möglichkeiten und aussichten einer expositionsprophylaxe bei der poliomyelitis

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Jg. 31, Heft 29/30 K.F. t~II~'GELund g. ENGELt~_alaDT: MSglichkeiten und Aussichgen einer Expositionsprophylaxe. 683 1. August 1953 1age bei Tuberkulose. Diese merkw/irdigen IgmStchen wnrden in der Folgezeit yon zahlreiehen Verfassern mit wechselnder l%egelmal~igkeit und Haufigkeit bei den an Tuberkulose Verstorbenen gefunden (Golm~Y und Mitarbeiter 1933, MASlC¢I nnd Mitarbeiter 1937, FI~A~z I938, MASSI~OFF I944, TAUBE 194~8, SAn- FELDER und SANm~IWa'ER 1951), SO dal3 an den Be- funden wohl kaum zu zweifeln ist. Je naeh der Ein- stellung des Verfassers werden diese KnStehen bald mehr zu den Tuberkeln gezahlt als ,,tuberkuloide Granulome" bzw. ,,atypisehe Tuberkel" (SALFEnD]m und SANDalTT]SR) oder mehr zu den rheumagischen KnStehen gerechnet als ,,rheumatoide Granulome"; nur KLINGE bezeichnet, sic geradezu als Asc~IO~sehe KnStchen. Da es hie gelungen ist, in ihnen Tuberkel- baeillen zu finden, halt man sic jetzt ganz allgemein fiir den Ausdruck einer besonderen (allergischen?) I%eakt.ionslage, wie es sehon der ers~e Besehreiber BI~OCXttAUSEN tat. Dafiir spricht auch, dab man ahnliehe oder identisehe Bildungen bei anderen Infektionskrankheiten schon lange kermt, wie z.B. bei Seharlach (FAInt, SIS~rUND), oder jiings~ erst kem~en lernte wie z. B. bei Typhus (DO~A% WX~s), so dal3 geradezu yon infekt-allergischer 3iyokarditis (KI~ISr~E, ~IASS]~OFF) oder yon allergiseher Myokarditis (K~]~Bs) sehleehtweg gesproehen werden konnte. SehlieBlieh ist es Koch und BucgI~OnTZ gelungen, deral~ige Wucherungen im tIerzmuskel auch experimentell dureh Tuberkulin zu erzeugen; dagegen weist die experimentelle allergisehe Myokarditis yon JAFFa und Honz mehr diffusen Charakter auf. VergMeht man nun die oben besehriebenen l%K in der Leber mit den Abbildungen der tuberkuloiden bzw. rheunlatoiden KnStehen im Herzmuskel, so fiber- zeugt man sieh leieht von ihrer weitgehenden gestalt- lichen Xhnliehkeit. Sic stimmen abet noeh in anderer Beziehung miteinander tiberein : die KnStehen im Herz- muskel werden yon gewueherten Histioeyten abge- leitet, die ja als die im loekeren Bindegewebe gelegenen Anteile des RES anzusehen sind; in beiden KnStehen. haben sieh nie Erreger naehweisen lassen; sehliel31ich sind wir aneh zu einer ahnliehen atiologisehen Deutung gelangt insofern, als wir die lgK in der Leber ebenfalls als Ausdruek einer besonderen (allergisehen ?) t~eak- tionslage ansahen. Dabei taueht freilieh eine gewisse Sehwierigkei~ auf. In Verfolgung der bekalmten Gedankengange KLINGES hat man sich ganz daran gew6hnt, die ASCI~OFFsehen KnStchen als den Ausdruek einer 6rtliehen allergisehen P~eaktion schlechtweg anzu- sehen. Nun stehen wit abet im HerzmuskeI und in der Leber Zellwueherungen (Granulomen) gegeniiber, die man entspreehend ihrem Vorkommen bei zahlreichen Infektionskrankheiten als Ausdruek einer geanderten (allergischen ?) t~eaktion auffassen mSchte, die aber den rheumatischen KnStchen h6ehstens ,,nahe stehen" (MAsuGI), ,,ahnlich" oder ,,an die Seite zu stellen" sind (1V~ASSI~OFF). Will man ihre Deutung als all- ergisch im weitesten Sinne des Wortes festhalten, so bleiben nur 2 Auswege: entweder man erbliekt im rheumatisehen Granulom, den AscgoFFsehen KnSt- chert, doch eine mehr ,,spezifisehe", also fiir einen ge- wissen Krankheitserreger oder die besondere Wir- kung yon