landgericht kiel schützenwall 31-35zope.vege.net:8080/kunden/ab/formulare2/1152088231/... ·...

10
Landgericht Kiel Schützenwall 31-35 24114 Kiel FAX: 0431/604-1830 Mein Zeichen: 2162/05WE Bremen, den ^TgDatum ^DDNummer B../.Strafsache VII KLs 7/06 593 Js 60414/05 In der o.g. Strafsache erhebe ich folgenden Besetzungseinwand. Das Gericht ist hinsichtlich seiner berufsrichterlichen Mitglieder und der Schöffen fehlerhaft besetzt. Richter am LG Dr. Wor., Richter Dr. Ba. und die Schöffen E. und F. sind nicht die gesetzlichen Richter. Die den Mangel begründenden Tatsachen: Vorbemerkungen: Der Verteidigung sind nur sehr schleppend oder gar keine Auskünfte zu der Geschäftsverteilung des LG Kiel erteilt worden. Die Verteidigung dokumentiert insofern zunächst die Bemühungen und die Bescheidung, da zu einzelnen Fragen der Geschäftsverteilung nicht vorgetragen werden kann, weil der Strafkammervorsitzende bzw. der Präsident weitere Auskünfte versagt hat. Um den Spiegel vom 03.04.06 zu zitieren ein "Brüskierender Zustand". Mit Schreiben vom 8.3.06 - nach Übergang des Verfahrens an die VII. Strafkammer- wurde der Strafkammervorsitzende um Auskunft gebeten: - interne Geschäftsverteilung nach § 21 g GVG und - Präsidiumsbeschluss über die Änderung der GV 2006. Anlage 1 Mit Schreiben vom 16.3.06 wurde daran erinnert (unter Nr.5). Anlage 2

Upload: doandan

Post on 18-Sep-2018

225 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Landgericht Kiel Schützenwall 31-35zope.vege.net:8080/kunden/ab/formulare2/1152088231/... · Landgericht Kiel Schützenwall 31-35 24114 Kiel FAX: 0431/604-1830 Mein Zeichen: 2162/05WE

Landgericht KielSchützenwall 31-35

24114 Kiel

FAX: 0431/604-1830

Mein Zeichen: 2162/05WE Bremen, den ^TgDatum ^DDNummer

B../.StrafsacheVII KLs 7/06593 Js 60414/05

In der o.g. Strafsache erhebe ich folgenden Besetzungseinwand.

Das Gericht ist hinsichtlich seiner berufsrichterlichen Mitglieder und der Schöffen fehlerhaftbesetzt.Richter am LG Dr. Wor., Richter Dr. Ba. und die Schöffen E. und F. sind nicht die gesetzlichenRichter.

Die den Mangel begründenden Tatsachen:

Vorbemerkungen:

Der Verteidigung sind nur sehr schleppend oder gar keine Auskünfte zu derGeschäftsverteilung des LG Kiel erteilt worden. Die Verteidigung dokumentiert insofernzunächst die Bemühungen und die Bescheidung, da zu einzelnen Fragen derGeschäftsverteilung nicht vorgetragen werden kann, weil der Strafkammervorsitzende bzw. derPräsident weitere Auskünfte versagt hat.Um den Spiegel vom 03.04.06 zu zitieren ein "Brüskierender Zustand". Mit Schreiben vom 8.3.06 - nach Übergang des Verfahrens an die VII. Strafkammer- wurde derStrafkammervorsitzende um Auskunft gebeten:

- interne Geschäftsverteilung nach § 21 g GVG und- Präsidiumsbeschluss über die Änderung der GV 2006. Anlage 1

Mit Schreiben vom 16.3.06 wurde daran erinnert (unter Nr.5). Anlage 2

Page 2: Landgericht Kiel Schützenwall 31-35zope.vege.net:8080/kunden/ab/formulare2/1152088231/... · Landgericht Kiel Schützenwall 31-35 24114 Kiel FAX: 0431/604-1830 Mein Zeichen: 2162/05WE

