neues flüssigdichtsystem erfolgreich in der serienproduktion

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masse in die Dichtnut bereits vormontierter und formschlüssig verbauter Teile injiziert (Bild 2). Das Siliconmaterial vulkanisiert binnen kurzer Zeit und bildet eine perfekt an die Oberfläche angepasste Dichtung. Dabei kombiniert LIS die Vorteile auf- getragener mit denen vorgeformter Dich- tungen (Bild 3): Der Siliconkautschuk pas- st sich optimal an die Oberfläche der Dich- tungsnut und deren Textur an. Auch Still- standszeiten in der Produktion entfallen, da der Siliconkautschuk im montierten Bauteil aushärten kann. Auf diese Weise lassen sich Zykluszeiten realisieren, die bisher nur bei der Gummiverarbeitung verwirklicht werden konnten. Für die Verarbeitung des Siliconkautschuks wird eine Mischanlage mit statischem Mischrohr verwendet. Der Prozess lässt sich vollautomatisch überwachen: entwe- der über den Druckanstieg, der am Ende des Befüllvorgangs einsetzt, oder anhand Torsten Sixt S ilicondichtungen werden üblicher- weise auf folgende drei Arten ver- baut, und zwar als Klebdichtung, bei der die Dichtungs- masse üblicherweise per Roboter in die Dichtnut aufgetragen wird und anschließend im zusammengebauten Teil einen festen Verbund mit der Oberfläche bildet, Kompressionsdichtung, bei der das auf einer Flanschhälfte meist maschinell aufgetragene und bereits vulkanisierte Silicondichtrnaterial mit dem Gegen- stück verpresst wird, oder fertiges Formteil, das bei der End- montage des abzudichtenden Bauteils eingefügt wird (Bild 1). Im Gegensatz dazu wird beim Flüssig- dichtsystem LIS die flüssig-pastöse Dicht- Vor acht Jahren startete der Chemiekonzern Wacker gemein- sam mit dem Automobilherstel- ler Ford die Entwicklung einer neuartigen Methode der Dich- tungsapplikation. Das Verfahren vereint die Vorteile bestehender Dichtungstechniken und zeich- net sich durch geringe Hand- habung, einfache Lagerhaltung und hohe Prozesssicherheit aus. Seit letztem Jahr verwendet Ford das neue Flüssigdicht- system LIS (Liquid Injection Sealing) erfolgreich für die Seri- enproduktion von Ölpumpen – und setzt dabei auf Siliconkautschuke. Ölpumpe eines Ford Mustang. Gut zu sehen: die vulkanisierte Siliconkautschukdichtung (grau) Neues Flüssigdichtsystem erfolgreich in der Serienproduktion ANWENDUNGEN < ADHÄSION 1-2.03 31 Eigenschaften des eingesetzten Dichtmaterials Speziell für das Flüssigdichtsystem LIS (Liquid Injection Sealing) wurde ein zweikomponentiger, flüssig-pastöser Siliconkautschuk entwickelt , der defi- nierte Quelleigenschaften besitzt und für diesen Prozess über eine ideale Fließfähigkeit sowie exzellente Benetzungseigenschaften verfügt. Dieses Produkt, mit dem Namen Wacker Elastosil LIS 4000, gibt es so- wohl für öl- als auch wasserbasierende Anwendungsbereiche und ist auf sehr kurze Zykluszeiten im industriellen Ferti- gungsprozess mit Dosieranlagen einge- stellt. Außerdem gibt es speziell für den Reparaturbereich eine Variante, die auf- grund der längeren Topfzeit eine manu- elle Verarbeitung ermöglicht.

