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LOBBYING in EUROPA Strategische Interessenvertretung oder Grauzone der Demokratie?

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LOBBYING in EUROPAStrategische Interessenvertretungoder Grauzone der Demokratie?

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InhaltVorwort ..............................................................................................3Begrifflichkeiten - Fakten - Fragestellungen ....................................5Lobbyismus - Lobbying - Lobbyistin ............................................................5Die Initiative der Kommission ....................................................................6Webseite der Europäischen Kommission ....................................................7Kritische Webseiten von NGO's................................................................7Lobbying und Lobbyisten in Brüssel ............................................................8Lobbyingarbeit ........................................................................................9Lobbying in der Transparenzinitiative der Kommission ..............................10Position der Arbeitnehmerinnenvertreter zum Grünbuch Transparenzinitiative ............................................13Lobbying als Strategie ....................................................................15Methode ..............................................................................................15Erfolg ..................................................................................................16Zeitfaktor ..............................................................................................17Netzwerke und transnationale Zusammenarbeit ........................................17Verbände ............................................................................................18Korruption - Desinformation - Medien/Öffentlichkeit ..................................18Berufsethik ............................................................................................19Leitbild ................................................................................................21Standpunkte......................................................................................23Europäische Kommission ........................................................................23Elisabeth Aufheimer (BAK-Büro Brüssel) ....................................................24Frank Ey (BAK-Büro Brüssel) ....................................................................25Claus Faber (ATTAC Österreich)..............................................................26Wolfgang Greif (GPA-DJP)......................................................................27Wilhelm Haberzettl (vida) ......................................................................28Edmund Hauswirth (Industriewaggon GmbH) ............................................29Wolfgang Katzian (GPA-DJP) ..................................................................30Jörg Leichtfried (MEP) ............................................................................31Evelyn Regner (ÖGB Europabüro)............................................................32Martin Säckl (Eacon)..............................................................................33Reden über Europa - Kommunikation unserer Interessen ..........35

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Lobbying in Europa:Strategische Interessenvertretung oder Grauzone der Demokratie?In Brüssel ist Lobbying aus dem politischen Geschehen nicht mehr wegzuden-ken. Die europäische Politik funktioniert durch Lobbying bei der EU-Kommissionund bei den EU-Parlamentarierinnen. Lobbying ist ein Mittel zum politischen Pro-zess der Entscheidungsfindung und auch für Gewerkschafter ein Instrument zurpolitischen Einflussnahme.

Gewerkschafterinnen sind jedoch mehr als einfach nur Berufslobbyisten, die dieInteressen ihrer Auftraggeber voranbringen sollen. Die Gewerkschaften sind Teilder Europäischen Sozialpartner und als solche ist unsere Rolle viel umfassenderals jene der anderen Lobbyistinnen. Als Gewerkschafter vertreten wir die Inter-essen der Arbeitnehmerinnen in Europa und arbeiten aktiv bei der Gestaltung deseuropäischen Sozialmodells mit.

Damit haben wir nicht einfach bloße Geschäftsinteressen, sondern einen demo-kratisch legitimierten Auftrag sowie eine moralische Rechenschaftspflicht gegen-über unseren Mitgliedern. Demokratie und das Einhalten ihrer Spielregeln sinduns ein Anliegen.

Wir treten für einen konsequenten Ausbau dieser demokratischen Spielregelnein. Lobbying braucht Transparenz, ethische Codes und Kontrolle - nicht zuletztfür das künftige Image der Europäischen Union bei den Bürgerinnen!

Lobbying bzw. Interessenvertretung kann nicht neutral sein. Es muss klar sein, fürwen oder wofür sie steht. Sie bietet gewählten Abgeordneten und Beamten Ent-scheidungsgrundlagen. Die Letztentscheidung liegt jedoch in der Politik!

Wilhelm Haberzettl Wolfgang KatzianVorsitzender Sektion Verkehr vida Vorsitzender GPA-DJP Präsident der ETF Vorstands- und Präsidiums-

mitglied UNI Europa

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Autorinnen

Barbara Lavaud hat nach dem Studium der Literaturwissen-schaft in der Slowakei und in Frankreich gearbeitet. Danachwar sie mehrere Jahre für das ÖGB Europabüro in Brüssel tätig.Zu den Schwerpunkten ihrer Arbeit in der GPA-DJP im letztenJahr gehörten die Öffentlichkeitsarbeit, Kampagnen wie die zurDienstleistungsrichtlinie und die Kommunikation europäischerThemen in gewerkschaftlichen Medien.

Natascha Wendt hat Kommunikationswissenschaften undPolitikwissenschaft studiert. Sie arbeitete in der Presseabteilungder ÖBB und ist seit fünf Jahren im Referat für InternationaleBeziehungen der Gewerkschaft der Eisenbahner - nun vida,Sektion Verkehr - tätig. Ihr Arbeitsbereich ist die Zusammenar-beit mit den Gewerkschaftsverbänden in Brüssel, die interneund externe Kommunikation sowie die Ausarbeitung und Be-gleitung der Lobbyingstrategien ihrer Gewerkschaft.

Impressum: Herausgeber und Verleger: GPA-DJP (1034 Wien, Alfred-Dallinger-Platz 1), vida (1050Wien, Margaretenstraße 166); Autorinnen: Barbara Lavaud (GPA-DJP), Natascha Wendt (vida); Layout:GPA-DJP Marketing, Eveline Pelzer; Fotos: bilderbox, Natascha Wendt, Barbara Lavaud, ÖGB, BAK;DVR 0046655, ZVR 576439352

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Begrifflichkeiten - Fakten - FragestellungenLobbyismus - Lobbying - Lobbyistin

Lobbyismus ist eine Form der Interessenvertretung in der Politik, bei der Regierungs-mitglieder, Beamte 1 und gewählte Entscheidungsträgerinnen durch Interessen-gruppen - den so genannten Lobbies - im direkten Kontakt gezielt angesprochenwerden bzw. indirekt die öffentliche Meinung über die Medien beeinflusst wird.

Lobbying wird nicht nur für Konzerne immer wichtiger. Auch andere Lobbygruppenwie Gewerkschaften, NGO's, Territorialverbände und verschiedene Gruppen derZivilgesellschaft versuchen gezielt, Ansätze und Meinungen ihrer Auftraggeber undMitglieder in politische Prozesse - besonders in Gesetzgebungsverfahren - einzu-bringen.

Bei den verschiedenen Definitionen des Lobbyinglassen sich drei am häufigsten erscheinendeMerkmale herausfiltern:

EinflussnahmeInformationsbeschaffungInformationsaustausch

Lobbyismus kann als Methode der Einwirkung aufEntscheidungsträgerinnen und Entscheidungspro-zesse durch präzise Information im Rahmen einerfestgelegten Strategie definiert werden. Es han-delt sich zumeist um punktuelle Beeinflussungenspezifischer Sachentscheidungen.

Ein Lobbyist tritt als Vermittler bzw. als eine Art"Übersetzer" auf, der die Interessen seiner Auf-traggeberinnen kommuniziert.

1) Im Sinne des Gender Mainstreaming verwendet diese Broschüre abwechselnd die weibliche und diemännliche Form, also z. B. "Beamtinnen und Parlamentarier", um Wortmonster wie die Arbeitnehme-rInnenvertreterInnen zu vermeiden und die Lesbarkeit einer geschlechtsneutralen Sprache zu verbessern.

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Die Initiative der Kommission

Im Frühjahr 2005 beginnt EU Kommissar Siim Kallas (Estland), Vizepräsident fürVerwaltung, Audit und Betrugsbekämpfung, eine neue politische Diskussion überden Lobbyismus in Brüssel. Kallas kritisierte Mängel bei Registern für Lobbyisten,das Fehlen von Verhaltenskodizes sowie keine ernsthaften Sanktionen bei unse-riösen Lobbyingtechniken und versuchter Korruption.

Im Mai 2006 legte die Europäische Kommission das Grünbuch 2 "EuropäischeTransparenzinitiative" vor. Es behandelt die Transparenz und Interessenvertre-tung (Lobbyarbeit, Abschnitt 1), das Feedback zur Anwendung der Mindeststan-dards für die Konsultation (Abschnitt 2) sowie die Offenlegung von Informationenüber Empfänger von EU-Geldern (Abschnitt 3).

Die Kommission schlägt für Lobbyistinnen ein von ihr verwaltetes Registrie-rungssystem auf freiwilliger Basis vor:

1. Ein System zur Registrierung aller Interessengruppen und Lobbyisten, die anBefragungen zu EU-Initiativen teilnehmen möchten.

