Stiftungsauf-sichtsbeschwerde.23

Auch die (immerhin enthaltenen) Inkompatibilitätsvorschrif-ten sind inhaltlich unausgegoren. Zu begrüßen ist, dass die Mindestzahl an Stiftungsrats- bzw. Vorstandsmitgliedern auf drei festgesetzt wurde (Art. 27 Abs. 1 E-VO) und eine organ-

Jakob | AufsätzenpoR Heft 1/2013 3

14 Siehe auch Hüttemann, Die EU entdeckt die Zivilgesellschaft – zum Vorschlag der Kommission für eine Europäische Stiftung, EuZW 2012, 441, 442.

15 Vgl. dazu § 34 Abs. 1, § 35 Abs. 1 und 2 S. 2 Bundesabgabenord-nung sowie § 2 Abs. 2 Bundesstiftungs- und Fondsgesetz; siehe auch Stellungnahme der WKO (Fn. 11), S. 2.

16 Auch Weitemeyer (Fn. 2), S. 1009, geht davon aus, dass die auto-matische Anerkennung der FE als in allen Mitgliedstaaten steu-erbegünstigt die am schwierigsten zu nehmende Hürde für die erforderliche Einstimmigkeit im Rat sein dürfte. Ebenso Richter, Vorwort npoR 4/2012, I, der exemplarisch darauf verweist, dass aus deutscher Sicht die Möglichkeit der unbeschränkten Thesau-rierung von Stiftungserträgen dem Gebot der zeitnahen Mittel-verwendung (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO) widersprechen würde.

17 Siehe dazu auch Weitemeyer (Fn. 2), S. 1006, der zufolge die Ent-wurfsregelung an Art. 2 EU-SCE-VO angeglichen werden sollte, „wonach entweder die Stifter oder die Gründungsstiftungen aus mindestens zwei Mitgliedstaaten stammen müssen oder die Sat-zung eine internationale Tätigkeit vorschreibt“.

18 Vgl. dazu Jakob/Studen (Fn. 1), S. 83 f.19 Einheitliche Ansicht eigentlich aller derzeit verfügbaren Stel-

lungnahmen, siehe Stellungnahme der WKO (Fn. 11), S. 2; Stel-lungnahme des Deutschen Bundesrats (Fn. 3), S. 5; Stellungnah-me des Deutschen Notarvereins zum Vorschlag des Europäischen Rates über das Statut der Europäischen Stiftung vom 16.4.2012, S. 6 (abrufbar unter http://www.dnotv.de/_files/Dokumente/Stel-lungnahmen/StellungnahmeFE2012-04-16.pdf). Kritisch überdies Weitemeyer (Fn. 2), S. 1004.

20 Siehe zur Verbrauchsstiftung oder auch zur Stiftung auf Zeit etwa Jakob, Schutz der Stiftung – Die Stiftung und ihre Rechtsverhält-nisse im Widerstreit der Interessen, 2006, S. 58 f.; Hüttemann/Ra-wert, Staudinger-BGB, Neubearbeitung, 2011, Vorbemerkungen zu §§ 80 ff., Rn. 127 und § 81 Rn. 57. Dazu, dass diese Regelung auch dem deutschen Verständnis von „Nachhaltigkeit und Dau-erhaftigkeit“ entgegensteht, vgl. Stellungnahme des Deutschen Bundesrats (Fn. 3), S. 5.

21 Vgl. insoweit die Stellungnahme des Deutschen Notarvereins (Fn. 19), S. 7.

22 Vgl. im Überblick Jakob/Studen (Fn. 1), S. 93 ff. m.w.N.23 Siehe hierzu Jakob/Studen (Fn. 1), S. 86 ff., auch etwa zu entspre-

chenden Vorbildern im schweizerischen oder liechtensteinischen Recht.

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übergreifende Inkompatibilität ausgeschlossen wird (Art. 32 Abs. 2 E-VO). Im Übrigen ist die entscheidende Vorschrift, Art. 32 E-VO, jedoch gleichzeitig zu eng und zu weit ausge-fallen.24 Zu weit erscheint die Vorschrift, weil nach Abs. 1 kon-fligierte Mitglieder, deren Urteilsvermögen beeinflusst ist (!), lediglich „nicht Mehrheit des Vorstands bilden“ dürfen – drei von sieben Mitgliedern z.B. dürfen also in ihrem Urteilsvermö-gen beeinflusst sein. Fraglich ist auch, wie diese Beeinträch-tigung konkret und ad hoc zu bestimmen ist (psychologisches Gutachten?), so dass hier insgesamt eine andere Formulie-rung gefunden werden muss. Auf der anderen Seite scheint die Vorschrift in ihrem Abs. 3 zu eng, wenn weder direkte noch indirekte Vergünstigungen an den Stifter, gewisse Stif-tungsbeteiligte oder an Personen gewährt werden dürfen, die mit diesen in geschäftlicher oder enger familiärer Beziehung stehen. Wenn man nämlich bisher dachte, dass eine FE etwa von einer nationalen Institution gegründet werden könnte, um gesamteuropäisches Fundraising für letztere zu betreiben, scheint das mit dieser Vorschrift untergraben.

3. Anwendbares Recht

In der Verordnung wurden zahlreiche Lücken gelassen mit dem Hinweis (siehe [6] der Präambel und Art. 3 Abs. 2 [b] E-VO), dass dort das auf „gemeinnützige Einrichtungen an-wendbare einzelstaatliche Recht“ zur Anwendung kommen solle. Zwar wird die „gemeinnützige Einrichtung“ in Art. 2 Abs. 5 E-VO definiert als „eine Stiftung mit gemeinnütziger Zweckbestimmung und/oder eine ähnliche gemeinnützige Körperschaft ohne Mitglieder, die nach dem Recht eines Mit-gliedstaats gegründet worden ist“, so dass das passende ma-terielle Recht in der Regel wohl gefunden werden kann. Den-noch wird wieder ein unpassender Begriff gewählt, weil das steuerliche Kriterium der „Gemeinnützigkeit“ keine ausrei-chende Aussagekraft für die relevanten, nach einzelstaatli-chem Recht zu klärenden Fragen (dazu sogleich) hat. Zudem kann es Probleme geben, welches Recht welchen Staates an-wendbar ist, weil die Sitzvorschriften unklar sind.25

Noch wichtiger ist jedoch, dass Lücken gerade in den Be-reichen gelassen wurden, in denen aufgrund großer Diver-genzen in den Mitgliedstaaten eine einheitliche Regelung besonders nötig gewesen wäre. Als Beispiel mag die Haftung von Stiftungsorganen dienen, in Bezug auf welche völlig un-terschiedliche Ansätze anzutreffen sind (etwa im Hinblick auf gesetzliche oder statutarische Haftungserleichterungen oder die Geltung der Business Judgement Rule26). Ein wei-teres Beispiel ist der Rechtsschutz der Stiftungsbeteiligten oder die Existenz einer Stiftungsaufsichtsbeschwerde. Wäh-rend etwa in Liechtenstein ein umfassender Rechtsschutz für grundsätzlich alle Stiftungsbeteiligten besteht,27 ist dieser in Deutschland aufgrund fehlender Antragsbefugnis für die Be-teiligten fast gänzlich ausgeschlossen.28 Bedenkt man aber, dass über den Rechtsweg zur Aufsicht und zu den Gerich-ten sowie eine eventuelle gerichtliche Vorlage erst der Weg zum EuGH eröffnet wird, der ja für eine einheitliche Ausle-gung der Verordnung sorgen soll, ist das ein bedenklicher Zustand.29

4. Sitzfragen

Potenziert wird das Ganze dadurch, dass die Sitzfragen un-klar bzw. verfehlt geregelt worden sind. Eingetragen und beaufsichtigt wird die Stiftung – ohne dass dies in aller Deutlichkeit ersichtlich wäre – am Satzungssitz der Stiftung. Dieser scheint – auch wenn man auf das Gründungsrecht abstellen möchte, das aus eben genanntem Grund aber mit

dem Recht des Satzungssitzes zusammenfällt – wohl auch für das subsidiär anwendbare Recht i.S.d. Art. 3 Abs. 2 (b) E-VO maßgeblich zu sein.30 Allerdings können nach der Regelung der Verordnung Rechtssitz (im Sinne des Satzungssitzes) und Verwaltungssitz der FE auseinanderfallen. Es ist nicht ganz klar, ob das wirklich von der Kommission intendiert war (denn das ist anders als bei der Europäischen Aktiengesell-schaft (SE) und den anderen bislang existierenden europä-ischen Gesellschaftsformen), ist aber der derzeitige Stand.31 Hinnehmbar scheint dies noch, wenn der Grund für ein sol-ches Auseinanderfallen in genuiner grenzüberschreitender Tätigkeit liegt. Nicht mehr tragbar wäre der Zustand aber dann, wenn Verwaltung und Tätigkeit der Stiftung nichts mit dem Satzungssitz zu tun haben. Denn dann besteht eine offensichtliche Gefahr von forum shopping, Briefkasten-Stif-tungen und handlungsunfähigen Aufsichtsbehörden,32 falls sich gewisse Mitgliedstaaten aufgrund wenig zupackender Behördenstruktur als Sitzparadiese herausstellen würden.

5. Steuerrecht

Es wurde bereits angesprochen, dass in steuerrechtlicher Hinsicht kein echter „europäischer Gemeinnützigkeitsraum“ errichtet werden sollte; gleichwohl wurde – verpackt in einen missverständlich formulierten33 Nicht-Diskriminierungsansatz – eine Art rechtsformabhängiges europäisches Gemeinnützigkeitsrecht geschaffen, indem die FE nach Art. 49 E-VO – ohne weitere Nachweispflicht – automatisch wie nationale gemeinnützige Einrichtungen

24 Artikel 32 E-VO (Interessenkonflikte) “(1) Der Stifter und andere Vorstandsmitglieder, die untereinan-

der oder zum Stifter in einer geschäftlichen, familiären oder sons-tigen Beziehung stehen, die einen tatsächlichen oder möglichen Interessenkonflikt begründen könnte, der ihr Urteilsvermögen beeinflusst, dürfen nicht die Mehrheit des Vorstands bilden.

(2) Niemand darf zugleich Mitglied des Vorstands und des Auf-sichtsrats sein.

(3) Einem Stifter, einem Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied, einem geschäftsführenden Direktor oder Prüfer dürfen weder direkte noch indirekte Vergünstigungen gewährt werden noch dürfen diese Vergünstigungen einer Person zugutekommen, die mit diesen Personen in einer geschäftlichen oder engen familiä-ren Beziehung steht, es sei denn, die Vergünstigungen werden für die Erfüllung ihrer Aufgaben in der FE gewährt.“

25 Siehe dazu sogleich II.4. sowie zum Ganzen auch Weitemeyer (Fn. 2), S. 1003.

26 Vgl. zur Einführung der Business Judgement Rule im liechten-steinischen Recht Jakob, Die liechtensteinische Stiftung – Eine strukturelle Darstellung des Stiftungsrechts nach der Totalrevisi-on vom 26. Juni 2008, 2009, Rn. 343 und 348 ff. Zur Organhaftung nach dem Verordnungsentwurf siehe auch Weitemeyer (Fn. 2), S. 1005.

27 Dazu Jakob, Die liechtensteinische Stiftung (Fn. 26), Rn. 468 ff.28 Dazu Jakob, Schutz der Stiftung (Fn. 20), Rn. 498 ff.29 Vgl. zu weiteren Aspekten, etwa zur Reichweite der ebenfalls

problematischen „Satzungsdominanz“ i.S.d. Art. 3 Abs. 1, 2 E-VO Jung (Fn. 2), S. 1744; Weitemeyer (Fn. 2), S. 1003.

30 Siehe dazu oben II.3.31 Zur Sitzaufspaltung und grenzüberschreitenden Satzungssitzver-

legung siehe auch Jung (Fn. 2), S. 1743 f.32 Aufsichtsbehörden außerhalb des „Sitzstaats“ haben, auch wenn

die FE dort tätig ist oder gar ihre Hauptverwaltung unterhält, kei-ne eigenen Befugnisse, sondern können lediglich aufsichtsrecht-liche „Nachforschungen“ im Sitzstaat beantragen (Art. 47 Abs. 3 E-VO); vgl. Stellungnahme des Deutschen Bundesrats (Fn. 3), S. 8 (dort Ziff. 20).

33 Siehe oben II.1.

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behandelt werden soll.34 Es wurde oben schon darauf hingewiesen, dass aufgrund dieses unausgegorenen Junktims zwischen zivilrechtlicher Rechtsform und steuerlicher Gemeinnützigkeit sowie der unvollkommenen Ausarbeitung der „europäischen Gemeinnützigkeitskriterien“ – unnötiger-weise – eine Unwucht geschaffen wurde, die die Verordnung letztlich zum Scheitern bringen kann. Aus Sicht des Autors wäre es daher für ein Gelingen der FE förderlich, Zivilrecht und Steuerrecht zu entflechten und die Anerkennung des Gemeinnützigkeitsstatus den Mitgliedstaaten zu überlassen, indem die FE nicht schlechter behandelt werden darf als eine nationale – also nicht nationale gemeinnützige – Stiftung (eigentliche Nichtdiskriminierung gegenüber mitgliedstaatlichen Rechtsformen).

Hinzuweisen ist daneben auf die Forderung Hüttemanns,35 anstatt sich auf eine (möglicherweise entbehrliche) Euro-päische Stiftung zu konzentrieren, einen gemeinschafts-weit einheitlichen, aber rechtsformneutralen steuerlichen Rechtsrahmen für die grenzüberschreitende Anerkennung gemeinnütziger Einrichtungen zu entwickeln, welcher allen gemeinnützigen Einrichtungen in den Mitgliedstaaten einen rechtssicheren Weg für grenzüberschreitende Aktivitäten in anderen Mitgliedstaaten eröffnen würde. Freilich wäre die notwendige Voraussetzung für dieses Begehren, dass dies in einem sachgerechten Verfahren und mit einer auch hierauf ausgerichteten Meinungsbildung vonstattenginge; in den letzten Jahren hat man sich nämlich unter dem Hinweis, dass für eine Harmonisierung europäischer Gemeinnützig-keitskriterien ohnehin kein Konsens zu erwarten sei, auf die zivilrechtlichen Kriterien konzentriert und – anscheinend missverständlich für die Europäische Kommission – auf die relative Gefahrlosigkeit einer „Nichtdiskriminierungsklau-sel“ berufen.

III. Resümee

In der Tat erinnert der Streifzug durch den Verordnungsent-wurf an einen Gang durch ein potemkinsches Dorf. Denn hier wurde mit (jedenfalls im Sektor) relativ großer öffentli-cher Aufmerksamkeit eine Landschaft aufgebaut, die als sol-che wohl kaum Gesetz werden kann. Und es ist aus heutiger Sicht auch nicht gesagt, ob die Europäische Stiftung Reali-tät werden wird und ob es dieser Rechtsform – jedenfalls im vorliegenden Gewand – tatsächlich bedarf. Auf der anderen Seite erscheint es fraglich, wie kritisch man mit dem von der Kommission vorgelegten Entwurf umgehen soll. Denn bei allen Unzulänglichkeiten im Detail ist es vielleicht gerade der Symbolcharakter, den die Erschaffung einer FE mit sich bringen und der den europäischen Gemeinnützigkeitssek-tor beflügeln könnte. Und eine schlechte FE könnte man in dieser Hinsicht immer noch für besser halten als gar keine FE, jedenfalls wenn man, durchaus optimistisch, den europä-ischen Gesetzgebungsorganen einen Nachbesserungswillen zutrauen würde.

Dennoch wurde aus Sicht des Autors eine Chance verpasst, ein modernes und hochwertiges Stiftungsrecht zu kreieren und der Rechtsform dadurch einen Mehrwert zu geben – dazu ist der Entwurf einfach zu lieblos und unsorgfältig aus-gearbeitet. Auch der Anwendungsbereich der Rechtsform dürfte gering sein. Eine FE scheint nur für große, genuin ge-samteuropäische Projekte sinnvoll, die auch ein europäisches Label benötigen (z.B. eine FE für europäischen Verbraucher-schutz, wenn man letzteren im Katalog der „gemeinnützigen Zwecke“ behalten will). Ein weiteres (Schul-)Beispiel wäre: Ein Deutscher, ein Österreicher und ein Franzose wollen

eine Stiftung gründen, können sich aber nicht auf ein ge-meinsames Recht einigen. Wird indes schlicht eine taugliche Stiftungsform gesucht, um internationale Stiftungstätigkeit zu betreiben, scheint aus heutiger Sicht, schon aufgrund von Rechtssicherheitsaspekten und der bisher kaum verlässlichen Funktionsfähigkeit der FE, weiterhin eine nationale Stiftung vorzugswürdig, etwa – freilich aus der helvetisch geprägten Sicht des Autors – eine Stiftung Schweizer Rechts.

Nun muss der Fortgang des europäischen Gesetzgebungs-verfahrens abgewartet werden. Die Verordnung muss die Zustimmung des Europäischen Parlaments erhalten und dann vom Rat der Europäischen Union einstimmig erlassen werden (vgl. Art. 352 Abs. 1 AEUV). Allerdings sind – in ihrer Schärfe fast überraschend – als Reaktion auf den Kommissi-onsentwurf zahlreiche neue Vorbehalte angebracht worden, sowohl von privaten Institutionen als auch von den Mitglied-staaten selbst. Als Beispiel sei hier nur die Stellungnahme des Deutschen Bundesrats vom 30.3.201236 erwähnt, die (neben zahlreichen Kritikpunkten im Detail) zusammengefasst lau-tet: Es gebe schon keine Hindernisse für grenzüberschreiten-de Stiftungstätigkeit, es bestehe keine EU-Kompetenz zum Erlass der Verordnung, die Verordnung verstoße gegen die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, und somit sei der gesamte Vorschlag europarechtswidrig. Das letzte Wort in puncto einstimmiger Verabschiedung ist also noch nicht gesprochen.37 Im Gegenteil: Der unglückli-che Kommissionsentwurf hat die Mitgliedstaaten der Rechts-form nicht gewogen gemacht, sondern könnte ihrer Verwirk-lichung letztlich zu Schaden gereichen.

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34 Für einen Vergleich der steuerlichen Regelungen des Entwurfs mit dem derzeitigen deutschen bzw. europäischen Gemeinnüt-zigkeitsrecht Weitemeyer (Fn. 2), S. 1007 ff.

35 Hüttemann (Fn. 14), S. 441 f.36 Siehe Fn. 3.37 Seit Abschluss des Manuskripts sind naturgemäß weitere Ent-

wicklungen zu verzeichnen, auf die an dieser Stelle nicht mehr eingegangen werden kann und soll. Etwa hat das „Legal affairs (JURI) committee of the European Parliament“ am 26.11.2012 eine öffentliche Anhörung durchgeführt; der „Draft Report“ des Committee wird für Juni 2013 erwartet. Siehe zum jewei-ligen „Stand“ der FE den Überblick auf der Website des EFC:

http://www.efc.be/programmes_services/advocacy-monitoring /European-Foundation-Statute/Pages/default.aspx; einsehbar ist dort auch die „Revised legal analysis“ des EFC vom 24.11.2012:

http://www.efc.be/programmes_services/resources/Documents/EFCLegalAnalysisEFS2012.pdf.

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Selten stand das kirchliche Arbeitsrecht so im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit wie nach Verkündung der ak-tuellen Streik-Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20. November 2012.1 Die Berichterstattung ließ den auf-merksamen Beobachter allerdings verwirrt zurück: “Richter lockern Kirchliches Streikverbot“ titelte die Süddeutsche Zeitung2, „Eine Bestätigung für die Kirchen“ verkündete hingegen die FAZ.3 In den Nachrichten feierten sich sowohl Kirchen- als auch Gewerkschaftsvertreter als Gewinner und ließen das Urteil wahrhaft salomonisch erscheinen. Bei ei-ner objektiven Lektüre der offiziellen Pressemitteilungen des BAG – und nur diese liegen bislang vor – lässt sich feststel-len, dass die Wahrheit (wie so oft) in der Mitte liegt.

Der folgende Beitrag fasst Hintergrund und Inhalt der Ent-scheidungen zusammen und beleuchtet ihre Bedeutung für die Praxis.

I. Hintergrund

Das Grundgesetz räumt den Kirchen in Deutschland ein weitreichendes Selbstbestimmungsrecht ein.4 Dieses Recht umfasst unter anderem die Schaffung kirchlicher Arbeits-rechtsregelungen und einer kircheneigenen Arbeitsgerichts-barkeit.5 Erfasst werden neben der organisierten Kirche auch die Werke und Einrichtungen der Caritas und des Diakoni-schen Werkes und damit insgesamt mehr als 1 Million Ar-beitnehmer.6 Die Arbeitsbedingungen dieser Arbeitnehmer werden nicht mit Gewerkschaften in Tarifverträgen geregelt, sondern in einem besonderen Verfahren festgelegt: soge-nannte Arbeitsrechtliche Kommissionen, die paritätisch mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern besetzt sind, verabschie-den Arbeitsrechtsregelungen.7 Diese, zumeist als „Arbeits-vertragsregelungen (kurz AVR)“ bezeichneten Regelungen, sind in der katholischen Kirche, den Caritas-Verbänden und den einzelnen evangelischen Landeskirchen und den ihnen jeweils zugeordneten diakonischen Werken unterschiedlich ausgestaltet.8 Die Einrichtungen sind durch ihre Zugehörig-keit zur Kirche bzw. zum Caritasverband oder zu einem der insgesamt 21 Diakonischen Werke satzungsgemäß verpflich-tet, diese Arbeitsbedingungen anzuwenden. Die Anwendung erfolgt nicht automatisch, sondern durch einzelvertraglichen Verweis in den Arbeitsverträgen.9

Dieses Verfahren zur Festlegung kollektiver Arbeitsbe-dingungen – gemeinhin als „Dritter Weg“ bezeichnet – steht damit im Gegensatz zum staatlichen kollektiven Arbeitsver-tragsrecht der Verhandlung und Vereinbarung von Tarifver-trägen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbän-den (sog. „Zweiter Weg“).10 Tarifverträgen kommt – anders als den AVR – normative Wirkung zu, d.h. sie gelten grund-sätzlich unmittelbar und zwingend und damit unabhängig von einer Bezugnahme im Arbeitsvertrag.11

Ein weiterer entscheidender Unterschied zwischen dem staatlichen Tarifvertragsrecht und dem Verfahren des Drit-ten Weges besteht in den Reaktionsmöglichkeiten im Falle eines Konflikts zwischen den Verhandlungspartnern. Das Tarifrecht sieht für diesen Fall die Möglichkeit des Arbeits-kampfes, insbesondere des Streiks vor. Das Streikrecht der

Gewerkschaften leitet sich nach h.M. unmittelbar aus der grundgesetzlich garantierten Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG ab.12 Die zentrale Bedeutung, die dem Streikrecht im Rahmen des Tarifrechts zukommt, wurde höchstrichter-lich immer wieder bestätigt. Das BAG bezeichnete Tarifver-handlungen ohne die Möglichkeit des Streiks gar als „kol-lektives Betteln.“13

Das kirchliche Arbeitsrecht kennt das Mittel des Streiks hingegen nicht. Der Ausschluss des Streiks wird damit be-gründet, dass die christliche Dienstgemeinschaft unverein-bar mit den Mitteln des Arbeitskampfes sei.14 Für den Fall, dass die Arbeitsrechtliche Kommission zu keinem Ergebnis gelangt, sehen die Kirchen an dessen Stelle unterschiedlich ausgestaltete Schlichtungsverfahren vor.15

Das Streikverbot im Rahmen des kirchlichen Arbeitsrechts ist juristisch seit langem umstritten und insbesondere Ge-werkschaften ein Dorn im Auge.16 Zentrale Frage ist, ob das verfassungsrechtlich gewährte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen so weitreichend ist, dass es den Kirchen gestattet, das (ebenfalls aus der Verfassung abgeleitete) Streikrecht auszuschließen. Diese Frage war Anlass und Inhalt der nun-mehr vom BAG entschiedenen Verfahren.

* Die Autorin ist Rechtsanwältin und Leiterin des Geschäftsfelds Arbeitsrecht bei der CURACON Weidlich Rechtsanwaltsgesell-schaft in Düsseldorf.

1 Az.: 1 AZR 179/11 (bislang nur als Pressemitteilung 81/12) und Az.: 1 AZR 611/11 (bislang nur als Pressemitteilung 82/12).

2 Süddeutsche Zeitung vom 21.11.2012, S. 1.3 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.11.2012, S. 2.4 Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 ff. der Weimarer Reichsverfassung

(WRV); siehe z.B. Däubler, Das kirchliche Arbeitsrecht und die Grundrechte der Arbeitnehmer, RdA 2003, 204.

5 Siehe nur Belling, Kirchliches Arbeitsrecht und kirchliche Ar-beitsgerichtsbarkeit, NZA 2006, 1132.

6 Kreß, Aktuelle Probleme des kirchlichen Arbeitsrechts, ZRP 2012, 103; Belling (Fn. 5), 1132.

7 Reichhold, Neues zum Arbeitsrecht der Kirche, NZA 2009, 1377; Kreß (Fn. 6), S. 103.

8 Siehe den Überblick bei Belling (Fn. 5), S. 1132 ff. 9 Rehm, Streikrecht in der Kirche: Vereinbarkeit mit dem Dritten

Weg?, NZA 2011, 1211 f.10 Als „Ersten Weg“ bezeichnet man schließlich die rein individual-

rechtliche Vereinbarung eines Arbeitsvertrages. 11 Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes (TVG);

vgl. auch Franzen, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2013, § 4 TVG, Rn. 1.

12 Rehm (Fn. 9), 1211, 1212; Melot de Beauregard, Ende eines Son-derwegs? – Zum Stand des kirchlichen Arbeitsrechts, NZA-RR 2012, 225, 226.

13 Z.B. BAG, Urt. v. 12.9.1984 – 1 AZR 342/83.14 Willemsen/Mehrens, Weltliches Arbeitsrecht und christliche

Dienstgemeinschaft, NZA 2011, 1205; ausführlich zum Leit-bild der Dienstgemeinschaft Robbers, Streikrecht in der Kirche, 1. Aufl. 2010, S. 32 ff.

15 Willemsen/Mehrens (Fn. 14), S. 1205.16 Vgl. z.B. die ausführliche Darstellung von Robbers (Fn. 14); siehe

auch Melot de Beauregard (Fn. 12), S. 225; Rehm (Fn. 9), S. 1211; Willemsen/Mehrens (Fn. 14), kritisch z.B. Kreß (Fn. 6), S. 103 ff.

6 Aufsätze | Meurer npoR Heft 1/2013

Dr. Friederike Meurer*

Streikrecht in der Kirche: Ja oder Nein?

Die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 20.11.2012

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II. Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

In der öffentlichen Berichterstattung ist zumeist von „dem Streikurteil“ des BAG die Rede. Tatsächlich aber waren es zwei unterschiedliche Verfahren, die zu Fragen des Streik-rechts in kirchlichen Einrichtungen vor dem BAG anhängig waren und beide am 20.11.2012 entschieden wurden.

1. Urteil Nr. 1: Warnstreiks in der Diakonie in Westfalen (Az.: 1 AZR 179/11)

Zu dem ersten Verfahren kam es, nachdem die Gewerk-schaft ver.di in verschiedenen diakonischen Einrichtungen in Westfalen und Niedersachsen zu Warnstreiks aufgerufen hatte. Ziel der Gewerkschaft war der Abschluss von Tarif-verträgen. Die Einrichtungen lehnten Tarifverhandlungen ab und verlangten gerichtlich, den Aufruf zu Warnstreiks zu unterlassen.

Das Arbeitsgericht Bielefeld gab erstinstanzlich den diako-nischen Arbeitgebern Recht und bestätigte das Streikverbot jedenfalls für den Fall, dass die kirchlichen Einrichtungen aufgrund satzungsrechtlicher Bindung zur Anwendung der kirchlichen Sonderregelungen verpflichtet sind.17

In der zweiten Instanz nahm das Landesarbeitsgericht Hamm eine differenzierende Stellung ein.18 Ein umfassendes Streikverbot sei verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Es müsse vielmehr nach Tätigkeiten im Kern- und Rand-bereich im Dienste kirchlicher Einrichtungen differenziert werden. Der Streik als Mittel des Arbeitskampfes könne nur im Kernbereich des kirchlichen Dienstes verboten werden, während in Randbereichen gestreikt werden dürfe. Die Ent-scheidung, ob eine Tätigkeit zum Rand- oder Kernbereich gehört, sei danach zu treffen, ob eine Ausgliederung des betroffenen Bereichs mit dem kirchlichen Selbstverständ-nis vereinbar wäre. In der Praxis führte die Entscheidung zu großer Verunsicherung, da die vom LAG Hamm entwickelte Abgrenzungsformel zwischen Kern- und Randbereich zwar abstrakt nachvollziehbar ist, sich im Einzelfall aber stets die Frage stellen dürfte, welche genauen Tätigkeiten nun be-streikt werden dürfen und welche nicht.

Das BAG ist diesem differenzierenden Ansatz nun nicht gefolgt. Die Erfurter Richter entschieden vielmehr, dass die Kirchen grundsätzlich befugt seien, Streiks in ihren Einrich-tungen zu untersagen. Allerdings erfordere es die grund-gesetzlich geschützte Koalitionsfreiheit, dass die Gewerk-schaften in das kirchliche Verfahren zur Bestimmung von Arbeitsbedingungen organisatorisch eingebunden werden. Darüber hinaus müsse sichergestellt sein, dass das Verhand-lungsergebnis für die Arbeitgeberseite als Mindestarbeitsbe-dingungen verbindlich sei. Letzterer Punkt sei bei den klä-gerischen Einrichtungen derzeit nicht gewährleistet, da die Satzungen der jeweiligen Diakonischen Werke vorsehen, dass die Einrichtungen einseitig zwischen unterschiedlichen Arbeitsrechtsregelungen wählen können.

2. Urteil Nr. 2: Kirchlicher Arbeitgeberverband Nordelbien (Az.: 1 AZR 611/11)

Das zweite vom BAG zu beurteilende Verfahren betraf eine Ausgangssituation, die im kirchlichen Arbeitsrecht (derzeit) zur Ausnahme gehört: Verschiedene kirchliche und diakoni-sche Einrichtungen in Norddeutschland haben bereits im Jahr 1961 beschlossen, ihre Arbeitsbedingungen nicht im Dritten Wege zu verhandeln, sondern vielmehr von den Möglichkei-ten des staatlichen Tarifvertragsrechts Gebrauch zu machen. Zu diesem Zweck gründeten sie einen Arbeitgeberverband und schließen seitdem mit ver.di Tarifverträge ab, die für die

entsprechenden Einrichtungen Geltung erlangt. Der klagen-de Arbeitgeberverband macht die Tarifvertragsverhandlun-gen jedoch jeweils davon abhängig, dass die Gewerkschaft vorab auf ihr Streikrecht verzichtet und im Konfliktfall eine Schlichtungsstelle angerufen wird. Im Jahr 2007 forderte nun der Marburger Bund den Verband zu Tarifverhandlungen auf, lehnte jedoch den vom Verband geforderten Streikver-zicht ab. Daraufhin kam es zu Streikmaßnahmen, die in erster und zweiter Instanz ausdrücklich gestattet wurden.19

Das BAG stellte nun zunächst fest, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht auch die Entscheidung kirchlicher Arbeitgeber umfasse, für die Festlegung ihrer Arbeitsbedin-gen auf das staatliche Tarifvertragsverfahren zurück zu grei-fen und Tarifverträge mit Gewerkschaften zu verhandeln. Der im Rahmen dieses modifizierten Verfahrens vereinbarte Ausschluss von Streiks kollidiere zwar grundsätzlich mit der Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft. Da der Gewerkschaft jedoch im Rahmen des Tarifverfahrens grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet wird, sich koalitionsmäßig zu betätigen, bleibe ihr ein erhebliches Maß an Einflussnahme, so dass das Streikrecht hinter dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zurück zu treten habe.

Im Ergebnis wurde das Streikverbot in diesem Fall somit be-stätigt, die Revision wurde allerdings aus formalen Gründen dennoch zurückgewiesen.

III. Bedeutung in der Praxis

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinen Entscheidungen ausdrücklich die Sonderstellung der Kirchen bestätigt. Das im Vorfeld teilweise befürchtete bzw. – je nach Standpunkt – erhoffte „Ende des Dritten Weges“ ist nicht eingetreten. Dies heißt jedoch nicht, dass auch das umfassende Streik-verbot ohne Einschränkungen für zulässig erklärt wurde. Den Gewerkschaften muss vielmehr – so die Erfurter Richter – die Möglichkeit eröffnet werden, sich im Rahmen des kir-chenrechtlichen Verfahrens koalitionsmäßig zu betätigen. Ist diese Betätigungsmöglichkeit gegeben, ist es zulässig, auch Streikmaßnahmen auszuschließen.

Zentrale Frage in der Praxis wird nun sein, in welchem Umfang den Gewerkschaften ein Verhandlungs- und Betä-tigungsrecht zuzugestehen ist, um die Voraussetzungen für ein Streikverbot zu erfüllen. In zahlreichen Arbeitsrechtli-chen Kommissionen haben Gewerkschaftsvertreter bereits heute beratende oder sogar teilnehmende Funktionen. Sind ihnen darüber hinaus weitergehende Befugnisse einzuräu-men? Kirchen- und Gewerkschaftsvertreter warten zur Be-antwortung dieser Frage derzeit gespannt auf die Urteilsbe-gründung aus Erfurt.

Neben der Einbeziehung der Gewerkschaften in das Ver-fahren hat das BAG eine weitere Voraussetzung für ein umfassendes Streikverbot aufgestellt: die kirchlichen Ein-richtungen müssen sich an ihre selbstgesetzten Regeln auch halten! Dies ist in der Praxis derzeit mitnichten so: zahlreiche diakonische Werke sehen in ihren Satzungen Wahlmöglich-keiten für ihre Mitglieder vor. Die Einrichtungen können sich aussuchen, ob sie in ihren Arbeitsverträgen die AVR der zuständigen arbeitsrechtlichen Kommission anwenden oder lieber auf einen Tarifvertrag (meist des öffentlichen Dien-stes) oder die AVR einer anderen Landeskirche verweisen.

Meurer | AufsätzenpoR Heft 1/2013 7

17 ArbG Bielefeld, Urt. v. 3.3.2010 – 3 Ca 2958/09.18 LAG Hamm, Urt. v. 13.1.2011 – 8 Sa 788/10.19 ArbG Hamburg, Urt. v. 1.9.2010 – 28 Ca 105/10; LAG Hamburg,

Urt. v. 23.3.2011 – 2 Sa 83/10.

Page 14: npoR Heft 1/2013

Diese Praxis wurde vom BAG ausdrücklich kritisiert. Ver-wundern darf dies allerdings nicht: Wer „A“ sagt, muss auch „B“ sagen, sprich: wer sich auf die Sonderrechte der Kirche beruft, muss sich auch vollumfänglich an die selbstauferleg-ten Regeln halten. Insofern greift das BAG eine Kritik auf, die bereits seit Jahren (auch kirchenintern!) zu hören war.20

Zahlreiche diakonische Werke werden dementsprechend ihre Satzungen anpassen und bei ihren Mitgliedern auf Ein-haltung der Vorgaben drängen müssen. Denn andernfalls besteht die Gefahr, dass sich die soeben ausdrücklich be-stätigte Sonderstellung der Kirchen in eine rein theoretische Sonderstellung verwandelt.

IV. Fazit

Die Urteile des BAG schaffen im Ergebnis einen konsequen-ten Ausgleich zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und der Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften. Die Kirchen haben es nun letztlich selbst in der Hand, die Vor-aussetzungen für ein umfassendes Streikverbot zu schaffen. Es bleibt abzuwarten, ob dies insbesondere den diakoni-schen Landesverbänden gelingt.