verschiedenen Krankheitserregern kenn- zeiehnende Bildung nnd fal3t jene ahnlichen abet doeh anderen Granulome in Herz und Leber als die eehten allergischen KnStchen auf; oder man lal3t Pragungen der allergisehen Reaktion je naeh dem auslSsenden AntikSrper zu., Es ist im Augenbliek sehwer zu sagen, weleher Alternative der Vorzug zu geben ware. Eines seheint mir abet doch sehon jetz~ festzustehen, dag man namlich bei der Tuberkulose neben dem spezifi- sehen Gewebsprodukt, dem Tuberkel, mit einer zwei- ten mehr unspezifisehen aber ebenfalts herdfSrmigen zelligen Ileaktion reehnen muB, die im Herzmuskel schon lange bekannt isg und die wir nunmehr aueh in der Leber als RetothelknStehen gefunden zu haben glauben. Zusas'~en/assung. In Leberpunktaten yon Tuber- knlosekranken konnten in etwa einem Viertel aller Falle eigen~iimliehe herdf6rmige Wueherungen des Reticuloendothels (,,l~etothelknStehen") gefunden wer - den, die den T3~phusknStehen an die Seite gestellt und als eher unspezifisehe (allergisehe ?) Herdreaktion bei Tuberkulose gedeutet werden. Eine eingehendcre Beschreibung und Abbildung der histo- logischen Befunde finder sich in einer Arbeit yon D. I~INGnEB aus meinem Institut. Itinsichtlich des Minischen Bildes sei auf die Mi£teilung yon E. BocI~ und Mitarbeiter verwiesen. Literatur. B~Ex, C. VAN, A. d-. Ctt. HAEX u. A. SMIT: Nederl. Tij&~chr. Geneesk. 93, 2708 (1949). - - BocK, H. E., H.-F. v, OLDEIlStIAUS:ElgU. A. TELLESZ: Verh. dtsch. Gcs. inn. Med. 19N~. - - BROCXF~AUSE¢*: Virehows Arch. 274, 302 (1930). - . Co]ao~INI, C.: Beitr. path. Anat. 80, 405 (1928). DONA'r,R.: Dtsch. Gesundheitswesen 1, 186--190 (1946). FAtt]% TtL: Virchows Arch. ~I1,%134 (1921). --FRAy-z: Verh. dtsch, path. Ges. (31. T&gg, Stuttgart n. Tiibingen) 1938, 385. GOVLE¥, B.A., S. BALLET and M. MOSIILLAN: Arch. Int. 5led. 51~ 244 (1933). -- G~vBm~,G. B. : Handbuch der spezie]- len pathologischen Anatomie. herausgeg, yon F. tt]s~x]s u. O, LtrBA]~SC~[, Bd. 5, Teil 1, S. 506. 1930. - - JA~F]~,R., u. E. HOLZ: Frankf. Z. Path. 60, 309 (1949). - - KnING]~:Verh. dtsch, path. Ges. 1944, 1 1 6 . - Z. Rheumaforsch. 7, 324 (1914). KocK, 0., u. R. BtrC~OLTZ: VirchowsArch. 321, 637 (1952). -- Ktun~s, A.: Dtsch. Gesundheitswesen 4, 98 (1949).- MASS- ~OFF: Frankf. Z. Path. 58, 239 (1944). - - MASUGI,M., S. ~][UfIASAWA U. YA-SHu: Virchows Arch. 299, 426 (1937). - - MEESEN, H., 11, H. t-I. ~/~Ett, KEL: Beitr. path. Anat. 106, 385 (1942). - - MESTITZ, W. : ¥irchows Arch. 244, 498 (1923). -- ~n, mLms, D.: Virchows Arch. (im Druek). - - SALFELD]m, K., u. W. SXND~¢TF~: Frankf. Z. Path. 62, 87 (1951). - - S ~ - 5~vm), tt.: Verh. d~sch, path. Ges. (26. Tagg) 1931, 231. -- T~VBE, V.: Dtsch. Gesundheitswesen 3, 71 {1948). -- WX~J]~, J.: Dtsch. Gesundheitswesen 2, 155 (1947). HOGLICHKEITEN UND AUSS1CHTEN EINER EXPOSITIONSPROPHYLAXE BEI DER POLIOMYELITIS. Von K. F. BINGEL und H. ENGELHAttDT. Aus dem Hygiemsehe~In,stitut der Universit~t~Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. It. tIABS). Die bis vor kurzem vorherrschende Auffassung. erklarte weder die epidemiologischen Eigenheiten der das Virus der Poliomyelitis gelange durch Tr6pfchen. Poliomyelitis noch lieB sic uns erfolgsversprechende infektion in den Nasenrachenraum and wandere yon DesinfektionsmaBnahmen erwarten. Bei diesem In- hier aus auf bestimmten Nervenschienen zentripetal, fektionsmodus ware lediglieh die Luftentkeimung Xlinisehe Wochensehrift,31. Jahrg. 4~a