2. Einen gemeinsamen Verhaltenskodex für alle Lobbyistinnen bzw. zumindestgemeinsame Mindestanforderungen, die von den Lobbyistinnen selbst entwi-ckelt werden sollen.

3. Ein Überwachungs- und Sanktionssystem, das bei unrechtmäßiger Registrie-rung und/oder Verstoß gegen den Verhaltenskodex angewendet wird.

Das Konsultationsverfahren zum Grünbuch lief von Mai bis August 2006. DieKommission analysiert die Konsultationsergebnisse und wird sie in Form einesBerichts auf ihrer Webseite veröffentlichen. Auf der Basis dieser Konsultationplant die Kommission dann konkrete Maßnahmen zu Verbesserung der Trans-parenz in Europa zu ergreifen.

2) Ein Grünbuch ist ein Diskussionspapier der Europäischen Kommission zu einem bestimmten Thema,insbesondere für eine Vorlage für Verordnungen und Richtlinien. Ziel ist, auf diesem Gebiet eineöffentliche und wissenschaftliche Diskussion herbeizuführen. Es werden Ideen und Fragen aufgewor-fen und Einzelne sowie Organisationen zu Beiträgen aufgefordert (Konsultation). Der nächste Schrittwäre ein Weißbuch, das die Vorschläge zusammenfasst.

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Webseite der Europäischen Kommission

Informationen zur Europäischen Transparenzinitiative unter:ec.europa.eu/comm/commission_barroso/kallas/transparency_de.htm

Auf der Webseite ec.europa.eu/comm/eti/index.htm gibt es alle Informationenzur Konsultation sowie die eingereichten Stellungnahmen und auch maßgebli-che Dokumente zum Herunterladen.

Kritische Webseiten von NGO's

Gerade beim Lobbying und der Kritik an seiner Ausübung spielen die NGO's ei-ne besondere Rolle. Zahlreiche NGO's, Bündnisse und Webseiten machen seitlangem auf Missstände aufmerksam.

ALTER-EU (= The Alliance for Lobbying Transparency and Ethics Regulation):www.alter-eu.org

Corporate Europe Observatory (CEO): www.corporateeurope.org

EU-Lobbytours bietet virtuelle Rundgänge durch das Brüssel der Lobbyisten:www.eulobbytours.org

LobbyControl - Initiative für Transparenz und Demokratie: www.lobbycontrol.de

Der "Worst EU Lobbying Award" will unseriöse Lobbying-Methoden anprangern:www.eulobbyaward.org

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Lobbying und Lobbyisten in Brüssel

Es gibt kaum sichere Daten über die Anzahl der Lobbyistinnen und vor allem nichtüber ihre Finanzmittel. Die auf EU-Fragen spezialisierte Public Affairs Agentur "Ea-con" ermittelt in einer Studie als Zahl 13.500 Brüsseler (Berufs-)Lobbyistinnen. Da-zu kommen ca. 6.500 "Gelegenheitslobbyisten" (Vertreterinnen von Organisa-tionen, die fallweise nach Brüssel kommen). Bei den Verbänden zählt Eacon etwa850 Arbeitgeberverbände, aber nur 21 Arbeitnehmerinnenverbände!

Seit Anfang der 90er-Jahre haben der ÖGB und die Bundesarbeitskammer Bürosin Brüssel, denn bereits damals war klar, wie wichtig eine solche Vertretung derösterreichischen Arbeitnehmer vor Ort ist.

AK und ÖGB arbeiten in einer Bürogemeinschaft. Ihre Büros befinden sich inder Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU, wo auch alle Ministerien sowiedie Sozialpartner untergebracht sind. Dadurch sind der direkte Kontakt und dieZusammenarbeit auch in dieser "Außenstelle" gesichert.

Gewerkschaft und Arbeiterkammer lobbyieren auf verschiedenen Ebenen bzw.mittels mehrerer Strategien: Einerseits durch direktes Lobbying z. B. bei Abge-ordneten des Europäischen Parlaments - dies entspricht der Tätigkeit einer so ge-nannten In-House-Lobbyistin, wie sie große Unternehmen beschäftigen.

Andererseits betreiben die Arbeitnehmervertretungen auch Verbandslobbying:Indem der ÖGB Mitglied des Europäischen Gewerkschaftsbundes EGB ist oderdie Teilgewerkschaften ebenfalls ihren europäischen Verbänden wie z. B. derUNI (Union Network International, Dienstleistungsgewerkschaft) oder der ETF (Eu-ropäische Transportarbeiter Föderation) angeschlossen sind, nutzen sie derenNetzwerke und stärken damit ihre Repräsentation.

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Lobbyingarbeit

Lobbying ist eine Art Handel mit Infos. Informationen haben in BrüsselMarktwert. Wer die Infos zuerst hat, kann schneller (re)agieren. Will eine Lob-byistin das politische Geschehen mitgestalten, so müssen ausführliche Vorarbei-ten geleistet werden, und diese sind die eigentliche Knochenarbeit des Lobbying.

Am Anfang steht das so genannte "Monitoring", zu deutsch Beobachtung oderÜberwachung dessen, was im Parlament, in der Kommission oder im Rat ge-schieht. Es ist überaus wichtig, die Vorgänge genau zu beobachten und so frühwie möglich informiert zu sein. In der Anfangsphase einer Richtlinie spielt dieKommission eine große Rolle, da von ihr der neue Vorschlag kommt.

Ein Lobbyist muss daher beobachten: Themen, politische Entwicklungen, Ten-denzen. Er muss Prognosen erstellen, Empfehlungen abgeben, aber auch Prio-ritäten setzen und Positionen erarbeiten. Das erfordert ausführliche Analysen,denn nicht immer ist auf den ersten Blick auszumachen, wie sich ein neues euro-päisches Gesetz in Österreich konkret z. B. auf den Arbeitsmarkt auswirken wird.

Steht die eigene Position fest, so muss sie kommuniziert werden. Dafür gibt es ver-schiedene Mittel und Wege: Reicht es, eine Beamtin der Kommission zu kontak-tieren und das Gespräch mit ihr zu suchen, oder muss eine groß angelegte Stra-tegie geplant und umgesetzt werden? Strategien sind immer stark themenab-hängig. Wer sind die anderen betroffenen Gruppen? Geht man allein vor odersucht man Verbündete?

Ein Lobbyist weiß auch, wer wofür zuständig istoder wer am Entscheidungsprozess beteiligt ist. Erverfügt über ein dichtes Netzwerk an Kontakten.Ohne Kontakte geht gar nichts. Mit dem Herstellenund Pflegen von Kontakten verbringt ein Lobbyisteinen großen Teil seiner Arbeitszeit.

Als eigentlicher Kernbereich des Lobbying gilt diedirekte Beeinflussung der relevanten Entscheiderin-nen. Neben dem mündlichen Gespräch spielenauch Positionspapiere und kompetente Analysen ei-ne wesentliche Rolle. Wie erfolgreich der Einflussauf die Entscheiderinnen dann tatsächlich ist, hängtnatürlich von der Qualität der Kommunikation ab.

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Lobbying in der Transparenzinitiative der Kommission

Dem Grünbuch Transparenzinitiative gingen intensive Debatten über das Fehlenvon Spielregeln für Lobbying und negative Entwicklungen während der letztenJahre voraus. Aggressive Lobbying-Techniken finanzstarker Industrieverbändewurden von Gewerkschaften und NGO's vermehrt kritisiert.

Lobbying ist legitim, in Brüssel allgemein akzeptiert und von der politischenBühne nicht mehr wegzudenken - es gibt trotzdem bislang keinen verpflichtendeneuropäischen Verhaltenskodex für Lobbyistinnen!

Die EU riskiert, dass unseriöse und manipulative Praktiken um sich grei-fen und zu Skandalen führen, die dann wiederum das ohnehin schwache Ver-trauen der Bürger in eine demokratische EU weiter beschädigen. Dahinter stehtu.a. auch das grundlegende Problem, dass der EU bislang eine echte Öffent-lichkeit auf gesamteuropäischem Niveau fehlt.

Kommissar Siim Kallas trat in Brüssel eine intensive Debatte über mehr Transpa-renz- und Ethikregeln für Lobbyisten los, die von den großen Industrielobbies teilsheftig torpediert wurde. Gleichzeitig formierten sich Gewerkschaften und NGO'szu Bündnissen, die für verpflichtende Ethikregeln für Lobbying eintreten.

Anlässlich der Präsentation des Grünbuchs gestand Kommissionspräsident Bar-roso Handlungsbedarf ein. Die Legitimität der Entscheidungsprozesse der eu-ropäischen Organe könnten nur durch mehr Transparenz und größere Verant-wortlichkeit gegenüber den Bürgerinnen garantiert werden.

