neufassung und anwendung einer nichtlinearen seiltheorie

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Neufassung und Anwendung einer nichtlinearen Seiltheorie Anton Heinen 1 and Jens-Uwe Thalheim 1 1 Institut f¨ ur Mechanik und Statik, Universit¨ at der Bundeswehr M ¨ unchen Vorgestellt wird eine neugefasste, geometrisch nichtlineare Seiltheorie (siehe auch [1]), die der klassischen Theorie [2] mechanisch gleichwertig ist, aber einfachere Nichtlinearit¨ aten aufweist und daher numerische Vorteile bietet. 1 Unterschiede zur klassischen Seiltheorie Die hier vorgestellten nichtlinearen Seilgleichungen unterscheiden sich in drei Punkten von den klassischen Gleichungen: Einf¨ uhrung nichtphysikalischer Seilkraftkomponenten (S = S · a 1 , a 1 = Tangentenvektor, kein Einheitsvektor), mechanisch notwendige Zuordnung GREENscher L¨ angsverzerrungen (GL) zu diesen Komponenten und Bezug der zeitinvarianten und der zeitabh¨ angigen Lasten auf unverformte Seilelemente. Mit den beiden ersten Punkten wird eine in der Kontinuumsmechanik erfolgreiche Vorgehensweise (Zuordnung des GREEN- sches Verzerrungsmaßes zu den nichtphysikalischen Cauchy-Spannungen) ¨ ubertragen auf die Seiltheorie. 2 Die nichtlinearen Seilgleichungen und ihre ¨ Uberf ¨ uhrung in FE-Gleichungen r r o v e =v i i e e x x a 1 1 a P o o P e 1 2 2 1 3 q= 1 L 0 s L 1 = Seillinie unter Eigengewicht Seil im Momentanzustand spannungsloses Seil dm = d g g m q 0 1 pdq 1 -S - ( +d )d m q 0 v v 1 S + dq 1 S ,1 ( d ) q 0 q 1 Fig. 1 Seil im Momentanzustand (Mz) mit Kr¨ aften am Seil Das kinetische Gleichgewicht am Seilelement liefert: S ,1 + q 0 + p(θ 1 ,t)= µ 0 ( .. v + d · . v ) mit (...) ,1 = (...) ∂θ 1 (1) Nach Abspaltung der statischen Gleichgewichtslage T ,1 + q o =0 mittels S = T + S (S = Seilkraftzuwachs beim ¨ Ubergang in den Mz) lautet das als Basis f¨ ur die FE-Methode verwendete Prinzip der virtuellen Verr¨ uckungen (PvV): δW + δK = δA ; δW = L0 0 S · δv ,1 1 K = L0 0 µ 0 ( .. v + d · . v ) · δv 1 A = L0 0 p · δv 1 (2) δW ist die innere, δA die ¨ außere Arbeit und δK die virtuelle Arbeit der Tr¨ agheits- und D¨ ampfungskr¨ afte. F¨ ur δW gilt: δW = L0 0 ( S T ) · δγ dθ 1 + L0 0 T · δβ dθ 1 mit γ = 1 2 ( a 11 a 11 ) ; β = 1 2 v k ,1 v k,1 (3) Corresponding author: e-mail: [email protected], Phone: +49 89 6004 3415, Fax: +49 89 6004 4549 PAMM · Proc. Appl. Math. Mech. 6, 305306 (2006) / DOI 10.1002/pamm.200610134 © 2006 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim © 2006 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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Neufassung und Anwendung einer nichtlinearen Seiltheorie

Anton Heinen∗1 and Jens-Uwe Thalheim1

1 Institut fur Mechanik und Statik, Universitat der Bundeswehr Munchen

Vorgestellt wird eine neugefasste, geometrisch nichtlineare Seiltheorie (siehe auch [1]), die der klassischen Theorie [2]mechanisch gleichwertig ist, aber einfachere Nichtlinearitaten aufweist und daher numerische Vorteile bietet.

1 Unterschiede zur klassischen Seiltheorie

Die hier vorgestellten nichtlinearen Seilgleichungen unterscheiden sich in drei Punkten von den klassischen Gleichungen:

• Einfuhrung nichtphysikalischer Seilkraftkomponenten (S = S · ◦a1,

◦a1 = Tangentenvektor, kein Einheitsvektor),

• mechanisch notwendige Zuordnung GREENscher Langsverzerrungen (GL) zu diesen Komponenten und• Bezug der zeitinvarianten und der zeitabhangigen Lasten auf unverformte Seilelemente.

Mit den beiden ersten Punkten wird eine in der Kontinuumsmechanik erfolgreiche Vorgehensweise (Zuordnung des GREEN-sches Verzerrungsmaßes zu den nichtphysikalischen Cauchy-Spannungen) ubertragen auf die Seiltheorie.