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Page 1: Neues Flüssigdichtsystem erfolgreich in der Serienproduktion

masse in die Dichtnut bereits vormontierterund formschlüssig verbauter Teile injiziert(Bild 2). Das Siliconmaterial vulkanisiertbinnen kurzer Zeit und bildet eine perfektan die Oberfläche angepasste Dichtung. Dabei kombiniert LIS die Vorteile auf-getragener mit denen vorgeformter Dich-tungen (Bild 3): Der Siliconkautschuk pas-st sich optimal an die Oberfläche der Dich-tungsnut und deren Textur an. Auch Still-standszeiten in der Produktion entfallen, da der Siliconkautschuk im montiertenBauteil aushärten kann. Auf diese Weiselassen sich Zykluszeiten realisieren, die bisher nur bei der Gummiverarbeitung verwirklicht werden konnten.Für die Verarbeitung des Siliconkautschukswird eine Mischanlage mit statischemMischrohr verwendet. Der Prozess lässtsich vollautomatisch überwachen: entwe-der über den Druckanstieg, der am Ende des Befüllvorgangs einsetzt, oder anhand

Torsten Sixt

Silicondichtungen werden üblicher-weise auf folgende drei Arten ver-baut, und zwar als

● Klebdichtung, bei der die Dichtungs-masse üblicherweise per Roboter in die Dichtnut aufgetragen wird undanschließend im zusammengebauten Teil einen festen Verbund mit derOberfläche bildet,

● Kompressionsdichtung, bei der das aufeiner Flanschhälfte meist maschinellaufgetragene und bereits vulkanisierteSilicondichtrnaterial mit dem Gegen-stück verpresst wird, oder

● fertiges Formteil, das bei der End-montage des abzudichtenden Bauteilseingefügt wird (Bild 1).

Im Gegensatz dazu wird beim Flüssig-dichtsystem LIS die flüssig-pastöse Dicht-

Vor acht Jahren startete derChemiekonzern Wacker gemein-sam mit dem Automobilherstel-ler Ford die Entwicklung einerneuartigen Methode der Dich-tungsapplikation. Das Verfahrenvereint die Vorteile bestehenderDichtungstechniken und zeich-net sich durch geringe Hand-habung, einfache Lagerhaltungund hohe Prozesssicherheitaus. Seit letztem Jahr verwendetFord das neue Flüssigdicht-system LIS (Liquid InjectionSealing) erfolgreich für die Seri-enproduktion von Ölpumpen –und setzt dabei auf Siliconkautschuke. Ölpumpe eines Ford Mustang. Gut zu sehen: die vulkanisierte Siliconkautschukdichtung (grau)

Neues Flüssigdichtsystem erfolgreich in der Serienproduktion

ANWENDUNGEN < ADHÄSION 1-2.03 31

Eigenschaften des eingesetzten Dichtmaterials

Speziell für das Flüssigdichtsystem

LIS (Liquid Injection Sealing) wurde ein

zweikomponentiger, flüssig-pastöser

Siliconkautschuk entwickelt , der defi-

nierte Quelleigenschaften besitzt und

für diesen Prozess über eine ideale

Fließfähigkeit sowie exzellente

Benetzungseigenschaften verfügt.

Dieses Produkt, mit dem Namen

Wacker Elastosil LIS 4000, gibt es so-

wohl für öl- als auch wasserbasierende

Anwendungsbereiche und ist auf sehr

kurze Zykluszeiten im industriellen Ferti-

gungsprozess mit Dosieranlagen einge-

stellt. Außerdem gibt es speziell für den

Reparaturbereich eine Variante, die auf-

grund der längeren Topfzeit eine manu-

elle Verarbeitung ermöglicht.

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der Befüllmenge (volumetrische Über-wachung). Stimmt eine der beiden Kenn-größen nicht mit den Sollwerten überein,registriert dies die Anlage und das Teil wirdsofort ausgesondert (Bild 4).

Anwendungen rund um den Motor

Seit über einem Jahr benutzt der ameri-kanische Automobilhersteller Ford das patentierte Flüssigdichtsystem LIS zurAbdichtung von Ölpumpen. Mittlerweiledürften rund 140 000 Ölpumpen mit die-ser Methode abgedichtet worden sein.Damit hat die LIS-Technik ihre erste Feuertaufe im Automobilbau mit Bra-vour bestanden. Von den etwa 40 000im Jahr 2002 produzierten Ford Mustang-Modellen musste lediglich ein einzigerWagen wegen einer defekten Ölpumpein die Werkstatt. Schuld war nicht die Dich-tung, sondern ein Materialfehler amFlansch. Untersucht wird derzeit, ob LIS auch in anderen Anwendungsbereichen einsetz-bar ist, beispielsweise zur Abdichtungvon Ölwannen, Steuerkettenkasten, Ven-tilhauben, Wasserpumpen oder Kühlern.