Die Kommission gibt zu, dass es Bedenken darüber gebe, in welchem Ausmaßbestimmte Lobbypraktiken über eine berechtigte Interessenvertretung hinausgin-gen. Zu diesen Praktiken zählt die Verbreitung falscher Informationen über mög-liche wirtschaftliche, soziale oder umweltpolitische Auswirkungen von Gesetzes-vorschlägen.

Zu beobachten ist schon seit längerer Zeit der zunehmende Einfluss der Unter-nehmenslobbies auf den Entscheidungsprozess der EU. Man verschafft sich wert-volle Informationen bzw. einen Wissensvorsprung betreffend bevorstehenderGesetzesänderungen, um diese dann entsprechend beeinflussen zu können.

Ein anderes Problem ist der Wechsel von ehemaligen politischen Entscheidungs-trägern zu Unternehmen oder Lobbygruppen, in Brüssel "revolving door" (Drehtür)

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genannt. Know-How und Kontakte können dabei nach einer Karriere in einerEU-Institution gewinnbringend genutzt werden. So arbeiten z. B. manche Abge-ordnete nach ihrem Ausscheiden aus dem Parlament bei Lobbying-Firmen.

Hier herrscht eine sehr breite Grauzone zwischen eindeutiger Korruption unddem, was demokratisch einwandfrei vertretbar ist. Diese Grauzone ist der Öf-fentlichkeit derzeit nur wenig bekannt und wird auch von den Medien kaum be-leuchtet.

Die größte Problematik der Vorschläge des Grünbuchs liegt nun in der Freiwil-ligkeit der Registrierung für Lobbyistinnen. Der einzige erwähnte Anreiz sichzu deklarieren, ist die frühzeitige Information der registrierten Lobbyisten überkommende Konsultationen.

Obwohl der von der Kommission vorgeschlagene Verhaltenskodex als Initiativezu begrüßen ist, bleibt die Kontrolle des Kodex und die Verhängung von Sank-tionen den Lobbyistinnen selbst überlassen. Bestimmte Gruppen, die lieber imSchatten bleiben möchten, werden sich der Registrierung entziehen und überTarnfirmen und Strohmänner agieren.

Weiters wird die "Drehtür"-Problematik vom Grünbuch gar nicht angesprochen,ebenso wenig wie die Tatsache, dass Wirtschaftslobbyisten oft privilegierten Zu-gang zu Informationen haben. In Summe ist das Risiko also sehr hoch, dass dieVorschläge des Grünbuchs sich als ineffizient erweisen werden und nur einen fal-schen Anschein von Transparenz herstellen.

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Die Fragen, denen nun in den folgenden Seiten nachgegangenwerden soll, betreffen die eigene Lobbying-Ethik als Arbeitnehmerinnenvertre-ter, aber auch die Vorgangsweise, die Prozesse und den Stellenwert dieser Formvon Interessenvertretung:

Welchen Stellenwert hat Lobbying in der Organisation?

Wird eine spezifische Methode für das Lobbying angewendet?

Welche Netzwerke gibt es? Wer erarbeitet welche Strategie?

Wie lange dauert ein durchschnittlicher Lobbyingprozeß?

Beispiele erfolgreicher Lobbyingprozesse? Wie wird Erfolg gemessen?

Welche Ethikcodes brauchen Lobbyistinnen?

In welcher Form macht Interessenvertretung demokratiepolitisch Sinn?

Welche Arten der politischen Einflussnahme sind zulässig?

Wie viel Transparenz braucht Lobbying?

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Position der Arbeitnehmerinnenvertreter zum Grünbuch Transparenzinitiative 3

Ein glaubwürdiges und effizientes System zur Regulierung der Lobbying-Arbeit wäre machbar - vorausgesetzt, das Grünbuch der Kommission mündet ineine verpflichtende Offenlegung und in funktionierende Überwachungsmecha-nismen.

Derzeit besteht ein freiwilliges Registrierungssystem über eine Datenbank derKommission. Der Zugang zum Europäischen Parlament erfolgt mittels Akkreditie-rung. Die im Grünbuch erarbeiteten neuen Vorschläge zur Registrierung bzw.zum Verhaltenskodex würden ebenfalls auf Freiwilligkeit basieren.

Nur eine verbindliche Registrierung kann jedoch ein größtmögliches Maß an Of-fenheit und Transparenz garantieren. Neben administrativen Informationen wieName, Gründungsjahr und Mitgliederstand der eingetragenen Organisationenwären hier auch deren Ziele sowie die Finanzierung abzufragen. Alle Informa-tionen sollten von der Kommission verwaltet und über Internet der Öffentlichkeitzugänglich sein.

Für die Schaffung eines Verhaltenskodex sind Mindestanforderungen zu befür-worten, wobei zwei Bereichen besondere Bedeutung zukommt: Einerseits demVerbot der finanziellen, materiellen oder personellen Zuwendungen an Entschei-dungsträger, mit anderen Worten der Korruption; andererseits der Verbreitungvon unwahren oder vorsätzlich missverständlichen Informationen, also der Des-information(-skampagne).

Sinnvoll wäre es, bei der Erarbeitung eines solchen Verhaltenskodex mit dem Eu-ropäischen Ombudsmann zusammenzuarbeiten. Ob es für Überwachung undSanktionen einer neuen Organisation bedarf, müsste erst geprüft werden.

Es ist derzeit auch kaum möglich festzustellen, in welchem Ausmaß LobbyistenEinfluss auf das Entstehen von Rechtsakten haben, vor allem dann nicht, wenn die-se Rechtsakten ohne öffentliche Konsultation zustande kommen.

3) Alle Details zu den Forderungen der österreichischen Arbeitnehmerinnen in Bezug auf das GrünbuchEuropäische Transparenzinitiative finden sich im entsprechenden BAK-Positionspapier vom August 2006.

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Konsultationen sind ein Instrument der Kommission, um mehr Transparenz zu schaf-fen. Bei den Mindeststandards für Konsultationen existieren jedoch längstaufgezeigte Mängel: Nicht alle Konsultationsbeiträge werden veröffentlicht, Aus-künfte, ob und wie Beiträge berücksichtigt wurden, werden nicht immer erteilt.

Manche Konsultationen lassen bereits aus den Fragestellungen eine gewünschteRichtung herauslesen oder legen mittels Suggestivfragen bestimmte Antwortennahe. Noch problematischer wird es, wenn in Konsultationspapieren Kernfragenzu einem bestimmten Thema ausgeklammert und gar nicht gestellt werden.

Der Einfluss der verschiedenen Beiträge auf den Kommissionsvorschlag mussnachvollziehbar sein. Es müssten aus demokratiepolitischen Gründen die Ergeb-nisse nicht nur einfach quantitativ, sondern nach den Beiträgen der verschiedenenStakeholder-Gruppen 4 dargestellt werden. Hierbei würde eine stärkere Einbet-tung der Sozialpartner sicherstellen, dass die Interessen der Arbeitnehmer be-rücksichtigt werden. Dies könnte wiederum auch das Ansehen der EU bei den Bür-gerinnen erhöhen.

Das dritte Schwerpunktthema des Grünbuches zur Transparenz betrifft die Geld-ströme in der EU, nämlich die Offenlegung von Informationen überEmpfänger von EU-Geldern.

Derzeit gibt es keine Informationen über die Gelder, die von der Kommissionund den Mitgliedsstaaten gemeinsam verwaltet werden. Die Kommission darfauch keine Informationen über Begünstigte veröffentlichen. Damit fehlt auch dieMöglichkeit zu beurteilen, wie effizient die Mittel eingesetzt werden.

Ein positives Gegenbeispiel war die verpflichtende Offenlegung der EU-Agrar-beihilfen in Großbritannien: Dabei wurde ersichtlich, dass die Förderungen zumGrossteil an Nahrungsmittelkonzerne und Grossunternehmen gehen und nicht - wiemeist geglaubt - an die "kleinen Bauern".

Die Mitgliedsstaaten sollten daher zur Offenlegung verpflichtet werden: SowohlInformationen über Empfänger von Fördergeldern, als auch die Effizienz der ein-gesetzten Mittel sollten für die Bürgerinnen frei zugänglich sein und im Internetveröffentlicht werden.

4) Als Stakeholder werden alle jene Gruppen bezeichnet, die durch die Unternehmenstätigkeiten beeinflusstwerden. Stakeholdergruppen sind - neben den Eigentümern bzw. Aktionärinnen - Konsumenten, Mitar-beiterinnen, lokale Bevölkerung, Behörden, NGO’s und Konsumentenschutzgruppen.

