mechanische verfahrenstechnik (bohnet/mechanische verfahrenstechnik) || feststoff/fluid-strömungen

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Merkmale (lebende oder tote Zellen…) mɒssen die klassischen Merkmale zur Cha- rakterisierung dieser dispersen Systeme ergȨnzen. Die in Kapitel 1 gemachte Aussage ɒber die Bedeutung disperser Systeme kann unterstrichen werden: Mehr als 50% der Produkte der Chemie werden heute als disperse Produkte ver- kauft und ein Teil der restlichen durchlaufen im Prozess einen dispersen Zustand, der prozessbestimmend sein kann [2.110]. Fɒr die gesamte mechanische Verfahrenstech- nik dɒrften die VerhȨltnisse Ȩhnlich liegen. Die Anforderungen an die Produkteigen- schaften steigen, die Entwicklungszeiten fɒr neue Produkte werden immer kɒrzer, so dass Impulse fɒr den verstȨrkten Einsatz von Messtechniken sowohl aus der Quali- tȨtssicherung (engere Toleranzen) als auch der verfahrenstechnischen Entwicklung (hɆhere Effizienz) kommen. Letztere setzt ein vertieftes VerstȨndnis der Zusammen- hȨnge voraus: von Produkt- und DispersitȨtseigenschaften (Eigenschaftsfunktion oder Produktmodell) einerseits und den Prozessbedingungen, mit denen die notwen- digen DispersitȨts-Eigenschaften erzielt werden (Prozessfunktion oder Prozessmo- dell) andererseits. Neben die Beschreibung von ProduktzustȨnden tritt die Charakteri- sierung des Produktverhaltens. Die Anforderungen an die Genauigkeit und Schnel- ligkeit der Messmethoden werden steigen aus Grɒnden der QualitȨtssicherung und fɒr die Modellbildung. WȨhrend fɒr die QualitȨtssicherung einfache Indikatoren hin- reichend sein kɆnnen, sind die Anforderungen an die Messtechnik fɒr die Modellbil- dung besonders hoch, da sie das Fundament fɒr die Modelle bildet [2.14], [2.111]. 3 Feststoff/Fluid-StrɆmungen 3.1 Bewegungen von Feststoffpartikeln in strɆmenden Fluiden 3.1.1 Bewegung einer einzelnen wandfernen Partikel in einer stationȨren laminaren StrɆmung Betrachtet man eine einzelne, in einem Fluid (Flɒssigkeit oder Gas) suspendierte Partikel zu einem bestimmten Zeitpunkt t, so ist ihre momentane Lage durch die Lage ihres Schwerpunkts und durch ihre Orientierung festgelegt (Abb. 3.1). Ihre Translationsgeschwindigkeit wird mit # , ihre Winkelgeschwindigkeit mit ! bezeich- net. Bei Abwesenheit der Partikel hat das Fluid zu dem betrachteten Zeitpunkt eine bestimmte rȨumliche Geschwindigkeitsverteilung mit der Geschwindigkeit u am Schwerpunktsort der Partikel. Die Relativgeschwindigkeit u r ¼ u # ð3:1Þ ist zugleich die momentane AnstrɆmgeschwindigkeit der Partikel. Ist die Partikel klein gegenɒber rȨumlichen VerȨnderungen des StrɆmungsfeldes, so kann die An- strɆmung der Partikel als gleichfɆrmig angesehen werden. 84 3 Feststoff/Fluid-StrɆmungen

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Page 1: Mechanische Verfahrenstechnik (Bohnet/Mechanische Verfahrenstechnik) || Feststoff/Fluid-Strömungen

Merkmale (lebende oder tote Zellen…) m�ssen die klassischen Merkmale zur Cha-rakterisierung dieser dispersen Systeme erg�nzen.

Die in Kapitel 1 gemachte Aussage �ber die Bedeutung disperser Systeme kannunterstrichen werden:

Mehr als 50% der Produkte der Chemie werden heute als disperse Produkte ver-kauft und ein Teil der restlichen durchlaufen imProzess einen dispersen Zustand, derprozessbestimmend sein kann [2.110]. F�r die gesamtemechanische Verfahrenstech-nik d�rften die Verh�ltnisse �hnlich liegen. Die Anforderungen an die Produkteigen-schaften steigen, die Entwicklungszeiten f�r neue Produkte werden immer k�rzer, sodass Impulse f�r den verst�rkten Einsatz von Messtechniken sowohl aus der Quali-t�tssicherung (engere Toleranzen) als auch der verfahrenstechnischen Entwicklung(h�here Effizienz) kommen. Letztere setzt ein vertieftes Verst�ndnis der Zusammen-h�nge voraus: von Produkt- und Dispersit�tseigenschaften (Eigenschaftsfunktionoder Produktmodell) einerseits und den Prozessbedingungen, mit denen die notwen-digen Dispersit�ts-Eigenschaften erzielt werden (Prozessfunktion oder Prozessmo-dell) andererseits. Neben die Beschreibung vonProduktzust�nden tritt die Charakteri-sierung des Produktverhaltens. Die Anforderungen an die Genauigkeit und Schnel-ligkeit der Messmethoden werden steigen aus Gr�nden der Qualit�tssicherung undf�r dieModellbildung. W�hrend f�r die Qualit�tssicherung einfache Indikatoren hin-reichend sein k�nnen, sind die Anforderungen an die Messtechnik f�r die Modellbil-dung besonders hoch, da sie das Fundament f�r dieModelle bildet [2.14], [2.111].

3

Feststoff/Fluid-Str�mungen

3.1

Bewegungen von Feststoffpartikeln in str�menden Fluiden

3.1.1

Bewegung einer einzelnen wandfernen Partikel in einer station�ren laminarenStr�mung

Betrachtet man eine einzelne, in einem Fluid (Fl�ssigkeit oder Gas) suspendiertePartikel zu einem bestimmten Zeitpunkt t, so ist ihre momentane Lage durch dieLage ihres Schwerpunkts und durch ihre Orientierung festgelegt (Abb. 3.1). IhreTranslationsgeschwindigkeit wird mit �� , ihre Winkelgeschwindigkeit mit �! bezeich-net. Bei Abwesenheit der Partikel hat das Fluid zu dem betrachteten Zeitpunkt einebestimmte r�umliche Geschwindigkeitsverteilung mit der Geschwindigkeit �u amSchwerpunktsort der Partikel. Die Relativgeschwindigkeit

�ur¼ �u � �� ð3:1Þ

ist zugleich die momentane Anstr�mgeschwindigkeit der Partikel. Ist die Partikelklein gegen�ber r�umlichen Ver�nderungen des Str�mungsfeldes, so kann die An-str�mung der Partikel als gleichf�rmig angesehen werden.