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Page 1: Möglichkeiten und Aussichten einer Expositionsprophylaxe bei der Poliomyelitis

Jg. 31, Heft 29/30 K . F . t~II~'GEL und g . ENGELt~_alaDT : MSglichkeiten und Aussichgen einer Expositionsprophylaxe. 683 1. August 1953

1age bei Tuberkulose. Diese merkw/irdigen IgmStchen wnrden in der Folgezeit yon zahlreiehen Verfassern mit wechselnder l%egelmal~igkeit und Haufigkeit bei den an Tuberkulose Verstorbenen gefunden (Golm~Y und Mitarbeiter 1933, MASlC¢I nnd Mitarbeiter 1937, FI~A~z I938, MASSI~OFF I944, TAUBE 194~8, SAn- FELDER und SANm~IWa'ER 1951), SO dal3 an den Be- funden wohl kaum zu zweifeln ist. Je naeh der Ein- stellung des Verfassers werden diese KnStehen bald mehr zu den Tuberkeln gezahlt als ,,tuberkuloide Granulome" bzw. ,,atypisehe Tuberkel" (SALFEnD]m und SANDalTT]SR) oder mehr zu den rheumagischen KnStehen gerechnet als ,,rheumatoide Granulome"; nur KLINGE bezeichnet, sic geradezu als Asc~IO~sehe KnStchen. Da es hie gelungen ist, in ihnen Tuberkel- baeillen zu finden, halt man sic jetzt ganz allgemein fiir den Ausdruck einer besonderen (allergischen?) I%eakt.ionslage, wie es sehon der ers~e Besehreiber BI~OCXttAUSEN tat. Dafiir spricht auch, dab man ahnliehe oder identisehe Bildungen bei anderen Infektionskrankheiten schon lange kermt, wie z.B. bei Seharlach (FAInt, SIS~rUND), oder jiings~ erst kem~en lernte wie z. B. bei Typhus (DO~A% W X ~ s ) , so dal3 geradezu yon infekt-allergischer 3iyokarditis (KI~ISr~E, ~IASS]~OFF) oder yon allergiseher Myokarditis (K~]~Bs) sehleehtweg gesproehen werden konnte. SehlieBlieh ist es Koch und BucgI~OnTZ gelungen, deral~ige Wucherungen im tIerzmuskel auch experimentell dureh Tuberkulin zu erzeugen; dagegen weist die experimentelle allergisehe Myokarditis yon JAFFa und Honz mehr diffusen Charakter auf.

VergMeht man nun die oben besehriebenen l%K in der Leber mit den Abbildungen der tuberkuloiden bzw. rheunlatoiden KnStehen im Herzmuskel, so fiber- zeugt man sieh leieht von ihrer weitgehenden gestalt- lichen Xhnliehkeit. Sic stimmen abet noeh in anderer Beziehung miteinander tiberein : die KnStehen im Herz- muskel werden yon gewueherten Histioeyten abge- leitet, die ja als die im loekeren Bindegewebe gelegenen Anteile des RES anzusehen sind; in beiden KnStehen. haben sieh nie Erreger naehweisen lassen; sehliel31ich sind wir aneh zu einer ahnliehen atiologisehen Deutung gelangt insofern, als wir die lgK in der Leber ebenfalls als Ausdruek einer besonderen (allergisehen ?) t~eak- tionslage ansahen.

Dabei taueht freilieh eine gewisse Sehwierigkei~ auf. In Verfolgung der bekalmten Gedankengange KLINGES hat man sich ganz daran gew6hnt, die ASCI~OFFsehen KnStchen als den Ausdruek einer 6rtliehen allergisehen P~eaktion schlechtweg anzu- sehen. Nun stehen wit abet im HerzmuskeI und in der Leber Zellwueherungen (Granulomen) gegeniiber, die man entspreehend ihrem Vorkommen bei zahlreichen Infektionskrankheiten als Ausdruek einer geanderten

(allergischen ?) t~eaktion auffassen mSchte, die aber den rheumatischen KnStchen h6ehstens ,,nahe stehen" (MAsuGI), ,,ahnlich" oder ,,an die Seite zu stellen" sind (1V~ASSI~OFF). Will man ihre Deutung als all- ergisch im weitesten Sinne des Wortes festhalten, so bleiben nur 2 Auswege: entweder man erbliekt im rheumatisehen Granulom, den AscgoFFsehen KnSt- chert, doch eine mehr ,,spezifisehe", also fiir einen ge- wissen Krankheitserreger oder die besondere Wir- kung yon verschiedenen Krankheitserregern kenn- zeiehnende Bildung nnd fal3t jene ahnlichen abet doeh anderen Granulome in Herz und Leber als die eehten allergischen KnStchen auf; oder man lal3t Pragungen der allergisehen Reaktion je naeh dem auslSsenden AntikSrper zu., Es ist im Augenbliek sehwer zu sagen, weleher Alternative der Vorzug zu geben ware. Eines seheint mir abet doch sehon jetz~ festzustehen, dag man namlich bei der Tuberkulose neben dem spezifi- sehen Gewebsprodukt, dem Tuberkel, mit einer zwei- ten mehr unspezifisehen aber ebenfalts herdfSrmigen zelligen Ileaktion reehnen muB, die im Herzmuskel schon lange bekannt isg und die wir nunmehr aueh in der Leber als RetothelknStehen gefunden zu haben glauben.

Zusas'~en/assung. In Leberpunktaten yon Tuber- knlosekranken konnten in etwa einem Viertel aller Falle eigen~iimliehe herdf6rmige Wueherungen des Reticuloendothels (,,l~etothelknStehen") gefunden wer - den, die den T3~phusknStehen an die Seite gestellt und als eher unspezifisehe (allergisehe ?) Herdreaktion bei Tuberkulose gedeutet werden.

Eine eingehendcre Beschreibung und Abbildung der histo- logischen Befunde finder sich in einer Arbeit yon D. I~INGnEB aus meinem Institut. Itinsichtlich des Minischen Bildes sei auf die Mi£teilung yon E. BocI~ und Mitarbeiter verwiesen.