Mit Schreiben vom 17.03.06 wurde der Vorsitzende darum gebeten mitzuteilen, wann welcheHaftsachen bei der Kammer eingegangen sind und welche Verfahren durch die Änderung derGV in die Zuständigkeit der VII. Kammer abgegeben wurden. Anlage 3

Mit Schreiben vom gleichen Tage wurde die Anfrage an den Präsidenten des Landgerichtgerichtet und um Hergabe von Kopien nachfolgender Unterlagen gebeten:

"Im Rahmen der Besetzungsprüfung benötige ich den allgemeinen Geschäftsverteilungsplandes KG Kiel 2006 sowie den internen GV-Plan der Strafkammer VII. Das vorliegende Verfahren ist von der X.Strafkammer durch Präsidiumsbeschluss in dieZuständigkeit der VII. Strafkammer übergegangen. Ich bitte um Hergabe von Kopiennachfolgender Unterlagen:

- Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der X. Strafkammer;- Protokoll der Präsidiumssitzung, in der über die Überlastung und die Änderung der Geschäftsverteilung beraten wurde;- Beschluss des Präsidiums über die Änderung der Geschäftsverteilung.

Da bereits Termine zur HV anberaumt sind, bitte ich um kurzfristige Erledigung, auch per e-mailoder fax."

Anlage 4

Der Präsident wurde am gleichen Tage erneut um ergänzende Auskünfte gebeten:

"Im Zusammenhang mit der Besetzungsprüfung für das o.g. Verfahren bitte ich vomVorsitzenden der VII. Strafkammer folgende dienstliche Auskünfte einzuholen und mir diesemitzuteilen:

- die Geschäftslage der Kammer detailliert aufgelistet;- wann sind welche Haftsachen mit welchen Haftdaten bei der Kammer eingegangen;- welche davon wurden durch Präsidiumsbeschluss in die Zuständigkeit der VII. Strafkammer abgegeben;- wann sind für die jeweiligen Verfahren HV-Termine vorgesehen;- welche sind davon mit den Verteidigern abgesprochen;- welche sind bereits terminiert?"

Anlage 5

Page 3: Landgericht Kiel Schützenwall 31-35zope.vege.net:8080/kunden/ab/formulare2/1152088231/... · Landgericht Kiel Schützenwall 31-35 24114 Kiel FAX: 0431/604-1830 Mein Zeichen: 2162/05WE

Mit Schreiben vom 29.03.06 teilte mir der Vorsitzende erstmalig mit, dass er keine Auskünfteerteilen wolle. Die Verteidigung wird aufgefordert, entsprechende Auskünfte bei demPräsidenten des LG Kiel anzufordern. Anlage 6

Mit Schreiben vom 27.03.06, hier eingegangen am 30.03.06, wurde die Ladung und dieBesetzung der Kammer mitgeteilt. Anlage 7

Per e-mail teilte der Präsident des LG Kiel am 29.03.06 um 14:23 Uhr den allgemeinenGeschäftsverteilungsplan des LG Kiel und das Protokoll der Präsidiumssitzung und denBeschluss vom 6.3.06 mit.

Anlage 8

Da in diesem Anschreiben Herr Dr. Leh. als Ansprechpartner genannt wurde, richtete dieVerteidigung das Anschreiben vom 3.4.06 per e-mail an diesen, mit der Bitte um weitergehendeAuskünfte, betreffend den internen GV-Plan der VII. Strafkammer, die Einrichtung diverserHilfsstrafkammern und deren Geschäftslage.

Anlage 9

Herr Dr.Leh. leitete diese Anfrage nicht an den Präsidenten weiter, sondern beschied dieVerteidigung dahingehend, einen "offiziellen" Antrag an den Präsidenten zu stellen.

Anlage 10

Diese Anfrage ging hier per fax am 4.4.06 13:05 raus. Der Inhalt des Schreibens entspricht dere-mail an Dr. Leh. vom 3.4.06. Anlage 11

Anlage 12

Am gleichen Tage wurde ergänzende Auskunft betreffend den zuständigen Richter Dr. Ba.erbeten:

"Sehr geehrter Herr Präsident,

der VII. Strafkammer ist Herr Richter Dr. Ba. zugewiesen.