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Lobbying als StrategieMethode

Empirische Daten zeigen: Die Interessen der Arbeitnehmerinnen werden nur von1% der in Brüssel niedergelassenen Lobbies vertreten. Insgesamt sind in Brüsseletwa 2.100 Lobbies mit ca. 13.500 Mitarbeitern tätig. Das ist etwas mehr als dieHälfte der EU-Beamtenschaft. 75% der Lobbies kümmern sich um wirtschaftsrele-vante Themen. Das andere Viertel sind diverse Interessengruppen, Regionen, Kir-chen, Think Tanks und nur 21 Lobbies beschäftigen sich ausschließlich mit Arbeit-nehmerinnenthemen. 5

Um sich im gigantischen Brüsseler Stimmen-gewirr Gehör verschaffen zu können, benötigtes aktives und nicht reaktives Lobbying. Durchentsprechende Kontakte vor Ort informierensich die Gewerkschafterinnen frühzeitig überbevorstehende Rechtssetzungsmassnahmender EU, um dann eine Strategie sowie Aktio-nen mit Partnerorganisationen zu erarbeiten.Eine große Rolle spielen auch Allianzen: mitder AK, der UNI oder ETF, mit Gewerkschaf-ten anderer Länder sowie mit NGO's wie z. B.ATTAC.

Ausschlaggebend für effizientes Lobbying sindeinerseits das so genannte "Issue-Manage-ment" - Informationsrecherche, Themenaufbe-reitung, Organisation der internen Meinungs-bildung, Erarbeiten klarer Sprachregelungenund Argumentationen - sowie andererseits das"Netzwerkmanagement". Dies beschäftigt sichmit Kontaktpflege, Terminkoordination, Ent-wicklung von genauen Netzwerkplänen, Auf-treten & Image, etc. Die gezielte Verknüpfungdieser beiden Bereiche führt zum Erfolg. Im Ide-alfall bedeutet dies "Agenda-Setting" undThemenführerschaft.

5) Studie Martin Säckl/Eacon für die BAK

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Erfolg

Ein auch in der Öffentlichkeit gut sichtbarer Lobbyingprozess war der zur Dienst-leistungsrichtlinie - gut sichtbar deshalb, weil hier der Erfolg aus einem richtig do-sierten Mix aus Lobbying und "klassischer" gewerkschaftlicher Agitation resultiert.

Einerseits wurden die europäischen Parlamentarierinnen direkt kontaktiert, mitArgumentarien und Analysen versorgt und im direkten Gespräch von den Anlie-gen der Arbeitnehmer überzeugt. Andererseits wurde öffentlich mobil gemachtund besonders auf transnationaler Ebene mit Großdemonstrationen beeindru-ckend vor Augen geführt, wie viele Bürgerinnen Europas von dieser Richtlinie"bewegt" sind: Im März 2005 gingen in Brüssel 80.000 Europäer auf die Stras-se, im Februar 2006 in Straßburg 50.000.

Diese gewerkschaftlichen Aktionen verschafften Öffentlichkeit, die in Kombinationmit sehr gezieltem Lobbying zum Erfolg, d.h. zu wesentlichen Abänderungen derRichtlinie im Sinne der Arbeitnehmerinnen führten.

Erfolg ist aber beim Lobbying nicht immer eindeutig in Zahlen messbar, da dieVorabeiten bzw. die angewandten Soft-skills wie Kontaktpflege u.ä. äußerst zeit-intensiv sind und daher bei oberflächlicher Betrachtung oft nicht verhältnismäßigzu sein scheinen.

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Zeitfaktor

Je früher ein Lobbyingprozess begonnen wird, umso eher ist die Chance gege-ben, seine Interessen bei den richtigen Entscheidungsträgerinnen im richtigenMoment - bevor die Entscheidung getroffen wird - zu vertreten.

Der Handlungsspielraum ist zu Beginn einer Lobbyingstrategie am größten undnimmt dann mit fortgeschrittener Zeit rasant ab. Die Aufmerksamkeit der Ent-scheidungsträger und der Öffentlichkeit zu einen bestimmten Thema ist ebenfallsnur in einem bestimmten Zeitraum gegeben, da dann die Kosten aufgrund sin-kender Aufmerksamkeit steigen.

Netzwerke und transnationale Zusammenarbeit

Neben den bereits bestehenden Organisationsstrukturen bilden sich zunehmendauch so genannte Netzwerke. Diese gewinnen besonders bei den Verbänden anBedeutung, die auf europäischer Ebene eine Vielzahl nationaler, regionaler undlokaler Mitgliedsorganisationen vertreten.

Parallel dazu entstehen auch "horizontale" Netzwerke über die Grenzen der EUhinaus. Europäische Verbände arbeiten verstärkt mit weiteren Partnerverbändenaus den Staaten der EFTA sowie aus den Ländern Osteuropas und des südlichenMittelmeerraums zusammen. Auch die Kommunikations- und Kooperationsbe-ziehungen mit Partnerorganisationen aus den USA oder Asien gewinnen zuneh-mend an Bedeutung. Diese Netzwerkstrukturen und -strategien finden sich in zahl-reichen Sektoren und Verbandsbereichen wieder.

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Verbände

Für alle Gewerkschaften in Europa lassen sich die gemeinsamen Herausforderungennur durch eine stark vernetzte internationale politische Zusammenarbeit bewälti-gen. Gerade die Europäisierung ist ein zentrales Thema der Modernisierung derGewerkschaften.

Die neue Gewerkschaft vida (Zusammenschluss der Gewerkschaft der Eisenbah-ner, der Gewerkschaft Handel, Transport, Verkehr und der Gewerkschaft Hotel,Gastgewerbe, Persönlicher Dienst) setzt einen ersten und richtigen Schritt in derZusammenarbeit mit allen Verkehrssektoren. Das stärkt die Schlagkraft und rea-lisiert auch den Grundgedanken der gewerkschaftlichen Funktion als Arbeitneh-merinnenvertretung über die Grenzen hinaus.

Das europäische und internationale Lobbying genießt in der vida einen hohen Stel-lenwert - nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Wilhelm Haberzettl, der Vorsit-zende der Sektion Verkehr in der Gewerkschaft vida, auch Präsident der ETF ist.

Ebenso ist Union Network International (UNI) der internationale Dachverbandvon weltweit mehr als 900 Gewerkschaften im Dienstleistungssektor aus 140Ländern. Die Gewerkschaft der Privatangestellten ist stark vertreten in der UNI.Wolfgang Katzian, Vorsitzender der GPA-DJP, ist seit 2003 Mitglied im Präsidiumvon UNI Europa und außerdem im UNI-Weltvorstand, die GPA-DJP Frauense-kretärin Sandra Frauenberger im Vorstand von UNI Europa.

UNI Europa ist die europäische Regionalorganisation des weltweiten UNI Netz-werks und gehört dem Europäischen Gewerkschaftsbund EGB an. UNI-Aktivitä-ten gibt es sektorbezogen und auch sektorübergreifend.

Korruption - Desinformation - Medien/Öffentlichkeit

Immer öfter kommen in Kampagnen Desinformation und Manipulation zum Ein-satz. Wirtschaftslobbyisten geben vor, Teil der Zivilgesellschaft zu sein und grün-den Schein-NGO's und Tarnfirmen. Es wird mit betrügerischen Mitteln und fall-weise auch mit Bestechung gearbeitet.

Dies droht die Demokratie zu untergraben, liefert Munition für anti-europäischepolitische Gruppen bzw. Demagogen und schwächt letztlich das Ansehen der EUbei den Bürgerinnen. Darüber hinaus entwickeln diese illegalen Praktiken eine ne-

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gative Sogwirkung für andere Lobbyistinnen und bringen den gesamten Berufs-stand in Misskredit - seriöses Lobbying könnte sich bald immer weniger Gehörverschaffen.

Dazu kommt, dass finanzstarke Industriegruppen ihren Einfluss auf die Medienverstärken. Die kritische Berichterstattung nimmt ab, die Medien werden durch-lässiger für PR-Kampagnen. Wer die nötigen Mittel aufbringt, kann die Öffent-lichkeit beeinflussen.

Die Lobbyisten selbst stehen medial nur in Ausnahmefällen im Rampenlicht undagieren lieber in der zweiten und dritten Reihe. Das bewirkt jedoch, dass die Ak-tivitäten der Lobbies nicht ausreichend bekannt werden und damit wieder leichtins Zwielicht geraten.

Was fehlt, ist eine echte europäische Öffentlichkeit. Medial gesehen hat Eu-ropa die Nationalstaaten noch nicht überwunden. Es gibt weder eine europäi-sche Tageszeitung, noch gesamteuropäische Fernsehkanäle; im Internet zeigensich endlich Anfänge mit dem Domainnamen ".eu". Die fehlende europäische Öf-fentlichkeit schafft eine demokratische Grauzone, die es ermöglicht, die Medienzu umgehen bzw. auf nationaler Ebene für demagogische Zwecke zu benutzen.