20 Vgl. nur Melot de Beauregard (Fn. 12), S. 226 ff.; Kreß (Fn. 6), S. 103 ff.

8 Praxisforum | Schönenberg npoR Heft 1/2013

Praxisforum

Dr. Daniela Schönenberg*

Rechtliche Herausforderungen für Sozialunternehmen in der Schweiz

I. Einleitende Bemerkungen

In der Schweiz sind die gängigen Rechtsformen zur Verfol-gung eines sozialen Engagements die Vereins- oder Stiftungs-form. Schätzungsweise gibt es in der Schweiz 80.000 Vereine, von welchen über 95% einen gemeinnützigen Charakter ha-ben.1 Außerdem bestehen 12.715 gemeinnützige Stiftungen in der Schweiz.2 In jüngster Zeit ist vermehrt zu beobachten, dass zur Verfolgung sozialer Zwecke auch Rechtsformen des Gesellschaftsrechts gewählt werden. Gemeinnützige Akti-engesellschaften und gemeinnützige Gesellschaften mit be-schränkter Haftung (GmbHs) agieren als Sozialunternehmen. Unter Sozialunternehmen sind Unternehmen bzw. Organi-sationen mit primär sozialen Zielen zu verstehen, die Ein-kommen erzielen, aber keinen Gewinn erwirtschaften oder zumindest keine Gewinne an die Anteilseigner ausschütten, sondern diese wieder reinvestieren.3

Der nachfolgende Beitrag zeigt in einem ersten Teil zuerst die Rechtsgrundlagen für gemeinnützige Aktiengesellschaf-ten auf. Danach wird darauf eingegangen, dass die Verfol-gung idealer Zwecke durch eine Aktiengesellschaft nicht au-tomatisch zu einer Steuerbefreiung aufgrund gemeinnütziger Tätigkeit führt. Im Anschluss daran werden einige Praxisbei-spiele von gemeinnützigen Aktiengesellschaften erwähnt. In einem zweiten Teil werden diese Aspekte in Bezug auf die gemeinnützige GmbH beleuchtet. In einer abschließenden Betrachtung werden die Herausforderungen, welche sich für Sozialunternehmen in der Schweiz stellen, zusammengefasst.

II. Gemeinnützige Aktiengesellschaften

1. Rechtsgrundlagen

Die Rechtsgrundlage für gemeinnützige Aktiengesellschaften findet sich im Obligationenrecht (OR; SR 220). Art. 620 Abs. 3 OR hält fest, dass die Aktiengesellschaft auch für andere als wirtschaftliche Zwecke gegründet werden kann. Sie kann

– auch wenn dies eine Ausnahme darstellt – auch für ideale Zwecke eingesetzt werden.4 Eine Aktiengesellschaft kann somit durch eine entsprechende Ausgestaltung der Statuten soziale Ziele verfolgen. Die Aktionäre haben jedoch ein ab-solutes Recht auf Gewinnstrebigkeit (Gewinnerzielung) der Gesellschaft, auf welches nur einstimmig verzichtet werden kann.5 Bei der Gründung der Gesellschaft besteht die Mög-lichkeit, einen solchen Verzicht auf Gewinnstrebigkeit in die Gründungsstatuten aufzunehmen. Dieser Verzicht kann in der Folge nur durch eine Statutenänderung aufgehoben wer-den, für welche die gesetzlichen oder statutarischen Quoren

* Die Autorin ist Rechtsanwältin in der Anwaltskanzlei Homburger AG in Zürich, Schweiz.

1 Helmig/Gmür/Bärlocher, Methodische Erläuterungen zur Erfas-sung des Dritten Sektors in der Schweiz, in: Helmig/Lichtstei-ner/Gmür (Hrsg.), Der Dritte Sektor der Schweiz, Länderstudie zum Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project (CNP), 2010, S. 145 ff., S. 157.

2 Eckhardt/Jakob/v. Schnurbein, Der Schweizer Stiftungsreport 2012, CEPS Forschung und Praxis Band 5, 2012, S. 6.

3 Achleitner/Heister/Stahl, Social Entrepreneurship – Ein Überblick, in: Achleitner/Pöllath/Stahl (Hrsg.), Finanzierung von Sozialun-ternehmern, Konzepte zur finanziellen Unterstützung von Social Entrepreneurs, 2007, S. 3 ff., S. 8 m.w.N. Siehe zu den Sozial- unternehmen, welche von Stiftungen unterstützt werden, auch Schönenberg, Venture Philanthropie, Zulässigkeit und haftungs-rechtliche Konsequenzen für Schweizer Stiftungen und deren Or-gane, Diss. Universität Basel 2010, Schriften zum Stiftungsrecht Band 2, 2011, S. 34 ff.

4 Baudenbacher, Kommentar zu den Art. 620-625 OR, in: Honsell/Vogt/Watter (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht II, Art. 530-1186 OR, 4. Aufl. 2012, Art. 620 OR Rn. 2; Böckli, Schwei-zer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, § 1 Rn. 28.

5 Anfechtbar ist beispielsweise gemäß Art. 706 Abs. 2 Ziff. 4 OR ein Beschluss, welcher die Gewinnerzielungsabsicht der Gesellschaft ohne Zustimmung sämtlicher Aktionäre aufhebt. Siehe dazu auch Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktien-

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zu beachten sind. Das Recht der Aktionäre auf Erhalt einer jährlichen Dividende ist im Gegensatz zum Recht auf Ge-winnstrebigkeit bloß ein relatives.6 Die Generalversammlung hat die Befugnis darüber zu entscheiden, einen ausschüttba-ren Bilanzgewinn auf neue Rechnung vorzutragen und nicht an die Aktionäre in Form von Dividenden auszuschütten (sie-he Art. 698 Abs. 2 Ziff. 4 OR).7 Eine gemeinnützige Aktienge-sellschaft kann folglich auf die Ausschüttung von Dividenden verzichten und somit als Sozialunternehmen tätig sein.

2. Steuerbefreiung aufgrund gemeinnütziger Tätigkeit?

Bei den gemeinnützigen Aktiengesellschaften stellt sich die Frage, ob sie in den Genuss einer Steuerbefreiung kommen können. Die Steuerbefreiung wird nicht automatisch erteilt, vielmehr ist ein Gesuch an die zuständige kantonale Steuer-behörde erforderlich. Gemäß Art. 56 lit. g Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) sind juristische Personen, welche öffentliche oder gemeinnützige Zwecke verfolgen, von der Steuerpflicht für den Gewinn befreit, der ausschließlich und unwiderruflich diesen Zwecken gewidmet ist. Gleiches gilt gemäß Art. 23 lit. f des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14) für die kantonalen Steuern in Bezug auf den Gewinn und das Kapital.

Da die Bestimmungen in den Bundesgesetzen in Bezug auf die Steuerbefreiung aufgrund gemeinnütziger Tätigkeit äu-ßerst knapp sind, hat die Eidgenössische Steuerverwaltung am 8.7.1994 das Kreisschreiben Nr. 12 erlassen, welches die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung festhält.8 Dieses Kreisschreiben Nr. 12 ist jedoch für die Steuerbehörden nicht verbindlich.9

Folgende allgemeine Voraussetzungen müssen für den Er-halt einer Steuerbefreiung erfüllt sein: Als juristische Person kann die Aktiengesellschaft grundsätzlich in den Genuss einer Steuerbefreiung kommen.10 Um eine Steuerbefreiung zu erlangen, muss die steuerbefreite Aktivität ausschließlich auf die öffentliche Aufgabe oder das Wohl Dritter ausgerich-tet sein (sogenannte Ausschließlichkeit der Mittelverwen-dung).11 Die Zielsetzung der juristischen Person darf nicht mit Erwerbszwecken oder sonst eigenen Interessen der juri-stischen Person oder ihren Mitgliedern oder Gesellschaftern verknüpft sein.12 Die Zweckformulierung der Aktiengesell-schaft ist somit für den Erhalt der Steuerbefreiung essentiell. Als weitere Voraussetzung muss die Unwiderruflichkeit der Zweckbindung gegeben sein, d.h. die der steuerbefreiten Zwecksetzung gewidmeten Mittel müssen unwiderruflich, d.h. für immer steuerbefreiten Zwecken verhaftet sein.13

Um diese Voraussetzung zu erfüllen, müsste die Aktienge-sellschaft statutarisch auf die Ausschüttung von Dividenden und Tantiemen verzichten und es müsste außerdem sicher-gestellt sein, dass das Vermögen bei einer allfälligen Auf-lösung der Aktiengesellschaft einer anderen steuerbefreiten Organisation mit ähnlicher Zwecksetzung zufällt und den Aktionären kein Liquidationsanteil zufließt.14 Unabänder- liche Zweckbestimmungen sind aber wohl nach herrschen-der Lehre bei Aktiengesellschaften – wie übrigens auch bei Vereinen – nicht möglich,15 so dass eigentlich konsequenter-weise eine Aktiengesellschaft auch nicht als steuerbefreite Organisation anerkannt werden kann. In der Praxis sind aber dennoch Beispiele von steuerbefreiten Aktiengesellschaften zu finden.16 Zu den oben genannten Voraussetzungen muss auch die tatsächliche Verwirklichung der vorgegebenen Zwecksetzung kommen.17

Um in den Erhalt einer Steuerbefreiung aufgrund gemein-

nütziger Tätigkeit zu gelangen, muss eine juristische Person außerdem objektiv ein Allgemeininteresse (z.B. Tätigkeiten im karitativen, humanitären, gesundheitsfördernden, ökolo-gischen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Bereich) verfolgen und subjektiv uneigennützig18 tätig sein. Voraussetzung ist weiter, dass Erwerbs- und Selbsthilfe-zwecke fehlen.19

Das Kreisschreiben Nr. 12 definiert die Erwerbs- und Selbsthilfezwecke näher20: „Erwerbszwecke liegen vor, wenn eine juristische Person im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf oder in wirtschaftlicher Monopolstellung mit dem Zweck der Gewinnerzielung Kapital und Arbeit einsetzt und dabei

Schönenberg | PraxisforumnpoR Heft 1/2013 9

recht, 1996, § 40 Rn. 22 ff.; Böckli (Fn. 4), § 16 Rn. 116; Neuhaus/Blättler, in: Honsell/Vogt/Watter (Hrsg.), Basler Kommentar, Ob-ligationenrecht II, Art. 530-1186 OR, 4. Aufl. 2012, Art. 660 OR Rn. 7; Wenger, in: Roberto/Trüeb (Hrsg.), Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Vertragsverhältnisse Teil 2: Arbeitsver-trag, Werkvertrag, Auftrag, GoA, Bürgschaft, 2010, Art. 660 OR Rn. 2.

6 Siehe Art. 660 Abs. 1 OR. Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel (Fn. 5), § 40 Rn. 41; Neuhaus/Blättler (Fn. 5), Art. 660 OR Rn. 9; Wenger (Fn. 5), Art. 660 OR Rn. 1.

7 Neuhaus/Blättler (Fn. 5), Art. 660 OR Rn. 10; Wenger, (Fn. 5), Art. 660 OR Rn. 3.

8 Eidgenössische Steuerverwaltung, Kreisschreiben Nr. 12 vom 8. Juli 1994 an die kantonalen Verwaltungen für die direkte Bun-dessteuer, Steuerbefreiung juristischer Personen, die öffentliche oder gemeinnützige Zwecke (Art. 56 lit. g DBG) oder Kultuszwe-cke (Art. 56 lit. h DBG) verfolgen; Abzugsfähigkeit von Zuwen-dungen (Art. 33 Abs. 1 lit. i und Art. 59 lit. c DBG).

9 Weitere unverbindliche Hinweise zur Steuerbefreiung finden sich in den am 18.1.2008 von der Schweizerischen Steuerkonferenz erlassenen Praxishinweisen (Praxishinweise der Schweizerischen Steuerkonferenz [Kommission für Selbständigerwerbende und juristische Personen, Arbeitsgruppe Steuerbefreiung] zuhanden der Kantonalen Steuerverwaltungen vom 18.1.2008, Steuerbe-freiung juristischer Personen, die öffentliche oder gemeinnützige Zwecke oder Kultuszwecke verfolgen, Abzugsfähigkeit von Zu-wendungen).

10 Siehe Kreisschreiben Nr. 12, Ziff. II 2 a.11 Siehe Kreisschreiben Nr. 12, Ziff. II 2 b.12 Siehe Kreisschreiben Nr. 12, Ziff. II 2 b.13 Siehe Kreisschreiben Nr. 12, Ziff. II 2 c.14 Zur Problematik, ob gemeinnützige Aktiengesellschaften An-

spruch auf eine Steuerbefreiung haben, siehe Koller, Gemein-nützigkeits- und Spendenrecht in der Schweiz, in: Walz/v. Auer/ v. Hippel (Hrsg.), Spenden- und Gemeinnützigkeitsrecht in Eu-ropa, 2007, S. 441 ff., S. 449. Caprez plädiert für die Zulässigkeit einer beschränkten Ausschüttungsquote bei steuerbefreiten Ins-titutionen, da er nicht einsieht, weshalb bei steuerbefreiten Ins-titutionen die Fremdkapitalgeber besser gestellt sein sollen als die Eigenkapitalgeber (Caprez, Rahmenbedingungen für Social Entrepreneurship in der Schweiz, Master-Arbeit an der Universi-tät St. Gallen, 2010, S. 55).

15 Schenker, in: Honsell/Vogt/Watter (Hrsg.) (Fn. 5), Art. 647 OR Rn. 1 m.w.H.

16 Folgende Aktiengesellschaften haben beispielsweise Aufnah-me in das Verzeichnis steuerbefreiter Organisationen per 9. Juli 2012, welches vom kantonalen Steueramt Zürich herausgegeben wurde, gefunden: SBS Schweizerische Bibliothek für Blinde, Seh- und Lesebehinderte AG Zürich, Zoo Zürich AG Zürich, Zentrum Sunnegarte AG Bubikon.

17 Siehe Kreisschreiben Nr. 12, Ziff. II 2 d.18 Siehe Kreisschreiben Nr. 12, Ziff. II 3 a und b.19 Siehe Kreisschreiben Nr. 12, Ziff. II 3 b. Eingehender zum Feh-

len von Erwerbs- oder Selbsthilfezwecken siehe Würmli, Das ge-meinnützige Unternehmen, AJP 2010, 901, 903 f. m.w.H.

20 Kreisschreiben Nr. 12, Ziff. II 3 b.

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für ihre Leistungen insgesamt ein Entgelt fordert, wie es im Wirtschaftsleben üblicherweise bezahlt wird.“ Gewinnstre-bigkeit ist dabei nicht Merkmal des Erwerbszwecks.21 Weiter führt das Kreisschreiben Nr. 12 Folgendes aus: „Nicht jede Erwerbstätigkeit führt indessen zu einer Verweigerung der Steuerbefreiung. Wo eine Erwerbstätigkeit besteht, darf sie allerdings nicht den eigentlichen Zweck der Institution bil-den. Sie darf höchstens ein Mittel zum Zweck sein und auch nicht die einzige wirtschaftliche Grundlage der juristischen Person darstellen.22 Unter Umständen ist eine wirtschaftliche Betätigung sogar unumgängliche Voraussetzung zur Errei-chung des im Allgemeininteresse liegenden Zweckes. Ein Erziehungsheim erfordert beispielsweise einen Landwirt-schaftsbetrieb und eine Lehrwerkstätte. Hält sich eine solche wirtschaftliche Betätigung in einem untergeordneten Rah-men zur altruistischen Tätigkeit, so schliesst sie eine Steuer-befreiung nicht aus.“

Bei Institutionen wie beispielsweise Aktiengesellschaften, welche sich in einem Marktumfeld mit Konkurrenten bewe-gen, ist aus wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gründen bei der Gewährung der Steuerbefreiung auf den Grundsatz der Wettbewerbsneutralität der Steuer zu achten23, selbst wenn die Institution den erwirtschafteten Reingewinn vollumfäng-lich dem gemeinnützigen Zweck widmet.24 Die Lehre argu-mentiert jedoch, dass die Tolerierung eines dem gemeinnüt-zigen Zweck dienenden Hilfsbetriebs dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität nicht widerspricht, weil die wirt-schaftlichen Interessen in einer Weise dem gemeinnützigen Zweck untergeordnet sind, dass keine echte Konkurrenz-situation vorliegt.25 Die Steuerbehörden des Kantons Zürich gewähren beispielsweise einer Institution mit dem Zweck, ein Café ohne Konsumationszwang als Begegnungsstätte für alleinstehende Menschen zu betreiben, die Steuerbefreiung, da das Café als notwendiges Mittel zur Verfolgung des ge-meinnützigen Zwecks angesehen werden kann.26 Eine In-stitution hingegen, welche im Bereich der Jugendarbeit bei personellen Engpässen Dienstleistungen gegen Entgelt er-bringt, verfolgt eine wirtschaftliche Tätigkeit und kann da-her nicht steuerbefreit werden, selbst wenn die allfälligen Überschüsse zugunsten von Jugendprojekten eingesetzt werden.27

Eine gemeinnützige Aktiengesellschaft kann somit als steuerbefreite Organisation – über einen allfälligen Hilfsbe-trieb hinaus – wirtschaftliche Aktivitäten entfalten, solange sie im Markt nicht im Wettbewerb mit Organisationen steht, welche der normalen Besteuerung unterliegen. Ein weiterer Knackpunkt bei der Gewährung der Steuerbefreiung für Ak-tiengesellschaften stellt auch das Halten von Beteiligungen an anderen Unternehmen dar.

Das Gesetz hält folgendes fest28: „Unternehmerische Zwecke sind grundsätzlich nicht gemeinnützig. Der Erwerb und die Verwaltung von wesentlichen Kapitalbeteiligungen an Unternehmen gelten als gemeinnützig, wenn das Inter-esse an der Unternehmenserhaltung dem gemeinnützigen Zweck untergeordnet ist und keine geschäftsleitenden Tä-tigkeiten ausgeübt werden.“ Das Kreisschreiben Nr. 12 prä-zisiert Folgendes29: „Reine Kapitalanlagen – auch wenn es sich um über 50 % liegende Beteiligungen an Unternehmen handelt – stehen der Steuerbefreiung nicht mehr entgegen, wenn damit keine Einflussnahme auf die Unternehmungs-führung möglich ist. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Stimmrechte bei einem andern Rechtsträger lie-gen. Es darf somit über die Kapitalbeteiligung kein Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der betreffenden Unternehmung

ausgeübt werden. Das verlangt unter anderem eine klare organisatorische und personelle Trennung (d.h. Unabhän-gigkeit) von Stiftungsrat und Verwaltungsrat, wobei die Anwesenheit einer Verbindungsperson zugelassen wird. Weiter wird vom Gesetz verlangt, dass bei wesentlichen Beteiligungen die Unternehmenserhaltung dem gemein-nützigen Zweck untergeordnet sein muss. Das setzt voraus, dass die Stiftung regelmässig mit ins Gewicht fallenden Zuwendungen der von ihr gehaltenen Unternehmung ali-mentiert wird und mit diesen Mitteln auch tatsächlich eine entsprechende altruistische im Allgemeininteresse liegen-de, d.h. gemeinnützige Tätigkeit ausgeübt wird.“30 Diese im Kreisschreiben Nr. 12 festgehaltenen Grundsätze lassen sich auch auf Aktiengesellschaften übertragen.31

Die Mittel einer steuerbefreiten Aktiengesellschaft müs-sen ausschließlich und unwiderruflich der Verfolgung des steuerbefreiten gemeinnützigen oder öffentlichen Zweckes gewidmet sein.32 Ist dies nur zum Teil möglich, kann allen-falls eine teilweise Steuerbefreiung in Betracht gezogen wer-den.33 Dabei hat aber auch in diesem Falle die steuerbefreite Tätigkeit ins Gewicht zu fallen.34 Voraussetzung ist ferner, dass die Mittel, für welche die Steuerbefreiung verlangt wird, rechnungsmäßig klar vom übrigen Vermögen und Ein-kommen ausgeschieden sind.35

Gemeinnützige Aktiengesellschaften, welche eine Steuer-befreiung aufgrund ihrer gemeinnützigen Tätigkeit erlan-gen wollen, werden gefordert sein, den Steuerbehörden die Unwiderruflichkeit der Zweckbindung sowie das Fehlen von Erwerbs- und Selbsthilfezwecken darzulegen.

21 Richner/Frei/Kaumann/Meuter, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, 2. Aufl. 2006, § 61 Rn. 46.

22 BGE in: ASA 19 (1951/1952), 328-332.23 Reich, Gemeinnützigkeit als Steuerbefreiungsgrund, ASA 58

(1989), 465-508, 490; Greter, in: Zweifel/Athanas (Hrsg.), Kom-mentar zum Schweizerischen Steuerrecht, I/2a, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG), 2. Aufl. 2008, Art. 56 DBG Rn. 33; Greter, in: Zweifel/Athanas (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, I/1, Bundesgesetz über die Har-monisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, 2. Aufl. 2003, Art. 23 StHG Rn. 33b; Richter, Die Steuerbefreiung gemeinnütziger Vereine mit wirtschaftlicher Tätigkeit im Bund und im Kanton Zürich, STR 1994, 299, 307. A.A.: Würmli (Fn. 19), S. 904.

24 Richner/Frei/Kaumann/Meuter (Fn. 21), § 61 Rn. 46.25 Reich (Fn. 23), S. 490; Greter (Fn. 23), Art. 56 DBG Rn. 33.26 Züger (Chefin Bereich Recht des kantonalen Steueramtes Zürich),

Präsentation „Steuerbefreiung – Voraussetzungen und aktuelle Fragen aus der Praxis“ anlässlich einer Informationsveranstaltung über klassische Stiftungen vom 25.9.2012 der BVG- und Stiftungsaufsicht des Kantons Zürich (BVS), S. 8.

27 Züger (Fn. 26).28 Art. 56 lit. g. DBG; Art. 23 lit. f StHG.29 Kreisschreiben Nr. 12, Ziff. II 3 c.30 Koller (Fn. 14), S. 453 ff.; Kreisschreiben Nr. 12 Ziff. II. 3. c. Kri-

tisch dazu Richner/Frei/Kaumann/Meuter (Fn. 21), § 61 Rn. 48.31 Siehe auch Reich (Fn. 23), S. 490. Zu den Holdingstrukturen

im deutschen Recht siehe Weitemeyer, Innovative Formen der Philanthropie – Ein Problemaufriss zu den Grenzen des gelten-den Gemeinnützigkeits- und Zivilrechts, in: Hüttemann/Ra-wert/Schmidt/Weitemeyer (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2011/2012, 2012, S. 91 ff., S. 108 f.

32 Siehe Kreisschreiben Nr. 12, Ziff. II 5.33 Kreisschreiben Nr. 12, Ziff. II 5.34 Kreisschreiben Nr. 12, Ziff. II 5. Zur sog. „Geprägetheorie“ im

deutschen Recht siehe Weitemeyer (Fn. 31), S. 104 f.35 Kreisschreiben Nr. 12, Ziff. II 5.

10 Praxisforum | Schönenberg npoR Heft 1/2013

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3. Praxisbeispiele

Als Beispiele gemeinnütziger Aktiengesellschaften können zoologische Gärten (Zoo Zürich AG), kulturelle Einrichtun-gen (Beyeler Museum AG, SBS Schweizerische Bibliothek für Blinde, Seh- und Lesebehinderte AG), Gesundheits-dienstleister (Blutspende SRK Schweiz AG, SwissDRG AG), Altenheime (Alterszentrum Kehl in Baden36), Krankenver-sicherungen37 (Krankenversicherung Flaachtal AG) sowie Krankenhäuser (Solothurner Spitäler AG) genannt werden.

Gemeinnützige Aktiengesellschaften entstehen oft aus Umwandlungen von Vereinen zu Aktiengesellschaften.38 Außerdem können gemeinnützige Aktiengesellschaften aus Reorganisationen hervorgehen. Im Jahre 2009 errichtete der Verein Schweizerische Bibliothek für Blinde und Sehbehinderte die Stiftung SBS Schweizerische Bibliothek für Blinde, Seh- und Lesebehinderte. Danach gründete die Stiftung die steuerbefreite SBS Schweizerische Bibliothek für Blinde, Seh- und Lesebehinderte AG. Im Anschluss daran wurde der Verein in Liquidation gesetzt. Im vorliegenden Fall setzt die Stiftung die strategisch-politischen Leitlinien fest, wohingegen die Aktiengesellschaft für den operativen Bereich der Bibliothek zuständig ist. Als weiteres Beispiel kann die Museum Beyeler AG in Riehen genannt werden. Der Stiftungsrat der Beyeler Stiftung hat im Jahre 2007 entschieden, das Museum Fondation Beyeler in eine gemeinnützige Aktiengesellschaft überzuführen.39

III. Gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung

1. Rechtsgrundlagen

Seit dem Inkrafttreten des neuen Rechts der GmbH am 1.1.2008 sind auch gemeinnützige GmbHs zugelassen und damit die Verfolgung nichtwirtschaftlicher Zwecke.40 Die gemeinnützige GmbH bietet somit eine Alternative zur Ver-einsform.41 Die Botschaft GmbH aus dem Jahre 2001 hält fest, dass die Einschränkung der GmbH auf wirtschaftliche Vorhaben sich sachlich nicht begründen lasse und daher Art. 772 Abs. 3 OR, gemäß welchem die GmbH ausschließ-lich für wirtschaftliche Zwecke offenstehe, zu streichen sei.42 Somit können nicht nur Aktiengesellschaften, sondern auch GmbHs als Sozialunternehmen tätig sein.

2. Steuerbefreiung aufgrund gemeinnütziger Tätigkeit?

In Bezug auf die Steuerbefreiung von GmbHs aufgrund ihrer gemeinnützigen Tätigkeit stellen sich dieselben Her-ausforderungen wie bei gemeinnützigen Aktiengesellschaf-ten.43 Es ist aber auch für eine gemeinnützige GmbH in der Schweiz nicht unmöglich, eine Steuerbefreiung aufgrund ihrer gemeinnützigen Tätigkeit zu erhalten. Dies beweisen beispielsweise die GmbHs, welche Aufnahme in das Ver-zeichnis steuerbefreiter Organisationen per 9. Juli 2012, welches vom kantonalen Steueramt Zürich herausgegeben wurde, gefunden haben.44

3. Praxisbeispiele

Als Beispiele gemeinnütziger GmbHs in der Schweiz können Bildungseinrichtungen (Abilez GmbH, Gemeinnützige Ge-sellschaft für betriebliche Bildung45) sowie Angebote im Be-reich der Familienarbeit (Hometreatment Organisation HTO GmbH46) genannt werden.

IV. Abschließende Betrachtung

Die Schweiz zeichnet sich durch eine hohe Attraktivität für

Vereine und Stiftungen47 aus. Die Anzahl gemeinnütziger Aktiengesellschaften und gemeinnütziger GmbHs liegt bei Weitem unter der von Vereinen und Stiftungen. In Zukunft wird sich zeigen, ob die Schweiz auch vermehrt Sozialun-ternehmen in der Form von gemeinnützigen Aktiengesell-schaften und GmbHs anziehen kann. Der Erhalt der Steu-erbefreiung aufgrund gemeinnütziger Tätigkeit dürfte dabei eine große Herausforderung darstellen.

36 Ein Verein ist Aktionär von zwei gemeinnützigen Aktiengesell-schaften, der AZK Betriebe AG (umfasst Pflegebetrieb, Personal und Immobilien des Pflegebereichs) und der AZK Immobilien AG (umfasst die Alterswohnungen).

37 Art. 12 Abs. 1 der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV; SR 832.102) besagt, dass Krankenkassen im Sinne von Art. 12 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) als Verein, Stiftung, Genossenschaft oder Aktienge-sellschaft mit anderen als wirtschaftlichen Zwecken (Art. 620 Abs. 3 OR) oder als juristische Person des kantonalen öffentlichen Rechts organisiert sein müssen.

38 Siehe zum Rechtskleidwechsel eines Vereins in eine Aktienge-sellschaft Lanz/Triebold, Der Rechtskleidwechsel eines Vereins in eine Aktiengesellschaft, SWZ (Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht) 2000, 57-68.

39 „Neue Rechtsform für Beyeler-Museum“, NZZ vom 27.4.2007 (Nr. 97), S. 48. Die Beyeler Museum AG hat folgenden Zweck: „Gemeinnütziger Betrieb des Museums „Fondation Beyeler“ mit dem dazugehörigen Museumsrestaurant und dem museumseige-nen Art-Shop in Riehen. Dadurch soll die im Eigentum der Bey-eler-Stiftung stehende „Sammlung Beyeler“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Gesellschaft soll ferner dazu beitragen, das Interesse der Jugend an der Kunst zu wecken bzw. zu erhalten.“

40 Baudenbacher/Göbel/Speitler, in: Honsell/Vogt/Watter (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht II, Art. 530-1186 OR, 4. Aufl. 2012, Art. 772 OR Rn. 5; Trüeb, in: Roberto/Trüeb (Hrsg.), Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2010, Art. 772 OR Rn. 25.

41 Trüeb (Fn. 40), Art. 772 OR Rn. 25.42 Botschaft GmbH, Botschaft zur Revision des Obligationenrechts

vom 19. Dezember 2001 (SR 01.082), S. 3171.43 Siehe dazu die Ausführungen in Ziff. II 2. Zur Problematik, ob

gemeinnützige GmbHs Anspruch auf eine Steuerbefreiung ha-ben, siehe Koller (Fn. 14), S. 449. Siehe auch Entscheidung 2C_162_2011 des Bundesgerichts vom 17.10.2011.

44 Cartilage Executive Office CEO GmbH Wetzikon, Cevi Schweiz Häuser GmbH Zürich, Kinderkrippe Hoppel GmbH Zürich, Kin-derkrippe Wirbelwind GmbH Humlikon, KiTa Rumpelchisch-tä GmbH Winterthur, Railvetica GmbH Wädenswil, Verlag der Friedrich Weinreb Stiftung GmbH Zürich, Z&I Swiss Internatio-nal School – Zurich North GmbH Wallisellen.

45 Die Abilez GmbH hat folgenden Zweck: „Die Gesellschaft be-zweckt den Betrieb eines Ausbildungs- und Lehrbetriebsver-bundes sowie Forschungstätigkeit zu Gunsten der betrieblichen Grundbildung. Die Gesellschaft führt Bildungsgänge für Lernen-de der Grundbildung, Berufsbildner, Lehrpersonen und andere involvierte Dritte durch. Die Gesellschaft ist gemeinnützig, wobei alle finanziellen Mittel wiederum vollumfänglich der Erfüllung des Gesellschaftszwecks zufliessen.“

46 Diese Hometreatment Organisation HTO GmbH hat folgenden Zweck: „Erbringung von gemeinnützigen Dienstleistungen im Bereich der Familienarbeit bei betroffenen Familien mit psy- chiatrischen Erkrankungen sowie multiplen psychosozialen Belas-tungen durch ausgewiesene Fachpersonen aus dem medizinisch-psychiatrischen und psychosozialen Bereich, Wahrnehmung von Ausbildungs- und Beratungsaufgaben für Fachpersonen in der Familienarbeit.“ Die Hometreatment Organisation HTO GmbH hat eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen mit dem Departe-ment Gesundheit und Soziales (DGS) des Kantons Aargau.

47 Siehe dazu Schönenberg/v. Schnurbein, Was macht die Attrakti-vität eines Stiftungsstandortes aus?, ZStV 2011, 87 ff.

Schönenberg | PraxisforumnpoR Heft 1/2013 11

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12 npoR-Report | Albrecht/Kamp/Lienicke/Seelig npoR Heft 1/2013

npor-report

Julian Albrecht/Florian Kamp/Clara Lienicke/Janne Seelig*

Vereinsrecht

Besonderer Vertreter für einen VereinDas OLG München entschied in diesem Fall, dass ein beson-derer Vertreter im Sinne des § 30 BGB auch für die „Wahr-nehmung der wirtschaftlichen, verwaltungsmäßigen und personellen Angelegenheiten“ eines Vereins bestellt werden kann, ohne dass dies eine unzulässige Ausweitung seines Aufgabenbereiches darstelle. Der Beschwerdeführer wollte die Anmeldung eines besonderen Vertreters erreichen, der laut Satzung in ebenjenem Rahmen zur Wahrnehmung der Interessen des Vereins bevollmächtigt sein sollte. Das Nä-here sollte durch Dienstanweisungen des geschäftsführen-den Vorstands geregelt werden. Das Registergericht hielt die Formulierung für zu allgemein und wies die Anmeldung zurück. Das OLG München gab der Beschwerde statt. Unab-hängig davon, ob § 30 S. 1 BGB auch eine Ausdehnung der Vertretungsmacht auf alle Vorstandsgeschäfte erlaube – was das Gericht aufgrund der Bestimmtheit „aller Geschäfte“ durchaus für möglich hielt, aber nicht entscheiden musste –, sei der Aufgabenbereich hier zwar sehr weitgehend, aber schränke die Vorstandszuständigkeit (noch) nicht unzulässig ein. Bei objektiver Betrachtung sei der besondere Vertre-ter hier zwar zur Vertretung in allen laufenden (wirtschaft- lichen) Vorgängen befugt (der Wahrnehmung verwaltungs-mäßiger und personeller Interessen komme gegenüber den wirtschaftlichen Interessen nur untergeordnete Bedeutung zu), aber dem Vereinsvorstand bleibe zum einen noch die Wahrnehmung der ideellen Interessen des Vereins (Vorgabe der Vereinsziele, etc.) und zum anderen die Ausübung der Dienstanweisungsbefugnis gegenüber dem besonderen Ver-treter. Unter Verweis auf ein Urteil des OLG Hamm (OLGZ 1978, 21 [24]) sei die Grenze der Unzulässigkeit erst erreicht, wenn der besondere Vertreter für alle Vorstandsgeschäf-te zuständig sein solle und dieser darüber hinaus noch im Wege der unechten Gesamtvertretung an der gesetzlichen Vertretung des Vereins mitwirke müsse. Im vorliegenden Fall sei diese Grenze jedoch beachtet worden, weshalb der Eintragung nichts entgegenstehe.

OLG München, Beschl. v. 14.11.2012 – 31 Wx 429/12

Verschmelzung zweier VereineDas OLG Bamberg entschied, dass für die Eintragung der Verschmelzung zweier eingetragener Sportvereine ausweis-lich der §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 S. 1 UmwG ein Verschmelzungs-bericht erforderlich sei, auf den gemäß § 8 Abs. 3 UmwG nur dann verzichtet werden kann, wenn notariell beurkundete Verzichtserklärungen aller Vereinsmitglieder vorliegen. Das Gericht wies die Beschwerde eines Notars zurück, der im Auf-trag zweier Vereine, welche die Verschmelzung vereinbart hatten, die Eintragung der Verschmelzung in das Vereinsre-gister erwirken wollte. Einen Verschmelzungsbericht legte er nicht vor, weil in entsprechenden Mitgliederversammlun-

gen der beiden Vereine auf die Anfertigung eines solchen protokolliert verzichtet wurde, woraufhin das Registerge-richt die Eintragung verweigerte. Das Gericht hielt an die-ser Entscheidung fest. Zunächst beanspruche § 8 Abs. 1 S. 1 UmwG unabhängig von den beteiligten Rechtsträgern Gel-tung und fordere daher auch bei der Verschmelzung zweier eingetragener Vereine zum Schutz der Anteilsinhaber einen Verschmelzungsbericht. In der Folge kommt zwar ein Ver-zicht auf den Verschmelzungsbericht gemäß § 8 Abs. 3 S. 1 1. Hs. UmwG grundsätzlich in Betracht. Aufgrund des Schutz-zwecks des Verschmelzungsberichts müssten hierfür jedoch notariell beurkundete Verzichtserklärungen aller Anteilsin-haber vorliegen. Die Protokolle der jeweiligen Mitglieder-versammlungen würden diesem Erfordernis insofern nicht gerecht, als sie belegen würden, dass jeweils nur ein Bruch-teil der Vereinsmitglieder anwesend gewesen wäre. Die Ver-zichtserklärungen der jeweils in der Mitgliederversammlung Anwesenden mache die Verzichtserklärungen aller anderen Mitglieder nicht obsolet. Damit liege kein ordnungsgemäßer Verzicht auf den Verschmelzungsbericht vor und das Fehlen eines solchen stehe der Eintragung damit ausweislich des § 17 Abs. 1 UmwG entgegen.

