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Smart City Aarau: Möglichkeiten der Partizipation Methoden, Erfahrungen und Empfehlungen

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Smart City Aarau: Möglichkeiten der Partizipation

Methoden, Erfahrungen und Empfehlungen

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Impressum

Auftraggeberin

Stadt Aarau, StadtentwicklungRathausgasse 15000 Aarau

Herausgeberin

novatlantis gmbh | gemeinnützige Gesellschaft für nachhaltigkeit und wissenstransferTechnoparkstrasse 1CH-8005 Zürich

frischer wind AG für OrganisationsentwicklungenOberer Graben 419000 St. Gallen

Autorinnen

Cornelia [email protected]

Petra [email protected]

Rechte

©novatlantis | nachhaltigkeit und wissenstransfer, frischer wind, AG für Organisationsentwicklungen

Februar 2019

2 Möglichkeiten der Partizipation

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Zusammenfassung

Smart City und Partizipation ist ein hochaktuelles Thema. Partizipative smarte Städte stellen dieBedürfnisse und Anliegen der Bevölkerung ins Zentrum und betrachten vernetzte, technologische Lösungen als ein Mittel zum Zweck, um die Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner stetig zu verbessern.

Partizipation findet klassischerweise auf den verschiedenen Intensitätsstufen der Information, der Konsultation und der Kooperation im Wechselspiel zwischen autoritären, demokratisch legimitierten Prozessen und der aktiven Beteiligung verschiedenster Akteure statt. Für die Umsetzung erfolgreicher partizipativer Entscheidungsprozesse bedarf es einer strukturierten, gesamtheitlichen Vorgehensweise, klarer Ziele und Verantwortungen, transparenter Kommunikation sowie einer kompetenten Prozessbegleitung.

Es gibt verschiedenste bewährte Methoden und Module, um Partizipationsprozesse durchzuführen. Einige der Methoden – wie z.B. Zukunftskonferenz, Real Time Strategic Change,World Café oder Open Space Technology – eignen sich insbesondere bei grösseren Gruppen oder für den Einbezug der breiteren Bevölkerungsanteile. Andere Methoden – z.B. der ‚runde Tisch‘, Arbeitsgruppen oder Design Thinking – bewähren sich in kleineren, zielgruppenspezifischen Anwendungsfeldern. Grundsätzlich können all die verschiedenen Methoden auf die Smart City-Thematik angewandt werden. Zentral dabei ist, dass Methoden jeweils nur Mittel zum Zweck sind und erst dann ausgewählt werden, wenn die Rahmenbedingungen eines Partizipationsprozesses abgesteckt sind.

Erfolgreiche Smart City-Partizipationsbeispiele finden sich sowohl in der Schweiz als auch im Ausland. Einige grosse Städte wie Wien oder Stockholm haben sich dazu entschieden, Partizipation in grossem Umfang sowohl für abstrakte als auch für konkrete Smart City-Themenausarbeitung anzuwenden. Kleinere Städte priorisieren jedoch häufig konkrete partizipative Smart City-Umsetzungsprojekte, die eine hohe lokale Betroffenheit und damit aucheine hohe Motivation zur aktiven Mitgestaltung aufweisen. Insbesondere auf Quartierebene sinderfolgreiche Partizipationsbeispiele vorhanden.

Wir empfehlen, dass Aarau die Smart City Strategie (Vision) unter Einbezug der interessierten und betroffenen Verwaltungseinheiten, des Stadtrates sowie des Einwohnerrats ausarbeitet. Der Einbezug von externen Smart City Visionären kann zusätzlich dazu beitragen, neue Impulse zu setzen. Auf Ebene der konkreten Programmausarbeitung und der Gestaltung von Plänen empfehlen wir die Mitwirkung weiterer Fachleute, Forschenden und Interessensorganisationen zu einzelnen Themenschwerpunkten. Eine aktive Partizipation der breiten Bevölkerung erachtenwir auf Ebene konkreter Umsetzungsprojekte als sehr sinnvoll und schlagen vor, dass möglichstrasch – parallel zum eher abstrakten Prozess der Strategieausarbeitung- weitere partizipativen Smart City Pilotprojekte identifiziert und umgesetzt werden.

Möglichkeiten der Partizipation 3

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INHALTSVERZEICHNIS

1. Ausgangslage................................................................................................................................................ 7

2. Smart City & Partizipation......................................................................................................................... 8

2.1. Smart City – Partizipative Verwaltungsansätze........................................................................... 10

3. Partizipation – eine kurze Einführung in die Thematik.................................................................... 12

3.1. Entscheidungsebenen & Beteiligungsmöglichkeiten..................................................................12

3.2. Allgemeiner Ablauf eines partizipativen Prozesses.................................................................... 14

3.3. Zielgruppen.............................................................................................................................................. 16

3.4. Erfolgsfaktoren........................................................................................................................................ 17

4. Gefässe der Partizipation........................................................................................................................ 19

4.1. Die klassischen vier Methoden für grosse Gruppen................................................................... 19

4.2. Module...................................................................................................................................................... 23

4.3. Methoden mit kleineren Gruppen..................................................................................................... 24

5. Fallstudien & Expertenmeinungen........................................................................................................ 28

5.1. Basel.......................................................................................................................................................... 28

5.2. Pully........................................................................................................................................................... 29

5.3. St. Gallen.................................................................................................................................................. 30

5.4. Stockholm................................................................................................................................................ 30

5.5. Wien / Österreich................................................................................................................................... 31

5.6. Wil SG....................................................................................................................................................... 33

5.7. Winterthur................................................................................................................................................ 35

5.8. Zürich........................................................................................................................................................ 35

5.9. Expertenmeinungen und Kurzbeispiele..........................................................................................36

5.10. Organisatorische Smart City Strukturen...................................................................................38

6. Empfehlungen für Aarau - Portfolio der Möglichkeiten..................................................................43

6.1. Einsatz von unterschiedlichen Gefässen....................................................................................... 43

6.2. Empfehlungen zur Organisationsstruktur..................................................................................... 46

6.3. Partizipation auf unterschiedlichen Entscheidungsebenen.....................................................47

6.4. Vorgehensvorschlag Partizipation Smart City Aarau.................................................................49

6.5. Fazit........................................................................................................................................................... 56

Anhang I: Checklisten partizipative Verfahren.............................................................................................. 60

Anhang II: Methodenübersicht Österreich...................................................................................................... 62

Anhang III: Manifest - Tsüri.ch........................................................................................................................... 66

Anhang IV: Projekt Quartierbeleuchtung........................................................................................................ 68

4 Möglichkeiten der Partizipation

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1 Zweite Phase Smart City – Smart City 2.0................................................................................8

Abbildung 2: Happy Cities Hexagon................................................................................................................... 9

Abbildung 3: Entscheidungsfindungsprozess................................................................................................ 13

Abbildung 4: Stufen der Partizipation............................................................................................................... 13

Abbildung 5: Gesamtprozess Partizipation..................................................................................................... 14

Abbildung 6: Anspruchsgruppen Smart City.................................................................................................. 17

Abbildung 7: Ablauf Future Search Conference............................................................................................ 19

Abbildung 8: Ablauf Real Time Strategic Change........................................................................................ 20

Abbildung 9: Ablauf World Café........................................................................................................................ 20

Abbildung 10: Open Space Technology............................................................................................................ 21

Abbildung 11: Ablauf Design Thinking.............................................................................................................. 25

Abbildung 12: Ebenen des Beteiligungsprozesses am Beispiel von Wien............................................33

Abbildung 13: Smart City Prioritäten Wil – Verwaltung und Politik.........................................................34

Abbildung 14: St. Gallen: Zuordnung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten..................................40

Abbildung 15: Organisationsmodell Smart City St. Gallen........................................................................40

Abbildung 16: Organisationsmodell Smart City Winterthur.......................................................................41

Abbildung 17: Organisationsstruktur Smart City Zürich.............................................................................42

Abbildung 18: Partizipationsebenen Smart City........................................................................................... 48

Abbildung 19: Vorschlag Ablauf Gesamtprozess.......................................................................................... 51

Abbildung 20: Zeitliche Ablauf Smart City & Partizipation 2019..............................................................56

Abbildung 21: Checkliste für Rahmenbedingungen partizipative Verfahren.......................................60

Abbildung 22: Checkliste für Rahmenbedingungen partizipative Verfahren.......................................61

Abbildung 23: Methodenübersicht (Anwendungsbeispiel Wien, Österreich)......................................65

Möglichkeiten der Partizipation 5

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TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Smart City Verwaltungsansätze....................................................................................................... 11

Tabelle 2: Die vier klassischen Methoden im Vergleich..............................................................................21

Tabelle 3: Übersicht partizipative Module....................................................................................................... 23

Tabelle 4; Übersicht der befragten Expertinnen und Experten...............................................................28

Tabelle 5: Smart City Organisationsstrukturen............................................................................................. 38

Tabelle 6: Methodenübersicht und Eignung für Aarau...............................................................................45

Tabelle 7: Empfehlungen zu organisatorischen Strukturen einer Smart City Gruppe (verwaltungsintern).......................................................................................................................... 47

Tabelle 8: Vorschlag mögliche Beteiligungsstufen Smart City Stadt Aarau........................................49

Tabelle 9: Empfehlung Vorprozess.................................................................................................................... 52

Tabelle 10: Empfehlung Smart City Vision und Strategieentwicklung Aarau......................................53

Tabelle 11: Empfehlung Smart Pläne und Programme................................................................................54

Tabelle 12: Empfehlung Smart Aktivitäten und Massnahmen – Beispiel Quartierbeleuchtung.....55

6 Möglichkeiten der Partizipation

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1. Ausgangslage

Aarau hat im Jahr 2018 im Rahmen der Projektförderung ‘Smart City’ durch das Bundesamt für Energie ein Smart City-Konzept erstellt. Dieses Konzept zeigt unter anderem auf, was der Begriff ‘Smart City’ beinhalten kann und welche Handlungsoptionen für die Stadt möglich sind. Verfügbare Technologien, Umgang mit Daten, Auswahlkriterien und organisatorische Strukturenwerden im Konzept ebenso angesprochen wie mögliche thematische Inhalte der Bereiche Mobilität, Umwelt, Wirtschaft, Verwaltung, Mensch und Lebensqualität. Verschiedene in diesem Konzept erarbeitete Punkte und Empfehlungen wurden bereits teilweise umgesetzt oder eingeleitet:

Die Stadt Aarau hat für die Legislaturperiode 2019 – 2022 Smart City-Ziele und Massnahmen festgelegt: Die smarte Stadt Aarau nutzt das Vernetzungspotenzial moderner Technologien und der Digitalisierung, um die Lebensqualität zu erhöhen und die nachhaltige Stadtentwicklung zu fördern (Stadt Aarau, 2018).

Der Stadtrat hat entschieden, dass die Smart City-Koordination bei der Stadtkanzlei in der Sektion Organisation & Strategie angesiedelt ist. Diese Sektion erhält für diese neueAufgabe ein zusätzliches Budget in der Höhe von jährlich 30’000 CHF (befristet bis 2022).

Der Stadtrat hat sich dafür ausgesprochen, die Smart City-Thematik aktiv weiter voranzutreiben. Ein weiterer Projektantrag z.Hd. des BFE wurde im September vom Stadtrat und im November vom BFE gutgeheissen.

In dieser ersten Projektphase hat sich herauskristallisierst, dass der bewusste Einbezug verschiedenster Akteure – seien es verwaltungsinterne Fachpersonen, externe Expertinnen, Wirtschafts- und Sozialpartner oder ganze Bevölkerungsgruppen – ein grosses Anliegen ist.

Die hier vorliegende Studie hat entsprechend zum Ziel aufzuzeigen, welche partizipativen Möglichkeiten es gibt, um verschiedene Akteure frühzeitig und professionell in Smart City-Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen, sodass für alle Involvierten ein Mehrwert entsteht.

Die Studie soll dabei ganz grundsätzlich aufzeigen, welchen ‘Werkzeugkasten’ und welche partizipativen Instrumente es gibt und für welche Anwendungszwecke sich diese Formate eignen. Zusätzlich soll evaluiert werden, welche organisatorischen Strukturen innerhalb der Stadt(verwaltung) unterstützend eingesetzt werden könnten.

Die Studie stützt sich einerseits auf Literatur, vorhandenes Fachwissen und jahrzehntelange Erfahrung in der Begleitung von partizipativen Entwicklungs- und Klärungsprozessen. Andererseits dienen verschieden Fallbeispiele aus der Schweiz als Best Practice-Beispiele und Anschauungsmaterial. novatlantis zeichnet sich dabei für die Kapitel 2 (Smart City & Partizipation) und 5 (Fallstudien & Expertenmeinungen) verantwortlich; frischer wind hat die Federführung für Kapitel 3 (Partizipation – eine kurze Einführung) und Kapitel 4 (Gefässe der Partizipation) übernommen.

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2. Smart City & Partizipation

Smart City ist ein Begriff, der von unterschiedlichen Akteuren in Politik, Wirtschaft und Verwaltung in verschiedenen Zusammenhängen benutzt wird (vgl. dazu auch die Studie ‚Aarau wird smarter‘ (Stadt Aarau, 2018)). Normalerweise beinhaltet der Begriff ‚Smart City‘ Aspekte der Verwendung vernetzter Technologie, der verbesserten Lebensqualität, des verminderten Ressourcenverbrauchs und der Innovation im urbanen Umfeld. Inhaltliche Themenfelder beinhalten z.B. Mobilität, Wirtschaft, Umwelt, Bevölkerung, Lebensqualität und Verwaltung. Das Thema der Bevölkerungsinklusion bzw. der Partizipation von Akteuren wird in unterschiedlichen Smart City Definitionen – wie in der nachfolgenden Definition der Interessensgemeinschaft IG Smart City Schweiz – nicht immer direkt angesprochen.

„Eine Smart City bietet ihren Bewohnern hohe Lebensqualität bei minimalem Ressourcenverbrauch dank einer intelligenten Verknüpfung von Infrastruktursystemen (Transport, Energie, Kommunikation etc.) auf unterschiedlichen hierarchischen Stufen (Gebäude, Quartier, Stadt). 'Intelligent’ ist in diesem Zusammenhang nicht automatisch mit ‘IT’ gleichzusetzen. Bei ähnlicher Performance sind passive oder selbstregulierende Mechanismen den aktiv geregelten Ansätzen vorzuziehen.“ (Bundesamt für Energie, o. J.)

Smart City-Konzepte und -Modelle richten sich denn auch unterschiedlich stark auf den Faktor Mensch aus. Häufig werden die Faktoren Technologie, Zusammenarbeit (Innovation) und Leute (Ressourcen) oder zusätzlich auch noch Governance als Grundbausteine einer erfolgreichen Smart City-Strategie genannt (Stratigea, 2014). Zum heutigen Zeitpunkt ist gemäss einer aktuellen Studie (Woetzel & Kuznetsova, 2018) ein klarer Trend weg von technokratischen Ansätzen hin zu mehr partizipativen und gesellschaftlich orientierten Lösungsansätzen erkennbar (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1 Zweite Phase Smart City – Smart City 2.0Quelle: (Woetzel & Kuznetsova, 2018, S. 7)

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Schaut man sich die in der Studie (Woetzel & Kuznetsova, 2018) genannten partizipativen Beispiele jedoch etwas genauer an, wird klar, dass der Begriff der Partizipation dabei sehr weit ausgelegt werden kann. Nebst partizipativen Lösungsansätzen, wie Werkzeuge für gesellschaftliches Engagement, Interaktion der Stadt in sozialen Netzwerken oder lokale sozialeVerbindungsapplikationen (z.B. Vermittlungsplattform für Freiwilligenarbeit), führt die Studie auch Lösungsansätze wie Bike-Sharing, Mitfahrgelegenheiten, Automatisierung von Haushalten,Verkehrsinformation in Echtzeit oder Gesundheitssensoren als partizipativ auf. Diese haben zwar das Ziel, den NutzerInnen einen echten Mehrwert zu bieten, ermöglichen den AnwenderInnen jedoch nur bedingt eine aktive Mitgestaltung von Smart City Massnahmen und Prozessen (vgl. dazu Kapitel 3).

Einen Schritt weiter geht Smart City-Experte Boyd Cohen, der den Begriff des "Smart City Wheels" (Cohen, 2015) geprägt hat. Seiner Meinung nach ist das Smart City Wheel Ausdruck einer intelligenten Stadt, die zwar nicht nur auf Technologie fokussiert, aber hierarchisch traditionell von oben nach unten (top-down) organisiert ist. Als Weiterentwicklung dieses Models fokussiert Cohen auf den konkreten Nutzen für die Bevölkerung, der innerhalb sechs inhaltlicher Felder ((Mobilität, Wirtschaft, Verwaltung, Leben, Umwelt, Leute) geschaffen werden kann. Dieser Nutzen wird gemäss Aussage von Boyd Cohen "bottom-up" durch Ko-Kreation1 zwischen Stadt und BewohnerInnen erreicht. Ziel soll es dabei sein, die Zufriedenheit ("happiness") der Bevölkerung zu maximieren. Abbildung 2 veranschaulicht diesen Bevölkerungsfokus des adaptierten Smart City Wheels (Cohen, 2018).

Abbildung 2: Happy Cities HexagonQuelle: (Cohen & Adams, 2018)

Ähnlich wie Cohen sieht auch eine aktuelle Studie mit Schweizer Beteiligung (Gassmann, Böhm,& Palmié, 2018) die Beweggründe für mehr Bevölkerungsbeteiligung im konkreten Mehrwert für die Bevölkerung:

1 ursprünglich als Managementansatz entwickelt, bei dem neue Produkte, Dienstleistungen oder Serviceangebote in Zusammenarbeit zwischen Anbieter und Kundin entwickelt werden (Wikipedia).

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Verbesserung des Wissensstands über Bedürfnisse und Wünsche der Bürger2 durch Big-Data-Analysen,

Förderung und Einbindung bestehender Initiativen der Bürger,

adäquate Einbindung digitaler Beteiligungsformen,2

fallorientierte Auswahl digitaler Beteiligungsinstrumente,

Anreize schaffen und Nutzen aufzeigen,

Stärkung des interkommunalen Austausches,

Erweiterung und Aufbau digitaler Kompetenzfelder.

Zitiert von: (Gassmann u. a., 2018, S. 205)

Durch eine solche Beteiligung sollen Alltagsprobleme angesprochen, partnerschaftliche Zusammenarbeit gefördert, Transparenz und Vertrauen in die Stadt geschaffen, Beteiligungsprozesse geführt, IT-Kompetenzen verbessert und soziale "Hotspots" (z.B. demographischer Wandel) erkannt werden.

2.1. Smart City – Partizipative Verwaltungsansätze

Verschiedene wissenschaftliche Studien setzen sich mit der Thematik auseinander, wie Smart Cities seitens Verwaltung und Politik ("Smart Governance") gesteuert und umgesetzt werden können. Der Politik und Verwaltung einer smarten Stadt obliegt es, Smart City-Aktivitäten der öffentlichen Hand zu steuern. Meijer & Rodriguez Bolivar (2016) haben in einer extensiven Literaturrecherche vier verschiedene mögliche Ansätze konzeptualisiert, wie eine solche "Smart Governance" aussehen könnte (vgl. Tabelle 1).

Diese vier Ansätze basieren auf unterschiedlichen Transformations-Konzepten der öffentlichen Hand, um Smart City-Strategien umsetzen zu können. Wichtig dabei ist, dass diese Definitionennoch keine Aussagen zulassen, welche Ansätze einen wirklichen "smarten" Mehrwert – sei es in den Bereichen Lebensqualität, Vernetzung, Effizienz, Bevölkerungsnähe etc. – für die Stadt bewirken. Dieser Beweis soll künftig auf empirischer Ebene erbracht werden. Die vorliegende Studie zeigt gleichzeitig anhand der Anzahl evaluierter Studien aber auch auf, dass in der Wissenschaft die Überzeugung dominiert, dass eine umfassende Transformation der Verwaltung wünschenswert und erforderlich ist, um eine Stadt "intelligent" zu machen.

2(Gassmann, Böhm, & Palmié, 2018) verwenden den Begriff „Bürger“. In der hier vorliegenden Studie wird der umfassendere Begriff der „Bevölkerung“ oder der „EinwohnerInnen“ verwendet, die z.B. auch nicht-Stimmberechtigte,Jugendliche, Sans-Papiers, MigrantInnen einschliessen.