Berufsethik

Berufsethische Vorschriften sind für jeden Professionalisierungsprozess unerlässlich.Dies umso mehr, als Lobbyisten in Ausübung ihres Berufes im Rahmen demokrati-scher Prozesse handeln. Für die Glaubwürdigkeit des gesamten Berufsstandes istdeshalb die Einhaltung bestimmter öffentlich einsehbarer Spielregeln unerlässlich.

Im Europäischen Parlament gibt es derzeit den so genannten "Code of Conductfor Members of Parliament", der spezielle Regelungen zum Lobbying enthält.

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Es ist wichtig, sich an festgelegte Mindeststandards zu halten. Nur so kann in die-sem Bereich erfolgreich und glaubwürdig kommuniziert werden. Einige Überle-gungen zu einem Verhaltenskodex 6 wären:

WahrhaftigkeitVerpflichtung zur Wahrhaftigkeit gegenüberAuftraggeberinnen, politischen Institutionen,den Medien und der Öffentlichkeit.

TransparenzLobbyisten tragen dafür Sorge, möglicheberufliche Interessenkonflikte im Sinne dergleichzeitigen Vertretung einander unmit-telbar entgegenlaufender Interessen zu ver-meiden. Bei möglichen Interessenskonfliktensind die Auftraggeber zu informieren.

Keine finanziellen AnreizeLobbyistinnen üben zur Kommunikation undRealisierung von Interessen keinen unlaute-ren oder ungesetzlichen Einfluss aus, insbe-sondere nicht durch direkte oder indirektefinanzielle Anreize.

RespektLobbyisten gehen mit Auftraggeberinnen undKollegen respektvoll um und verpflichtensich, deren berufliche und persönliche Repu-tation zu achten.

Klare TrennungLobbyistinnen achten bei der Ausübung ih-rer beruflichen Beratungs- und Vertretungs-tätigkeit auf die strikte Trennung zwischen ih-rer beruflichen Tätigkeit einerseits und wei-teren politischen Ämtern, Mandaten undFunktionen andererseits.

6) Wir orientieren uns nachfolgend am Verhaltenskodex für Lobbyisten der Deutschen Gesellschaft fürPolitikberatung.

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Leitbild

Unter einem Leitbild wird eine inhaltliche Positionsbestimmung mit Außenwirkungverstanden, welche langfristig themenleitend ist. Dieser Rahmen gibt in der Innen-wirkung die Grenzen, Strukturen und Arbeitsweisen vor. Somit wäre ein Leitbildein ethischer, struktureller und moralischer Handlungsrahmen.

Wichtig für die Lobbyingarbeit sind die Legitimität und ein demokratischer Pro-zess für das Zustandekommen der Position. Fokussierung und Rückkopplung mitder Basis und den Funktionären sind genauso wichtig wie das Fachwissen unddie Abklärung der Positionierung.

Folgende Punkte sind für die Erarbeitung eines gewerkschaftlichen Lobbying-Leitbildes zu beachten:

Was wollen wir? - Inhaltliche Positionierung Wir wollen Entscheidungsprozesse beeinflussen, Netzwerke aufbauen, Be-ziehungen zu weiteren Lobbyingpartnerinnen (Allianzen) knüpfen und politi-schen Druck ausüben. Wir wollen in unserer Lobbyingarbeit nicht manipulie-ren und Meinungen kaufen oder uns mit allen Beteiligten "gut vertragen".

Wer sind wir? - Selbstverständnis Wir sind keine "Söldner", sondern wir sind Beteiligte des Lobbyingprozessesals Betroffene und Engagierte. Dazu vertreten wir eine Werthaltung und sehenden Menschen im Vordergrund. Wir haben ein solidarisches und sozialesWeltbild!

Welche Strukturen geben wir uns mit einem Leitbild?Ein Leitbild ermöglicht eine demokratische Entscheidungsfindung. Unsere Ar-beit wird effizienter durch inhaltliche Positionierung, verbesserte Kontakte so-wie durch geplante Aktionen. Dies sind die Grundlagen und die Anleitung fürein strukturiertes Handeln. Nur so können sich unsere Lobbying-AktivitätenLegitimität und Akzeptanz verschaffen.

Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit bewirken bei unseren Kolleginnen,Funktionären und Mitgliedern ein verbessertes Verständnis für unsere Arbeitsowie ein funktionierendes Lobbyingnetzwerk.

Um effizientes Lobbying zu gewährleisten, muss auch die Infrastruktur vor Ortin Brüssel, im ÖGB und den Gewerkschaftsverbänden gesichert sein.

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"Über Lobbying spricht man nicht, Lobbying tutman. Und genau so schwer ist es auch, Sinn undErfolg von Lobbying zu erklären. Eine probateMöglichkeit dafür ist ein Lobbying-Leitbild. Aneinem Leitbild sieht der ÖGB, was er mit Lobby-ing erreichen will, welches Selbstverständnis erseinen Lobbyisten in Brüssel mitgibt, welcheMöglichkeiten und Grenzen des Handelns, undwelche Ressourcen er dafür zur Verfügung stellt.Damit sichert ein Leitbild das Lobbying in beideRichtungen ab: Der ÖGB weiß, was er mit Lob-bying erreichen will, und die ÖGB-Lobbyistinnenwissen, dass ihre Arbeit auch gebraucht, gewolltund mit Ressourcen ausgestattet ist. Noch hat derÖGB kein Lobbying-Leitbild. Eine Tatsache, dieman dringend ändern sollte."Claus Faber (vida / ATTAC)

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StandpunkteEuropäische Kommission

Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, Bescheid zu wissen

Mit den öffentlichen Konsultationen zum Grünbuch Transparenzinitiative sollteeine Debatte über die Lobbyarbeit, die Einführung rechtlicher Verpflichtungen fürdie Mitgliedstaaten zur Veröffentlichung von Informationen über die Empfängervon EU-Geldern und die Konsultationspraktiken der Kommission in Gang ge-bracht werden.

Kommissionspräsident Barroso präsentierte das Grünbuch:

"Wir brauchen mehr Transparenz und größere Verantwortlichkeit gegenüberder Öffentlichkeit, wenn wir an der Legitimität des Entscheidungsprozesses dereuropäischen Organe festhalten wollen."

Vizepräsident und EU-Kommissar Siim Kallas zum Grünbuch:

"Die EU-Organe geben EU-Gelder für Programme und Projekte inner- und außer-halb der Union aus und sind dem Steuerzahler gegenüber rechenschaftspflichtig.Wenn wir mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, können wir viel besserzeigen, wie die EU-Gelder ausgegeben werden. In diesem Sinne hat Lobbyarbeitdurchaus ihre Berechtigung. Da das Phänomen aber zunimmt, müssen wir fürTransparenz sorgen und darüber informieren, wen die Lobbyisten vertreten, welcheZiele sie verfolgen und wie sie finanziert werden."

Die Europäische Kommission will ihre Kommunikation über die Verwendung von EU-Geldern verbessern, indem sie verständlicher erläutert, was Europa tut und inwieferndiese Tätigkeiten von Bedeutung sind. Die Kommission ist für die Ausführung des Ge-meinschaftshaushalts zuständig und schuldet den Steuerzahlern Rechenschaft.

Dahinter steht die Problematik, dass die Erwartungen der Bürgerinnen an dieUnion zwar zunehmen, gleichzeitig wissen sie aber bedauerlicherweise relativwenig über die EU. Diese Kluft muss geschlossen werden, ebenso wie die Her-ausbildung einer echten europäischen Öffentlichkeit gefördert werden soll.

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Elisabeth Aufheimer (Leiterin BAK-Büro Brüssel)

Das Lobbying der BAK in Brüssel

Das Büro der Bundesarbeitskammer (BAK) in Brüssel bestehtseit 1991. Bereits damals wurde erkannt, wie wichtig eine star-ke Vertretung der österreichischen Arbeitnehmerinnen in Brüsselist - werden doch mehr als 80 % der nationalen Gesetzgebung direkt von der EUgemacht oder zumindest entscheidend beeinflusst.

Das BAK-Büro Brüssel befindet sich - ebenso wie das Europa-Büro des ÖGB - in derStändigen Vertretung Österreichs. Hier sind u.a. alle Ministerien sowie die Sozi-alpartner untergebracht. AK und ÖGB, die in einer sehr gut funktionierenden Bü-rogemeinschaft arbeiten, haben dadurch den Vorteil, unbürokratisch mit wichtigenEntscheidungsträgern in Kontakt zu kommen und Informationen rasch zu erhalten.