OLG Bamberg, Beschl. v. 18.6.2012 – 6 W 26/12

Das Ende des Zweckbetriebs?Dehesselles stellt in seinem Beitrag zunächst den wirtschaft-lichen Geschäftsbetrieb im Vereinszivilrecht in den Mit-telpunkt und erläutert die Auslegung der §§ 21, 22 BGB. Gemeinsames Grundverständnis sei inzwischen, dass § 21 BGB Vereine betreffe, die nach Zweck und Tätigkeit nicht dem Erwerbs- und Wirtschaftsleben angehören und dem-entsprechend von Unternehmen abzugrenzen sind. Sodann stellt er die Auslegung des KG Berlin zur Diskussion, das in drei jüngeren Entscheidungen (zuletzt Beschl. v. 7.3.2012 – 25 W 95/11, npoR 2012, 136 ff.) seine Rechtsprechung be-stätigt hat, wonach die satzungsmäßige Formulierung ei-nes Zweckes, der eine wirtschaftliche Bestätigung darstellt, stets eintragungsschädlich sei. Ob ein solcher Betrieb dem Nebenzweckprivileg unterfalle, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Da diese im Eintragungsverfahren aber nicht prognostizierbar seien, erfolge im Zweifel eine Eintra-gung nicht. Die Versagung der Eintragung als ideeller Ver-ein bei Betrieb eines Altenheims zur Erfüllung des Zwecks „Altenhilfe“, Veranstaltung von Konzerten zur Erfüllung des Zwecks „Kulturförderung“ etc. werde – so Dehesselles – das Ende vieler e.V. einläuten.

* Julian Albrecht und Clara Lienicke sind Doktoranden und wissen-schaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Steuerrecht der Bucerius Law School, Hamburg; Florian Kamp ist Doktorand und ebenso wie Janne Seelig wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen der Bucerius Law School, Hamburg.

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Dehesselles setzt sich sodann mit dem wirtschaftlichen Ge-schäftsbetrieb im Steuerrecht auseinander. Hier kritisiert er ein Urteil des FG Hessen (Urteil v. 26.4.2012 – 4 K 2789/11). Dieses behauptete, dass unterschiedliche Tätigkeiten eines Vereins grundsätzlich mehreren wirtschaftlichen Geschäfts-betrieben bzw. Tätigkeitsbereichen zuzuordnen seien. Nur bei gleichartigen Tätigkeiten sei ein einheitlicher Betrieb gegeben und nur innerhalb dieses einheitlichen Betriebes dürften Verluste verrechnet werden. Darüber hinaus stellte das Gericht im zu entscheidenden Fall fest, dass dem Kläger hinsichtlich des ehemaligen Zweckbetriebs „Sport“ in den Streitjahren die Gewinn- bzw. Einkünfteerzielungsabsicht gefehlt habe. Dies sei, so Dehesselles, gesetzeswidrig. Denn schon nach dem Wortlaut des § 14 AO genügten „Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile“. Wenn eine Absicht, Einkünfte zu erzielen, nicht vorlag, wäre die Tätigkeit nie als „Zweckbetrieb“ zu werten gewesen. Unzulässig sei auch das Ansinnen des FG Hessen, Zweckbetriebsverluste bzw. Ergeb-nisse vormals als Zweckbetrieb geführter Tätigkeiten nach Aberkennung der Gemeinnützigkeit nicht als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu behandeln, sondern mit Rückgriff auf die „Liebhaberei“-Rechtsprechung Aufwendungen zu negieren. Ebenfalls lebensfern sei die weitere Behauptung des Gerichts, der Verein habe Ausgaben primär zur Erlangung und Erhal-tung der Gemeinnützigkeit getätigt. Hier sei auf eine korrigie-rende Entscheidung des BFH zu hoffen.

Thomas Dehesselles, Das Ende des Zweckbetriebs? Zi-vil- und steuerrechtliche Miscellanea, zugleich Bespre-chung von FG Hessen vom 26.4.2012 und KG Berlin vom 18.1.2011, DStR 2012, S. 2309-2123.

steuerrecht

Mit dem Partyservice ins AltenheimSogenannte verzehrfertige Speisen werden in Deutschland nicht einheitlich mit Umsatzsteuer belastet. Je nachdem, ob die Erbringung eine Lieferung oder eine Dienstleistung („sonstige Leistung“) darstellt, liegt der Umsatzsteuersatz bei 7% (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG) bzw. 19% (§ 12 Abs. 1 UStG). Dass es aufgrund dieser Differenzierung zu wirtschaftlich bedeutsamen Streitigkeiten kommt, überrascht nicht.

Grambeck untersucht in seinem Beitrag die Auswirkungen dieser Streitigkeiten auf das sogenannte Sozialcatering, das die Bereitstellung von Speisen in Altenheimen, Schulen und Kindergärten beinhaltet. Zunächst erwähnt er ein Urteil des EuGH (Urt. v. 10.03.2011 – Rs. C-497/09, UR 2011, 272), in dem dieser Tätigkeiten eines Partyservice, der nicht ledig-lich Standardspeisen ohne weitere Leistungen (Aufwärmen, Bereitstellung von Geschirr) anbietet, als sonstige Leistung qualifizierte. Drei darauf aufbauende höchst- und finanzge-richtliche Urteile zu Großküchen in Altenwohn- und Pfle-geheimen (BFH, Urt. v. 12.10.2011 – V R 66/09) sowie der Essensversorgung an Schulen und Kindergärten (BFH, Be-schl. v. 22.12.2011 – V R 47/10; FG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24.10.2011 – 4 K 1582/09, Revision anhängig, Az. BFH XI R 28/11) stellt er dar, um sie anschließend scharf zu kriti-sieren. Aus ihnen ergebe sich, dass das Sozialcatering nach Meinung der Gerichte tendenziell eine sonstige Leistung sei, die mit dem Regelsatz besteuert werde. Diese gerichtliche Einschätzung führe nicht nur zu fatalen Kostensteigerun-gen in diesem Bereich, sondern sei auch rechtssystematisch

nicht überzeugend. Nach Meinung des Autors sei auf die Sicht des Verbrauchers abzustellen. Dies führe insbesondere dazu, dass vermarktungsnotwendige Tätigkeiten – dies kann auch eine komplexe Zubereitung sein, darüber hinaus die Auswahl und Beratung, die Anlieferung und die Geschirr-überlassung – nicht automatisch zu einer sonstigen Leistung führten und sogar irrelevant für die Abgrenzung seien. Son-stige Leistungen lägen nur vor, wenn derlei vermarktungs-notwendige Tätigkeiten durch weitere hinzutretende Ele-mente überschritten würden. Hier werden die Bereitstellung von Tischen und Stühlen sowie die Bedienung der Gäste angeführt.

Der Autor hofft zwar auf eine Klärung der umsatzsteuerli-chen Behandlung des Sozialcaterings zugunsten der Liefe-rung durch die Finanzverwaltung, ist aber ob des vielfältigen Leistungsangebots in diesem Wirtschaftszweig pessimistisch hinsichtlich der Frage, ob sich dadurch Abgrenzungsschwie-rigkeiten und Streitigkeiten vollständig vermeiden lassen.

Hans-Martin Grambeck, Mit dem Partyservice ins Alten-heim, UR 2012, S. 861-868.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ei-ner Mittelfehlverwendung des Darlehensgebers bei Ausfall des DarlehensnehmersKirchhain setzt sich in seinem Beitrag mit der Frage aus-einander, ob ein steuerbegünstigter Darlehens- oder Siche-rungsgeber die Gemeinnützigkeit verliert, wenn der Darle-hensnehmer ausfällt. Relevant wird dies insbesondere bei gemeinnützigen Konzernen. Kirchhain erläutert zunächst, unter welchen Voraussetzungen gemeinnützige Körper-schaften Darlehen vergeben dürfen. Sodann untersucht er, wie es gemeinnützigkeitsrechtlich zu bewerten ist, wenn der Darlehens-/Sicherungsnehmer in einer wirtschaftlichen Krise ausfällt. Kirchhain stellt die auf zwei jüngere BFH-Entscheidungen stützbare These dar, dass es für die gemein-nützigkeitsrechtliche Beurteilung einer Mittelverwendung auf den Zeitpunkt der Mittelverwendung selbst ankomme und begründet anschließend seine Gegenthese, dass maß-geblich vielmehr der Zeitpunkt sei, in dem die der Mittel-verwendung zugrunde liegende Verpflichtung eingegangen wurde. Es komme also allein auf den Abschluss des Darle-hensvertrags an; sofern dieser gemeinnützigkeitskonform gewesen sei, könne eine spätere Abschreibung der Forde-rung nicht schädlich sein. Hierfür spreche unter anderem, dass es sonst einer gemeinnützigen Körperschaft praktisch verwehrt bleibe, anderen gemeinnützigen Körperschaf-ten Darlehen zu gewähren. Zudem könne der Zweck einer Darlehensgewährung/-besicherung nicht erfüllt werden, wenn die Eingehung der Verpflichtung zulässig, die spätere Erfüllung dagegen eine unzulässige Mittelfehlverwendung wäre. Kirchhain begründet, wie sich diese These in Einklang mit der BFH-Rechtsprechung bringen lassen kann und geht darauf ein, welche praktischen Konsequenzen die von ihm vertretene Auffassung hat. Schließlich erläutert er, dass die Gemeinnützigkeit nur für das Jahr aberkannt werden kön-ne, in dem die Verpflichtung eingegangen worden sei, wenn bereits der Abschluss des Darlehensvertrages gemeinnützig-keitsschädlich ist.

Christian Kirchhain, Zum maßgeblichen Zeitpunkt für die gemeinnützigkeitsrechtliche Beurteilung einer Mittel(fehl)- verwendung – Dargestellt am Beispiel der Gewährung und Besicherung von Darlehen, DStR 2012, S. 2313-2318.

Albrecht/Kamp/Lienicke/Seelig | npoR-ReportnpoR Heft 1/2013 13

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Steuerliche Behandlung von Integrationspro-jektenIntegrationsprojekte i.S.d. §§ 132 ff. SGB IX sollen helfen, Menschen mit Behinderungen beruflich zu integrieren und sie dauerhaft auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein-zusetzen. Neben sozialrechtlichen Rahmenbedingungen sind dabei vor allem steuerrechtliche Vorgaben für mögli-che umfangreiche Begünstigungen zu beachten. Auf diese fokussieren sich Lutz und Kurz in ihrem Beitrag. Zunächst werden ertragsteuerliche, später auch umsatzsteuerliche Be-günstigungen behandelt.

Gewinne eines Integrationsunternehmens können gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG und § 3 Nr. 6 GewStG ertragsteuerfrei sein, wenn es als Körperschaft die allgemeinen Vorausset-zungen der Steuerbegünstigung nach §§ 51 ff. AO sowie die Zweckbetriebsvoraussetzungen des § 68 Nr. 3 lit. c AO erfüllt. Eine gemeinnützige, steuerbegünstigte Zweckverfolgung könne sich aus § 52 Abs. 2 Nr. 10 AO (Förderung der Behin-dertenhilfe) oder § 53 AO (mildtätige Zwecke) ergeben, müs-se aber klar und eindeutig in der Satzung geregelt sein. Im Hinblick auf die Grundsätze der Selbstlosigkeit (§ 55 AO) und Ausschließlichkeit (§ 56 AO) sollte sichergestellt sein, dass die integrative, nicht die erwerbswirtschaftliche Zweckausrich-tung im Vordergrund steht.

§ 68 Nr. 3 lit. c AO könne im Wesentlichen zwei Voraus-setzungen für das Vorliegen eines Zweckbetriebs entnommen werden: Zum einen schließe sich das Steuerrecht durch ei-nen Verweis auf die §§ 132 ff. SGB IX den sozialrechtlichen Erfordernissen an, zum anderen stelle es mit der sogenann-ten Beschäftigungsquote, nach der 40% der Beschäftigten schwerbehindert i.S.d. § 132 Abs. 1 SGB IX sein müssen, ei-gene (erhöhte) Anforderungen auf. Insbesondere diese seien auslegungsbedürftig und streitanfällig. Unklar und teilweise von Finanzbehörden unterschiedlich bewertet und beschie-den sei z.B. die einzubeziehende Personengruppe (auch Men-schen mit einem Grad der Behinderung von unter 50%?), die Bezugsgröße der Quote (einzelner Geschäftsbetrieb oder ge-samtes Unternehmen?) und der maßgebliche Zeitpunkt des Vorliegens (bereits am ersten Tag des Betriebs oder im Laufe des Jahres?). Nach der speziellen Vorschrift des § 68 Nr. 3 lit. c AO deuten die Verfasser an, dass ein Zweckbetrieb auch nach § 68 Nr. 4 AO oder § 65 AO vorliegen könne.

Danach widmet sich der Beitrag umsatzsteuerlichen Fra-gen, insbesondere derjenigen, ob gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a UStG der ermäßigte Steuersatz einschlägig sein oder gar nach § 4 Nr. 18 UStG eine steuerfreie Leistung vorliegen könne. Während die Finanzverwaltung dies im letzten Fall i.d.R. rich-tigerweise verneine, müsse die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes in jedem Einzelfall gesondert geprüft werden. Dabei sollte der Stellenwert für die umsatzsteuerliche Begün-stigung der Behindertenhilfe für deren Förderung berücksich-tigt werden. Schließlich äußern die Autoren die Hoffnung, verschiedene Revisionsverfahren, die derzeit beim BFH an-hängig seien, mögen auf diesem Gebiet höhere Rechtssicher-heit bringen.

Friedrich Lutz/Tilo Kurz, Steuerliche Behandlung von In-tegrationsprojekten, DStR 2012, S. 1260-1265.

Das Ehrenamt und die UmsatzsteuerMeurer nimmt in seinem Beitrag die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 26 UStG in den Blick, die seit Beginn des Jahres 2012 im Fokus der Finanzverwaltung steht. Mit Schreiben vom 2.1.2012 (IV D 3 – S 7185/09/10001) hatte das BMF Verein-

fachungen hinsichtlich der Angemessenheit von Entschädi-gungen im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeiten herbeiführen wollen. Diese wurden in der Praxis jedoch als Verschärfun-gen aufgefasst. Nach Verlängerung der Nichtanwendungs-regelung bis zum 31.12.2012 hat das BMF den Verbänden einen Entwurf eines überarbeiteten BMF-Schreibens mit der Bitte um Stellungnahme übersandt. Meurer zeigt die gesetz-liche Regelung, die bisherige Auffassung der Finanzverwal-tung und die geplanten Anpassungen auf. Zunächst definiert er den Begriff der „ehrenamtlichen Tätigkeit“. Neben der Regelung des § 4 Nr. 26 UStG komme es nach dem materiel-len Begriffsinhalt des Begriffs „ehrenamtlich“ auf das Fehlen eines eigennützigen Erwerbsstrebens, die fehlende Haupt-beruflichkeit und den Einsatz für eine fremdnützig bestimm-te Einrichtung an.

Mit seinem Schreiben vom 2.1.2012 (s.o.) bestimmte das BMF, dass von einer angemessenen Entschädigung für Zeit-versäumnis i.S.d. § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG dann pauschal ausgegangen werden könne, wenn der Entschädigungsbe-trag 50,- Euro je Tätigkeitsstunde nicht übersteige. und die Vergütung für die gesamten ehrenamtlichen Tätigkeiten ins-gesamt den Betrag von 17.500,- Euro im Jahr nicht übersteige. Weiterhin sollte aber die Prüfung nach den Verhältnissen des Einzelfalls vorgenommen werden, insbesondere der Zeitauf-wand nachvollziehbar dokumentiert werden. Diese neuen Grundsätze wurden schnell von der Praxis als unpraktikabel moniert. Der Entwurf, der sich mit der Kritik ausführlich aus-einandergesetzt hat, sieht nun u.a. vor, dass zur Ermittlung der Jahresobergrenze von 17.500,- Euro auf die tatsächliche Höhe der Aufwandsentschädigung im Vorjahr sowie die vo- raussichtliche Höhe der Aufwandsentschädigung im laufen-den Jahr abzustellen ist. Weiterhin soll ein (echter) Auslagen-ersatz, der für die tatsächlich entstandenen und nachgewie-senen Aufwendungen der ehrenamtlichen Tätigkeit vergütet wird, bei der Berechnung der Betragsgrenzen unberücksich-tigt bleiben. Meurer sieht es als erleichternd an, dass als Aus-lagenersatz auch ein Fahrtkostenersatz nach den pauschalen Kilometersätzen, die lohnsteuerlich als Reisekosten angesetzt werden können, anerkannt werden soll.

Der Entwurf versucht außerdem, den aus der Praxis ange-prangerten Dokumentationsaufwand dadurch zu reduzieren, dass pauschal gezahlte Aufwandsentschädigungen dann un-schädlich sein sollen, wenn diese mit einer durchschnittlich bestimmten Anzahl an Stunden pro Zeiteinheit für die fremd-nützige Einrichtung korrespondieren und dies festgehalten ist. Meurer kritisiert jedoch, dass Ausführungen, wie eine Glaub-haftmachung des tatsächlichen Zeitaufwands ausgestaltet sein muss, fehlen. Allerdings kann nach dem Entwurf des BMF die Steuerbefreiung auch dann ohne weitere Prüfung gewährt werden, wenn der Jahresgesamtbetrag der Entschädigungen den Ehrenamtsfreibetrag nach § 3 Nr. 26 bzw. 26a EStG nicht übersteigt. In diesen Fällen bedürfe es lediglich der Angabe der Tätigkeiten und die Höhe der dabei erhaltenen Entschä-digungen. Dabei sind sämtliche ehrenamtlichen Tätigkeiten zusammenzufassen und der Gesamtbetrag mit der Grenze des EStG zu vergleichen.

Unklar bleibe laut Meurer eine Aussage des BMF, wonach ein Entgelt, mit dem eine Leistung vergütet wird, nicht von der Steuerbefreiung umfasst sein soll. Denn man müsse sich, be-vor man bei der Umsatzsteuer die Frage nach einer etwaigen Steuerbefreiung beantworten könne, immer zunächst die Fra-ge der Steuerbarkeit stellen, wozu auch die Frage nach dem Vorliegen einer Leistung gegen Entgelt gehöre. Zusammen-fassend ist Meurer der Ansicht, dass die Finanzverwaltung

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sich mit der Kritik aus der Praxis ernsthaft auseinandergesetzt habe, dass jedoch einige Ausführungen in dem Entwurf nicht eindeutig und daher überarbeitungswürdig seien.

Thomas Meurer, Das Ehrenamt und die Umsatzsteuer, UStB 2012, S. 322-326.

Sportsponsoring – Praktische Konsequenzen aus dem Urteil des BFH vom 2.8.2012 – IV R 25/09Aufgrund des Sponsoringerlasses des BMF aus dem Jahre 1998 war es Firmen möglich, vielerlei Ausgaben als Teil ei-nes Sponsoringpakets zu deklarieren – und damit ausweislich des Erlasses regelmäßig in den Genuss des vollen Betriebs-ausgabenabzugs zu kommen –, die bei isolierter Betrachtung einer Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 S. 1 EStG unter-legen hätten. Trotz einer in den letzten Jahren zunehmend strengeren Beurteilung durch die Finanzverwaltung suchen immer mehr werbeorientierte Unternehmen steuerlichen Schutz in der vermeintlich sicheren Praxis des (Sport-) Spon-soring. Wallenhorst nimmt unter Berücksichtigung dieser seines Erachtens nunmehr fahrlässigen Handhabung durch die Praxis ein aktuelles Urteil des BFH in den Blick (Urt. v. 2.8.2012 – IV R 25/09), welches dem vollen Betriebsausgaben-abzug jedweder PR-wirksamen Sponsoringmaßnahme klare Grenzen aufzeigt. Als Ausgangspunkt setzt Wallenhorst bei der Definition des Sponsoring im steuerrechtlichen Sinne an. Beim Sponsoring erfolge eine kooperative und gleichstufige Zusammenarbeit von Sponsor und Gesponserten, in deren Rahmen eine „Förderung gemeinnütziger bzw. öffentlich-rechtlicher Organisationen im sportlichen, kulturellen und auch sozialen Bereich als Gegenleistung für die Ziele der eigenen Unternehmenskommunikation“ erfolge. Weil die Förderung regelmäßig im Zusammenhang mit einer konkre-ten Veranstaltung stehe, sei – so Wallenhorst unter Verweis auch auf den BFH – entscheidendes Kriterium das materiel-le Verständnis des „Veranstalters“. Die Rechtfertigung des vollen Betriebskostenabzuges des Sponsors liege in der Tat-sache, dass die Ausgaben der gemeinnützigen Körperschaft zu einem positiven Image gereichten, weil sie ihr wertend zugerechnet würden. Wenn jedoch der Sponsor nach außen hin als Veranstalter auftritt, so entfalle diese Rechtfertigung und die Ausgaben seien ohne Anwendung des Sponsoring-erlasses nach allgemeinen Grundsätzen zu bewerten. Wal-lenhorst wertet das Urteil des BFH ausführlich auf Hinweise aus, welche die Veranstaltereigenschaft konkretisieren und gelangt zu dem Schluss, dass die Bestimmung des Organisa-tionsrahmens, die Verteilung des (wirtschaftlichen) Veran-staltungsrisikos und die im Ergebnis erfolgende Außendar-stellung („Wer tritt nach außen auf?“) maßgebliche Kriterien für die Bestimmung des Veranstalterbegriffs seien. Erscheint auf der Basis dieses Indizienkatalogs nach wertender Be-trachtung der Sponsor als Veranstalter, so sei der Sponso-ringerlass unanwendbar und die Ausgaben seien – notfalls durch zulässige Schätzungen – in ihre einzelnen Bestandtei-le zu zerlegen und entsprechend nach allgemeinen steuer-rechtlichen Grundsätzen zu behandeln.

Schwere Folgen habe dies insbesondere bei Ausgaben, die nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 EStG der „luxusorientierten Pri-vatsphäre“ zuzuordnen sind (insbesondere Golf, Segeln, Rei-ten, Tennis, Fliegen, Motorsport, Safaris etc.), denn hier sei ein Abzug dann vollständig zu versagen, weil der Tatbestand insoweit gegenüber den anderen Nummern des § 4 Abs. 5 S. 1 EStG „überlagernd“ wirke (BFH, Urt. v. 26.4.2005 – I B 243/04). In anderen Fällen komme es regelmäßig zu einer Aufteilung des Ausgabenpakets in Werbung (allgemeine Be-

triebsausgabe), Geschenke (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG) und Bewirtung (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG). Wallenhorst zeigt zu-dem die Konsequenzen hinsichtlich anderer Steuerfelder auf: Ist der Sponsor nach materieller Betrachtung als Veranstalter anzusehen, so kann die Umsatzsteuer der Betriebsausgaben – mit Ausnahme der Bewirtung – auch nicht als Vorsteuer gel-tend gemacht werden (§ 15 Abs. 1a S. 1, 2 UStG). Zudem er-folge bei Einordnung der Ausgabe als Geschenk im Sinne von § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG die aufseiten des Empfängers steuer- pflichtige Zuwendung eines geldwerten Vorteils, wobei § 37b EStG dem Sponsor ab 2007 erlaube, die Steuerpflicht des Empfängers zu übernehmen. Im Ergebnis warnt Wallen-horst die Praxis davor, der Organisation einer PR-Maßnahme im Rahmen des Sponsoring derart ihr Gepräge zu verleihen, dass sie selbst als Veranstalter auftritt, denn die steuerrecht-lich nachteiligen Folgen seien – insbesondere im Bereich des (Luxus-)Sports – mannigfaltig.

Rolf Wallenhorst, Jenseits des Sponsoring – Die Situation nach dem Urteil des BFH vom 2.8.2012, IV R 25/09, DStR 2012,S. 2212-2215.

andere rechtsgebiete

Keine Haftung des gastgebenden Vereins für Kreuzbandriss nach Sturz über liegendes TorIm vorliegenden Fall hatte sich der Spieler einer Mannschaft verletzt, nachdem er gegen ein hinter der gegnerischen Tor-Aus-Linie abgelegtes Trainingstor gestürzt war. Seine Klage stützte der Verletzte auf die Behauptung, der gastgebende Verein habe seine Verkehrssicherungspflichten verletzt. Das OLG führt in seinem die Berufung zurückweisenden Be-schluss aus, dass zwar derjenige, der eine Gefahrenquelle eröffnet, gehalten ist, die notwendigen und zumutbaren Vor-kehrungen zu treffen, um eine Schädigung andere möglichst zu verhindern. Dabei müsse aber nicht jeder denkbaren Ge-fahr vorbeugend begegnet werden. Haftungsbegründend werde eine Gefahr erst dann, wenn es aus sachkundiger Sicht nahe liege, dass Rechtsgüter anderer beeinträchtigt werden. Es müsse hingenommen werden, dass es von einem fremden Herrschaftsbereich ausgehende Risiken gebe, die der Ge-schädigte am Ende allein trage. So hätte es sich auch im zu beurteilenden Fall zugetragen. Zwar stellte das Trainingstor, gegen das der Kläger prallte, eine abstrakte Gefahr dar, die von vornherein hätte ausgeschlossen werden können. Aber die Schadenswahrscheinlichkeiten waren so gering, dass un-ter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung entsprechen-de Vorkehrungen nicht geboten waren. Das Trainingstor war augenfällig und war als individuelles Hindernis zu erkennen. Es befand sich 4,5 m hinter der gegnerischen Tor-Aus-Linie. Grundsätzlich brauchte ebenso wenig befürchtet zu werden, dass Spieler mit dem abgelegten Trainingstor kollidieren würden, wie allgemein anzunehmen war, dass sie sich bspw. an Torpfosten verletzen würden.

OLG Koblenz, Beschl. v. 19.7.2012 – 5 U 423/12

Albrecht/Kamp/Lienicke/Seelig | npoR-ReportnpoR Heft 1/2013 15

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16 Rechtsprechung npoR Heft 1/2013

Vereinsrecht

Voraussetzungen für die Eintragung eines regio-nalen Zweigvereins in das VereinsregisterBGB §§ 57, 58, 71; FamFG § 59 Abs. 1 und 2; ZPO § 50 Abs. 2

1. Wenn ein regionaler Zweigverein, dessen Mitglieder zu-gleich dem Gesamtverein angehören, in das Vereinsregister eingetragen werden will, darf er auch dem Gesamtverein gegenüber nicht vollständig auf sein Selbstverwaltungs-recht verzichten. Es genügt aber, wenn er die Voraus-setzungen erfüllt, welche nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 50 Abs. 2 ZPO (NJW 1979, 1402; 1984, 2223; 2008, 69, 73 f.) an einen Verein zu stellen sind.

2. Weist das Registergericht die Anmeldung einer konstitutiv wirkenden Eintragung (hier: Satzungsänderung) in das Ver-einsregister zurück, so steht die Beschwerde gemäß § 59 Abs. 2 FamFG nur dem anmeldenden Verein zu.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.1.2012 – 14 Wx 21/11Volltext abgedruckt in npoR 2012, 197 ff.

Anmerkung

Der in npoR 2012, 197 ff. abgedruckte Beschluss des OLG Karlsruhe ist insofern bemerkenswert, als er als eine von ganz wenigen obergerichtlichen Entscheidungen die registerrecht-liche Beurteilung von Gesamtvereinen erörtert.1 Zwar gibt es zahlreiche Gesamtvereine, also Vereine mit rechtlich selb-ständigen Untergliederungen. Doch sind die Untergliederun-gen regelmäßig als nicht eingetragene Vereine (§ 54 BGB) organisiert, so dass registerrechtliche Probleme sich nicht stel-len. Nur ausnahmsweise wird für sie die Eintragung im Ver-einsregister angestrebt. Der bekannteste Fall dieser Art sind die sogenannten Gaue des ADAC.2 Grundsätzliche Bedenken dagegen gibt es nicht. Überall ist im Gegenteil zu lesen, dass die Untergliederungen sowohl nicht eingetragene als auch eingetragene Vereine sein können,3 und das zu Recht: Der Unterschied zwischen eingetragenem und nicht eingetrage-nem Verein erschöpft sich heute darin, dass beim nicht ein-getragenen Verein zum Ausgleich der fehlenden Publizität der Vertretungsverhältnisse in § 54 S. 2 BGB eine Handeln-denhaftung angeordnet ist.4 Im Übrigen unterliegt der nicht eingetragene Verein dem gleichen Recht wie der eingetra-gene.5 Mit der Handelndenhaftung lässt sich aber offenbar keine eingeschränkte Verwendbarkeit des eingetragenen im Verhältnis zum nicht eingetragenen Verein begründen. Wenn überhaupt, kommt allenfalls eine geringere Verwendbarkeit des nicht eingetragenen Vereins in Betracht.

Die Besonderheit der vereinsartigen Untergliederung im Gesamtverein (Zweigverein) besteht darin, dass sie trotz ihrer Eigenschaft als selbständiges (eingetragenes oder nicht einge-tragenes) Rechtssubjekt funktional Teil der Organisation des sogenannten Hauptvereins ist.6 Die höchstrichterliche Recht-sprechung hat sich folgerichtig – womit Teile des Schrifttums sich bis heute schwertun7 – nie an den Anforderungen der Gründung und Existenz eines autonomen Vereins orientiert.

Der BGH hält für erforderlich, aber auch für ausreichend, dass der Zweigverein auf Dauer nach außen Aufgaben im eigenen Namen durch eine eigene, dafür handlungsfähige Organi-sation erfüllt. Selbständigkeit nach innen im Verhältnis zum Hauptverein soll dagegen entbehrlich sein. Der Hauptverein soll in seiner eigenen Satzung bestimmen können, dass sie auch für den Zweigverein verbindlich ist. Selbst Zweck und Organisation des Zweigvereins sollen nicht in einer eigenen, von seinen Mitgliedern beschlossenen Satzung geregelt wer-den müssen, sondern sich auch aus der Satzung des Haupt-vereins ergeben können.8 Mit der für den autonomen Verein geltenden Dogmatik sind solche Konsequenzen unvereinbar. Denn danach wird es „praktisch einhellig für unzulässig gehal-ten …., das Recht zum Erlass und zur Änderung der Satzung einem nicht vereinsangehörigen Dritten zu überantworten.“9 Erklären und rechtfertigen lässt sich die Rechtsprechung, die im Wesentlichen schon auf das RG zurückgeht,10 nur damit, dass die Mitglieder des Zweigvereins in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Hauptvereins an der Ausübung des „Rechts des Hauptvereins“ zum Erlass und zur Änderung der Satzung des Zweigvereins (bzw. der auch für das Leben des Zweigver-eins verbindlichen Satzung des Hauptvereins) beteiligt sind. Das wiederum setzt die Einheit der Mitgliedschaft im Haupt- und Zweigverein voraus. Auf einen Zweigverein beschränkte Mitgliedschaften darf es nicht geben.11 Auch das hat der BGH bestätigt. Er spricht von einer gestuften Mehrfachmitglied-schaft,12 die – wie die Bezugnahme auf die gesetzlich aus-drücklich als Gesamtvereine geregelten politischen Parteien zeigt13 – keine Doppelmitgliedschaft (d.h. getrennte, lediglich durch Personalunion verbundene Mitgliedschaften im Haupt-

rechtsprechung

1 Veröffentlicht ist – soweit ersichtlich – außerdem nur noch die Entscheidung des OLG Hamm, Beschl. v. 24.7.1987 – 15 W 7/87, NJW-RR 1988, 183.

2 Vgl. Rücker, Die Vereinsklassenabgrenzung, 2012, S. 31.3 Statt aller R. Wolff, Rechtsträgerschaft und Rechtswahrnehmung

im gegliederten Verein, in: Hüttemann/Rawert/Schmidt/Weite-meyer (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2008, 2009, S. 21, 26 f.

4 Reuter, MüKo-BGB, 6. Aufl. 2011, § 54 Rn. 54 ff.5 Ausführlich Reuter, MüKo-BGB (Fn. 4), § 54 Rn. 3 ff.6 Reuter, MüKo-BGB (Fn. 4), Vor § 21 Rn. 139.7 Repräsentativ R. Wolff (Fn. 3), S. 21, 27.8 BGH NJW 1984, 2223; ebenso schon RGZ 118, 196, 198.9 R. Wolff (Fn. 3), S. 21, 28.10 RGZ 118, 196, 198; RG JW 1927, 2363.11 Unschlüssig Leuschner, Das Konzernrecht des Vereins, 2011, der

auf S. 259 f. den Ausschluss des isolierten Austritts des Mitglieds aus dem Hauptverein anstatt mit der Einheit der Mitgliedschaft mit der Treubindung des Mitglieds gegenüber dem Hauptverein begründet. Die Treubindung wirkt aber nur schuldrechtlich, so dass der isolierte Austritt wirksam ist und auch nicht rückgängig gemacht wird, wenn der Hauptverein ihn hinnimmt.

12 BGHZ 73, 275, 278; BGH NJW 2008, 69, 74.13 Der BGH zitiert dazu Seifert, Die Politischen Parteien im Recht

der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 199, 200, 211, wo auf S. 199 von der gestuften Mehrfachmitgliedschaft als gespaltener Mitgliedschaft und auf S. 211 vom automatischen Erwerb der Mit-gliedschaft in der Bundespartei durch Eintritt in ihren Ortsverein die Rede ist.

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RechtsprechungnpoR Heft 1/2013 17

und Zweigverein), sondern eine gespaltene Mitgliedschaft beinhaltet, deren Rechte und Pflichten nach Maßgabe der vor-rangigen Satzung des Hauptvereins teils im Hauptverein und teils im Zweigverein wahrzunehmen bzw. zu erfüllen sind.14

Es liegt auf der Hand, dass sich diese materiellrechtliche Besonderheit des Gesamtvereins auch in einer besonderen registerrechtlichen Behandlung niederschlagen muss. Das OLG Karlsruhe trägt dem in der vorliegenden Entscheidung Rechnung, indem es feststellt, es könne offen bleiben, ob die von ihm befürwortete Zulässigkeit von Beschränkungen der Vereinsautonomie auch „außerhalb von gestuften Verbän-den“ angenommen werden könne. Glaubt man dem BGH, dann muss der Zweigverein entgegen § 57 Abs. 1 BGB nicht einmal eine Satzung haben. Aber diese These des BGH geht auch in materiellrechtlicher Hinsicht zu weit. Schon der nicht eingetragene Zweigverein muss einen eigenen Wirkungs-kreis haben, den er nicht nur selbst verwaltet, sondern auch selbst regelt. Denn sonst ist die Untergliederung unselbstän-dig. Selbstverwaltung ist bereits erforderlich, damit überhaupt von einer Untergliederung die Rede sein kann. § 30 BGB ist u.a. deshalb geschaffen worden, um Verwaltungsstellen unter der Leitung örtlicher Delegierter einen sachgerechten rechtli-chen Status zu verschaffen.15 Das OLG Hamm hat demgemäß die registerrechtliche Besonderheit des Zweigvereins darin gesehen, dass den Mindesterfordernissen der Vereinssatzung nach den §§ 57 Abs. 1, 58 BGB im Fall des Zweigvereins nicht durch inhaltliche Festlegung von Zweck, Name und Sitz in der eigenen Satzung genügt werden muss, sondern durch eine widerspruchsfreie und verständliche Verweisung auf die entsprechenden Vorschriften der Satzung des Hauptver-eins genügt werden kann.16 Leider relativiert das OLG Hamm diese Einsicht dadurch, dass es nur eine statische, nicht auch eine dynamische Verweisung für zulässig erklärt. Der Vor-behalt gegen die dynamische Verweisung ist ein Vorbehalt gegen die Regelungsmacht von Instanzen, die im Verhältnis zu den (unmittelbar) Regelungsunterworfenen nicht über die erforderliche privatautonome Legitimation verfügen.17 Dieser Vorbehalt ist im Verhältnis von Hauptverein und Zweigver-ein gegenstandslos, weil die gestufte Mehrfachmitgliedschaft gleichzeitig die erforderliche Legitimation für die Regelungs-instanzen des Hauptvereins und des Zweigvereins vermittelt. Da die Satzung des Hauptvereins nach der Rechtsprechung des BGH für den Zweigverein verbindliche Regelungen zu schaffen vermag, kann die Satzung des Zweigvereins für die Gegenstände, für die das geschehen ist, lediglich dynamische Verweisungen enthalten. Wäre die Verweisung nur eine sta-tische, so entstünde im Fall einer Änderung der Bezugsrege-lungen in der Hauptvereinssatzung eine Lücke in der Satzung des Zweigvereins. Diese Lücke wäre zwar nur eine formale Lücke, denn materiellrechtlich würde wegen ihrer Verbind-lichkeit für den Zweigverein die Regelung der Hauptvereins-satzung gelten. Aber es kann auch nicht im Sinne der Aufga-be des Registerrechts, Transparenz der Rechtsverhältnisse zu schaffen, sein, wenn das Vereinsregister für den Zweigverein Bestimmungen ausweist, die alsbald gegenstandslos werden können. Das gilt auch und gerade für die Mindestanforderun-gen an die Vereinssatzung gemäß §§ 57, 58 BGB. Wenn die Hauptvereinssatzung nicht insoweit dem Zweigverein eine eigene Regelungsbefugnis belässt, muss dessen Satzung sich also in der (dynamischen) Verweisung auf die Regelung der Hauptvereinssatzung erschöpfen. Im Fall des § 58 Nr. 1 BGB kommt kraft Natur der Sache überhaupt nur eine Regelung entweder in der Hauptvereinssatzung oder in der Zweigver-einssatzung in Betracht. Denn der Erwerb und der Verlust

der einen (!) gestuften Mehrfachmitgliedschaft kann nicht für Hauptverein und Zweigverein verschieden sein. Entwe-der die Hauptvereinssatzung nimmt die Regelungsbefugnis dafür in Anspruch, dann kann der Satzung des Zweigver-eins registerrechtlich nicht mehr als die Verweisung auf die Hauptvereinssatzung abverlangt werden. Oder die Hauptver-einssatzung überlässt die Regelung den Zweigvereinen, dann kann sie nur ihrerseits auf die Regelungen in den Satzungen der Zweigvereine (dynamisch) verweisen. Das Registergericht darf angesichts der materiellrechtlichen Besonderheit des Ge-samtvereins nicht auf den Anforderungen beharren, die für die Eintragung von Normalvereinen gestellt werden. Denn hier wie sonst gilt, dass das Registerrecht gegenüber dem ma-teriellen Recht eine dienende Funktion hat. Es darf das ma-terielle Recht nicht vereiteln, sondern muss es verwirklichen. Das ist die zentrale Aussage der vorliegenden Entscheidung, wenn sie feststellt, dass ein Zweigverein ins Vereinsregister einzutragen ist, wenn er die Voraussetzungen der höchstrich-terlichen Rechtsprechung zum Gesamtverein erfüllt.18

Prof. em. Dr. Dieter Reuter, Kiel

Aufnahme als Vereinsmitglied aus Kartellrecht

LG Köln, Urt. v. 9.2.2012 – 88 O 33/10

[1] Tatbestand

[2] Die Klägerin fordert aus Kartellrecht Aufnahme als Mit-glied in den beklagten Verein.

