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JOT 6 | 2003 24 Durchlaufkapazität und Automatisie- rungsgrad. Mit einem Ausstoß von über 8000 Teilen pro Tag und insge- samt 26 Lackierrobotern belegt die Neustädter Lackiererei laut Schmid in der globalen Hitliste der Kunst- stoffsparte einen Spitzenplatz. Weitere Highlights finden sich im optimierten Energie- und Umweltkonzept sowie – für die hohe Lackierqualität an- spruchsvoller Kunststoffteile unbe- dingt lebensnotwendig – in der auf- wändigen Reinraumtechnik. Wie von Zauberhand: Durchgängige Automatisierung „Nur in der Auf- und Abgabe müssen die Werker noch richtig Hand anlegen“, hebt Schmid mit Nachdruck hervor. Auch die Überprüfung des D er Markt für Kunststoff-Lackier- anlagen wächst kontinuierlich. Bereits 250 Kunststoff-Lackieranlagen hat der Anlagenspezialist Eisenmann zur Beschichtung von Stoßfängern, Spoilern, Türen, Handy-Schalen oder TV-Gehäusen installiert. Allein der Automobilzulieferer Peguform mit Hauptsitz in Bötzingen bei Freiburg bestellte in den vergangenen 20 Jahren 16 schlüsselfertige Komplettsysteme in Böblingen. Das jüngste Lackierwerk für die Südbadener, das Eisenmann im bayerischen Neustadt an der Donau als Generalunternehmer inklusive Gebäu- de errichtete, stellt jedoch alle bisher gebauten Kunststoff-Beschichtungsan- lagen in den Schatten. Und zwar gleich mit einer Vielzahl von Leistungsmerk- malen und Kennzahlen, wie Ulrich Schmid betont. Der Leiter des in Holz- gerlingen angesiedelten Eisenmann- Verkaufsteams für den Bereich Kunst- stofflackierung bezeichnet die jetzt hochgefahrene Anlage als eine der weltweit größten und modernsten. Seine Einschätzung beruht vor allem auf den beiden Disziplinen Kunststoff-Lackieren Weltspitze mit 8000 Teilen pro Tag In Neustadt an der Donau steht eine der weltweit größten und modernsten Kunststoff-Lackieranlagen Audi und BMW heißen die Kunden, die Peguform vom bayerischen Neustadt an der Donau aus mit Stoßfängern, Schwellern und anderen Kunststoffteilen in Wagenfarbe versorgt. Die jetzt in Betrieb genomme- ne Lackieranlage des Automobilzulieferers setzt Maßstäbe; sie gilt als eine der größten, modernsten und umweltfreundlichsten ihrer Art. NASSLACKIEREN

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Page 1: Kunststoff-Lackieren — Weltspitze mit 8000 Teilen pro Tag

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Durchlaufkapazität und Automatisie-rungsgrad. Mit einem Ausstoß vonüber 8000 Teilen pro Tag und insge-samt 26 Lackierrobotern belegt dieNeustädter Lackiererei laut Schmid inder globalen Hitliste der Kunst-stoffsparte einen Spitzenplatz. WeitereHighlights finden sich im optimiertenEnergie- und Umweltkonzept sowie –für die hohe Lackierqualität an-spruchsvoller Kunststoffteile unbe-dingt lebensnotwendig – in der auf-wändigen Reinraumtechnik.

Wie von Zauberhand: Durchgängige Automatisierung

„Nur in der Auf- und Abgabe müssen die Werker noch richtig Handanlegen“, hebt Schmid mit Nachdruckhervor. Auch die Überprüfung des

Der Markt für Kunststoff-Lackier-anlagen wächst kontinuierlich.