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Tabelle 1: Smart City VerwaltungsansätzeQuelle: (Meijer & Rodriguez Bolivar, 2016)

Perspektive Beschreibung Transformations-niveau

Verwaltung einer smarten Stadt

Keine Transformation der Verwaltung; Implementation der richtigen (smarten) Regelwerke; effektive und effiziente Umsetzung sowie Unterstützung von smarten Initiativen, gute Ausbildung

Tief

Smarte Entscheidungs-findung

Bedarf, den Entscheidungsprozess in der Verwaltung zu restrukturieren, jedoch ohne tiefgreifende Veränderungen in der Verwaltung; Anwendung von Netzwerktechnologien (inkl. Sensoren) sowie Sammlung von Daten um Entscheidungen zu fällen

Tief bis mittel

Smarte Administration

Nutzung von hochstehender ICT, um integrative Prozesse zubilden; Restrukturierung von internen Organisationseinheiten

Mittel bis hoch

Smarte urbane Zusammenarbeit

Nicht nur Transformation der internen Organisation, sondern auch des Umgangs mit externen Akteuren; Zusammenarbeit zwischen Departementen, gesellschaftlichen Gruppen, um Mehrwert für BürgerInnen zu schaffen. Hohe Konnektivität gegen aussen.

Hoch

Weitere Unterschiede in den Verwaltungsansätzen zeigen sich auch darin, wie "Smart City" als Thema legitimiert wird. Werden Smart City-Ansätze betrachtet, die zu besseren Ergebnissen führen sollen (z.B. Wohlstand, Gesundheit, Nachhaltigkeit), stehen Inhalte der Verwaltungsarbeit im Vordergrund. Wird auf bessere Prozesse fokussiert, sind Bevölkerungspartizipation und offene Zusammenarbeitsformen Fokusthemen (Meijer & Rodriguez Bolivar, 2016).

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3. Partizipation – eine kurze Einführung in die Thematik

Ganz unabhängig von der Smart City-Thematik haben Menschen das Bedürfnis, sich an der Gestaltung ihres Lebensumfeldes zu beteiligen. Diese Studie fokussiert dabei auf die informelle und nicht die formelle Partizipation. Durch die Inklusion verschiedenster Anspruchsgruppen können im Idealfall Ideen und Wissen vervielfacht und bedürfnisgerechte Lösungen gemeinsam erarbeitet werden. Partizipative Prozesse bieten die Chance für innovative Lösungsansätze, für eine hohe Identifikation der Anspruchsgruppen mit der Stadt, einer Neuzuordnung von Aufgaben (z.B. Selbstverwaltung und Selbstorganisation) sowie einer höheren Rechtssicherheit.Öffentlichkeitsbeteiligung bei Entscheidungsprozessen kann die Qualität der Beschlüsse sowie auch deren Akzeptanz signifikant erhöhen. Während eines Beteiligungsverfahrens können Bedürfnisse klar artikuliert und vorhandener Erwartungsdruck angesprochen und versachlicht werden. Gruppen, die sich (noch) nicht im bestehenden Gemeinwesen einbringen, können angesprochen werden; der Kommunikationsfluss mit der Bevölkerung wird verbessert. Das Verständnis für Entscheidungsprozesse kann erhöht und die menschliche Komponente in den Vordergrund gerückt werden (Arbter, Handler, Purker, Tappeiner, & Trattnigg, 2005; Strategiegruppe Partizipation, 2012).

Seit einiger Zeit besteht ein Trend hin zur Forderung nach mehr echter Mitsprache von Betroffenen bei der Lösungssuche von Fragen des Zusammenlebens, und dies bei gleichzeitig steigender Komplexität der Fragestellungen. Wurden früher die von Politik und Fachexperten erarbeiteten besten Lösungen für beispielsweise Nutzungen im öffentlichen Raum, Verkehrsprojekte oder Arealentwicklungen entgegengenommen und anschliessend im Rahmen einer formellen Mitwirkung Rückmeldungen und Anliegen schriftlich eingereicht, so besteht heute der Anspruch, aktiv und partnerschaftlich von Beginn weg in den Prozess der Lösungsfindung eingebunden zu werden. Gleichzeitig sinkt das Vertrauen in Autoritäten, wie Politik, Verwaltung oder Fachexperten, und deren Arbeit wird zunehmend vor dem Hintergrund der eigenen, individuellen Wertmassstäbe kritisch hinterfragt.

3.1. Entscheidungsebenen & Beteiligungsmöglichkeiten

Wer von Beginn weg möglichst viele Betroffene in einen Prozess einbezieht, gestaltet diesen unter partizipativen Gesichtspunkten. Das ist häufig kein basisdemokratisches Verfahren, sondern ein Vorgehen, bei dem genau unterschieden wird zwischen Entscheidungsvorbereitungund Entscheidung. In die Erarbeitung der Grundlagen werden möglichst viele Akteure einbezogen, aber die Entscheidungen werden in den dafür vorgesehenen Gremien und Hierarchiestufen gefällt. Auf diese Weise lassen sich Vorgaben der Hierarchie mit Bedürfnissen und Ideen der Basis verknüpfen und es entstehen Lösungen, die von beiden Seiten mitgetragenwerden. Die Erfahrung in der Praxis bestätigt die These, dass dadurch sowohl die Verbindlichkeit als auch die Nachhaltigkeit der angestrebten Veränderungen steigen. Betroffene einzubeziehen bedeutet, deren Sicht der Dinge und deren Erfahrungen mit Offenheitund Vertrauen zu begegnen: Offenheit auch für unkonventionelle oder kritische Stimmen und Vertrauen darin, dass Betroffene im Interesse des Gesamtsystems und im Sinne des gemeinsamen Fortschritts denken und handeln.

Für alle am Prozess Beteiligten muss klar sein: Was ist bereits entschieden, was noch offen? Wie gross sind Gestaltungsspielraum und Einflussmöglichkeiten? Wer entscheidet im Gesamtprozess wann worüber? Und welchen Stellenwert haben einzelne Partizipationsgefässe in diesem Kontext? Unklarheiten in Bezug auf Gestaltungsspielraum und Entscheidungswege führen zwangsläufig zum Vorwurf, die Partizipation sei eine reine "Alibiübung". Wenn die

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Beteiligten im Glauben gelassen werden, ihre Einflussmöglichkeiten seien grösser, als sie es tatsächlich sind, fühlen sie sich zu Recht nicht ernst genommen. Partizipationsveranstaltungen sind in einem partizipativen Prozess deshalb von Beginn weg gezielt und abgestimmt auf die Entscheidungsprozesse einzuplanen, wie in Abbildung 3 gezeigt.

Abbildung 3: EntscheidungsfindungsprozessQuelle: frischer wind

Die drei klassischen Stufen der Partizipation von der reinen Information zur Konsultation (Mitdenken) bis zur aktiven Kooperation (Mitgestalten) sind in Abbildung 4 abgebildet.

Abbildung 4: Stufen der PartizipationQuelle: novatlantis, angepasst von (Bundesamt für Umwelt (BAFU), 2013; Stelzle & Noenning, 2017, S. 2419)

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Nicht vergessen gehen soll auch, dass es gerade in der Quartierentwicklung oder bei spezifischen Fragestellungen erfolgreiche Beispiele gibt, bei welchen dieser Prozess über die klassische Partizipation hinausgeht und hin zu einer Ermächtigung, Selbstorganisation und Selbstverwaltung führen kann. Eine Stadt kann sich dafür entscheiden, Aktivitäten und Massnahmen (z.B. zur Gestaltung eines öffentlichen Raums) teilweise oder vollumfänglich den betroffenen Akteuren zu überlassen und so die Entscheidungsmacht in gewissen Bereichen bewusst abgeben (letzte Stufe in Abbildung 4). Wird ein solcher Ansatz gewählt, verändert sich auch der Ablauf des Entscheidungsfindungsprozesses (Abbildung 3).

3.2. Allgemeiner Ablauf eines partizipativen Prozesses

Was immer die Gründe für einen Partizipationsprozess sind, ein Aspekt ist immer gleich: Die Tatsache, dass so viele Personen eines Systems gleichzeitig in einen Entwicklungsprozess einbezogen werden, dass alle gleichzeitig im gleichen Raum an einer bestimmten Fragestellung arbeiten sollen, löst etwas aus. Meistens ist es eine Mischung aus Ängsten, Vorfreude, Misstrauen, Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen. Diese Energie gilt es, im Prozess zu nutzen.Abbildung 5 zeigt den partizipativen Prozess in der Wechselwirkung zwischen kooperativ und autoritär. Beides ist für einen erfolgreichen partizipativen Prozess wichtig.

Abbildung 5: Gesamtprozess PartizipationQuelle: frischer wind

Vorbereitung einer Partizipationsveranstaltung

Aufgrund von langjähriger Praxiserfahrung ist es unerlässlich, dass eine Partizipationskonferenzunter Einsatz einer Spurgruppe in der Vorbereitungsphase durchgeführt wird. In einer Spurgruppe sollten möglichst viele Interessengruppen vertreten sein. Das können je nachdem bis zu 20 Personen sein. Die Spurgruppe hat in diesem Setting unter anderem folgende Aufgabe: Sie motiviert potenzielle TeilnehmerInnen für die Konferenz und trägt dazu bei, dass alle Interessengruppen vertreten sind. Das heisst, dass durchaus kritische Stimmen vertreten sein sollen. Eine gut zusammengesetzte Spurgruppe ergibt der Prozessberatung ein Bild des Systems. Oft werden in dieser Gruppe bereits diejenigen Themen kontrovers diskutiert, die später auch im Partizipationskonferenz zu Diskussionen führen.

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Es ist für das Gelingen des gesamten Prozesses wichtig, frühzeitig mit dem Auftraggeber – demobersten Gremium, bei einem Smart City-Projekt also der Stadtrat – eine klare Auftragsklärung vorzunehmen. Darin muss ihr Commitment zum geplanten Vorgehen abgeholt und ihre Rolle im Gesamtprozess definiert werden. Steht der Auftraggeber (Stadtrat) nicht voll und ganz hinter dem geplanten Prozess, verkommt das Ganze zu einer Alibiübung und ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Der Stadtrat ist nicht Teil der Spurgruppe. Dadurch wird gleich zu Beginn des Prozesses deutlich, dass er die inhaltliche Steuerung des Prozesses zu einem Teil aus der Hand geben und offen sein muss für die Ergebnisse aus dem partizipativen Verfahren. Das kann Sorgen bereiten. Mit diesen Sorgen und den damit zusammenhängenden Befürchtungen gilt es umzugehen und in der Rollenklärung Rechnung zu tragen. Zum Beispiel kann der Stadtrat durcheinen Input an der Konferenz steuern, dass sich die Inhalte in den Diskussionsrunden in einem bestimmten Rahmen bewegen.

Auch lohnt es sich, den Stadtrat ausdrücklich auf seine wichtige steuernde Funktion im Nachgang zur Konferenz hinzuweisen und mit ihr gemeinsam frühzeitig den Follow-up-Prozess zu entwickeln.

Der richtige Zeitpunkt

Eine Partizipationsveranstaltung ist meistens Bestandteil eines partizipativen Prozesses. Bei der Planung der einzelnen Prozessphasen stellt sich dann die Frage, wann der ideale Zeitpunkt für den Einbezug von Betroffenen in Form von verschiedenen Methoden und Modulen ist: zu Prozessbeginn oder erst, wenn bereits etwas Konkretes vorliegt? Dies kann nicht allgemeingültig beantwortet werden, sondern muss auf die jeweilige Situation abgestimmt sein.

Manchmal ist es sinnvoll mit einem kleinen Projektteam inhaltliche Grundlagen zu erarbeiten, die anschliessend kritisch reflektiert werden bzw. deren Umsetzung gemeinsam gestaltet werden kann. Zum Beispiel werden vom Stadtrat Grundsätze zu einer neuen Strategie erarbeitet, die dann konkretisiert werden. Wenn es aber darum geht, gemeinsam (bottom-up) eine Entscheidungsgrundlage für eine Fusion zweier Gemeinden zu erarbeiten, so ist eine erste Partizipationsveranstaltung sicher in einer frühen Prozessphase anzusetzen. Entscheidend ist in jedem Fall, dass die Phasen mit Stakeholder-Partizipation in der Prozessplanung von Anfang an berücksichtigt werden.

Der Folgeprozess

Einer der grössten Stolpersteine ist gemäss unserer Erfahrung die fehlende Planung des Folgeprozesses bereits in der Phase der Auftragsklärung. Der Fokus liegt dann oft zu sehr auf der Konferenz selber; dabei sollte er von Beginn an auf dem „Was kommt danach?“ liegen. Keiner weiss genau, was auf ihn zukommt und alle haben ihre eigenen Bedenken und Unsicherheiten. Genau deshalb ist es die Aufgabe der Prozessbegleitung, gemeinsam mit der Projektleitung und eventuell dem Stadtrat im Vorfeld der Konferenz den Folgeprozess zu definieren.

Es hat sich bewährt, direkt nach der Konferenz, also innerhalb von ein bis zwei Wochen nach der Durchführung, eine Konsolidierung anzuberaumen. Je nach Umfang der Konferenzergebnisse kann es sich dabei um eine zweistündige Sitzung handeln oder aber um ein halbtägiges Treffen. Wer daran teilnehmen soll, muss vor der Konferenz geklärt werden. Dabei geht es weniger um Personen als vielmehr um die nötigen Kompetenzen, die es zu

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diesem Zeitpunkt braucht. An dem Treffen werden die Ergebnisse der Konferenz gesichtet und deren Bearbeitung entsprechend dem vorab definierten Folgeprozess festgelegt.

Zusammenarbeit mit FachberaterInnen und ExpertInnen

Die enge Zusammenarbeit mit FachberaterInnen und (verwaltungs-)internen ExpertInnen kann für den Gesamtprozess sehr hilfreich sein. Vor allem im öffentlichen Bereich bewährt sich immer wieder die Zusammenarbeit mit Fachberatungen, die von der Gemeinde oder der Stadt zu einem bestimmten Thema engagiert wurden.

Und genau da liegt auch der Stolperstein: Die Fachberatung wurde zu einem inhaltlichen Themageholt, in dem sie Expertin ist. FachberaterInnen, die in partizipativen Prozessen unerfahren sind, sehen es deshalb oft nicht ein, weshalb jetzt noch möglichst viele Betroffene in den Prozess einbezogen werden sollen. Sie befürchten, dass die Ergebnisse aus der Konferenz die Qualität der Endergebnisse torpedieren würden. Das Ergebnis dieser Befürchtung ist dann eine eher ablehnende Haltung gegenüber der Prozessbegleitung und dem geplanten Vorgehen. Es liegt an der Prozessbegleitung, diese Befürchtungen aufzunehmen und mit der Fachberatung zusammen ihre Rolle an der Konferenz zu definieren.

Auch für Fachleute innerhalb der Verwaltung können partizipative Prozesse einen Rollenwechsel bedeuten, der nicht immer einfach ist. Waren sie vorher in einem Themengebiet die treibende Kraft mit Ideen und Umsetzungen, geben sie diese Rolle teilweise an externe Akteure ab und arbeiten eventuell mit professionellen Prozess- und ModerationsexpertInnen zusammen, die den direkten Kontakt mit Anspruchsgruppen halten. Sie übernehmen dadurch neue Aufgaben und Kompetenzen. Auch hier ist die Projektleitung gefragt, Bedürfnisse anzusprechen und Rollen zu klären.

3.3. Zielgruppen

Eine wichtige und anspruchsvolle Frage in partizipativen Prozessen ist immer wieder, wann und welche Zielgruppen einzubeziehen sind. Es gibt hier kein Patentrezept, sondern dies muss in der Auftragsklärung unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet werden (vgl. auch Kapitel6).

Eine weitere Herausforderung ist zudem, wie die verschiedenen Zielgruppen erreicht werden. Die Erfahrung zeigt, dass beispielsweise Jugendliche und MigrantInnen schwierig zu erreichen sind. Eine Möglichkeit ist, mit der sogenannten Spurgruppe zu arbeiten (vgl. dazu Kapitel ) oder Formen der aufsuchenden Partizipation zu wählen (vgl. Kapitel 4.). In der Spurgruppe sind möglichst alle Anspruchsgruppen vertreten, die andere zur Mitbeteiligung motivieren. Innerhalb der Anspruchsgruppen sollen aber auch unterschiedliche Einstellungen, wie Skeptiker, Kritiker, Analytiker, Positive usw., gegenüber dem Thema vertreten sein.

Zielgruppen in einer Stadt sind vielfältig. Gassmann u. a. (2018) haben in ihrer Smart City-Publikation verschiedene klassische Zielgruppen (wie in Abbildung 6 abgebildet) identifiziert.

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Abbildung 6: Anspruchsgruppen Smart CityQuelle: (Gassmann u. a., 2018, S. 155)

In der Abbildung nicht aufgeführt sind weitere Anspruchsgruppen, die von ExpertInnen häufig genannt wurden, so zum Beispiel die Generation der ganz Jungen (<20 Jahre), der Älteren (>65) sowie spezielle Gruppen wie MigrantInnen. Gassmann u. a. (2018) empfehlen die Anwendung partizipativer Methoden, um die Bedürfnisse verschiedener Stakeholder und potentielle Konflikte und Abhängigkeiten besser zu verstehen. Sie schlagen vor, die verschiedenen Stakeholder auf Koordinatenachsen (x-Achse: wenig oder viel Macht, y-Achse: positive oder negative Einstellung) von ExpertInnen zu verorten, um als Stadt einen Überblick zu erhalten, welche Stakeholder zu welchen Themen mit einbezogen werden sollen.

3.4. Erfolgsfaktoren

Partizipation ist ein Mittel, um Konsens und Dissens in verschiedenen öffentlichen Prozessen frühzeitig aufzudecken und möglichst breit abgestützte Lösungen zu finden. Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung als Prozessbegleitung im öffentlichen Raum definieren wir zusammengefasst folgende Faktoren für eine erfolgreiche Partizipation als entscheidend:

1. Einbettung Partizipation in einen Gesamtprozess

- keine Eintagsfliege, sondern Kontinuität

- Transparenz über Phasen und Meilensteine im Gesamtprozess

- frühzeitiger Einbezug aller Anspruchsgruppen zur Vorbeugung möglicher Konflikte – sogenannte „Gebietskämpfe“ im Voraus berücksichtigen und den Mehrwert der Zusammenarbeit aufzeigen

- Konflikte frühzeitig aufgreifen – beispielsweise frühere negative Erfahrungen unter den Anspruchsgruppen

2. Vorab Definieren von Gestaltungsspielraum und Konventionen

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- Ziele des Gesamtprozesses und Stellenwert der Partizipation transparent machen

- Klarheit über Gestaltungsspielraum (steuert Erwartungshaltung der Beteiligten)

- Spielregeln für die Zusammenarbeit festlegen

- Vorabklärung des finanziellen Rahmens

3. Offene, transparente Kommunikation

- Zielgruppen und Botschaften definieren

- aktive Medienarbeit prüfen

- sicherstellen, dass alle Beteiligten dieselben Informationen haben

4. Rolle der Projektverantwortlichen aus Politik und Verwaltung

- Ergebnisoffenheit der Entscheidungsträger

- nachvollziehbare Entscheidungswege

- wertschätzende Haltung gegenüber Beteiligten und deren Beitrag – keine Alibiübungen

5. Einsetzen einer Spurgruppe

- Sicherstellen einer möglichst breiten Teilnahme über persönliche Motivation im Umfeld und damit Diversität der Teilnehmenden zusätzlich sicherstellen

- Abholen von Anliegen an die Prozessgestaltung

- Einbezug von Anspruchsgruppen in die Konzeption von Veranstaltungen

6. Übersetzungskompetenz von Fachpersonen

- fachliche Inhalte zielgruppengerecht aufbereiten

- einheitliche, für alle verständliche Darstellungen/Pläne

- Vorsicht vor visueller Überforderung der Teilnehmenden

7. Ansprüche an professionelle Prozessbegleitung

- erfahren in der Begleitung von komplexen Prozessen im öffentlichen Raum

- allparteiliche Haltung

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4. Gefässe der Partizipation

Eine Vielzahl von Methoden wird bei Partizipationsprozessen angewendet. Bei der geeigneten Methodenwahl geht es nicht primär um das Thema, sondern um die Zielsetzung des Prozesses, die zur Verfügung stehende Zeit und in welcher Phase welche Methode Sinn macht.