[3] Bei dem Beklagten handelt es sich um den 1900 gegründe-ten Verband deutscher Fachgroßhändler für Haustechnik mit – zu Prozessbeginn – 119 Mitgliedern. Er vertritt die Interessen seiner Mitglieder und informiert sie über branchenrelevante Neuigkeiten.

[4] Die Klägerin ist seit 1982 im Bereich Fachgroßhandel für Haustechnik tätig, schwerpunktmäßig in der Heizungs- und Sanitärbranche, daneben im Bereich Klima- und Lüftungs-technik. Die Klägerin ist im Wesentlichen als Versandhänd-lerin tätig und nimmt Aufträge überwiegend telefonisch oder über das Internet entgegen.

[5] Die Klägerin wendet sich ausschließlich an Fachhandwerker und Installateure. Sie stellt den Installateuren Kataloge zur Ver-fügung, die sie für die Jahre 2010 und 2011 als Anlagen zu den Akten gereicht hat. Die Klägerin nimmt für sich in Anspruch, komplette Bäder und Heizungsanlagen anzubieten. […]

[6] Die Mitglieder des Beklagten vertreiben ihre Produkte im dreistufigen Betrieb, d.h. sie beziehen die Produkte von der Industrie und vertreiben sie als Großhändler an Installateu-re. Sie verstehen sich dabei als Bindeglied zwischen Industrie und Fachhandwerkern, in erster Linie als stationärer Handel über das Ladengeschäft, sie nehmen Aufträge aber auch tele-fonisch, per Telefax oder über Internet entgegen.

14 Ausführlicher Reuter, MüKo-BGB (Fn. 4), Vor § 21 Rn. 140 ff.15 Mugdan I S. 618. Ausführlich Reuter, MüKo-BGB (Fn. 4), Vor

§ 21 Rn. 147.16 OLG Hamm NJW-RR 1988, 183.17 Vgl. für die Rechtslage im Vereinsverband Reuter, MüKo-BGB

(Fn. 4), Vor § 21 Rn. 131 ff.18 Rn. 8.

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[7] […]

[8] Die Klägerin begehrt seit 2008 erfolglos Aufnahme als Mit-glied des Beklagten. […] Der Vorstand stimmte in der Sitzung Ende April 2009 der Aufnahme der Klägerin nicht zu, da diese nicht alle Aufnahmevoraussetzungen erfülle. Mit Schreiben vom 19.05.2009 teilte der Beklagte der Klägerin dies mit. Die Klägerin müsse den Nachweis der Führung eines Vollsorti-ments und den Nachweis über die Erfüllung der Kreditfunk-tion in branchenüblicher Weise führen. Nach einem erläu-ternden Telefonat zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und Herrn Dr. T5 am 08.06.2009 nahm die Klägerin mit Schreiben vom 12.06.2009 Stellung. Es sei nach der Sat-zung nicht erforderlich, ein Vollsortiment zu führen und die Klägerin gewähre den Installateuren regelmäßig ein Zah-lungsziel von 30 Tagen. Der Beklagte übergab die Sache nun-mehr seinem Anwalt, und mit anwaltlichem Schreiben vom 04.08.2009 teilte er mit, es bestehe kein Aufnahmeanspruch, da die Klägerin kein Vollsortiment führe, die Klägerin nicht die branchenübliche Kreditfunktion erfülle und die Vertriebs-art der Klägerin nicht zur Mitgliederstruktur des Beklagten passe. Mit Schreiben vom 14.08.2009 forderte die Klägerin un-ter Fristsetzung zum 31.08.2009 die Aufnahme. Mit Schreiben vom 31.08.2009 wiederholte der Beklagte seine Bedenken, worauf die Klägerin mit Schreiben vom 09.09.2009 erwiderte und eine Besichtigung vor Ort anbot. Dieses Angebot nahm der Beklagte an. Am 16.10.2009 fand ein gemeinsames Tref-fen am Sitz der Klägerin statt. Mit Schreiben vom 02.11.2009 teilte der Beklagte mit, es seien keine Fragen mehr offen. In der Vorstandssitzung vom 20.11.2009 wurde eine Satzungs-änderung beschlossen, und zwar insbesondere zu den Auf-nahmevoraussetzungen. Auf § 5 der Satzung von 2010 wird verwiesen (Anlage K 12b). Der geschäftsführende Vorstand des Beklagten wies den Aufnahmeantrag der Klägerin mit Schreiben vom 10.12.2009 zurück. Für den Bereich Sanitär beanstandete der Beklagte das Fehlen von Keramikproduk-ten, Badewannen und Duschabtrennungen, für den Bereich Heizung das Fehlen von Flachheizkörpern und Röhrenheiz-körpern sowie die nur ausnahmsweise Lieferung von Heiz-kesseln.

[9] […]

[11] Eine regelmäßige Überprüfung des Beklagten, ob seine Mitglieder die satzungsmäßigen Aufnahmekriterien erfüllen, findet nicht statt. […]

[68] Entscheidungsgründe

[69] Die Klage ist unbegründet.

[70] Die Klägerin kann nicht gemäß §§ 20 Abs. 6, 33 GWB Aufnahme als Mitglied des Beklagten verlangen.

[71] Gemäß § 20 Abs. 6 GWB dürfen Wirtschafts- und Be-rufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Be-handlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde. Diese Vor-aussetzungen liegen im Ergebnis nicht vor.

[72] 1)

[73] Bei dem Beklagten handelt es sich allerdings um eine

Wirtschaftsvereinigung, was von dem Beklagten auch nicht in Abrede gestellt wird.

[74] Eine Wirtschaftsvereinigung ist eine Vereinigung von Un-ternehmen, die die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder als wirtschaftspolitische Vereinigung vertritt als Repräsentant gegenüber der Öffentlichkeit, den Gesetzgebungsorganen, der Verwaltung und anderen Interessengruppen im Sinne ei-ner umfassenden Interessenvertretung (Bechtold, GWB, § 20, Rdnr. 103).

[75] Für diese Zielsetzung spricht schon der Name des Be-klagten, der eine bundesweite Verbandsvertretung für den Großhandel Haustechnik nahe legt, ferner die Organisation als eingetragener Verein, die eine Mitgliedschaft interessier-ter Unternehmen als Vereinsmitglieder ermöglicht.

[76] Maßgeblich und eindeutig im Sinne einer Wirtschaftsver-einigung ist der Satzungszweck in § 3 der Satzung, nach dem ein Zusammenschluss von Unternehmen des Fachgroßhan-dels Haustechnik zur Förderung gemeinsamer Interessen im In- und Ausland erfolgt. Die sodann aufgezählten Beispiele für den Vereinszweck sind in diesem Sinne typische Verbands-zwecke wie etwa schon unter § 3 1.1 die Wahrnehmung der beruflichen, fachlichen, wirtschaftlichen und wettbewerbli-chen Interessen gegenüber Behörden, Körperschaften, Indus-trie, Handel, Verarbeitern, Verbrauchern sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmergruppen.

[77] 2)

[78] Die Ablehnung der Aufnahme der Klägerin ist jedoch eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung, wovon die Kammer im Rahmen der Nachberatung ausgeht.

[79] Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Anspruchsteller die satzungsmäßigen Aufnahmekriterien erfüllt, aber dennoch nicht aufgenommen wird.

[80] a)

[81] Die Klägerin erfüllt die in der derzeit geltenden Satzung 2010 aufgestellten Kriterien nicht.

[82] Hinsichtlich der in § 5 Nr. 3.4 der Satzung 2010 genann-ten zusätzlichen Kriterien wie Vollsortiment, Ausstellung, Au-ßendienst, Lagerbevorratung, Terminlieferung und Notdienst hat die Klägerin im Verlaufe des Rechtsstreits ihren Vortrag an die Erfüllung dieser Anforderungen ergänzt.

[83] Es bleibt indes das in § 5 Nr. 4.0 unter „Versagung der Mitgliedschaft“ genannte Ausschlusskriterium „reine oder schwerpunktmäßige Versandhändler“.

[84] Die Klägerin stellt nicht in Abrede schwerpunktmäßig Versandhandel zu betreiben, also Aufträge über Telefon, Te-lefax und Internet entgegen zu nehmen und dann die bestell-ten Produkte an die Kunden auszuliefern bzw. ausliefern zu lassen. Daher ist der Klägerin die Mitgliedschaft zu versagen, da es – wie nachfolgend ausgeführt wird - auf dieses Kriterium und damit auf die Satzung 2010 ankommt.

[85] b)

18 Rechtsprechung npoR Heft 1/2013

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[86] Für die Entscheidung ist auf die 2010 geänderte neue Sat-zung und die dort in § 5 Nr. 3 und 4 genannten Anforderun-gen abzustellen.

[87] aa)

[88] Zwar ist der Aufnahmeantrag nach Angaben des Beklag-ten auf der Grundlage der Satzung von 1994 entschieden wor-den, die in § 5 Nr.3 schriftlich niedergelegt geringere Anfor-derungen an die Aufnahme stellt. Der Aufnahmeanspruch ist aber grundsätzlich zu beurteilen nach der zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Satzung, das ist die Satzung von 2010.

[89] bb)

[90] Ein Verein wie der Beklagte ist – worauf der Beklagte zu Recht hinweist – in der Gestaltung seiner Satzung grundsätz-lich autonom (Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Traub/Dorß, Kartellrecht, § 20 GWB, Rdnr. 158; Immenga/Mestmä-cker/Markert, GWB, § 20, Rdnr. 345; Bechtold, GWB, § 20, Rdnr. 108).

[91] (1)

[92] Eine Ausnahme würde lediglich dann anzunehmen sein, wenn die Satzungsänderung nur erfolgen würde, um einen Antragsteller, der an sich die Satzungskriterien erfüllt, durch die Satzungsänderung abzuwehren. (Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Traub/Dorß a.a.O. m.w.N.). Zwar ist ein Verein auch dann nicht gehindert, seine Satzung zu den Aufnahme-kriterien zu ändern, wenn ein Antragsteller die Mitgliedschaft beantragt. Würde dies aber nur zur Abwehr des Antragstellers geschehen, so wäre das mit § 20 Abs. 6 GWB, der – für das Vereinsrecht atypisch – eine auf Gleichbehandlung gerichte-te Aufnahmeentscheidung verlangt, unvereinbar (vgl. hier-zu Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Traub/Dorß, a.a.O., Rdnr. 188 m.w.N.).

[93] (2)

[94] Für eine solche Fallgestaltung sprechen zunächst die zeit-lichen Abläufe, soweit sie zwischen den Parteien unstreitig sind. Da es während der Geltung der Satzung 1994 bis zum Antrag der Klägerin – und offenbar auch danach – keinen wei-teren Aufnahmeantrag gab, ist der Anlass für eine von dem Antrag der Klägerin losgelöste Satzungsänderung im Dun-keln geblieben. Vielmehr spricht alles dafür, dass der beklag-te Verein erst in der weiteren Folge des Aufnahmeantrags die Satzungsänderung diskutiert und umgesetzt hat, nämlich über ein Jahr nach der Antragstellung der Klägerin. Auch die Behandlung des Aufnahmeantrags durch den Beklagten spricht für diese Beurteilung, nämlich die Bearbeitungsdauer von über einem Jahr bis zur ersten Zurückweisung und von eineinhalb Jahren bis zur Bestätigung der Zurückweisung durch den Vorstand.

[95] Ferner spricht für eine Behinderung des Aufnahmean-trags der Klägerin, dass die Satzung neben § 5 Nr. 4 in einer Reihe von Punkten unter § 5 Nr. 3.4 geändert wurde, so etwa betreffend die Erfüllung der Kreditfunktion in branchenüb-licher Weise, die Beratungsfunktion einschließlich Außen-dienst, Notdienst und Schulungsangebot, Terminlieferung an die Baustelle sowie die Kalkulation von Leistungsverzeichnis-

sen. Die Vielzahl dieser Ergänzungen, von denen der Beklagte ausgeht, dass die Klägerin diese Anforderungen nicht erfüllt, könnte so verstanden werden, dass es dem Beklagten darum ging, weitere Hürden für die Klägerin aufzubauen.

[96] (3)

[97] Wenn der Beklagte angibt, diese Satzungsergänzungen seien schon auf Grundlage der Satzung 1994 „gelebte“ Auf-nahmekriterien gewesen, ist dies zudem zu bezweifeln. Für die weiteren, in der Satzung 2010 zusätzlich aufgeführten Kriterien, ist nicht deutlich geworden, dass es sich um „ge-lebte“ Aufnahmekriterien unter der Satzung 1994 handelte. Mit Recht weist die Klägerin darauf hin, dass es keinen ande-ren Aufnahmeantrag gab, so dass keine Möglichkeit bestand, diese weiteren Kriterien tatsächlich zu praktizieren. Der Be-klagte ersetzt diese Betrachtung, indem er für seine Mitglie-der vorträgt, diese würden alle die genannten Anforderungen erfüllen. Der Rückschluss, wenn alle Mitglieder bestimmte Kriterien erfüllen, dann muss es sich auch um „gelebte“ Auf-nahmekriterien handeln, erscheint der Kammer indes nicht schlüssig. Die Einordnung als Aufnahmekriterium setzt über das einheitliche Vorliegen des Kriteriums eine bewusste Ent-scheidung des Vereins voraus, dass es auch bei künftigen Mit-gliedern gerade auf dieses Kriterium ankommen soll. Die Dar-legung einer solchen bewussten Entscheidung fehlt indes und kann mangels anderweitiger Aufnahme auch nicht aus der gelebten Praxis gefolgert werden. Denkbar wäre zwar, dass die gelebte Praxis aus der Zeit vor 1994 resultierte, hierzu fehlt aber jeglicher Vortrag. So ist nicht dargelegt, nach welchen „gelebten“ Kriterien die letzten Mitglieder des Beklagten auf-genommen worden sind.

[98] Hinzu tritt, dass dem Beklagten selbst vor der Mitglieder-befragung unklar war, in welchem Umfang welche Mitglieder die vermeintlich gelebten Aufnahmekriterien erfüllten. Woher der Beklagte daher die Erkenntnis nahm, dass es sich um ge-lebte Aufnahmekriterien gehandelt haben soll, bleibt unklar.

[99] (4)

[100] Gegen die Beurteilung einer gezielten Verhinderung der Aufnahme der Klägerin könnte sodann zwar sprechen, dass der Beklagte angibt, die ablehnende Entscheidung auf der Grundlage der Satzung 1994 getroffen zu haben. Dabei würde indes zweierlei nicht berücksichtigt. Zum einen behauptet der Beklagte, es gebe zwischen den Satzungen zu den Aufnah-mekriterien keinen inhaltlichen Unterschied, da die Satzungs-änderung 2010 nur der Aufnahme der zuvor schon gültigen, „gelebten“ Aufnahmekriterien gedient habe. Daraus muss dann aber gefolgert werden, dass sich die Ablehnungsent-scheidung inhaltlich nach den Satzungskriterien der Satzung 2010 richtete, also letztlich doch die Satzung 2010 zugrunde gelegt wurde. Zum anderen war für den anwaltlich beratenen Beklagten klar, dass sich eine streitige Auseinandersetzung um die Aufnahme in den Beklagten nach der aktuellen und nicht an einer alten Fassung der Satzung richten würde.

[101] Damit spricht die Angabe, die Ablehnungsentscheidung nach der alten Satzung getroffen zu haben, nicht gegen den aus den weiteren Zusammenhängen entstandenen Eindruck, die Satzungsänderung habe der Abwehr des Aufnahmean-trags der Klägerin gedient.

[102] (5)

RechtsprechungnpoR Heft 1/2013 19

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[103] Dennoch kann von einer gezielten, gegen die Klägerin gerichteten Satzungsänderung im Ergebnis nicht ausgegan-gen werden. Es ist nämlich zu unterscheiden zwischen Kriteri-en, die zielgerichtet gegen nur einen Anspruchsteller gerichtet sind, um dessen Aufnahme zu verhindern und Kriterien, die einer allgemeinen Abgrenzung zu bestimmten Wettbewerbs-formen oder wie hier Vertriebsformen dienen.

[104] Im Grundsatz ist es dem Beklagten im Rahmen der Sat-zungsautonomie möglich, eine abstrakte Abgrenzung zu be-stimmten Vertriebsformen wie hier dem Versandhandel vor-zunehmen.

[105] Dass diese Abgrenzung aus Anlass des Aufnahmean-trags der Klägerin vorgenommen worden ist, nimmt ihr nicht die Zulässigkeit. Hier ist dem Vortrag des Beklagten zu fol-gen, dass bei der Satzungsänderung 1994 die künftigen For-men des Versandhandels, insbesondere unter Berücksich-tigung des Internets mit seinen Darstellungsmöglichkeiten, noch nicht hinreichend bedacht worden sein dürften. Diese dürften auch in der Folgezeit nicht überdacht worden sein, weil kein Aufnahmeantrag gestellt worden ist. Daher bot der Aufnahmeantrag der Klägerin erstmals einen konkreten An-lass, die Aufnahmekriterien nach der Satzung zu überdenken. Die Satzungsänderung mag im Ergebnis auch den Zweck ge-habt haben, die Aufnahme der Klägerin zu verhindern. Die Satzungsänderung war aber keine Einzelfallregelung, sie hat-te zugleich das Ziel, künftige Aufnahmeanträge anderer Ver-sandhändler aus dem Bereich der Haustechnik zu verhindern. Dies schlägt sich jedenfalls durch die abstrakt gefasste Formu-lierung unmittelbar in der Satzung nieder.

[106] Dass es außer der Klägerin keinen anderen Versand-händler im Bereich Haustechnik gibt, ist zum einen nicht er-sichtlich und zum anderen dürfte dies auch unerheblich sein, da die Satzungsregelung dazu dienen kann, künftigen Wett-bewerbsentwicklungen vorbeugend Rechnung zu tragen.

[107] (6)

[108] Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die Benachtei-ligung von Versandhändlern stelle eine kartellrechtlich nicht hinzunehmende Benachteiligung nach den Leitlinien für ver-tikale Beschränkungen der Europäischen Kommission vom 19.05.2010 dar. Nach Rn. 52 c) liegt in dem Verlangen einer Begrenzung des passiven Verkaufs über das Internet zwar eine Kernbeschränkung vor. Die Vertikal-Leitlinien entfalten im Verhältnis der Parteien aber keine Gültigkeit. Zum einen verlangt der Beklagte von der Klägerin keine Einschränkung ihrer Internet-Verkaufsaktivitäten. Die Internet-Verkaufsakti-vitäten hindert die Klägerin nur – indirekt – an der Aufnahme in den Beklagten als wirtschaftlichen Interessenverband. Zum anderen sind vertikale Vereinbarungen gemäß Rn. 25 nur auf Unternehmen der Produktions- und Vertriebskette bezogen. Bei dem Beklagten, wollte man das Ausschlusskriterium des Versandhandels als Verlangen der Beschränkung von Inter-net-Verkaufsaktivitäten verstehen, handelt es sich aber nicht um ein Unternehmen der Produktions- und Lieferkette, son-dern um ein Dachorganisation von auf gleicher Wirtschafts-stufe stehenden Mitgliedern.

[109] c)

[110] Die Anwendung der Ausschlussbestimmung der Sat-zung 2010 ist nicht deshalb eine sachlich nicht gerechtfertigte

ungleiche Behandlung, weil diese Regelung nicht gegenüber anderen Mitgliedern in gleicher Weise zur Anwendung kom-men würde. Hierbei ist schon fraglich, ob Interessenten und Mitglieder in gleicher Weise zu beurteilen ist (vgl. OLG Düs-seldorf, Urteil vom 23.3.2011 – VI-U Kart 29/10).

[111] Zwar ist zwischen den Parteien streitig, in welchem Umfang die Mitglieder des Beklagten selbst Versandhandel betreiben, sei es über telefonische Bestellungen oder mittels Internet. Der Beklagte hat indes stets vorgetragen, seine Mit-glieder seien im Wesentlichen im stationären Handel tätig. Dieser Vortrag wird durch die von dem Beklagten durchge-führte Umfrage bestätigt, da danach die Durchschnittswerte für Ausstellungen, Beratungsdienstleistungen einschließlich Schulungen für die Annahme sprechen, dass die Mitglieder nicht schwerpunktmäßig Versandhandel betreiben.

[112] Die Klägerin hat zwar anhand der Internetauftritte von Mitgliedern des Beklagten dargelegt, diese seien auch im Versandhandel tätig, sie hat aber nicht dargelegt oder zumin-dest anhand von Indizien plausibel gemacht, dass der Tätig-keitsschwerpunkt von Mitgliedern des Beklagten im Bereich des Versandhandels liegt.

[113] d)

[114] Bei dieser Sachlage bewegt sich der Beklagte noch im Rahmen seiner durch die Satzungsautonomie gewährleisteten Gestaltungsbefugnis, ohne gegen den Anspruch auf Gleich-behandlung zu verstoßen, wie er in § 20 Abs. 6 GWB nieder-gelegt ist. […]

Vereinsrecht

Umsatzsteuerbefreiung für private Pflegedienst-leistungenUStG § 4 Nr. 16, § 4 Nr. 18, EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g, Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a

Art. 13 Teil A I lit. g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechts-vorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteu-ern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage verbietet es bei ei-ner Auslegung im Licht des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität, dass die Mehrwertsteuerbefreiung der von ge-werblichen Leistungserbringern erbrachten ambulanten Pflege von einer Bedingung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden abhängig gemacht wird, nach der die Kosten dieser Pflege im vorangegangenen Kalenderjahr in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sein müssen, wenn diese Bedingung nicht geeignet ist, im Rahmen der für die Zwecke dieser Vorschrift erfolgenden Anerkennung des sozialen Charakters von Einrichtungen, die keine Ein-richtungen des öffentlichen Rechts sind, die Gleichbehand-lung zu gewährleisten.

EuGH, Urt. v. 15. 11. 2012 – C-174/11

Rechtlicher Rahmen

[…]

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Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

[9] Frau Zimmermann ist examinierte Krankenschwester und arbeitete 1992 als angestellte Pflegedienstleiterin in einer So-zialstation. Daneben betreute sie ab Anfang 1993 einzelne Patienten selbständig und meldete zum 1. Juni 1993 einen ambulanten Pflegedienst an. Auf ihren Antrag vom 27. Au-gust 1993 wurde sie zum 1. Oktober 1993 für die Leistungen der Häuslichen Krankenpflege zu den Krankenkassen zuge-lassen. In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1993 und 1994 führte Frau Zimmermann ihre erzielten Umsätze als gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG umsatzsteuerfrei auf.

[10] Im Jahr 1999 stellte das Finanzamt fest, dass Frau Zim-mermann mit ihrem Personal im Jahr 1993 insgesamt 76 Per-sonen behandelt hatte, von denen 52 Personen (68 %) Privat-zahler waren. Daraufhin versagte das Finanzamt den von der Antragstellerin im Jahr 1993 erbrachten Leistungen gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG die Umsatzsteuerfreiheit.

[11] Das Finanzamt wies darauf hin, dass nach dieser Vor-schrift in mindestens zwei Drittel der Fälle die Kosten von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sein müssten. Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG für die von der Antragstellerin im Jahr 1994 erbrachten Leis-tungen versagte das Finanzamt ebenfalls, weil die Vorschrift auf die Verhältnisse des vorangegangenen Kalenderjahrs abstelle. Allerdings greife die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG ein, soweit Frau Zimmermann Leistungen der Behandlungspflege erbracht habe. Mit Entscheidung vom 27. April 1999 schätzte das Finanzamt den Anteil dieser Pfle-geleistungen auf ein Drittel.

[12] Nach erfolglosem Einspruch erhob Frau Zimmermann beim Finanzgericht Klage gegen diese Entscheidungen. […]

[13] Das Finanzgericht gab der Klage überwiegend statt. […]

[15] Mit seiner Revision beantragt das Finanzamt, die Ent-scheidung des Finanzgerichts aufzuheben und die Klage ab-zuweisen, soweit das Finanzgericht ihr für den Zeitraum vom 1. Oktober 1993 bis 31. Dezember 1994 auf der Grundlage dieser Vorschrift stattgegeben habe. Frau Zimmermann bean-tragt, die Revision zurückzuweisen.

[16] Der Bundesfinanzhof ist im Gegensatz zum Finanzgericht der Ansicht, dass die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG nicht erfüllt seien. Es sei allerdings zweifelhaft, ob die Zwei-Drittel-Grenze auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie oder auf Abs. 2 Buchst. a dieses Artikels gestützt werden könne. Zudem habe der Gerichtshof im Urteil vom 8. Juni 2006, L. u. P. (C106/05, Slg. 2006, I5123), die in § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG genannte Voraussetzung, nach der die 40%-Grenze im vorangegangenen Jahr erfüllt sein müs-se, nicht ausdrücklich gebilligt. Im Übrigen sei die Bedeutung des mehrwertsteuerrechtlichen Neutralitätsgrundsatzes im vorliegenden Fall zweifelhaft.

[17] Für die Anwendung der Befreiung gemäß § 4 Nr. 18 UStG, der ausschließlich für die in § 23 UStDV aufgezählten elf Ver-einigungen gelte, die vergleichbare oder gar die gleichen Leistungen erbrächten wie Frau Zimmermann, sei es nämlich unerheblich, ob die Pflegekosten zu einem bestimmten An-teil von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder

Sozialhilfe getragen worden seien. Es komme insoweit auch nicht auf die Verhältnisse des vorangegangenen Kalender-jahrs an.

[18] Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof be-schlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Erlauben es Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g und/oder Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie dem nationalen Gesetzge-ber, die Steuerbefreiung der Leistungen zur ambulanten Pfle-ge kranker und pflegebedürftiger Personen davon abhängig zu machen, dass bei diesen Einrichtungen „im vorangegange-nen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind“ (§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG)?

2. Ist es unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Neutra-lität der Mehrwertsteuer für die Antwort auf diese Frage von Bedeutung, dass der nationale Gesetzgeber dieselben Leis-tungen unter anderen Voraussetzungen als steuerfrei behan-delt, wenn sie von amtlich anerkannten Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmas-sen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, ausgeführt werden (§ 4 Nr. 18 UStG)?

Zu den Vorlagefragen

[19] Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möch-te das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g und/oder Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie es bei einer Auslegung im Licht des Grundsatzes der steuerli-chen Neutralität verbietet, dass die Mehrwertsteuerbefreiung der von gewerblichen Leistungserbringern erbrachten ambu-lanten Pflege von einer Bedingung wie der im Ausgangsver-fahren in Rede stehenden abhängig gemacht wird, nach der die Kosten dieser Pflege im vorangegangenen Kalenderjahr in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trä-gern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sein müssen (im Fol-genden: im Ausgangsverfahren in Rede stehende Bedingung), insbesondere wenn diese Bedingung nicht für alle Erbringer derartiger Dienstleistungen gilt.

[20] Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass nach der Begründung des UStG sowohl dessen § 4 Nr. 16 Buchst. e als auch dessen § 4 Nr. 18 zur Umsetzung der Bestimmungen von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie die-nen.

[21] Die in der letztgenannten Vorschrift vorgesehene Befrei-ung gilt für „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Si-cherheit verbundene“ Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen „durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrich-tungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“.

[22] Nach ständiger Rechtsprechung sind die Begriffe, mit de-nen die in Art. 13 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steu-erbefreiungen umschrieben sind, eng auszulegen. Die Ausle-gung dieser Begriffe muss jedoch mit den Zielen im Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Er-

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fordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität ent-sprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht. Diese Regel einer engen Auslegung bedeutet also nicht, dass die zur Definition der Steuerbefreiungen im Sinne von Art. 13 verwendeten Begriffe in einer Weise auszulegen sind, die den Befreiungen ihre Wirkung nähme (vgl. in die-sem Sinne u. a. Urteile vom 14. Juni 2007, Haderer, C445/05, Slg. 2007, I4841, Randnr. 18 und die dort angeführte Recht-sprechung, vom 19. November 2009, Don Bosco Onroerend Goed, C461/08, Slg. 2009, I11079, Randnr. 25 und die dort an-geführte Rechtsprechung, und vom 10. Juni 2010, CopyGene, C262/08, Slg. 2010, I5053, Randnr. 26).

[23] Der Gerichtshof hat im Rahmen einer Rechtssache, die u. a. eine frühere Fassung von § 4 Nr. 16 UStG betraf, bereits anerkannt, dass Leistungen der Grundpflege und der haus-wirtschaftlichen Versorgung, die körperlich oder wirtschaft-lich hilfsbedürftigen Personen von ambulanten Pflegediensten erbracht werden, eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie darstellen (vgl. Urteil vom 10. September 2002, Kügler, C141/00, Slg. 2002, I6833, Randnrn. 8, 17, 44 und 61).

[24] Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die von Frau Zimmermann erbrachten Leistungen der ambulanten Pflege als „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden“ im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie angesehen werden können. Es ist Sache des nationalen Gerichts, dies unter Berücksichtigung der in den Randnrn. 22 und 23 des vorliegenden Urteils dargestell-ten Rechtsprechung zu beurteilen.

[25] Aus den Akten und insbesondere aus den Erklärungen der deutschen Regierung ergibt sich, dass die im Ausgangs-verfahren in Rede stehende Bedingung die Anerkennung des „sozialen Charakters“ von anderen Einrichtungen als Einrich-tungen des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie betrifft.

[26] Die letztgenannte Vorschrift legt die Voraussetzungen und Modalitäten dieser Anerkennung nicht fest (Urteil vom 26. Mai 2005, Kingscrest Associates und Montecello, C498/03, Slg. 2005, I4427, Randnr. 49). Es ist daher grundsätzlich Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen diesen Einrichtungen eine solche Anerkennung gewährt werden kann. Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Kügler, Randnr. 54, Kingscrest Associates und Montecello, Randnrn. 49 und 51, und vom 9. Februar 2006, Stichting Kinderopvang Enschede, C415/04, Slg. 2006, I1385, Randnr. 23).

[27] In diesem Zusammenhang sind nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie die Mitgliedstaaten befugt, die Gewährung der in Abs. 1 Buchst. g dieses Artikels vor-gesehenen Befreiung für Einrichtungen, die keine Einrich-tungen des öffentlichen Rechts sind, von der Erfüllung einer oder mehrerer der in Abs. 2 Buchst. a genannten Bedingun-gen abhängig zu machen. Diese fakultativen Bedingungen für die Gewährung der betreffenden Befreiung können von den Mitgliedstaaten nach freiem Ermessen zusätzlich vorgesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Kingscrest Associates und Montecello, Randnrn. 38 und 50, L. u. P., Randnr. 43, und

vom 14. Juni 2007, Horizon College, C434/05, Slg. 2007, I4793, Randnr. 45).

[28] Folglich geht es im Ausgangsrechtsstreit im Wesentlichen darum, ob die Bundesrepublik Deutschland bei der Ausge-staltung der Anerkennung im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie die Grenzen des ihr zuste-henden Ermessens beachtet hat (vgl. auch entsprechend Ur-teil Kügler, Randnr. 55).

[29] Hierzu macht die deutsche Regierung geltend, die Bun-desrepublik Deutschland habe vorsehen dürfen, dass die An-erkennung von anderen Einrichtungen als solchen des öffent-lichen Rechts im Rahmen der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie durch das na-tionale Steuerrecht abschließend geregelt werde, so dass den Verwaltungsbehörden hierbei kein Ermessen zustehe.

[30] Zwar ist der Erlass nationaler Vorschriften in Bezug auf die Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung des so-zialen Charakters von anderen Einrichtungen als solchen des öffentlichen Rechts nach Art. 13 Teil A der Sechsten Richtlinie zulässig (vgl. in diesem Sinne Urteil Kingscrest Associates und Montecello, Randnr. 50).

[31] Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht jedoch hervor, dass es bei der Bestimmung der Einrichtungen, de-ren „sozialer Charakter“ im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie für die Zwecke dieser Be-stimmung anzuerkennen ist, Sache der nationalen Behörden ist, im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte mehrere Gesichtspunkte zu berück-sichtigen. Zu ihnen können das Bestehen spezifischer Vor-schriften – seien es nationale oder regionale, Rechts- oder Ver-waltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit –, das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlin-teresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und der Gesichtspunkt zählen, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Kügler, Randnrn. 57 und 58, und Kingscrest Associates und Montecello, Randnr. 53, sowie entsprechend Urteile vom 6. November 2003, Dornier, C45/01, Slg. 2003, I12911, Randnrn. 72 und 73, L. u. P., Randnr. 53, und CopyGe-ne, Randnrn. 65 und 71).

[32] Zudem kann sich ein Steuerpflichtiger auf die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung vor einem nationalen Gericht berufen, um sich einer nationalen Regelung zu widersetzen, die mit dieser Bestimmung unvereinbar ist. In einem solchen Fall ist es Sa-che des nationalen Gerichts, anhand aller maßgeblichen Um-stände zu bestimmen, ob der Steuerpflichtige eine als Einrich-tung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung ist (vgl. Urteil Kügler, Randnr. 61).

[33] Ficht ein Steuerpflichtiger die Anerkennung oder die Nichtanerkennung der Eigenschaft als Einrichtung mit so-zialem Charakter im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie an, haben die nationalen Gerichte somit zu prüfen, ob die zuständigen Behörden die Grenzen

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des ihnen in diesem Artikel eingeräumten Ermessens unter Beachtung der Grundsätze des Unionsrechts eingehalten ha-ben, einschließlich insbesondere des Grundsatzes der Gleich-behandlung, der im Mehrwertsteuerbereich im Grundsatz der steuerlichen Neutralität zum Ausdruck kommt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Kügler, Randnr. 56, Kingscrest Associates und Montecello, Randnrn. 52 und 54, und L. u. P., Rand-nr. 48).

[34] Im vorliegenden Fall möchte das vorlegende Gericht er-stens wissen, ob zwei Aspekte der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bedingung im Hinblick auf die Sechste Richt-linie zulässig sind, nämlich zum einen die Zwei-Drittel-Grenze und zum anderen der Umstand, dass bei der Beurteilung der Frage, ob diese Bedingung erfüllt ist, zwingend – so die Ausle-gung des vorlegenden Gerichts – auf die Sachlage abzustellen ist, wie sie sich im vorangegangenen Kalenderjahr darstellte (im Folgenden: Pflicht, ausschließlich auf das vorangegange-ne Kalenderjahr abzustellen).

