mundhygiene für träger festsitzender kieferorthopädischer apparaturen

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Page 1: Mundhygiene für Träger festsitzender kieferorthopädischer Apparaturen

Mundhygiene fiir Tr~iger festsitzender kieferorthop~idischer Apparaturen

L. Kremers, S. Unterer, F. Lampert, Mainz

Mit 4 Abbildungen

Poliklinik ffir Zahnerhaltungskunde und Parodontologie der Klinik f~r Zahn-, Mund- und Kieferkrank- heiten der Johannes-Gutenberg-Universit~t Mainz (Direktor: Prof, Dr. Dr. I,K Ketterl)

Die Forderung nach Erreichen einer optimalen Mundhygiene stellt ftir den Durch- schnittspatienten eine oft nicht befriedigend zu lOsende Aufgabe dar. Dies trifft um so mehr fiir Tr~iger festsitzender kieferorthop~idischer Apparaturen zu, da durch das Einbringen von Multibandapparaturen die Mundhygiene nach Canut [1] (1972) durch folgende drei Faktoren beeinfluf3t wird:

1. Erweiterung der Zahnkrone, und somit Behinderung der Selbstreinigungsmecha- nismen. 2. Schwierigkeiten beim Barsten der Z~hne, und zwar a) durch Ver~inderung des Be- wegungsraumes der Zahnbtirste und Borsten in der kindlichen MundhOhle und b) durch Zunahme der Retentionsstellen. 3. Verringerte Beweglichkeit beim Kauen.

Obwohl nach einer Studie von Ebert [3] (1977) das Multibandger~it von dem weit- aus grOl3ten Teil der befragten jugendlichen Patienten akzeptiert wird, kamen 60 % der Probanden nicht zu einer befriedigenden Mundhygiene, obwohl es 90 % der Be- fragten fiir wichtig erachteten. Deshalb empfiehlt Clark [2] (1976), dab bereits zu Beginn der kieferorthop~idischen Behandlung die Zahnputztechnik far die erschwer- te Mundhygiene beherrscht werden sollte. Wenn dann sp~iter eine zweimalige sorg- f~iltige Zahnreinigung nach der sog. Schrubbertechnik bzw. Bass-Methode tiber 10 Minuten pro Tag durchgeftihrt wfirde, kOnnte eine Belagsbildung bzw. Ansamm- lung yon sch~dlichen Stoffen verhindert werden. Ganz besonders weist er darauf hin, dal3 mit der Zahnbiirste gingival auf dem Drahtboden zu putzen sei. Da viele Patienten die Zahnbtirste zu weit inzisaI ansetzen, sind diesbeztigliche Anweisungen dringend nOtig.

Zachrisson [8] (1974) dagegen empfiehlt die horizontale Putztechnik. Abet er dis- kutiert auch die Rolltechnik und meint mit Frandsen et al. [4] (1972), Sangnes et al. [6] (1972) und Suomi et al. [7] (1972), dal3 die Rollmethode geringwertiger bzw. zu- mindest nicht besser sei als die horizontale Putzmethode oder eine Vibrationsmetho- de. Besonders betont er aber die begrenzten feinmotorischen F~ihigkeiten des Kindes und untersttitzt mit Sangnes et al. [6] (1972) die horizontale Putzmethode.

Material und Methode

In der im folgenden beschriebcnen Untersuchung wurden zwei Zahnputztcchni- ken miteinander verglichen. Die Untcrsuchung wurde in der Praxis eines dcr Auto-

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Bewertungsgrade 0 = Absolut keine Plaque 1 = Vereinzelte Plaque-Inseln 2 = Deutliche Plaque-Linie entlang gr6f3erer Strecken des Gingivalrandes 3 = Plaque im zervikalen Bereich 4 = Plaque bis ins zweite Kronendrittel 5 =, Plaque his ins dritte Drittel

Tab. I. Plaque-Index nach Quigley-Hein.