Der Fokus der hier aufgeführten Methoden und Module liegt in den Bereichen Konsultation und Kooperation. Information ist keine eigentliche Partizipation. Im Folgenden werden die vier klassischen und bewährten Methoden der Partizipationsarbeit mit den entsprechenden Modulen vorgestellt. Diese können mit kleinen Gruppen, aber auch mit grossen Gruppen durchgeführt werden (bis 250 Personen). Sie eignen sich also vor allem auch dann, wenn die Bevölkerung mit einbezogen wird.

Andere Methoden, wie Workshop, Fokusgruppen, runde Tische und andere mehr, sind eher für kleinere Gruppen geeignet. Diese werden im Partizipationsprozess eher für die Vorbereitungsphase oder Nachbereitungsphase/Vertiefung eingesetzt.

Weitere Möglichkeiten wie E-Partizipation oder auch Internet Forums werden kurz beschrieben.

Im Rahmen dieser Studie werden ausgewählte Methoden und Module vorgestellt, die auf die Thematik Smart City und die Situation von Aarau anwendbar sind. Natürlich gibt es weitere Gefässe der Partizipation bzw. auch verschiedene Namensgebungen für ähnliche Methoden und Module. Ein Beispiel einer anderen Auflistung aus Österreich (Wien) findet sich in Anhang II.

4.1. Die klassischen vier Methoden für grosse Gruppen

Die klassischen vier Methoden sind vielseitig einsetzbar und eignen sich auch für die Smart City-Thematik. Sie eignen sich vor allem für grosse Gruppen bis 250 Personen.

Future Search Conference

Bei der von Marvin Weisbord und Sandra Janoff (Hinnen & Krummenacher, 2012) in den 1990er-Jahren entwickelten Methode wird nicht nur das ganze System im Sinn der dazu gehörenden Personen in einen Raum gebracht, sondern auch alle zeitlichen Dimensionen, wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Damit wird das ganze System in einer Dichte greifbar und begreifbar, die immer wieder verblüfft. Die Teilnehmenden arbeiten Schritt für Schritt an ihren Aufgaben und präsentieren und diskutieren ihre Ergebnisse im Plenum. Über die strukturierten Phasen entwickeln sie einen Sinn dafür, was wirklich wichtig ist für das gesamte System. Zum Abschluss der Konferenz werden Lösungsansätze und Schritte hin zur gemeinsamgewollten Zukunft entwickelt.

Abbildung 7: Ablauf Future Search ConferenceQuelle: frischer wind

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Real Time Strategic Change (RTSC)

Im RTSC werden Top-down-Vorgaben mit Bottom-up-Lösungen zusammengebracht. Aufgrund von Vorgaben der Hierarchie werden gemeinsam Vorstellungen zur Zukunft entwickelt sowie konkrete Massnahmen für die Umsetzung erarbeitet. Die von Kathleen Dannemillerentwickelte Methode eignet sich sowohl für Themen der kulturellen Entwicklung als auch für die Lancierungneuer Produkte, Dienstleistungen, Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufe. Ideal ist RTSC für die Ausgestaltung und Weiterentwicklung von Neuausrichtungen im Sinne eines strategischen Wandels. Für die Smart-City-Thematik eignet sich diese Methode also hervorragend (Hinnen & Krummenacher, 2012).

Abbildung 8: Ablauf Real Time Strategic ChangeQuelle: frischer wind

World Café

Die von Juanita Brown Ende der 1990er Jahre entwickelte Methode hat eine einfache Grundstruktur. In drei Phasen werden im Voraus definierte und auf ein Thema abgestimmte Fragen an Tischen in Kleingruppen diskutiert. Nach jeder Phase wechseln die Teilnehmenden den Tisch und diskutieren die nächste Frage in einer neuen Gruppe. Zum Schluss werden die wichtigsten Erkenntnisse an jedem Tisch als Perlen gesammelt und im Plenum präsentiert. Der Austausch in einer Kaffeehaus-Atmosphäre unterstützt die informelle Kommunikation unter denTeilnehmenden und eignet sich speziell zu einer ersten Konkretisierung eines Themas sowie zurUnterstützung eines Meinungsbildungsprozesses (Hinnen & Krummenacher, 2012).

Abbildung 9: Ablauf World CaféQuelle: frischer wind

Open Space Technology (OST)

Harrison Owen, der Entwickler der Open Space-Methode, gibt zwei Quellen an, die ihn inspiriert haben: Das Dorfpalaver, wie er es in Liberia kennen gelernt hat, und das kreative Potenzial von Kaffeepausen. Analog dazu ist die Open Space Technology konzipiert. Im Plenum wird zu Beginn die Tagesordnung entwickelt. Die Teilnehmenden füllen an einer Wand leere Zeitfenster mit Themen und Fragestellungen, die sie anschliessend mit anderen in einem Workshop

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bearbeiten möchten. Das Prinzip der Selbstorganisation zeigt sich bei OST ganz deutlich darin, dass einerseits nur diejenigen Themen diskutiert werden, die einem echten Bedürfnis des Systems entsprechen, anderseits, dass die Teilnehmenden frei sind, ob und wie lange sie sich in einem Workshop einbringen möchten (Hinnen & Krummenacher, 2012).

Abbildung 10: Open Space Technology Quelle: frischer wind

Die Methoden im Vergleich

Alle Methoden arbeiten mit dem Wechsel von den Orientierungs- und Priorisierungssequenzen im Plenum zu Kleingruppenarbeiten und wieder zurück ins Plenum. Die Teilnehmergruppe sollte bei allen Methoden gezielt zusammengesetzt werden und möglichst interdisziplinär sein. Wichtig ist, dass das ganze System in der Teilnehmergruppe vertreten ist. RTSC und FSC sind sich vom Setting her sehr ähnlich. In beiden Formaten arbeiten alle im gleichen Raum in immer wieder wechselnden Gruppen und in sechs bis zehn Prozessschritten auf gemeinsame Ergebnisse hin. Auch im World Café arbeiten alle im gleichen Raum gleichzeitig an denselben Fragestellungen in wechselnden Zusammensetzungen; die Ergebnisse werden aber erst ganz am Schluss zusammengetragen. Im OPEN SPACE wechseln sich Informations- oder News-Runden im Plenum mit Kleingruppenarbeiten, welche in verschiedenen Räumen stattfinden können, ab (Hinnen & Krummenacher, 2012).

Tabelle 2: Die vier klassischen Methoden im VergleichQuelle: eigene Darstellung, frischer wind, 2018

Zukunftskonferenz (FSC)

Real Time Strategic Change (RTSC)

World Café Open Space Technology (OST)

Ziel Die gemeinsame Zukunft planen

Sensibilisieren auf vorgegebene Ziele und Entwickeln derUmsetzungs-strategien

Ideen und Erkenntnisse vernetzen

Entwickeln von Themen, welche die Teilnehmenden beschäftigen

Dauer 1 bis 2 Tage 1 bis 2 Tage 2 bis 4 Stunden 1 bis 2 Tage

Anzahl TN 10 bis 250 10 bis 250 15 bis 250 50 bis 1000

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Teilnehmende

Eine gezielt und möglichst interdisziplinär zusammengesetzte Gruppe

Eine gezielt und möglichst interdisziplinär zusammengesetzte Gruppe

Leute, die zu einem Thema oder einer Frage etwas zu sagen haben

Leute, die in einem kreativen Prozess Ideen zu einem Leitthema sammeln

Referenten Zur Einstimmung möglich

Als Inputgeber in Phase I oder II

Inputs möglich Zur Einstimmung möglich

Form Es wird in einem Raum im Plenum undin immer wieder wechselnden Gruppen gearbeitet.

Es wird in einem Raum im Plenum und in immer wieder wechselnden Gruppen gearbeitet.

An Tischen in einem Raum wirdin wechselnden Gruppen gearbeitet. Eine Person bleibt als GastgeberIn am Tisch.

Es wird im Plenum begonnen. Die Work-shops erfolgen in dezentralen, auto-nomen und sich selbst organisieren-den Workshops.

Ablauf Über 5 Phasen führt der Prozess von der Vergangenheit über die Gegenwart zur Zukunft und endet bei der Definition der Massnahmen und der Planung der nächsten Schritte.

Dreistufiger prozessorientierterWeg, der über die Sensibilisierung zur Zielidenti-fikation und zu denMassnahmen führt. Die Aufgaben sind genau definiert und vorbereitet.

Über zwei bis fünf Phasen von Gesprächsrunden werden eine oder mehrere Fragen diskutiert.Die Teilnehmenden schreiben die Ergebnisse auf das Tischtuch.

Nach einer Einstimmung wird die Konferenz-agenda im Plenum entwickelt. Die Teilnehmenden sind frei, wie und solangesie wollen in den Workshops mitzuarbeiten.

Moderation Die Moderation ist stets präsent und führt von einer Aufgabe zur anderen.

Die Moderation ist stets präsent und führt von einer Aufgabe zur anderen.

Die Moderation ist stets präsent und führt von einer Runde zur anderen.

Die Moderation führtnur durch die Einstimmung, die Plenumsdiskussionen und die Reflexion.

Logistik Gearbeitet wird in der Regel in einem einzigen grossen Raum. Jeder Gruppe steht ein eigenes Flipchart zur Verfügung.

Gearbeitet wird in der Regel in einemeinzigen grossen Raum. Jeder Gruppe steht ein eigenes Flipchart zur Verfügung.

Gearbeitet wird in einem grossenRaum an Fünfer- bis Sechser-tischen.

Im grossen Raum finden die Plenums-diskussionen und in Gruppenräumen die Workshops statt. Im Plenumsraum stehenPCs zum Erstellen der Berichte.

Beispiele für (Smart City) Anwendungs-felder

Fragestellungen auf "grüner Wiese", Visionsentwicklungen, hohe thematische Flughöhe

Strategische Themen, mit vorgegebenen engeren Rahmen-Bedingungen

spezifische Themen, Reflektion, Ergebnis- Konferenz

Sammlung möglichstvieler kreativen Ideen, offene und möglichst inspirierende Fragestellungen

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4.2. Module

Die klassischen Methoden FSC oder RTSC werden oft aus den hier vorgestellten Modulen spezifisch auf die Fragestellung zugeschnitten und zusammengesetzt.

Das World-Café und das Open Space haben eine klar definierte Abfolge, sie können aber mit Modulen kombiniert werden. Das heisst, am Anfang eines World Cafés oder Open Space kann beispielsweise zur Einstimmung eine Soziometrie (vgl. Tabelle 3) gemacht werden oder am Schluss eine Vertiefung der Massnahmen.

Tabelle 3: Übersicht partizipative ModuleQuelle: frischer wind 2018

Methode Beschreibung

Die Soziometrie Mit drei bis vier gezielten Fragen zu Tätigkeiten oder Befindlichkeiten und jeweils vierbis acht vorgegebene Antwortmöglichkeiten stellen sich die Teilnehmenden zu Tafeln auf. Pro Tafel gibt es eine Antwortmöglichkeit. Wenn sich jemand mit den vorgegebenen Antworten nicht identifizieren kann, soll er sich in der Mitte des Raumes aufstellen. Wenn die Teilnehmenden sich zu den Antwortmöglichkeiten gestellt haben, werden zwei bis drei Personen der jeweiligen Gruppen durch das Moderationsteam kurz interviewt.

Was xy für uns bedeutet

Teilnehmenden werden in der Einladung gebeten, einen Gegenstand mitzunehmen, der für sie symbolisch das Thema, die Organisation oder ihre Gemeinde verkörpert. Die Teilnehmenden erzählen sich in Achtergruppen anhand dieser Gegenstände, welchen Bezug sie zum Thema, zur Organisation oder zur Gemeinde haben. Die sich wiederholenden Punkte und einzelne besonders aussagekräftige Gegenstände werden dem Plenum vorgestellt.

Wertschätzendes Erkunden (Appreciative Inquiry)

Die Teilnehmenden erkunden positive Geschichten und Erlebnisse oder auch erfolgreiche Projekte zum Thema, die zum Erfolg geführt haben. Sie erkunden dann die Hintergründe dieser Erfolge und die Kriterien, die zum Erfolg beigetragen haben, und stellen diese im Plenum vor.

In den Schuhen der Anderen

Die Teilnehmenden nehmen die Perspektive einer anderen Anspruchsgruppe ein undbeschreiben das Thema aus dieser Perspektive.

Stärken und Schwächen

Im Modul „Stärken und Schwächen“ werden in den Achtergruppen die Stärken und Schwächen sichtbar. Je die wichtigsten drei pro Gruppe werden gesammelt und gemeinsam priorisiert.

Externe Trends In diesem Modul werden gemeinsam die Trends in den einzelnen Gruppen gesammelt, die drei wichtigsten pro Gruppe zusammengetragen und von allen mit unterschiedlich farbigen Punkten nach Chancen und Gefahren gewichtet. Zusammen mit den Stärken und Schwächen wird eine SWOT-Analyse sichtbar.

Stolz und Bedauern

Die Teilnehmenden diskutieren in gemischten Gruppen: "Worauf sind wir stolz?" und "Was bedauern wir?" Je die wichtigsten drei pro Gruppe werden gesammelt und gemeinsam priorisiert. Die Teilnehmenden entwickeln Verständnis für die Wahrnehmungen der anderen. Es wird deutlich, was man in die Zukunft mitnehmen und was man zurücklassen will.

Vorgabe Top-down

In einem Input wird beispielsweise die Strategie vom Stadtrat dargestellt. Es kann auch ein externer Input, beispielsweise eines Zukunftsforschers, ein Fachexperte zu dem Konferenzthema oder etwas anderes sein. Der Input wird anschliessend in den Achtergruppen wiederum reflektiert und Erkenntnisse sowie Fragen im Plenum präsentiert.

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Hoffnungen und Erwartungen

Die Teilnehmenden diskutieren ihre Hoffnungen und Erwartungen zum definierten Thema. Je die wichtigsten drei pro Gruppe werden gesammelt und gemeinsam priorisiert. Diese Aufgabe bringt zukunftsbezogene Aspekte ans Licht.

Vision Die Vision wird nur diskutiert und auf den Flipcharts notiert. Die Gruppen präsen-tieren ihre Ideen im Plenum. Die Präsentationen können als Reden, "Tag der offenen Tür", als Pressekonferenzen, als Radiointerviews, als Preisübergaben und so weiter und so fort dargestellt werden.

Alte/Neue Verhaltensregeln

Die Teilnehmenden erzählen sich gegenseitig, was sie einem guten Freund sagen würden, wenn dieser neu in der Firma anfängt. Welche Regeln muss er befolgen, damit er sich gut einleben kann, damit er nicht aneckt? Die dadurch entdeckten "heiligen Kühe" werden auf die Flipcharts geschrieben und gesammelt. Gemeinsam wird darüber abgestimmt, welche "heiligen Kühe" man nicht mehr will. In einem zweiten Schritt werden neue Verhaltensregeln entwickelt, welche die alten ablösen.

Entwickeln von Spielregeln und Grundsätzen

Die Teilnehmenden diskutieren so etwas wie die "Zehn Gebote" der Zusammenarbeit,schreiben diese aber in positiven Wir-Sätzen auf Flipcharts. Dann wählen sie die für sie wichtigsten vier oder fünf Statements aus und halten diese auf Karten fest. Die Karten werden präsentiert, abgeglichen und an die Pinnwand gehängt. In der Regel empfiehlt es sich eine "Redaktionskommission" zu wählen, welche aufgrund des Inputs einen bereinigten Entwurf erstellt.

Handlungsfelder (Themen) generieren

Die Teilnehmenden schreiben die wichtigsten Themen und Handlungsfelder auf die Flipcharts. Nun einigen sie sich auf die wichtigsten drei bis fünf Themen und schreiben diese auf Karten. Die Karten werden eingesammelt und an der Pinnwand gruppiert und priorisiert.

Massnahmen vertiefen

Beim Schlussmodul geht es um das Erarbeiten von Massnahmenideen und um das Entwickeln von Lösungsansätzen. Dazu werden die Themen, die im vorherigen Schritt am höchsten priorisiert worden sind, auf die Flipcharts verteilt und die Teilnehmen-den können bei dem Thema mitarbeiten, das sie am meisten interessiert.Die Gruppen können hier deshalb unterschiedlich gross sein. Sie definieren in ihrem Thema das Ziel sowie erste Massnahmenideen und Lösungsansätze. Anschliessend präsentieren sie ihre Ergebnisse kurz im Plenum. Je nach Aufgabenstellung kann am Schluss dieser Aufgabe auch zur Bildung von weiterführenden Arbeits- oder Projektgruppen aufgerufen werden. Im öffentlichen Rahmen geschieht dies meist auf freiwilliger Basis und die Gruppen konstituieren sich selber.

4.3. Methoden mit kleineren Gruppen

Nebst den vier klassischen Methoden und den verschiedenen Modulen gibt es eine Reihe weiterer Methoden, die in partizipativen Entscheidungsprozessen angewandt werden können. Im Folgenden wird eine kleine Auswahl von Methoden vorgestellt, die sich insbesondere auch für kleinere (Fach-) Gruppen eignen. Diese Übersicht ist ohne Anspruch auf Vollständigkeit erstellt worden.

Arbeitsgruppen

Eine Arbeitsgruppe – wie sie in diesem Kontext zu verstehen ist – setzt sich aus freiwilligen TeilnehmerInnen einer Konferenz zusammen. Sie widmet sich einem aus der Konferenz entwickelten Handlungsfeld/Thema und erarbeitet dazu konkrete Massnahmenvorschläge. Die Arbeitsfähigkeit der Gruppe ist besser, wenn die Gruppe nicht zu gross ist (5 – 8 Teilnehmende).Die Arbeitsgruppe kann selbstorgansiert arbeiten oder wird intern oder extern moderiert.

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Runde Tische

Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Interessensgruppen diskutieren gleichberechtigt einSachproblem und versuchen eine gemeinsame Lösung zu finden. Wichtig dabei sind neutrale Moderatoren, die die Protokollierung der Diskussion und die Vertretung jeder Gruppe durch die gleiche Anzahl sicherstellen.

Das Delegationsprinzip für den runden Tisch, welches die Gruppen klein und übersichtlich halten soll, erschwert die Einbindung aller weiteren Betroffenen und es verstärkt den Druck auf die einzelnen “Delegierten”, welche ihre Position, die sie als Mandat erhalten haben, zu verteidigen versuchen.

Fokusgruppen

Eine Fokusgruppe ist eine moderierte Gruppendiskussion von 6 – 15 Personen, die ein im Voraus festgelegtes Thema zielgerichtet nach einem vorbereiteten Leitfaden bearbeitet. Der Moderator startet mit einem Input zum gegebenen Thema und führt dann durch das Gespräch anhand eines vorbereiteten Leitfadens. Die Diskussion dauert 1 – 3 Stunden. Aufgrund der kleinen Teilnehmeranzahl sind die Ergebnisse nicht repräsentativ.

Design Thinking

Die innovative Methode Design Thinking beruht im Kern darauf, den Kunden/Nutzer in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen, und ermöglicht einen kreativen und doch strukturierten Prozess. Design Thinking beinhaltet dabei im Wesentlichen die folgenden Komponenten:

Zielgruppen und ihre Bedürfnisse in kreativen und strukturierten Arbeitsprozessen verstehen.

Eine Vielzahl an innovativen Lösungsmöglichkeiten mit Hilfe unterschiedlicher Methoden zur Ideenfindung entwickeln.

Innovative Lösungen mit Hilfe von Prototypen direkt mit den Nutzern testen.

Was der Anwendung der Methode oft im Weg steht, ist der Zeitaufwand mit der empfohlenen Dauer von drei aufeinanderfolgenden Tagen.

Die Methode hat 6 Prozessschritte, wie in Abbildung 11 dargestellt.

Abbildung 11: Ablauf Design ThinkingQuelle: Wikipedia, 2018

Ideenwettbewerb

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Ideenwettbewerbe sind eine Möglichkeit, Akteure zu motivieren, sich aktiv in eine Thematik einzubringen. Dieses Format bietet auch das Potential, Herausforderungen zu verschiedensten Themen gegenüber fachfremden Interessierten zu öffnen, was – so zeigen Erfahrungen aus der Wirtschaft – zu innovativen Lösungsansätzen führen kann. Die Erfahrung zeigt dabei, dass nebst der extrinsischen Motivation für die Teilnahme (z.B. Preisgeld) auch intrinsische Motivationsaspekte (Würdigung der Idee, Wertschätzung) wichtig sind, gerade falls Wettbewerbe wiederholt werden.