84 3 Feststoff/Fluid-Str�mungen

Page 2: Mechanische Verfahrenstechnik (Bohnet/Mechanische Verfahrenstechnik) || Feststoff/Fluid-Strömungen

Abb. 3.1 Skizze zur Veranschaulichung der Definitionen von Partikelgeschwindigkeit v, Geschwindigkeitdes Fluids u und Relativgeschwindigkeit ur

Auf die Partikel k�nnen Kr�fte verschiedener Art einwirken:– Feldkr�fte: hierzu geh�rt in erster Linie die Schwerkraft �FG

. Es gilt

�FG¼ V � %p � �g ð3:2Þ

wobei V und %p das Volumen bzw. die Dichte der Partikel und�g die Erdbeschleu-

nigung bezeichnen. In besonderen F�llen k�nnen elektrische oder magnetischeFeldkr�fte hinzutreten, bei Vorhandensein entsprechend großer Temperaturgra-dienten auch thermische Kr�fte (Thermophorese).

– Str�mungskr�fte: Infolge Anstr�mung mit der Geschwindigkeit �u wirken aufeine Partikel im allgemeinsten Fall ein Drehmoment �M und eine Kraft �FF

, wo-bei man sich letztere in eine Komponente in Richtung von �ur, die Widerstands-kraft �FW

, und in eine Komponente senkrecht zu �ur, den dynamischen Auftrieb

�FA, zerlegt denken kann.

– Druckkr�fte: Zus�tzlich zu den Str�mungskr�ften und auch dann, wenn zwi-schen Fluid und Partikel keine Relativbewegung stattfindet, k�nnen vom FluidDruckkr�fte �FP

auf die Partikel ausge�bt werden. Dies ist immer dann der Fall,wenn im Str�mungsfeld ein Druckgradient p besteht. Es gilt allgemein:

�FP¼ �V � grad p ð3:3Þ

F�r eine reibungsfreie Str�mung folgt aus den Navier-Stokes-Gleichungen

grad p ¼ %F � ð�g � d�u=dtÞ ð3:4Þ

wobei %F die Dichte und d�u=dt die substantielle Beschleunigung des Fluids be-zeichnet.

– Tr�gheitskr�fte: Gem�ß dem d’Alembertschen Prinzip wird eine sogenannteTr�gheitskraft �FT

�FT¼ �V � %p � d��=dt ð3:5Þ

eingef�hrt mit V; %p und d��=dt als dem Volumen, der Dichte und der Beschleu-nigung der Partikel.

Die an einer Partikel angreifenden Kr�fte heben sich gegenseitig auf. Werden son-stige �ußere Kr�fte wie Diffusions- und Kontaktkr�fte g�nzlich außer Betracht ge-

853.1 Bewegungen von Feststoffpartikeln in str�menden Fluiden

Page 3: Mechanische Verfahrenstechnik (Bohnet/Mechanische Verfahrenstechnik) || Feststoff/Fluid-Strömungen

lassen und wird von den Feldkr�ften allein die Schwerkraft ber�cksichtigt, so mußdie vektorielle Summe aus Schwerkraft �FG

, Str�mungskraft �FF, Druckkraft �FP

undTr�gheitskraft �FT

null werden:

�FGþ �FF

þ �FPþ �FT

¼ 0 ð3:6Þ

Diese Gleichung bildet die Grundlage f�r alle Partikelbahnberechnungen. Unbe-kannt ist dann in Gleichung (3.6) nur noch die Str�mungskraft �FF

. Hierf�r l�ßtsich jedoch – anders als f�r die �brigen beteiligten Kr�fte – kein einfacher allge-meing�ltiger mathematischer Ausdruck angeben. Bei der Berechnung von Partikel-bewegungen werden deshalb �blicherweise sehr weitgehende vereinfachende An-nahmen getroffen. Ob diese Vereinfachungen zul�ssig sind, muß in jedem Einzel-fall nachgepr�ft werden.Vereinfachend wird zun�chst angenommen:– Die Partikel hat die Form einer Kugel, hat eine glatte Oberfl�che, ist nicht defor-mierbar und rotiert nicht in der Str�mung,

– feste W�nde und freie Oberfl�chen sind so weit entfernt, daß sie die Str�mungpraktisch nicht beeinflussen,

– das Fluid ist inkompressibel, weist Newtonsches Fließverhalten auf und kann alsKontinuum betrachtet werden,

– die Anstr�mung ist gleichf�rmig, laminar und station�r.

Unter diesen Voraussetzungen verschwinden Drehmoment �M und dynamischerAuftrieb �FA

. Die Str�mungskraft �FFist auf eine Widerstandskraft �FW

reduziert, dienur noch von der Anstr�mungsgeschwindigkeit �ur

, der Viskosit�t , der Dichte %Fund dem Partikeldurchmesser d abh�ngt. Aufgrund einer Dimensionsanalyse wirdf�r �FW

folgender Ansatz gemacht:

�FW¼ cw �AP � ð%F=2Þj�ur

j�urð3:7Þ

Hierin ist AP ¼ d2�=4 die Projektionsfl�che der Partikel und cw der Widerstandsbei-wert, der unter den genannten Voraussetzungen nur noch von der Reynolds-Zahl Re

Re ¼ dj�urj%F= ð3:8Þ

abh�ngt.F�r den Bereich sehr kleiner Reynolds-Zahlen hat Stokes das Problem der Ku-

gelumstr�mung analytisch gel�st. Die Widerstandskraft ergab sich zu

�FW¼ 3�d�ur

ð3:9Þ

und der Widerstandsbeiwert cw zu

cw ¼ 24=Re ð3:10Þ

Dieses Ergebnis stimmt im Bereich Re � 0; 25 sehr gut mit Messungen �berein.F�r gr�ßere Reynoldszahlen existieren keine analytischen L�sungen. Bis etwa Re ¼100 gibt es numerische L�sungen der vollst�ndigen Navier-Stokes-Gleichungen, dar-�ber hinaus nur die Ergebnisse von Messungen. In [3.1] sind Messwerte verschiede-ner Autoren zusammengetragen. Den experimentell gefundenen Zusammenhang

86 3 Feststoff/Fluid-Str�mungen

Page 4: Mechanische Verfahrenstechnik (Bohnet/Mechanische Verfahrenstechnik) || Feststoff/Fluid-Strömungen

kann man nach einem Vorschlag von Kaskas und Brauer [3.2] durch eine Appro-ximationsfunktion von der Form

cw ¼ 24=Reþ 4=ffiffiffiffiffiffiRe

pþ 0; 4 ð3:11Þ

im Bereich von 0; 3 < Re < 2000, d.h. �ber viele Zehnerpotenzen der Reynolds-Zahl hinweg ann�hern, wobei der maximale relative Fehler 6% betr�gt.