Ich bitte um Aufklärung, aufgrund welcher Zuweisung und für welche Dauer Herr Dr. Ba. demLandgericht Kiel zugewiesen wurde. Insoweit bitte ich um Hergabe einer Kopie der Zuweisungdurch das OLG, hilfsweise beantrage ich Einsichtnahme in die Personalakte von Dr. Ba..

Sollte mir eine Kopie nicht rechtzeitig zugehen, werde ich am 11.04.06 um 08:15 Uhr bei Ihnenvorsprechen, um Einblick in die Personalakte nehmen zu können."

Page 4: Landgericht Kiel Schützenwall 31-35zope.vege.net:8080/kunden/ab/formulare2/1152088231/... · Landgericht Kiel Schützenwall 31-35 24114 Kiel FAX: 0431/604-1830 Mein Zeichen: 2162/05WE

Anlage 13Anlage 14

Eine Einsichtnahme in die Personalakte wurde der Verteidigung verweigert. Auskünfte über dieZuweisung konnten nicht erlangt werden.

Mit Schreiben vom 10.04.06 teilte der Präsident des LG Kiel nunmehr mit, dass VRLG Williammit seiner restlichen Arbeitskraft in der Verwaltung des Landgerichts tätig ist. Weitere Auskünftekommen nicht in Betracht.

Anlage 15

Der Verteidigung sind damit ohne Rechtsgrund und entgegen § 222 b Abs. 3 StPO diverseUnterlagen vorenthalten worden, um die ordnungsgemäße Besetzung der Strafkammer zuprüfen.

Tatsachen -soweit bekannt- zur Begründung der Besetzungsrüge:

1. Durch Beschluss des Präsidiums vom 6.3.06 wurden die bei der X.Strafkammer im Jahre2006 bis zum 6.3.06 eingegangen erstinstanzlichen Verfahren, in denen Untersuchungshaftvollzogen wird, in die Zuständigkeit der VII. Großen Strafkammer übergeleitet.

a.) Die X. Strafkammer war von Anfang an nicht für das vorliegende Verfahren zuständig. Esbestand keine Zuständigkeit des LG Kiel. Den schriftlich überlassenen Einwand der örtlichenUnzuständigkeit vom heutigen Tage mache ich zum Gegenstand des vorliegendenBesetzungseinwandes.

b.) Durch Beschluss des Präsidiums vom gleichen Tage, wurde zudem zur Entlastung der IX.Großen Strafkammer die Hilfsstrafkammer XXV eingerichtet. Als Vorsitzender der weiterenHilfsstrafkammer wurde VRLG Wil. mit 3/10 seiner Arbeitskraft bestimmt, gleichzeitig von seinerTätigkeit in der X. Strafkammer in diesem Umfang entlastet.

Allein dadurch wurde nunmehr die X.Strafkammer mit dem Vorsitzenden und nur noch 2,5/10seiner Arbeitskraft offensichtlich als überlastet eingeschätzt -der Beschluss des Präsidiumsverhält sich allerdings dazu nicht- und zur Entlastung der Übergang der 2006 bis zum 6.3.06eingegangen Sachen mit vollstreckter Untersuchungshaft in die VII. Strafkammer beschlossen.