Beispiele von Ideenwettbewerben in Städten sind sogenannte Hackathons oder Makeathons, bei welchen Teams innert einer definierten Veranstaltungsdauer (einige Stunden bis mehre Tage) im kompetitiven Umfeld Soft- und Hardwarelösungen bzw. Produktelösungen erarbeiten. Diese werden im direkten Anschluss von einer Jury bewertet, welche das oder die Siegerprojekte kürt und (allfällige) Preisgelder vergibt.

Online Instrumente

Internet Forum

Bei Internet-Foren wird zum Thema ein Forum eröffnet. ModeratorInnen betreuen das Forum mitThesen und Grundlagen und Zusammenfassungen. Dazu werden Kommentare und Beiträge vonden Teilnehmerinnen verfasst. Wenn es zu übersichtlich wird, werden die Beiträge in Themenbereiche gegliedert, die dann wiederum kommentiert werden können. Was nicht zu unterschätzen ist, ist der Zeitaufwand bei der Bewirtschaftung des Forums.

Internet Foren können klassische Beteiligungsverfahren gut ergänzen, als alleiniges Instrument sind sie weniger geeignet.

E-Partizipation

Die E-Partizipation spielt in vielen Beteiligungsprozessen bereits eine wichtige Rolle. Die Kommunikation zwischen Politik und Bevölkerung steht im Zentrum. Es werden damit nicht nur Informationen verteilt, sondern Meinungen und Ansichten abgeholt. Die E-Partizipation zielt bei informellen Verfahren nicht auf den Akt der Entscheidung – nicht zu verwechseln mit E-Voting – sondern auf den Prozess der Meinungsbildung ab. Aber auch hier verbleibt die Entscheidung bei den gewählten Vertretern. Im Vergleich zu den direkten Partizipationsverfahren zeichnet sich die E-Partizipation durch Zeit- und Ortsunabhängigkeit aus, zudem kann ein grösserer und anderer Teilnehmerkreis erreicht werden. Mitwirkungsprozesse sind aber auch bei der Nutzung von elektronischen Verfahren ressourcenintensiv. Zudem sind die Verdichtung und Auswertung

aufgrund der hohen Datenmengen anspruchsvoll. Eine Online-Plattform muss moderiert

werden.

Aufsuchende Partizipation

Eine spezielle weitere Methode ist die aufsuchende Partizipation, die sich grundsätzlich mit anderen Methoden und Modulen kombinieren lässt. Die Idee hinter dem Begriff der aufsuchenden Partizipation ist, dass Personen erreicht werden, die sich bei üblichen ausgeschriebenen Formaten nicht beteiligen oder nicht erreicht werden. Wichtig ist dies insbesondere dort, wo Veränderungsprozesse für betroffene Personen grossen Einfluss auf die Lebensqualität haben.

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Mit aufsuchender Partizipation ist das direkte Zugehen auf Menschen in ihrer Umgebung gemeint, wie zum Beispiel beim Einkaufen, an Dorffesten, in Kaffees oder ganz spezifisch in einem Jugendclub. Dabei werden verschiedene Formen angewendet:

Interviews mit Auswertung

Einbindung von Schulsozialarbeit

Einbindung von Schulklassen

Dialoge in verschiedenen Formen wie Beispiele aus Deutschland zeigeno Salz und Pfeffer: Kochgruppen, die sich beim Kochen über ein Thema

austauscheno Kochlöffeldialog: Beim Essen wird ein Thema besprocheno Frühstücksbus: An bestimmten Destinationen werden die Leute zu Kaffee und

Kuchen eingeladen

o Besuch im Jugendclub

Roadshows

Stadt-Quartierspaziergänge

Interviews

Die aufsuchende Partizipation können klassische Beteiligungsverfahren gut ergänzen, als alleiniges Instrument sind sie weniger geeignet.

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5. Fallstudien & Expertenmeinungen

Verschiedene Städte in der Schweiz sowie im Ausland verfolgen partizipative Ansätze im Smart City-Themenfeld oder auch in anderen Bereichen. Dieses Kapitel enthält ausgewählte, konkrete Beispiele (nicht im Sinn einer gesamtheitlichen Übersicht) und Meinungen von Expertinnen und Experten, die aufgrund von verfügbaren Informationen und Interviews mit Fachpersonen (sieheTabelle 4) zusammengestellt wurden.

Tabelle 4; Übersicht der befragten Expertinnen und Experten

Experte / Expertin Beschreibung Stadt

Alder, Barbara Leiterin Grundlagen und Strategie Kanton Basel-Stadt

Bachmann, Michèlle Projektleiterin, Kantons- und Stadtentwicklung

Kanton Basel-Stadt

Benz, Simon Building Technologies Accelerator & Urban Transitions, Climate-KIC

Internationale Städtebeispiele, allgemein

Blumer, Yann Dr., Center for Innovation & Entrepreneurship, ZHAW

Winterthur, allgemein

Bosshard, Alexandre (via E-Mail)

Adjoint du chef de service, Direction des traveaux et des services industriels

Pully

Debrunner, Fabienne Social Innovation Lead, Climate-KIC Internationale Städtebeispiele, allgemein

Geiger, Christian Chief Digital Officer St. Gallen

Grötzinger, Stefan Technische Betriebe Wil Wil

Jacoby, Simon Journalist Tsüri.ch Zürich

Juen, Stephan Consign Agency Wil

Schulze, Anja Professorin für Technologie und Innovation, Universität Zürich / Mitglied Digital Society Initiative

Allgemein

5.1. Basel

Die Smart City-Arbeitsgruppe in Basel3 ist im Präsidialdepartement angesiedelt und plant, Bevölkerungspartizipation im Kontext der Smart City-Thematik anhand verschiedener Projekte konkret umzusetzen. Die Smart City-Rahmenstrategie selbst wurde verwaltungsintern mit starkem Fokus auf "Smart Government" erarbeitet und anfangs 2018 veröffentlicht4. Die Rahmenstrategie "Smart City" dient als politische Legitimation und Grundlage, um digitale Prozesse im weiteren Feld der nachhaltigen Entwicklung zu initiieren und umzusetzen. Die Umsetzung soll aus konkreten Bedürfnissen heraus entstehen und wird in den einzelnen Departementen angesiedelt sein. Der Einbezug der Bevölkerung wird als wichtiges Thema angesehen.

Ein konkretes Projekt ist das "Wolf-Areal", das als Smart City-Lab mit Pioniernutzungen gestaltet werden soll. Momentan werden hier gezielt Akteure – aber nicht die breite Bevölkerung – in den Prozess eingebunden, um in einer mehrjährigen Zwischennutzung smarte Lösungen zu erproben.

3 Ca. 171‘000 EinwohnerInnen4 http://www.entwicklung.bs.ch/grundlagen/strategien/strategie-smart-city.html

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Bereits vorhanden sind Partizipationsprozesse in der Stadtentwicklung, insbesondere bei Bau- und Planungsprojekten. Das Recht zur formellen und informellen Mitwirkung ist in Basel seit 10 Jahren in der Verfassung5 verankert. Ziel ist, die Bevölkerung zu einem frühen Zeitpunkt in Entscheidungsprozesse zu integrieren. Seitens des Kantons Basel-Stadt wird insbesondere die offene und transparate Kommunikation ("Wo sind wir im Projekt?", "Wie sieht die Mitwirkung aus?") als wesentlicher Aspekt betrachtet. Wichtige Ansprechpersonen sind insbesondere die Quartierorganisationen6 und die Stadtteilsekretariate als Bindeglied zwischen Verwaltung und Quartieren. Die Rolle des Präsidialamts ist dabei eher übergeordnet und koordinierend, konkrete Projekte werden in den jeweiligen Departementen (z.B. Baudepartement) umgesetzt. Einmal jährlich werden alle anstehenden Projekte mit potentieller Mitwirkung aufgelistet und gemeinsam besprochen, um Prioritäten zu setzen und die vorhandenen Ressourcen möglichst effektiv einsetzten zu können.

Ein aktuelles Beispiel ist die Entwicklung des Quartiers Klybeck plus7. Um die Bevölkerung frühzeitig in die Planung einzubeziehen, wurde der Kontakt über verschiedene Kommunikationskanäle wie Flyer, Zeitungsinserate, Plakate, Newsletter (Quartierorganisationen)und Online-Medien gesucht. Eine Herausforderung gerade in diesem sozial schwächer gestellten Quartier ist, die BewohnerInnen aus Alltagssituationen heraus für die langfristige Planung – zudem an einem Samstagnachmittag – zu interessieren. Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere der Zeitpunkt der Partizipation sehr wichtig ist. Der Kanton Basel-Stadt arbeitet für diesen Prozess mit einer externen Fachperson für Stakeholderkommunikation zusammen. Eine externe Moderation erleichtert es der Stadt auch, eine Aussensicht einnehmen zu können. Eine sinnvolle Ergänzung kann die E-Partizipation sein, die in Basel weiter ausgebaut werden soll. Die Stadt geht jedoch davon aus, dass der direkte Dialog mit der Bevölkerung und den involvierten Akteuren immer ein wichtiger Aspekt der Partizipationsverfahren sein wird.

5.2. Pully

Pully8 engagiert sich stark als smarte Stadt und setzt bei der Partizipation auf konkrete Projekte9:

"Quartiers solidaires": in Pully sind ca. 24% der EinwohnerInnen über 65 Jahre alt. Mit diesem partizipativen Projekt, das in Zusammenarbeit mit Pro Senectute erarbeitet wurde, soll die Verbindung unter älteren Leuten gestärkt werden. Ein Teilprojekt war deshalb die Erstellung einer "sozialen Plattform", die einfach zu bedienen und auf die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst ist. Die Plattform wurde von den involvierten Akteuren über einen mehrmonatigen Prozess mit entwickelt und wird momentan als Testversion benutzt: www.resoli.ch. Ein weiteres Projekt im Rahmen des "Quartiers solidaires" sind gemeinsame Mittagessen für Junge und Alte, bei welchen die Älteren IT-Unterstützung in Anspruch nehmen können.

Von 2015 – 2017 wurde das Projekt "Coeur de Ville" durchgeführt, um die Wünsche, Ansprüche und Bedürfnisse der EinwohnerInnen an neu zu gestaltenden städtischen Räumen aufzunehmen. Diese Befragung wurde von der Stadt in Zusammenarbeit mit derHochschule HEIG-VD durchgeführt. Die UmfrageteilnehmerInnen konnten auf visuelles Informationsmaterial (Webseite oder vor Ort via Tablets) zurückgreifen.

5 http://www.entwicklung.bs.ch/stadtteile/quartierarbeit-mitwirkung/mitwirkung.html6 Weitere Informationen: http://www.entwicklung.bs.ch/stadtteile/quartierarbeit-mitwirkung/quartierorganisationen.html7 https://klybeckplus.ch/beteiligung/8 ca. 18‘000 EinwohnerInnen9 Weitere Projekte mit weniger Relevanz für Partizipation: https://smart.pully.ch/fr/projets/

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5.3. St. Gallen

Die Smart City-Entwicklung in St. Gallen10 wurde in einer Anfangsphase von den St. Galler Stadtwerken angestossen. Auf Quartierebene hat das partizipative Projekt Remishueb, das erste smarte Quartier von St. Gallen, schweizweite Ausstrahlung und Pioniercharakter. Im Rahmen einer Projektunterstützung des BFE wurde als zentrale Massnahme eine Quartierapp, die "Remis-App" für alle Quartierbewohner entwickelt. Ziel der App ist es, alle Parteien aktiv in Entscheidungsprozesse – z.B. für Photovoltaikanlagen im Quartier / Lancierung von Quartierspeichern durch Crowdfunding – einzubeziehen. Verschiedene Kooperationsmodelle sollen unter Einbezug von Gewerbe, Hochschulen oder auch Wohnbaugenossenschaften entwickelt und lokal umgesetzt werden. Die Projektleitung lag dabei bei den St. Galler Stadtwerken (energieschweiz, o. J.; Gassmann u. a., 2018).11

St. Gallen erarbeitet momentan eine Roadmap, in der auch aufgezeigt werden soll, wie Akteure aktiv mit einbezogen werden können. Die Roadmap selbst wurde innerhalb der Verwaltung ohne Einbezug externer Akteure entwickelt. Der Einbezug externer Akteure soll punktuell und für konkrete Massnahmen diskutiert werden, da dieser mit einem hohen zusätzlichen Aufwand an Ressourcen und Zeit (längerer Planungszeitraum) verbunden sind. Weitere Informationen zurstadtinternen Partizipation findet sich in Kapitel 5.10.

St. Gallen positioniert sich bewusst stark im Smart City Thema und versucht, die interessierte Bevölkerung, Hochschulen und Firmen in Aktivitäten einzubinden. Verschiedene Beispiele sind:

HSG als starker, unabhängiger Partner der Stadt; so wird St. Gallen als Beispiel der Smart City Transformation im aktuellen Buch "Smart City" von Oliver Gassmann (Professor für Technologiemanagement mit Schwerpunkt Innovationsmanagement, HSG)aufgeführt.

Gastgeberin der opendata.ch-Konferenz im 2018 in Zusammenarbeit mit der FHS St. Gallen.

Digital Day zur Förderung von Gesprächsmöglichkeiten –> Veranstaltung mit ca. 700 Teilnehmenden E-SportlerInnen und Interessierten; Referate zu verschiedensten Themen.

Teilnahme Smart City Hub.

St. Gallen verfügt über ein Partizipationsreglement12, welches momentan überarbeitet wird.

5.4. Stockholm

Stockholm hat seine Smart City-Strategie in kontinuierlicher Zusammenarbeit mit der Bevölkerung erarbeitet:

Die Stadt hat EinwohnerInnen verschiedenen Alters zum persönlichen Dialog ins Stadthaus eingeladen.

3‘350 Personen haben sich an einer Befragung in den sozialen Medien beteiligt und eineRückmeldung zur Smart City-Vision sowie Verbesserungsvorschläge für vorhandene digitale städtische Dienstleistungen gegeben.

Workshops mit Mitarbeitenden der Stadtverwaltung, VertreterInnen von Start-ups, Universitäten, Wirtschaft wurden (und werden) durchgeführt.

10 ca. 76‘000 EinwohnerInnen)11 Weitere Informationen zum Projekt: (Gadze, 2018)12 https://www.stadt.sg.ch/home/gesellschaft-sicherheit/leben-schweiz/bewilligungen/mitsprache-partizipation.html

30 Möglichkeiten der Partizipation

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Entwicklung einer Innovationsarena "Digital Demo Stockholm" in Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Wissenschaft.

Seit 2013 haben StockholmerInnen die Möglichkeit, defekte Infrastruktur oder Probleme im öffentlichen Verkehr via App zu melden. Um die Dialogmöglichkeiten mit der Bevölkerung zu verbessern, wird in (baulichen) Planungsprozessen der digitale Bürgerdialog angeboten: Baupläne und Modelle können online eingesehen und eigene Rückmeldungen direkt eingegebenbzw. die Ideen anderer Interessierter kommentiert werden13.

5.5. Wien / Österreich

Wien ist die Smart City-"Vorzeigestadt" par excellence und Partizipation ein wichtiger Aspekt der Rahmenstrategie (Magistrat der Stadt Wien, 2014). Die Strategie selbst wurde aufbauend auf einem breiten Stakeholderprozess und unter Einbezug verschiedener Gestaltungsbereiche der Stadt erarbeitet. Der partizipative Prozess beinhaltete:

Zahlreiche Gruppendiskussionen Themenworkshops Interviews mit über 100 Expertinnen und Experten

In den Strategiezielen ist festgehalten „Wien ist nur dann smart […], wenn […] Mitsprache und Mitgestaltung die Entwicklung der Stadt prägen: Smart City heisst Raum schaffen für lokal angepasste Lösungen und Eigeninitiative, sowie die Möglichkeit, die eigene Stimme bei den Entwicklungsprozessen in der Stadt zur Geltung bringen zu können-“ (Magistrat der Stadt Wien, 2014, S. 15).

Einige Partizipationsinitiativen und Projekte sind nachfolgend kurz aufgeführt (Magistrat der Stadt Wien, o. J.).

Aktionsprogramm "Grätzloasen", bei dem Ideen auf der Webseite grätzloase.at für die Belegung des öffentlichen Raums eingeben werden können. Drei- bis viermal jährlich wählt eine Jury Projekte aus, die umgesetzt werden. Die Umsetzung der Projekte durch die Bevölkerung wird von einem Verein (Lokale Agenda 21 Wien) durch Beratung und Projektplanung unterstützt.

„Smarter Together“ - ein Leuchtturmprojekt im Rahmen des EU-Forschungsprogramms Horizon2020, das im Quartier Simmering technische und soziale Innovation zur nachhaltigen Stadterneuerung leisten soll. Das Projekt beinhaltet über 40 Einzelprojektein den Bereichen Gebäudesanierung, Energiesysteme, E-Mobilität oder auch innovatives Datenmanagement. Partizipationsbeispiele beinhalten einen Mobilitätsanlass "Beat the Street" mit der Teilnahme von 11 Schulen (6000 Teilnehmende) oder auch Mieterbeteiligung bei Gebäudemodernisierungen. Die Stadt arbeitet dabei mit verschiedenen Partnern wie der "Gebietsbetreuung Stadterneuerung GB* 3/11", einem bestehenden Netzwerk an Nichtregierungsorganisationen und Firmen wie Siemens zusammen.

Forschungsprojekt WAALTeR (Wiener Active & Assisted Living TestRegion), zur sozialen Integration und Mobilität von älteren Leuten, in dem die Betroffenen präventiv an Technologie herangeführt werden, so dass im Bedarfsfall keine Hemmschwellen mehr vorhanden sind. Kernstück ist ein digitales schwarzes Brett für die Nachbarschaft.

13 Information zu weiteren Projekten (mit weniger Relevanz zu Partizipation; in Englisch): https://international.stockholm.se/governance/smart-and-connected-city/how-the-smart-city-develops

Möglichkeiten der Partizipation 31

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Projekt "Wien gibt Raum" zur Vereinfachung der Bewilligungsverfahren ("one-stop-shop")für die Nutzung des öffentlichen Raums, bei dem verwaltungsintern die Prozesse neu organisiert wurden, um eine einfache Kundenschnittstelle zu schaffen. Das Projekt hat zum Ziel, die Nutzung des öffentlichen Raums für NutzerInnen zu vereinfachen.

"Sag’s Wien"-App, um Meldungen an die Stadtverwaltung schnell und einfach zu erfassen.

Webseite www.wiengestalten.at, die auf einen Blick aufzeigt, wo in Wien die Mitgestaltung möglich ist - (>1500 Einträge). Bereits bestehende Projekte sind geographisch verortet (Open Government Data-Initiative) und können in Kartensicht abgerufen werden.

Aufgrund der Erfahrungen in Wien hat die Stadt im Jahr 2012 ein "Praxisbuch Partizipation"(Arbter, 2012) veröffentlicht. In einem grösseren, landesweiten Kontext hatte die "Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik" bereits früher, im Jahr 2005, ein "Handbuch Partizipation" sowie "Strategieblätter Partizipation" erarbeitet, um den Begriff der Partizipation zu schärfen, das Bewusstsein für Partizipation in der Öffentlichkeit und bei EntscheidungsträgerInnen zu stärken und Fachpersonen konkrete Handlungsanleitungen zur Verfügung zu stellen. Nachfolgend sind einige Kernpunkte aus diesen zwei Dokumenten aufgeführt (in Ergänzung zu Kapitel 3).

BürgerInnen können sich als Einzelpersonen oder auch als VertreterInnen von Gruppen in einen Entscheidungsfindungsprozess einbringen. Beteiligungsprozesse können auf unterschiedlichen Ebenen zum Tragen kommen. Auf einer obersten Entscheidungsebene können Akteure bei der Erarbeitung von Strategien, Leitbildern, strategischen Prozessen oder auf rechtlichen Grundlagen mit einbezogen werden. Auf einer etwas konkreteren Ebene können Beteiligungsprozesse auf der Ebene von Massnahmenbündeln, Plänen oder Programmen zum Einsatz kommen. Eine dritte Entscheidungsebene sind konkrete Projekte (vgl. dazu Abbildung 12).

