molekularpathologische diagnostik – quo vadis?; molecular diagnostics – quo vadis?;
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Pathologe 2013 · [Suppl 2] · 34: 230–231DOI 10.1007/s00292-013-1806-xOnline publiziert: 8. November 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
W. WeichertInstitut für Pathologie, Universitätsklinikum Heidelberg
Molekularpathologische Diagnostik – Quo vadis?
Die molekularpathologische Diagnostik beschäftigt sich mit Alterationen in Geweben oder einzelnen Zellen, die mit Hilfe molekularbiologischer Methoden nachgewiesen werden können, und erzeugt über die makroskopische und histologische Beurteilung eines Gewebes hinaus zusätzliche, klinisch unmittelbar relevante Informationen. Molekulare Untersuchungen spielen heute v. a. in der prädiktiven onkologischen Diagnostik eine zunehmende Rolle.
Im Bereich der prädiktiven molekularen Gewebediagnostik sind heute unterschiedliche Untersuchungsmethoden zur Erfassung von Proteinexpression, RNAExpressionsstatus, Mutationen, Translokationen sowie zur Erfassung der Methylierung von Zielstrukturen etabliert. Derzeit arbeiten wir mit ca. 25 etablierten prädiktiven Biomarkern, darunter beispielsweise ER, PR, Her2, OncotypeDX, MammaPrint, Endopredict (Mammakarzinom), KRAS, NRAS, BRAF, MSI (kolorektales Karzinom), EGFR, EML4ALK (nichtkleinzelliges Lungenkarzinom), BRAF, KIT (malignes Melanom) und anderen. Die Anzahl etablierter Biomarker steigt allerdings mit zunehmendem Verständnis des Wirkmechanismus neuer, v. a. „gezielter“ antineoplastischer Medikamente ständig an.
Neue technologische Entwicklungen, insbesondere im Bereich der massiven parallelen Sequenzierung (MPS oder auch „next generation sequencing“, NGS) schicken sich aktuell an, das Feld der molekularen Diagnostik sowohl technisch als auch inhaltlich ein Stück weit zu revolutionieren. Diese neuen Technologien erlauben es, ganze Genome innerhalb weniger Tage zu sequenzieren. In großan
gelegten konsortialen Projekten (ICGC, TCGA) konnten mithilfe der MPS mittlerweile für die größeren Tumorentitäten „Landkarten“ molekularer Alterationen erstellt werden, die uns einen umfassenden molekularen Überblick über zu erwartende Veränderungen in den jeweiligen Tumoren ermöglichen.
Mit diesen neuen Technologien ist es nicht nur möglich, Mutationen im engeren Sinne zu detektieren, ebenso können prinzipiell Amplifikationen, Deletionen und Translokationen über die Determinierung der Anzahl von Genkopien durch vielfache parallele Resequenzierung gleicher Genabschnitte bestimmt werden. In der molekularen Diagnostik, die in der Regel an Gewebeextrakten erfolgt, wodurch nahezu immer eine Beimengung von Normalgewebe in Kauf genommen werden muss, ist die zuverlässige Bestimmung des Deletionsstatus allerdings erschwert. Gleiches gilt aus technologischen Gründen bei NichtGanzgenomansätzen (s. weiter unten) auch für die Detektion von Translokationen. Prinzipiell sind jedoch ca. 2/3 der zurzeit etablierten prädiktiven Biomarker über MPSTechnologien abgreifbar.
Die optimale Anwendung von MPSTechnologien zur molekularen Diagnostik wird zurzeit kontrovers diskutiert, 3 Ansätze stehen zur Diskussion:FZwar werden mit einer umfassenden
Ganzgenomsequenzierung eines Tumors alle molekularen Alterationen auf genomischer Ebene detektiert, jedoch ist dieser umfassende Ansatz kostspielig, extrem aufwendig, nur in geringer Sequenziertiefe realisierbar, erfordert umfangreiche bioinformatische Aufarbeitung und birgt ethi
sche Probleme (es wird Keimbahninformation zur Verarbeitung benötigt).
FAlternativ kann eine Sequenzierung des Exoms vorgenommen werden, wobei eine Fokussierung auf kodierende Bereiche des Genoms und damit eine deutliche Einschränkung des zu sequenzierenden Materials erfolgt. Mit einem solchen Ansatz werden alle Mutationen in kodierenden Bereichen erfasst; im Vergleich mit noch rigoroseren Selektionsstrategien ist dieser Ansatz jedoch ebenfalls noch relativ kostspielig, aufwendig und erfordert einen nicht unerheblichen bioinformatischen Aufwand.
FDer dritte denkbare Ansatz zum Einsatz von MPS in der molekularen Routinediagnostik fokussiert noch deutlich effektiver auf eine kleine Auswahl von Genen, die etablierte oder putative Biomarker repräsentieren.
Die letztgenannten subgenomischen Sequenzieransätze basieren auf einer Vorselektion von Genen, die durch MultiplexPCRMethoden oder durch Capturearrays erfolgen kann. Ein solcher Ansatz ist vergleichsweise günstig und schnell und somit für einen hohen Patientendurchsatz geeignet, wobei allerdings die gewonnene Information natürlich nicht umfassend ist. „Neue“ Biomarker können mit solch einer Strategie nicht entdeckt werden. Dies ist jedoch auch nicht das Ziel der molekularen Diagnostik im engeren Sinne.