ten (S. Unterer) an einer Gruppe von 10 Probanden im Alter von 12 bis 15 Jahren durchgeffihrt. Auf gleichmgl3ige Geschlechtsverteilung wurde geachtet. Alle Perso- nen befanden sich in kieferorthopgdischer Behandlung, wobei generell festsitzende Apparaturen (018 Edgewise-Technik) Anwendung fanden. Untersucht wurde der Plaque-Befall bzw. die Plaque-Befallsgnderung nach dem Einsatz der untersuchten Zahnreinigungsmethoden. Ausgewghlt wurde der Plaque-Index nach Quigley-Hein, der sich nach Mtihlemann [5] (1974) besonders zur Beurteilung mundhygienischer Magnahmen eignet. Die Bestimmung erfolgte an den mit Erythrosin angef~trbten Fazial- und Oralfl~chen der Zfihne, ohne Bert~cksichtigung, dab Teile der Zahnober- flfiche mit B~tndern abgedeckt waren. Die Bewertungsgrade reichen von 0 bis 5 und sind in Tab. I zusammengestellt. Jeweils 8 Z~hne aus dem Seitenzahnbereich des Ober- und Unterkiefers wurden zur Indexerhebung herangezogen. Die Auswahl ge- fade dieser Z~hne ergab sich aus der Beobachtung, dab bei den Versuchspersonen Mundhygiene-Probleme gr6f3eren Ausmal3es lediglich im Seitenzahnbereich festge- stellt wurden. Nur dort ergab sich eine gr613ere Variationsbreite der Bewertungsgra- de aber den Index 2 heraus.

Als Versuchsmethode prt~ften wit eine modifizierte Bass-Technik. Die Bass-Tech- nik modifiziert eine zirkulfire Putzmethode, bei der die Borstenenden einer Zahn- barste jeweils von okklusal, fazial und oral senkrecht auf die Zahnoberfl~che gelegt werden und die Bfirste durch krfiftige, kleine, mehr senkrechte als horizontal-ovale Kreisbewegungen t~ber Z~hne und Zahnfleisch geft~hrt wird. Die Modifikation von Bass besteht darin, dab er die Bt~rste nicht senkrecht auf der Zahnoberfl~tche auf- setzt, sondern dag diese in einem etwa 45°-Winket in Richtung zum Zahnfleisch hin aufgesetzt wird. Die sp~iter beschriebene untersuchte Methode k6nnte als eine Rack- kehr zu der ursprtmglichen zirkul~ren Putzmethode angesehen werden. Allerdings wird bei der hier angegebenen Methode die Putzbewegung mehr als Rt~ttelbewegung ausgef~ihrt und mit weit geringerem Kraftaufwand.

Als Kontrollmethode w~ihlten wir die Rolltechnik. Anhand von Modellversuchen wurde diese Modifikation ermittelt, wobei wir an einem mit entsprechender kiefer- orthop~discher Apparatur versehenem Frasaco-Modell Putzversuche durchgeft~hrt haben. Der Plaque-Befall wurde dabei an diesem Modell mit Farbstoff simuliert. Hieraus erwies sich die Technik als vorteilhafteste, bei der eine grazile Multituft- Biarste (Kavosan B 30) senkrecht auf die Zahnoberfl~iche aufgesetzt wurde. Hierbei gleiten die Borsten an den feinen Drahtelementen der kieferorthop~dischen Appara- turen vorbei und erreichen so die Zahnoberfl~tchen.

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Mundhygiene

A u s g a n g s b e f u n d

= 2 ,4 s = 0 ,5 go = 2 ,2 s = 0 ,6 Xv = 2 ,6 s = 0 ,4

t . K o n t r o l l b e f u n d

= 2 ,2 s = 0 ,3 ~o = 2,1 s = 0 ,4 xv = 2 ,3 s = 0 ,2

2. K o n t r o l l b e f u n d

= 1,6 s = 0 ,2 ~o = 1,6 s = 0 , 2 ~v = 1,6 s = 0 , 2

Tab. II. Ausgangs- und Kontroll- befunde.

In der folgenden 2. Phase werden mit dem Biirstengriff kurze Vibrationen bzw. leicht kreiselnde Bewegungen ausfiihrt, die lediglich eine Bewegung der Borstenspit- zen im Zahnkontakt von nicht mehr als 1 mm bewirken. Dieser Bewegungsspiel- raum erwies sich in den Modellversuchen als ausreichend, um die Bel~ige zu 1/3sen. Durch diesen Putzvorgang ist die mechanisehe Beanspruchung der kieferorthop~idi- schen Apparatur ebenfalls so gering, dab keine Defekte an ihr auftraten.

