medikamentenbestellung über eine in der arztpraxis aufgestellte datenverarbeitungsanlage
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blickaufdieungewissezukünftigeentwicklungauchdielandgerichtlicheentscheidung,dieHaftungderBekl. fürsonstige,bishernichtkonkreteingeklagteschädenderKl.zubejahen,alsrichtig.
DieBekl.wendenvergeblichein,dassderzustandderKl., sowieer sichgegenwärtigundbereits seitgeraumerzeitdarstellt,nichtmehraufdenspritzenabszesszurück-geführt werden könne, sondern andere, von ihnen nichtzuverantwortendeursachenhabenmüsse.AllerdingsgibtesnachdenübereinstimmendenfeststellungenvonDr.f.undProf.Dr.G.fürdieBeschwerdenderKl.keinesoma-tischeerklärung.eshandeltsichdabeiwederuminfektiöseerscheinungen, die sich mit der ursprünglichen Verkei-mungerklärenließen,nochumfolgewirkungenvonVer-letzungenbeideroperativeneröffnungdesAbszesses.AberdaslässtdieVerantwortlichkeitderBekl.nichtentfallen.
Prof.Dr.G.hatnämlichaufgezeigt,dassdasLeidenderKl. in seiner schmerzstörungund in seinerDepressivitätdiefolgeeinerpsychischenfehlentwicklungist,diedurchdenspritzenabszessunddessenBehandlungausgelöstwur-de.DasLeidenhatsichverselbstständigtundchronifiziert.DafürmüssendieBekl. einstehen.es ist anerkannt, dasssich die Verantwortlichkeit für eine körperliche schädi-gung,wie siehierbeidenBekl. liegt, auch auf seelischeReaktionen des Geschädigten wie insbesondere psycho-gene schmerzempfindungen und Depressionen erstreckt,selbst wenn die wesentlich durch eine seelische Labilitätmitbestimmtsind(Heinrichs,in:Palandt,BGB,65.Aufl.,vor§249,Rdnr.69m.w.N.).Anders istesnur,wennessichuminkeinerWeisemehrnachvollziehbareÜberreak-tionenoderumAusprägungeneinerRentenneurosehan-delt(Heinrichs,a.a.o.,Rdnrn.70f.).Dasisthierjedochnichtderfall.Voneinervölligunangemessenenerlebnis-verarbeitungderKl.kannkeineRedesein,weildersprit-zenabszessprimäreinschneidendesomatischefolgenhatteund einen langen Krankenhausaufenthalt nach sich zog;undeineRentenneurosehatProf.Dr.G.nachderunter-suchungderKl.ausdrücklichausgeschlossen.
DieerwägungderBekl.,dieaktuelleBeschwerdesituati-onderKl.beruhemöglicherweiseaufeinerVorerkrankungunddieserhalbmüsstenbreitflächigärztlicheBehandlungs-unterlagenausderzeitvorJuni1999ausgewertetwerden,trägtnicht.sieistinihrerAusgangsannahmereinspeku-lativundohnetatsächlichenAnknüpfungspunkt.Demge-genüberstütztensichdiefeststellungenProf.Dr.G`saußeraufeineeingehendeBefragungderKl.aufobjektivebio-graphischeDatenunddabeiauchaufärztlicheBefunde,dievordemspritzenabszesserhobenwurden.soistinseinemschriftlichenGutachtenüberzeugend ausgeführt: „esbe-stehtausmeinersichtkeinAnhaltspunktdafür,dassesbe-reitsvorentwicklungdesAbszessesimNackenbereicher-heblichepsychischestörungengegebenhat.(DieKl.)warvollunderfolgreichinihreberuflichetätigkeiteingebun-den,warinihrerfreizeitaktiv;insofernistalsoderkausalezusammenhangzwischenderentwicklungdesAbszessesimNackenbereichmitnachfolgenderBehandlungunddemjetztzusehendenstörungsbildauspsychiatrisch-neurolo-gischersichtevident.Hinweisefüranderweitigeursachenfürdasschmerzsyndromfindensichaufpsychiatrisch-neu-rologischemGebietnicht;dieswurdesowohlvonmirjetztwiederfestgestelltalsauchschonvonanderenVorgutach-ternbzw.Behandlern“.