Das Präsidium beschließt in einem Zuge, einerseits die Entlastung der IX.Strafkammer durchdie Einrichtung einer Hilfsstrafkammer und besetzt diese Hilfsstrafkammer mit Richtern, die

Page 5: Landgericht Kiel Schützenwall 31-35zope.vege.net:8080/kunden/ab/formulare2/1152088231/... · Landgericht Kiel Schützenwall 31-35 24114 Kiel FAX: 0431/604-1830 Mein Zeichen: 2162/05WE

dadurch die Geschäfte ihrer originären Kammer nicht mehr erledigen können und leiten einenTeil der dort anhängigen Geschäfte einem weiteren Spruchkörper zu.

a.a. Hier hätte nahe gelegen, von Anfang die Mitglieder der VII. Strafkammer in dieHilfsstrafkammer XXV. zu berufen. Da auch der Vorsitzende der X. Strafkammer nichterkennbar besondere Kenntnisse in Wirtschaftsstrafverfahren ausweist, steht ihm derVorsitzende der VII. Strafkammer insoweit gleich.

b.b. Das Präsidium hat nicht erörtert, welche sonstigen Entlastungsmöglichkeiten für dieMitglieder der X. Strafkammer bestanden:

Denkbar wäre gewesen:- Entlastung von den Aufgaben in der 25. Zivilkammer- Entlastung von den Aufgaben in der 2. und 9. Kleinen StrafVollstreckungskammer- Entlastung des Vorsitzenden von weiteren Aufgaben (4/10) in der Verwaltung des Landgerichts;

c.) Das Landgericht Kiel ist hinsichtlich der richterlichen Planstellen ersichtlich seit Jahrenunterbesetzt. Die andauernde Einrichtung von Hilfsstrafkammern zur Bewältigung nicht nurkurzfristiger Überlastungen wird schon mit dem Geschäftsverteilungsplan 2006 deutlich: VonBeginn an werden 3 große Hilfsstrafkammern und 2 kleine Hilfsstrafkammern in dieGeschäftsverteilung mit einbezogen.

Die nicht nur kurzfristige Überlastung wird an folgenden Umständen deutlich:

- die XVII. Große Strafkammer bearbeitet alle

in der Zeit vom 1.10.2004 bis zum 31.10.04 bei der II. Großen Strafkammer

eingegangenen erstinstanzlichen Strafsachen;

- die XXI. Große Hilfsstrafkammer bearbeitet

- alle in der Zeit vom 05.04.2003 bis zum 30.11.2003 bei der III. gr.

Strafkammer eingegangenen Strafverfahren,

- alle in der Zeit vom 01.10.2001 bis zum 31.03.2002 bei der VI. gr.

Strafkammer eingegangenen Strafverfahren, in denen noch kein Termin zur

Hauptverhandlung bestimmt worden ist,

- alle bis zum 30.09.2002 bei der IX. gr. Strafkammer eingegangenen

Strafverfahren, die nicht bereits vorläufig eingestellt worden sind und in

denen noch kein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt worden ist.

Page 6: Landgericht Kiel Schützenwall 31-35zope.vege.net:8080/kunden/ab/formulare2/1152088231/... · Landgericht Kiel Schützenwall 31-35 24114 Kiel FAX: 0431/604-1830 Mein Zeichen: 2162/05WE

- die XXIV. große Hilfsstrafkammer (Jugend- und Jugendschutzkammer IV)bearbeitet alle bei der II. großen Strafkammer bis zum 30.09.2004eingegangenen nicht terminierten erstinstanzlichen Strafverfahren.

- die XIV. kleine Strafkammer (kleine Jugendkammer) bearbeitet

- Berufungen gegen Urteile der Jugendrichter (§ 26 Abs. 1 GVG),

- Entscheidungen in Wiederaufnahmeverfahren (in Jugend- und

Jugendschutzsachen) nach § 140 a GVG, soweit sich der Antrag auf

Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die Entscheidung einer kleinen

Jugendkammer oder einer großen Strafkammer als Jugendstrafkammer im

Verfahren über die Berufung gegen ein Urteil des Jugendrichters richtet.

Die XV. kleine Hilfswirtschaftsstrafkammer bearbeitet:

- alle bei der IV. kleinen Strafkammer in der Zeit vom 01.03.2000 bis

30.05.2000 eingegangenen Berufungen gegen Urteile der Schöffengerichte

in Wirtschaftsstrafsachen,

- alle bei der V. kleinen Strafkammer in der Zeit vom 10.02.1999 bis

10.09.2000 eingegangenen, zum Zeitpunkt des Präsidiumsbeschlusses vom

17.07.2001 nicht terminierten Berufungen gegen Urteile der Schöffengerichte

und der Strafrichter in Wirtschaftsstrafsachen.