Die Gleichungen (3.7) bis (3.11) gelten f�r den Fall, daß die Partikel station�r an-gestr�mt wird. Bewegt sich die Partikel beschleunigt oder verz�gert in der Str�-mung, so ist die Anstr�mung jedoch notwendig instation�r, selbst wenn die Grund-str�mung – wie vorausgesetzt – station�r ist. F�r die instation�re Anstr�mung gibtes wiederum nur f�r den Bereich sehr kleiner Reynolds-Zahlen eine analytische L�-sung. Nach Rechnungen von Basset, Boussinesq und Oseen, die von Tchen

[3.3] auf den Fall ver�nderlicher Geschwindigkeit des Fluids ausgedehnt wurden,erh�lt man f�r die Widerstandskraft �FW

auf eine kugelf�rmige Partikel desDurchmessers d:

�FW¼ 3�d�wrel

þ ð1=2Þðd3�=6Þ%Fd�wr=dt

þ ð3=2Þd2 ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi�%F

p �ðt

t0

ðd�ur=dtÞðt� t�Þ�1=2dt�

ð3:12Þ

Hierin bedeuten t0 die Zeit zu Beginn der Geschwindigkeits�nderung, und %Fdie Z�higkeit bzw. Dichte des Fluids und �ur

die Relativgeschwindigkeit zwischenPartikel und Fluid.

Im Bereich gr�ßerer Reynolds-Zahlen konnte der Beschleunigungseinfluss nochnicht hinreichend gekl�rt werden. Mangels genauerer Informationen geht man des-halb von Gleichung (3.12) aus und ersetzt darin lediglich den ersten Term (station�-rer Widerstand bei sehr kleinen Reynolds-Zahlen) durch die Gleichungen (3.7) und(3.11).Wie Brush, Ho und Yen [3.4] zeigen konnten, erh�lt man damit im Bereich

mittlerer Reynolds-Zahlen von 18–540 eine gute �bereinstimmung mit experi-mentellen Ergebnissen f�r die Partikelbewegung in einem niederfrequent oszillie-renden Str�mungsfeld. Im Bereich sehr hoher Reynolds-Zahlen verschwindet derUnterschied zwischen station�rem und instation�rem Widerstand [3.5].

Ist das Fluid eine Fl�ssigkeit, so kann man den zweiten und dritten Term in Glei-chung (3.12) bzw. in der nach dem Vorschlag von Brush, Ho und Yen modifizier-ten Gleichung bei Partikelbahnrechnungen meist nicht vernachl�ssigen. Andersverh�lt es sich im Fall von Gasstr�mungen. Hier verschwindet auch noch dieDruckkraft �FP

in Gleichung (3.6). Mit den Gleichungen (3.2), (3.5) und (3.7) folgtaus der Kr�ftebilanz

ðd3�=6Þ%p � d��=dt ¼ ðd3�=6Þ%p � �g þ cw � ðd2�=4Þð%F=2Þj�urj�ur: ð3:13Þ

Diese vektorielle Gleichung liefert im allgemeinen Fall drei gekoppelte Differen-tialgleichungen erster Ordnung zur Bestimmung der drei Komponenten der Parti-

873.1 Bewegungen von Feststoffpartikeln in str�menden Fluiden

Page 5: Mechanische Verfahrenstechnik (Bohnet/Mechanische Verfahrenstechnik) || Feststoff/Fluid-Strömungen

kelgeschwindigkeit �� . �ber eine weitere Integration erh�lt man daraus die Koordi-naten der Bahnkurve.

Nur in Ausnahmef�llen sind analytische L�sungen m�glich. Im allgemeinen Fallm�ssen numerische Methoden angewandt werden. Dies gilt meist auch schon f�rdie Berechnung der Grundstr�mung, in der sich die Partikeln bewegen, insbeson-dere wenn diese Str�mung selbst turbulent wird.

Solche Partikelbahnberechnungen sind schon f�r eine Reihe technisch wichtigerGasstr�mungen ausgef�hrt worden. Sie bilden die Grundlage f�r die Auslegungvon Sichtern und Abscheidern. Als Beispiel sei die Arbeit von Schmid [3.6] ge-nannt.

Generell ist zu allen Partikelbahnberechnungen, gleichg�ltig ob in Fl�ssigkeits-oder Gasstr�mungen, anzumerken, daß man sie immer nur als mathematische Mo-delle ansehen darf, die die Wirklichkeit nur teilweise richtig beschreiben k�nnen.Dies folgt aus der Vielzahl der vereinfachenden Annahmen, die in dem Ansatz f�rdie Str�mungskraft �FF

stecken.Hierzu geh�rt, daß in realen Str�mungen, anders als angenommen, die Partikeln

durch Wandst�ße oder wechselseitige Partikelst�ße in Drehnung versetzt werdenk�nnen. Dadurch wird, wie Messungen von Sawatzki [3.7] an Kugeln gezeigt ha-ben, zum einen der Str�mungswiderstand �FW

erh�ht, zum anderen aber auchein dynamischer Auftrieb �FA

quer zur Anstr�mungsrichtung erzeugt.Ferner weichen reale Feststoffpartikeln mehr oder weniger stark von der voraus-

gesetzten Kugelgestalt ab. Die Bewegung unregelm�ßig geformter Partikeln unter-scheidet sich aber in mehrfacher Hinsicht von der von Kugeln. F�r den Bereichsehr kleiner Reynolds-Zahlen hat Brenner [3.8] dazu eine allgemeine Theorieentwickelt.