Als Prof.Dr.G. dann bei seiner Anhörung durch dasLG Altbefunde vorgehalten wurden, die aus der PraxisderBekl.zu3)undzu4)herrührten,bemerkteer:„Das,was ich in dieser Aufstellung sehe, ist im Kern das, wasichmeinerBeurteilungauchzuGrundegelegthabe.Ausdenjetztvonmireingesehenenärztlichenunterlagener-gibtsich,dasskörperlichesymptomeeherinbagatellartigerformvorgelegenhaben,diebehandeltworden sind.Der
zustandbeiderKl.hatsichaberimzugedieser„Quad-del-Behandlung“massivverändert.sieleidetjetzt,wieichausgeführthabe,unter einerdeutlichdepressivgefärbtensomatoformenschmerzstörung.ergänzendwill ichnochdaraufhinweisen,dassdieKl.biszumentstehendessprit-zenabszessesvollimBerufslebengestandenhat.sieistnichtwieder in ihren Beruf zurückgekehrt und erleidet jetztmassiveBeeinträchtigungen“.
DieRevisionwirdzugelassen.DiegrundsätzlicheAus-gangsüberlegungdiesesurteils,imfallefeststehender,mög-licherweise schadensursächlicher ärztlicher HygienefehlerseinichtderPatientdafürbeweispflichtig,dassderschadenbeiWahrungder gebotenenHygiene vermiedenwordenwäre,sondernesseiumgekehrtsachedesArztes,denBe-weiszuerbringen,dassderschadenunterdiesenumstän-denebensoeingetretenwäre, istdurchdiehöchstrichter-licheRechtsprechungnichtabgesichert.DieAusführungenindervomsenatzitiertenentscheidungBGH,NJW1991,1541sprechenteilweisesogargegensie(s.1543).
(Eingesandt und bearbeitet von RiOLG Ernst Weller, Stresemannstraße 1, D-56068 Koblenz)
DOI: 10.1007 /s00350-006-1798-0
Medikamentenbestellung über eine in der Arzt-praxis aufgestellte Datenverarbeitungsanlage
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; MBO-Ä § 34 Abs. 5
Die Aufstellung einer Datenverarbeitungsanlage, die dem Patienten die Bestellung von Medikamenten bei einer zuvor festgelegten und registrierten Anzahl von Internetapotheken erlaubt, verstößt gegen § 34 Abs. 5 MBO-Ä. (Leitsatz des Bearbeiters)LG Osnabrück, Urt. v. 19. 5. 2006 – 13 O 146 /06
Problemstellung:Langezeitwaresvornehmlichdassog.Igeln,dasdenniedergelassenen(Kassen-)ärztennebendenz.t.spärlichenKV-Leistungeneinezusätzlicheeinnahmequelleverschaffte.DochdasangespannteGe-sundheitswesenmachtvieleärztenunauchaufgeschlos-senerfürandereeinnahmequellen,dievornehmlichvonseitendergewerblichenWirtschaftangebotenwerden.Bei jedweder zusammenarbeit des NiedergelassenenmitWirtschaftsunternehmenspielt§34Abs.5MBo-äeineentscheidendeRolle.Hiernachistesärztennichtgestattet,PatientenohnehinreichendenGrund anbe-stimmteApotheken,Geschäfte oderAnbieter von ge-sundheitlichenLeistungenzuverweisen.DiesesVerbotmachtdurchaussinn,vergegenwärtigtmansichdasbe-sondereVertrauensverhältnisvonArztundPatient,wel-chesleichtdazuführenkann,dassPatientenVerweisenihresbehandelndenArztesungeprüftvertrauen.Ande-rerseits istderArzt stetsmitderBitte seinerPatientennach fachkundigemRatkonfrontiert.Auchkanneine„gute zusammenarbeit“ des Arztes mit Dritten einenDienst am Patienten bedeuten. so weiß der Arzt evt.besserüberlangeWartezeitenbeieinzelnenGeschäften,eine hohe (un-)zufriedenheit anderer Patienten o.ä.Auskunftzugeben.schließlichwirdauchder„serviceamPatienten“inderArztpraxisimmerwichtiger.Dieserserviceerschöpft sich indesnichtallein ineinergutenärztlichen Behandlung, sondern entwickelt sich mehrundmehrzueiner,,Rundumversorgung“des„Kunden“Patient.soüberraschtesnicht,dassscheinbareineganzeReiheniedergelassenerärztedenservicedervordemLGosnabrückBeklagteninAnspruchgenommenha-ben.DiesevertreibteineDatenverarbeitungsanlage,die
Rechtsprechung660 MedR2006,Heft11
Patienten ermöglicht, mithilfe von Krankenversiche-rungskarte und Rezept Medikamente unmittelbar ausderArztpraxisviaInternetinderApothekezubestellen,wo sie abgeholtwerdenkönnenodervonwo siedemPatientenübersandtwerden.DerklagendeVerbandsahhierineinenVerstoßgegendenbereitserwähnten§34Abs.5MBo-äundfordertewegenVerstoßesgegen§4Nr.11uWGvonderBeklagtenunterlassung.