- Die XXV. große Hilfsstrafkammer bearbeitet alle in der Zeit vom 01.01.2003 bis zum 30.06.2004 bei der IX. großen Strafkammer eingegangenen erstinstanzlichen Strafverfahren.

Damit wird deutlich:

Die Überlastung der einzelnen Kammern ist nicht neu, nicht unverhersehbar undnicht kurzfristig. Da das Präsidium der Verteidigung mitgeteilt hatte, weitereUnterlagen als der allgemeine Geschäftsverteilungsplan und das Protokoll vom6.3.06 könne leider nicht zur Verfügung gestellt werden, bezieht sich die

Page 7: Landgericht Kiel Schützenwall 31-35zope.vege.net:8080/kunden/ab/formulare2/1152088231/... · Landgericht Kiel Schützenwall 31-35 24114 Kiel FAX: 0431/604-1830 Mein Zeichen: 2162/05WE

Verteidigung hinsichtlich dieses Themas auf das einzuholende Zeugnis des LGPräsidenten Sch., dessen Ladung und Vernehmung ich beantrage.

Auf das Anschreiben vom 29.03.06 (Anlage 8) und 10.04.06 (Anlage 15) nehme ichinsoweit ausdrücklich Bezug.

2. Ich beantrage den Richter Dr. Ba. als Zeugen zu hören und zu vernehmen. DerZeuge wird bekunden, dass er dem Landgericht Kiel bis auf weiteres zugewiesenwurde.

Eine nicht befristete Zuweisung ist unzulässig und führt zu einer fehlerhaften Besetzungder Strafkammer.

3. Ich beantrage den VRLG Wil. zu laden und in der Hauptverhandlung zu hören. DerZeuge wird bekunden,

a.) dass lediglich die aus dem vorliegenden Komplex -Festnahme am 1.11.05in Hamburg - entstandenen Verfahren im bewussten und gewolltenZusammenwirken mit den Präsidiumsmitgliedern in die Zuständigkeit der VII.Strafkammer verschoben wurden. Es handelte sich dabei um die Verfahren B.,Ko., Kemal Ö. und Kadir Ö.. Den Präsidiumsmitgliedern war aber klar, dass essich bei dieser Zuweisung um eine unzulässige Einzelzuweisung gehandelthat, da sämtliche Verfahren auf dem gleichen Sachverhalt beruhen.

b.) dass eine Überlastung weder hinsichtlich seiner Person noch der Kammerinsgesamt bestand. Die Übertragung der Verfahren auf die VII. Strafkammerberuhte auf sachfremden Erwägungen.

Rechts la ge:

1. Vor be mer kun gen

Die Gesetzmäßigkeit der Aufstellung und Abänderung der Geschäftsverteilung unterliegtgrundsätzlich auch der Nachprüfung durch das Revisionsgerichts (BGHSt 3, 353, 355).

Dieser Nachprüfung sind Grenzen gesetzt, die aus der eigenverantwortlichen Stellung des Prä-sidiums als Gremium verwaltungsunabhängiger Selbstorganisation der Gerichte und aus der

Page 8: Landgericht Kiel Schützenwall 31-35zope.vege.net:8080/kunden/ab/formulare2/1152088231/... · Landgericht Kiel Schützenwall 31-35 24114 Kiel FAX: 0431/604-1830 Mein Zeichen: 2162/05WE