Wie sieht die konkrete Arbeit der Arbeitnehmerinnen-Vertretung in Brüssel aus?

Es existieren zwei - sich teilweise kreuzende - "Schienen":

1. Die institutionelle Schiene

Der soziale Dialog: Er wird von ÖGB und Europäischem Gewerkschaftsbund (EGB) wahrgenommenDer Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss: AK und ÖGB entsenden zusammen 6 MitgliederParitätisch besetzte Ausschüsse und Kommissionen

2. Lobbying

Lobbying wird von den Brüsseler Büros von BAK und ÖGB durchgeführt.Lobbying für Arbeitnehmer heißt, Akteurinnen der Gesetzgebung zu veranlassen,Entscheidungen zugunsten der Arbeitnehmer zu treffen. Bezogen auf die EU be-deutet dies die Einflussnahme auf alle Institutionen und Ebenen der EuropäischenGesetzgebung. Die wichtigste Aufgabe des BAK-Büros ist es daher, Arbeitnehme-rinnenpositionen frühzeitig in den EU-Entscheidungsprozeß einzubringen. Möglichist dies durch Netzwerkbildung und persönliche Kontakte, die rechtzeitige und ge-zielte Versendung von Positionspapieren und Stellungnahmen, die Ausarbeitungvon Abänderungsanträgen oder die Präsentation von AK-Positionen zu wichtigenThemen, wie z. B. der Dienstleistungsrichtlinie oder dem Europäischen Sozialmodell.

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Frank Ey (BAK-Büro Brüssel)

Vom Lobbyierten zum Lobbyisten

Mitarbeiter von Abgeordneten im Europäischen Parlament wer-den vom ersten Tag an mit Lobbyingaktivitäten von Interessen-vertreterinnen konfrontiert. Jede Woche erhalten EU-Abgeord-nete dutzende Anrufe und Schreiben mit Forderungen zu bestimmten Themen.Die Assistenten spielen hier eine nicht zu verachtende Rolle: Sie filtern die ein-gegangenen Anrufe und Briefe bereits vorab und bewerten, ob eine Lobbying-position für die Abgeordnete interessant ist oder nicht.

Das wichtigste Lobbyinginstrument ist das persönliche Gespräch. Das gilt nicht nurfür den EU-Abgeordneten, sondern auch für seine Assistenten. In einem erstenSchritt ist ein Termin mit dem Abgeordneten wesentlich, um abzuklären, ob erähnliche inhaltliche Linien verfolgt wie die Lobbyistin. Ist das der Fall wird in wei-terer Folge der Assistent immer wichtiger, denn oft werden inhaltliche Details zuÄnderungen von Gesetzesvorhaben vorab mit den Mitarbeiterinnen der Abge-ordneten geklärt.

Es ist daher nicht verwunderlich, wenn neben den Abgeordneten auch deren As-sistentinnen von Lobbyisten heftig umworben werden. Einladungen zum Mitta-gessen sind durchaus üblich, um einen persönlichen Kontakt herzustellen und sospäter leichter mit seinen Anliegen beim Assistenten bzw. Abgeordneten durch-zudringen.

Warum kommt es nun häufig dazu, dass Lobbyierte die Seiten wechseln und sel-ber Lobbyist werden? Bei der Suche nach Mitarbeiterinnen bevorzu-gen Interessenvertreter oft ehemalige Bedienstete aus den EU-In-stitutionen. Diese haben bereits sowohl inhaltliche Kenntnisse als auch einNetzwerk zu Kommission, Rat und/oder Europäischem Parlament und können da-mit besser auf den Verlauf von Gesetzesvorhaben Einfluss nehmen. So sind unterden Lobbyistinnen ehemalige Kommissare, Kabinettsmitglieder, EU-Abgeordneteund Assistentinnen aus dem Europäischen Parlament zu finden.

In so manchen Fällen kommt es schließlich dazu, dass die Lobbyistin mit ihremNachfolger spricht und sich dieser - aufgrund der Fachkenntnisse seines Gegen-übers aus der früheren Tätigkeit - von ihrer Position überzeugen lässt.

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Claus Faber (ATTAC Österreich)

Kleine Gruppe, große Wirkung - Wie ATTACes schafft, praktisch ohne Ressourcen auchpräsent zu sein

Lob tut gut: Als während des Kamingesprächs zum Thema Lob-bying erwähnt wurde, wie erfolgreich ATTAC mit seinen Anliegen in Europa sei,musste ich schmunzeln. ATTAC hat in Brüssel nicht einmal ein Büro. ATTAC ist kei-ne gewöhnliche NGO, hat also keine gewöhnlichen Strukturen wie Greenpeaceoder der WWF. Es gibt kaum Campaignerinnen oder Fundraiser. ATTAC Deutsch-land hat sechs Vollzeitstellen, Attac Frankreich neun, ATTAC Österreich drei Teil-zeitmitarbeiter. ATTAC International gibt es nicht. Wie schaffen wir es also doch,mit Themen wie Tobin-Steuer, Steueroasen und GATS europaweit durchzukommen?Das geht, weil ATTAC ein Netzwerk ist. Dadurch entstehen zwei Kanäle:

Einerseits betreibt ATTAC Lobbying mit Partnern: Aktivistinnen von ATTAC Öster-reich arbeiten in anderen Organisationen und schaffen Partnerschaften. Ich ar-beite zum Beispiel in der Gewerkschaft vida, trage ATTAC-Themen in die Ge-werkschaftsarbeit (z. B. die EU-Verfassung) und Gewerkschaftsthemen in die AT-TAC-Arbeit (z. B. die Arbeitszeitrichtlinie).

Andererseits hat ATTAC durch seinen unabhängigen Status Zugang zu sehr ver-schiedenen Öffentlichkeiten und kann gut mobilisieren. Als die EU-Kommission zuGATS ihre erste öffentliche Konsultation veranstaltete, wurden ihre Büros unter tau-senden von Briefen begraben. Die Hälfte davon kam aus Österreich. Ein gutesNetzwerk mobilisierte alle Interessierten, von Arbeitnehmern über Sozial- undGesundheitsbetroffene bis zu Globalisierungskritikerinnen und der Entwicklungs-politik-Szene.

Diese zwei Faktoren machen ein offizielles Klinkenputzen in Brüssel nicht not-wendig. Bei so wenigen Ressourcen wäre es auch gar nicht möglich. Dabei istATTAC ein wichtiger Katalysator: ATTAC integriert die politisierte, aber nicht or-ganisierte Zivilgesellschaft in etablierte Vertretungsstrukturen und schafft dadurchneue Allianzen, die wir in Zeiten der Globalisierung dringend brauchen. Aus-einandersetzungen zwischen Umweltschützern und Gewerkschafterinnen wie vor20 Jahren wird es dadurch wohl nicht mehr geben. Gut so, es ist ja unsere ge-meinsame Welt.

Mehr Infos: www.attac.at, www.attac.de, www.attac.org

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Wolfgang Greif (Internationaler Sekretär der GPA-DJP und Mitglied im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss)

Sind Gewerkschaften Lobby-Organisationen?

Ja, wenn die sehr breite Definition der Kommission aus demGrünbuch gilt: Lobbying meint alle Tätigkeiten, mit denen auf die Politikgestaltungund den Entscheidungsprozess der europäischen Organe Einfluss genommen wird.

Ja und nein, wenn man den gewerkschaftlichen "EU-Geschäftsbereich" betrachtet:Gewerkschaften sind überall dort, wo "Soziales und Beschäftigung" draufsteht, perEU-Vertrag als Sozialpartner auch Ko-Regulator im Sozialen Dialog. Darüber hin-aus sind sie auch in der Wirtschaftspolitik (Makroökonomischer Dialog usw.)gegenüber Kommission und Rat mit einer besonderen Rolle ausgestattet. So lautetdie offizielle Lesart der Lissabon-Umsetzung.

Außerhalb dieser besonderen "Geschäftsfelder" ist die gewerkschaftliche Einfluss-nahme im Wesentlichen auf Lobbying im engeren Sinn beschränkt und sicher auchgezwungen, deren offizielle und versteckte Spielregeln professionell zu nutzen.

Nein, Gewerkschaften sind definitiv keine "reinen" Lobbyorganisationen, wenn esum die Frage der Mittel ihrer Interessendurchsetzung geht. Gewerkschaften müs-sen in ihrer politischen Logik auf einem breiten Klavier spielen können. Wo die Ein-bringung des Sachwissens bei politischer Problemlösung die eine Seite ausmacht,steht Verhandlungsmacht auf der anderen Seite. Und wo diese auf Grenzen stößt,ist Mobilisierung und Kampagnisierung die gewerkschaftliche Antwort.