Literatur. B~Ex, C. VAN, A. d-. Ctt. HAEX u. A. SMIT: Nederl. Tij&~chr. Geneesk. 93, 2708 (1949). - - BocK, H. E., H.-F. v, OLDEIlStIAUS:Elg U. A. TELLESZ: Verh. dtsch. Gcs. inn. Med. 19N~. - - BROCXF~AUSE¢*: Virehows Arch. 274, 302 (1930). - . Co]ao~INI, C.: Beitr. path. Anat. 80, 405 (1928). DONA'r, R.: Dtsch. Gesundheitswesen 1, 186--190 (1946). FAtt]% TtL: Virchows Arch. ~I1,% 134 (1921). --FRAy-z: Verh. dtsch, path. Ges. (31. T&gg, Stuttgart n. Tiibingen) 1938, 385. GOVLE¥, B.A. , S. BALLET and M. MOSIILLAN: Arch. Int. 5led. 51~ 244 (1933). - - G~vBm~, G. B. : Handbuch der spezie]- len pathologischen Anatomie. herausgeg, yon F. tt]s~x]s u. O, LtrBA]~SC~[, Bd. 5, Teil 1, S. 506. 1930. - - JA~F]~, R., u. E. HOLZ: Frankf. Z. Path. 60, 309 (1949). - - KnING]~: Verh. dtsch, path. Ges. 1944, 116 . - Z. Rheumaforsch. 7, 324 (1914). KocK, 0., u. R. BtrC~OLTZ: Virchows Arch. 321, 637 (1952). -- Ktun~s, A.: Dtsch. Gesundheitswesen 4, 98 (1949).- MASS- ~OFF: Frankf. Z. Path. 58, 239 (1944). - - MASUGI, M., S. ~][UfIASAWA U. YA-SHu: Virchows Arch. 299, 426 (1937). - - MEESEN, H. , 11, H. t-I. ~/~Ett, KEL: Beitr. path. Anat. 106, 385 (1942). - - MESTITZ, W. : ¥irchows Arch. 244, 498 (1923). - - ~n, mLms, D.: Virchows Arch. (im Druek). - - SALFELD]m, K., u. W. SXND~¢TF~: Frankf. Z. Path. 62, 87 (1951). - - S ~ - 5~vm), tt.: Verh. d~sch, path. Ges. (26. Tagg) 1931, 231. - - T~VBE, V.: Dtsch. Gesundheitswesen 3, 71 {1948). - - WX~J]~, J.: Dtsch. Gesundheitswesen 2, 155 (1947).

HOGLICHKEITEN UND AUSS1CHTEN EINER EXPOSITIONSPROPHYLAXE BEI DER POLIOMYELITIS.

Von

K . F . BINGEL u n d H . ENGELHAttDT. Aus dem Hygiemsehe~ In,stitut der Universit~t~ Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. It. tIABS).

Die bis vor kurzem vorherrschende Auffassung. erklarte weder die epidemiologischen Eigenheiten der das Virus der Poliomyelitis gelange durch Tr6pfchen. Poliomyelitis noch lieB sic uns erfolgsversprechende infektion in den Nasenrachenraum and wandere yon DesinfektionsmaBnahmen erwarten. Bei diesem In- hier aus auf bestimmten Nervenschienen zentripetal, fektionsmodus ware lediglieh die Luftentkeimung

Xlinisehe Wochensehrift, 31. Jahrg. 4~a

Page 2: Möglichkeiten und Aussichten einer Expositionsprophylaxe bei der Poliomyelitis

684 K.F. Bx~En und H. ENGEL]~ARDT: MSglichkeiten und Aussichten einer Expositionsprophylaxe. Klinische Woohensohrift

durch Aerosole im Krankenzimmer berechtigt, voraus- gesetzt, dal~ eine desinfizierende Wirkung dieser Stoffe auf das Virus besteht. Infektionen dutch unmitte]- bares Anhusten hgtte aber auch dann nicht verhiitet werden kSnnen.

Inzwischen haben uns Laboratoriumsforschungen und gelungene Virusnachweise aus dem Blur im prgparalytischen Stadium gelehrt, die Poliomyelitis als cyclische Erkrankung im Sinne H6~I~Gs auf- zufassen, deren Manifestation am Nervensystem nut eine, wenn auch die gefiirchteste Tei]erscheinung ist.

GewiI3 bestehen noeh Unldarheiten fiber den Weg, der d~s Virus zum Zentralnervensystem fiihrt. Die l~ervenschiene vom Oropharynx (FABE~ und SIr,VEr- BOSe) oder vom Magendarm ist ebenso mSglich wie die Invasion vom Blute her, wobei die Lokalisation durch Eigenheiten der GefgBversorgung bedingt sein kann. Wesent]ich ffir die Epidemiologie sind die grof~en Mengen yon Virus im Stuhl kranker Personen und die Unempfindlichkeit des Virus gegen Magensaft ( F L ~ x ~ , CLA~K, D o o ~ z ) . Die oft betr~ehtliche Ausscheidung aus dem Darm mehr oder weniger manifest Xranker und die MSglichkeit der Aufnahme unversehrten Virus bis in den Darm gesunder Emp- fgnger riicken zwangslgufig den - - notabene aueh plausibelsten --f i ikal-oralen Infektionsmodus in den Vordergrund unserer epidemiologischen und exposi- tionsprophylaktisehen lJberlegungen. So fragt sich, welche Vehikel fiir den Transport in Betracht kommen und wie die tIaltbarkeit des Virus in oder auf solchen ist. Es fragt sich dann ferner, an we]chen Stellen und mit welehen Mitteln wir dureh Desinfektion diesen faecal-oralen Infektionsgang mit einiger Aussicht auf Erfolg unterbrechen kSnnen.