[35] Was zunächst die Zwei-Drittel-Grenze betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach der in Randnr. 31 des vorliegenden Urteils dargestellten Rechtsprechung die Tatsache, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum gro-ßen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden, einen Gesichts-punkt darstellt, der bei der Festlegung der Einrichtungen be-rücksichtigt werden kann, deren „sozialer Charakter“ im Sin-ne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie für die Zwecke dieser Bestimmung anzuerkennen ist.

[36] Daher hat der Gerichtshof im Zusammenhang mit der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie vorgese-henen Befreiung der Sache nach bereits entschieden, dass der betreffende Mitgliedstaat das ihm nach dieser Bestimmung zustehende Ermessen nicht schon dadurch überschreitet, dass er für die Anerkennung als in privatrechtlicher Form organi-sierte Labors im Rahmen der Anwendung dieser Bestimmung verlangt, dass mindestens 40 % der medizinischen Analysen der betreffenden Labors Personen zugute kommen, die bei ei-nem Träger der Sozialversicherung versichert sind (vgl. Urteil L. u. P., Randnrn. 53 und 54).

[37] Entsprechend ist das Erfordernis einer wie im Ausgangs-verfahren auf zwei Drittel der Fälle festgesetzten Schwelle für die Zwecke der Anwendung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie zu beurteilen. Durch das Erfordernis einer solchen Schwelle wird nämlich auf ähnliche Weise dem Bedürfnis entsprochen, bei der Anwendung dieser Vorschrift den sozialen Charakter von Einrichtungen anzuerkennen. Ebenso überschreitet ein Mitgliedstaat das ihm nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie zustehende Ermessen grundsätzlich nicht dadurch, dass er auch im Zu-sammenhang mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehen-den Bedingung verlangt, dass die Kosten für die betreffenden Leistungen der ambulanten Pflege ganz oder zum überwie-genden Teil von den gesetzlichen Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträgern übernommen worden sein müssen.

[38] Sodann wirft das vorlegende Gericht in Bezug auf die Pflicht, ausschließlich auf das vorangegangene Kalenderjahr abzustellen, die Frage auf, ob diese Pflicht auf den Einlei-tungssatz von Art. 13 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie gestützt werden könnte, wonach insbesondere die „einfache“

Anwendung der anschließend in diesem Absatz vorgesehe-nen Befreiungen zu berücksichtigen ist.

[39] Insoweit trifft es zwar zu, dass die Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz von Art. 13 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie die Bedingungen zur Gewährleistung einer kor-rekten und einfachen Anwendung der Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen müssen, doch dürfen sich diese Bedingungen nicht auf die Definition des Inhalts der vorgesehenen Befreiungen erstrecken (vgl. u. a. Urtei-le vom 19. Januar 1982, Becker, 8/81, Slg. 1982, 53, Rand-nr. 32, Kingscrest Associates und Montecello, Randnr. 24, und vom 14. Dezember 2006, VDP Dental Laboratory, C401/05, Slg. 2006, I12121, Randnr. 26).

[40] Folglich ist es erforderlichenfalls Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob in den Situationen, in denen von Beginn der betreffenden Tätigkeiten an der „soziale Charak-ter“ im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechs-ten Richtlinie nach der in Randnr. 31 des vorliegenden Ur-teils dargestellten Rechtsprechung anzuerkennen wäre, die Pflicht, ausschließlich auf das vorangegangene Kalenderjahr abzustellen, zur Folge hat, dass hinsichtlich des ersten Kalen-derjahrs dieser Tätigkeiten oder sogar ihrer ersten beiden Ka-lenderjahre die Anerkennung des „sozialen Charakters“ des betreffenden Leistungserbringers im Sinne dieser Vorschrift automatisch und zwangsläufig ausgeschlossen ist.

[41] Soweit die Pflicht, ausschließlich auf das vorangegangene Kalenderjahr abzustellen, dies zur Folge hätte, kann sie nicht auf der Grundlage des Einleitungssatzes von Art. 13 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie gerechtfertigt werden.

[42] Zweitens möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Auswirkung der Grundsatz der steuerlichen Neutralität in Anbetracht dessen auf den Ausgangsrechtsstreit hat, dass im Rahmen von § 4 Nr. 18 UStG, der ausschließlich für die in § 23 UStDV aufgezählten elf Vereinigungen gilt, die Befreiung von Leistungen wie den von Frau Zimmermann erbrachten nicht von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bedingung abhängt.

[43] Aus der in den Randnrn. 22 und 33 des vorliegenden Ur-teils dargestellten Rechtsprechung geht nämlich hervor, dass bei der Umsetzung der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie die Wahrung des Grundsat-zes der steuerlichen Neutralität grundsätzlich verlangt, dass alle Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, in Bezug auf ihre Anerkennung bei der Erbrin-gung vergleichbarer Leistungen gleich behandelt werden (vgl. auch entsprechend, zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie, Urteile L. u. P., Randnr. 50, und CopyGe-ne, Randnr. 71).

[44] Nach Ansicht der deutschen Regierung handelt es sich in dem besonderen Kontext von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie um die Gleichbehandlung im Rahmen der Anerkennung des sozialen Charakters der Einrichtungen, so dass sie Einrichtungen des öffentlichen Rechts gleichge-stellt werden könnten. Im Hinblick darauf sei der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht in dem Sinne zu verstehen, dass gleiche Leistungsinhalte gleich zu besteuern seien, son-dern in dem Sinne, dass gleiche Steuerpflichtige den gleichen

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Bedingungen für die Steuerbefreiung unterliegen müssten.

[45] Die deutsche Regierung macht geltend, die im Ausgangs-verfahren in Rede stehende Bedingung, unter Einschluss insbesondere der Zwei-Drittel-Grenze, solle gewährleisten, dass der betreffende Leistungserbringer auch tatsächlich eine soziale Einrichtung sei, und diene seiner Gleichstellung mit den Einrichtungen des öffentlichen Rechts. Da sich § 4 Nr. 18 UStG anders als § 4 Nr. 16 UStG allein auf ohne Gewinner-zielungsabsicht handelnde juristische Personen beziehe, de-ren sozialer Charakter formal festgestellt worden sei, würden hingegen durch die deutsche Regelung nicht etwa gleiche Steuerpflichtige unterschiedlich behandelt, sondern es wür-den lediglich für unterschiedliche Steuerpflichtige, bei denen sich die tatsächlichen wie rechtlichen Rahmenbedingungen unterschieden, unterschiedliche Bedingungen für die Aner-kennung als Einrichtung mit sozialem Charakter aufgestellt.

[46] Dazu ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff der Neu-tralität im Bereich der Mehrwertsteuer mit verschiedenen Be-deutungen benutzt wird.

[47] Zum einen hat der Gerichtshof unter Hinweis darauf, dass der Unternehmer mit dem von der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Mechanismus des Vorsteuerabzugs vollständig von der im Rahmen seiner gesamten wirtschaftlichen Tätig-keit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden soll, entschieden, dass das gemeinsame Mehrwert-steuersystem die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten zu gewährlei-sten sucht, sofern diese Tätigkeiten grundsätzlich selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 29. Oktober 2009, NCC Construction Danmark, C174/08, Slg. 2009, I10567, Randnr. 27, und vom 22. Dezember 2010, RBS Deutschland Holdings, C277/09, Slg. 2010, I13805, Rand-nr. 38).

[48] Zum anderen lässt der Grundsatz der steuerlichen Neu-tralität es nach ständiger Rechtsprechung nicht zu, gleicharti-ge und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unter-schiedlich zu behandeln (vgl. u. a. Urteile vom 17. Februar 2005, Linneweber und Akritidis, C453/02 und C462/02, Slg. 2005, I1131, Randnr. 24, und vom 10. November 2011, Rank Group, C259/10 und C260/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtspre-chung).

[49] Für den vorliegenden Fall ist die letztgenannte Bedeu-tung des Begriffs der Neutralität relevant. Wie nämlich aus der in Randnr. 22 des vorliegenden Urteils dargestellten Recht-sprechung hervorgeht, ist im Zusammenhang mit der Ausle-gung der Befreiungen nach Art. 13 der Sechsten Richtlinie der Grundsatz der steuerlichen Neutralität neben dem Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmen anzuwenden (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 19. Juli 2012, Deutsche Bank, C44/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 45).

[50] Aus diesem Blickwinkel ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, bei dem es sich um eine besondere Ausprägung des Gleichheitssatzes auf der Ebene des abgeleiteten Unionsrechts und im besonde-ren Sektor des Abgabenwesens handelt (vgl. in diesem Sinne

Urteil NCC Construction Danmark, Randnr. 44), keine Regel des Primärrechts ist, die für die Gültigkeit eines in Art. 13 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiungstatbestands maßgebend sein könnte. Er erlaubt es auch nicht, den Gel-tungsbereich einer solchen Befreiung auszuweiten, sofern es keine eindeutige Bestimmung gibt (vgl. in diesem Sinne Ur-teile VDP Dental Laboratory, Randnrn. 35 bis 37, und Deut-sche Bank, Randnr. 45).

[51] Art. 13 Teil A der Sechsten Richtlinie regelt nämlich, wel-che gemeinnützigen Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer zu befreien sind, welche die Mitgliedstaaten befreien können und welche nicht von der Steuer befreit werden können, und welchen Bedingungen die Mitgliedstaaten die für eine Befrei-ung in Betracht kommenden Tätigkeiten unterwerfen dürfen (vgl. Urteile vom 3. April 2003, Hoffmann, C144/00, Slg. 2003, I2921, Randnr. 38, und vom 16. Oktober 2008, Canterbury Hockey Club und Canterbury Ladies Hockey Club, C253/07, Slg. 2008, I7821, Randnr. 38).

[52] Daher steht der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beispielsweise nicht dem Umstand entgegen, dass für die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie vorge-sehene Befreiung die Anerkennung des sozialen Charakters von Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht erforderlich ist, während es einer solchen Anerkennung bei Einrichtungen bedarf, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind.

[53] Wie sich aus den Randnrn. 42 und 52 des vorliegenden Urteils ergibt, erfordert im Rahmen der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie der Grundsatz der steuerlichen Neutralität die Gleichbehandlung bei der Anerkennung des sozialen Charakters nämlich nicht in Be-zug auf die Einrichtungen des öffentlichen Rechts, sondern im Hinblick auf alle übrigen Einrichtungen untereinander.

[54] Wie die deutsche Regierung in der mündlichen Verhand-lung vor dem Gerichtshof bestätigt hat, unterliegen jedoch die in § 4 Nr. 18 UStG genannten Einrichtungen, die in § 23 UStDV abschließend aufgezählt sind, nicht dem öffentlichen Recht, sondern – ebenso wie die Steuerpflichtigen, für die die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Bedingung gilt – dem Privatrecht.

[55] Zwar kann, wie die deutsche Regierung sinngemäß vor-trägt, der Grundsatz der steuerlichen Neutralität als solcher dem nicht entgegenstehen, dass Einrichtungen, die wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens eine systematische Ge-winnerzielung anstreben, die Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie gemäß der in Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie vorgesehenen Befugnis versagt wird.

[56] Aus den dem Gerichtshof übermittelten Informatio-nen geht jedoch nicht hervor, dass sich die Bundesrepublik Deutschland bei der im Ausgangsverfahren in Rede stehen-den Bedingung auf diese Befugnis gestützt hätte. Vielmehr fasst eben diese Bedingung, für die Zwecke der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiung, gerade die Anerkennung des sozialen Charakters von gewerblichen Einrichtungen mit Gewinnerzielungsab-sicht ins Auge.

[57] Außerdem hat der Gerichtshof unter Anwendung der in

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Randnr. 22 des vorliegenden Urteils dargestellten Auslegungs-regeln (vgl. u. a. Urteil vom 28. Januar 2010, Eulitz, C473/08, Slg. 2010, I907, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtspre-chung) in Bezug auf die Wendung „von dem betreffenden Mit-gliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkann-te Einrichtungen“ im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie bereits entschieden, dass sie grundsätz-lich weit genug ist, um natürliche Personen und private Einhei-ten mit Gewinnerzielungsabsicht zu umfassen (vgl. Urteile vom 7. September 1999, Gregg, C216/97, Slg. 1999, I4947, Rand-nr. 17, Hoffmann, Randnr. 24, Kingscrest Associates und Mon-tecello, Randnrn. 35 und 47, und vom 17. Juni 2010, Kommissi-on/Frankreich, C492/08, Slg. 2010, I5471, Randnrn. 36 und 37).

[58] Unter diesen Umständen darf die nationale Regelung im Rahmen der Umsetzung der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiung keine sachlich unterschiedlichen Bedingungen für Einheiten mit Gewinner-zielungsabsicht einerseits und die unter § 4 Nr. 18 UStG fal-lenden juristischen Personen ohne Gewinnerzielungsabsicht andererseits vorsehen.

[59] Folglich steht Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie, legt man ihn im Licht des Grundsatzes der steuerli-chen Neutralität aus, einer Grenze wie der Zwei-Drittel-Gren-ze entgegen, soweit sie im Zusammenhang mit Leistungen, die im Wesentlichen identisch sind, im Hinblick auf die Aner-kennung des „sozialen Charakters“ im Sinne dieser Vorschrift auf bestimmte unter das Privatrecht fallende Steuerpflichtige angewandt wird, auf andere aber nicht.

[60] Um dem vorlegenden Gericht eine vollständige Antwort zu geben, ist darauf hinzuweisen, dass es ihm obliegt, an-hand sämtlicher konkreter Umstände des bei ihm anhängi-gen Rechtsstreits die Anforderungen von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie zu berücksichtigen.

[61] Daher ist unabhängig davon, wie die Wendung „eng ver-bunden“ im Rahmen von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie auszulegen ist, darauf hinzuweisen, dass Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b erster Gedankenstrich der Richt-linie die Befreiung jedenfalls von der Voraussetzung abhängig macht, dass die betreffenden Lieferungen oder Dienstleistun-gen zur Ausübung der von der Steuer befreiten Tätigkeiten unerlässlich sind (vgl. Urteil Stichting Kinderopvang Ensche-de, Randnr. 25). Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu ermitteln, ob alle von Frau Zimmermann erbrachten Leistun-gen zur Ausübung der von der Steuer befreiten Tätigkeiten im Sinne der letztgenannten Vorschrift unerlässlich sind (vgl. entsprechend Urteil Horizon College, Randnrn. 38 bis 41).

[62] Im Übrigen sind nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie Dienstlei-stungen und Lieferungen von Gegenständen von der in Abs. 1 Buchst. g dieses Artikels vorgesehenen Steuerbefreiung aus-geschlossen, wenn sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkei-ten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.

[63] Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie es bei einer Auslegung im Licht des Grundsatzes der steuerli-

chen Neutralität verbietet, dass die Mehrwertsteuerbefreiung der von gewerblichen Leistungserbringern erbrachten ambu-lanten Pflege von einer Bedingung wie der im Ausgangsver-fahren in Rede stehenden abhängig gemacht wird, nach der die Kosten dieser Pflege im vorangegangenen Kalenderjahr in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trä-gern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sein müssen, wenn die-se Bedingung nicht geeignet ist, im Rahmen der für die Zwe-cke dieser Vorschrift erfolgenden Anerkennung des sozialen Charakters von Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, die Gleichbehandlung zu gewährlei-sten. […]

Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Be-treuer nach § 1835a BGB sind bis zum Veranla-gungszeitraum 2011 nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei EStG 1997 § 3 Nr. 12 S. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 3; EStG 2002 § 3 Nr. 12 S. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 3; EStG 2009 § 3 Nr. 26b; EStG VZ 201, BGB § 1835a

1. Betreuer üben eine sonstige vermögensverwaltende Tätig-keit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG aus (Anschluss an BFH-Urteile vom 15. Juni 2010 VIII R 10/09, BFHE 230, 47, BStBl II 2010, 906; VIII R 14/09, BFHE 230, 54, BStBl II 2010, 909).

2. Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer nach § 1835a BGB sind nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei.

BFH, Urt. v. 17.10.2012 – VIII R 57/09

Tatbestand

[1] I. Die Beteiligten streiten darüber, ob vom Kläger und Re-visionskläger (Kläger) bezogene Aufwandsentschädigungen für bis zu 42 gleichzeitige ehrenamtliche Betreuungen in den Streitjahren 2001 bis 2004 der Einkommensteuer unterliegen.

[2] Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nicht-selbständiger Arbeit, aus einer hiervon unabhängigen selb-ständigen Tätigkeit als Aufsichtsrat sowie aus Kapitalvermö-gen.

[3] Daneben bezog er Aufwandsentschädigungen aus der Bestellung als Betreuer i.S. des § 1896 des Bürgerlichen Ge-setzbuchs (BGB) in zeitweise bis zu 42 Fällen durch das zu-ständige Amtsgericht (AG). In wenigen Fällen erfolgten die Zahlungen durch die Betreuten selbst (2001: 5 Fälle; 2002: 3 Fälle; 2003: 7 Fälle und 2004: 5 Fälle). Im Übrigen leistete das AG für jede andere im Streitzeitraum vom Kläger betreute Person --jeweils jährlich-- eine Aufwandsentschädigung i.S. der §§ 1835a, 1908i BGB in Höhe von 600 DM für das Jahr 2001, in Höhe von 312 EUR für die Zeit von Januar 2002 bis Juni 2004 sowie in Höhe von 323 EUR ab 1. Juli 2004. In Ein-zelfällen erfolgte die Zahlung anteilig.

[4] Die an den Kläger gezahlten Aufwandsentschädi-gungen verbuchte das AG unter dem Haushaltstitel Nr. 0503.53601.0007 (in 2001 und 2002: Kapitel 0503 Titel 53601 Untertitel 0007) des Einzelplans 05 des Staatshaus-haltsplans des Landes Baden-Württemberg. Der zum Kapitel 0503 (Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und Staats-anwaltschaften) gehörende Haushaltstitel 53601 trug in allen Streitjahren die Bezeichnung „Auslagen in Rechtssachen (ein-schließlich Reisekosten)“ und betraf nach den Erläuterungen

RechtsprechungnpoR Heft 1/2013 25

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zu diesem Haushaltstitel in den Jahren 2002 bis 2004 (jeweils unter 7.)“Aufwand für ehrenamtliche Vormünder, Pfleger und Betreuer ...“ (gefolgt von dem jeweiligen Betrag) sowie nach den Erläuterungen zum Staatshaushaltsplan für das Jahr 2001 (unter Nr. 6) „Aufwand für Vormünder, Pfleger und Betreuer ...“.

[5] Die in den Einkommensteuererklärungen des Klägers für die Streitjahre nicht erfassten Aufwandsentschädigungen berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Fi-nanzamt --FA--) aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung mit Einkommensteueränderungsbescheiden für die Streitjahre vom 4. September 2007 --unter Ansatz eines pauschalen Wer-bungskostenabzugs von 25 %-- als nach § 22 Nr. 3 des Ein-kommensteuergesetzes (EStG) steuerbare Leistungen.

[6] Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erho-bene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Ent-scheidungen der Finanzgerichte 2010, 120 veröffentlichten Urteil im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Aufwands-entschädigungen seien nach § 15 EStG steuerbar und insbe-sondere nicht nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei.

[7] Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.

[8] […]

[10] Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Ver-fahren gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Es hält die Revision für unbegründet, hat aber keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

[11] II. Die Revision ist begründet. […]

[12] 1. Im Ausgangspunkt sind FA und FG allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Einnahmen des Klägers aus seiner Betreuertätigkeit grundsätzlich steuerbar sind. Rechts-grundlage dafür ist aber nicht § 15 EStG (wie vom FG ange-nommen) oder § 22 Nr. 3 EStG (wie von der Finanzverwaltung angenommen), sondern § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Denn Betreu-er i.S. des § 1896 BGB erzielen nach der jüngeren Recht-sprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Einkünfte, die der vermögensverwaltenden Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzurechnen sind (BFH-Urteile vom 15. Juni 2010 VIII R 10/09, BFHE 230, 47, BStBl II 2010, 906; VIII R 14/09, BFHE 230, 54, BStBl II 2010, 909, unter Aufgabe der früheren ab-weichenden Rechtsprechung im BFH-Urteil vom 4. November 2004 IV R 26/03, BFHE 208, 280, BStBl II 2005, 288).

[13] 2. Die Einnahmen aus der im Streitfall ehrenamtlich aus-geübten Betreuertätigkeit sind aber nach § 3 EStG steuerfrei.

[14] a) Für die --hier nicht betroffenen-- Veranlagungszeiträu-me ab 2011 folgt die --allerdings betraglich begrenzte-- Steu-erfreiheit aus § 3 Nr. 26b EStG. Nach dieser durch das Jahres-steuergesetz 2010 (JStG 2010) vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768) eingefügten Vorschrift sind „Aufwandsentschädi-gungen nach § 1835a des Bürgerlichen Gesetzbuchs“ steu-erfrei, soweit sie zusammen mit den steuerfreien Einnahmen im Sinne der Nr. 26 den Freibetrag nach Nr. 26 Satz 1 nicht überschreiten (vgl. dazu von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 26b Rz B 26b/25 ff.).

[15] b) Für frühere Veranlagungszeiträume --wie hier für die Streitjahre 2001 bis 2004-- folgt dies entgegen der Ansicht des FA, des FG und des BMF aus § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG. Danach sind solche Bezüge steuerfrei, die aus einer Bundes- oder Lan-deskasse gezahlt werden und

[16] „in einem Bundesgesetz oder Landesgesetz oder einer auf bundesgesetzlicher oder landesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung oder von der Bundesregierung oder einer Landesregierung als Aufwandsentschädigung festge-setzt sind und als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen werden“.

[17] Auf diese Regelung kann sich der Kläger ungeachtet des-sen berufen, dass sie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 11. November 1998 2 BvL 10/95 (BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502) für verfassungswidrig erklärt hat.

[18] aa) Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit wurde vom BVerfG ausdrücklich nur auf die Anwendbarkeit bei Zu-lagen für Besoldungsempfänger des Bundes wegen dienst-licher Tätigkeit in Dienststellen der sog. neuen Bundeslän-der beschränkt und vom BFH entsprechend (nur) auf solche Zulagen für Landesbeamte erstreckt (BFH-Urteile vom 26. März 2002 VI R 26/00, BFHE 198, 545, BStBl II 2002, 823; vom 26. März 2002 VI R 45/00, BFHE 198, 554, BStBl II 2002, 827). Zulagen dieser Art gleichen nämlich --so das BVerfG in BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502-- nicht tatsächlich entstan-denen Erwerbsaufwand aus, sondern erhöhen die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Für sie ist die unwiderlegbare Vermutung des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG, nach dieser Vorschrift festgesetzte Zahlungen seien bei Einhaltung der gesetzlich benannten Festsetzungsvoraussetzungen Aufwandsentschä-digungen (von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 3 Nr. 12 Rz B 12/7; Carl, Finanz-Rundschau --FR-- 1991, 125), nicht zu rechtfertigen.

[19] bb) Inwieweit dies auch für andere Zahlungen aus öffent-lichen Kassen gilt (für eine weitgehende Verfassungswidrig-keit der Vorschrift Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 3 Nr. 12 EStG Rz 3, m.w.N), kann für den Streitfall dahinstehen. Denn für den Ersatz von Aufwendungen, die ihrer Art nach Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, wird die Steuerfreiheit i.S. des § 3 Nr. 12 EStG als verfassungs-konform angesehen (vgl. Blümich/Erhard, § 3 EStG Rz 117 un-ter Bezugnahme auf BFH-Beschluss vom 21. September 2006 VI R 81/04, BFHE 215, 196, BStBl II 2007, 114; BFH-Urteil vom 29. November 2006 VI R 3/04, BFHE 216, 163, BStBl II 2007, 308, m.w.N.).

[20] cc) Um solche Aufwendungen handelt es sich bei der hier streitigen Aufwandsentschädigung nach § 1835a BGB. Sie setzt schon nach dem Wortlaut der Regelung voraus, dass dem Betreuer --dem Regelfall des § 1836 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend-- kein Anspruch auf Vergütung zusteht und soll geringfügige Aufwendungen (ehrenamtlicher Betreuer) abgelten, und damit auch die Gerichte von einem darauf be-zogenen Prüfungsaufwand entlasten (vgl. BTDrucks 11/4528, S. 88).

[21] c) Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG sind im Streitfall gegeben.

[22] aa) Die Bezüge des Klägers aus seiner ehrenamtlichen

26 Rechtsprechung npoR Heft 1/2013

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Tätigkeit als Betreuer beruhen zunächst auf einer Festsetzung als Aufwandsentschädigung in einem Bundesgesetz.

[23] Denn § 1835a Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 1908i BGB setzt den Anspruch eines Betreuers (ohne Vergütungsansprüche) auf Aufwendungsersatz ausdrücklich „als Aufwandsentschä-digung“ fest und bemisst diese Aufwandsentschädigung je Jahr als Festbetrag (Palandt/Diederichsen, Bürgerliches Ge-setzbuch, 71. Aufl., § 1835a Rz 3) mit dem Neunzehnfachen des Höchstbetrages der Zeugenentschädigung je Stunde ver-säumter Arbeitszeit i.S. des § 22 des Justizvergütungs- und-entschädigungsgesetzes.

[24] bb) Des Weiteren ist es für die Steuerfreiheit der streitigen Zahlungen unerheblich, dass in dem für die Auszahlung der Aufwandsentschädigung maßgeblichen Haushaltstitel des Haushaltsplans der Begriff „Aufwandsentschädigung“ nicht verwendet wird. Dafür sprechen Wortlaut, Entstehungsge-schichte und Zweck des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG.

[25] (1) Der Wortlaut des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG lässt sechs Möglichkeiten für steuerbegünstigte Festsetzungen als Auf-wandsentschädigung zu (vgl. dazu von Beckerath, in: Kirch-hof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 3 Nr. 12 Rz B 12/60), nämlich- die Festsetzung in einem Bundesgesetz,- die Festsetzung in einem Landesgesetz,- die Festsetzung aufgrund bundesgesetzlicher Ermächti-gung,- die Festsetzung aufgrund landesgesetzlicher Ermächti-gung,- die Festsetzung durch die Bundesregierung oder- die Festsetzung durch eine Landesregierung.

[26] Die in der mündlichen Verhandlung nachhaltig vorgetra-gene Auffassung des FA und des BMF, für alle dieser sechs Möglichkeiten sei gleichermaßen zusätzlich eine entspre-chende Ausweisung als Aufwandsentschädigung im Haus-haltsplan Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG (so wohl auch HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 12 EStG Rz 10 „Ausweis“), folgt nicht zwingend aus dem Wortlaut und der Struktur der Regelung.

[27 ] Denn das Gebot der Ausweisung im Haushaltsplan („und als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen werden“) kann angesichts der „oder“- Verknüpfungen zwi-schen den sechs Möglichkeiten steuerfreier Aufwandsent-schädigungen gleichermaßen nur auf die letzte oder die bei-den letzten Alternativen (Festsetzung durch die Bundes- oder Landesregierung) bezogen sein.

[28] (2) Für diese Auslegung spricht schon der Zweck der Bindung an eine Ausweisung im Haushaltsplan, mit ihr „eine Mitwirkung der parlamentarischen Organe zu gewährleisten“ (vgl. von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 3 Nr. 12 Rz B 12/61). Einer solchen --weiteren-- Mitwirkung bedarf es nämlich ersichtlich nicht für solche Aufwandsent-schädigungen, die bereits durch Gesetz --wie im Streitfall in § 1835a BGB-- und damit bereits unter Mitwirkung der par-lamentarischen Organe als Aufwandsentschädigung normiert worden sind.

[29] (3) Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungs-geschichte der Vorschrift. Denn der Gesetzgeber hat das Er-fordernis einer Ausweisung als Aufwandsentschädigung im

Haushaltsplan erst mit § 3 Nr. 12 EStG 1957 „zur Klarstellung in Zweifelsfällen“ (vgl. ohne nähere Begründung im Weiteren Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steu-erfragen zu BTDrucks 2/3509 und 2/3510, S. 8) in das EStG eingestellt. Alleiniger Grund für diese Klarstellung war die Entscheidung des BFH in den Urteilen vom 22. September 1955 IV 47/54 S (BFHE 62, 488, BStBl III 1956, 181) und vom 24. Juli 1956 IV 382/55 S (BFHE 64, 291, BStBl III 1957, 111) zu § 3 Nr. 11 EStG a.F., dass Ministerialzulagen ohne entspre-chende ausdrückliche normative Regelung nicht als Auf-wandsentschädigungen im Sinne dieser Vorschrift steuerfrei seien, sondern zum Arbeitslohn gehörten.

[30] Danach sind „Zweifelsfälle“ im Sinne der Motive des Ge-setzgebers ersichtlich nur solche Sachverhalte, bei denen sich der Charakter einer Zahlung als Aufwandsentschädigung nicht schon unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Ergibt er sich bereits aus dem Gesetz, bedarf es infolgedessen nicht einer zusätzlichen entsprechenden Ausweisung der Zahlungen im Haushaltsplan des jeweiligen Bundes- oder Landeshaus-haltsgesetzgebers. Denn in diesem Fall ist dem Zweck des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG, eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Behandlung als Aufwandsentschädigung (typisieren-der Ersatz von Erwerbsaufwendungen) zu gewährleisten, be-reits umfassend Rechnung getragen.

[31] (4) Ob und in welchem Umfang die hier streitigen Auf-wandsentschädigungen für ehrenamtliche Betreuer nach In-krafttreten der Neuregelung in § 3 Nr. 26a EStG (eingefügt durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftli-chen Engagements vom 10. Oktober 2007, BGBl I 2007, 2332, BStBl I 2007, 815, zuletzt geändert durch das JStG 2010) sowie in § 3 Nr. 26b EStG i.d.F. des JStG 2010 (weiterhin) in den Anwendungsbereich des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG fallen oder ob dieser Regelung die neuen Vorschriften der Nrn. 26a und 26b als Sondervorschriften ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttre-tens vorgehen, kann der Senat offenlassen (vgl. zu dem Kon-kurrenzverhältnis HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 26a EStG Rz 1 „Verhältnis zu anderen Vorschriften“ und HHR/Bergkem-per, § 3 Nr. 26b EStG Rz 1 „Verhältnis zu anderen Vorschrif-ten“; Oberfinanzdirektion --OFD-- Frankfurt, Verfügung vom 30. August 2011 -S 212 A-33-St 213, juris). Denn im Streitfall sind nur die vor diesem Zeitpunkt liegenden Veranlagungs-zeiträume 2001 bis 2004 betroffen.

[32] (5) Mit seiner Auffassung, dass nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG kraft Gesetzes festgesetzte Aufwandsentschädigungen unab-hängig von einer entsprechenden Ausweisung im Haushalts-plan steuerfrei sind und eine solche Ausweisung nur für durch die Bundesregierung oder durch Landesregierungen festge-setzte Aufwandsentschädigungen erforderlich ist, weicht der Senat entgegen der Auffassung des FA und des BMF nicht von der Rechtsprechung anderer Senate ab.

[33] Nach bisheriger Rechtsprechung greift § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG allerdings nicht ein, wenn die gezahlte Vergütung we-der in einem Bundes- oder Landesgesetz noch in einer Be-stimmung, die auf einer Ermächtigung in einem Bundes- oder Landesgesetz oder einer Rechtsverordnung beruht, noch durch die Bundesregierung oder eine Landesregierung fest-gesetzt worden ist und die Leistung nicht aus einem Titel geleistet worden ist, der ausdrücklich als „Aufwandsentschä-digung“ bezeichnet wurde und Empfänger und Höhe der zu leistenden Entschädigungen nennt (BFH-Urteil vom 20. Au-

RechtsprechungnpoR Heft 1/2013 27

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gust 2008 I R 35/08, BFH/NV 2009, 26 unter Bezugnahme auf HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 12 EStG Rz 10).

[34] Diese Rechtsprechung bezieht sich indessen ausweislich der Entscheidung in BFH/NV 2009, 26 nur auf Fälle, in denen ohne eine solche ausdrückliche Bezeichnung als Aufwands-entschädigung im Haushaltsplan keine hinreichende gesetz-liche Grundlage für eine solche Zuordnung zu steuerfreien Aufwandserstattungen gegeben wäre.

[35] Insbesondere ergibt sich eine Abweichung nicht aus den vom BMF in Bezug genommenen BFH-Urteilen vom 24. Au-gust 1973 VI R 100/71 (BFHE 110, 272, BStBl II 1973, 819) und vom 9. Oktober 1992 VI R 88/91 (BFH/NV 1993, 165).

[36] Die BFH-Entscheidung in BFHE 110, 272, BStBl II 1973, 819 betraf nämlich eine nicht durch Gesetz, sondern nur durch die Verwaltung beschlossene „Aufwandsentschädigung“, die auch nach den Ausführungen unter II.2.c bb (1) bis (4) der Gründe dieses Urteils eine entsprechende Ausweisung im Haushaltsplan für die Anwendbarkeit des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG voraussetzen würde. Die BFH-Entscheidung in BFH/NV 1993, 165 betraf ebenso wie das dazu ergangene Parallelurteil vom 24. Oktober 1991 VI R 83/89 (BFHE 165, 542, BStBl II 1992, 140) die revisionsrechtlich nicht überprüfbare Ausle-gung einer landesrechtlichen Vorschrift durch die Vorinstanz, nach der streitige (Einrichtungs-) Aufwendungen nicht von dem Begriff der Aufwandsentschädigung in dieser Vorschrift erfasst wurden.

[37] cc) Auf dieser Grundlage bedarf es einer ausdrücklichen Ausweisung als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung (vgl. OFD Ko-blenz, Verfügung vom 15. Dezember 2006 S 2240 A-St 31 4, juris) nicht, weil sich der streitige Aufwandsentschädigungs-anspruch unmittelbar aus einem Bundesgesetz, nämlich § 1835a BGB ergibt.

[38] (1) § 1835a BGB ist --wie bereits ausgeführt-- nach dem Wortlaut der Regelung wie auch nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht auf eine Vergütung der Betreuungstätigkeit gerichtet. Vielmehr soll er ausschließlich in begrenztem Umfang gering-fügige Aufwendungen (ehrenamtlicher Betreuer) abgelten, ihnen durch die Pauschalierung die Mühe abnehmen, sol-che Aufwendungen wie kleinere Porto- oder Telefonkosten durch Belege nachzuweisen und damit auch die Gerichte von einem darauf bezogenen Prüfungsaufwand entlasten (vgl. BTDrucks 11/4528, S. 88).

[39] (2) Auch die geringe Höhe der Aufwandsentschädigung je betreuter Person (monatlich etwa 27 EUR nach der Rechts-lage im Jahre 2004) bietet darüber hinaus ersichtlich keinen Anlass zu Zweifeln, dass die dem pauschalen Werbungskos-tenansatz des Gesetzgebers zugrunde liegende Annahme eines regelmäßig in dieser Höhe zu erwartenden Aufwandes sachgerecht ist.

[40] (3) Dies unterscheidet die streitige Aufwandsentschä-digung von anderen öffentlich-rechtlichen Zahlungen wie Ministerialzulagen und oberstgerichtlichen Zulagen, die re-gelmäßig nicht ausschließlich auf die Abgeltung von Sonder-aufwand ausgerichtet sind (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1964 VI 298/60 U, BFHE 81, 401, BStBl III 1965, 144; BVerfG-

Beschluss in BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502; BFH-Urteile in BFHE 198, 545, BStBl II 2002, 823; in BFHE 198, 554, BStBl II 2002, 827). Für Zulagen dieser Art wäre --so das BVerfG in BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502-- die unwiderlegbare Vermutung des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG, nach dieser Vorschrift festgesetzte Zahlungen seien bei Einhaltung der gesetzlich benannten Festsetzungsvoraussetzungen Aufwandsentschä-digungen (Carl, FR 1991, 125) sachlich verfehlt.

Anmerkung

Der BFH hat im vorliegenden Urteil1 entschieden, dass ehren-amtliche Betreuer eine steuerbare sonstige vermögensverwal-tende Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ausüben und die Aufwandsentschädigungen nach § 1835a BGB gemäß § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei sind.Mit der Einordnung der Betreuerleistung als sonstige selbst-ständige Tätigkeit folgt der BFH seiner bisherigen Rechtspre-chung zum Berufsbetreuer. Dieser erzielt „Einkünfte aus sons- tiger selbständiger Arbeit“ gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Zwar ist auf den Betreuer kein Regelbeispiel anwendbar. Da Gegenstand des Berufsbilds aber insbesondere die Vertre-tung in Vermögensangelegenheiten sowie die selbständige fremdnützige Tätigkeit in einem fremden Geschäftskreis2 ist, fällt diese als gruppenähnlich ebenfalls unter die Regelung.3 Konsequent überträgt der BFH diese Grundsätze auf den eh-renamtlichen Betreuer und beendet auch für diesen die Unsi-cherheit über die Einkunftsart.