Bereits 250 Kunststoff-Lackieranlagenhat der Anlagenspezialist Eisenmann zur Beschichtung von Stoßfängern,Spoilern, Türen, Handy-Schalen oder TV-Gehäusen installiert. Allein derAutomobilzulieferer Peguform mitHauptsitz in Bötzingen bei Freiburgbestellte in den vergangenen 20 Jahren16 schlüsselfertige Komplettsystemein Böblingen. Das jüngste Lackierwerkfür die Südbadener, das Eisenmann imbayerischen Neustadt an der Donau als

Generalunternehmer inklusive Gebäu-de errichtete, stellt jedoch alle bishergebauten Kunststoff-Beschichtungsan-lagen in den Schatten. Und zwar gleichmit einer Vielzahl von Leistungsmerk-malen und Kennzahlen, wie UlrichSchmid betont. Der Leiter des in Holz-gerlingen angesiedelten Eisenmann-Verkaufsteams für den Bereich Kunst-stofflackierung bezeichnet die jetzthochgefahrene Anlage als eine derweltweit größten und modernsten.

Seine Einschätzung beruht vorallem auf den beiden Disziplinen

Kunststoff-Lackieren –

Weltspitze mit 8000 Teilen pro Tag

In Neustadt an der Donau steht eine der weltweit größten und modernsten Kunststoff-Lackieranlagen

Audi und BMW heißen die Kunden, die Peguform vom bayerischenNeustadt an der Donau aus mit Stoßfängern, Schwellern und anderenKunststoffteilen in Wagenfarbe versorgt. Die jetzt in Betrieb genomme-ne Lackieranlage des Automobilzulieferers setzt Maßstäbe; sie gilt alseine der größten, modernsten und umweltfreundlichsten ihrer Art.

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Lackierergebnisses erfolge per mensch-licher Sichtkontrolle. Der Beschich-tungsprozess mit den bei automobilemExterieur üblichen drei Schichten,Grundierung plus Basecoat und Clear-coat, funktioniert samt Vorbehandlung,Blas- und Kühlzonen sowie Trocknungdagegen vollkommen automatisch. Inder Beflammkabine zur Aktivierungder Kunststoffoberfläche arbeitenebenfalls ausschließlich Roboter. Dieseparat eingeplanten manuellenArbeitsstationen in den drei Spritz-kabinen sind als Back-up-Lösung fürdie noch laufende Phase der Anlagen-Inbetriebnahme und für Nacharbeitengedacht. Peguform behält sich vor, siespäter durch zusätzliche Lackier-roboter zu ersetzen.

Der hohe Automatisierungsgrad derüber ein PC-Netzwerk auf WindowsNT-Basis gesteuerten Anlage zeigt sichnicht nur im durchgängigen Roboter-einsatz, sondern auch in einer Reiheweiterer pfiffiger Details. Dazu gehörtdas komfortable Handling unter-schiedlicher Produkt- und Farbvarian-ten. In Neustadt regelt nämlich dieintelligente Software den Wechsel voneiner Artikelgruppe zur nächstengleichsam wie von Zauberhand. Inner-halb weniger Sekunden stellt die Elek-tronik alle Parameter inklusive Werk-stückträger und Farbselektion auf denneuen Produkttyp um. Im Nu reagiert

für so unterschiedliche Fahrzeugrei-hen wie Audi A4 sowie BMW 3er, 5erund 7er.

Erwin Limmer, Leiter des BereichsExterieurs bei Peguform in Neustadt,rechnet dabei mit bis zu 100 Farbwech-seln am Tag. Sie werden von der Lack-versorgung in jeweils nur 60 Sekundenbewältigt. Dabei hält sich der Lack-verlust in minimalen Grenzen: Dankmolchbarem Potenzialtrennsystem(siehe dazu Artikel in JOT 5/2003, S. 50 ff.) pendelt er sich im Durch-schnitt bei unter 1,5 Litern pro Farb-wechsel ein.

Für Peguform spiegelt sich die Los-größe im einzelnen Lackierskid wider.Dieser fasst bis zu zehn Stoßfängeroder eine zu beschichtende Fläche vonacht Quadratmetern. Das aus Stan-dardmodulen konstruierte Skidsystemerweist sich in mehrfacher Hinsicht alsInnovation. Über Senkrechtfördererüberwindet es auf engstem Raumunterschiedliche Höhenniveaus.

Von der Aufgabe über die Lackier-zur Trocknerebene und schließlichüber den auf zwei Stockwerken verteil-ten Zwischenpuffer transportiert es dieWerkstücke zurück zur Ausgangsbasis.Dort befindet sich auch der Abnahme-bereich. Jeder Skid besitzt einen

so das von Eisenmann entwickelte IT-System auf kurzfristige Änderungen imflexiblen Lackierplan.