2 Die nichtlinearen Seilgleichungen und ihre Uberfuhrung in FE-Gleichungen

r

ro

v e= vii

e

e

x

x

a1

1a

P

o oP

e

1

2

2

1

3

� ��

L0

s L��

Seillinie unter Eigengewicht

Seil im Momentanzustand

spannungsloses Seil

dm = dg g� �0

1

pd�1

-S

- ( +d )d� �0 v v1

S + d�1

S,1

( d )q0 �1

Fig. 1 Seil im Momentanzustand (Mz) mit Kraften am Seil

Das kinetische Gleichgewicht am Seilelement liefert:

S,1 + q0 + p(θ1, t) = µ0

( ..v + d · .

v)

mit (...),1 = ∂(...)∂θ1 (1)

Nach Abspaltung der statischen Gleichgewichtslage T,1 + qo = 0 mittels S = T + �S (�S = Seilkraftzuwachs beimUbergang in den Mz) lautet das als Basis fur die FE-Methode verwendete Prinzip der virtuellen Verruckungen (PvV):

δW + δK = δA ; δW =

L0∫0

�S · δv,1 dθ1 , δK =

L0∫0

µ0

( ..v + d · .

v) · δv dθ1 , δA =

L0∫0

p · δv dθ1 (2)

δW ist die innere, δA die außere Arbeit und δK die virtuelle Arbeit der Tragheits- und Dampfungskrafte. Fur δW gilt:

δW =

L0∫0

(S − T

) · δγ dθ1 +

L0∫0

T · δβ dθ1 mit γ = 12

(◦a11 − a11

); β = 1

2vk,1vk,1 (3)

∗ Corresponding author: e-mail: [email protected], Phone: +49 89 6004 3415, Fax: +49 89 6004 4549

PAMM · Proc. Appl. Math. Mech. 6, 305–306 (2006) / DOI 10.1002/pamm.200610134

© 2006 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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Das von γ (GL) abhangige Stoffgesetz fur(S − T

)lautet nach Auswertung der Maßzahlen

◦a11 und a11 (α = 1, 2 /

k = 1, 2, 3):

S − T =∂Π∂γ

= EA0 · γ ; γ = vα,1 xα,1 +

12

vk,1 vk,1 ; W =

L0∫0

Π dθ1 ; Π =12EA0γ

2 + Tβ (4)

δW kann man auffassen als Variation von(4)3. Somit gehort zur Seilkraft S das Verzerrungsmaß γ. Aus (1) folgt in Kom-ponenten:

{EA0

(vα,1 xα

,1 + 12 vk

,1 vk,1

) [xβ

,1 δnβ + vn

,1

]+ T · vn

,1

},1

+ pn = µ0

[..vn + d · .

vn]

(n = 1, 2, 3) (5)

(5) enthalt die unbekannten Verschiebungen maximal kubisch (unterstrichen). Die klassischen Seilgleichungen weisenkompliziertere Nichtlinearitaten auf [2]. Sie folgen aus (1), wenn man den Seilkraftvektor zerlegt in Richtung des Tangenten-

einheitsvektors◦e1 =

◦a1/|◦a1|, die - dann im Stoffgesetz notwendige - Ingenieurdehnung εd einfuhrt und die - auf das unver-

formte Seilelement bezogenen - Lastvektoren q0 und p auf das jeweilige Element im Eigengewichts- bzw. Momentanzustandtransformiert.

S = Sd◦e1 = Sd

◦a1∣∣◦a1

∣∣ =Sd

1 + εd·[(

xα,1 + vα

,1

)eα + v3

,1 e3

]

εd =∣∣◦a1

∣∣ − 1 =

√[(x1 + v1),1

]2

+[(x2 + v2),1

]2

+[v3

,1

]2

− 1

q0 dθ1 = qs

∣∣a1

∣∣ dθ1 ; p dθ1 = q∣∣◦a1

∣∣ dθ1 ;∣∣a1

∣∣ =√(

x1,1

)2 +(x2

,1

)2 =1 + εd

1 + ε

(6)

In (6)5 ist ε die Dehnung, die beim Ubergang vom Eigengewichts- in den Momentanzustand entsteht. Mit (6) sowie xd =x1 + v1, yd = x2 + v2 und zd = v3 erhalt man aus (1):

[Sd

1 + εd

(xd,1 e1 + yd,1 e2 + zd,1 e3

)],1

+ |a1| qs +(1 + εd

)q = µ0

[..v + d · .

v]

(7)

Fur Sd ist EA0εd einzusetzen. Aus (7) sind fur den dampfungsfreien Fall (d = 0) die klassischen Komponentengleichungenherleitbar, siehe [2]. Diese sind wegen des Wurzelausdruckes in den Ingenieurdehnungen komplizierter als die Gleichungen(5) der Neuformulierung.

Als Basis fur nichtlineare Schwingungsanalysen eignet sich die FE-Methode besser als das partielle Differentialgleichungs-system. Ordnet man jedem Knoten des Seilelementes - siehe [1] - drei Verschiebungen und deren Ableitungen zu, so stellensich auch bei geringer Elementanzahl oft schon ausreichend genaue Ergebnisse ein. Aus dem PvV - angeschrieben zunachstfur ein Seilelement m - erhalt man nach Summation uber alle Elemente:

M••V + C

•V + KV +

NL

F(V) = R (8)

Alle quadratisch und kubisch nichtlinearen Beitrage sind im SpaltenvektorNL

F enthalten. Nichtlineare Schwingungsanalysenmit (8) haben zu guten Ubereinstimmungen mit Literatur- bzw. Versuchsergebnissen gefuhrt, siehe [1].

Die vorgestellten nichtlinearen Seilgleichungen lassen sich auch vorteilhaft in genauere Modelle fur Regen-Wind-induzierteSchwingungen einbauen. Damit wurde man dem realen Schwingungsverhalten naher kommen konnen als mit dem Streifen-modell.

References

[1] Thalheim, J.-U., Nichtlineare Seilschwingungen und Stabilitatsanalysen fur Seilbewegungen, UniBw Munchen, Berichte aus demKonstruktiven Ingenieurbau, 2, (2004).

[2] Petersen, C., Dynamik der Baukonstruktionen, (Vieweg, Braunschweig, 1996).

Section 5 306

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