Daher: Gewerkschaften sind mehr als bloße Lobbies! Und sie tun ge-rade in Europa gut daran, sich nicht auf diese Rolle reduzieren zu lassen. Für dieGewerkschaften ist es am Brüsseler Parkett essentiell, neben der notwendigenLobbyarbeit auf die in den EU-Verträgen festgeschriebene institutionalisierte Mit-wirkung (via Sozialem Dialog und Europäischem Wirtschafts- und Sozialaus-schuss) zu setzen. Erst diese Institutionalisierung der Mitsprache erlaubt es, an-nähernd "auf Augenhöhe" anderen Interessen zu begegnen.

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Wilhelm Haberzettl (ETF-Präsident und Vorsitzender der Sektion Verkehr, Gewerkschaft vida)

Gewerkschaftliche Arbeit endet nicht an der nationalen Grenze

Die europäischen Gewerkschaften sind mit einem Strukturwan-del konfrontiert. Für alle Gewerkschaften in Europa lassen sich die gemeinsamenHerausforderungen nur durch eine stark vernetzte internationale politische Ar-beit bewältigen. Die Europäisierung ist ein zentrales Thema der Modernisierungder Gewerkschaften. Die zentrale Frage ist, ob es gelingt, zur Vielfalt der natio-nalen Systeme eine handlungsfähige und durchsetzungsfähige europäische Ebe-ne der gewerkschaftlichen Interessenvertretung weiterzuentwickeln.

Lobbying stellt einen wesentlichen Bestandteil der internationalen Arbeit der Eu-ropäischen Transportarbeiter Föderation (ETF) dar. Die ETF ist in Brüssel um einsoziales Europa mitzugestalten. Im Rahmen der Globalisierung und Internatio-nalisierung wird das grenzüberschreitende Arbeiten für die Gewerkschaften zumtäglichen Brot.

Als ETF leisten wir - oft gemeinsam mit Verbündeten - mit gezielten Lobbying-maßnahmen in den EU-Institutionen wertvolle Arbeit für die Entscheidungspro-zesse der EU. Dies ist auch zugleich ein wichtiger Beitrag zu politischen Wil-lensbildung.

Dazu ein aktuelles Beispiel: Ein zentraler Punkt im Rahmen des "3. Eisenbahn-paketes" ist die Einbeziehung der Zugbegleiterinnen in den Geltungsbereich derRichtlinie. Hier bekommt die ETF Unterstützung von unterschiedlichen EU-Abge-ordneten aus zahlreichen Mitgliedsländern. Diese bringen unsere Argumente inden Verhandlungen ein und tragen so zur politischen Diskussion bei. Durchaktives Lobbying können wir uns somit in Europa vernetzen undversuchen, die Rechte der Arbeitnehmer zu sichern. Durch die Liberalisierungs-und Privatisierungsbestrebungen der EU verändert sich die Situation und Rolleder Arbeitnehmerinnen rasant und wir als ihre Vertreter müssen gegensteuern!

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Edmund Hauswirth(Prokurist bei Industriewaggon GmbH)

Industrielobbying

Lobbying ist mehr als nur "Vining and Dining". Es isteine Form der Wahrnehmung demokratischer Rechte fürOrganisationen und damit für Unternehmen ein unverzichtbarer Bestandteil einererfolgreichen Kommunikationspolitik. Lobbying ist der ständige Informations-transfer mit Entscheidungsträgern aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Gesell-schaft, um Interessen wahrzunehmen und spezielle Anliegen umzusetzen.

Der kritische Erfolgsfaktor im Lobbying ist das professionelle Verknüpfen von The-men (Issue-Management) und Beziehungen (Netzwerk-Management). Beim Issue-Management reicht der Aufgaben-Mix von der Informationsrecherche, der The-menaufbereitung, der Organisation der internen Meinungsbildung, dem Durch-setzen klarer Sprachregelungen, dem Aufbau klarer Argumentationen bis zum"Agenda-Setting". Netzwerkmanagement beschäftigt sich vor allem mit Kontakt-pflege, Terminkoordination, Entwicklung von detaillierten Netzwerkplänen, Auf-treten & Image, Stil & Etikette sowie der Kunst des Small-Talks und Benefit-Talks.Je mehr sich die Lobbylandschaft vergrößert, desto mehr nehmen diese Anfor-derung zu.

Effektiver kann die Lobbyarbeit durch das "Coalition Building" - die Arbeit inVerbänden und in strategischen Allianzen - gestaltet werden. Die Suche nachPartnern, der Aufbau von Kontakten und die Schaffung von Vertrauen stehen da-bei im Vordergrund Für die Partner solcher Koalitionen eröffnen sich durch dieanderen Partner und deren Netzwerke neue Kanäle zur Einflussnahme - vor allemgegenüber der Politik, aber auch gegenüber Wirtschaft, Gesellschaft und Me-dien.

War Lobbying in der Vergangenheit gut zahlenden Konzernen und exzellentausgestatteten Verbänden vorbehalten, betreiben nun selbst kleine und mittel-ständische Unternehmen eigenes Lobbying und sprechen Entscheidungsträgerin-nen direkt an. Ausschlaggebend dafür sind der zunehmende Wettbewerb und dieMöglichkeit, durch Lobbying im Bereich der Rechtssetzung und Standardisierungeigene Wettbewerbsvorteile zu erreichen und/oder abzusichern.

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Wolfgang Katzian (Vorsitzender der GPA-DJP)

Für eine verbesserte Transparenz in einem demokratischen Europa!

Wie ist es um die Transparenz in Europa bestellt, wenn sogardie Europäische Kommission eigens eine Transparenzinitiativestartet?

Ein effizientes System zur Regulierung der Lobbying-Arbeit istmöglich. Lobbying braucht verpflichtende Offenlegung und Überwachungs-mechanismen, deren Nichteinhaltung Sanktionen vorsehen.

Immer öfter wird in Lobbying-Kampagnen mit Desinformation und Manipulationgearbeitet. Solche Praktiken müssten sanktioniert werden. Wirtschaftslobbyistin-nen arbeiten mit betrügerischen Mitteln und im Extremfall wohl auch mit Beste-chung. Solche Methoden untergraben die Demokratie.

Die Informations- und Geldflüsse in der Union - um die Geldflüsse, nämlich umdie Fördergelder, geht es ja nicht zuletzt auch in der Transparenzinitiative - müs-sen für die Bürgerinnen klar nachvollziehbar sein. Ebenso muss einsehbar sein,wie europäische Richtlinien und Verordnungen zustande kommen: Wessen Vor-schläge sind z. B. in die Dienstleistungsrichtlinie eingeflossen? Welche Gruppenwaren federführend, wessen Interessen wurden berücksichtigt?

Finanzstarke Industriegruppen verstärken ihren Einfluss auf die Medien und star-ten PR-Kampagnen zur Durchsetzung ihrer Interessen, während die kritische Be-richterstattung in den Hintergrund gedrängt wird. Daher sind Maßnahmen gegendie zunehmende Medienkonzentration und eine Demokratisierung der Medien-landschaft notwendig.

Es steht hier auch die Rolle der Gewerkschaften und der europäischen Sozial-partner auf dem Spiel. Wenn Verhandlungen mehr und mehr durch aggressivesLobbying ersetzt werden und die demokratisch legitimierte Sozialpartnerschaft ineinem erbitterten Kampf um Einflussnahme zerfällt, so wird der partnerschaftlicheAnsatz auf der Strecke bleiben.

Wir fordern eine Stärkung der demokratisch legitimierten europäischen Sozial-partnerschaft, die nur auf Grundlage verbindlicher Spielregeln funktionieren kann.

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Jörg Leichtfried(Abgeordneter zum Europäischen Parlament, SPE)

Das tägliche Brot des Parlamentariers.

Für mich ist Lobbying durch unterschiedliche Interessenverbän-de ein alltägliches Brot, welches in den meisten Punkten hilf-reich und unterstützend ist und nur ganz selten seinen Zweck verfehlt. Dies hatmehrere Gründe: Jede/r Abgeordnete kann selber aussuchen, mit welchen Or-ganisationen er Gespräche führen möchte und mit welchen nicht. Momentan hatdie Brüsseler Gesetzgebung Einfluss auf 25 Mitgliedstaaten. Neben den Bedürf-nissen der einzelnen Unternehmen oder Branchen sind hier oftmals spezifische na-tionale Marktsituationen, Unternehmensphilosophien und Interessen zu berück-sichtigen - was die Gespräche nicht minder interessant macht.