Das Beispiel yon bakteriellen Erregern mit einem ghnlichen Infektionsmodus, etwa der Typhusbakterien, erleichtert es, die mSglichen Infektionswege zu rekon- struieren. Es k~tmen Stuhl, Abwasser, l~ahrungsmitte], Badewasser (Staub) und schliel~lich Trinkwasser als unmittelbare Ansteckungsquellen in Betracht.

Wollen wir die MSglichkeit des Vorkommens und der Ha]tbarkeit des Virus in diesen unmittelbaren An- steckungsque]len systematiseh untersuchen, so ist hierffir keine der 3 Massischen Erregergrulopen geeignet, da ungeachtet der jiingsten Erfolge mit A1]antoiskulturen, als Erfolgsorganismus und somit vorerst einziges Kriterinm fiir das Vorhandensein des Virus nur Affen in Betracht kommen. Wir haben deshalb einen Stamm gewghlt, der diesen Poliomye- ]itisstgmmen nahesteht, aber in hohen Verdiinnungen noch znverl~ssig mgnsepathogen ist. Es ist das Col- SK-Virus, fiir dessen Uberlassung wir JC~¢~LVT ZU gro~em Dank verpf]iehtet sind. Die Untersuchnngs- methoden sind in speziellen Arbeiten niederge]egt, auf die wir an dieser Ste]le nur hinweisen wollen.

Vorkommen und Haltbarkeit des Virus. Sein Vorkommen im Stuhl bedarf keiner beson-

deren Untersuehung, da die Ausscheidung mit dem Siuhl unbestritten ist: Dag sich Virus im Not bei Zimmer- temperatur virulent erhalten kann, geht aus sp~iter erwiihnten Untersuchungen hervor. Bei 370 hitlt es sieh allerdings nur sehr kurze Zeit: Wir versetzten Kotaufschwemmung mit Hirnemulsion und fanden nach 48stiindiger Bebriitung bei 370 kein aktives Virus mehr im Filtrat. Damit beantwortet sich gleich-

zeitig die Frage, ob Virus sich im Stnhl unter Be- nutzung der Bakterienflora als ,,Gewebekultur" ver- mehren kann.

Im Abwasser ist yon M~L~ICx und yon EvAns zu Epidemiezeiten reichlich Virus der Poliomyelitis gefunden worden. Um festzustellen, wie lange Virus im Fluflwasser nach Abwassereinflul3 und vorher wirk- sam erhalten werden kann, gaben wir Virusemulsion in derartige W~sser und zur Kontrolle in physiolo- gische Kochsalzl5sung nnd hielten die Proben bei ] 7,5 °. Bis zu 6 Tagen land sich noch infektionstiiehtiges Virus in beiden Flul3wassergemisehen, in einer physio- logischen KochsalzlSsung noeh nach 14 Tagen. Wir kSrmen also feststellen, dal3 unser Virus sicb in ver- unreinigtem Wasser bei Freibadtemperaturen immer- hin 6 Tage infektionstfichtig erhielt und gehen wohl nicht fehl in der Meinung, dal3 seine Haltbarkeit der Ver- unreinigung eum grano salis umgekehrt proportional ist.

Freibitder, die mit Grundwasser (Quell- oder Brunnenwasser) gespeist werden, mSgen sie nun mit oder ohne Umwitlzverfahren arbeiten, kSnnen das Virus demnach um so lgnger in infektionstiichtigem Zustande beherbergen, je weniger sie bakteriell ver- unreinigt werden. Wenn auch massive Virusdosen wie dutch Einlauf yon Abwitssern in diesem Falle nicht ins Wasser gelangen, so ist doch eine gewisse Verunreinigung dutch klinisch gesunde Ausscheider durchans mSglich. Bei Umwglzverfahren kann es dann zur Anreichernng kommen, da die gegen Bak- terien zwischengeschalteten Tilter das Virus durch- lassen. Wir diirfen die Gefahren dutch Freibaden nicht fibersehen, zumal noch disponierende Faktoren wie Sonnenbrand, Auskfihlung und Anstrengungen durch das Schwimmen hinzukommen.

Durch die bei Gelegenheit der Verwurmung hin- reichend aufgedeckte verantwortungslose Kopfdiin- gung kann Virus aus Abwassern auf Obst und Gemitse geraten. Auch das Sprengen mit sog. Nutzwasser, d .h . mehr oder weniger verunreinigtem Flul3wasser, ist in Epidemiezeiten nicht harmlos. Trocknet Virus an Obst oder Gemiise an, so wird seine Haltbarkeit durchweg erhSht. Es kann angetrocknet haften oder in Staubform durch die Luft wirbeln oder auch yon Fliegen weiterverschleppt werden.

In der freien Luft wird es verhiiltnismitl~ig schnell wirkungslos. In unseren Versuchen verursaehten Sonnenstrahlen dutch ihren desinfizierenden UV- Anteil in 21/.. Std meist einen ausreichenden Wirkungs- ver]ust. An Pflanzen gibt es aber Stellen, die keinen Sonnenstrahlen und nur geringftigig diffusem Licht ausgesetzt sind. Deshalb sind bei unkontrollierbarem Obst- und Gemiiseban auch bier in Epidemiezeiten Gefahren nieht mehr ausznschlieSen.