Für das Betreuungswesen gilt die Entscheidung hinsichtlich der Steuerfreiheit ausschließlich für Altfälle in den Veranla-gungszeiträumen vor 2011. Mittlerweile wurde die Steuer-freiheit der Aufwandentschädigungen für rechtliche Betreuer gemäß § 1835a BGB explizit im Steuerrecht geregelt. Gemäß § 3 Nr. 26b EStG gilt für solche Aufwandsentschädigungen eine der Höhe nach beschränkte Steuerbefreiung.4 Ob diese Vorschrift für Veranlagungszeiträume ab 2011 lex specialis darstellt, ist noch nicht geklärt. Der BFH konnte diese Frage in seiner Entscheidung mangels Relevanz offen lassen, da es hier nur um die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2004 ging. Wäh-rend das Verhältnis von § 3 Nr. 26b zu § 3 Nr. 26a EStG Ge-genstand der Diskussion in Literatur und Praxis ist,5 wird das Verhältnis von § 3 Nr. 26b EStG zu § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG nicht intensiv thematisiert.6 Von Beckerath stellt zwischen den Vor-

28 Rechtsprechung npoR Heft 1/2013

1 Ursprünglich anhängig unter Az. X R 51/09.2 FG Thüringen, Urt. v. 27.9.2000 – IV 1485/98, DStRE 2001, 965.3 BFH, Urt. v. 15.6.2010 – VIII R 10/09, BStBl. II 2010, 906; Urt. v.

15.6.2010 – VIII R 14/09, BStBl. II 2010, 909; vgl. zum Grundsatz der Gruppenähnlichkeit auch BFH, Urt. v. 28.6.2001 – IV R 10/00, BStBl. II 2002, 338.

4 So das besprochene Urteil des BFH, npoR 2013, S. 26, Rn. 14.5 So geht Bergkemper davon aus, dass bei Vorliegen der Vorausset-

zungen des § 3 Nr. 26b EStG stets auch die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 26a EStG eingreift, in: Herrmann/Heuer/Raupach-EStG, Lieferung 246 Stand Mai 2011, § 3 Nr. 26b Rn. 1; ein Exklu-sivitätsverhältnis annehmend von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff-EStG, 222. Aktualisierung Stand September 2011, § 3 Nr. 26a Rn. B 26a/27, § 3 Nr. 26b Rn. B 26b/15; für ein Vor-rangverhältnis des § 3 Nr. 26b EStG Erhard, in: Blümich-EStG, 116. Aufl. 2012, § 3 Nr. 26 Rn. 1; so auch OFD Frankfurt, Verf. v. 30.8.2011 – S 2121 A - 33 - St 213, npoR 2012, 44.

6 Bergkemper (Fn. 5) lässt sowohl das Verhältnis von § 3 Nr. 26a als auch § 3 Nr. 26b EStG zu § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG offen, aaO Rn. 1; Erhard (Fn. 5) geht ohne nähere Begründung von der Nachran-gigkeit des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG aus, aaO § 3 Nr. 12 Rn. 2.

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schriften ein Exklusivitätsverhältnis fest.7 Da die Aufwands- entschädigung des § 1835a BGB grundsätzlich vom Mündel zu zahlen sei, sei § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG nicht einschlägig. Wer-de die Aufwandsentschädigung von der Staatskasse geleistet, sei die Norm ebenfalls nicht anwendbar. Gestützt wird diese Ansicht jedoch auf die Ausführungen der Vorinstanz,8 sodass fraglich ist, ob hieran weiterhin festgehalten wird. Angesichts der bewusst als Pauschalierung gewährten Steuerbefreiung scheint der Gesetzgeber mit § 3 Nr. 26b EStG eine abschlie-ßende Regelung getroffen zu haben. Für die Zukunft ist insbe-sondere gestützt auf den Gesetzeszweck der Vorschrift ein lex specialis Charakter des § 3 Nr. 26b EStG und eine Steuerbe-freiung nur in den dort gesetzten Grenzen anzunehmen.

Die zentrale Rechtsfrage des Urteils war vielmehr, inwie-weit es für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG notwendig ist, dass die Aufwandsentschädigung explizit als solche ausgewiesen wird. Die Problematik des Falles beruhte auf Verbuchung der Aufwandsentschädigungen unter dem Haushaltstitel mit der Bezeichnung „Auslagen in Rechtssa-chen (einschließlich Reisekosten)“, der nach der Erläuterung auch den „Aufwand für ehrenamtliche Vormünder, Pfleger und Betreuer…“ bzw. „Aufwand für Vormünder, Pfleger und Betreuer…“ umfasste. Die Steuerfreiheit wurde nicht aner-kannt, da die Zahlungen im Haushalt nicht explizit unter der Verwendung des Begriffs „Aufwandsentschädigung“ ausge-wiesen waren. Der BFH hingegen lässt es ausreichen, dass in § 1835a Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. 1908i BGB die Zahlungen an den Betreuer gesetzlich explizit „als Aufwandsentschä-digung“ tituliert werden. Eine darüber hinausgehende Be-zeichnung des Haushaltstitels als „Aufwandsentschädigung“ ist nicht erforderlich. Methodisch vorbildlich begründet der BFH dieses Ergebnis mit Wortlaut, Zweck und Entstehungs-geschichte. So wird in § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG zwar ein Ausweis gefordert („und als Aufwandsentschädigung im Haushalts-plan ausgewiesen werden“). Dieser bezieht sich nach Ansicht das BFH aber nur auf die letzte Alternative („Festsetzung durch die Bundes- oder Landesregierung“). Der Zweck der Vorschrift erfordert ebenfalls keine explizite Bezeichnung im Haushalt, da „eine Mitwirkung der parlamentarischen Orga-ne“9 durch Normierung durch Gesetz – § 1835a BGB – bereits gewährleistet ist. Zuletzt wird auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift verwiesen. Das Erfordernis des Ausweises im Haushaltsplan war allein als Klarstellung zu Zweifelsfällen,10 insbesondere als Reaktion auf die Nichtanerkennung von Mi-nisterialzulagen als Aufwandsentschädigung aufgenommen worden.11 Ein solcher Zweifelsfall besteht aber nicht, wenn die Zahlungen im Gesetz als Aufwandsentschädigungen typisiert sind. Zudem hätten dem Erfordernis einer ausdrücklichen Nennung wohl auch die bereits vom FG angeführten verfas-sungsrechtlichen Erwägungen entgegengestanden.12 So ist davon auszugehen, dass Art. 3 Abs. 1 GG eine Ungleichbe-handlung von ehrenamtlichen Betreuern, die abhängig vom Bundesland gemäß der (willkürlichen) Bezeichnungen im Landeshaushaltsplan bei gleicher Leistung und Bezahlung ungleich behandelt werden, verbietet. Hingegen kann eine Berufung auf die Regelung des § 3 Nr. 12 EStG nicht unter Hinweis darauf verweigert werden, dass das Bundesverfas-sungsgericht diese für verfassungswidrig erklärt hat.13 Die Feststellung bezog sich ausdrücklich nur auf die Anwend-barkeit der Regelung auf Zulagen für Landesbeamte,14 da bei solchen die Vermutung des § 3 Nr. 12 EStG, dass unter diese Norm fallende Zahlungen stets Aufwandsentschädigungen und keine Einkünfte sind, nicht gerechtfertigt sei.15 Eine sol-che Abgrenzungsproblematik ergibt sich hier aber schon des-

halb nicht, weil bereits nach dem Wortlaut des § 1835a BGB vorausgesetzt wird, dass dem Betreuer keine Vergütung zu-steht. Für den Ersatz von Aufwendungen, die ihrer Art nach Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind,16 ist die Steuer-freiheit i.S. des § 3 Nr. 12 EStG verfassungskonform.17

Die Entscheidung eröffnet damit allen ehrenamtlichen Be-treuern, deren Bescheide für Veranlagungszeiträume vor 2011 noch offen oder änderungsfähig sind, sich auf diese Steuerbefreiung in unbegrenzter Höhe zu berufen. Die in der Entscheidung vorgenommene Auslegung des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG hat allgemeingültigen Charakter. Ehrenamtliche, deren Aufwandsentschädigungen nicht unter § 3 Nr. 26b EStG fal-len, können von dieser Auslegung der Norm in noch nicht be-standskräftigen Altfällen und auch für die Zukunft profitieren. Der BFH hat die Kriterien für die Steuerfreiheit von Aufwands- entschädigungen eindeutig gelockert, indem er die strenge Anknüpfung an den Ausweis „als Aufwandsentschädigung“ nur noch für die untergesetzliche Festsetzung durch die Bun-des- oder Landesregierung aufrechterhalten hat. Ehrenamt-liche sollten also überprüfen, auf welcher Rechtsgrundlage ihnen Aufwandsentschädigungen gewährt und wie die Auf-wendungen verbucht werden.

Sebastian Fornefeld, Jonas Heckmann, Clara Lienicke, Peter Stark, Bucerius Law School, Hamburg

RechtsprechungnpoR Heft 1/2013 29

7 von Beckerath (Fn. 5), § 3 Nr. 26b Rn. B 26b/13.8 FG Baden-Württemberg, Urt. v. 24.9.2009 – 3 K 1350/08, EFG 2010,

120.9 So das besprochene Urteil des BFH, npoR 2013, S. 27 Rn. 28.; vgl.

von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff- EStG, 116. Ergän-zungslieferung Stand Dezember 2001, § 3 Nr. 12 Rn. B 12/61.

10 Erstmals aufgenommen in EStG 1957, vgl. ohne nähere Begrün-dung im Weiteren Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fi-nanz- und Steuerfragen zu BT-Drs. 2/3509 und 2/3510, S. 8.

11 BFH, Urt. v. 22.9.1955 – IV 47/54 S, BStBl. III 1956, 181; Urt. v. 24.7.1956 – IV 382/55 S, BStBl. III 1957, 111.

12 Vgl. FG Baden-Württemberg, Urt. v. 24.9.2009 (Fn. 8), S. 122 f.13 BVerfG, Beschl. v. 11.11.1998 – 2 BvL 10/95, BStBl. II 1999, 502.14 So auch die weitere Anwendung des BVerfG-Urteils durch den

BFH, Urt. v. 26.3.2002 – VI R 26/00, BStBl. II 2002, 823; Urt. v. 26.3.2002 – VI R 45/00, BStBl. II 2002, 827.

15 Siehe auch von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff (Fn. 9), § 3 Nr. 12 Rn. B 12/28; Carl, Aufwandsentschädigungen aus öf-fentlichen Kassen im Einkommensteuerrecht, FR 1991, 125, 126.

16 Vgl. auch BT-Drs. 11/4528, S. 88.17 So das besprochene Urteil des BFH, npoR 2013, S. 26, Rn. 19.;

vgl. auch Erhard (Fn. 5), § 3 Nr. 12 EStG Rn. 2 unter Bezugnahme auf BFH, Urt. v. 21.9.2006 – VI R 81/04, BStBl. II 2007, 114; Urt. v. 29.11.2006 – VI R 3/04, BStBl. II 2007, 308 m.w.N.

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30 Verwaltungsanweisungen npoR Heft 1/2013

Verwaltungsanweisungen

Aufnahme von Kleinspenden bis zur Höhe von 200 €, für die grundsätzlich der vereinfach-te Nachweis gemäß § 50 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStDV genügt, in eine Sammelbescheinigung

OFD Magdeburg, Verf. v. 18.9.2012 – S 2223 – 70 – St 217

Da jede Sammelbestätigung den Zusatz „Es wird bestätigt, dass über die in der Gesamtsumme enthaltenen Zuwendun-gen keine weiteren Bestätigungen, weder formelle Zuwen-dungsbestätigungen noch Beitragsquittungen oder Ähnliches ausgestellt wurden und werden.“ enthalten muss, wurde von spendensammelnden Organisationen die Frage gestellt, ob auch die Zuwendungen, für die der vereinfachte Nachweis im Sinne des § 50 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStDV gilt, in die Sammelbestätigungen aufgenommen werden dürfen.

Die o. g. Erklärung könne nach Auffassung der Organisa-tionen nicht abgegeben werden, da die spendensammelnden Organisationen praktisch nicht sicherstellen könnten, dass der Zuwendende neben der Sammelbestätigung nicht auch den Einzahlungsbeleg bzw. die Buchungsbestätigung eines Kreditinstituts zur Geltendmachung des Spendenabzugs für denselben Betrag vorlege.

Es bestehen jedoch keine Bedenken seitens der Finanz-verwaltung, die o. g. Erklärung auch bei Aufnahme von so genannten Kleinspenden bis zur Höhe von 200 € in die Sam-melbestätigung aufzunehmen, da der Beleg im Sinne des § 50 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStDV keine ,weitere Bestätigung‘ der steuerbegünstigten Körperschaft im Sinne des obigen BMF-Schreibens über den zugewendeten Betrag enthält und die Überprüfung der möglicherweise doppelten Beanspruchung eines Spendenabzugsbetrages für eine nur einmal geleistete Zahlung im Rahmen der Veranlagung zur Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer erfolgen muss. Diese Überprüfung ist anhand des Vergleichs der Zuwendungshöhe und des Zu-wendungsdatums, ggf. unter Berücksichtigung der Überwei-sungsdauer, möglich.

Steuerliche Behandlung des SchulschwimmensOFD Niedersachsen, Verf. v.12.1.2012 – S 2706 - 219 – St 241 /S 7100 - 801 - St 171

Eine hoheitliche Nutzung eines Bades liegt vor, soweit es öffentlichen Schulzwecken dient (Schulschwimmen). Dabei spielt es keine Rolle, ob nutzende Schule und Bad in der Trägerschaft derselben juristischen Person des öffentlichen Rechts oder in der Trägerschaft verschiedener juristischer Personen des öffentlichen Rechts stehen. In letzterem Fall liegt eine Beistandsleistung vor (H 9 (Beistandsleistung) KStH).

Ertragsteuerrechtliche Behandlung bei Betrieben gewerbli-cher Art

Aufwendungen und Wirtschaftsgüter, die im Zusammen-hang mit dem Schulschwimmen stehen, sind dem hoheitli-

chen Bereich der juristischen Person des öffentlichen Rechts zuzuordnen. Hinsichtlich der AfA-Beträge ist es aus Verein-fachungsgründen jedoch nicht zu beanstanden, wenn die dem Bad zuzuordnenden Wirtschaftsgüter in vollem Umfang als Betriebsvermögen des Betriebes gewerblicher Art „Bad” behandelt werden und von den gesamten AfA-Beträgen au-ßerhalb der Gewinnermittlung der Teil steuerlich neutrali-siert wird, der auf das Schulschwimmen entfällt. Das ist der Anteil, der auch für die Aufteilung der laufenden Kosten maßgebend ist. Diese Vereinfachungsregelung hat zur Folge, dass bei einer Nutzungsänderung die Grundsätze des BFH-Urteils vom 24. April 2002, BStBl 2003 II S. 412, nicht zur Anwendung kommen. Die Vereinfachungsregelung ist aber nur anzuwenden, wenn das Schulschwimmen höchstens 50 v. H. der Gesamtnutzung des Bades ausmacht.

Umsatzsteuerrechtliche Behandlung bei Betrieben gewerb-licher Art

Hat die juristische Person des öffentlichen Rechts das Bad vor dem 1. Januar 2011 angeschafft oder ist mit der Herstel-lung vor dem 1. Januar 2011 begonnen worden, konnte sie das Bad ihrem Unternehmen zuordnen und war unter den Voraussetzungen des § 15 UStG in vollem Umfang zum Vor-steuerabzug berechtigt (§ 27 Abs. 16 UStG). Verwendet sie das Bad auch für das Schulschwimmen durch Schulen in ih-rer Trägerschaft oder überlässt sie das Bad einem anderen Schulträger für das Schulschwimmen, liegt eine steuerbare und steuerpflichtige Wertabgabe vor (§ 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG, Abschn. 2.11 Abs. 18 Satz 5 UStAE in der Fassung durch das BMF-Schreiben vom 2. Januar 2012). Das gilt unabhängig davon, ob die juristische Person des öffentlichen Rechts das Bad einem anderen Schulträger unentgeltlich oder entgelt-lich überlässt. Auch mit einer entgeltlichen Überlassung handelt sie nicht als Unternehmerin (s. o. Beistandsleistung), sodass das Entgelt nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Sie verwendet das Bad durch die nichtunternehmerische Tä-tigkeit für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen (§ 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG). Bemessungsgrundlage für die Wert-abgabe sind die durch die Überlassung des Bades für das Schulschwimmen entstandenen Ausgaben (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG).

Hat die juristische Person des öffentlichen Rechts das Bad nach dem 1. Januar 2011 angeschafft oder ist mit der Herstellung nach dem 1. Januar 2011 begonnen worden, liegt kein Fall der Übergangsregelung nach § 27 Abs. 16 UStG vor. Nutzt die juristische Person des öffentlichen Rechts das Bad für das Schulschwimmen von Schulen in ihrer Trägerschaft oder überlässt sie es einem anderen Schulträger entgeltlich oder unentgeltlich, verwendet sie das Bad für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinn. Insoweit kann sie das Bad nicht ihrem Unternehmen zuordnen und ist nach § 15 Abs. 1 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (Abschn. 3.4 Abs. 5a Satz 3, Abschn. 15.6a Abs. 1 Satz 4 UStAE in der Fassung durch das BMF-Schreiben vom 2. Januar 2012). Abziehbar sind unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG nur die Vorsteuerbeträge, die auf die

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Verwendung für den öffentlichen Badebetrieb entfallen. Eine steuerbare Wertabgabe liegt nicht vor.

Ertragsteuerrechtliche Behandlung bei Eigengesellschaften

Bei Bädern, die im Eigentum einer kommunalen Eigenge-sellschaft stehen, gilt ertragsteuerrechtlich die Spartentren-nung nach § 8 Abs. 9 KStG. Die Spartenbildung berührt jedoch nicht die Gewinnermittlung der Eigengesellschaft, insbesondere hat diese für die einzelnen Sparten keine ge-trennte Gewinnermittlung zu führen. Alle Aufwendungen einschließlich der AfA auf Wirtschaftsgüter des Betriebsver-mögens sind lediglich rechnerisch sachgerecht nach dem jährlich maßgebenden Aufteilungsschlüssel (z. B. nutzer-abhängiger oder zeitabhängiger Schlüssel) auf die Sparten „Schulschwimmen” und „öffentliches Bad” aufzuteilen. Än-derungen beim Aufteilungsschlüssel bzw. den Zuordnungs-verhältnissen führen weder zu Entnahmen oder Einlagen von oder in die jeweilige Sparte (vgl. Rn. 80 des BMF-Schreibens vom 12. November 2009, BStBl 2009 I S. 1303). Berechnet eine Eigengesellschaft den Trägern der Schule die Nutzung für das Schulschwimmen, sind diese Einnahmen ebenfalls der Sparte „Schulschwimmen” zuzuordnen.

Umsatzsteuerrechtliche Behandlung bei Eigengesellschaf-ten

Hat die Eigengesellschaft das Bad vor dem 1. Januar 2011 an-geschafft oder ist mit der Herstellung vor dem 1. Januar 2011 begonnen worden, konnte sie das Bad ihrem Unternehmen zuordnen und war unter den Voraussetzungen des § 15 UStG in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt. Überlässt sie das Bad einem Schulträger für das Schulschwimmen un-entgeltlich, liegt eine steuerbare und steuerpflichtige Wert-abgabe vor. Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe sind die durch die Überlassung des Bades für das Schulschwimmen entstandenen Ausgaben. Überlässt sie das Bad entgeltlich, ist zu unterscheiden, ob der Schulträ-ger Gesellschafter der Eigengesellschaft ist oder nicht. Ist er Gesellschafter, ist die Bemessungsgrundlage für die Umsatz-steuer nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 2 UStG zu er-mitteln (Mindestbemessungsgrundlage). Ist der Schulträger nicht an der Eigengesellschaft beteiligt, unterliegt lediglich der gezahlte Betrag der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 UStG). Hat die Eigengesellschaft das Bad nach dem 1. Januar 2011 angeschafft oder ist mit der Herstellung nach dem 1. Januar 2011 begonnen worden und überlässt sie es einem Schul-träger für das Schulschwimmen unentgeltlich, verwendet sie das Bad auch für unternehmensfremde Zwecke. Vorsteuer-beträge sind unter den Voraussetzungen des § 15 UStG nach § 15 Abs. 1b UStG nur abziehbar, soweit sie auf die Verwen-dung für den öffentlichen Badebetrieb entfallen (Abschn. 15.6a Abs. 1 UStAE in der Fassung durch das BMF-Schrei-ben vom 2. Januar 2012). Eine steuerbare Wertabgabe liegt nicht vor (Abschn. 15.6a Abs. 3 Satz 4 UStAE in der Fassung durch das BMF-Schreiben vom 2. Januar 2012). Überlässt die Eigengesellschaft das Bad entgeltlich, ist sie unter den Voraussetzungen des § 15 UStG in vollem Umfang zum Vor-steuerabzug berechtigt. Denn sie verwendet das Bad für ihre wirtschaftliche Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leis-tungen (Abschn. 15.2 Abs. 15a Satz 1 UStAE in der Fassung durch das BMF-Schreiben vom 2. Januar 2012). Bezüglich der Bemessungsgrundlage treten dieselben Folgen ein, wie bei der vor dem 1. Januar 2011 geltenden Rechtslage. Die bisherige Karteikarte § 4 KStG Karte E 5 (Kontrollnummer

271) ist durch diese Karteikarte zu ersetzen. Die Karteikarte § 4 Karte E 1 (Kontrollnummer 26) ist auszusondern.

Anschaffung von Anteilen an einer gGmbH durch eine gemeinnützige Einrichtung unter Einsatz zeitnah zu verwendender Mittel

OFD Rheinland, Verf. v. 20.9.2012 – S 0174 – 2012/0005Inhaltlich gleichlautend: OFD Münster, Verf. v. 20.9.2012 – S 2729 – 82 – St 13 - 33

Fraglich war, ob es gemeinnützigkeitsrechtlich zulässig ist, dass eine gemeinnützige Einrichtung zeitnah zu verwenden-de Mittel zur Ausstattung einer neu zu gründenden gGmbH bzw. zur Anschaffung von Anteilen an einer gGmbH ein-setzt.Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder ist die Auffassung zu vertreten, dass der Erwerb der Anteile an ei-ner Kapitalgesellschaft unter Einsatz zeitnah zu verwenden-der Mittel gegen das Gebot der Selbstlosigkeit verstößt, die Mittel nur für satzungsmäßige Zwecke zu verwenden. Auch lässt die Vorschrift des § 58 Nr. 2 AO die Anschaffung von Anteilen an einer gGmbH nicht zu.

VerwaltungsanweisungennpoR Heft 1/2013 31

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32 npoR-Dokumentation npoR Heft 1/2013

Vereinsrecht OLG Bamberg, Beschl. v. 16.6.2012 – 6 W 26/12, Ver-

schmelzung zweier eingetragener Vereine

OLG München, Beschl. v. 14.11.2012 – 31 Wx 429/12, Bestellung eines besonderen Vertreters eines Vereins für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen, verwaltungsmäßigen und personellen Angelegenheiten

LG Köln, Urt. v. 9.2.2012 – 88 O 33/10, Aufnahme als Mit-glied in Verein aus Kartellrecht

Eggers, Winfried, Virtuelle Mitgliederversammlung – ein Zukunftsrezept? Die korrekte Bestellung eines Datenschutz-beauftragten, Verbändereport 2012, 40

Hartz, Jürgen, Datenschutz ist Chefsache. Die korrekte Bestellung eines Datenschutzbeauftragten, Verbändereport 2012, 34

stiftungsrechtHeuel, Markus, Die Treuhandstiftung – Grenzen und Mög-

lichkeiten, ROTE SEITEN zum Magazin Stiftung&Sponsoring 4/2012

Melzer, Martin, Die Europäische Stiftung (Fundatio Euro-paea – „FE“), PSR 2012, 61

Meyn, Barbara, Gestaltungsspielraum vs. Stiftung?, ZStV 2012, 113

Phineo AG/Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (Hrsg.), Stiftung sucht Verwalter, Berlin 2012

Riemer, Hans Michael, Vereins- und Stiftungsrecht (Art. 60-89bis ZGB) mit den Allgemeinen Bestimmungen zu den juris-tischen Personen (Art. 52-59 ZGB), Bern 2012

Zimmermann, Klaus, Die Entwicklung des Stiftungsrechts 2011/2012, NJW 2012, 3277

steuerrecht EuGH, Urt. v. 15.11.2012 – C-174/11, Umsatzsteuerbefrei-

ung für ambulante Pflegeleistungen

BFH, Beschl. v. 10.7.2012 – V B 33/12, Umsatzsteuerbe-freiung für Umsätze aus der Veranstaltung von Fahrsicher-heitstrainings

BFH, Urt. v. 22.8.2012 – X R 24/11, Gewerblicher Grund-stückshandel allein durch Zurechnung der Verkäufe von Per-sonengesellschaften oder Gemeinschaften

BFH, Urt. v. 27.9.2012 – II R 45/10, Schenkungsteuerliche Behandlung von Ausschüttungen eines US-amerikanischen Trusts

BFH, Urt. v. 17.10.2012 – VIII R 57/09, Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG für Aufwandsentschädigungen ehren-amtlicher Betreuer nach § 1835a BGB

OFD Magdeburg, Verf. v. 18.9.2012 – S 2223 – 70 – St 217, Aufnahme von Kleinspenden bis zur Höhe von 200,- Euro in eine Sammelbescheinigung

OFD Münster, Verfügung v. 20.9.2012 – S 2729 – 82 – St 13- 33, Anschaffung von Anteilen an einer gGmbH durch eine gemeinnützige Einrichtung unter Einsatz zeitnah zu verwen-dender Mittel

OFD Münster, Kurzinformation vom 4.9.2012 – Kurzinfo USt Nr. 002/2012, Kurzinformation betreffend steuerfreie Umsät-ze der Wohlfahrtseinrichtungen (§ 4 Nr. 18 UStG); Leistungen der Mahlzeitendienste („Essen auf Rädern“)

OFD Niedersachsen, Verf. v. 12.1.2012 – S 2706 – 219 – St 241 / S 7100 – 801 – St 171, Steuerliche Behandlung des Schul-schwimmens

OFD Rheinland, Verf. v. 20.9.2012 – S 0174 – 2012/0005, An-schaffung von Anteilen an einer gGmbH durch eine gemein-nützige Einrichtung unter Einsatz zeitnah zu verwendender Mittel

Beer, Eveline, Umsatzsteuerliche Änderungen nach dem JStG 2013, BB 2012, 2859

Bruschke, Gerhard, Familienstiftung: Entstehung, Berech-nung und Zahlung der Erbersatzsteuer unter Einbeziehung des § 224a AO, ErbStB 2013, 21

Dehesselles, Thomas, Das Ende des Zweckbetriebs? Zivil- und steuerrechtliche Miscellanea, zugleich Besprechung von FG Hessen vom 26.4.2012 und KG Berlin vom 18.1.2011, DStR 2012, 2309

Eggers, Winfried, Änderung der Umsatzbesteuerung von Seminaren ab 2012. Welche Konsequenz die Änderung für Verbände und ihre Service-GmbHs hat, Verbändereport 2012, 30

Fischer, Peter, Beschäftigung von Behinderten zur Ab-schöpfung und Weitergabe steuerlicher Vorteile an eine nicht gemeinnützige Körperschaft. Anmerkung zu BFH, Urt. v. 23.2.2012 – V R 59/09, jurisPR-Steuerrecht 34/2012, Anm. 5

Fischer, Peter, Ehrenamtliche Tätigkeit als Nachlasspfleger. Anmerkung zu BFH, Urt. v. 19.4.2012 – V R 31/11, jurisPR-Steuerrecht 47/2012, Anm. 5

Grambeck, Hans-Martin, Mit dem Partyservice ins Alten-heim. Anwendungsbereich des ermäßigten Steuersatzes bei der Abgabe von verzehrfertigen Speisen, insbesondere im Be-reich des Sozialcaterings, UR 2012, 861

Hüttemann, Rainer, Bessere Rahmenbedingungen für den Dritten Sektor. Zum Entwurf eines Gesetzes zur Entbürokrati-sierung des Gemeinnützigkeitsrechts, DB 2012, 2592

npor-Dokumentation

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Kirchhain, Christian, Zum maßgeblichen Zeitpunkt für die gemeinnützigkeitsrechtliche Beurteilung einer Mittel(fehl)-verwendung. Dargestellt am Beispiel der Gewährung und Be-sicherung von Darlehen, DStR 2012, 2313

Kraft, Gerhard/Moser, Till/Gebhardt, Ronald, Neukonzep-tion der Besteuerung ausländischer Familienstiftungen durch das JStG 2013. Systematische Würdigung, strukturelle Defizi-te und Gestaltungsüberlegungen, DStR 2012, 1773

Lutz, Friedrich/Kurz, Tilo, Steuerliche Behandlung von Inte-grationsprojekten, DStR 2012, 1260

Meurer, Thomas, Das Ehrenamt und die Umsatzsteuer, UStB 2012, 322

Meurer, Thomas, JStG 2013: Umsatzsteuerfreiheit von Bil-dungsleistungen ab dem 1.1.2013, DStR 2012, 1785

Wallenhorst, Rolf, Jenseits des Sponsoring. Die Situation nach dem Urteil des BFH vom 2.8.2012, IV R 25/09, DStR 2012, 2212

andere rechtsgebiete OLG Koblenz, Beschl. v. 19.7.2012 – 5 U 423/12, Keine

Haftung des gastgebenden Vereins für Kreuzbandriss eines Spielers nach Sturz über liegendes Tor

Klasen, Marisa, Für das Gemeinwohl? Politische Interessen-vermittlung durch Stiftungen: eine organisationstheoretische Analyse der Legitimität, Maecenata Institut, Opusculum Nr. 60, 2012

Krebs, Christian A., Gründung der Europäischen Genossen-schaft (SCE) durch Rechtsformwechsel, EWS 2012, 407

Mühlhausen, Marius, Zweifelhafte Autonomie. Zur Orien-tierung gemeinnütziger Organisationen an sozialen Institu-tionen. Eine neoinstitutionalistische Perspektive, Maecenata Institut, Opusculum Nr. 59, 2012

Münkler, Herfried, Stiftungen als aktiver Teil der Bürger-gesellschaft. Von Nutzen und Nachteil der Stiftungen für das politische und gesellschaftliche Leben in Deutschland, Mae-cenata Institut, Opusculum Nr. 61, 2012

VeranstaltungsberichtenpoR Heft 1/2013 33

Veranstaltungsberichte

5. Liechtensteinischer Stiftungsrechtstag 2012

Wandel im materiellen Stiftungsrecht und grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung durch Schiedsgerichte

Am 24. Oktober 2012 lud Prof. Dr. Francesco A. Schurr zum 5. Liechtensteinischen Stiftungsrechtstag an die Universität Liechtenstein ein. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem Liechtensteinischen Schiedsverein und dem Institut für Zivilgerichtliches Verfahren an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck statt. Die diesjährige Tagung widmete sich sowohl aktuellen Themen des materiellen Stiftungsrechts als auch verfahrensrechtlichen Fragestellungen.

Nach einleitenden Worten von Schurr überbrachte der Vorsitzende des Liechtensteinischen Schiedsvereins (LIS) Dr. Johannes Gasser, LL.M, Grussworte und präsentierte die eben neu erschienene Webseite des LIS.

Wie bereits bei den vergangenen Tagungen startete die Veranstaltung mit einem Überblick über die aktuelle Recht-sprechung zum Stiftungsrecht, vorgetragen vom Landrichter Dr. Wilhelm Ungerank, LL.M. Traditionsgemäss wurde die stiftungsrechtliche Rechtsprechung des vergangenen Jahres unter die Lupe genommen und kommentiert.

Anschliessend folgten zwei Vorträge von ausgewiesenen liechtensteinischen Praktikern. Dr. Karl Josef Hier referier-te über den Stiftungszweck der Unternehmensstiftung und ging insbesondere auf den Standort Liechtenstein für Unter-nehmensstiftungen ein. Das Referat von lic. iur. Marco Ender, LL.M., befasste sich mit dem höchst spannenden und aktuel-len Thema der Abberufung des Stiftungsrates. Der Vortragen-de ging dabei auf zahlreiche Entscheidungen des liechtenstei-nischen OGH ein.

Den materiellen Teil der Tagung rundete Schurr ab, der in

seinen Ausführungen die verschiedenen Aspekte der Begün-stigtenrechte thematisierte. Insbesondere wies Schurr auf die notwendige Durchsetzbarkeit der Begünstigtenrechte hin, die essenziell für die Kontrolle der Exekutivorgane sei. In diesem Zusammenhang wurde die Foundation Governance beleuch-tet, die in der Ausgestaltung eng mit der Rechtsdurchsetzung zusammenhängt, womit er inhaltlich den Bogen zu den fol-genden Vorträgen spannte.

Dr. Helmut Schwärzler, MM, rundete das Vormittagspro-gramm mit der Problematik der grenzüberschreitenden Rechtsdurchsetzung stiftungsrechtlicher Ansprüche ab und leitete somit thematisch auf die Referate am Nachmittag über. Im Zentrum der Erläuterungen standen wiederum die Begüns-tigten, bzw. wie diese ihre Rechte gegenüber der Stiftung und gegenüber den Organen der Stiftung durchsetzen können.

In der anschliessenden Podiumsdiskussion, die vom Gast-geber Schurr moderiert wurde, entstand ein lebhafter und in-teressanter Diskurs, bei dem neben Fragen aus dem Publikum auch eigene Stellungnahmen der Vortragenden diskutiert wurden.

Das Nachmittagsprogramm eröffnete der Mitveranstalter Prof. Dr. Hubertus Schumacher, der in seinen Ausführungen insbesondere auf die Vorteile des schiedsgerichtlichen Ver-fahrens bei stiftungsrechtlichen Streitigkeiten aufmerksam machte. Im Folgenden stellte Prof. Dr. Felix Dasser, LL.M., die neue Liechtensteinische Schiedsordnung unter besonderer Berücksichtigung des Schiedsstandortes Liechtenstein vor und hob die Vorzüge der Liechtensteinischen Schiedsordnung, vor allem im Zusammenhang mit Stiftungen heraus.

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Für die zwei anschliessenden Vorträge konnten hochkarä-tige Experten aus der Praxis gewonnen werden, die bereits als Partei wertvolle Erfahrungen mit Schiedsverfahren ma-chen konnten. Dr. Peter Wolff ging in seinem Referat der Fra-ge nach, ob die Abberufung von Stiftungsorganen durch eine Schiedsklausel der gerichtlichen Zuständigkeit entzogen und demzufolge in die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes ver-lagert werden könne. Anschliessend beleuchtete Dr. Mario A. König, LL.M., den Rechtsschutz der Begünstigten im liech-tensteinischen Schiedsverfahren und thematisierte dabei die Vor- und Nachteile eines Schiedsverfahrens aus der Sicht der Begünstigten.

Der Fokus der letzten Vorträge lag auf den Rechtsordnungen der Nachbarländer Österreich und Schweiz. DDr. Katharina Müller beurteilte die Schiedsfähigkeit stiftungsrechtlicher Konflikte aus österreichischer Perspektive und kam zum Ergebnis, dass gerade bei Stiftungen, die wirtschaftliche und private Interessen vereinen, Schiedsklauseln empfehlenswert sind. Im anschliessenden Vortrag ging Dr. Gerold Zeiler, FCIARB, auf die Problematik der Stiftung als Partei von Schiedsvereinbarungen im österreichischen Recht ein. Im Zentrum dabei stand die Frage, ob die Privatstiftung als Konsument oder Unternehmer zu qualifizieren ist und § 617 öZPO Anwendung findet. Das letzte Referat vor der Podiumsdiskussion hielt Dr. Manuel Liatowitsch, der einen

Einblick in das Schiedsverfahren im Zusammenhang mit schweizerischen Stiftungen und Trusts gewährte und durch seine Ausführungen die rechtsvergleichende Analyse der Nachbarländer Liechtensteins komplettierte.