Sind die Partikeln sehr klein oder bewegen sie sich in einem stark verd�nntenGas, so kann es sein, dass die mittlere freie Wegl�nge � der Gasmolek�le die Gr�-ßenordnung der Partikeln erreicht. Das Gas kann in diesem Fall nicht mehr alsKontinuum betrachtet werden, der Str�mungswiderstand der Partikeln wird kleiner.Maßgeblicher Parameter ist die Knudsen-Zahl Kn

Kn ¼ �=d ð3:14Þ

Die mittlere freie Wegl�nge errechnet sich aus

� ¼

0; 499�f��mol

ð3:15Þ

mit ��molals der mittleren Molek�lgeschwindigkeit. Die Abh�ngigkeit der Wider-

standszahl cw von der Knudsen-Zahl wurde experimentell ermittelt. Davies [3.9]hat alle bekannt gewordenen Messergebnisse durch eine Gleichung der Form

cw ¼ cwstokesf1þKnð2; 514þ 0; 800 � e�0;55=KnÞg�1 ð3:16Þ

approximiert, die im Bereich 0; 1 < Kn < 100 und Re < 0; 25 g�ltig ist.

88 3 Feststoff/Fluid-Str�mungen

Page 6: Mechanische Verfahrenstechnik (Bohnet/Mechanische Verfahrenstechnik) || Feststoff/Fluid-Strömungen

3.1.2

Wandeinfluss

Der Str�mungswiderstand einer Partikel h�ngt auch vom Abstand der den Str�-mungsraum begrenzenden W�nde ab. Analytische L�sungen liegen wiederum nurf�r sehr einfache Geometrien und f�r den Bereich sehr kleiner Reynolds-Zahlen vor.

So hat Brenner [3.10] den Widerstand einer kugelf�rmigen Partikel unter-sucht, die sich in einem ruhenden Fluid senkrecht zu einer ebenen festen Wandbewegt. Seine L�sung gilt f�r beliebige freie Wandabst�nde Dz. F�r sehr kleinerelative Abst�nde Dz/d l�sst sie sich approximieren durch

cw ¼ ð24=ReÞf1þ d=ð2�zÞg ð3:17Þ

F�r große �z=d geht sie �ber in die L�sung von Lorenz

cw ¼ ð24=ReÞ= 1� 9

8ð1þ 2�z=dÞ�1

� �ð3:18Þ

Die entsprechende L�sung f�r den Fall, dass sich die Partikel nicht senkrecht,sondern parallel zur Wand bewegt, lautet

cw ¼ ð24=ReÞ= 1� 9

16ð1þ 2�z=dÞ�1

� �ð3:19Þ

Beide L�sungen sind N�herungen f�r d �z. Gleiches gilt auch f�r die L�sungvon Ladenburg [3.11], der den Fall untersucht hat, dass sich eine Kugel l�ngsder Achse eines (unendlich) langen Zylinders vom Durchmesser D bewegt, wobeidas Fluid relativ zum Zylinder in Ruhe ist. Er fand

cw ¼ ð24=ReÞ½1þ 2; 104d=D� ð3:20Þ

Seine L�sung wurde von Brenner und Happel [3.12] auf den Fall erweitert,daß sich die Kugel in beliebiger Entfernung von der Zylinderachse befindet.

Bewegt sich das Fluid parallel zur Wand, so wird – wie Rubin [3.13] experimentellgezeigt hat – nicht nur der Str�mungswiderstand einer Kugel ver�ndert, sondernes wirkt auf diese auch eine von der Wand weggerichtete dynamische Auftriebs-kraft �FA

. Auf die Existenz einer solchen Kraft hat auch Bauckhage [3.14] die vonihm beobachtete Erscheinung zur�ckgef�hrt, dass sich eine durch ein Rohr laminarhindurchstr�mende Suspension kugelf�rmiger Partikeln entmischt und dass sichdie Partikeln in einer ringf�rmigen Zone beim halben Radius anreichern.

3.1.3

Str�mungswechselwirkung von Partikeln

F�r die gegenseitige Beeinflussung zweier gleichgroßer kugelf�rmiger Partikeln istim Bereich sehr kleiner Reynolds-Zahlen von Goldman, Cox und Brenner

[3.15] eine analytische L�sung gefunden worden, die f�r beliebige Partikelab-st�nde gilt und die zeigt, dass der Str�mungswiderstand jeder der beiden Parti-keln infolge Anwesenheit der anderen in gleichem Maße herabgesetzt wird.

893.1 Bewegungen von Feststoffpartikeln in str�menden Fluiden

Page 7: Mechanische Verfahrenstechnik (Bohnet/Mechanische Verfahrenstechnik) || Feststoff/Fluid-Strömungen

Im Bereich h�herer Reynolds-Zahlen gibt es keine theoretischen L�sungen. Diewenigen bekannt gewordenen experimentellen Untersuchungen zeigen, dass in die-sem Bereich die Widerst�nde zweier gleichgroßer, hintereinander angeordneter Par-tikeln nicht mehr gleich groß sind, so dass bei der Sedimentation die hintere dievordere Partikel einholt.

Die Wechselwirkung sehr vieler Partikeln l�ßt sich nur mit statistischen Mittelnbeschreiben. In niedrig konzentrierten Suspensionen aus gleichgroßen Partikeln�ußert sie sich darin, dass sich bei der Sedimentation Komplexe aus mehreren Par-tikeln bilden, die schneller absinken als eine Partikel [3.16]. Bei h�heren Partikel-konzentrationen verschwindet dieser Effekt und die Partikeln sedimentieren mitherabgesetzter, einheitlicher Geschwindigkeit.

3.2

Str�mung durch Packungen und Wirbelschichten

3.2.1

Druckverlust bei der Packungsdurchstr�mung

Durchstr�mte Packungen spielen in der Verfahrenstechnik und Reaktionstechnikeine bedeutende Rolle, z.B. in der Gestalt des durchstr�mten Filterkuchens oderdes Festbettreaktors. Vom Standpunkt der mechanischen Verfahrenstechnik interes-siert vor allem die Vorhersage des Druckabfalls �P f�r eine Packung mit in Haupt-str�mungsrichtung unver�nderlichem Querschnitt und der L�nge �L bei vorgege-bener Leerrohrgeschwindigkeit u. F�r ein inkompressibles Fluid gilt �P � �L. Da-mit ist die gesuchte Zielgr�ße der Betrag des Druckgradienten �P=�L.