Genau wie mit Typhuskeimen kann Milch auch mit Poliomyelitisvirus infiziert werden. Dal3 es sich dort in der iiblichen Brutzeit yon 24--36 Std infek- tionstiichtig halten kann, ist nach den Ergebnissen bei Abwasser nieht zu bezweifeln.

Virus an oder in .Fliegen wghrend einer Polio- myelitisepidemie haben M~L~IcK und Mitarbeiter sowie F~a~cis und Mitarbeiter nachgewiesen. Wenn auch ihre epidemiologische Bedeutung noch um- stritten ist ( T o o t h y und Mitarbeiter, S c ~ L O S S ~ G ~ ) , sollten wir sie doeh nieht vernachlassigen. Eine Fliegenbeki~mpfung zu Epidemiezeiten ist deshalb durchaus ratsam.

Page 3: Möglichkeiten und Aussichten einer Expositionsprophylaxe bei der Poliomyelitis

Jg. 31, ~reft 29130 K.F. BINaEL und It. ENOEL]~AI~DT: M6gliehkeiten und Aussichten einer Expositionsprophyl~xe. 685 1. August 1953

Ein Virus yon der GrSt?enordnung der Poliomye- litiserreger wird in wgBriger LSsung Bodensehiehten geringer PorengrSBe passieren kSnnen, wenn es nieht durch Adsorption zuriickgehalten wird. Um das Ver- halten des Poliomyelitisvirus im Boden zu priifen, brachten wit Emulsion au~ die Oberfli~ehe einer Erd- s~Lnte und gossen t~glich Frischwasser naeh, um auf diese Weise festzustellen, ob Virus in die ~iefen Sehichten und somit ins Grundwasser gelangen kaun. Die Einzelheiten der Methodik sind in den eingangs erwghnten Arbeiten geschildert. Im mikrobietl ak- riven Boden ersehien das Virus erstmalig 2 Tage nach dem Aufgug im Grundwasser und war bis zu 11 Tagen auch bei Bodentemperaturen yon 18--200 noch nach. weisbar. Es dfirfte auch anschlieBend noeh in Spuren durehpassiert sein, die sieh aber dem Nachweis im Tierversuch bereits entzogen. Unter gleichen Bedin. gungen aufgegossene Bakterien ersehienen entweder fiberhaupt nichg oder waren his sp~testens nach 48 Std nicht mehr im Grundwasser nachweisbar. Wir kSnnen aus diesen Versuchen entnehmen, dab dureh Jauchediingung, Abwasserverrieselung oder Bach- bzw. Flugwasserversickerung in den Boden getangtes Virus Mlm~Lhlieh in Grundwasser gelangen und dort - - namentlieh bei niedriger Temperatur - - recht lange lebensfi~hig bleiben kann, selbst wenn der Boden Bakterien Mler Art zuriickhSJt. Eine Adsorption finder jedenfMIs nicht stat~. Die 5Iengen werden durehweg a~erdings im allgemeinen so gering sein, dal3 der Schwellenwert fiir eine Infektion nieht erreieht wird. Trotzdem ist eine Verseuchung des Grundwassers nicht mit Sicherheit auszuschlieBen.

Unsch5dlichmachung des Virus. In Anbetra, eht des Vorkommens yon infektions-

tiichtigem Virus in Ko~, Abwasser Badewasser, Trinkwasser, an Obst oder Gemtise und in trockener Form Ms Staub gibt uns den ttinweis, an welchen Ste]len wir in Epidemiezeiten mit Desinfektionsmag- nahmen ansetzen k6nnen. Voraussetzung ffir eine Poliomyelitisinfektion sind aber zun~Lchst einmM ge- eignete Mitre1. Von unseren zur Zeit gebr/iuehliehen Desinfektionsmitteln, die alle als Balcteriendesin/ektions- mitteI ent~dckelt worden sind, ist nur ein Tefl aueh viruswirksam. Nach den bisherigen, recht liickenhaften Kenntnissen gibt es unter ihnen ffir Viren unschadliche nnd schadliche, und ein ftir das eine'Virus sch~d- liche Mittel kann anscheinend ifir ein anderes unwirk- sam sein. Wir haben deshalb systematisch Bakterien- desinfektionsmittel auf ihre Wirkung gegen den Col- SK-Stamm ats Vertreter der Poliomyelitisgruppe ge- prfift. Hinsichtlich Formalin (B~oDIS,), Chlor und Sublimat (ScI~ULz und ROBInSOn) liegen in der Literatur bereits Ergebnisse vor, die aber teils an gereinigtem Virus mit Konzentrations-Einwirkungs- zeit-Kombination gewonnen wurden, die ffir die prak- tische Desinfektion nieh~ aufsehlul3reich genug sind.

Wit prfiften ungereinigtes Virus in Form einer Emul- sion aus M~usehirn yon moribund get6teten Versuchs- tieren Init Desinfektionsmittelkonzentrationen, die sieh eng an die bei der Bakteriendesinfektion gebr~uch- lichen anlehnen. Das Ergebnis zeigt die Abb. 1.