Die zurzeit eingesetzten Konzepte zum Einsatz von MPSTechnologien in der molekularen Diagnostik sind vielge
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Hauptreferate: Pathologie und Industrie im Dialog
staltig und von Standort zu Standort teilweise sehr unterschiedlich. In Heidelberg werden beispielsweise 2 Strategien verfolgt. Wir betreiben im Rahmen der Heidelberger Initiative für Personalisierte Onkologie (HIPO)/des Heidelberger Precision Oncology Program (POP) des DKFZ und des NCT ein patientennahes Sequenzierprogramm, in dem zurzeit Patiententumoren von ca. 30 verschiedenen Entitäten sequenziert werden. Die Hälfte dieser Entitätenprogramme läuft prospektiv, teilweise findet auch eine unmittelbare Translation in das klinische Setting statt („der individualisierte Patient“). In diesen Programmen erfolgen in der Regel Exomsequenzierungen anhand von Kryomaterial. Die Programme sind im Grundsatz wissenschaftlich ausgerichtet und über Forschungsmittel finanziert, eine Translation in die Breite erscheint aus den oben genannten Gründen zurzeit noch unrealistisch. Supplementiert werden diese Programme daher von einem subgenomischen Sequenzieransatz. Zu diesem Zweck haben wir entitätsspezifische klinisch relevante Mutationspanels entwickelt und an diagnostischem Paraffinmaterial etabliert. Über diese kostengünstige Variante ist ein hoher Durchsatz von Patienten, die auf subgenomischer Ebene molekular charakterisiert werden, erreichbar.
In der Breite eingesetzte subgenomische Sequenzieransätze (PCRPanel, Capture) sind auch in vielen diesbezüglich führenden USamerikanischen Zentren bereits angegliedert an die Routinediagnostik etabliert. An diesen Zentren wurden teilweise schon mehr als 1000 Patienten in die entsprechenden Sequenzierprogramme eingeschlossen. Auch ein privater Anbieter, der die molekulare subgenomische Charakterisierung von Tumoren aus Paraffinmaterial durchführt (Foundation Medicine, USA), hat sich bereits am Markt etabliert.
Grundsätzlich gilt methodisch, dass jede neu zu implementierende molekulare Diagnostik in der Breite immer unter morphologischer Kontrolle sowie unter Optimierung auf die gegebenen zur Verfügung stehenden Materialien (Paraffingewebe, kleine Gewebeproben/Biopsien/Zytologie) erfolgen muss.
Zur Integrierung molekularer Tumorcharakterisierung in die klinische Realität ist ein Aufbau adäquater Workflows unumgänglich. Beispielhaft besteht ein solcher Workflow in Heidelberg aus der initialen Gewebegewinnung, der pathologischen Charakterisierung, der Nukleinsäureextraktion, der eigentlichen Sequenzierung, der bioinformatischen Auswertung, einer molekularen technischen Validierung von Alterationen potenziell therapeutisch interessanter Zielstrukturen mit einer unabhängigen zweiten Methode und schließlich einer Diskussion des entsprechenden Patientenfalls zur Zusammenschau aller klinischen und molekularen Befunde in einem translationalen Tumorboard.
Klinische Handlungsmöglichkeiten auf der Basis molekularer Profile ergeben sich v. a. in solchen Fällen, in denen es offene klinische Studien in der entsprechenden Entität gibt, die eine spezifische molekulare Veränderung als Einschlusskriterium fordern sowie in Fällen, in denen molekulare Alterationen detektiert werden, für die es zugelassene Medikamente in anderen Tumorentitäten gibt. Bei den hiervon betroffenen Patienten ist nach Ausschöpfung der etablierten Therapieschemata ein experimenteller individueller Heilversuch möglich.
Jenseits der unmittelbaren klinischen Anwendung gibt es darüber hinaus noch weitere Vorteile derartiger groß angelegter molekularer Stratifizierungsprogramme für große onkologische Zentren. So ermöglichen derartige Programme den Aufbau von Patientenkohorten mit seltenen Treibermutationen und somit das Vorhalten molekular gut charakterisierter Patientenpools, die die entsprechenden Einschlusskriterien in zukünftige klinische Studien erfüllen können, womit das jeweilige Zentrum zu einem hochattraktiven Partner für die pharmazeutische Industrie wird.
Die Implementierung zahlreicher molekularer Stratifizierungsprogramme weltweit bedeutet zusammenfassend einen wichtigen Schritt nach vorne auf dem Weg zu einer individualisierten Therapie von Tumorpatienten. Technischmethodisch eröffnen sich durch MPSTechnologien enorme Möglichkeiten. Die Problematik wird hier in der nahen Zukunft eher in
der Bildung klinischer Netzwerken liegen, die garantieren, dass die entsprechenden molekularen Ergebnisse schließlich auch zu einem Einschluss der derart charakterisierten Patienten in offene klinische Studien führen können.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. W. WeichertInstitut für Pathologie, Universitätsklinikum HeidelbergIm Neuenheimer Feld 224, 69120 [email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. W. Weichert gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
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