Abbildung 12: Ebenen des Beteiligungsprozesses am Beispiel von WienQuelle: (Arbter u. a., 2005, S. 9)

Die Beteiligungsmöglichkeiten in partizipativen Prozessen sind nicht immer gleich weitreichend (vgl. dazu auch Abbildung 4). Die Möglichkeiten reichen von der informativen Beteiligung zur Konsultation und zur Mitbestimmung. Während die informative Beteiligung kaum Möglichkeiten zur Entscheidungsbeeinflussung aufweist, können in der konsultativen Partizipation Ideen, Vorschläge und Rückmeldungen eingebracht werden. Nur die höchste Stufe der Mitbestimmung

32 Möglichkeiten der Partizipation

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lässt zu, dass Betroffene und Interessierte aktiv Entscheidungsrechte wahrnehmen können(Arbter u. a., 2005).

Im Anhang I aufgeführt ist eine Checkliste für partizipative Prozesse, die unter Leitung des ÖGUT (Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik) erarbeitet wurde. Anhang II enthälteine Übersicht von vorgeschlagenen Partizipationsgefässen (vergleiche dazu auch Kapitel 4).

5.6. Wil SG

Die Stadt Wil14 führte im Jahr 2018 ein Smart City-Projekt mit dem Ziel durch, einen Smart City-Transformationsprozess zu starten und unter Einbezug der Bevölkerung eine Rahmenstrategie mit geeigneten Massnahmen zu formulieren. Ausgangslage für diesen Prozess war ein politisches "Smart City-Postulat" sowie der Antrieb, bis 2022 Energiestadt Gold zu werden. Kernstück des Projekts war eine konsultative Form der Bevölkerungsbefragung, der "Smart Community Dialog"15, der von der externen Beratungsfirma consign agency für die Stadt Wil entwickelt wurde. Die Stadt beschreibt das Projekt wie folgt:

„[…]Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Wil [können] mit einem fiktiven Blick aus der Zukunft angeben, welche Aspekte des Smart City Wheel [nach Boyd Cohen] für die Erreichung einer nachhaltigen Stadt besonders wichtig waren. Die Einschätzungen der Bevölkerung werden später mit den Blickwinkeln der Expertinnen und Experten der Stadtverwaltung in Beziehung gesetzt. Unter Einbeziehung bestehender Dokumente wie Legislaturziele und Energiestadt Massnahmen wird die Rahmenstrategie redigiert (verfasst).“ …. „Die befragte Person beantwortet jeweils eine geschlossene Frage zu den sechs Dimensionen [des Smart City Weels] und gibt an, in welchem Ausmass ihrer Ansicht nach diese Dimension zur Erreichung der nachhaltigen Gesellschaft beigetragen hat […] Mit den Fragen zu den Dimensionen werden die einzelnen Dimensionen auch vorgestellt.“ [….] [In den nächsten Fragen] werden die sechs Dimensionen in einer Reihenfolge entsprechend ihres Beitrages zur nachhaltigen Gesellschaft geordnet, am wichtigsten, am zweit wichtigsten… und so weiter. […] Perspektivengespräche (Experteninterviews), die in der Grundsystematik jenen ähneln, die in den Befragungen der Bevölkerung zum Einsatz kommen, werden mit den Experten und Expertinnen der Stadtverwaltung und den politischVerantwortlichen geführt; wobei hier fachlich in die Tiefe gegangen wird, bis auf die Ebene der einzelnen Indikatoren. Das Ziel der Perspektivengespräche ist, für alle Dimensionen des Smart City Wheels Ziele und auch möglichst konkrete Massnahmen zu formulieren, deren Umsetzung messbar sein sollte." (Stadt Wil, 2018)

Der Smart Community-Dialog wurde im Rahmen des etablierten Sensibilisierungsprogramms "Spiel Energie" durchgeführt. Das Programm besteht seit 2016 und verbindet bestehende und neue Publikumsanlässe, Dienstleistungen und Aktionen unter einem Dach mit dem Ziel, Energiethemen spielerisch zu vermitteln. Die Bevölkerung wurde am Wiler Spielfest, am Solarcup und in der Jugendsolarwoche befragt.

Unterstützend wurde ein sogenanntes "urban audit" durchgeführt16. Durchgeführt wurde die Befragung von Passanten zur Feststellung der aktuellen Lebensqualität durch Oberstufenschüler. Die teilnehmenden Personen gaben an, in welchem Ausmass welche Dimension zum Smart City-Transformationsprozess beigetragen hatte und welche dieser

14 ca. 24‘000 EinwohnerInnen

15 Die Vorgehensweise in Wil erhielt beim Wettbewerb «kommune.digital» an der CEBIT 2018 in Hannover den zweiten Platz.16 Der ‚urban audit‘ ist in der EU häufig eingesetztes Befragungsformat zur Feststellung der aktuellen Lebensqualitäteiner Stadt. In der Schweiz haben Bern, Zürich, Basel und Luzern damit die Lebensqualität in ihrer Stadt erhoben.

Möglichkeiten der Partizipation 33

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Dimension (z. B. Mobilität, Wirtschaft, Verwaltung) auf dem Weg zu Smart City erste, zweite, dritte oder untergeordnete Priorität hat.

Parallel zur Befragung der Bevölkerung wurden die Mitglieder des Stadtrates und die Departementsleitenden zu den Arbeitsbereichen des Smart City Wheels befragt. In einer gemeinsamen Bewertung ergibt sich daraus, welche Aspekte des Smart City Wheels für Wil sehr wichtig, wichtig oder weniger wichtig sind. So startet der Smart City-Transformationsprozess in Wil genau in jenen Bereichen, die für die Bevölkerung und Stadt am meisten Nutzen versprechen. Diesen Bereichen wurden Massnahmen entsprechend den von Bewohnern und Stadtverwaltung gemeinsam gesetzten Prioritäten zugeordnet (Abbildung 13).

Abbildung 13: Smart City Prioritäten Wil – Verwaltung und PolitikQuelle: (Juen & Grötzinger, 2018, S. 12)

Der Smart City-Transformationsprozess in Wil soll rasch fortgesetzt werden. Geplant sind folgende Massnahmen mit partizipativen Elementen (weitere Massnahmen ohne partizipativen Ansatz sind nicht aufgeführt):

Ein smartes Quartier bietet hohen Wohnkomfort mit energieeffizienten Rahmenbedingungen und fördert die Vergemeinschaftung der Bewohnerschaft.

Ein online Nachbarschaftsnetzwerk fördert die Gemeinschaft der Bewohner und BewohnerInnen in den Quartieren und ganz Wil. Damit können gemeinsame Interessen besser verwirklicht sowie Gebrauchsgegenstände und Hilfeleistung getauscht werden.

Insbesondere für ältere Menschen wird Beratung zur Digitalisierung angeboten und der Austausch mit jungen Leuten gefördert. Angedacht ist die Etablierung einiger Coworking-Arbeitsplätze.

5.7. Winterthur

Winterthur17 engagiert sich seit einigen Jahren in der Smart City-Thematik und hat die stadtinterne Zusammenarbeit zum Thema anfangs 2018 in einer Smart City-Strategie formalisiert (weitere Informationen dazu in Kapitel 5.10). Diese Strategie wurde stadtintern (inkl. Stadtwerk Winterthur) mit Unterstützung der ZHAW, aber ohne weiteren Einbezug zusätzlicher Akteure ausgearbeitet. Der Einbezug interessierter Akteure soll projektorientiert und nach Bedarf erfolgen.

17 ca. 110‘000 EinwohnerInnen

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Von den fünf durch die Stadt Winterthur mitfinanzierten Projekten im 2018 (im Rahmen des Smart City Budgets) haben zwei einen starken partizipativen Bezug:

das Quartier Neuhegi ist ein neu entstehendes Quartier mit partizipativem Konzept für den Aussenraum: die Bevölkerung ist dazu aufgerufen, ca. 50% des vorhandenen Aussenraums mitzugestalten. Das Projekt ermöglicht im Weiteren die Erstellung einer Quartierapp, um den Austausch der QuartierbewohnerInnen zu unterstützen.

KundInnen des Steueramts sollen neu per Chat, Screen-Sharing-Technologie und Videotelefonie mit dem Steueramt in Kontakt treten können.

Ein Instrument, um direkt mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten, ist in Winterthur bereits etabliert: Die App der Stadt Winterthur, die nebst News, Dienststellenverzeichnis, Stadtplan, Veranstaltungskalender, kulturellen Einrichtungen auch den "Stadtmelder" enthält, über den EinwohnerInnen die Stadt über Störungen der Infrastruktur informieren können.

5.8. Zürich

Partizipation ist einer von drei Schwerpunkten in der Smart City-Strategie der Stadt Zürich18, dieEnde November 2018 erstmals öffentlich vorgestellt wurde. Die stärkere Vernetzung der Stadtverwaltung mit der Bevölkerung soll dabei die Partizipationsmöglichkeiten stärken und den Kontakt mit den Behörden vereinfachen. Geplant ist z.B. ein zentrales Partizipationsportal zu entwickeln, über welches die Bevölkerung einfachen Zugang zu den existierenden Möglichkeiten der Mitwirkung erhält. Insbesondere die digitale Partizipation soll dabei erprobt und etabliert werden (Stadtrat, Stadt Zürich, 2018). Zürich ist zudem regelmässiger Gastgeber verschiedener Ideenwettbewerbe im Bereich digitaler Technologien (hackathlons, makeathons, brainhacks etc.).

Initiative der Community Tsüri.ch

Im Fall von Zürich soll auch eine Partizipationsinitiative erwähnt werden, die ausserhalb der Verwaltung angestossen wurde: Die Community Tsüri.ch, die von Journalisten und aktiven Mitgliedern geführt wird, hat im 2017/2018 eine Veranstaltungsreihe zum Thema "Smart City und Partizipation" durchgeführt. Hintergrund war, dass das Thema "Smart City" vor den Wahlen im Jahr 2016 stark politisch verwendet wurde, jedoch niemand genau wusste, was "Smart" beinhaltete. Der Eindruck der Community war, dass Smart City eine Entwicklung ist, die "sowieso kommt" und es sinnvoll ist, jetzt darüber zu reden, bevor die Thematik einseitig von (Wirtschafts-)Akteuren besetzt ist.

Ziel der verschiedenen Partizipationsanlässe war vorwiegend, die interessierte Bevölkerung über die Thematik zu informieren (z.B. durch Fachreferate) sowie auch Fragen nachzugehen, was smart eigentlich bedeutet und was die Bedürfnisse der Community sind. Themen die diskutiert wurden, waren beispielsweise Aspekte wie Lebensqualität, Effizienzfragen, aber auch technische Punkte wie z.B. wo Daten gespeichert und abgelegt werden sollen (internationaler Datenaustausch).

Ein wichtiges Thema an den Anlässen war die Thematik der Inklusion und z.B. die Fragen, wie Sans Papiers oder auch ältere Menschen ohne digitalen Zugang an einer Smart City teilhaben können oder ob Smart City ein kommerzielles Produkt ist/wird, von dem nur wirtschaftlich interessante Bevölkerungsgruppen profitieren. Ein Ansatz der diskutiert wurde, war die Thematik des opt-in/ opt-out und die Möglichkeiten, an einer Smart City als BürgerIn bewusst nicht teilnehmen zu wollen (Ansatz opt-in statt opt-out).

18 409‘000 EinwohnerInnen

Möglichkeiten der Partizipation 35

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Eine wichtige Erkenntnis der Veranstaltungsreihe war, dass die BewohnerInnen nicht unbedingtein fertiges Smart City-Produkt wollen, sondern bereit sind, an der Entwicklung von Smart City-Produkten mitzuarbeiten. Der Einbezug der BürgerInnen scheint dann möglich, wenn es gelingt, die Erwartungshaltung von einer Konsumhaltung hin Richtung Beitragshaltung "Was kann ich bewirken?" (z.B. App "Züri wie neu" die als "Motz-App" verstanden wurde) wegzubewegen.

Die vollständigen Resultate des Community-Austauschs sind in einem Manifest zusammengetragen. Das Manifest findet sich in Anhang III.

5.9. Expertenmeinungen und Kurzbeispiele

Fabienne Debrunner, Social Innovation Lead at Climate-KIC19 empfiehlt, sich bei Partizipationsarbeit auf diejenigen Beteiligten zu konzentrieren, die Lust haben, Teil eines Projekts zu sein. Ihrer Erfahrung nach stimmt die Einschätzung des deutschen Sozialpsychologen Harald Welzer, dass für 80% der Betroffenen alles gut ist, 10% sich gegen alle Änderungen stemmen und nur 10% "dafür" sind. Ihrer Meinung nach soll sich eine Stadt auch überlegen, ob sie alles (Dienstleistungen) selbst anbieten soll, oder ob gewisse Aktivitätenvon EinwohnerInnen übernommen werden können.

Sie empfiehlt den "Engaged Citizen Award"20 als gutes Beispiel einer europäischen Initiative. Jedes Jahr werden Städte für Partizipationsstrategie auszeichnet, welche die Bevölkerung und Interessensgruppen vorbildlich einbinden. Einige Beispiele dafür sind:

Bologna, Italien: Bürokratische Hürden verhinderten, dass Bürgerinnen aktiv den öffentlichen Raum gestalten und aufwerten konnten. Die Stadt führte eine neue Regelung ein, die es Interessierten ermöglicht, einen Vertrag mit der Stadt einzugehen, um öffentliche Räume zu revitalisieren. Die Stadt stellt dabei Material, Werkzeuge und Finanzplanungen zur Verfügung, die EinwohnerInnen ihr Können und ihre Zeit. Im Rahmen des Programms sind bisher über 400 Projekte umgesetzt worden.21

Tulsa, Oklahoma, USA: Die Stadt gründete die Gruppe "Urban Data Pioneers", um vorhandene Datensätze zu analysieren, da sie selbst nicht genug Ressourcen zur Verfügung hatte, um diese Aufgabe selbst vorzunehmen. Die Gruppe aus EinwohnerINnen unterstützte damit die Stadt, vorhandene Daten auszuwerten und in Verwaltungsentscheide der Stadt einfliessen zu lassen. Die Stadt konnte dadurch z.B. die Verbreitung von Feuerbrand an Pflanzen eindämmen, Verkehrsflüsse verbessern undin gewissen Quartieren gezielt die Bildung (Leseverständnis) fördern.

Helsinki, Finnland: Helsinki hat einen hohen Prozentanteil an BewohnerInnen mit Migrationshintergrund. 25% der jungen Migranten sind arbeitslos bzw. besuchen keine Schule und haben ein höheres Risiko, an psychischen Krankheiten zu erkranken. Die Stadt entwickelte stadtweite Programme mit Fokus auf jugendliche MigrantInnen, indemsie ein 30-köpfiges Team bestehend aus Jugendarbeitern, Polizistinnen, aktiven Einwohnern, Policy-Expertinnen sowie ein 10-köpfiges Expertenteam aus jugendlichen MigrantInnen aufbaute. Die Stadt nutze diese zwei Gruppen, um Informationen zu

19 Climate-KIC (Knowledge, Innovation, Community), ist ein von der EU unterstützter ‚Private-Partner-Ownership‘, der sich für die Vision Null-Emissionen einsetzt. Die Organisation fördert Start-ups, setzt Initiativen um und unterstützt Innovations-Communities, um die Klimaziele möglichst schnell zu erreichen.20 https://engagedcitiesaward.citiesofservice.org/2018-engaged-cities-award/21 Ein ähnliches Projekt ist das Bürger-Stadtlabor „Nexthamburg“ in Hamburg, eine Crowdfunding Plattform, die sich mit Stadtentwicklung beschäftigt. Nebst Geldspenden können interessierte BürgerInnen auch Zeit oder Material spenden. Der ‚Stadtmacher‘, ein daraus entstandenes Projekt unterstützt die BürgerInnen dabei, lokale Projekte umzusetzen, sofern sie genügend online Unterstützung erhalten.

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Bedürfnissen zu erhalten und mit dieser Information neue Projekte und Initiativen zu initiieren. Als Resultat wurden 13 Pilotprojekte ins Leben gerufen wie z.B. ein Mentoringprogramm, eine Jobvermittlungsplattform, eine Initiative um die Eltern der jungen Leute zu erreichen etc.

Es gibt zahlreiche weitere internationale partizipative Smart City Beispiele – auch im technologisch weit fortgeschrittenen, asiatischen Kontext – die im Rahmen dieser Studie nicht weiter ausgeführt werden können. Internationale, weniger erfolgreiche Smart City-Beispiele zeigen, dass Aspekte missglückter Partizipation häufig Gründe sind, die zum Abbruch von Projekten führen. In einer internationalen Studie (Anthopoulos, 2017) werden Beispiele aufgeführt, die aufgrund eines Mangels an Zusammenarbeit bzw. Missverständnisse zwischen Akteuren oder Akteurengruppen, aus missverstandenen Kundenbedürfnissen oder ungenügendem Bevölkerungseinbezug nicht realisiert werden konnten.

Anja Schulze, Professorin für Technologie und Innovation und Mitglied der Digital Society-Initiative nennt im Gespräch einige interessante Punkte, die sich von ihrer Forschung in Firmen auf Städte übertragen lassen könnten. Auch Firmen versuchen, Externe ("crowd") einzubeziehen, um bessere Lösungen zu erhalten. Dies geschieht häufig über Wettbewerbe. Da jedoch jeweils nur Wenige solche Ideenwettbewerbe gewinnen können, stellt sich für Firmen dieFrage, wie die Leute langfristig zur Teilnahme motiviert werden können. Die Forschung zeigt dabei, dass fast alle Teilnehmenden teilweise intrinsisch, teilweise extrinsisch motiviert sind. Dies bedeutet für Firmen – wie möglicherweise auch für Städte – dass die Feedbackkultur und die Begründung "Weshalb soll ich mitmachen?" (Spass, Geld, gute Sache etc.) bei partizipativenAnsätzen sehr wichtig sind. Ein wichtiger, nicht zu unterschätzender Aspekt ist auch, dass sich durch den Einbezug von Externen teilweise die Rolle der internen Mitarbeitenden ändert. Habenbisher die internen Fachleute Ideen kreiert oder Entscheidungen getroffen, kann dies bei partizipativen Modellen plötzlich von aussen übernommen bzw. gesteuert werden. Schulze siehtdeshalb auch die Kommunikation gegen innen als sehr wichtigen Aspekt bei Partizipationsprojekten an.

Die ZHAW unterstützt die Stadt Winterthur in Smart City-Bereichen und erarbeitet momentan einen Smart City-Leitfaden. Die laufenden Arbeiten am Smart City-Leitfaden weisen darauf hin, dass Partizipation ein Thema ist, welches von verschiedenen StädtevertreterInnen der Begleitgruppe als sehr wichtiges Thema und als Herausforderung betrachtet wird. Fragen, die sich stellen, sind z.B. wie die Bedürfnisse der Bevölkerung (oder weiterer Ansprechgruppen) erkannt werden können, wann der richtige Zeitpunkt für einen Einbezug ist und ob eine Mitwirkung der Bevölkerung oder Externer überhaupt sinnvoll ist. Interessant ist, dass die verschiedenen Mitglieder der Begleitgruppe den Einbezug Externer bzw. der Bevölkerung zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Smart City-Prozess anstreben: Teilweise wird ein früher Einbezug favorisiert (z.B. um die Bedürfnisse spezifischer Zielgruppen wie Jugendliche zu kennen), teilweise steht der Einbezug externer Akteure am Ende der Smart City-Einführung (z.B. um dann zum Thema Begeisterung zu wecken). Als sinnvoll wird von der Begleitgruppe erachtet, die Bevölkerung z.B. mittels Veranstaltungen zum Thema zu sensibilisieren.

5.10. Organisatorische Smart City Strukturen

Städte betten die Smart City-Thematik unterschiedlich in die Verwaltungsstrukturen ein. Je nach vorhandenen Ressourcen und Smart City-Selbstverständnis (vgl. auch Kapitel 2.1) unterscheiden sich die Organisationsstrukturen voneinander.

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zeigt in der Übersicht, wie verschiedene angefragte Städte Smart City-Aktivitäten stadtintern organisieren und welche Aufgaben diese Gruppen und Gremien haben.