Unsere Ergebnisse mit Sublimat 4°/o~ig und For- malin 2%ig widerspreehen den bisher vorliegenden Ergebnissen ~ auch mit Idassischen V i r e n - nicht. Diese beiden Nittel waren wirks~m. V611ig refrakt~r

Xlinisehe Wochensehrif~, 31 .3ahrg .

dagegen war das Virus gegen Allcohol, quartgre Amo- niumbasen (Quartamon) trod eine Chlorkresol-Chlor- xylenolverbindung wie das Sagrotan.

Erst die Verbindung yon KresolabkSmmlingen mit Alkali in Form yon Lysol und AIkalysol waren wirk- sam. Dag die AlkMikomponente hierffir nieh~ Mlein verantwortlieh zu machen war, zeigten Versuehe mit Natrontauge in einer Konzentration, die wir titri- metrisch als ~quivalent der beiden 4 %it angewandten Mittel festgestellt hatten. Sie war sogar bis zu 3,5 % ohne Wirkung. Die Desin~ektionsln'aft yon Lysol und Alkalysol beruht demnach vermutlich auf der Kombination yon Xa'esol- abkSmmtingen und Alkali wie bei Tuberkelbakterien.

Gfinstige Ergebnisse mit gereinigtem Virus yon Lv.I~- s~x haben anscheinend zu einer l~'berseh~tzung der Wirklmg des Chlors als Des- infektionsmittel gefiJhrt. AuBer im Grundwasser liegt das Virus in ungereinigter Form vor und in dieser Form wurde es in unseren Versuchen nicht zuverl~ssig desinfiziert. Unter 0,5 rag/1 Restchlor naeh 30 mill Ein- w i r k u n g s z e l t - das ent- spricht den noch eben grobsirmlich ertr~glichen Werten - - hat sich die Des- infektionskFaft v611ig unzu- l~nglich erwiesen. Werte ab 0,5 mgfl ergeben eine Desinfektion, die nahezu 50% der Versuchstiere eine sonst tSdliche Dosis fiber- leben ]/~gt. Werte bis zu 1,5 rag/1 Restchlor waren dabei nicht in dem Mate giins~iger, wie eine Ver- dreifachung der Dosis hgtte erwarten lassen.

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Te//gere/@/es V/rus Pes/-Chlor na'ch ~=~ ~o /¢A : 0,5 I

,fon/~otlen /(on/rollen (gm~s ] okne ZusSfze) Abb. 1. Einwirkuug der erw~hn- ten Desinfektionsmittelkonzentra. tionen flLr 30 rain auf das Virus- gemiseh. Injektion yon 0,5 cm s je 5iaus. [] ~3berleben (Desinfek- tionseffekt); ~ Tier binuen 6 bis

8 Tagen gestorben (keine Desiufek~ion).

Teilgereinigtes Virus sprach wesentlich besser an. t i ler geniigten 0,5 rag/1 zur Desinfektion. Niedrigere Werte wurden nicht gepriift. Erschwerend ffir eine Chlordesinfektion erweist sich die starke Chlorzehrung durch jegliehe organisehe Substanz und die Abh~ngig- keit der unter anderen desinfizierend wirkenden Abspaltung yon atomarem Sauerstoff yon der Wasser- menge. Trockenes oder sehlammiges Material und zum Tell auch vorgekl~rtes Abwasser wird die Ent- wicldung wirksamer desinfizierender O-Mengen nur beschr/~nkt zulassen.

Versuche mit g]eichen Chlorzugaben zu in Wasser stark verdiinntem Virus bei verschiedenen pa-Werten ergaben eine Uberlegenheit der leicht sauren bis neu- ~ralen gegeniiber der alkMischen Medien. Auch da,s ist eine Beeintrgehtigung der Chlorwirkung, wenn wir uns vergegenwgrtigen, dab die Umw~lzveffahren, bei denen gebrauehtes Badewasser durch Fgllungsmittel gereinigt und dutch Filter entkeimt oder gekl~rg wird, durchweg mit sehwach alkalisiertem Wasser arbeiten. Gerade in solchen Anlagen ist aber eine Anreicherung

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Page 4: Möglichkeiten und Aussichten einer Expositionsprophylaxe bei der Poliomyelitis

686 A. BEICKERT und D. JORKE: Die Wirkung yon Thiocyanat auf die PolycytMmie. Klinische Wochenschrift

yon Virus mSglich, da es nieht durch Filtration zurfiekgehalten wird and stgndig kreist.

Die Desinfektion durch Wgrme entsprieht der Ab. tStung vegetativer Bakterien. Bei 850 fiir 7see pasteurisiertes Virus verraoehte Tiere nieht mehr krank zu maehen. Diese Hoeherhitzung erwies sieh der sog. Kurzzeiterhitzung (72--74 o fiir 40--60 see) fiber- legen, genau wie bei der Pasteurisierung tnberkel- bakterienhaltigen Materials (B~¢sn) . 95--1000 des- infizierten das Virus binnen 1 see bei der oben erw~thnten Versuehsanordnung.

Die t~aumclesinfektion mit _Formalinwasserdamp], die praktisch stets angetrocknetes Virus desinfizieren rafiBte, erwies sich im Experiment bei weitem nicht so wirksam wie Formol in flfissiger Form. Unter Ver- damp~ungsbedingungen, die angetrocknete Bakterien zuverlassig abt6teten, erhielt sieh getrocknete, virus- haltige ttirneraulsion fiberwiegend refrakt~r. Orga- nisch gel6ste PhenolkSrper in Form yon Phagoggne, ein nach unseren Effahrungen gut wirksames Des- infizienz gegen Tubcrkelbakterien, wirkte fiberhaupt nicht.