Die Modellversuche mit der Rolltechnik zeigten deutlich, dab durch das Vorbei- gleiten der Borsten-an den Drahtelementen der kieferorthop~idischen Apparaturen eine Schattenwirkung entstand, die dazu ft~hrte, dab in diesem Bereich regelmal3ig Plaque-Inseln verblieben.

Ablauf der Untersuchungen

Zu Beginn der Untersuchung wurde ein Ausgangsbefund (Tab. II) erhoben und ebenfalls die bisherige Mundhygiene anamnestisch festgehalten. So ergab sich im allgemeinen, dab trotz frtiherer erfolgter Unterweisung die einzelnen Probanden zu individuellen Techniken iibergegangen waren, meistens zur Schrubbertechnik, die sich lediglich im Frontzahnbereich als hinreichend effizient erwies.

Nach dieser ersten Untersuchung wurden die Jugendlichen noch einmal in der Rolltechnik unterwiesen, wobei die Instruktionen zun~ichst miindlich, aber bei gleichzeitiger Demonstration an einem Modell erfolgte. Anschliel~end wurde die Methode unter Fiihrung der Hand und Kontrolle im Spiegel von dem Patienten an sich selbst nachvollzogen. Nach 4 Wochen erfolgte die erste Kontrolluntersuchung mit Erhebung des QH-Indexes (Tab. II). W~ihrend dieses Monats sollte die erlernte Rolltechnik zweimal t~iglich 5 Minuten durchgefiihrt werden. Anl~tl31ich dieser er- sten Kontollsitzung wurden die Probanden nach Wiederherstellung des Plaque- Status 0 mit der neuen Zahnputztechnik vertraut gemacht. Zuerst am Modell, sp~iter unter st~indiger Kontrolle, muBten die Patienten so lange an sich selbst iiben, bis ei- ne akzeptable Beherrschung der modifizierten Bass-Technik sichtbar wurde. Die ab- schliel3ende Kontrolluntersuchung (Tab. II) erfolgte wiederum 4 Wochen sp~ter, so dab auch bei der neuen Methode eine Durchfiihrungsphase von 4 Wochen bestand.

Ergebnis (Abb. 1 bis 3)

Als Ausgangsbefund ergab sich ein durchschnittlicher QH-Index von 2,4 bei einer Standardabweichung von 0,5 (Tab. II). Die iiber einen Zeitraum von 4 Wochen ange-

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Abb. 1. Fall, m~.nnlich, 16 Jahre. Zustand nach bisher gebr~uchli- chef unvollst~indiger Mundhygie- h e .

Abb. 2. Fall Abb. 1, Plaque- AnD.rbung nach Rolltechnik (be- achte 22).

Abb. 3. Fati Abb. I und 2: Plaque-Anf/Jrbung nach modifi- zierter Bass-Technik (beachte 22).

wand te Rol l t echnik e rb rach te eine ger inggradige Verminderung des QH-Wer t e s au f

2,2 mit einer S t a n d a r d a b w e i c h u n g von 0,3, wobei j edoch nur in Ausnahmef~tl len der

gewiinschte Bewer tungsgrad 0 erreicht wurde. Eine s ich tbare Verbesserung ergab

sich dagegen nach A n w e n d u n g der modi f i z ie r t en Bass-Technik: der Mi t te lwer t sank

a u f 1,6. Al le rd ings wurde auch hier in keinem der un te r such ten F~tlle eine vollst~,ndi-

ge P l aque -F re ihe i t e r re ich t . Eine Locke rung der k i e fe ro r thop~d i schen A p p a r a t u r

wurde nicht beobach te t .

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M u n d h y g i e n e

[Q-HI 3 0,~

0 V

O.3 0,2

2,1

O2 ~

t II III

Abb. 4: Ergebnisse: S = Gesamt- Plaque-Befall, O = oral, V = ve- stibular (I = herkOmmliche Putz- technik, II = Rolltechnik, I I I = Bass-Technik).