Ich bin mir natürlich bewusst, dass Lobbying immer im Spannungsfeld zwi-schen berechtigter Einflussnahme und der möglichen Gefährdungdemokratischer Grundprinzipien ist. Trotzdem bin ich der Meinung, dassaufgrund immer komplexer werdender Wirtschaftsstrukturen und ThemenfelderLobbygruppen dennoch eine wichtige Funktion einnehmen. Andernfalls wäre dereuropäische Gesetzgeber vielfach in seinen Möglichkeiten überfordert.

Als am Gesetzgebungsprozeß Beteiligter suche ich immer offen das Gespräch mitWirtschaftsvertretern, Verbänden und Lobbyistinnen. So kann ich mich vor einerEntscheidung umfassend über die wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekte einesVorhabens informieren. Um den Entscheidungsprozeß nicht einseitig zu gestalten,ist es einerseits von großer Wichtigkeit, viele unterschiedliche Vertreter zu Rate zuziehen und unter Umständen auch untereinander diskutieren zu lassen. Dennochbin ich andererseits als Politiker zum Wohle meiner Wählerinnen natürlich an-gehalten, Wertungen zu treffen.

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Evelyn Regner(Leiterin des ÖGB Europabüros und Mitglied im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss)

Gewerkschaftliches Lobbying in Brüssel

Am Gesetzgebungsprozess der EU beteiligen sich Vertreter derRegierungen aus 25 Mitgliedstaaten, deren Interessen oft widersprüchlich sind. ImEuropäischen Parlament mit seinen 732 Abgeordneten herrscht Parteienvielfaltund kein Klubzwang. Der Druck, vor den Wählerinnen zu bestehen sowie ein imnationalen Vergleich kleiner Expertenstab führen dazu, dass die meisten EU-Par-lamentarier ein offenes Ohr für die Argumente der Lobbyistinnen haben.

In dem oft fragilen Zusammenspiel zwischen Kommission, Rat und EuropäischemParlament bringen wir vom ÖGB-Europabüro in Brüssel Vorschläge des Österreich-ischen Gewerkschaftsbundes und der Gewerkschaften für ein sozialeres Europa ein.

Als Möglichkeiten der Einflussnahme und Mitgestaltung gibt es denEuropäischen Sozialen Dialog, den Europäischen Wirtschafts- undSozialausschuss (EWSA) sowie klassisches Lobbying.

Der Europäische Soziale Dialog eröffnet den EU-Sozialpartnern die Möglich-keit, selbst als Gesetzgeber tätig zu werden. Die europäischen Sozialpartnerkönnen Abkommen schließen, die zu Richtlinien werden bzw. autonom Verein-barungen treffen, die innerstaatlich durch die nationalen Sozialpartner selbst alseine Art "europäischer Generalkollektivvertrag" umzusetzen sind.

Der EWSA hat nur Anhörungs- und Konsultationsrechte. Seine Stärke besteht dar-in, durch die gemeinsame Expertise der Arbeitnehmer, Arbeitgeberinnen, Kon-sumentenschützer und beruflichen Standesvertreterinnen in Form von Stellung-nahmen in einem frühen Gesetzgebungsstadium die Kommission auf Problemeund Lösungsvarianten aufmerksam machen zu können. Gerade die Einflussnah-me im Anfangsstadium ist besonders wichtig und effizient.

Als Sozialpartner ist unsere Rolle viel umfassender als jene der Berufslobbyisten.Wir haben offiziell Aufgaben innerhalb der Europäischen Union, arbeiten sehraktiv bei der Gestaltung des europäischen Sozialmodells mit. Wir dürfen dahernicht mit den intransparent arbeitenden Vertreterinnen begrenzter Industrieinter-essen verglichen werden.

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Martin Säckl(Eacon -- European Affairs Consulting Group)

Die Rolle der Lobbyisten

Lobbyistinnen sind ein integrativer Bestandteil der EU. Ohnesie ginge es einfach nicht. Es gibt zwei Arten von Verwaltun-gen: Die eine hat das ganze Fachwissen innerhalb der Verwaltung, die anderebesorgt es sich von außen. Mit etwa 24.000 Beamten hat die EU um 10.000 Be-amte weniger als die Stadt Wien. Diese wenigen Beamten können gar nicht dasgesamte Fachwissen haben, das sie benötigen - geschweige denn die Parla-mentarierinnen, die die Entscheidungen treffen müssen.

Schließlich wälzen die Mitgliedsstaaten immer mehr Aufgaben nach Brüssel ab,aber ohne dafür ausreichend Mittel zur Verfügung zu stellen. Das EU-System holtsich darum das Fach-Know-how von außen und zwar genau von jenen, die direktin der Sache betroffen sind. Die Lobbies sind dabei die Vermittler.

Die EU-Institutionen sind daher sehr offen und im Vergleich zu na-tionalen Verwaltungen und Parlamenten transparent. Die Institutionenmüssen versuchen, alle Interessen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.Zwar erscheint das ganze Konstrukt durch die Vielfältigkeit kompliziert, ist esaber bei näherer Betrachtung nicht. Dennoch überwiegt bei den Bürgern der Ein-druck, Brüssel sei kompliziert und undurchschaubar. Die Europäische Kommissionversucht dem durch eine Transparenzinitiative entgegenzutreten. Allerdings birgtso ein Versuch die Gefahr, Dinge zu "verschlimmbesseren".

Der wesentliche Streitpunkt in dieser Initiative ist eine verpflichtende Registrie-rung der Lobbyistinnen. Auf den ersten Blick scheint das vorteilhaft zu sein, aberauf den zweiten Blick sieht man, dass kleine und spontane Lobbies, sowie jene,die sich keine repräsentative Vertretung leisten können, vom Lobbying ausge-schlossen würden.

Auch der gerne bemühte Vergleich mit der amerikanischen Politik hinkt, da dortdie Lobbies die Politik finanzieren. In Europa werden die Parteien aus den Bud-gets bezahlt. Daher kann es schwerer zu wirtschaftlichen Abhängigkeiten zwi-schen Wirtschaft und Politik kommen.

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Reden über Europa - Kommunikationunserer InteressenDie EU ist in den letzten Jahren zu einer Entscheidungsebene für diverse Gesetzes-vorhaben sowie für die Gestaltung zukünftiger politischer Richtungen geworden. Da-her sind aus nationaler Sicht Vermittler der nationalen Interessen in Brüssel enormwichtig. Gerade durch die Vermittler, die vor Ort in Brüssel arbeiten, wird es mög-lich, durch frühzeitige Informationsbeschaffung direkt aus den EU-Institutionen Maß-nahmen zur Lobbyingstrategie und Interessenvertretung zu setzen.

Nur durch gutes Lobbying ist eine Einflussnahme in Brüssel überhaupt möglich.Wenn wir als Gewerkschaften auch in Zukunft in der europäischen Politik mitre-den wollen, müssen wir unsere Ressourcen verstärken und vor allem unsereVorbehalte gegenüber Europa beseitigen. Gerade unsere Partnerverbände mitSitz in Brüssel besitzen wertvolle Kontakte in die EU Institutionen, die den Zu-gang zu den Entscheidungsträgerinnen erst ermöglichen.

Denn eines ist klar: Wir können nur so gut auf die geplanten Liberalisierungs- undPrivatisierungsbestrebungen der EU Politik reagieren, wie wir als Gewerkschaftenin Brüssel vertreten und repräsentiert werden. Wir können nur so gut arbeiten, wiewir durch unsere Mitglieder und Funktionäre unterstützt werden.

Über eines darf keine Transparenzinitiative hinweg täuschen: Lobbying ist einebestimmte Form, Politik zu machen, bei der jene mit mehr Geld die besseren Kar-ten haben. Gewerkschaften sind daher benachteiligt. Wenn die Arbeitnehme-rinnen auf Lobbying verzichten, würde das allerdings nur ihre Gegner freuen. Wirmüssen daher mitspielen und unsere Stärken nützen: Wir haben eine großeZahl mobilisierbarer Menschen hinter uns, und das auf transnationaler Ebene - ge-meinsam können wir mehr bewegen als nur Geldflüsse

Wir sehen es als unsere Aufgabe, durch Informationsveranstaltungen und Aufklä-rungsarbeit unsere Kolleginnen und Mitglieder von der Notwendigkeit der inter-nationalen Gewerkschaftsarbeit sowie der dazugehörigen Lobbyingarbeit zuüberzeugen. Lobbying bedeutet für uns nicht teure Mittagessen in den bestenBrüsseler Restaurants, sondern Knochenarbeit bei der Expertise, der Vernet-zung, der Strategiefindung und der Kommunikation unserer Interessen.

Barbara Lavaud Natascha WendtGPA-DJP vida

GPA-DJPGewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier1034 Wien, Alfred-Dallinger-Platz 1Telefon +43 (0)5 0301-301www.gpa-djp.at

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