Fragen wir uns auf Grund der bisher gesehilder- ten Versuchsergebnisse naeh er/olgversprechenden ~e- kiimp/ungsm6glichkeiten, so ware zunachst die Des- in/elction der Ausscheidungen Kranlcer, in erster Linie ihres Stuhls. Hier fallt Forraalin infolge seiner Schleimhautreizung racist aus, Sublimat ist unge- eignet, da es im Kot zuviel an Wirkung einbiigt. Dasselbe gilt ffir Chlor. Am raeisten dfirften sich wohl Alkatysol, Lysol oder Mittel ahnlieher Zu- sararaensetzung empfehlen.

Wir effassen darait allerdings nut die Ausschei- dungen manifest Kranker. Personen ohne nennens- werte Infektbeantwortung entgehen solchen Mal~- nahraen. Sie sind abet far die Ausbreitung der Erreger wahrseheinlieh infolge ihrer grogen Zahl viel bedeutnngsvoller. Ira Abwasser ware theoretiseh das Virus Kranker nnd ktiniseh Gesunder zugleieh des- infizierbar.

Abwasser kann abet bestenfalts erst nach Vor- ldarung desinfiziert werden. Die in Sti~dten anfallen- den Mengen werden jedoch die Desinfektion wirt- schaftlieh kaum tragbar raaehen. Aut~erdem sind StSrungen der mikrobiellen Nineralisierung organi- scher Snbstanz ira Vorflnter zu befiirchten. Flul3bi~der werden wir also als verseueht hinnehraen raiissen. Zeitweilige Badeverbote und Itinweise in der Presse fiber die Gefahr dutch FluBbaden sind vorerst die

geeignetsten Verhiitungsmal~nahmen. Auf die wirt- sehaftliehe Seh/idigung yon Geraeinden rait frequen- tierten Flugbadern daft dabei keine fibertriebene Riieksicht genoramen werden.

Mit Grundwasser laufend gespeiste ~>eibiider, die Chlorungsanlagen besitzen and aueh betreiben, sind praktiseh kaum gefahrtieh. Bader, die dureh Umwi~lz- verfahren einen Kreislauf des Badewassers unter- halten, sind dann praktiseh ungefahrlich, wenn das Wasser geehlort wird and sein p~ 7,2 nieht fiber- sehreitet. Wird er fibersehritten, ist die Chlorung rainder zuverl/issig.

Trinlcwasser, das mehr oder weniger gereinigtes Virus enthatt, ist der Chlorung zugangig.

Dutch Eintauchen in siedendes Wasser ffir einige Seknnden kSnnen Obst and Gemiise, wenn ihre Her- kunft nieht einwandfrei ist, unsehadlieh gemaeht werden.

Bei der Milch genfigt die Hocherhitznng vSllig, die Kurzzeiterhitzung ist nieht ira gMehen Mal?e zuverlassig.

Die Schlu/3desin/ektion - - sie erfal3t nur Krank- heitsf~lle - - versprieht nur dann Effolg, wenn Forraa- linwasserdampf und Seheuerdesinfektion (mit alkali- sierten Phenolen) kornbiniert werden.

Diese an Col-SK-Staram gewonnenen Ergebnisse sind nieht rait Sieherheit, jedoch mit einera hohen Grade an ~Vahrscheinliehkeit denjenigen an klassischen Viren gleichzusetzen. Wenn auch manehe Des- infektionsmittel uns enttauseht haben and dadureh die Bekampfungsraat~nahmen koraplizierter geworden sind, so mfissen wir diese Unannehmlichkeiten doch einer Seheinsieherheit vorziehen.

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DIE WIRKUNG YON THIOCYANAT AUF DIE POLYCYTHXMIE.

T o n

A. BEICKERT and D. Jo~Ks. Aus der ~edizinischen UniversitgtsMinik 5ena (Direktor : Prof. Dr. reed. B~ED~0W).

Vor kurzem beriehteten wit fiber einen Kranken rait Anaemia leukoe~34hroblastiea, bei dem es nnter einer Behandlung rait Thiocyanat (Th.) zu einer Ein- sehmelzung des Mflztumors und neoplastischer Infil. t rate am Knoehensystem, sowie zu einer erhebliehen !geduzierung der im peripheren Blur anfanglich stark verraehrten roten ~Blutzellvorstufen kam 1. Diese Effekte warden im Sinne einer eytostatisehen Wirkung des Th. auf die pathologiseh entgleiste Erythropoese gedeutet und mit den }Virkungen des Urethans auf

die leukamisehe Myelopoese vergliehen. Die Beob- aehtung, dab Th. yon den 3 Knoehenmarkselementen ausschlieglich die Ery~hropoese anzugreifen schien, gab uns Veranlassung, das Mittel auch bei anderen Er- krankungen zu erproben, die mit einer pathologischen ~ehrleistung der roten Blutbitdung einhergehen. Naehstehend berichten wir fiber die Ergebnisse einer yon uns versuehten Th.-Behandlung der Polycythgmie.

Zur Behandlung gelang~en bisher 5 Polyeythiiraie- kr~nke, davon litten 3 sieher an einer Polyeythaeraia