Zum Sachverhalt:DieKl.willderBekl.alsVertriebsbeauftrag-terderA.s.A.,Luxemburg,(nachfolgend:A)fürNorddeutschlandden Vertrieb einer Datenverarbeitungsanlage („K-Rechner“) ver-bieten. Diese Datenverarbeitungsanlage wird aufgrund von Ge-brauchsüberlassungsverträgeninArztpraxenaufgestellt.sieermög-lichtPatienten,mithilfevonKrankenversicherungskarteundRezeptMedikamenteinderApothekezubestellen,wosieabgeholtwerdenkönnenodervonwosiedemPatientenübersandtwerden.DieMe-dikamente können bei denjenigenApotheken bestelltwerden, dieBestellungenimNetzentgegennehmenundzugleichaufgrundver-traglichereinigungmitA freigeschaltet sind,dasheißtmittelsdesK-Rechners erreichtwerdenkönnen.DieKl. erblicktdarin einenVerstoßgegenBestimmungendesBerufsrechtsderärzteundApo-thekerundfordertvonderBekl.unterlassung.
Aus den Gründen:DieKlagehatteilweiseerfolg.DieKl. kann von der Bekl. verlangen, dass der K-RechnernurmitderMaßgabevertriebenwird,dassdiePatientenapothekenpflichtigeMedikamentebeisämtlichenApothe-ken im Geltungsbereich des Apothekengesetzes bestellenkönnen,dieBestellungenimNetzentgegennehmen.Dieweitergehende Klage ist unbegründet. Im einzelnen giltfolgendes:
1. Die Kl. ist anspruchsberechtigt. Das bestimmt §8Abs.3Nr.2uWG.
2. Anspruchsgrundlage ist §8 Abs.1 s.1 i.V. mit den§§3,4Nr.11uWG.DieKl.hatAnspruchaufunterlas-sung, soweit dieBekl. denK-Rechnermit derMaßgabeanbietet, dass apothekenpflichtige Medikamente nur beidenApothekenbestelltwerdenkönnen,diebeiAdiefrei-schaltung erworben haben. Der Gebrauch einer solchenDatenverarbeitungsanlage ist unlauter. er verstößt gegeneinegesetzlicheVorschrifti.s.von§4Nr.11uWG.
a)VerletztegesetzlicheVorschrif[t]ist§34Abs.5derBe-rufsordnungderärztekammerNiedersachsenv.11.2.2004(nachfolgendimmernurBerufsordnungärzte).DieseBe-stimmunglautet:
„Dem Arzt ist nicht gestattet, Patienten ohne hinrei-chendenGrundanbestimmteApotheken,GeschäfteoderAnbietervongesundheitlichenLeistungenzuverweisen.“
b)DieseVorschriftgiltnichtnur imLandNiedersach-sen. sie entspricht §34 Abs.5 der Musterberufsordnung.sie hat eingang in die Berufsordnung sämtlicher ärzte-kammern Deutschlands gefunden. Darüber streiten dieParteiennicht.
c) §34 Abs.5 der Berufsordnung ärzte ist gesetzlicheVorschrifti.s.von§4Nr.11uWG.GesetzlicheVorschriftindiesemsinn ist jedeRechtsnorm.Das folgt ausArt.2eGBGB.zudenRechtsnormengehör[t]mithinauchdasvonKörperschaften des öffentlichen Rechts imRahmenihrerzuständigkeitgesetzteRecht.
d)einArzt,derdenK-Rechnerinderbislangvertrie-benen Weise in seiner Praxis aufstellt und seinen Pati-entenzumGebrauchüberlässt,verstößtgegen§34Abs.5Berufsordnungärzte.DennerverweistseinePatientenaufbestimmteApothekenohnehinreichendenGrund.