Betrachten wir nun die gesonder ten Ergebnisse for die oralen und vest ibul~ren

Flttchen, so fNlt auf , dab mit der modi f iz ie r ten Bass-Technik vestibulfir ein etwas

besserer Pu tze f fek t erzielt wird als oral (Abb. 4).

Die Untersuchungsergebnisse weisen d a r a u f hin, dab den Tr~gern festsi tzender

kieferor thopfidischer Appa ra tu r en besondere Pu tz techn iken angeboten werden

miissen. Die mange lnde Suff iz ienz ttblicher Mundhygienemal3nahmen ist fiir diese

Fttlle a l lgemein bekannt . Unser Untersuchungsergebnis soll ein Hinweis sein, dab

nur eine ger inggradige Mod i f ika t ion der Bass-Technik hilfreich sein kann. In einer

Wei ter f t ihrung dieser Unte r suchung soil nun die beschriebene Technik bei e inem

grOBeren Pa t ien tengut und bei 12monat iger Versuchsdauer weiter i iberpri if t wer-

den.

Zusammenfassung

Festsitzende kieferorthopttdische Apparaturen verursachen besondere Probleme bei der Durchft~hrung der tt£glichen Mundhygiene. In der vorliegenden Untersuchung wurde durch eine einfache Methode eine LOsung dieses Problems beschrieben und deren Effizienz in einer klinischen Untersuchung nachgewiesen.

Summary

The maintenance of daily oral hygiene is especially difficult with fixed orthodontic appliances. In this study a minor modification to the popular Bass technique proved to be a simple solution to the problem. The efficiency of this modification was supported by a clinical study.

R~sum~

En orthop6die dento-faciale, les appareillages fixes posent des probl~mes particuliers pour l'hygi+ne dento-buccale. La pr6sente 6tude offre une solution simple/~ ce probl6me en effectuant une petite modifi- cation de la technique de Bass. L'efficacit6 de la m6thode est prouv6e pax un examen cIinique.

Schrifttum

1. Canut, J .A.: Gefahren der festsitzenden Apparatur. Inform. Orthodont. Kieferorthop. 2 (1972), 117--133.

2. Clark, J.R.: Mundhygiene in der kieferorthopgdischen Praxis: Motivierung, Verantwortung und Konzeption. Inform. Orthodont. Kieferorthop, 2 (1976), 133--144.

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L. Kremers, S. Unterer, F. L a m p e r t

3. Ebert, K.-P.: Probleme und Ziele kieferorthop~discher Behandlung aus Patientensicht (Interpreta- tion einer Befragung). Fortschr. Kieferorthop. 38 (1977), 452--468.

4. Frandsen, A.M., J.P. Barbano, J.D. SuomL J.D. Chang, R. Houston: A comparison of the effecti- veness of the charters, scrub, and roll methods of tooth brushin in removing plaque. Scand. J. dent. Res. 80 (1972), 267--271.

5. Mahlemann, H.: Einftihrung in die orale Pr/~ventivmedizin. H. Huber, Bern - - Stuttgart - - Wien 1974.

6. Sangnes, G., B. Zachrisson, P. Gjermo: Effectiveness of vertical and horizontal brushing techniques in plaque removal. J. Dent. Child, 39 (1972), 94--97.

7. Suomi, J.D., A.M. Horowitz, R.L. Weiss, B.J. McClendon, W.S. Driscoll: A comparison of the plaque-removing ability of a standard and an unconventional toothbrush. J. Periodont. 43 (1972), 453 --457.

8. Zachrisson, B.: Oral hygiene for orthodontic patients: Current concepts and practical advice. Amer. J. Orthodont. 5 (1974), 487--497.

Anschr. d. Verf.: Dr. L. Kremers, Akad. Oberrat, Universit~its-Zahnklinik KOln, Konservierende Abtei- lung, Kerpenerstral3e 32, D-5000 K61n 41. Prof. Dr. F. Lampert, ZMK-Klinik-Mainz, Augustusplatz 2, D-6500 Mainz 3.

152 Fortschr. Kieferorthop. 44 (1983), 147--152 (Nr. 2)