In der abschliessenden Podiumsdiskussion diskutierten die Referenten verschiedene Aspekte des österreichischen, schweizerischen und liechtensteinischen Schiedsrechts. Die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Stellungnahmen abzuge-ben, wurde rege genutzt und führte zu einem würdigen Aus-klang des 5. Liechtensteinisches Stiftungsrechtstages.

Sämtliche am 5. Liechtensteinischen Stiftungsrechtstag ge-haltene Referate werden in einem Tagungsband veröffentlicht werden.

Simone Büche, Vaduz

34 Veranstaltungsberichte npoR Heft 1/2013

Veranstaltungsbericht „12. Hamburger Tage des Stiftungs- und Non-Profit-Rechts“ am 9. und 10. November 2012 an der Bucerius Law School

Am 9. und 10. November 2012 richtete das Institut für Stif-tungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen der Bucerius Law School die 12. Hamburger Tage des Stiftungs- und Non-Profit-Rechts aus.

9. November 2012

Prof. Dr. Doris König, M.C.L. (Präsidentin der Bucerius Law School, Hamburg) eröffnete die 12. Hamburger Tage des Stif-tungs- und Non-Profit-Rechts und begrüßte die Redner und Teilnehmer der diesjährigen Veranstaltung. Sodann führte Prof. Dr. Birgit Weitemeyer (Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen, Bucerius Law School, Hamburg) in die Veranstaltung ein. Sie betonte die aktuelle und zukünftige gesellschaftliche Bedeutung des freiwilligen, bürgerschaftlichen Engagements. Sodann übergab Prof. Wei-temeyer das Wort für die diesjährige Hamburger Rede an Prof. Dr. Verica Trstenjak (Generalanwältin beim Europäischen Ge-richtshof, Luxemburg).

Prof. Trstenjak beleuchtete in ihrer Rede die rechtlichen Rahmenbedingungen für NPOs in Europa und die Rolle des EuGH. Prof. Trstenjak erläuterte zunächst die für NPOs maß-geblichen Rechtsquellen auf europäischer Ebene, um sich dann im Schwerpunkt des ersten Teils ihrer Rede eingehend der Fundatio Europaea (FE) zu widmen. Prof. Trstenjak skizzierte die Entwicklung des Entwurfs und wandte sich ausgewählten Regelungen des Verordnungsentwurfs zu. Sie erläuterte die Bestimmungen zur Führung des Zusatzes „FE“ (Art. 25), den Katalog der gemeinnützigen Zwecke (Art. 5), die Bestimmung zum Mindestvermögen (Art. 7 ), die Gründungsmöglichkeiten (Art. 12) und Eintragungspflicht (Art. 21 ff.), die Organisati-on (Art. 27) und schließlich die vorgesehene einzelstaatliche

steuerliche Gleichbehandlung der FE (Art. 49 ff.). Der zweite Teil der Rede befasste sich mit dem Einfluss der Rechtspre-chung des EuGH auf NPOs. Nach grundlegenden Ausführun-gen stellte Prof. Trstenjak die Rechtssache Persche dar, in der der EuGH urteilte, dass zum einen auch Sachspenden an eine Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, von der Kapitalverkehrsfreiheit erfasst sind und zum anderen, dass diese Freiheit durch eine mitgliedsstaatliche Regelung verletzt wird, nach der nur Spenden an im Inland ansässige gemeinnützige Einrichtungen steuerlich abzugsfähig sind. Anschließend legte Prof. Trstenjak die Rechtssache Cassa di Risparmio di Firenze dar. Dabei handelte es sich ebenfalls um eine Vorabentscheidung des EuGH, nach der eine steuerliche Begünstigung einer Stiftung, die mittels Kontrollbeteiligungen an Unternehmen eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, nach den Maßstäben des Art. 107 Abs. 1 AEUV für staatliche Beihil-fen zu beurteilen ist und damit der Beihilfekontrolle unterliegt. Abschließend skizzierte Prof. Trstenjak das Vertragsverlet-zungsverfahren der Kommission gegen den Staat Österreich, in dessen Entscheidung der EuGH bekräftigte, dass eine mit-gliedsstaatliche Regelung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, die eine Steuerbegünstigung solchen gemeinwohl-fördernden Einrichtungen vorbehält, die im jeweils eigenen Hoheitsgebiet ansässig sind. Die anschließende Diskussion leitete Prof. Weitemeyer ein, indem sie berichtete, dass die aktuelle Ratspräsidentschaft Zyperns die Bemühungen zur FE weiter vorantreiben wolle und gab zu bedenken, inwieweit eine Diskriminierung international tätiger NPOs auch darin gesehen werden kann, dass diese gezwungen werden, im je-weiligen Zielstaat in der Landessprache aufzutreten. Prof. Dr. Dominique Jakob (Universität Zürich) merkte an, dass es nach

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dem bisherigen Entwurf zur FE den Mitgliedsstaaten überlas-sen bleibe, den Zugang zur Aufsicht und einen entsprechen-den Rechtsschutz zu gewährleisten, was jedoch in einigen Mitgliedsstaaten derzeit nicht der Fall sei. Dieser Feststellung pflichtete Prof. Trstenjak bei, jedoch sei auch zu berücksichti-gen, dass die Mitgliedsstaaten in diesen Bereichen regelmäßig auf ihre Autonomie beharrten.

Thomas Flues (Notarassessor, Düsseldorf) referierte über die Zustiftung im Zivilrecht, im Steuerrecht und in der Recht-sprechung. Flues erörterte zunächst Begriff und Rechtsnatur der Zustiftung im Zivilrecht. Er grenzte sie von der Spende ab, stellte fest, dass der Zustifter durch seine Zuwendung nicht zum Mitstifter der Stiftung werde, die Zustiftung, auch bei einer Beschränkung auf einen Teilzweck der Stiftung, eine Satzungsänderung nicht erforderlich mache, und diese schließlich unter Lebenden als Schenkung nach §§ 516 ff. BGB und von Todes wegen als Erbeinsetzung oder Vermächt-nis unter Auflage gemäß §§ 2192 ff. BGB zu qualifizieren sei. Sodann erläuterte Flues die steuerliche Abzugsfähigkeit der Zustiftung nach § 10b Abs. 1a Satz 1 EStG und führte aus, dass Zuwendungen an eine Verbrauchsstiftung aufgrund des Vermögensstockbegriffs und der Pflicht zu dessen dauerhaf-ten Erhalts steuerlich nicht abzugsfähig seien. Abschließend erläuterte Flues die Bilanzierung der Zustiftung. In der an-schließenden Diskussion warfen Prof. Dr. Rainer Hüttemann (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn) und Prof. Dr. Peter Rawert, LL.M. (Exeter), Notar (Notariat Ballindamm, Hamburg) die Frage auf, ob nicht dem Zustifter, insbesonde-re wenn seine Zuwendung den wesentlichen Teil des Stif-tungsvermögens ausmacht, nicht doch die Begünstigung der 1/3-Regelung nach § 58 Nr. 5 AO zugutekommen solle. Eine Begünstigung des Zustifters wies Flues jedoch zurück, da sich dessen Ausgangslage von derjenigen des originären Stifters hinreichend unterscheide. Prof. Hüttemann stellte weiter-hin die Frage, ob auch der Fall eines vorübergehenden Ver-brauchs steuerschädlich sein solle. Nach Ansicht von Flues sei auch ein solcher vorübergehender Verbrauch schädlich, da die Zuwendung als solche abfließe. PD Dr. Thomas von Hip-pel (Amtsgericht Hamburg) gab zu bedenken, dass die Defini-tion der Verbrauchsstiftung äußert schwer falle. Gegen Flues‘ Ansatz, allein auf den Verbrauch der Zuwendung abzustellen, brachte Prof. Weitemeyer die Möglichkeit etwaiger Rückwir-kungsproblematiken vor. Barbara Meyn (DSZ – Deutsches Stiftungszentrum, Essen) unterstrich die Vielseitigkeit der Praxis und deren Bedürfnis nach einer eindeutigen Klärung der Behandlung von Verbrauchsstiftungen. Zum Abschluss der Diskussion ging Prof. Weitemeyer auf den Fall Wallraff ein, in dem die Stiftungsbehörde einer vom Stifter Wallraff intendierten Zweckänderung nur unter der Bedingung einer großzügigen Zustiftung zustimmte und kam mit Flues darin überein, dass eine Zustiftung in keinem Fall als Bedingung für die Genehmigung einer Satzungsänderung in Betracht kommen dürfe.

Prof. Rawert referierte über das Thema „Die Stiftung von Todes wegen – Risiken, Gestaltungen und Empfehlungen.“ Einleitend stellte Prof. Rawert fest, dass die Stiftung von Todes wegen in der Gestaltungspraxis äußerst selten anzutreffen sei. Sodann widmete er sich den Errichtungsvarianten der Stiftung von Todes wegen. An dieser Stelle betonte Prof. Rawert, dass bei einer Errichtung in Form des eigenhändigen Testaments auch die beizufügende Stiftungssatzung in handschriftlicher Form vorliegen müsse. Andernfalls bliebe der Stiftungsbehörde lediglich die Möglichkeit der Ergänzung der insoweit fehlerhaften Satzung unter Beachtung der nicht formgerecht

beigefügten Satzungsurkunde. Danach ging Prof. Rawert auf die unterschiedlichen Arten der Verfügung von Todes wegen ein und beleuchtete die Rechtsstellung der Stiftung als Erbe, Miterbe, Vor-/Nacherbe und Vermächtnisnehmer. Für die Stiftung als Vorerbe leitete Prof. Rawert aus der Regelung zur Stiftung auf Zeit im Reformentwurf für das Gesetz zur Entbürokratisierung des Gemeinnützigkeitsrechts ab, dass die Gemeinnützigkeit bei einer Mindestdauer der Vorerbenstellung von zehn Jahren anzuerkennen sei. Auch sei eine Versagung der Gemeinnützigkeit aufgrund der Bestellung eines privatnützigen Nacherben nicht zu versagen, denn anders als bei einem Anfall im stiftungsrechtlichen Sinne führe der Nacherbfall zu einem Erwerb des Nacherben direkt vom Erblasser und nicht zu einem solchen von der gemeinnützigen Stiftung. Weiterhin stellte Prof. Rawert fest, dass die Stiftung als Nacherbe nur im Fall des nicht befreiten Vorerben bereits im Zeitpunkt des Erbfalles anerkennungsfähig sei, nicht aber im Fall des befreiten Vorerben. Offen bleibe hingegen die gemeinnützigkeitsrechtliche Behandlung im Zeitraum zwischen der Anerkennung und dem Eintritt des Nacherbfalls. Im Anschluss erläuterte Prof. Rawert Reichweite und Grenzen der Ergänzungsbefugnis der Stiftungsbehörde nach § 83 BGB, insbesondere im Verhältnis zu einer angeordneten Testamentsvollsteckung. Eine solche sah Prof. Rawert in der Form der Abwicklungstestamentsvollstreckung bis zur Anerkennung der Stiftung und gegebenenfalls Bescheinigung der Gemeinnützigkeit als unerlässlich an. Danach skizzierte Prof. Rawert die rechtliche Ausgestaltung des Schwebezustandes zwischen dem Tod des Stifters und der Anerkennung der Stiftung. Hier wurde insbesondere auf die Regelungen der §§ 2201 Abs. 2, 84 BGB hingewiesen, die letztlich zu einer Haftung der Erben gegenüber der Stiftung nach den Regelungen der §§ 2018 ff. BGB führen. Zum Abschluss widmete sich Prof. Rawert dem Spannungsverhältnis zwischen Testamentsvollstreckung und der Befugnis des Stiftungsvorstandes zur Verwaltung des Stiftungsvermögens und stellte heraus, dass eine Stiftung von Todes wegen seiner Ansicht nach bei angeordneter Dauertestamentsvollstreckung nicht anerkennungsfähig sei.

An der anschließenden Podiumsdiskussion nahm Henning Kley (Deutsche Bank AG, Frankfurt/M.) teil und berichtete, dass auch in seiner Praxis die Stiftung von Todes wegen sehr selten anzutreffen sei. Er sehe jedoch die Handhabung und Vorbereitung der Vielzahl von kleinen Stiftungen, die unter Lebenden gegründet und von Todes wegen mit erheblichem Stiftungskapital ausgestattet werden, als Aufgabe für die Zukunft. Dr. Heinrich Weniger (Kathrein Privatbank, Wien) merkte an, dass in Österreich die aufgezeigte Schwebezeit durch einen Stiftungskurator überbrückt werden könne. Dem pflichtete Prof. Weitemeyer bei und ergänzte, dass auch in England entsprechende Institute bekannt seien. Prof. Rawert gab zu bedenken, dass auch in Deutschland das Institut der Nachlasspflegschaft vorhanden sei. Prof. Hüttemann merkte an, dass eine gemeinnützige Stiftung als Vorerbin durchaus für die Zeit der Vorerbenstellung begünstigt werden könnte und sollte. Kley berichtet abschließend, dass in der Praxis ins-besondere die gemeinnützige Mittelverwendung durch den Testamentsvollstrecker während der Schwebezeit Schwierig-keiten in der Umsetzung berge.

Dr. Jörg Alvermann (Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steu-errecht, Streck Mack Schwedhelm, Bonn) trug vor zu dem Thema „Die Vermögensanlage von Stiftungen in der ewigen Krise“. Zunächst skizzierte Alvermann die momentanen Rah-menbedingungen für die überwiegend mit einem Vermögen

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von unter EUR 1 Mio. ausgestatteten Stiftungen. Unter dem Einfluss der Krise, dem niedrigen Zinsniveau und einer Inflati-onsrate von über 2% sei derzeit allenfalls eine nominale, nicht aber eine reale Kapitalerhaltung denkbar. Das Thema Vermö-gensanlage sieht Alvermann in der Praxis belastet durch das Spannungsverhältnis zwischen Kapitalerhaltung und nach-haltiger Stiftungstätigkeit, der Drohung des Verlustes der Gemeinnützigkeit und der Angst der Stiftungsvorstände vor einer möglichen Inanspruchnahme für etwaige Anlageverlus-te. Alvermann sprach sich dafür aus, sich vom Dogma der Ka-pitalerhaltung als höchstem Gebot zu lösen und stattdessen stärker an dem jeweiligen Stifterwillen und Stiftungszweck zu orientieren. Dies müsse in gleicher Weise für die Pflicht zum Kapitalerhalt, der Ertragsverpflichtung, die Risikosteuerung und die Pflicht zur Umschichtung gelten. Dem Stiftungsvor-stand komme insoweit ein Ermessenspielraum zu, den dieser wiederum unter Beachtung des Stifterwillens und Stiftungs-zwecks auszufüllen habe. Danach widmete sich Alvermann der gemeinnützigkeitsrechtlichen Behandlung von Kursverlus- ten. Er stellte zunächst dar, dass die Finanzverwaltung die Grundsätze zu Verlusten im wirtschaftlichen Geschäftsbe-trieb auf Verluste in der Vermögensverwaltung entsprechend anwende, was jedoch seiner Ansicht nach unzutreffend sei. Vielmehr komme eine Versagung der Gemeinnützigkeit nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Vermögensver-waltung ex ante, am Maßstab des Stifterwillens gemessen, einen offenkundigen Ermessenfehlgebrauch darstelle. Mit Blick auf Umschichtungsgewinne merkte Alvermann an, dass diese nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung un-terfielen. Abschließend wurden Rückflüsse an den Stifter und Darlehenskonstruktionen behandelt. Erstere kämen stiftungs- und gemeinnützigkeitsrechtlich im Grundsatz nicht in Be-tracht, auch § 58 Nr. 5 AO sei eng auszulegen. Im Hinblick auf eine Darlehensgewährung an die Stiftung führte Alvermann aus, dass diese zu marktüblichen Konditionen erfolgen müs-se, um gemeinnützigkeitsrechtlich unbedenklich zu sein. Bei Gewährung eines Darlehens von der Stiftung an den Stifter oder Dritte gelte dasselbe, insoweit sei weiterhin zu beach-ten, dass eine Darlehensgewährung an den Stifter unmittelbar nach einer vorherigen Zuwendung des Stifters an die Stiftung unter Spendenabzug wegen Gestaltungsmissbrauchs zur Ver-sagung des Spendenabzugs führen müsse. An der anschlie-ßenden Podiumsdiskussion nahmen Jakob Nicolai (Leiter der Hamburger Stiftungsaufsicht) und Prof. Jakob teil. Prof. Jakob stellte fest, dass die derzeitige Verunsicherung im Stiftungs-sektor hinsichtlich der Zulässigkeit der Vermögensverwaltung auch in der Schweiz ein wachsendes Problem darstelle. Es be-stehe eine Diskrepanz zwischen den am Markt verfügbaren Anlageprodukten und dem Wissen der Stiftungen um die stif-tungsrechtliche und gemeinnützigkeitsrechtliche Zulässigkeit der angebotenen Produkte. Prof. Jakob benannte weiterhin die dogmatische Begründung gegenwärtiger Flexibilisie-rungsbemühungen als kommende Aufgabe, jedoch dürften dabei auch die bestehenden Alternativen zur rechtsfähigen Stiftung nicht aus den Augen verloren werden. Schließlich bekräftigte er den Vorrang des Stifterwillens und des Stif-tungszwecks vor den Investmentinteressen. Nicolai betonte, dass seiner Ansicht nach der reale Kapitalerhalt die Grund-lage für eine nachhaltige Zweckerfüllung sei und vorbehalt-lich eines anderweitigen Stifterwillens zu beachten sei. Bei massiven Verlusten könne der Admassierung Vorrang vor der Erfüllung des Stiftungszwecks zukommen. Weiterhin sei aus der Aufsichtspraxis zu attestieren, dass die Inanspruchnahme von Stiftungsvorständen genauso wie die Versagung der Ge-

meinnützigkeit aufgrund von Verlusten im Kontext der der-zeitigen Krise die absolute Ausnahme und auf offenkundige Fälle beschränkt seien. Ulf Nolte (Steuerberater, Wirtschafts-prüfer, Stiehler Vietzen Nolte Burgmann, Hamburg) ergänzte, dass insbesondere die Vermögen von Stiftungen ehemaliger Unternehmer von einer hohen Aktienquote geprägt und da-her derzeit besonders von Verlusten betroffen seien, weshalb derzeit allenfalls an einen nominalen Kapitalerhalt zu denken sei. Wolfgang Janowsky (Evangelisch-Lutherische Landeskir-chenstelle, Ansbach) sprach sich dafür aus, dass Umschich-tungsgewinne verpflichtend dem Vermögensstock zugeführt werden müssten. Auch sollten die Finanzbehörden zum Schutz der Stiftungen im gegebenen Fall die Admassierung anordnen dürfen. Schließlich gab Janowsky zu bedenken, dass eine zu große Gestaltungsfreiheit die Gefahr berge, die Institution der Stiftung abzuwerten und daher ein Auswei-chen auf bestehende Alternativen zur rechtsfähigen Stiftung stets zu bedenken sei. Dr. Rupert Graf Strachwitz (Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft, Berlin) merkte an, dass die Möglichkeit zum Vermögenserhalt oftmals von zu erwartenden Zuflüssen abhänge. Weiterhin sei die Pflicht zum Vermögenserhalt auch deshalb so wichtig, weil andern-falls die Entstehung einer Vielzahl die Stiftungsaufsicht unnö-tig belastender Kleinststiftungen zu befürchten sei. Dr. Stefan Fritz (HypoVereinsbank Private Banking, München) führte aus, dass derzeit eine Anlage in Substanzwerte sinnvoll sei. Er unterstützte die Abkehr vom Dogma des Kapitalerhalts und sprach sich für eine Stärkung der Verbrauchsstiftung aus und dafür, im Rahmen der Stiftungsgestaltung die Fragen der Vermögensverwaltung explizit zu adressieren. Abschließend stellte Alvermann fest, dass es seiner Ansicht nach dem maß-geblichen Stifterwille im Zweifel eher entspräche, den Stif-tungszweck zu fördern als bedingungslosen Kapitalerhalt zu praktizieren.

Prof. Dr. Helmut K. Anheier (CSI Heidelberg, Hertie School of Governance, Berlin) referierte zu dem Thema „Herausforde-rungen an die Governance von Hybriden NPOs“. Prof. Anhei-er stellte in seinem Vortrag den Gegenstand seiner geplanten Forschungsarbeit im Bereich hybride NPOs vor. Dabei sollen die vielfältigen Formen hybrider NPOs und die Rahmenbe-dingungen ihrer Entstehung untersucht werden. Als Wesens-merkmal hybrider Strukturen nannte Prof. Anheier auf Basis des Stakeholder Approach das Vorhandensein einer Mehrzahl einflussreicher Stakeholder als obligatorische Voraussetzung sowie die Unterschiedlichkeit deren verfolgter Interessen als fakultative Voraussetzung. Es sei zu beobachten, dass hybride Strukturen insbesondere in solchen Umgebungen vorkämen, die von Ungewissheit und Komplexität geprägt sind. Der Ent-stehungsvorgang hybrider NPOs sei regelmäßig von schub-weisen Fortschritten statt einer kontinuierlichen Entwicklung gekennzeichnet. Zumeist würden bewährte Vorgehensweisen aus anderen Branchen oder Bereichen im eigenen Tätigkeits-bereich adaptiert oder aber eine etablierte Struktur expandie-re mit ihren bewährten Ansätzen in eine fremde Branche hin-ein. Die entstehenden hybriden Strukturen böten den Vorteil, dass sie aufgrund ihrer unterschiedlichen Stakeholder neue, multiple Anreize zur Lösung einer bekannten Aufgabe schaf-fen würden. Prof. Anheier führte weiterhin aus, dass die Go-vernance hybrider NPOs aufgrund ihrer Natur eine besondere Herausforderung darstelle. In der anschließenden Diskussion klärte Prof. Anheier zahlreiche Rückfragen des interessierten Publikums.

Prof. Dr. Georg von Schnurbein (Centre for Philantrophy Studies, Universität Basel) referierte zum Thema Governance

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und Management von Förderstiftungen in Deutschland und in der Schweiz. Zu Beginn skizzierte Prof. von Schnurbein die Ausgangssituation der Stiftung als Dienstleister und verorte-te die Governance innerhalb der Stiftung als Scharnier zwi-schen Wertorientierung und Wertschöpfung. Sodann erörterte Prof. von Schnurbein die Gründe für die Erforderlichkeit von Governance in Stiftungen. Hier nannte Prof. von Schnurbein den Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit, die audit society, das wachsende öffentliche Interesse und den entstehenden Wettbewerb zwischen den Stiftungen. Danach ging Prof. von Schnurbein auf die Governance Kodizes in Deutschland und in der Schweiz ein und erläuterte detailliert die drei Grund-sätze der Governance: Wirksamkeit, Checks & Balances und Transparenz. Den maßgeblichen Nutzen von Governance für Stiftungen sah Prof. von Schnurbein in der Vereinfachung von Entscheidungsprozessen, der Konfliktlösung und der Förde-rung von Reputation und Legitimation. Abschließend warnte Prof. von Schnurbein davor, Governance lediglich als ver-pflichtendes Regelwerk zu verstehen, vielmehr müsse diese von der Stiftung selbst gelebt werden. Die anschließende Dis-kussion leitete Prof. Weitemeyer mit Hinweisen auf die Gover-nance-Ansätze der Foundation Europaea ein, welche insoweit die Schaffung eines Boards, die Einführung einer Prüfpflicht und Inkompatibilitätsvorschriften vorsehe und schloss mit der Frage, ob Governance sinnvollerweise zu kodifizieren sei. Prof. von Schnurbein sprach sich gegen eine Kodifizierung aus, um die erforderliche Flexibilität zu erhalten. Auf Rück-frage von Rainer Bode (Landesarbeitsgemeinschaft soziokul-tureller Zentren Nordrhein-Westfalen, Münster) berichtete Prof. von Schnurbein, dass in der Schweiz der Vermögenser-halt nicht kodifiziert sei, jedoch in den Stifterwillen hinein ge-lesen werde und die Verbrauchsstiftung in der Schweiz allge-mein zulässig sei. Prof. Hüttemann merkte an, dass die Pflicht zur Aufstellung eines handelsrechtlichen Abschlusses nicht gleichzeitig Transparenz bedeute, ein solcher werde der Ziel-gruppe nicht gerecht und könnte sogar irreführende Wirkung habe. Prof. von Schnurbein erwiderte, durch Veröffentlichung eines Abschlusses könne mittelbar durch die Medienöffent-lichkeit durchaus an Transparenz gewonnen werden. Prof. Jakob verdeutlichte, dass eine wirkungsvolle Governance auf drei Ebenen ansetzen müsse: auf gesetzlicher Ebene durch verpflichtende Regelungen, auf Verbandsebene mittels fakul-tativer Kodizes und auf Ebene der Stiftung in Form von privat-autonomen Satzungsregelungen. Prof. Weitemeyer gab zu be-denken, dass eine Rechnungslegungspflicht kleine NPOs vor Schwierigkeiten stelle, worauf Prof. von Schnurbein anmerk-te, dass diese nach dem Schweizer Modell auf Antrag von der Rechnungslegungspflicht freigestellt werden könnten.

Zum Abschluss des ersten Tages fand eine Podiumsdiskus-sion zum Thema „NPOs und Staat – erfolgreiche Symbiose oder Missachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes“ statt, an der die folgenden Podiumsmitglieder teilnahmen: Sabine Bätzing-Lichtenthäler, MdB (Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion), Prof. Georg Schnurbein, Dr. Heike Kahl (Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jungendstiftung, Mitglied des Vorstands des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, Berlin), Rainer Funke (Nationaler Normenkontrollrat, Plan Internatio-nal, Hamburg) und Prof. Dr. Annette Zimmer (Westfälische Wilhelms-Universität, Münster). Die Diskussion leitete Dr. Graf Strachwitz. Zunächst berichtete Bätzing-Lichtenthäler von der am 8.11.2012 abgehaltenen ersten Lesung des Ge-meinnützigkeitsentbürokratisierungsgesetzes – GemEntBG im Bundestag. Ihrer Ansicht nach enthalte der Entwurf eini-ge gute Ansätze, jedoch seien auch Lücken zu verzeichnen.

Insbesondere die Opposition habe den Entwurf dahingehend kritisiert, dass die NPOs als Lückenbüßer für leere Staatskas-sen ausgenutzt werden sollen. Dr. Graf Strachwitz kommen-tierte, der Entwurf zeige, dass sich der Gesetzgeber bislang selbst unklar sei, welche Ziele er erreichen wolle. Dies zeige unter anderem das Beispiel der Verbrauchsstiftung, die zwar zivilrechtlich zugelassen, aber ein Spendenabzug für Zuwen-dungen an diese nicht gewährt werde. Dr. Kahl merkte an, dass lediglich vordergründig ein parteiübergreifender Kon-sens zur Förderung des bürgerlichen Engagements bestehe, allerdings hinsichtlich dessen konkreter Umsetzung Unei-nigkeit und Unentschlossenheit herrsche. Funke pflichtete dem bei und sah die Ursachen hierfür in der fortbestehenden Länderkompetenz, der Unentschlossenheit des Bundestages und der uneinheitlichen Vorstellung hinsichtlich der Rolle der NPOs. Prof. Zimmer sieht ebenfalls die Ursachen auf Seiten des Staates. Letztlich herrsche aufgrund fehlender Informati-on ein unberechtigtes Misstrauen gegenüber den NPOs, und es fehle an einer hinreichenden Kommunikation der Regie-rung genauso wie an einer effektiven Kooperation innerhalb des Staates und an einer hinreichenden Transparenz. Dr. Graf Strachwitz pflichtete dem bei, er beobachte, dass die Zivilge-sellschaft zunehmend aus der Verantwortung gedrängt wer-de und dass eine ungerechtfertigte, fraktionsübergreifende Skepsis gegenüber den NPOs bestehe. Bätzing-Lichtenthäler sprach sich dafür aus, das kritisierte Misstrauen durch mehr Transparenz abzubauen und die Effektivität der staatlichen Arbeit zu steigern. Staatlicher Einfluss berge aber auch Chan-cen in sich, was nicht vergessen werden dürfe. Prof. von Schnurbein berichtete, dass in der Schweiz ein anderes Ver-ständnis herrsche. Eine staatliche Förderung von NPOs sei dort nicht denkbar und es bestehe eine strikte Trennung zwi-schen Staat und NPOs. Dr. Kahl stellte fest, dass eine gewisse Kontrolle zwar sinnvoll, aber diese zugleich auch Ausdruck von Misstrauen sei. Es sei erforderlich, das Wissensdefizit bei-der Seiten hinsichtlich der eigenen Rolle auszuräumen. Funke forderte eine stärkere Beachtung des Subsidiaritätsgrundsat-zes. Prof. Zimmer zeichnete die historische Entwicklung der NPOs in Deutschland nach, die traditionell im Schatten des Staates gestanden hätten und erst in neuerer Zeit aus diesem Schatten heraus drängten. Nun sei der Punkt gekommen, an dem sich entscheide, ob die NPOs aus dem Schatten des Staa-tes heraustreten werden. Ministerialrat Angelo Winkler (Lei-ter des Referates Stiftungen im Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt) forderte, die Länder besser in die Gesetzgebung einzubeziehen und das vorgesehene Verfah-ren einzuhalten. Prof. Hüttemann gab zu bedenken, dass die gewährten Steuerbegünstigungen nicht als Subvention, son-dern als Anerkennung der Tätigkeit der NPOs zu sehen sei. Weiterhin kritisierte Prof. Hüttemann die im Entwurf vorgese-hene Änderung zu § 4 Nr. 18 UStG sowohl inhaltlich als auch die Art und Weise, wie diese ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurde. Diese Kritik wurde vom Plenum bekräf-tigt. Prof. Zimmer stellte schließlich fest, die derzeitige Ent-wicklung gehe hin zu mehr staatlichem Einfluss auf die NPOs unter gleichzeitiger Versagung öffentlicher Gelder. Funke pflichtete dem bei und sprach sich für eine Stärkung der Zivil-gesellschaft und einen Rückzug der staatlichen Kontrolle aus. Dr. Kahl forderte eine Entkopplung und eine souveränere Rol-le der NPOs, diese dürften nicht nur als Ausfallbürgen genutzt werden. Bätzing-Lichtenthäler stimmte abschließend der Kri-tik hinsichtlich des Gesetzgebungsverfahrens bei und sprach sich für eine bessere Einbeziehung der Länder aus.

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion hatten die Teil-

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nehmer bei einem gemeinsamen Abendessen im Hamburger Zippelhaus die Gelegenheit zum intensiv genutzten weiteren Austausch. In diesem feierlichen Rahmen wurde schließlich auch der W. Rainer Walz-Preis 2011 an Privatdozent Dr. Lars Leuschner für seine herausragende Habilitationsschrift un-ter dem Titel „Das Konzernrecht des Vereins“ verliehen. Die Laudatio hielt Dr. Andreas Richter (P+P Pöllath + Partners, Berlin).

10. November 2012

Auch bei den diesjährigen Hamburger Tagen des Stiftungs- und Non-Profit-Rechts lag am Samstag der Schwerpunkt auf bilanz- und steuer- bzw. gemeinnützigkeitsrechtlichen Themen. Prof. Hüttemann als Leiter der Diskussion am 2. Veranstaltungstag stellte als ersten Referenten Prof. Dr. Andreas Musil (Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbeson-dere Steuer- und Verwaltungsrecht, Universität Potsdam) vor. Musil gab mit seinem Beitrag „Steuerliche Fragen der Gesundheitsreform – Gestaltungsoptionen und Reformper-spektiven“ einen Einblick in die von gemeinnützigen Kran-kenhäusern aus der Praxis identifizierten übergreifenden Probleme des Gemeinnützigkeitsrechts, analysierte diese und formulierte einige klare Forderungen an den Gesetz-geber. Der Vortrag beruhte auf den Ergebnissen eines drei-jährigen Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu steuerlichen Aspekten der Gesundheitsreform. Hintergrund des Projektes sei die bis dato sozialrechtlich orientierte Debatte der Gesundheitsreform gewesen, bei der steuerliche Fragestellungen zu wenig Berücksichtigung ge-funden hätten. Die befragten Akteure – u.a. die Deutsche Krankenhausvereinigung sowie andere Verbände – hätten neben den europarechtlich bedingten Problemen (Beihilfen und Grundfreiheiten) die Frage nach der Rechtfertigung der steuerlichen Begünstigung Gemeinnütziger hinsichtlich ih-rer wirtschaftlichen Betätigung an die DFG-Projektleitung herangetragen, erläuterte Musil. Bezüglich der Einordnung der nationalen Gemeinnützigkeitsvorschriften als europa-rechtlich relevante Beihilfen räumte der Referent ein, dass sehr wohl „potentiell“ eine „Beihilfengeneigtheit“ bestün-de. Er vertrat die diskussionsfördernde – und im Anschluss von Prof. Dr. Michael Droege aus dem Publikum aufgegrif-fene – Auffassung, es handele sich schon nicht um Beihilfen i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV. Vielmehr seien die entscheiden-den Vorschriften der Abgabenordnung (AO) „systemtragende Prinzipien“ des nationalen Steuerrechts. Musil schloss zudem die Möglichkeit, die Steuervergünstigungen zwar als Beihil-fen zu qualifizieren, aber über die Ausnahmetatbestände des Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV deren Zulässigkeit zu begründen, aus. Letztlich aber bestünden große Unsicherheiten und gute Argumente auch für eine Einordnung der §§ 51 ff. AO als eu-roparechtlich relevante Beihilfen durch die europäische Bei-hilfenaufsicht, so Musil. Klar sei hingegen die „Lage in Bezug auf die Grundfreiheiten“ durch die Urteile des EuGH in den Rechtssachen „Stauffer“ und „Persche“: Eine Diskriminie-rung in Abhängigkeit von der Ansässigkeit der Einrichtung ist unzulässig. Die gesetzliche Ausgestaltung des vom deut-schen Gesetzgeber gewollten Inlandsbezugs in § 51 Abs. 2 AO sei vor diesem Hintergrund als nicht europarechtskonform zu kritisieren. Die Vorschrift sei zum einen nicht erforderlich, zum anderen unklar, sodass eine verlässliche Prüfung un-möglich sei. Hinsichtlich der Bedenken der Vereinbarkeit der steuerlichen Begünstigung auch wirtschaftlicher Aktivitäten Gemeinnütziger mit dem Gleichheitssatz stellte der Referent klar, dass seines Erachtens kein Grund bestehe, diese zu

hinterfragen: Die Steuerbegünstigung sei durch die Staats-entlastung gerechtfertigt. Zudem stehe es auch gewinnori-entierten Krankenhäusern offen, den Gemeinnützigkeitssta-tus in Anspruch zu nehmen, sofern sie auch bereit seien, die Ausschüttungssperre hinzunehmen. Im Anschluss stellte der Vortragende Forderungen an den Gesetzgeber: Klarstellende Regelungen zu den aktuell nur schwer zu bewältigenden Re-gelungen zur Unmittelbarkeit in Bezug auf Holdingstrukturen sowie Vorschriften, die es Krankenhäusern ermöglichten, wirt-schaftliche Tätigkeiten – soweit erforderlich – auszugliedern, ohne damit der Gefahr des Gemeinnützigkeitsverlustes aus-gesetzt zu sein, seien notwendig. Die Medizinischen Versor-gungszentren (MVZ) standen danach im Fokus des Beitrags. Musil legte dar, dass bei der Gründung eines MVZ durch ein gemeinnütziges Krankenhaus eine Einordnung eines solchen als Zweckbetrieb i. S. d. § 65 AO bzw. des § 67 AO an der Wettbewerbsklausel bzw. der mangelnden Einordnung ei-nes MVZ als Krankenhaus scheitern dürfte. Möglicherwei-se käme eine Einordnung als Zweckbetrieb nach § 66 AO in Betracht, wobei problematisch sein könne, dass nicht nur „Hilfsbedürftige“ behandelt würden. Kritik äußerte der Re-ferent in diesem Zusammenhang an der Rettungsdienste-Entscheidung des BFH. Die Übertragung der in der allgemei-nen Vorschrift des § 65 AO verankerten Wettbewerbsklausel auf § 66 AO widerspreche dem gesetzgeberischen Willen, Einrichtungen i. S. d. § 66 AO gerade unabhängig von ihrer Wettbewerbsrelevanz zu begünstigen. Konsequenterweise müssten die Kriterien des § 65 AO dann auch im Rahmen des § 67 AO angewendet werden, wodurch i. E. alle Kranken-häuser ohne steuerliche Begünstigungen betrieben werden müssten. Das sei jedoch abzulehnen, so Musil. Abschließend fasste der Referent zusammen, dass gemeinnützigen Ein-richtungen – sofern ihre wirtschaftliche Betätigung gewollt ist- auch Möglichkeiten eingeräumt werden müssten, diese betriebswirtschaftlich sinnvoll zu betreiben.