Besonderheit der ihm übertragenen Aufgaben folgen. Der Beurteilung durch das Präsidiummuss wegen der Notwendigkeit flexibler, an die konkrete Situation angepasster und auf we-sentliche Veränderungen zeitnah reagierender Entscheidungen schon deshalb ein gewisserVorrang zukommen, weil es mit den persönlichen und sachlichen Gegebenheiten im Gerichtsowie mit den örtlichen Verhältnissen im Gerichtsbezirk, insbesondere was den Anfall vonStrafverfahren und anderen Rechtssachen angeht, aufgrund längerer Erfahrung besondersvertraut ist. Aus diesen Gründen ist die Regelung der Geschäftsverteilung, soweit es an bin-denden rechtlichen Regeln fehlt, dem pflichtgemäßen Ermessen des Präsidiums überlassen.Im Bereich rechtlicher, Einzelnormierung muss den dargelegten Besonderheiten dadurch Rech-nung getragen werden, dass dem Präsidium bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffeein weiter Beurteilungsspielraum zugebilligt wird. Um einen solchen unbestimmten Rechtsbe-griff handelt es sich bei der Voraussetzung vorübergehender Überlastung der ordentlichen (ins-titutionellen) Strafkammer, von der die im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehene, aber nachallgemeiner Meinung in der Rechtsprechung (auch im Bereich der Spezialspruchkörper wiedem Schwurgericht) zulässige Einrichtung einer Hilfsstrafkammer abhängt (vgl. u.a. BGHSt41, 175, 178; 33, 303, 304; 31, 389, 390/391; 10, 179, 181, jew. m.w.Nachw.).

Die Zubilligung eines Beurteilungsspielraums zwingt gleichwohl zu prüfen, ob die tatsächlichenGrundlagen einer solchen Änderungsentscheidung vorgelegen haben (vgl. BGH NJW 1956,111; BGH NJW 1976, 60; Schäfer in Löwe/Rosenberg StPO 23. Aufl. § 21 e GVG Rdn. 42; Ha-nack in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 338 Rdn. 22; KMR-Paulus § 338 Rdn. 35).

Ein durchgreifender Rechtsmangel ist jedenfalls dann begründet, wenn offen zutage liegt, dassdie der Entscheidung über die Bildung der Hilfsstrafkammer zugrunde liegenden Tatsachenoffensichtlich fehlerhaft waren und die Entscheidung damit als objektiv willkürlich erscheint(BGHSt 31, 389, 392; vgl. auch BGH bei Holtz MDR 1981, 455; BGH, Urt. vom 9. Mai 1961 - 1StR 103/60 -, UA S. 5; vom 7. November 1979 - 2 StR 398/79 -, UA S. 617 und vom 11. April1979 - 1 StR 752/77 -, UA S. 7; Kissel GVG 2. Aufl. § 60 Rdn. 13; a.A. Frisch NStZ 1984, 86;zweifelnd Katholnigg JR 1983, 520).

Ersichtlich glaubt das Präsidium durch die Einrichtung diverser Hilfsstrafkammer demandauernden hohen Geschäftsanfall unter Umgehung der Aufstockung richterlicher Planstellennoch gerecht zu werden. Die hier festzustellende Mängelverwaltung im Bereich richterlicherPlanstellen ist mit dem Gesetz nicht mehr vereinbar.

2.

Die Strafkammer X war nicht vorübergehend überlastet. Wenn überhaupt eine Überlastung an-genommen werden sollte, dann war es keine "vorübergehende".

Soweit in dem Protokoll der Präsidiumssitzung mitgeteilt wird, dass die Erörterung über dieBelastung der IX. Strafkammer aus der Präsidiumssitzung vom 13.01.2006 fortgesetzt wird, do-kumentiert dies ebenfalls die Dauerhaftigkeit der Überlastung.

Das Präsidium hätte diesen Mangel dann aber nicht mit der Einrichtung einer weiteren Hilfs-strafkammer begegnen dürfen, schon gar nicht, wenn diese zu einer Überlastung derStrafkammermitglieder führt, die dann die Zuweisung bestimmter Verfahren in dieZuständigkeit einer anderen Kammer notwendig macht.

Page 9: Landgericht Kiel Schützenwall 31-35zope.vege.net:8080/kunden/ab/formulare2/1152088231/... · Landgericht Kiel Schützenwall 31-35 24114 Kiel FAX: 0431/604-1830 Mein Zeichen: 2162/05WE

3.