Tabelle 5: Smart City OrganisationsstrukturenQuelle: Zusammengestellt durch novatlantis

Stadt Smart City Gremium / Gruppe Aufgaben Sitzungs-rhythmus

Budget

Basel Smart City Arbeitsgruppe; Fach- und Führungspersonen aus verschiedenen interessierten Abteilungen

Erarbeitung von Handlungsgrundlagen (z.B.Rahmenstrategie); Fokus Smart Government

Regel-mässig

Keine Informationen

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St. Gallen Programmkoordination, gesteuert durch Smarten Stadtlenkungsausschuss, SSLA22; Mitglieder aus verschiedenen Abteilungen undHierarchiestufen

Sensibilisierung innerhalb der Verwaltung, Strukturierung der Thematik, Themenfelder abstecken, Koordination

Ca. 5 x jährlich

Keine Informationen

Wil Anwendung der Organisationsstruktur "Arbeitsgruppe Energiestadt" (Vertretung Bau, Umwelt, Verkehr, Versorgung und Sicherheit)

Aktivitätsprogramm, Zuständigkeiten, Budget -> Ziel einer breit abgestützten Organisationsentwicklung und Organisation

Mehrmals jährlich

Keine Informationen

Winterthur Innovationsgruppe & Lenkungsausschuss; interdepartementale Vertretungauf unterschiedlichen Stufen

Projektbewertung, Budgetvergabe, strategische Smart City Fragen

6-8 x jährlich

200‘000 CHF jährlich (Legislatur-periode)

Zürich Smart City Team, Smart City Arbeitsgruppe(n), Projekt-gruppe(n), Innovationsteam(n) und Smart City Lab

Smart City Team: operative Umsetzung der Smart City Strategie

Nicht bekannt

2019 – 2022: gesamt 1.405 Mio23 CHF

Gassmann u. a. (2018) empfehlen in einem aktuellen "Leitfaden für die Smart City Transformation", auf strategischer Ebene ein amts- und abteilungsübergreifendes Projektteam für Smart City-Projekte zusammenzustellen. Ein solches Projektteam soll die Kompetenzen für die "übergreifende Steuerung und Strategieentwicklung" abdecken. Gleichzeitig weisen sie auf die Herausforderung hin, bei konkreten Smart City Projekten-Projektkonsortien in der Grössenordnung von 30 und mehr Partnern zu koordinieren.

Städtebeispiele

In St. Gallen werden die Smart City-Aufgaben und -Verantwortlichkeiten (geordnet nach den Themenfeldern des Smart City Wheels) den verschiedenen Direktionen zugeordnet und durch den Smarte-Stadt-Lenkungsausschuss gesteuert (vgl. Abbildung 14 und Abbildung 15).

22 Dem SSLA ist eine ‚Impulsgruppe‘ unter der Leitung der St. Galler Stadtwerke vorausgegangen, die aus Vertreterinnen der Direktionen der Stadt bestand und Smart City Verständnis und Ziele intensiv diskutierte. Erste Pilotprojekte zeigten auf, dass diese Gruppe zu eng gefasst war um den Ansprüchen zu genügen, so dass der SSLA alsoffizielles Smart City Gremium eingesetzt wurde (Gassmann, Böhm, & Palmié, 2018, S. 144).23 Nachtragskredit, zum Zeitpunkt der Studienerstellung noch nicht genehmigt; davon Innovationskredit: 2.9 Mio CHF, Innovationsbox: 530‘000 CHF, Fellowships: 700‘000 CHF

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Abbildung 14: St. Gallen: Zuordnung von Aufgaben und VerantwortlichkeitenQuelle: (Gassmann u. a., 2018, S. 146)

Abbildung 15: Organisationsmodell Smart City St. GallenQuelle: (Gassmann u. a., 2018, S. 147)

Ähnlich ist auch die Stadt Winterthur organisiert, wie Abbildung 16 zeigt.

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Abbildung 16: Organisationsmodell Smart City WinterthurQuelle: (Stadt Winterthur, 2018, S. 17)

Die strategische Steuerung liegt beim stadträtlichen Informatikausschuss (SIA), der – auf Grundlage von Inputs des Innovationsteams – Ziele festlegt, Richtungsentscheide fällt und Themen-Schwerpunkte setzt. Das Innovationsteam "Smart City" besteht aus Führungspersonenverschiedener Departemente und verfügt über ein jährliches Budget von 200‘000 CHF (über dieaktuelle, vierjährige Legislaturperiode). Das Budget wird für verwaltungsinterne oder externe einjährige Pilot- und Innovationsprojekte genutzt, die aus der Verwaltung heraus angestossen werden24. Nebst der Projektselektion nimmt das Innovationsteam verschiedene weitere Aufgaben wahr:

Austauschplattform für Projekte und Smart City Aktivitäten Initiierung und Monitoring von Smart City Projekten Bewertung von Anträgen zur Verwendung des Innovations-Kredits Empfehlung zur Unterstützung von Projekten zuhanden des Steuerungsausschusses Innovationsförderung innerhalb der Stadtverwaltung Winterthur Leadership im Thema Smart City Winterthur Vernetzung auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene Ansprechpersonen in Sachen Smart City im eigenen Departement Information zu Smart City Winterthur im eigenen Departement

(zitiert aus: (Stadt Winterthur, 2018, S. 15))

Nebst der Innovationsgruppe wird momentan eine Smart City-Fachstelle geschaffen, die sich um Vernetzungs-, Kommunikations- und Koordinationsaufgaben in den Bereichen Smart City und Digitalisierung kümmert. Diese Fachstelle (100%) soll folgende Aufgaben übernehmen:

Programmleitung Smart City Winterthur Leadership im Thema Smart City Winterthur Zentrale Anlaufstelle für alle Akteure im Thema Smart City Winterthur Initiierung und Koordination von Smart City Aktivitäten Beratung und Unterstützung der Departemente und Bereiche bei Smart City Vorhaben

24 Interne Lohnkosten werden durch das Smart City Budget nicht gedeckt; auch allgemeine Abklärungen oder Studien werden eher nicht unterstützt.

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Führen eines Smart City Projektportfolios Monitoring von Trends und Möglichkeiten Vernetzung auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene / Aufbau und Pflege

eines Partner-Netzwerks Controlling des Innovations-Kredits Smart City Externe Kommunikation zu Smart City Winterthur im Auftrag des

Steuerungsausschusses Interne Kommunikation zu Smart City Winterthur

(zitiert aus: (Stadt Winterthur, 2018, S. 15))

In Zürich sieht die geplante Smart City-Struktur ein Smart City-Team (bestehend aus 400 Stellenprozenten) sowie Innovationsteam(s), Arbeits- und Projektgruppen sowie ein Smart City Lab vor (vergleiche Abbildung 17).

Abbildung 17: Organisationsstruktur Smart City ZürichQuelle: (Stadtrat, Stadt Zürich, 2018, S. 6)

Angesiedelt ist das Smart City-Team beim Präsidialdepartement. Die Steuerung erfolgt via Wirtschaftsdelegation, die um den Vorsteher des Gesundheits- und Umweltdepartements ergänzt wird. Die Stadt Zürich plant25, einen Innovationskredit zur Projektförderung, der innovative Projekte in der Stadtverwaltung mit einer Anschubfinanzierung unterstützt, zu schaffen. Die Obergrenze je Projekt liegt dabei bei 150‘000 CHF. Projekte sollen dabei idealerweise von verschiedenen Dienstabteilungen gemeinsam eingereicht werden. Zusätzlich werden innovative Ideen von Mitarbeitenden der Stadtverwaltung im Rahmen eines "Innovationsbox"-Programms gefördert, indem den Mitarbeitenden Zeit, Coaching und ExpertInnenexpertise zur Verfügung gestellt wird, um Ideen weiterzuentwickeln. Der Einbezug externer Expertinnen und Experten während 6-12 Monaten im Rahmen eines "Innovation Fellowship"-Programms in der Stadtverwaltung soll zusätzliche Impulse setzen.

25 Das Budget war zum Zeitpunkt der Berichterstellung noch nicht genehmigt.

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6. Empfehlungen für Aarau - Portfolio der Möglichkeiten

Die Expertinnen und Experten, die im Rahmen dieser Studie angefragt wurden, sind sich einig, dass Partizipation für die Entwicklung einer smarten Stadt – unabhängig von Grösse und verfügbaren Ressourcen – grundsätzlich positiv ist. Einig sind sich die Fachleute auch darin, dass Partizipation insbesondere bei konkreten Planungs- und Umsetzungsprojekten Sinn macht, wo die betroffenen und interessierten Personen aktiv an der Planung teilnehmen und mitbestimmen können.

Weniger einheitlich sind die Meinungen, wenn es um die Partizipation bei übergeordneten konzeptionellen oder strategischen Themen geht. Einige grosse Städte im Ausland wie Wien oder Stockholm haben ihre Smart City-Strategien unter aktivem Einbezug der Bevölkerung in mehrjährigen Prozessen erfolgreich gestaltet. Andere Städte in der Schweiz. wie St. Gallen, Winterthur oder Basel, haben ihre Strategien bewusst ohne den Einbezug der Bevölkerung oderauch externen ExpertInnen erarbeitet. Wil als weiteres Schweizer Beispiel hat die Bevölkerung bei der Smart City-Planung zwar mit einbezogen, jedoch nicht im Rahmen einer Kooperation, sondern eher einer Information und Konsultation (vgl. Kapitel 5.6).

Klar scheint, dass es keine Einheitslösung gibt, die für alle Städte passt. Sollen externe Akteureoder sogar die breite Bevölkerung bereits in einer Anfangsphase mit einbezogen werden, ist es jedoch wichtig, sich als Stadt des zeitlichen und finanziellen Aufwands bewusst zu sein. Die Intentionen gegenüber den unterschiedlichen Akteuren und der allgemeinen Bevölkerung sollenklar und frühzeitig kommuniziert werden, so dass für die Betroffenen und Interessierten ersichtlich ist, in welchem Rahmen Rückmeldungen oder Mitwirkungen erwünscht und möglich ist.

6.1. Einsatz von unterschiedlichen Gefässen

Partizipative Entscheidungsprozesse können mit Unterstützung verschiedenster Methoden und Module durchgeführt werden (vgl. Kapitel 4). Wie in Tabelle 3 ersichtlich, können verschiedene Module modular im Rahmen der unterschiedlichen Methoden eingesetzt werden. Bei der Anwendung dieser verschiedenen Methoden gibt es kein "Richtig" oder "Falsch", sondern nur mehr oder weniger geeignete Hilfsmittel, um einen partizipativen Prozess erfolgreich umzusetzen. Je nach verfügbarer Zeit, vorhandenem Budget, der Fragestellungen sowie eigenen Präferenzen eignen sich unterschiedliche Methoden.

Voraussetzung für die erfolgreiche Methodenanwendung ist jedoch immer die Identifikation der relevanten Akteure, klare Zielsetzungen und eine professionelle Fach- und Moderationsbegleitung. In Tabelle 6 sind die verschiedenen Methoden in einem Bewertungsraster aufgeführt, das einen einfachen Vergleich zwischen den Alternativen ermöglicht.

Wichtig ist bei der Methodenwahl auch der Wert des direkten Dialoges. Der Austausch, die gemeinsame Vernetzung, der "common ground", der insbesondere bei grossen Partizipationsprozessen entsteht, ist bei partizipativen Prozessen von unschätzbarem Wert. Diese gemeinsame Basis entsteht bei E-Partizipation in einem viel geringeren Umfang. E-Partizipation eignet sich deshalb vor allem in Kombination mit anderen Methoden.

Zu beachten sind auch Aufwand und Ertrag. Beispielsweise erscheint die aufsuchende Partizipation auf den ersten Blick bestechend. Es werden Leute erreicht, die sich sonst nicht beteiligen oder es können auch ganz bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Jugendliche, Fremdsprachige oder politisch eher uninteressierte Personen, erreicht werden. Wenn an einem

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Fest 300 Interviews gemacht werden, ist das bereits ein enormer Aufwand, von der Auswertungganz zu schweigen. Bei den Formen des Dialoges ist zu beachten, dass auch hier Moderatoren vor Ort sind und die Dialoge ebenfalls ausgewertet werden müssen.

44 Möglichkeiten der Partizipation

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Tabelle 6: Methodenübersicht und Eignung für AarauQuelle: eigene Darstellung

Methode ZeitpunktZiel-

gruppenBeteiligungs-

formGruppen-

grösseDauer Ressourcen Kosten Smart City Anwendungsbeispiele

Zukunfts-konferenz

Hauptprozess Alle Konsultation, Kooperation

10 -250 1 Tag Mittel Mittel Fragestellungen zu Smart City Strategieschwerpunkten

Real Time SC Hauptprozess Alle Konsultation, Kooperation

10 - 250 1 Tag Mittel Mittel Strategieschwerpunkte und Programm- und Planentwicklung (Massnahmenbündel)

World-Café Jederzeit Alle Konsultation, Kooperation

15 - 250 3 Std. Klein Mittel Reflexionsrunde, Themenvertiefung, Ergebnisse reflektieren

Open Space Hauptprozess Alle Konsultation, Kooperation

50 - 1000 1 Tag Mittel Mittel Vielfältige, kreative Ideen sammeln

Arbeitsgruppen Vorbereitung undFollow-up

Spezifisch Konsultation, Kooperation

5 - 12 2 Std. Klein Klein Themen- und Massnahmen-vertiefung

Runder Tisch Vorbereitung undFollow-up

Spezifisch Konsultation, Kooperation

8 - 15 2 – 3 Std. Klein Klein Fragestellungen an heterogene Gruppen mit starken eigenen Positionierungen

Fokusgruppen Vorbereitung undFollow-up

Spezifisch Kooperation 5 - 10 2 Std. Klein Klein Detailerarbeitung zu spezifischen Themen

Design Thinking Hauptprozess Spezifisch Kooperation 5-~30 3 Tage Mittel Hoch Ausarbeitung konkreter Umsetzungen

Aufsuchende Partizipation

Unterschied-lich

Alle Information Konsultation, Kooperation

Je nach Format

Je nach Format

Hoch Hoch ‚Puls abhören‘, Einbezug schwer erreichbarer Zielgruppen

E-Partizipation Unterschied-lich

Alle Information, Konsultation

>50 offen Je nach Format

Hoch Begleitmassnahmen, Zugang zu Information, Echtzeitaustausch

Ideen-wettbewerb

Hauptprozess Alle Konsultation, Kooperation

Offen > 1 Tag Je nach Umsetzung

Je nach Format

Konkrete Lösungen erarbeiten z.B.für die Anwendung von Open Government Data

Möglichkeiten der Partizipation 45

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6.2. Empfehlungen zur Organisationsstruktur

Die meisten angefragten Schweizer Städte haben ihre Smart City-Organisationsstruktur pragmatisch und teilweise auf bestehenden (Energiestadt-)Strukturen aufgebaut. Alle befragtenStädte setzen nebst einer verantwortlichen Smart City-Stelle (entweder als zusätzliches Mandateiner bestehenden Position oder als eigenständige Stelle) auf interdisziplinäre Gruppen, die ausVertreterInnen verschiedener Abteilungen und Hierarchiestufen (ExpertInnen sowie Führungspersonen) sowie meist VertreterInnen eines Energieversorgers/Stadtwerks bestehen und sich in regelmässigen Rhythmen jährlich mehrmals treffen. Die meisten dieser mehr oder weniger formellen Arbeitsgruppen tauschen sich zum Thema Smart City allgemein aus, diskutieren konzeptionelle und strategische Ausrichtungen, übernehmen Koordinations- und Monitoringsfunktionen und empfehlen in manchen Fällen Smart City-Projekte zur Umsetzung. Insbesondere in Winterthur, wo die Arbeitsgruppe Smart City-Projekte aus der Verwaltung im Umfang von 200‘000 CHF jährlich z.Hd. einer Steuerungsgruppe empfehlen kann, ist eine hohe Dynamik und Motivation zur Thematik vorhanden26. Wie in Winterthur verantworten sich diese Arbeitsgruppen gegenüber Steuerungsausschüssen und/oder direkt dem Stadtrat/Gemeinderat.

Vergleicht man die Ansätze der verschiedenen Schweizer Städte mit möglichen Verwaltungsmodellen aus der Literatur (vergleiche Tabelle 1) erkennt man eine Tendenz zu einervorsichtigen Vorgehensweise, die das Smart City-Thema in die Verwaltung integriert, ohne bestehende Strukturen zu verwerfen. Gleichzeitig gelingt es verschiedenen Schweizer Städten, interne und aktive Akteure für die Thematik zu interessieren und gemeinsame Projekte umzusetzen.

Der Stadtrat hat in Aarau bereits entschieden, dass eine Smart City-Koordinationsstelle geschaffen wird. Diese ist der Sektion Organisation und Strategie der Stadtkanzlei angegliedertund verfügt über Ressourcen im Umfang von 20 Stellenprozenten. Aufgrund des Entscheids des Stadtrats, gehen wir davon aus, dass die Koordinationsstelle die Federführung bei der Erarbeitung der Smart City-Strategie übernehmen wird. Wir empfehlen, dass eine (noch zu bildende) Smart City-Arbeitsgruppe (siehe nächster Abschnitt) die Koordinationsstelle bei der Erarbeitung unterstützten wird27.

Auf Grundlage der Praxiserfahrungen empfehlen wir der Stadt Aarau, dass sich diese Gruppe aus verschiedenen Abteilungen der Stadtverwaltung sowie möglicherweise weiteren Akteuren aus stadtnahen Betrieben zusammensetzt. Überlegenswert könnte der regelmässige oder sporadische Einbezug externer Smart City-ExpertInnen sein, um Impulse aus Forschung, Wirtschaft oder auch anderen Städten einzubringen. Sinnvoll scheint, dass die Steuerung einer solchen Gruppe durch ein bestehendes (politisches) Gremium übernommen werden kann.Tabelle 7 enthält Informationen, wie eine solche Gruppe in einer Anfangsphase aussehen kann. Anpassungen dieser Organisation – oder auch der Wechsel zu einer Struktur ausserhalb traditioneller Verwaltungseinheiten – sind von der Erarbeitung der Smart City Strategie abhängig und können zu einem späteren Zeitpunkt vertieft evaluiert werden.

Tabelle 7: Empfehlungen zu organisatorischen Strukturen einer Smart City Gruppe (verwaltungsintern)

26 Zürich dürfte mit dem grossen verfügbaren Budget ab 2019 ähnliche Erfahrungen machen27 Dies wurde von der Stadt Aarau im Rahmen der Smart City Projekteingabe beim Bundesamt für Energie bereits so postuliert.

46 Möglichkeiten der Partizipation

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Thema Empfehlung für Stadtverwaltung Aarau: Smart City Gruppe

Leitung Smart City Koordinationsstelle (Sektion Organisation und Strategie)

Teilnehmende Breite und gleichmässige Vertretung der verwaltungsinternen Abteilungen in einer Anfangsphase; eine Reduktion der Gruppengrösse – z.B., wenn sich Abteilung im Thema zu wenig wiedererkennen – kann nach einer Initialphase vorgenommen werden

Teilnahme auf Basis der Freiwilligkeit

Hierarchie-stufe

Smart City Vertretungen aus verschiedenen Hierarchiestufen (beides ist sinnvoll, Führungspersonen sowie FachexpertInnen); gleichwertige Entscheidungskompetenz für alle Teilnehmenden innerhalb der Smart City Gruppe

Sitzungs-rhythmus

Regelmässiger Sitzungsrhythmus mit 4-8 jährlichen Sitzungen; z.B. zwei-monatlich in einer Anfangsphase

Steuerung Steuerung einer solchen Smart City-Gruppe z.B. via vorhandenen (politischen) Steuerungsausschuss oder direkt via Stadtratmitglied (z.B. Information an Stadtrat analog zur Leitbildtagung)

Budget Ein Smart City-Budget, über dessen Anwendung eine Smart City-Arbeitsgruppe Empfehlungen abgeben kann, erhöht die Dynamik innerhalb der Gruppe (sowie auch der restlichen Verwaltung); Empfehlung zur Budgetvergabe aus der Smart City-Gruppe(Entscheid: Steuerung)28

Externe Unterstützung

Der Einbezug stadtnaher Betriebe (z.B. Eniwa oder AAR bus+bahn) in eine solche Organisationsstruktur kann sinnvoll sein und wird in vielen Städten erfolgreich praktiziert. Auch punktuelle Expertenimpulse zu spezifischen Themen oder die (kontinuierliche) Teilnahme einer wissenschaftlichen Institution können wertvoll sein.