In der anschließenden lebhaften Diskussion kamen gegen-über der von Musil vertretenen Auffassung zur Hilfsbedürftig-keit der in MVZ behandelten Personen durchaus abweichende Beurteilungen zum Ausdruck. Ralf Klaßmann (Wirtschaftprü-fer, Steuerberater, BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Köln) betonte, solche Kranke seien zu „100% hilfsbedürftig“, wogegen der Referent einwendete, die wirtschaftliche Bedürf-tigkeit sei in die persönliche „hineinzulesen“. Auch Prof. Dr. Weitemeyer vertrat klar die Ansicht, die Hilfsbedürftigkeit müsse hier bejaht werden. „Einvernehmen“ zu diesem Punkt stellte Hüttemann her, der Musil so interpretierte, dass dieser nicht die Steuerbefreiung von MVZs ablehnen wolle, sondern vielmehr auf eine möglicherweise bestehende gesetzliche Lücke (sofern in MVZs behandelte Personen als nicht hilfsbe-dürftig eingeordnet würden) hinweisen wolle. Die Diskussion abschließend beantwortete Musil die Frage, inwiefern die häu-fige Anknüpfung des Gesetzgebers im Steuerrecht an Begriffe des Sozialrechts (SGB) sinnvoll sei, damit, dass das Sozialrecht ein „guter Ratgeber“ sein könne, eine 100%ige Übertragung der Begriffe jedoch nicht immer möglich und von einer „un-besehenen“ Anknüpfung daher abzusehen sei. Im Rahmen der Podiumsdiskussion lieferte Klaßmann eine Ergänzung zu den umsatzsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften. Klaß-mann fokussierte dabei den bisweilen im Gesetzesentwurf der Bundesregierung unbeachteten § 4 Nr. 18 UStG, dessen Änderung erst auf Betreiben des Finanzausschusses (Be-schlussempfehlung des Finanzausschusses vom 24.10.2012, BT-Drs. 17/11190) in den Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 aufgenommen wurde. Damit solle Art. 132 Abs. 1g) der

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Mehrwertsteuerrichtlinie umgesetzt werden. Die Neuregelung würde eine Vielzahl von Fragen aufwerfen, stellte Klaßmann fest. Dabei gehe der Gesetzgeber mit dem Wortlaut „oder von anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter“ über die eu-roparechtlichen Vorgaben hinaus. Die Einordnung einer Ein-richtung als solche „mit sozialem Charakter“ erfolge anhand ihrer Einnahmen, wobei der Begriff der Einrichtung nicht defi-niert werde und offen bliebe, ob dieser mit dem „alten“ Begriff „Unternehmen“ gleichzusetzen sei. Hüttemann interpretierte den Gesetzgeber hier dahingehend, dass der Begriff der Ein-richtung am alten Unternehmerbegriff orientiert sei. Ebenso offen sei der in Nr. 18 verwendete Begriff der „Staatskasse“, womit EU-Gelder, Gelder des Bundes, der Länder, der Kom-munen gemeint seien könnten, so Klaßmann. (Der Bundesrat hat inzwischen unter anderem wegen dieses Punktes in seiner Sitzung vom 23.11.2011 dem Jahressteuergesetz 2013 nicht zugestimmt (BR-PLPr 903 v. 23.11.2012. S. 510).)

Bereits im letzten Jahr bei den 11. Hamburger Tagen des Stiftungs- und Non-Profit-Rechts 2011 war die von Prof. Dr. Reiner-Peter Doll (Mitglied des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW), Betriebswirtschaftslehre, Hochschu-le Heilbronn) vorgestellte Stellungnahme zur Rechnungsle-gung Spenden sammelnder Organisationen (IDW RS HFA 21) auf weitreichende heftige Kritik gestoßen. Die kritische Auseinandersetzung mit dieser Stellungnahme unter dem Titel „Spendenbilanzierung nach IDW RS HFA 21: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ war daran anknüpfend sinnvoll gewählter Gegenstand des diesjährigen Beitrags von Man-fred Lehmann (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Schomerus & Partner, Hamburg). Lehmann referierte zunächst zur Entste-hung der Stellungnahme und ihrer Zielsetzung (Transparenz, Vergleichbarkeit), bevor er einzelne Problempunkte des auch im zweiten Jahr seiner Anwendung noch immer umstrittenen Standards ansprach. Die Stellungnahme des IDW geht bei der Bilanzierung von Spenden nicht vom Zufluss- sondern vom Verwendungsprinzip aus. Lehmann baute seine Argumenta-tion nachvollziehbar ausgehend vom zivilrechtlichen Spen-denbegriff auf, erläuterte die eingeschränkten zivilrechtlichen Rückforderungsmöglichkeiten einer Spende, um schließlich die Frage, wie damit „bilanziell umzugehen sei“, damit zu be-antworten, dass alle Spenden bei Zufluss als Ertrag zu erfassen seien. Nach eingehender Kritik am Verwendungsprinzip stell-te er zur „Ehrenrettung“ des IDW dar, dass dieses nun zulasse, Spenden im Anhang bzw. der Vorspalte der GuV nach Zufluss anzugeben. Damit handele es sich letztlich um ein „getarntes Zuflussprinzip unter der Überschrift des Verwendungsprin-zips“. Weiter ging es um die Abgrenzungsproblematik nicht verwendeter Spenden zum Jahresende. Insbesondere die unterschiedlichen Möglichkeiten der Kostenzuordnung er-öffneten einen immensen Bilanzierungsspielraum, wodurch Vergleichbarkeit und Transparenz als Ziele des Standards na-hezu unerreichbar würden. Solle eine Abgrenzung erfolgen, dann nur für zweckgebundene Spenden, so Lehmann.

Zum Sonderposten für spendenfinanzierte Vermögensge-genstände erörterte der Referent, dieser umfasse nicht nur Ge-genstände des Anlagevermögens und eröffne ebenfalls einen erheblichen Bilanzierungsspielraum, weshalb der „einfache“ Spender nicht geeignet informiert werde. Auch das vom IDW empfohlene Umsatzkostenverfahren informiere den Spender nicht interessengerecht. Hier sei die Schwerpunktsetzung des IDW auf die GuV nicht notwendig. Lehmann stellte sodann noch klar, dass Einrichtungen frei seien, auch unabhängig von der Stellungnahme zu bilanzieren und einen Vermerk im Bestätigungsvermerk nicht zu befürchten hätten. Diese

Problematik stelle sich vielmehr nur für Wirtschaftsprüfer. Gestützt auf eine empirische Untersuchung fasste er zusam-men, dass die Stellungnahme das angestrebte Ziel nicht er-reiche: Einrichtungen bilanzierten noch immer vermehrt nach dem Zuflussprinzip, wendeten das Gesamtkostenverfahren an, und die Abgrenzung von Spenden zum Jahresende erfol-ge sehr uneinheitlich. Die Rechnungslegung schaffe deshalb gerade keine Vergleichbarkeit, sondern konterkariere diese aufgrund der Spielräume sogar.

An der anschließenden Diskussion nahm neben dem letzt-jährigen Referenten zu diesem Thema Doll auch Burkhard Wilke (Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für so-ziale Fragen (DZI), Berlin) teil. Er müsse sich für dieses The-ma interessieren, da er Spendensiegel verteile – und zwecks Glaubwürdigkeit auch entziehe –, leitete Hüttemann ein. Wil-ke – als möglicher „Nutzer“ der von den Einrichtungen be-reitgestellten Informationen – verdeutlichte, dass im Rahmen der Prüfung für das Spendensiegel Informationen über den Jahresabschluss hinaus erforderlich seien. Es sei wichtig zu wissen, welche Beträge von einer Organisation eingenommen worden seien, um eine Plausibilitätskontrolle in Bezug auf die im Rahmen der Spendenwerbung angekündigten Tätigkeiten vorzunehmen. Dazu reiche das Gesamtkostenverfahren allein nicht aus, weshalb Wilke das Umsatzkostenverfahren bevor-zuge. Das Umsatzkostenverfahren sei aber für produzierende Unternehmen gedacht, wandte Hüttemann ein und schloss die Frage an, ob das DZI wohl bei der Überarbeitung des Standards mitgewirkt habe. Das DZI sei tatsächlich bereits im Rahmen der Arbeitsgruppe beteiligt gewesen, räumte Wilke ein. Er empfehle aber, auch alle wesentlichen Dachverbän-de auf diese Weise einzubinden, da eine Beteiligung erst im schriftlichen Konsultationsverfahren zu spät sei. Doll machte durch seine Äußerung „der Zug sei nicht im Halten begriffen“ deutlich, dass mit einer Überarbeitung durch das IDW nicht zu rechnen sei. Jedoch seien die vom Referenten angesprochenen Fragen nach den finanzierten Projektausgaben, den bereits verwendeten Mitteln und der Höhe der Verwaltungskosten-quote zentral für die Überlegungen des Hauptfachausschus-ses gewesen und könnten auch mit der Stellungnahme des IDW beantwortet werden. Das Podium diskutierte sodann die unterschiedlich beurteilte grundlegende Verschiedenheit von spendensammelnden Organisationen und nach HGB bilan-zierenden „normalen“ Kaufleuten. Das IDW sähe hier Abwei-chungen und wollte den Besonderheiten spendensammelnder Organisationen mit der Stellungnahme gerecht werden. Dies stehe im Widerspruch zu der Empfehlung des IDW an Stiftun-gen und große Vereine, nach den Regelungen des HGB zu bi-lanzieren, so Lehmann. Seine Eindrücke aus der Praxis schil-derte Wilke in der Weise, dass bei kleinen und mittelgroßen Organisationen die Umstellung auf die neue Rechnungsle-gung sehr schnell möglich sei. Die Einrichtungen seien in der Regel zwar nicht besonders glücklich über die Neuerungen, hätten jedoch ihren jeweiligen Wirtschaftsprüfern argumen-tativ kaum etwas entgegenzusetzen. Wilke verdeutlichte noch einmal den richtigen Ansatz der IDW Stellungnahme, bei de-ren Umsetzung man aber auf halber Strecke stehengeblieben sei. Deshalb schlage er die Weiterentwicklung des RS HFA 21 unter Einbeziehung aller „stakeholder“ vor. Doll versprach seinen persönlichen Einsatz für eine verstärkte Zusammenar-beit auch mit den Dachverbänden, beugte jedoch allzu großen Erwartungen vor, indem er abschließend äußerte, dass man allen nicht gerecht werden könne.

Nach der Pause trat Ingo Graffe (Ministerialrat, Referatslei-ter Körperschaftsteuer, Ministerium der Finanzen Rheinland-

VeranstaltungsberichtenpoR Heft 1/2013 39

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Pfalz) auf das Podium, um auch in diesem Jahr mit seinem Vortrag zu „Aktuellen Entwicklungen des Gemeinnützig-keitsrechts aus der Sicht der Finanzverwaltung“ einen wichti-gen Beitrag zur praxisgerechten Anwendung des Gemeinnüt-zigkeitsrechts zu leisten. Dabei ging es im Wesentlichen um den Referentenentwurf des Gesetzes zur Entbürokratisierung des Gemeinnützigkeitsrechts (GEG) vom 19.9.2012, zu dem mittlerweile ein Regierungsentwurf (vom 24.10.2012) besteht. Außerdem sollte Aktuelles aus der Praxis Thema sein. Der Referent stellte fest, dass der Entwurf von der „Lobby“ lange Gefordertes enthalte und Vorschläge zum Teil 1:1 übernom-men worden seien. Graffe drückte sein Unverständnis über die Erhöhung der Übungsleiter- und Ehrenamtspauscha-le und die steuerliche Ungleichbehandlung verschiedener Tätigkeiten innerhalb eines Vereins aus. Die klarstellenden Ergänzungen des § 10b Abs. 1a EStG seien zu begrüßen, da Missbräuchen im Zusammenhang mit Verbrauchsstiftungen vorzubeugen sei. Zu kritisieren sei jedoch, dass der Begriff der Verbrauchsstiftung nicht definiert werde. Im Rahmen der in § 53 AO geregelten Mildtätigkeit sei neben der Ersetzung des „Haushaltsvorstands“ durch „Alleinerziehende“ durch das Jahressteuergesetz 2013 insbesondere die Einführung der Nr. 11 in den AEAO zu bemerken (die durch eine neue § 53 Nr. 2 AO auch Eingang ins Gesetz finden soll). Diese stelle klar, dass der Leistungsbescheid Hartz IV als Berechtigungsnach-weis genüge. Problematisch sei – aufgrund der praktischen Handhabung – die Vorgabe, dass eine Ablichtung des Nach-weises von der Körperschaft vorzuhalten sei. Die Beispiele der Tafeln und Kleiderkammern verdeutlichten die Einschätzung des Referenten dieser Neuregelung als praxisfremd. Der Vor-schlag des Bundesverbandes deutscher Stiftungen, nach dem in bestimmten Fällen auf den Nachweis verzichtet werden könne, sei zu begrüßen. Der neue § 60a AO, der die vorläufi-ge Bescheinigung durch eine gesonderte Feststellung ersetzt, ändere praktisch nicht viel, so Graffe. Eine Bindungswirkung trete nur hinsichtlich der dem Gemeinnützigkeitsrecht ent-sprechenden Satzung ein. Über die tatsächliche Geschäftsfüh-rung hingegen werde keine Aussage getroffen, weshalb eine abweichende Beurteilung der Finanzverwaltung möglich sei und nur bedingt Rechtssicherheit geschaffen würde.

Während der anschließenden Diskussion forderte Hütte-mann hierzu eine endgültige Klärung der Verfahrensregelun-gen: Er würde so weit gehen, die neue Bindungswirkung der gesonderten Feststellung für die Veranlagung aller Steuern und auch für den Spendenabzug gelten zu lassen. Dann wür-de über die Gemeinnützigkeit von Körperschaften konzen-triert bei den Körperschaftsteuerämtern entschieden, erläuter-te Hüttemann. Graffe sprach neben anderem auch die neue Vorschrift des § 63 Abs. 4 AO an: die Frist, die das Finanzamt einer Körperschaft bei unzulässiger Mittelthesaurierung zur Verauslagung setzen kann, soll danach 2 Jahre nicht über-schreiten. Bisher würden – ohne gesetzliche Normierung – sinnvollerweise Zeiträume von bis zu 4 Jahren für zulässig er-achtet, um eine „Mittelverschleuderung“ zu vermeiden. Graf-fe plädierte für die Beibehaltung der derzeitigen Rechtslage (keine Zeitvorgabe) oder eine Frist von drei bis vier Jahren. Kritisch stand der Referent auch der Anhebung der Umsatz-grenze für die Anerkennung sportlicher Veranstaltungen als Zweckbetriebe von 35.000,- auf 45.000,- Euro gegenüber.

Das GEG solle 2013 in Kraft treten, die zweite und dritte Le-sung seien für den 1. Februar 2013 geplant, wurde am Schluss des Beitrages festgestellt.

Hüttemann stellte fest, dass einige Anregungen des BMF zum Gesetzesentwurf unter Verweis auf den Anwendungser-

lass zurückgewiesen worden seien. Diskutiert wurde im An-schluss intensiv über die Ehrenamtspauschale als „Herdprä-mie für Ehrenamtliche“ sowie die Frage nach der Möglichkeit einer Teilverbrauchstiftung.

Dr. Ingo Oellerich (Richter am Finanzgericht Düsseldorf, wiss. Mitarbeiter am BFH) schloss den zweiten Veranstaltungs-tag traditionell mit einem Vortrag zur „Aktuellen Rechtspre-chung des BFH zum Spenden- und Gemeinnützigkeitsrecht“. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am 1. Senat des BFH, dem „Kernsenat des Gemeinnützigkeitsrechts“, stellte vier Urteile vor und kommentierte diese jeweils im Anschluss. Der Ent-scheidung des 10. Senats zur Unzulässigkeit des Spendenab-zugs aufgrund einer Zuwendungsbestätigung, zum Zeitpunkt deren Ausstellung die Körperschaft nicht steuerbefreit war, stimmte Oellerich mit der Begründung zu, dass neben der formellen auch die materielle Richtigkeit der Zuwendungsbe-stätigung gefordert werden könne. Dass die Freistellung der Körperschaft auch zum Zeitpunkt der Ausstellung der Bestäti-gung gegeben sein müsste, gehe jedoch nicht aus dem Gesetz (§ 10b EStG) hervor, weshalb die Entscheidung problematisch sei. Anschließend ging es um ein Urteil, in dem die Aberken-nung der Gemeinnützigkeit wegen extremistischer Bestre-bungen verneint wird, wenn die Körperschaft in einem Ver-fassungsschutzbericht erwähnt wird. Allein die Erwähnung in dem Bericht sei nicht ausreichend, um die Gemeinnützigkeit zu verneinen, urteilte der 1. Senat. Oellerich versteht, dass diese Entscheidung auf Unverständnis stoße, geht aber davon aus, dass sie im Ergebnis haltbar sei. Auch den besproche-nen Entscheidungen zu umsatzsteuerrechtlichen Fragestel-lungen sei im Ergebnis zuzustimmen. Nach der Diskussion der Anwendung des Urteils des 10. Senats zum Spendenab-zug aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Zuwendungs-bestätigung, zu dem es keinen Nichtanwendungserlass gibt, welches aber auch nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, wurden noch Fragen des Publikums zum vorgestell-ten Salafisten-Urteil beantwortet. Auf Anregung Hüttemanns wurde abschließend noch die „Kindergarten-Entscheidung“ besprochen, nach der auch kommunale Kindergärten als Betriebe gewerblicher Art zu qualifizieren seien, weil sie im Wettbewerb mit privaten Anbietern stünden.

Auch am zweiten Tag der Veranstaltung kam die Viel- seitigkeit der Fragestellungen im Stiftungs- und Gemein-nützigkeitsrecht zum Ausdruck. Die breite Themenwahl brachte eine Vielzahl unterschiedlich interessierter und fokussierter/spezialisierter Teilnehmer zusammen, wodurch auch ein anregender Austausch in den Pausen ermöglicht wurde. Unter Hinweis auf die nächsten Hamburger Tage, die am 8. und 9. November 2013 stattfinden werden, verab-schiedete Hüttemann das Podium und die Teilnehmer nach eineinhalb informativen und anregenden Tagen.

Dirk Schauer und Andrea Schoeneberg, Doktoranden an der Bucerius Law School, Hamburg

40 Veranstaltungsberichte npoR Heft 1/2013

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Von den FinanzmärktennpoR Heft 1/2013 V

Von den finanzmärkten

Der „Home Bias“ bei Anlageentscheidungen

Ein natürliches Verhaltensmuster veranlasst Menschen, nach Sicherheit zu streben und bekannte Dinge zu bevorzu-gen. Dies gilt auch, wenn Anleger Investitionsentscheidun-gen treffen. Im Zweifel entscheidet man sich eher für eine Aktie eines Unternehmens, das man kennt und das in der eigenen Umgebung oder im eigenen Land beheimatet ist. In der Literatur zu den Finanzmärkten wird dieses Phänomen als „Home Bias“ bezeichnet.

Für den „Home Bias“, also eine überproportionale Gewich-tung inländischer Anlageinstrumente, lassen sich auch eine Reihe von praktischen Gründen anführen, wie die nachfol-gende Aufzählung ohne Anspruch auf Vollständigkeit zeigt:

– Zeit und Aufwand für die Informationsbeschaffung,– Sprachbarrieren,– Marktkenntnis,– Politisches, steuerliches und regulatorisches Umfeld,– Transaktionskosten,– Wechselkursrisiken,– Zugangsbeschränkungen und– Verfügbarkeit von (diversifizierten) Anlageinstrumenten.Bedeutung und Einfluss dieser Faktoren verändern sich

im Zeitablauf. Die Globalisierung der Wirtschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen. Mit dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO) 2001 hat die internationale Arbeitsteilung noch einmal ei-nen starken Schub bekommen. Der technologische Fort-schritt, insbesondere die modernen Kommunikationsmittel und die Entwicklung des Internets, haben die Entfernungen „schrumpfen“ lassen, die Möglichkeiten zur Informations-beschaffung erweitert und dabei anfallende Kosten gesenkt. Die Entwicklung verlief so dynamisch und brachte so starke Veränderungen, dass Thomas L. Friedman für ein Buch zu den Globalisierungseffekten den Titel „Die Welt ist flach“ wählte.1

Neben den politisch Verantwortlichen und ihrer Bereit-schaft, die Länder für den globalen Handel offen zu halten, sind die Unternehmen die entscheidenden Treiber für den technologischen Fortschritt und die Globalisierung der wirt-schaftlichen Aktivitäten. Gerade die deutschen Unterneh-men haben ihre Geschäftstätigkeiten stark international aus-gerichtet und weisen große Exportanteile auf. Exporte hatten 2011 einen Anteil von über 40% des BIP und sind damit ein wichtiger Treiber für die deutsche Wirtschaft geworden. Die Globalisierung der Wirtschaft, die neuen Kommunikations-wege und Informationsmöglichkeiten und die Einsatzmög-lichkeiten neuer Finanzinstrumente spiegeln sich auch im Anlegerverhalten wider.

Allgemein kann daher ein abnehmender Trend des „Home Bias” festgestellt werden. Die Informationslage über aufstre-bende Länder in allen Teilen der Welt hat sich verbessert, die Wirtschaftspolitiken haben sich angenähert, Hemmnisse wie Zölle und Kapitalverkehrsbeschränkungen haben abge-nommen und allgemein haben sich die politischen, legalen und institutionellen Rahmenbedingungen verbessert. Diese Faktoren haben zu einer internationaleren Ausrichtung der Investitionen geführt, der „Home Bias” hat sich verringert. Allerdings verläuft die Entwicklung des „Home Bias” weder

linear rückläufig noch ist sie von den Entwicklungen an den internationalen Kapitalmärkten unabhängig. Krisenereignis-se und Risikoüberlegungen spielen dabei eine wichtige Rolle und können sogar statistisch nachgewiesen werden, wie ein Diskussionspapier der Deutschen Bundesbank zeigt.2

Eine Arbeitsgruppe hat Entwicklungen und Bestimmungs-faktoren des „Home Bias” untersucht. In dieser empirischen Studie können die Autoren einige interessante Aspekte für den „Heimatbezug” von deutschen Investoren nachweisen. Es zeigt sich, dass der „Home Bias” deutscher Anleger für Investitionen innerhalb der Europäischen Währungsunion deutlich weniger ausgeprägt ist als bei Anlagen in Groß-britannien oder im außereuropäischen Ausland. Das Wech-selkursrisiko fällt hier offensichtlich ins Gewicht, aber in geringerem Maß spielen auch Informations- und Transakti-onskosten eine Rolle.

Die Autoren stellen zudem fest, dass durch die Euro-Schul-denkrise eine deutliche Verhaltensänderung ausgelöst wur-de. Während die Kreditwürdigkeit von Staaten in der Län-der- und Sektorstruktur in den Portfolios keine statistisch nachweisbare Rolle gespielt hatte, konnte bei Daten nach der Krise ein statistisch signifikanter Einfluss der Credit Default Swaps (als Indikator für die Kreditwürdigkeit von Ländern und Unternehmen) auf die regionale Struktur nachgewiesen werden. Der Aspekt der „Flucht in den sicheren (Heimat-)Hafen“ hat dabei eine starke Rolle gespielt. Die Kapitalflüsse wurden dabei vor allem durch institutionelle Anleger ausge-löst, die Umschichtungen in ihren Portfolien vornahmen. Ri-sikopositionen wurden reduziert und durch sicherheitsorien-tierte Anlagen im Heimatmarkt ersetzt. Auch die Reduktion von Schulden, das sogenannte „Deleveraging“ dürfte eine Rolle gespielt haben. Deutschland galt in dieser Situation als einer der „sicheren Häfen” und die deutschen Wertpapier-märkte haben stark von Kapitalzuflüssen profitiert.

Im Verlauf der letzten Monate hat sich die Schuldenkrise beruhigt. In den Problemländern wurden wichtige Schritte zu einer Konsolidierung der öffentlichen Finanzen einge-leitet. Die Reformen müssen aber fortgesetzt werden. Auch auf EU-Ebene wurden neue Institutionen und Mechanismen geschaffen, die ähnliche Krisenzuspitzungen in Zukunft ver-meiden bzw. besser bewältigen sollen. Die Lage an den Ka-pitalmärkten beruhigt sich und das Vertrauen der Marktteil-nehmer in die Stabilität der Eurozone nimmt allmählich wieder zu. Die Finanzierungskonditionen in der Peripherie verbessern sich und die Risikoprämien nehmen ab. Die Kon-junkturaussichten bessern sich aber nur sehr langsam und das Wachstum in der Eurozone dürfte auch in diesem Jahr dem globalen Wachstum deutlich hinterherhinken. Der IWF hat im Januar die Wachstumsprognose 2013 für die Eurozo-ne bei einem erwarteten Wachstum der Weltwirtschaft von 3,5% nach unten revidiert (auf 0,2%). Konjunkturlokomoti-ven bleiben die Wachstumsländer Asiens, aber auch in den

1 Th. L. Friedman, Die Welt ist flach: eine kurze Geschichte des 21. Jahrhunderts, 2006.

2 A. Jochem/U. Volz, Portfolio holdings in the euro area – home bias and the role of international, domestic and sector-specific factors; Discussion Paper, Series 1: Economic Studies; No 07/2011.

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Veranstaltungshinweise

14. Arbeitskreis Stiftungsprivatrecht

Termin: 14. und 15. März 2013Veranstalter: Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V.Ort: Bucerius Law School, HamburgKontakt: [email protected]; http://www.stiftungen.org

Gesprächskreis Nord für Bürgerengagement

Termin: 4. April 2013Veranstalter: Julius-Leber-Forum der Friedrich-Ebert-

Stiftung e.V.Ort: HamburgKontakt: [email protected]

4. Thüringer Stiftungstag

Termin: 22. April 2013Veranstalter: Abbe-InstitutOrt: Sparkassen-Finanzzentrum ErfurtKontakt: [email protected]

Deutscher StiftungsTag 2013

Termin: 15. bis 17. Mai 2013Veranstalter: Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V.Ort: DüsseldorfKontakt: http://www.stiftungen.org

DVEV Fachtagung Stiftungsrecht 2013

Termin: 14. Juni 2013Veranstalter: Deutsche Vereinigung für Erbrecht und

Vermögensnachfolge e.V. (DVEV)Ort: WürzburgKontakt: [email protected]; http://www.dvev.de

13. Hamburger Tage des Stiftungs- und Non-Profit-Rechts

Termin: 8. und 9. November 2013Veranstalter: Institut für Stiftungsrecht und das Recht der

Non-Profit-Organisationen – Prof. Dr. Birgit Weitemeyer

Ort: Bucerius Law School, HamburgKontakt: [email protected]; http://www.hamburger-tage.org

USA wird ein robustes Wachstum von 2% erwartet.Meist liegen Daten zur Positionierung von Portfolios und

damit Informationen über den „Home Bias” nur mit zeitlicher Verzögerung vor. Die in der Krise erfolgten Umschichtungen der Portfolios dürften im erwarteten Umfeld überprüft wer-den und die Kapitalflüsse wieder drehen. Die Anreize für die Neuausrichtung der Portfolios gehen von Preissignalen aus. Preise reagieren in der Regel immer schneller als die Men-gen.

Wie der beispielhafte Vergleich der Wertentwicklung eines Portfolios, das sich auf Anlagen in der Eurozone beschränkt, mit einem international ausgerichteten Portfolio zeigt, haben vor allem europäische Länder und Unternehmen unter der Euro-Schuldenkrise gelitten. Andere Länder waren weniger betroffen, bzw. haben sich schneller erholt.

Das internationale Portfolio erzielt in einer 5-Jahresbe-trachtung nicht nur eine deutlich bessere Performance, auch die Schwankung – gemessen an der Volatilität – ist aufgrund der breiten Diversifizierung niedriger als bei einem reinen Euroland-Portfolio. Die Analyse zeigt die deutlichen Risiken, die sich aus einer regionalen Fokussierung im Portfolio er-geben.

Fazit: Diversifizierung optimiert das Rendite-Risiko-Ver-hältnis. Diversifizierung bedeutet nicht nur Streuung inner-halb von Anlageklassen über verschiedene Einzeltitel oder die Berücksichtigung verschiedener Anlageklassen im Ver-

mögen, sondern auch über verschiedene Wirtschaftsräume. Die relative Kursentwicklung und die Suche der Anleger nach Chancen an den internationalen Wertpapiermärkten lassen erwarten, dass die internationale Diversifikation der Anlagemittel in diesem Jahr wieder zunimmt und der „Home Bias” abnehmen wird.

Frank Kamp, Deutsche Bank AG

Leiter Portfoliomanagement für Stiftungen

Vi Veranstaltungshinweise npoR Heft 1/2013

Page 49: npoR Heft 1/2013

W. RAIneR WAlz-PReIs 2012

Das Institut für stiftungsrecht und das Recht der non-

Profit-Organisationen der Bucerius law school, Ham-

burg, vergibt für das Jahr 2012 den von der Humani-

stischen stiftung, Frankfurt, im Jahr 2007 gestifteten

W. Rainer Walz-Preis. W. Rainer Walz hat das Institut

als Direktor von 2002 an bis zu seinem Tode im Jahr

2006 zu einer führenden Forschungseinrichtung zu al-

len rechtlichen Fragen des Dritten sektors entwickelt.

Der Preis ist bestimmt für Wissenschaftlerinnen und

Wissenschaftler, die im Rahmen einer Abschlussarbeit

eine bedeutende wissenschaftliche leistung auf dem

Gebiet des stiftungsrechts, des Vereins-, Genossen-

schafts-, Gemeinnützigkeitsrechts, des sonstigen zivil-,

straf- und öffentlichen Rechts der non-Profit-Organisa-

tionen sowie der Rechtsökonomie erbracht haben.

Der Preis ist mit 5.000 € dotiert und wird im Rahmen

der „Hamburger Tage des stiftungs- und non-Profit-

Rechts“ im november 2013 vergeben. Der Preis kann

auch geteilt und an mehrere Personen vergeben wer-

den. Bewerberinnen und Bewerber sollten ein akademi-

sches oder staatliches Abschlusszeugnis nachweisen.

selbstbewerbungen sind erwünscht. Der Bewerbung

sind ein exemplar der wissenschaftlichen Arbeit, wel-

che die Grundlage für die Bewerbung bildet, ein le-

benslauf, die gutachterlichen Beurteilungen der Arbeit

und ggf. nachweise der examina beizufügen. Das Pro-

motions- oder Habilitationsverfahren soll im Jahre 2012

abgeschlossen worden sein.

Über die Vergabe des Preises entscheidet unter Aus-

schluss des Rechtsweges die leitung gemeinsam mit

dem Beirat des Instituts für stiftungsrecht und das

Recht der non-Profit-Organisationen. Wenn keine ge-

eigneten Bewerbungen eingehen, kann von der Verga-

be des Preises abgesehen werden.

Bewerbungen müssen bis zum 31. März 2013 beim

Institut für stiftungsrecht und das Recht der non-

Profit-Organisationen, Professor Dr. Birgit Weitemeyer,

Bucerius law school, Jungius straße 6, 20355 Hamburg,

eingereicht werden.

Institut für Stiftungsrecht und

das Recht der Non-Profit-Organisationen

Professor Dr. Birgit Weitemeyer

Bucerius Law School

Jungius straße 6, 20355 Hamburg

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Page 51: npoR Heft 1/2013

npoR Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisationen

Impressum Geschäftsführende Herausgeberin: Prof. Dr. Birgit WeitemeyerInstitut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-OrganisationenBucerius Law School

Trägergesellschaft:Hochschule für Rechtswissenschaft gemeinnützige GmbHJungiusstraße 620355 HamburgGeschäftsführer: Dr. Hariolf Wenzler, Benedikt Landgrebe (Stellvertreter)Vorsitzender des Aufsichtsrats: Prof. Dr. Michael GöringAmtsgericht Hamburg, HRB 75325

Redaktion: Redaktionelle Gesamtverantwortung: Prof. Dr. Birgit Weitemeyer Schriftleitung: Dr. Gregor Roth Redaktionsleitung: Florian Kamp, Janne Seelig, Kathrin Wrede Redaktion: Julian Albrecht, Clara Lienicke, Julia Theele

Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-OrganisationenBucerius Law School, Jungiusstraße 6, 20355 Hamburg Telefon (040) 30706 -270Telefax (040) 30706 -275 E-Mail: [email protected] im Internet: www.npoR.de

Erscheinungsweise:Die Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisationenerscheint vierteljährlich als:– kostenpflichtige Druckausgabe (ISSN 1868-3770)– kostenpflichtige elektronische Druckversion (ISSN 1868-3762) – kostenlose Leseversion (ISSN 1868-3762).

Bezug:Abruf der kostenlosen Onlineversion und der Ausgaben des Newsletters BLS NON PROFIT LAW NEWS unter www.npoR.de.

Aufnahme in den E-Mail-Verteiler oder Abschluss eines kostenpflichtigen Abonnements: Füllen Sie unseren Bestellschein aus oder wenden Sie sich an die Redaktion.Alternativ können Sie die Druckausgabe auch über die Buchhandlung Ihres Vertrauens beziehen.

Laufzeit eines Abonnements: ein Jahr, das Abonnement verlängert sich auto-matisch um ein weiteres Jahr, wenn es nicht gekündigt wird. Der kostenpflich-tige Bezug eines Einzelheftes ist möglich.

Kündigung: Ein kostenpflichtiges Abonnement können Sie jederzeit schriftlich mit einer Frist von 14 Tagen zum 1. eines jeden Monats kündigen.

Kosten:– Druckausgabe (ISSN 1868-3770): 50,- Euro p.a. inkl. USt. zzgl. Porto und Ver- sandkosten (8,- Euro p.a.)– Elektronische Druckversion (ISSN 1868-3762): 10,- Euro p.a. inkl. USt– Elektronische Leseversion (ISSN 1868-3762): kostenlos.

Zahlung am Ende des Jahres per Rechnung.

Urheber- und Verlagsrecht:Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urhe-berrechtlich geschützt. Eine Vervielfältigung, Weiterverbreitung oder Speiche-rung ist gestattet, wenn dies nicht zu kommerziellen Zwecken erfolgt und das Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen als Her-ausgeber unter Verweis auf die Internetpräsenz www.npoR.de gut sichtbar als Quelle erwähnt wird. Die Vervielfältigung, Weiterleitung oder Speicherung von Teilen der Zeitschrift ist verboten.Die Einbettung der Zeitschrift in eine Onlinepräsenz (Webseite) ist nur in der Form gestattet, dass durch einen Hyperlink auf die Originalquelle unter www.npoR.de verwiesen wird. Die Einbettung in einen Frame der verweisen-den Webseite ist nicht gestattet.

Manuskripte:Manuskripte und Zuschriften werden ausschließlich an die Redaktion erbe-ten. Herausgeber und Redaktion haften nicht für Manuskripte, die unver-langt eingereicht werden. Es werden nur Originalaufsätze angenommen, die ausschließlich dem Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen zur Alleinverwertung in allen Medien (einschließlich Datenbanken) angeboten werden. Nach Ablauf eines Jahres kann eine Dritt-verwertung durch den Autor erfolgen. Das Institut hat dann ein einfaches Verwertungsrecht hinsichtlich aller Medien. Senden Sie Manuskripte bitte als Textdatei an [email protected]

Mediadaten:Die Mediadaten stehen unter:

http://www.npor.de/pdf/Mediadaten_npoR_2012.pdf zum Abruf bereit.

Gestaltung:Susanne Laudien, [email protected]

Satz:kravcov hey hoffmann werbung & design, www.hey-hoffmann.de

Fotos:Dr. Gregor Roth

Verlag:Bucerius Law School Press, Jungiusstraße 6, 20355 Hamburg

Druck der Printversion (ISSN 1868-3770):Druckhaus Humburg GmbH & Co. KG,Am Hilgeskamp 51-57, 28325 BremenTelefon (04 21) 42798 -0, Telefax (04 21) 42798 [email protected], www.humburg.de

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