Im Falle eines kompressiblen Fluids gelten die nachstehend beschriebenen Bezie-hungen f�r den lokalen Druckgradienten dP=dx ¼ ��P=�L. Im Modellfall eineskugeligen Gleichkorns gibt es insgesamt sechs Einflussgr�ßen, n�mlich Druckgra-dient�P=�L [kg m–2s–2], Partikeldurchmesser d [m], Fluiddichte �F [kg m–3], Visko-sit�t [kg m–1s–1], und die Zwischenraumfluidgeschwindigkeit u=" [ms–1] mit demHohlraumvolumenanteil " der Packung.

Gem�ß dem �-Theorem von Buckingham ergeben sich drei sinnvoll definierteKennzahlen:

Euler-Zahl Eu � ð�P=�LÞd�Fðu="Þ2

; ð3:21Þ

Reynolds-Zahl Re � �Fðu="Þd

ð3:22Þ

und

Feststoffvolumen

Fluidvolumen� 1� "

"ð3:23Þ

90 3 Feststoff/Fluid-Str�mungen

Page 8: Mechanische Verfahrenstechnik (Bohnet/Mechanische Verfahrenstechnik) || Feststoff/Fluid-Strömungen

Die Grundlagen der Str�mungsmechanik legen die folgenden Grenzf�lle nahe:1. Niedrige Reynolds-Zahlen, d.h. die Fluiddichte ist unwesentlich:

Eu �Re � ð�P=�LÞd2ðu="Þ ¼ f1

1� "

"

� �ð3:24Þ

Die entsprechende empirische Carman-Kozeny-Gleichung lautet

�P

�L¼ 150

ð1� "Þ2

"3� ud2

ð3:25Þ

2. Hohe Reynoldszahlen, d.h. die Viskosit�t ist unwesentlich:

Eu � ð�P=�LÞd�Fðu="Þ2

¼ f21� "

"

� �ð3:26Þ

Die entsprechende empirische Gleichung ist

�P

�L¼ 1; 75

1� "

"3� �Fu

2

dð3:27Þ

Die �berlagerung der Gleichungen (3.25) und (3.27) liefert die Ergunsche Glei-chung [3.17]

�P

�L¼ 150

ð1� "Þ2

"3u

d2þ 1; 75 � 1� "

"3�Fu

2

d: ð3:28Þ

Ausgehend von Gleichung (3.28) l�ßt sich eine sinnvolle Verallgemeinerung f�runregelm�ßig geformte Partikeln in mehr oder weniger breiter Kornverteilung �berdie Definition der volumenbezogenen spezifischen Oberfl�che

Sv ¼6

dð3:29Þ

gewinnen.Einsetzen von Gleichung (3.29) in Gleichung (3.28) ergibt

�P

�L¼ k Sv

1� "

"

� �2

u

"þ C Sv

1� "

"

� ��F

u

"

� �2ð3:30Þ

mit den empirischen Konstanten k � 5 und, C � 0,3. In der Schreibweise vonGleichung (3.30) erkennt man die physikalische Bedeutung der einzelnen Fakto-ren. Insbesondere gilt

Sv1� "

"¼ Feststoffoberfl€aache

Fluidvolumen

913.2 Str�mung durch Packungen und Wirbelschichten

Page 9: Mechanische Verfahrenstechnik (Bohnet/Mechanische Verfahrenstechnik) || Feststoff/Fluid-Strömungen

Die Ergunsche Gleichung in den Varianten (3.28) und (3.30) liefert gute N�herun-gen f�r Re � 102. Ab Re 103 sind die Abweichungen von der Realit�t erheblich.Zu einer genaueren Beschreibung des Packungsdruckverlustes siehe [3.18].

3.2.2

Verfahrensprinzip der Fluidisation, Vor- und Nachteile

Das einer Wirbelschicht zugrunde liegende Verfahrensprinzip der Fluidisationbesteht darin, daß eine Sch�ttung von Feststoffpartikeln (Abb. 3.2a) durch einenaufw�rts gerichteten Fluidstrom in einen fl�ssigkeits�hnlichen Zustand versetztwird, sobald der Volumenstrom _VV des Fluids einen Grenzwert _VVmf erreicht(Abb. 3.2b). In diesem »fluidisierten« Zustand werden die Feststoffpartikeln durchden Fluidstrom in Schwebe gehalten.

Bei Steigerung des Volumenstroms _VV �ber den Lockerungspunkt _VVmf hinaus be-ginnt bei Fluidisation mit einer Fl�ssigkeit eine gleichm�ßige Expansion derSchicht, w�hrend bei der technisch bedeutsameren Fluidisation mit einem Gas dieBildung praktisch feststofffreier Gasblasen einsetzt (Abb. 3.2c). Die Blasenkoales-zenz bewirkt, daß die lokale mittlere Blasengr�ße mit zunehmender H�he �berdem Anstr�mboden rasch anw�chst. Bei gen�gend schlanken und hohen Wirbel-schichtgef�ßen f�llen die Blasen schließlich den gesamten Querschnitt aus unddurchlaufen die dann »stoßende« Wirbelschicht als eine Folge von Gaskolben(Abb. 3.2d). Bei sehr hohen Geschwindigkeiten sind keine einzelnen Blasen mehrunterscheidbar; ebenso ist keine definierte Schichtoberfl�che mehr zu erkennen(Abb. 3.2e). Derartige expandierte oder zirkulierende Wirbelschichten lassen sichwegen des hohen Feststoffaustrags nur durch st�ndige Zirkulation des Feststoffs�ber einen R�ckf�hrzyklon aufrechterhalten.

Abb. 3.2 Wirbelschichtzust�ndea) Ruhesch�ttung, b) Wirbelschicht im Lockerungspunkt, c) blasenbildende Wirbelschicht,d) stoßende Wirbelschicht, e) expandierte Wirbelschicht

92 3 Feststoff/Fluid-Str�mungen

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Die Vorteile der Gas/Feststoff-Wirbelschicht sind– einfache Handhabung und Transport des Feststoffs durch fl�ssigkeits�hnlichesVerhalten der Wirbelschicht,

– gleichm�ßige Temperaturverteilung infolge intensiver Feststoffdurchmischung,– große Austauschfl�che zwischen Feststoff und Gas durch kleine Korngr�ßen desFeststoffs,

– hoheW�rme�bergangszahlen sowohl zwischen derWirbelschicht und eintauchen-denHeiz- und K�hlfl�chen als auch zwischen Feststoff und Anstr�mgas [3.19].