FFllüüssssiiggddiicchhttuunngg FFoorrmmddiicchhttuunngg

Nassverbau (FIPG)

Aufvulkanisat (CIPG)

Anspritzdichtung (MIPG)

Formpressen

Spritzpressen

Spritzguss

FFllüüssssiiggddiicchhttssyysstteemm ((LLIISS))

Bild 3: Vorteile aus verschiedenen Dichtungstechniken mit pastösen/flüssigen Dichtmaterialien sowie Herstellung vorgeformter Dichtungen münden im Flüssig-dichtsystem LIS.

Bild 2: Ein geöffneter Dichtflansch mit vulkanisierter Dichtung. Vorne ist der Injektions-punkt gut zu sehen. Im Hintergrund ein demFlansch entnommenes Stück Dichtung.

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Bild 1: Links Statikdichtung, Mitte Klebdichtung, rechts Expansionsdichtung

Während bisherige Silicondichtungen als typische Kompressions- oder Klebdichtungen(molded gaskets; formed-in-place gaskets) ausgelegt waren, fußt das Wirkungs-prinzip des neuen Systems auf zwei Eigenschaften: definierte Materialquellung undthermische Expansion. Bei der statischen Dichtung wird das Elastomer durch das Zusammenpressen der Flansche geformt. Die Rückstellkraft des Elastomers sorgt dafür, dass das Bauteil dichtist. Wichtig ist hier geringes Setzverhalten und hohe Druckstandfestigkeit. Typische Beispiele sind vorgeformte Dichtungen wie z.B. O-Ringe. Bei der Klebdichtung wird dieDichtungswirkung durch das Verkleben des Elastomers mit der Oberfläche bewirkt. Kritisch ist hierbei die Haftung an den Flanschhälften. Im Gegensatz dazu funktioniertdas Flüssigdichtsystem LIS nach dem Prinzip der Expansionsdichtung. Dabei bautdas Elastomer in allen Richtungen der Nut einen gleichmäßigen Dichtungsdruckauf. Vorteil: Bei formschlüssig verbauten Flanschhälften ist der Kontakt der Dich-tung mit den oft aggressiven Medien minimal, eine Schädigung des Dichtmaterialssomit unwahrscheinlich. Zudem bildet der Siliconkautschuk beim Quellen einen sogenannten Basisdichtungsdruck. Dieser steigt durch gezielte Wärmezufuhr drastisch(thermische Expansion). Ist der Basisdruck größer als der bestehende Innendruck,genügen bereits niedrige Temperaturen, um eine ausreichende Abdichtung zu erzielen.Bei hoher Wärmezufuhr baut sich wegen der unterschiedlichen thermischenAusdehnungskoeffizienten von Dichtung und Flansch ein sehr hoher Dichtungs-druck auf. Dies ist beispielsweise dann notwendig, wenn durch die Temperaturer-höhung sich die Viskosität der Flüssigkeiten verändert. Bedingt durch den gleichmäßigen und permanenten Dichtungsdruck durch Quellungist der so genannte „weeping effect“ nicht zu beobachten. Aufgrund dieser Eigen-schaften erlauben Flüssigdichtsysteme den Kontakt zu hydrohpilen wie hydrophoben Medien. Da Siliconkautschuke auch Temperaturschwankungen zwischen 250°C und -50°C mühelos verkraften, sind sie für den Einsatz unter thermischer Belastunggeradezu prädestiniert.

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Ideal wäre es, mehrere Dichtungsflanschemit einer einzigen Injektion abzudichten.Auch wenn diese Vorstellung auf den erstenBlick noch etwas futuristisch anmutet: An-wendungstechniker und Ingenieure arbeitenbereits daran. Ventilhauben und Steuerkasteneines V-Motors wurden bereits erfolgreichin einem Zug abgedichtet. LIS ist also auchfür größere Dichtungsarbeiten geeignet.Für lange Fließwege muss die Dichtungs-masse lediglich an mehreren Punkten eingespritzt werden (Mehrpunktinjektion).