Tatsächlich lag eine Überlastung aber nicht vor. Zumindest der Vorsitzende ist erkennbar mit4/10 seiner Arbeitskraft einer Beschäftigung im Landgericht Kiel nicht zugewiesen. DieGeschäftsverteilung schweigt über die insoweit bestehende "Belastung".

Durch welche anderen Verfahren und durch welche Hauptverhandlungstermine die Kammerüberlastet sein soll, auch darüber schweigt das Protokoll, weitergehende Auskünfte konntennicht erlangt werden. Das Präsidium hat ersichtlich derartige Überlegungen gar nicht angestellt.

Das Präsidium hat zudem versäumt, über eine Entlastung der Kammermitglieder in anderenDezernaten nachzudenken.

Die Beurteilung des Sachverhalts erscheint insofern grob fehlerhaft. Die verschiedenen Mög-lichkeiten sind in der Präsidiumssitzung nicht diskutiert worden; dies macht die Entscheidungdes Präsidiums im Sinne objektiver Willkür unvertretbar und ist geeignet, eine Verletzung desRechts auf den gesetzlichen Richter zu begründen.

4.

Die Formulierung im Protokoll vom 6.3.06 hinsichtlich der in die Zuständigkeit der VII.Strafkammer übergehenden Verfahren entspricht der revisionrechtlichen Rechtsprechung.

Tatsächlich handelt es sich aber um eine unzulässig Einzelzuweisung von lediglich 4 Verfahrenaus einem Ermittlungskomplex. Es trifft zwar zu, dass das Präsidium den Geschäftsverteilungsplan im Laufe des Geschäftsjah-res ändern darf, wenn dies wegen Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird (§ 21e Abs. 3GVG).

Eine solche Notwendigkeit folgt bereits aus dem Gebot der beschleunigten Verfahrensförde-rung in Haftsachen und aus dem Umstand, dass eine von der Justiz zu verantwortende Verfah-rensverzögerung rechtsstaatswidrig sein kann (vgl. BGHSt 30, 371).

Allerdings dürfen mit Rücksicht auf das bei der Zuweisung zu beachtende Abstraktionsprinzip(Kissel GVG 2. Aufl. § 21e Rdn. 82) nicht einzelne Sachen ohne objektive und sachgerechteKriterien einer anderen Strafkammer zugewiesen werden (vgl. BGHSt 7, 23; BGHR StPO § 338Nr. 1 Geschäftsverteilungsplan 2). Wird hiergegen verstoßen, wird die Zuweisung nicht da-durch zulässig, dass sie durch eine allgemein gehaltene Klausel erfolgt (BGHR StPO § 338 Nr.1 Geschäftsverteilungsplan 2 m.w.N.).

Die Übertragung der umzuverteilenden Geschäfte muss unter möglichst weitgehender Beach-tung generell - abstrakter Merkmale erfolgen, wie sie im Jahresgeschäftsverteilungsplan vorge-geben sein müssen, damit eine steuernde Auswahl und Manipulation bei der Zuteilung der zuerledigenden Aufgaben verhindert wird.

Gerade in einem Fall wie dem vorliegenden, der sich dadurch auszeichnet, dass das Präsidiumder Strafkammer nur Verfahren aus einem Ermittlungskomplex abgenommen hat, bedarf es ei-ner besonders kritischen Überprüfung der Sachgerechtigkeit der Auswahlkriterien. Das ist un-terblieben.

Page 10: Landgericht Kiel Schützenwall 31-35zope.vege.net:8080/kunden/ab/formulare2/1152088231/... · Landgericht Kiel Schützenwall 31-35 24114 Kiel FAX: 0431/604-1830 Mein Zeichen: 2162/05WE

Es kann auch nicht sein, dass sehenden Auges eine unzulässige Zuweisung dadurch rechtmä-ßig werden soll, dass lediglich die Formulierung der Zuständigkeitsänderung allgemein undabstrakt gehalten wird.

Wesemann/Rechtsanwalt