Der Austausch mit Smart City Städten in der Schweiz (sowie ev. Im Ausland) ist erstrebenswert (insbesondere zu Technologielösungen und zur Übertragbarkeit von bereits getesteten Lösungsansätzen)

Aufgaben Smart City-Strategie: Prozessbegleitung, Unterstützung der Koordinationsstelle

Allgemein: Sensibilisierung und Verständnis der Thematik, Informations- und Wissensaustausch, Diskussion Schwerpunktthemen und Projektpriorisierungen (Empfehlungen z.Hd. der Steuerungsgruppe), Monitoring, Erfahrungsaustausch

Bei vorhandenem Projektbudget: Empfehlung zu Projektumsetzungen z.Hd. der Steuerungsgruppe

Durchführung konkreter Projekte: innerhalb der jeweiligen Abteilungen

6.3. Partizipation auf unterschiedlichen Entscheidungsebenen

Partizipationsprozesse können auf verschiedenen inhaltlichen Ebenen stattfinden und von sehr abstrakten Themen (z.B. Rahmenstrategie) bis zu konkreten Umsetzungen (z.B. Pilotprojekte) reichen (vergleiche dazu auch Kapitel 3.1).

Auf die Smart City-Thematik angepasst werden die Entscheidungsebenen, wie in Abbildung 18 dargestellt, charakterisiert. Bei der übergeordneten Ebene der Strategiestufe „Smart City-Vision& -Strategie“ werden Ziele und langfristige Entwicklungsrichtungen erarbeitet, wie dies in Aarauz.B. bereits bei den Smart City-Legislaturzielen in einem verwaltungsinternen Prozess (2018) geschehen ist und für die Erarbeitung der Smart City-Strategie (2019) geschehen wird. Die nächsttiefere Entscheidungsebene, die Programmstufe beinhaltet gebündelte Smart City-

28 Das bereits gesprochene Smart City Budget wird für die personelle Besetzung der Smart City Koordinationsstelle verwendet.

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Einzelmassnahmen in Form von Plänen, Programmen oder auch die Erarbeitung und Definition von Smart City-Themenfeldern. Auf der konkreten Smart City Umsetzungsstufe geht es darum, Aktivitäten, Massnahmen und konkrete Projekte auszuarbeiten, zu priorisieren, durchzuführen und umzusetzen.

Abbildung 18: Partizipationsebenen Smart CityQuelle: novatlantis, 2018, visuelle Elemente: (Arbter, 2012; Cohen, 2015; Woetzel & Kuznetsova, 2018)

Wie die Erfahrung zeigt, ist es möglich, auf allen Ebenen partizipative Ansätze in allen Intensitätsstufen (Information, Konsultation, Kooperation sowie allenfalls Ermächtigung) einzubinden. Dabei gilt: je breiter der thematische Fokus, desto aufwändiger und zeitintensiver ist der partizipative Prozess.

Partizipative Lösungsansätze auf Ebene der konkreten Umsetzung (Projekte, Aktivitäten) sind dann erfolgreich, wenn Betroffene aktives Mitwirkungsrecht (Konsultation, Koordination oder sogar Ermächtigung) erhalten und sich in allen Projektphasen (Planung, Umsetzung, Abschluss) einbringen können z.B. indem die Stadt entsprechende Infrastruktur (Software-Plattform, Beratung, Material) zur Verfügung stellt.

Akteure, welche von Veränderungen stark betroffen sind, sind frühzeitig in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Entscheidend ist auch zu kommunizieren, inwiefern bei einem Partizipationsprozess Mitwirkungsmöglichkeiten bestehen. Handelt es sich um eine rein informative Partizipation, soll dies transparent sein, um falsche Erwartungshaltungen – einhergehend mit entsprechender Enttäuschungen – zu vermeiden. Bei konsultativer Partizipation ist es wichtig, den involvierten Akteuren zeitnah ein Feedback zukommen zu lassen, inwiefern Rückmeldungen in die Entscheidungsprozesse integriert wurden.

Tabelle 8 zeigt in der Übersicht, auf welcher Ebene und mit welcher Intensität (Beteiligungsstufe) wir Partizipation für die Smart City Strategieerstellung und Umsetzung in Aarau empfehlen29.

29 Rückmeldungen aus dem Workshop mit Vertreterinnen der Verwaltung Aarau vom 12.12.2018 sind berücksichtigt

48 Möglichkeiten der Partizipation

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Tabelle 8: Vorschlag mögliche Beteiligungsstufen Smart City Stadt AarauQuelle: eigene Zusammenstellung: novatlantis & frischer wind, 2018* Future Search Conference, Real Time Strategic Change, World Café, Open Space Technology

Mögliche Beteiligungsstufen unterschiedlicher ZielgruppenPartizipations-

ebeneInformation Konsultation Kooperation

Vision – Strategie

Allgemein, inkl. breite Bevölkerung

Gesamte Verwaltung, ExpertInnen (z.B. Impact Hubs, Forschung)

Stadtrat, EinwohnerratInteressierte und betroffene Verwaltungseinheiten,gezielter Einbezug von Visionären &Ideenträgern

Pläne – Programme

Allgemein, inkl. breite Bevölkerung

Gesamte VerwaltungExterne Fachpersonen, inhaltlich betroffene Akteureaus Wirtschaft und Gesellschaft, weitere intelligente Städte30

Interessierte und betroffene Verwaltungseinheiten, Einwohnerrat, Stadtrat (Entscheid),gezielter Einbezug von FachexpertInnen

Aktivitäten und Massnahmen

Allgemein, inkl. breite Bevölkerung

Fach- und Interessens-

organisationen31 mit Zugangzu Bevölkerung, andere Smart City Städte

Interessierte und betroffene Verwaltungseinheiten betroffene BevölkerungEntscheid: Stadtrat

Methoden-Vorschlag (beispielhaft)

Online-Information, Informations-veranstaltung (Roadshows), Flyer

Je nach Thema und Ressourcen: die vier klassischen Methoden* bei grösseren Gruppen, sonst z.B. Runde Tische, Online Foren, Fokusgruppen, Stadtspaziergänge

Je nach Thema und Ressourcen: die vier klassischen Methoden* bei grösseren Gruppen, sonst z.B. Design Thinking, Arbeitsgruppen, Ideenwettbewerbe

6.4. Vorgehensvorschlag Partizipation Smart City Aarau

Der Stadtrat Aarau hat sich im August 2018 dafür ausgesprochen, das Thema Smart City weiterzuverfolgen und im Jahr 2019 eine Smart-City Strategie sowie erste Umsetzungsprojekte unter Einbezug partizipativer Ansätze zu erarbeiten. Der weitere Austausch insbesondere auch am Workshop zu Smart City & Partizipation vom 12. Dezember 2018 hat aufgezeigt, dass die Verwaltung dem Thema Partizipation grundsätzlich offen gegenübersteht. Gleichzeitig zeigten sich während des Workshops – bei dem auch ausdrücklich unterschiedliche Perspektiven stadtinterner und externer Akteuren eingenommen wurden – bereits unterschiedliche mögliche Auffassungen und Bedürfnisse verschiedener Akteure.

Wichtig ist deshalb, im weiteren Verlauf der Strategie-, Programm- und Massnahmenerarbeitung, dass Partizipation als Thema offen, transparent und unter Einbezug aller vorhandenen Meinungen diskutiert und eingesetzt wird. Themen, die im Workshop bereits angesprochen wurden, sind z.B. verfügbare Ressourcen, höherer Aufwand, Datenschutz, Erkennung konkreter Bedürfnisse, Möglichkeiten der verbesserten Zusammenarbeit, Veränderungsprozesse (veränderte Rollen, siehe auch Kapitel ).

Nachfolgend wird beispielhaft aufgezeigt, wie eine Smart City-Strategieentwicklung unter Einbezug partizipativer Ansätze in Aarau aussehen kann. Dieses hier vorgeschlagene Vorgehen entspricht einer Konkretisierung des Vorschlags in Tabelle 8. Informationen zu Formen der

30 Als Möglichkeit: Smart City Hub31 Z.B. Vereine, Genossenschaften, Gewerbeverband, Nicht-Regierungsorganisationen

Möglichkeiten der Partizipation 49

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Partizipationsebene "Information" sind nicht Hauptfokus dieser Studie und werden im Folgenden nicht weiter detailliert ausgeführt. Die Angaben zu Ressourcenbedarf inklusive der Schätzung des Kostenrahmens beruhen auf Erfahrungswerten und entsprechen einer ersten groben Schätzung.

Ablauf Gesamtprozess

Die drei erwähnten Stufen der „Vision und Strategie“, „Pläne und Programme“ sowie „Aktivitäten und Massnahmen“ werden bei der Projektplanung nicht nur einzeln betrachtet, sondern sind Teil eines Gesamtprozesses, um die wichtigsten Rollen zu definieren und einen konkreten Ablauf festzulegen (Stadtrat, Koordinationsstelle, Begleitgruppe, Akteure, Bevölkerung).

Der Ablauf des vorgeschlagenen Gesamtprozesses ist in Abbildung 19 grafisch dargestellt. Auf die einzelnen Schritte wird in den folgenden Abschnitten vertieft eingegangen.

50 Möglichkeiten der Partizipation

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Abbildung 19: Vorschlag Ablauf Gesamtprozess Quelle: eigene Darstellung frischer wind; AG: selbstorganisierte Arbeitsgruppen

Vorprozess

Bevor mit den Strategieerarbeitungsarbeiten begonnen wird, klärt ein Vorprozess, wie die EntscheidungsträgerInnen die nachfolgenden Prozesse gestalten wollen und welche Rahmenbedingungen gelten. Wir empfehlen, dass dieser Vorprozess mit externer Unterstützung durchgeführt und moderiert wird (vergleiche dazu Tabelle 9).

Tabelle 9: Empfehlung Vorprozess

Möglichkeiten der Partizipation 51

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Vorprozess

Involvierte Akteure

Kooperation: Stadtrat, Koordinationsstelle

Konsultation: Begleitgruppe (Vorschlag: Smart City Arbeitsgruppe)

Möglicher Prozessablauf

In der ersten Phase wird der Rahmen abgesteckt und die Gesamtzielsetzung des Prozesses zusammen mit der Koordinationsstelle und in Abstimmung mit dem Stadtrat definiert. Ein gemeinsames Verständnis und eine Basis für den Prozess werden im Rahmen von (1-2 ) Sitzungen sorgfältig erarbeitet:

Auftrags- und Zielklärung

Abstimmung von Rollen und Aufgaben

Abstimmung Vorgehenskonzept

Zeitliche Planung des Projekts

Klärung der relevanten Rahmenbedingungen und Ressourcen

Zusammenstellung einer Begleitgruppe

Erstellung Prozessdesign für den gesamten Prozess Anschliessende kritische Reflexion mit der Begleitgruppe in (1 – 2) Sitzungen. Rückspiegelung zur Koordinationsstelle und dem Stadtrat in einer weiteren Sitzung. Festlegung des Konzeptes.

Vorgeschlagene Partizipations-methode(n)

Sitzung / Workshop

Zeitbedarf Vier Sitzungen/Workshop à 2 – 3 Stunden

1-2 Sitzung mit EntscheidungsträgerInnen

1-2 Reflexionssitzungen mit der Begleitgruppe

Kostenrahmen Der Kostenrahmen variiert stark, je nachdem wie viel Eigenleistung von seitens Begleitgruppe/Koordinationsstelle eingebracht werden kann Mit externer Prozessbegleitung: zwischen Fr. 4500 – 6000.-

Zusätzlich ev. Fachbegleitung

Vision – Strategieentwicklung

Auf der Stufe der Visions- und Strategieentwicklung empfehlen wir den Einbezug (Kooperation) von interessierten und betroffenen Verwaltungseinheiten sowie des Stadtrats und Einwohnerrats. Weitere interessierte, fachlich versierte Akteure aus Wirtschaft und Gesellschaftkönnen themenspezifisch – z.B. dort, wo intern Wissenslücken vorhanden sind oder zur Perspektivenerweiterung – hinzugezogen werden. Inputs aus dem durchgeführten Workshop zeigen ein besonderes Interesse für den Einbezug von Wissens-"Hubs", Visionären oder IdeenträgerInnen.

Inhaltlich empfehlen wir die Weiterverfolgung und Schärfung der sechs im Rahmen der Konzepterarbeitung (Stadt Aarau, 2018) vorgeschlagenen Themenfelder: Mobilität, Umwelt, Wirtschaft, Menschen, Wirtschaft und Verwaltung. Zusätzlich empfehlen wir die Konzentration auf 2-3 Schwerpunktthemen für die nächsten Jahre. Am Workshop erwähnt wurde zudem die Wichtigkeit, die Smart City-Strategie in den übergeordneten Strategieprozess der Stadt Aarau einzubinden. Auch eine Abstimmung mit weiteren Aktivitäten und Programmen, die die Region Aarau betreffen, ist erstrebenswert (beispielhaft: Verband Aarau Regio, Zukunftsregion Argovia).Tabelle 10 fasst zusammen, wie ein solcher Prozess auf Ebene Vision und Strategie aussehen kann.

52 Möglichkeiten der Partizipation

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Tabelle 10: Empfehlung Smart City Vision und Strategieentwicklung Aarau

Smart City Vision und Strategieentwicklung

Involvierte Akteure

Kooperation: Stadtrat, Einwohnerrat, interessierte und betroffene Verwaltungseinheiten, ev. externe Fachleute (Visionäre, IdeenträgerInnen)

Konsultation: Gesamte Verwaltung, weitere FachexpertInnen

Möglicher Prozessablauf

Aufgrund des Vorprozesses wird die Veranstaltung detailliert vorbereitet und die Partizipationsveranstaltung mit den involvierten Akteuren durchgeführt. Am Schluss der Veranstaltung werden Arbeitsgruppen zu den wichtigsten Themen ( → Ausarbeitung 2-3 Themenschwerpunkte) gebildet.

Die Ergebnisse werden mit der Koordinationsstelle und der Begleitgruppe (Smart City Arbeitsgruppe) ausgewertet, dokumentiert und die Aufgaben für die Arbeitsgruppen definiert.

Die Arbeitsgruppen nehmen ihre Arbeit auf.

Vorgeschlagene Partizipations-methode(n)

RTSC32 beim Hauptprozess

Sitzungen zur Auswertung

Arbeitsgruppen in Eigenverantwortung

Zeitbedarf / Partizipations-veranstaltungen

1 Tag RTSC

Zwei Auswertungssitzungen

Arbeitsgruppen treffen sich selbstorganisiert und entwickeln die Themenfelder (Schwerpunkte; Inhalte; Verknüpfung mit vorhandenen Zielen und Indikatoren)

Kostenrahmen Der Kostenrahmen variiert stark, je nachdem wie viel Eigenleistung von seitens Stadtentwicklung eingebracht werden kann.

Empfohlen mit externer Prozessbegleitung des RTSC und den Auswertungen: zwischen 10'000 – 12'000 Fr.

Zusätzlich ev. Fachbegleitung

Alternatives Beispiel

Es gibt verschiedene Städtebeispiele, insbesondere von grösseren Städten, wo der Bevölkerungseinbezug auch auf strategischer Ebene als positiv empfunden wurde, obschon er mit relativ viel Zeitaufwand und Kosten verbunden ist. Ein Beispiel einer kleineren Stadt, die diesen Prozess durchgeführt hat, ist die Stadt Wil, SG (vergleiche Kapitel 5.6). Im Rahmen einer Befragung wurde die Bevölkerung konsultativ zu Themenprioritäten befragt. Die Kosten für die Entwicklung einer solchen Rahmenstrategie beliefen sich für Wil in diesem einjährigen Prozess auf 80‘000 CHF (Stadt Wil, 2018).

Smart City-Pläne und -Programme

Auf Stufe der Gestaltung von Plänen und Projekten sehen wir viel Potential durch den Einbezug betroffener Akteure, sei dies innerhalb oder ausserhalb der Verwaltung, z.B. um Ideen zu generieren oder Bedürfnisse konkret abzufragen und zu erkennen. Innerhalb der Verwaltung scheinen uns insbesondere eine zusätzliche Vernetzung und ein Austausch wichtig, um abteilungsübergreifende Schwerpunkte festzulegen und zu bearbeiten (Kooperation). Der Einbezug verschiedener Fachpersonen und Fachorganisationen aus wirtschaftlichem, gesellschaftlichem und universitärem Umfeld unterstützt die Stadt dabei, konkrete Wünsche,

32 Vergleiche Tabelle 6 und Kapitel 4.1

Möglichkeiten der Partizipation 53

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Bedürfnisse oder auch Anregungen in einem zeitlich begrenzbaren Prozess mit hoher Diversität zu erhalten (Konsultation).

Inhaltlich geht es hier darum, die in der Strategie festgehaltenen Schwerpunktthemen zu vertiefen und konkrete Aktivitäten und mögliche Massnahmenbündel festzulegen.33 Bestehendeund bereits geplante Massnahmen, Projekte und Aktivitäten sollen in diesem Konkretisierungsschritt zusammengetragen und entsprechenden Themenfeldern / Schwerpunkten zugeordnet werden. Konkrete thematische Brennpunkte sowie deren Priorität werden diskutiert.

Tabelle 11: Empfehlung Smart Pläne und Programme

Smart City Pläne und Programme

Involvierte

AkteureKooperation: Interessierte und betroffene Verwaltungseinheiten, FachexpertInnen

Konsultation: inhaltlich betroffene Akteure aus Wirtschaft und Gesellschaft (themenspezifisch, Interessensorganisationen sowie andere Smart City Städte)

Entscheid: Stadtrat

Möglicher Prozessablauf

Der Prozess wird mit der Begleitgruppe und der Koordinationsstelle vorbereitet. Die Arbeitsgruppen werden in die Vorbereitung integriert und zeigen den Stand ihrer Arbeiten auf. Diese fliessen in die Veranstaltung mit ein.

Thema der Veranstaltung wird die gemeinsame Ausrichtung der Pläne und Programmesein. Schwerpunkte sollen gesetzt werden, der Schritt Richtung Definition möglicher Umsetzungsmassnahmen wird gemacht.

Die Veranstaltung wird mit der Koordinationsstelle und der Begleitgruppe ausgewertet,dokumentiert und die Aufgaben für die Arbeitsgruppen definiert.

Die Arbeitsgruppen setzen ihre Arbeit selbstorganisiert fort.

Vorgeschlagene Partizipations-methode(n)

Noch offen. Durch das prozessorientierte Vorgehen zeigt sich im Verlauf des Prozesses die sinnvolle Partizipationsmethode.

Zeitbedarf / Partizipations-veranstaltungen

Partizipationsveranstaltungen zur gemeinsamen Ausrichtung, ½ – 1 Tag

Selbstorganisierte Arbeit in Arbeitsgruppen und ev. moderierte, themenspezifische Workshops zur Vertiefung der Schwerpunktthemen (Entwicklung Massnahmenpläne)

Kostenrahmen Der Kostenrahmen variiert stark, je nachdem wie viel Eigenleistung von seitens Stadtentwicklung/Koordinationsstelle eingebracht werden kann Mit externer Prozessbegleitung, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung eines eintägigen Workshops: zwischen Fr. 10000.- bis Fr. 12000.-

ev. zusätzliche Fachbegleitung und Moderation weiterer themenspezifischer Workshops

Smart City Aktivitäten und Massnahmen

Auf Stufe der Einzelmassnahmen schlagen wir, wo anwendbar, die aktive Mitwirkung der Bevölkerung in Zusammenarbeit mit betroffenen Verwaltungseinheiten (Kooperation) vor, da hier die Betroffenheit Einzelner am höchsten und somit auch das Bedürfnis nach Mitgestaltung am grössten ist. In konkreten Anwendungsfällen kann es auf dieser konkreten

33 Verschiedene Städte verwenden den Begriff "Roadmap"

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Anwendungsebene auch interessant sein, weitergehende Partizipationsformen in Form von Bürgerermächtigungen (z.B. Selbstorganisation in Quartieren) in Betracht zu ziehen.