Zuverlässig, sicher und kostengünstig

Die extrem hohe Partikel- und Oberflächen-toleranz des Verfahrens gewährleistet großeProzesssicherheit und hohe Teiletoleranz.Letzteres ist vor allem bei größeren Flan-schgeometrien von Vorteil, bei denen das Thema Passgenauigkeit eine wichtige Rollespielt. Einzig die Entlüftung der Nut mussgewährleistet sein, damit sich der flüssigeSiliconkautschuk über das gesamte Dicht-profil gleichmäßig verteilen kann. Eine ausreichende Oberflächenrauhigkeit un-terstützt die Entlüftung der Nut und ge-währleistet eine vollständige Befüllung.Gegenüber Festdichtungen können Flüssig-dichtsysteme weitere Pluspunkte verbuchen,wie vereinfachte Lagerhaltung und geringerMontageaufwand. Zudem reduziert sich

der Aufwand bei der Teileherstellung: Einesehr genaue und somit teure Oberflächen-behandlung der abzudichtenden Flächenist bei der Verwendung von flüssigem Elastosil-Siliconkautschuk nicht mehr nötig. Im Gegenteil: Eine nicht allzu glatteGussqualität kommt der Dichtqualität dernach ihrer Vulkanisation gummi-elastischenMasse durchaus entgegen. Kombiniert mit kostensenkenden Faktoren wie redu-ziertem Inventar, kurzen Zykluszeiten, hoher Prozesssicherheit durch Online-Prozesskontrolle via Druck- und Volu-menüberwachung sowie vergleichsweise günstige Anlagen bietet diese Methode vieleinteressante Aspekte. Zu beachten ist lediglich, dass die Anwen-dungen innerhalb der Montagelinie derMotorenfertigung zu betreiben ist. Der Hersteller sollte also bereit sein, die Anwendung in den Produktionsablauf zuintegrieren. In einigen Anwendungsberei-chen kann auch die Übertragung vonSchwingungen und Hitze ein Problem sein.Da bei diesem Verfahren Flansch aufFlansch montiert wird, entfalten mit LISapplizierte Dichtungen keine dämpfendebzw. wärmeisolierende Wirkung. StörendeVibrationen oder Wärmebrücken lassensich folglich nicht entkoppeln. In vielen Anwendungsbereichen ist dies in der Regeljedoch unkritisch.

ReparaturfreundlichFür den Fall, dass eine Ölpumpe einmal defekt ist und geöffnet werden muss, lässtsich eine mit LIS eingesetzte Dichtung problemlos austauschen. Da das Elastomernicht am Flansch haftet, kann im Fall derDemontage die Dichtung einfach ent-nommen werden. Ob die neue Dichtung anschließend mit kleinen Doppelkammer-kartuschen und einer Handdosierpistole in die wieder verbaute Anwendung ein-gespritzt oder manuell gemischt und imNassverbau in die Dichtungsnut ein-gebracht wird, macht letztlich keinen Un-terschied.Auch wenn LIS derzeit nur im Automobil-sektor eingesetzt wird, so ist dieses Verfahren aufgrund seiner Zuverlässigkeitund Kosteneffizienz für andere Bereichewie etwa im Maschinenbau nicht minder interessant. π

Dr. Torsten Sixt (Tel.: 08677/ 83 78 20;

E-Mail: [email protected])

ist bei Wacker Silicones als Technical

Service Manager Automotive im Business

Team Transportation & Energy tätig.

LIS - KOMBINATION AUS FORMTEIL UND FLÜSSIGDICHTUNG

Volumenkontrolle: Starr verbundene Dosierkolbengarantieren korrektes Mischverhältnis und Einspritzmenge

Komponenten A/B: Mischverhältnis 1:1

StatikmischerDruckkontrolle: Ende des Dosiervorganges wirddurch Druckanstieg registriert.

LIS-Dichtung: schnellhärtende Zwei-Komponenten-Masse

Dichtnut: Gussqualität bestens geeignet

Bild 4: Schematische Darstellung einer einfachen Dosieranlage mit Druck- und Volumenkontrolle.

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