aa) Indem der Arzt seinen Patienten die Möglichkeitanbietet,Medikamente indervonderBekl.beworbenenWeisezubestellen,verweisterseinePatienten.einVerwei-seni.s.von§34Abs.5BerufsordnungArztesetztwedereinausdrücklichesAuffordernnocheinempfehlenvoraus.esgenügt,dassder–eingeschränkte–Patientenkreis,der
vonderMöglichkeitGebrauchmachenwill,MedikamentebereitsausderArztpraxisherausimNetzzubestellen,diesnichtbeijederbeliebigenApotheketunkann,dieBestel-lungenimNetzentgegennimmt,sondernnurbeisolchen,diebeiAgegenentgeltdieMöglichkeiterworbenhaben,aufdemvonderBekl.beworbenenK-Rechneraufgerufenwerdenzukönnen.
bb) Die Patienten werden damit an einen bestimmtenund nicht an einen unbestimmten Kreis von Apothekenverwiesen.DieAnzahl derApotheken, die vonAgegenentgeltdieMöglichkeiterworbenhaben,überdenvonderBekl.beworbenenK-RechnerBestellungenimNetzent-gegenzunehmen,istbestimmt.
cc)Dafür,dassderKreisderApotheken,aufdieverwie-senwird,bestimmtist,gibteskeinenhinreichendenGrund.einhinreichenderGrundistweder,dassdieseApothekenAeineVergütunggezahlthaben,nochdassAdenärzten,diedasGerätaufstellen,dafüreineVergütungzahlt.
3.Beiderfassungdesurteilsausspruchs ist zuberück-sichtigen,dassesunbedenklichwäre,wennPatientenbeijederbeliebigenApotheke,dieBestellungenimNetzentge-gennehmen,überdievonderBekl.beworbeneAnlagebe-stellenkönnten.zwarwäreauchindiesemfalldieAnzahlderApotheken,aufdieverwiesenwird,bestimmt.DafürgäbeesabereinenhinreichendenGrund.Dieserlägedarin,dassdieverbleibendenüberdievonderBekl.beworbeneDatenverarbeitungsanlage nicht erreichbaren ApothekenBestellungenimNetznichtentgegennehmen.ebensowarzuberücksichtigen,dassBestellungenohneeinenzusam-menhangmitausgeübterärztlichertätigkeitebensounbe-denklichsindwieBestellungendurchdenArztselbstsowieBestellungennichtapothekenpflichtigerArtikel.
(Bearbeitet von Rechtsreferendar Robert Kazemi, Kronprinzenstraße 42, D-53173 Bonn)
Zum Ruhen der Approbation wegen konkreter Patientengefährdung
BÄO § 6 Abs. 1 Nr. 1; GG Artt. 1, 12 Abs. 1, 2 Abs. 1; StPO §§ 170 Abs. 1, 203, 261, 57
1. Die Anordnung des Ruhens der Approbation eines Arztes wegen des Verdachts einer Straftat, aus der auf seine Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit geschlos-sen werden kann (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO), erfordert mit Blick auf den damit verbundenen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufs-wahl im verwaltungsrechtlichen Überprüfungsverfah-ren ihrer Rechtmäßigkeit die eigenständige Feststel-lung einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit, dass das strafgerichtliche Verfahren zu einer (rechtskräftigen) Verurteilung des Arztes wegen der gegen ihn erho-benen strafrechtlichen Vorwürfe in ihrem wesentlichen Kern führt (ohne dass es darauf ankommt, ob eine Ver-urteilung wegen aller Vorwürfe erfolgt).
2. Ein mit der Anordnung des Ruhens der Approbati-on (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO) zwangsläufig einhergehendes vorläufiges Berufsverbot ist zum Schutz der Rechtsgü-ter Leben und körperliche Unversehrtheit regelmäßig schon dann erforderlich, wenn in tatsächlicher Hinsicht hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Arzt bei der Ausübung seines Berufs Straftaten gegen das Leben und /oder die Gesundheit von Pati-enten begangen hat, und die Gefahr einer Verletzung dieser Rechtsgüter bei einer Fortsetzung der ärztlichen Tätigkeit weiter besteht.OVG Saarl., Urt. v. 29. 11. 2005 – 1 R 12 /05 (VG Saarlouis)
MedR2006,Heft11 661Rechtsprechung