Diesen Vorteilen stehen als Nachteile gegen�ber:– Austrag des Feststoffs erfordert aufw�ndige Feststoffabscheidung und Gasreini-gung,

– intensive Feststoffbewegung kann zur Erosion an Einbauten und zu nennenswer-tem Abrieb des Feststoffs f�hren,

– Agglomeration des Feststoffs kann Zusammenbrechen der Fluidisation zur Folgehaben,

– hohe R�ckvermischung des Gases reduziert den Umsatz einer chemischen Reak-tion,

– Blasenentwicklung bedeutet im Fall einer katalytischen Reaktion unerw�nschtenBypass bzw. sehr breite Verweilzeitverteilung des Reaktionsgases,

– Ein Gegenstrom Gas/Feststoff ist nur in Mehrstufen-Anordnungen angen�hertzu verwirklichen,

– Maßstabsvergr�ßerung von Wirbelschichten ist unter Umst�nden schwierig.

Eine ausf�hrliche Darstellung zum Thema Wirbelschichten wird z.B. in [3.20] gege-ben.

3.2.3

Ausdehnungsverhalten der homogenen (Fl�ssigkeits/Feststoff ) Wirbelschicht

Bei Dichteverh�ltnissen Feststoff zu Fl�ssigkeit �S=�F � 5 wird eine homogeneFluidisation mit weitgehend gleichm�ßiger Feststoffverteilung im Fluid beobachtet,d.h. nach �berschreiten der Minimalfluidisationsgeschwindigkeit umf expandiertdie Wirbelschicht homogen. Die homogene Bettexpansion wird nach Richardson

und Zaki [3.21] durch das Verh�ltnis von Leerrohrgeschwindigkeit u zur Einzel-kornsinkgeschwindigkeit vS als Funktion des Hohlraumvolumenanteils " be-schrieben.Wegen "! 1 f€uur u! vs bei homogener Fluidisation liefert der einfache Potenz-

ansatz

u

vs¼ "n ð3:31Þ

brauchbare N�herungen. Der Exponent n ist eine Funktion der Reynolds-Zahl

Rewf � ðvsdÞ=u ð3:32Þ

933.2 Str�mung durch Packungen und Wirbelschichten

Page 11: Mechanische Verfahrenstechnik (Bohnet/Mechanische Verfahrenstechnik) || Feststoff/Fluid-Strömungen

F�r den Exponenten n gelten die beiden Grenzf�lle

n ¼ 4; 65 f€uur Rewf < 0; 252; 4 f€uur Rewf > 500

�ð3:33Þ

3.2.4

Lockerungspunkt (Minimalfluidisation)

Der gesamte Druckabfall in der Wirbelschicht ist gleich dem Gewicht von Fluid undFeststoff, bei gasfluidisierten Betten praktisch gleich dem Feststoffgewicht. F�r eingut fluidisierendes, wenig koh�sives Gut von ann�hernd einheitlicher Korngr�ße er-gibt sich der mit dem Gesamtgewicht der Sch�ttung G und der leeren Querschnitts-fl�che A dimensionslos gemachte Druckverlust �p als Funktion der mit der Mini-malfluidisationsgeschwindigkeit umf dimensionslos gemachten Leerrohrgeschwin-digkeit u nach Abbildung 3.3.Vor Einsetzen der Fluidisation wird eventuell ein Wert �pmax=ðG=AÞ > 1 er-

reicht, aufgrund der Ursprungsverfestigung des Gutes infolge seines Eigenge-wichts. Beim �berschreiten des Lockerungspunktes wird durch die einsetzendeFluidisation die Anfangsverfestigung zerst�rt, und der Druckabfall f�llt im Wirbel-schichtbereich auf den Gleichgewichtswert �p=ðG=AÞ ¼ 1.

Erst bei Werten u=umf � 1 steigt der Druckverlust wieder etwas infolge der zu-s�tzlichen Verluste durch die dann wesentlich intensivere Feststoffbewegung bzw.Gasstr�mung.

Bei Absenkung der Anstr�mgeschwindigkeit unter umf zeigt das dann lockereFestbett einen geringeren Druckverlust. Der Lockerungspunkt wird daher zweckm�-ßig durch den Schnittpunkt zwischen der (evtl. extrapolierten) Festbettlinie bei Ab-senkung der Anstr�mgeschwindigkeit und der horizontalen Wirbelschichtlinie fest-gelegt.

Zur Vorausberechnung des Lockerungspunkts bzw. Umrechnung auf Betriebszu-stand siehe [3.22].

Abb. 3.3 Druckverlustverlauf einer gut fluidiserenden Gas/Feststoff-Wirbelschicht

94 3 Feststoff/Fluid-Str�mungen

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3.2.5

Wirbelschicht-Zustandsdiagramm

Unter recht allgemein gehaltenen Voraussetzungen l�sst sich zeigen [3.23], dasssich die mittleren str�mungsmechanischen Daten einer Wirbelschicht als Verkn�p-fung dimensionsloser Kennzahlen wie folgt darstellen lassen:

F3

4Fr

�F�s � �F

� 3

4

u2

dg

�F�s � �F

; Re � ud�F

;�s�F

; "

¼ 0 ð3:34Þ

Bei der Fluidisation steht der Str�mungswiderstand einer Partikel im Gleichgewichtmit ihrer um den Auftrieb verminderten Gewichtskraft. Die erste der in Gleichung(3.34) stehenden Kennzahlen beschreibt daher das Verh�ltnis einer mit dem doppel-ten Staudruck �Fu

2 gebildeten Widerstandskraft �Fd2u2 zu der um den Auftriebverminderten Gewichtskraft in der Form ð�s � �FÞd3g. Die Reynolds-Zahl Re kenn-zeichnet den Str�mungszustand. Das Dichteverh�ltnis �s=�F steht f�r den Unter-schied zwischen homogener und inhomogener Fluidisation, der Hohlraumvolu-menanteil e beschreibt die mittlere Bettexpansion.