In welchen Themenfeldern und für welche Schwerpunkte Partizipation auf Stufe der Einzelmassnahmen umgesetzt werden soll, hängt von der Erarbeitung der Strategie und der Smart City-Programme ab. Im Verlauf des Strategieerarbeitungsprozesses wird klar(er) werden, ob und inwiefern sich Aktivitäten und Massnahmen innerhalb der Themenfelder anbieten (oder bereits geplant sind) oder ob der Einbezug weiterer Akteure hilfreich sein kann, um auch auf Stufe Einzelprojekte Klarheit über Prioritäten zu erhalten.

Wir empfehlen, erste partizipative Smart City Pilotprojekte auch vorgezogen vor Beendigung des Strategie-Erarbeitungsprozesses zu initiieren und verschiedene Methoden auf ihre Anwendung in Aarau zu erproben. Ein Pilotprojekt zur Thematik der Quartierbeleuchtung ist bereits vorgesehen34. Tabelle 12 referiert auf das geplante Beispiel (vergleiche dazu Anhang IV für weitere Informationen).

Tabelle 12: Empfehlung Smart Aktivitäten und Massnahmen – Beispiel Quartierbeleuchtung

Smart City Aktivitäten und Massnahmen – Beispiel Quartierbeleuchtung

Involvierte Akteure Kooperation: Quartierbevölkerung, Stadtentwicklung

Konsultation: FachexpertInnen Beleuchtung, weitere betroffene und interessierte Verwaltungseinheiten (z.B. via Smart City Arbeitsgruppe), falls nötig / sinnvoll: andere Smart City Städte (Erfahrungsaustausch)

Entscheid: Stadtrat

Möglicher Prozessablauf Auswahl Pilotquartier unter Einbezug der Quartiervereine (möglicherweiseGönhard, Damm oder Telli), Bedürfnisermittlung unter Quartierbevölkerung, Befragung, Erprobung von Optionen, Formulierung von Massnahmen (vergleiche dazu auch Anhang IV)

Vorgeschlagene Partizipationsmethode(n)

Informationsveranstaltung, Arbeitsgruppe Quartierbegehung, World Café

Zeitbedarf / Partizipations-veranstaltungen

4-5 Veranstaltungen

Kostenrahmen Der Kostenrahmen variiert stark, je nachdem wie viel Eigenleistung von seitens Stadtentwicklung eingebracht werden kann (selbständige

Durchführung von Partizipationsveranstaltungen mit Quartierbevölkerung), ev. externe fachliche Unterstützung und Prozessbegleitung.

Weitere, bereits geplante Umsetzungsprojekte sollen auf die Möglichkeit der Partizipation geprüft und falls möglich ebenfalls bereits im 2019 gestartet werden. Durch die Erreichung von schnellen Erfolgen, sog. „Quick-Wins“ können rasch erste Erfahrungen gesammelt und die Thematik Smart City & Partizipation auf kommunikativer Ebene gestärkt werden.

Gemäss diesem Vorschlag erfolgt die Entwicklung der Strategie in einer ersten Phase in der ersten Jahreshälfte, nach einer initialen Klärung der Vorgehensweise und der Verantwortlichkeiten sowie möglicherweise der Initiierung einer Smart City Arbeitsgruppe (siehedazu Kapitel 6.2). Die Entwicklung konkreter Pläne und Programme sowie die Entwicklung und Umsetzung konkreter Aktivitäten und Massnahmen erfolgt nachgelagert.

34 Antrag BFE der Stadt Aarau für Projektunterstützung 2019

Möglichkeiten der Partizipation 55

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Abbildung 20: Zeitliche Ablauf Smart City & Partizipation 2019Quelle: eigene Darstellung

6.5. Fazit

Das Verständnis von "Smart Cities" entwickelt sich weg von rein IT-basierten Modellen hin zu umfassenderen Lösungsansätzen, welche die Bedürfnisse und Wünsche der BewohnerInnen in den Vordergrund stellen. Die Thematik der Smart City-Partizipation in Aarau ist hoch aktuell. Dieangefragten Schweizer Städte und ExpertInnen bewerten Partizipation als wichtiges – aber auch anspruchsvolles – Thema. Generell wird Partizipation im Themengebiet Smart City in der Schweiz momentan noch mit Zurückhaltung angewandt. Insbesondere bei konzeptionellen und strategischen Aspekten verlassen sich die befragten Städte eher auf internes Fachwissen als auf Anregungen externer Akteure. Angewandt werden partizipative Ansätze (Mitwirkung) häufig auf Stufe der Quartierentwicklung und in sehr konkreten Projektsituationen.

Für Aarau bietet sich damit die Chance, sich im Themenbereich Partizipation in der Schweiz zu positionieren und eine Vorreiterrolle einzunehmen. Aufgrund der limitierten personellen und finanziellen Ressourcen der Stadt Aarau macht es Sinn, die Kräfte dort zu bündeln, wo möglichst viel bewegt werden kann. Es scheint erfolgsversprechend, Anregungen aus der Bevölkerung oder auch Fachwissen externer ExpertInnen dort einzuholen, wo nicht bereits umfangreiches internes Fachwissen vorhanden ist oder wo aus rechtlicher Sicht sehr wenig Handlungsspielraum besteht. Die Erfolgschancen stehen auch dort besonders gut, wo die Betroffenheit verschiedener Zielgruppen hoch und das Interesse an einer Mitwirkung deshalb gross ist. Erfahrungsgemäss ist dies umso mehr der Fall, je konkreter und spezifischer ein Projekt (bzw. der Rahmen zur Mitgestaltung) und je grösser das Mitspracherecht der Betroffenen ist.

Nebst einer selektiven, zielgerichteten partizipativen Unterstützung bei der Erarbeitung der Strategie und möglicher Pläne und Programme kann es deshalb sinnvoll sein, den Fokus bereitsim nächsten Jahr auf partizipative Umsetzungsprojekte zu setzen und Möglichkeiten mit einigen Piloten in verschiedenen Bereichen zu erproben und zu evaluieren.

56 Möglichkeiten der Partizipation

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Eine klare und transparente Kommunikation (auch via digitale Kanäle und Plattformen) und die professionelle Durchführung von Partizipationsprozessen sind das Fundament erfolgreiche Partizipationsprozesse, was insbesondere auch für die komplexe Smart City-Thematik gilt. Die Auswahl der verschiedenen verfügbaren und erprobten Partizipationsgefässe ist dabei wichtig, soll jedoch jeweils erst in einem zweiten Schritt, nach der Bedarfsabklärung für einen partizipativen Prozess erfolgen. Die Methode kann dabei immer nur ein Hilfsmittel, aber nicht Mittel zum Zweck sein, um Entscheidungsprozesse erfolgreich durchzuführen.

Eine gut organisierte und breit abgestützte verwaltungseigene Smart City-Organisation kann dazu beitragen, Beteiligungsprozesse genau dort zu priorisieren, wo sie zum grössten Nutzen für die Stadt und damit für die Gesellschaft führen.

-

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Page 59: Möglichkeiten der Partizipation · Einige der Methoden – wie z.B. Zukunftskonferenz, Real Time Strategic Change, World Café oder Open Space Technology – eignen sich insbesondere

Stadtrat, Stadt Zürich. (2018, November 28). Auszug aus dem Protokoll des Stadtrats von Zürich.

Stelzle, B., & Noenning, J. R. (2017). A Database for Participation Methods in Urban Development. Procedia Computer Science, (112 (2017)), 2416–2425.

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Anhang I: Checklisten partizipative Verfahren

Abbildung 21: Checkliste für Rahmenbedingungen partizipative VerfahrenLegende: i: informative Öffentlichkeitsbeteiligung, k: konsultative Bevölkerungsbeteiligung, m: mitbestimmende BevölkerungsbeteiligungQuelle:(Strategiegruppe Partizipation, 2012)

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Abbildung 22: Checkliste für Rahmenbedingungen partizipative VerfahrenLegende: i: informative Öffentlichkeitsbeteiligung, k: konsultative Bevölkerungsbeteiligung, m: mitbestimmende BevölkerungsbeteiligungQuelle:(Strategiegruppe Partizipation, 2012)

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Anhang II: Methodenübersicht Österreich

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Abbildung 23: Methodenübersicht (Anwendungsbeispiel Wien, Österreich)Quelle: (Arbter u. a., 2005, S. 58–61)

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Anhang III: Manifest - Tsüri.chLiebe Stadtverwaltung, liebe Politiker*innen, liebe Institutionen und Konzerne: Wir wollen eine smarte Stadt! Und so stellen wir sie uns vor:

Im Fokus der Smart City stehen immer die Mehrwerte für uns Lebewesen und zwar für uns alle. Die neuen Technologien begegnen gesellschaftlichen Herausforderungen und lösen soziale Probleme.

Die Technologisierung schont unsere Ressourcen und unsere Umwelt – und zwar kompromisslos und gesamtheitlich betrachtet: Ein Mehr an Technologie ist nur da legitim, wo es unter dem Strich zur Energieeffizienz beiträgt. Externe Umweltkosten werden dabei internalisiert. Staatliche Regulierungen und Anreize werden so smart, dass es sich auch wirtschaftlich lohnt ökologisch zu handeln.

Die Kontrolle über die Systeme wird nicht aus der öffentlichen Hand gegeben. Städtische Infrastrukturen dürfen im Zuge der zunehmenden Komplexität der Systeme nicht privatisiert werden.

Stattdessen wird in Bildung investiert, sodass unsere Verwaltungsangestellten, die uns repräsentierenden Politiker*innen sowie auch wir Wähler*innen selber kompetent genugsind, um die smarten Systeme und ihre Implikationen zu verstehen, mitzureden, sie mitzugestalten und sie zu kontrollieren.

Private Unternehmen unterstützen die Entwicklung der Smart City, aber sie sind weder die Treiber dieser Unterstützung, noch profitieren sie unverhältnismässig vom Aufbau der smarten Systeme. Auslöser des Umbaus ist ein demokratischer Auftrag, nicht ein verlockendes Angebot.

Die smarten Systeme sind inklusiv, ermöglichen allen den Zugang, schliessen niemanden aus, hängen niemanden ab. Dafür werden öffentlich zugängliche Geräte undein sicherer Zugang zum Internet zur Verfügung gestellt. Barrierefreiheit wird gewährleistet. Die Vermittlung digitaler Kompetenzen wird gefördert.

Die Smart City steht in einem gesunden Gleichgewicht zwischen lokalen und globalen Interessen. Unsere Stadt macht sich durch den Ausbau zur Smart City nicht noch exklusiver. Trotz nationalem und internationalem Wettbewerb kommt die direkte Zugänglichkeit für Besucher*innen und Neuankömmlingen nicht zu kurz. Grenzen werden überbrückt, umliegende Gemeinden werden involviert. Der Graben zwischen Stadt und Land wird dank dezentraler Vernetzung nicht tiefer, sondern ländliche und urbane Gebiete werden vermehrt als sich ergänzende, vielfältige Lebensräume wahrgenommen.

Datensicherheit und Privatsphäre sind stets gewährleistet. Die Kontrolle über unsere persönlichen Daten liegt in unseren Händen und da, wo wir diese Verantwortung nicht übernehmen können, übernimmt sie der Staat. Die Verwertung der Daten wird durch klare staatliche Richtlinien geregelt und kontrolliert. Datenschutz und die Aufklärung über Datenschutz sind ein fortwährendes Anliegen.

Die smarten Systeme werden der Komplexität, Diversität und Vielstimmigkeit unserer Stadt gerecht. Die Algorithmen sind inklusiv und lernfähig, nicht diskriminierend. Die Wertesysteme, die durch Algorithmen und Regelsysteme implementiert und reproduziert werden, entsprechen unserer Verfassung und Gesetzgebung und können von uns eingesehen, diskutiert und kontrolliert werden.

Einheitliche, flächendeckende Systeme führen nicht zu Einheitsbrei, sondern ermöglichen und betonen unterschiedliche lokale und hyper-lokale Gegebenheiten und Eigenheiten.

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Die Smart City stärkt die Demokratie und das solidarische Zusammenleben. Möglichkeiten demokratischer Teilhabe werden durch neue digitale Systeme vereinfachtund verstärkt. Information, Wissensaustausch nach dem Open Source Prinzip und Dialog stehen dabei im Fokus und leise oder bisher marginalisierte Stimmen werden besser gehört.

Smart bedeutet auch, dass ziviles Engagement, solidarische und kollaborative Systeme unterstützt werden, dass kollaboratives Wirtschaften gefördert und Systeme zum Teilenvon Information, von Wissen und von Dingen zugänglicher gemacht werden.

Auch die Stadtverwaltung wird smarter, vernetzter und erleichtert es uns Städter*innen,z.B. eine Initiative zu starten, eine Demonstration anzumelden, uns für eine städtische Wohnung zu bewerben, die Steuererklärung auszufüllen oder eine Veranstaltungsgenehmigung einzuholen.

Niemand ist dazu gezwungen, an den smarten Systemen teilzunehmen. Die Teilnahme an den smarten Systemen verlangt stets ein aktives Opt-in unsererseits, anstatt eines Opt-outs, welches wir aufwändig suchen müssen. Wer die smarten Systeme nicht nutzen will oder kann, wird deswegen nicht marginalisiert, sondern kann trotzdem in derStadt leben, sich in ihr bewegen und öffentliche Infrastrukturen nutzen.

Die Motivation für neue Entwicklungen ist keine rein technologische – Technologie, Digitalisierung, Effizienzsteigerung oder Zeitersparnis sind keine Werte an sich.

Wir können uns weiterhin unbeobachtet in der Stadt aufhalten, bewegen und anonym bezahlen ohne Repression zu erfahren. Denn dies sind Grundbedingungen für Opposition und die Möglichkeit zur Opposition ist eine Grundbedingung für den Erhalt der Demokratie.

Dadurch, dass digitale Systeme beweglicher sind als physische Infrastrukturen und schnelle Anpassungen und Veränderungen zulassen, wird die Stadt mutiger und traut sich öfter, neue Ideen einfach mal zu testen, bevor über eine langfristige Lösung abgestimmt wird.

Dadurch, dass uns die Smart City mehr Komfort bietet und Arbeit abnimmt, macht sie uns nicht zu machtlosen Konsument*innen, sondern – auch dank der dazugewonnenen Zeit für Bildung und Engagement – zu Co- Produzent*innen unserer Lebenswelt und der smarten Systeme, die sie prägen. Unsere Mitsprache und Mitgestaltung bei der Entwicklung und beim Aufbau der smarten Systeme ist stets erwünscht und wird eingefordert, die Innovationen werden gesamtgesellschaftlich diskutiert und ausgehandelt.

Liebe Stadtverwaltung, liebe Politiker*innen, liebe Institutionen und Konzerne: Wir wollen eine smarte Stadt! So, wie wir uns das vorstellen, wird das super! (Tsüri.ch & NEXTZÜRICH, 2018, S. 22–24)

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Anhang IV: Projekt QuartierbeleuchtungFolgender Text ist der Projekteingabe für das Bundesamt für Energie vom Herbst 2018 entnommen:

Das Thema Beleuchtung ist derzeit für die Stadt Aarau von hoher Relevanz. Zum einen erarbeitet der Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt derzeit unter der Federführung der Abteilung Landschaft und Gewässer eine Empfehlung zur Beurteilung von Beleuchtungsanlagen im Aussenraum unter besonderer Berücksichtigung des Natur- und Landschaftsschutzes. Der Leitfaden richtet sich vor allem an Gemeinden, die im Rahmen der Baubewilligung von Gebäuden und Anlagen mit relevanten Lichtemissionen entscheiden müssen, ob die beantragte Beleuchtung dem tatsächlichen Beleuchtungszweck dient, angemessen auf die Umgebung reagiert, und ob sie die für Beleuchtungsanlagen geltenden umweltrechtlichen Vorgaben einhält. Die Durchführung eines Pilotprojekts zum Thema smarte Beleuchtung wird vom Kanton befürwortet und unterstützt.

Innerhalb der Verwaltung wurde im Rahmen der Leistungs- und Prozessüberprüfung das ThemaBeleuchtung als Einsparbereich eingeschätzt. Laufend wird die Strassenbeleuchtung auf LED Leuchtmittel umgestellt. Beim Ersatz der Beleuchtung wird in stadteigenen Liegenschaften auf energieeffiziente Leuchtmittel gesetzt und im Rahmen des städtischen Förderprogramms wird eine optimierte Beleuchtung an nicht Wohnbauten finanziell gestützt. Zudem werden in verschiedenen Stadtteilen die Beleuchtungskonzepte auch hinsichtlich Gestaltung überprüft. Inder Stadt Aarau wurden die Massnahmen zur Beleuchtung bislang ohne den Einbezug der Bevölkerung umgesetzt.

Im Rahmen des Pilotprojekts wird die Strassen- und Fassadenbeleuchtung eines Quartiers in der Stadt Aarau mittels smarter Lösungen optimiert. Zentral dabei ist die Vernetzung der relevanten Akteure und der Einbezug der Bevölkerung. Die nachfolgend aufgeführten Aspekte werden dabei konkret angestrebt:

Die im Rahmen der Strategieentwicklung erarbeiteten Erkenntnisse werden angewendet und geprüft.

Bewohner und Bewohnerinnen des Quartiers fühlen sich sicherer und wohler durch diesmarte Beleuchtung.

Es werden Energie- und CO2 Einsparungen durch die Umstellung auf energiesparende Leuchtmittel im Vergleich zur bestehenden Situation realisiert.

Die optimierte Beleuchtung verringert die negativen Auswirkungen auf Tiere. Durch das Einbeziehen der Bewohner und Bewohnerinnen in die

Massnahmenerarbeitung, ist die Beleuchtung an die Bedürfnisse angepasst. Es findet eine Sensibilisierung zum Thema Smart City und smarte Beleuchtung statt. Es werden die Kriterien getestet, die der kantonale Leitfaden vorgibt. Dazu wird

geprüft, wie ein einheitliches und koordiniertes Vorgehen innerhalb der Stadt zum Thema Licht möglich ist.

Neue technologische Lösungen werden getestet. Die Stadt Aarau kann die Erfahrungen des partizipativen Prozesses zum Thema Smart

City auf weitere Quartiere und Projekte übertragen. Die Erfahrungen werden so dokumentiert, dass auch andere Städte vom Pilotprojekt profitieren können.

Es findet ein Austausch mit anderen Städten, Partnern (z.B. Eniwa) Forschungseinrichtungen und/oder Hochschulen statt.

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Vorgehen Pilot Smarte Quartierbeleuchtung

Das Vorgehen im Pilotprojekt Quartierbeleuchtung gestaltet sich wie folgt:

1. Auswahl Pilotquartier: Unter Einbezug der Quartiervereine wird ein Quartier oder Ortsteil der Stadt ausgewählt, welcher sich besonders für die Erarbeitung des Pilots eignet. Kriterium hierfür ist insbesondere die anstehende Erneuerung der bestehenden Beleuchtung insgesamt oder im Rahmen von grösseren Bauprojekten. Vor diesem Hintergrund eignen sich die Quartiere Gönhard, Damm oder Telli. Die konkrete Auswahl wird unter Einbezug der relevanten Akteure Anfang 2019 durchgeführt.

2. Bedürfnisermittlung: Unter Einbezug der Bevölkerung (vorgesehen sind in diesem Schritt ein erster Informationsanlass mit anschliessender Befragung) werden die Ansprüche und das Verständnis im Quartier für eine ‘smarte’ Beleuchtung erarbeitet. Neben technischen und ökologischen Aspekten wird ein besonderer Fokus auf das ‘Wohlfühlelement’ (Wie wird welche Beleuchtung wahrgenommen? Wo fühlt man sichsicher?) gelegt.

3. Im Rahmen von Quartierbegehungen werden verschiedene Beleuchtungsmöglichkeiten sowie der ‘smarte’ Umgang mit der Beleuchtung vor Ort angeschaut und teilweise simuliert (Bsp. Rotlicht, Bewegungsmelder, Apps, etc.).

4. Mittels der im Rahmen der Strategie formulierten Indikatoren wird die ‘Smartheit’ der unterschiedlichen Mittel gewichtet und einer anderen Bewertungsmethode (z.B. Punkteverteilung für die besten Mittel) gegenübergestellt. So können die erarbeitetenIndikatoren für die smarte Quartierbeleuchtung verifiziert und wenn nötig angepasst werden.

5. An einer Schlussveranstaltung werden Empfehlungen und Massnahmen zum Umgang mit der Quartierbeleuchtung formuliert und durch die teilnehmenden Quartierbewohner und –bewohnerinnen verabschiedet.

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