In der technischen Praxis sind Fl�ssigkeits/Feststoff-Systeme an Dichteverh�lt-nisse �s=�F � 2� 5, drucklose Gas/Feststoff-Systeme an Dichteverh�ltnisse�s=�F � ð2� 5Þ 103 gebunden. Aus der Kennzahlen-Kombination (3.34) folgt da-her, daß man nach Reh [3.24] bei jeweils praktisch festgehaltenem �s=�F das Ver-halten von drucklosen Gas/Feststoff- und von Fl�ssigkeits/Feststoff-Systemen ineinem einzigen Diagramm (Abb. 3.4) darstellen kann. W�hrend bei homogenerFluidisation, d.h. bei Fl�ssigkeits/Feststoff-Systemen (gestrichelte Linie f�r dieEinzelkornsinkgeschwindigkeit bei "! 1), Fluidisation und Feststoffaustrag klarvoneinander abgegrenzt sind, ist die ungleichm�ßige Fluidisation von Gas/Fest-stoff-Systemen (ausgezogene Linien) durch einen zu kleineren Archimedes-Zah-len und damit kleineren Partikelgr�ßen immer breiter werdenden �bergangsbe-reich zwischen Fluidisation und Feststoffaustrag gekennzeichnet. Oberhalb dergekr�mmten, gestrichelten Schwebelinie der Einzelpartikel ("! 1) bis zur hori-zontalen Austragslinie ("! 1) der Gas-Wirbelschicht befindet sich der Bereichder ausgedehnten Wirbelschicht, der nur durch R�ckf�hrung des ausgetragenenFeststoffs oder Neuzufuhr aufrechterhalten werden kann.

F�r Auslegungszwecke f�hrt man zweckm�ßig die Archimedes-Zahl Ar und die�-Kennzahl ein, da diese einen dimensionslosen Partikeldurchmesser bzw. eine di-mensionslose Leerrohrgeschwindigkeit repr�sentieren. Es gilt

Ar � ð�s � �FÞ�Fd32

¼ Re2

Fr�F

�s � �F

ð3:35Þ

bzw.

Fr�F

�s � �F¼ Re2=Ar ð3:36Þ

953.2 Str�mung durch Packungen und Wirbelschichten

Page 13: Mechanische Verfahrenstechnik (Bohnet/Mechanische Verfahrenstechnik) || Feststoff/Fluid-Strömungen

Abb. 3.4 Zustandsdiagramm f�r Fl�ssigkeits/Feststoff- bzw. drucklose Gas/Feststoff-Wirbelschichtennach [3.24]

d.h. Linien Ar = const. sind Geraden mit der Steigung + 2 in dem doppellogarith-mischen Diagramm von Abbildung 3.4.

Andererseits gilt

� � �2Fu3

ð�s � �FÞg¼ ReFr

�F�s � �F

ð3:37Þ

mit

Fr�F

�s � �F¼ � �Re�1: ð3:38Þ

Gem�ß Gleichung (3.38) ergeben Linien konstanter �-Kennzahlen Geraden mit derSteigung –1.

96 3 Feststoff/Fluid-Str�mungen

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3.2.6

Sch�ttguttypen

Durch Auswertung zahlreicher Messungen konnte Geldart [3.25] f�r Gas/Fest-stoff-Wirbelschichten vier unterschiedliche Typen von Sch�ttg�tern hinsichtlichihres Fluidisationsverhaltens kennzeichnen und voneinander abgrenzen. Diessind (siehe auch Abb. 3.5):– Gruppe A: Wirbelschichten aus Materialien mit kleiner Partikelgr�ße oder nied-riger Feststoffdichte expandieren merklich oberhalb der Minimalfluidisation, be-vor Blasenbildung einsetzt. Alle Gasblasen steigen schneller als das Zwischen-raumgas in der Suspensionsphase. Es scheint eine maximale Blasengr�ße zuexistieren.

– Gruppe B: Diese Gruppe enth�lt die meisten Materialien im Bereich mittlererPartikelgr�ßen und Dichten, d.h. im Bereich

40�m < d < 500�m

bzw.

1; 4 � 103 kg m�3 � �s � 4 � 103 kg m�3

Im Gegensatz zu Gruppe A setzt bei diesen Materialien die Blasenbildung direktoberhalb der Minimalfluidisation ein. Die Bettausdehnung ist gering. Die meistenBlasen steigen schneller als das Zwischenraumgas. Eine Begrenzung der maxima-len Blasengr�ße scheint nicht zu existieren.

Abb. 3.5 Unterscheidung verschiedener Typen von gasfluidisierten Feststoffen nach [3.25]

973.2 Str�mung durch Packungen und Wirbelschichten

Page 15: Mechanische Verfahrenstechnik (Bohnet/Mechanische Verfahrenstechnik) || Feststoff/Fluid-Strömungen

– Gruppe C: Zur Gruppe C geh�ren koh�sive Materialien. Die Fluidisation derarti-ger Feststoffe ist extrem schwierig. Die Sch�ttung wird in kleinen, glatten Roh-ren als Ganzes vom durchstr�menden Gas angehoben, bzw. das Gas bl�st ledig-lich einzelne Kan�le frei, die vom Anstr�mboden bis an die Bettoberfl�che rei-chen. Lediglich durch den Einsatz mechanischer R�hrer l�ßt sich eine mehroder weniger schlechte Fluidisation erzwingen.

– Gruppe D: Zu dieser Gruppe z�hlen Materialien mit großen oder schweren Par-tikeln. Die Geschwindigkeit der Gasblasen ist mit Ausnahme der großen Blasengeringer als die des Gases im Zwischenraum der Suspensionsphase. Die Gasge-schwindigkeit in der Suspensionsphase ist vergleichsweise hoch. F�hrt mandas Fluidisiergas durch eine einzelne, zentrale Bohrung zu, so stellt sich keine�bliche Fluidisation, sondern das sogenannte spouted bed ein.

Wie Abbildung 3.5 zeigt, lassen sich die verschiedenen Sch�ttguttypen dadurch invern�nftiger Weise abgrenzen, daß man die Dichtedifferenz zwischen Feststoff undFluid �ber der mittleren Partikelgr�ße auftr�gt. Die in Abbildung 3.5 eingezeichne-ten schraffierten �bergangsgebiete bzw. die Grenzlinien folgen aus theoretischen�berlegungen [3.23].

3.2.7

Lokale Struktur der Gas/Feststoff-Wirbelschichten

Die charakteristische Eigenschaft der Gas/Feststoff-Wirbelschicht ist das Auftretenvon Gasblasen. Oberhalb des Lockerungspunktes durchstr�mt nur ein bestimmterAnteil des Fluidisiergases die dichte Suspensionsphase. Das �brige Gas passiert dieWirbelschicht in Form von praktisch feststofffreien Gasblasen.

Die wesentlichen Z�ge der Wirkung der Gasblasen auf die Eigenschaften einerWirbelschicht lassen sich aus der Beobachtung einzelner Blasen bei geringf�gig�ber dem Lockerungspunkt fluidisierten Betten erkl�ren.

Die verschiedenen theoretischen und experimentellen Befunde lassen sich zu fol-gendem Bild zusammenfassen (vgl. Abb. 3.6):– Die Gasblasen transportieren Partikeln in der Wirbelschicht nach oben durchMitnahme im Nachlauf. Bei der Blasenumstr�mung werden auch im Nachlaufnicht eingefangene Partikeln nach oben verlagert, wie man aus dem Absolutbildder Partikelbewegung entnehmen kann.

– Die Zirkulationsstr�mung des Gases innerhalb der Blasen ist f�r eine erheblicheBypass-Wirkung der Blasen verantwortlich.

– Infolge des Unterdruckes am unteren Blasenende saugen gr�ßere, schnellere Bla-sen kleinere, langsamere Blasen nach dem �berholen von unten ein und koales-zieren mit diesen. Die Folge dieser Koaleszenz ist ein rasches Blasenwachstum inSteigrichtung.

Die Auswertung lokaler Messungen ergab l�ngs eines Steigweges von etwas weni-ger als 1 m eine Zunahme des lokalen mittleren Blasenvolumens �ber einen Be-reich von zwei Zehnerpotenzen. Ein statistisches Koaleszenzmodell f�hrt in Verbin-

98 3 Feststoff/Fluid-Str�mungen

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Abb. 3.6 Einzelblase mit Blasengasverteilung und Druckverlauf

dung mit Messungen auf eine empirische Korrelation f�r das Blasenwachstum[3.26]:

d�cm

� �¼ 0; 853

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi1þ 0; 272

u� umf

cm s�1

� �3

r1þ 0; 0684

h

cm

� � 1;21ð3:39Þ

Gleichung (3.39) erm�glicht eine Vorausberechnung der lokalen mittleren Bla-sengr�ße, und zwar des Durchmessers dv der volumengleichen Kugel, als Funktionder H�he h �ber dem Anstr�mboden und der Gasgeschwindigkeit u. Gleichung(3.39) gilt f�r eine por�se Platte als Anstr�mboden. Zur Vorausberechnung des Bla-senwachstums bei technischen Anstr�mb�den siehe [3.23].

Abbildung 3.7 zeigt eine Auftragung lokaler Messungen [3.27] des in Form vonBlasen durchgesetzten Gasvolumenstromes pro Fl�cheneinheit _VVB=A in Abh�ngig-

Abb. 3.7 R�umliche Verteilung der Blasen in einer Wirbelschicht und daraus abgeleiteter Feststoff-umlauf [3.27]

993.2 Str�mung durch Packungen und Wirbelschichten

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keit von der Entfernung r von der Rohrachse f�r verschiedene H�hen h �ber demAnstr�mboden. Die Messungen lassen erkennen, wie sich in Bodenn�he eine wand-nahe Zone verst�rkter Blasenentwicklung herausbildet, die sich mit zunehmenderH�he �ber dem Anstr�mboden zur Rohrmitte hin verschiebt.

Bei der zirkulierenden Wirbelschicht werden lokale Anreicherungen von Fest-stoff, sogenannte Cluster, beobachtet, die von einer Suspension mit niedrigerer Fest-stoffkonzentration umgeben sind. Zum Verst�ndnis des g�nzlich anderen Verhal-tens der zirkulierenden Wirbelschicht ist es wichtig, daß dort Feststoffvolumenkon-zentrationen von cV � 10�3 beobachtet werden. Zur Fluidmechanik zirkulierenderWirbelschichten siehe [3.28].

3.2.8

Technische Anwendungen des Wirbelschichtprinzips

Rein mechanische Verfahren werden zwar h�ufig mit W�rme- und Stoff�bertra-gungsprozessen bzw. mit chemischen Prozessen in der Wirbelschicht verkn�pft,mechanische Verfahren besitzen aber durchaus auch eigenst�ndige Bedeutung. Bei-spiele f�r mechanische Verfahren sind: F�rdern von Feststoffen in Wirbelschicht-rinnen, Mischen von Feststoffen bei h�heren Gasgeschwindigkeiten, oder Granulie-ren in der Wirbelschicht.

Die durch heftige Feststoffbewegung in einer Wirbelschicht hervorgerufene me-chanische Beanspruchung der Partikeln hat eine in vielen Prozessen durchaus er-w�nschte desagglomerierende Wirkung und wird in der Wirbelschicht-Strahlm�hleauch unmittelbar technisch genutzt zur Feinstzerkleinerung.

Unter den mit W�rme- bzw. Stoff�bertragung verbundenen Verfahren Aufhei-zen/K�hlen, Trocknen, Absorbieren/Desorbieren, Beschichten, kommt der Trock-nung die gr�ßte wirtschaftliche Bedeutung zu. Wirbelschichttrockner erlauben beihohen spezifischen Leistungen eine schonende und gleichm�ßige Trocknung bisauf geringe Restfeuchten.

Beim Wirbelsinterverfahren werden erhitzte Werkst�cke in Wirbelschichten fein-k�rniger Kunststoffpulver eingetaucht. Durch Ansintern der Bettpartikeln �berzie-hen sich die Werkst�cke mit einer gleichm�ßigen Schicht.

Die in Wirbelschichten durchgef�hrten chemischen Prozesse werden zweckm�-ßig nach der jeweiligen Rolle des Feststoffes eingeteilt in– Prozesse, in denen der Feststoff als Katalysator wirkt

(Beispiele: katalytisches Cracken, Fischer-Tropsch-Synthese, Herstellung vonAcrylnitril)

– Prozesse, in denen der Feststoff als W�rmetr�ger wirkt(Beispiele: BASF-Wirbelschichtverfahren zur Roh�lspaltung, Lurgi-Sandcrackerzur Ethylen-Erzeugung, Fluid-Coking-Verfahren zur Spaltung von R�ckstands-�len)

– Prozesse, in denen der Feststoff an der Reaktion teilnimmt(Beispiele: R�sten sulfidischer Erze, Wirbelschichtfeuerungen zur Kohleverbren-nung, Verbrennung von Kl�rschlamm).

100 3 Feststoff/Fluid-Str�mungen