Das Resultat ist hohe Effizienz undmaximale Auslastung der Anlage:Peguform kann nacheinander im bun-ten Chargenmix Stoßfänger, Schwellerund Kleinkomponenten wie Ramm-schutzleisten und Kennzeichenträgerdurch die Kabinen fahren. Und zwar

Lackierprozess auf drei Ebenen: Auf- und Abgabe (unten), Pufferspeicher (linksoben) und der vollkommen abgeschottete Beschichtungsbereich (rechts hinten)

Roboter in Aktion: Die vollautomatische Lackierung erzielt eine deutlich höhereQualität als die manuelle Beschichtung

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handlung von Kunststoff ein nochgrößeres Gewicht besitzt als bei ihrem Metall-Pendant. „Gerade beimLackieren zeigt sich Kunststoff vonseiner empfindlichen Seite“, gibtSchmid zu bedenken.

Die starke elektrostatische Aufla-dung des Werkstoffes zieht Schmutzund Staub geradezu magisch an. „DasA und O bei der Lackierung hochwerti-ger Kunststoffteile sehe ich in umfang-reichen Vorkehrungen, die absoluteSauberkeit garantieren. Schon deshalbrate ich jedem Kunststofflackierer soweit wie möglich zu automatisierenund auf manuelle Prozesse zu verzich-ten“, unterstreicht der Wirtschaftsinge-nieur. Gleichzeitig verweist er auf diein Neustadt realisierte Reinraumtech-nik im Stil des von Eisenmann für die Automobillackierung entwickelten„Clean-Room-Systems“.

Reinheitsgebot sorgt für hervorragende First-Run-Qualität

Es schottet die komplette Anlagemit Ausnahme der Auf- und Abgabezo-ne vollkommen von der Außenwelt ab.Zu Wartungszwecken kann Personalnur über spezielle Schleusen und mitfusselfreier Kleidung den sensiblenLackierbereich betreten. Und: AlleKabinenwände bestehen aus groß-flächigen Glaselementen, die Ablage-rungen durch Staubpartikel auf einMindestmaß reduzieren.

Neben der Staubgefahr gibt es eineReihe weiterer Punkte, die dasLackierergebnis beeinflussen. Dazuzählen in die Spritzkabine verschlepp-te Wassernester. Ihre Entstehung wirddurch die hohe Oberflächenspannungvon Kunststoff begünstigt. Die Folge:Restwasser zieht sich zu größeren Was-sertropfen zusammen. Im Extremfallgenügt ein einziger, in zahlreiche Ein-zelteile zerstäubender Tropfen, umeine gesamte Skidbestückung zu zer-stören.

Zur Ausschaltung dieses Risikoskonzipierten die Ingenieure vonEisenmann ein komplexes System vonBlaszonen, um die Werkstücke vonallen Wasserrückständen zu befreien.Den Vogel schießt dabei die in Neu-

sobald er die jeweilige Lesestation passiert.

100 Prozent Robotereinsatz unddurchgängige Automatisierung führenzu höherer Beschichtungsqualität. Auseinem einfachen Grund: Kein Personalin den Kabinen bedeutet weniger Ver-unreinigungen in der eigentlichenLackierzone. Dabei kommt ein Faktorins Spiel, der bei der Oberflächenbe-

kodierten Identträger, der mit derAnlagensteuerung kommuniziert. Da-durch lässt sich jede Losgröße über dieVisualisierung exakt verfolgen. Dahin-ter verbirgt sich ein wichtiger Aspektder voll automatisierten Lackierschrit-te: Farb- und Artikelwechsel sind andas Skidverfolgungssystem gekoppelt.Das Programm für jeden Lackierrobo-ter leitet jeder Skid von sich aus ein,

Pfiffige Neuentwicklung: Die Zwischenblaszone mit individuell selektierbarenTeleskop-Armen spürt auch noch so versteckte Wassernester aus der Vorbe-handlung auf

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stadt erstmals umgesetzte Zwischen-blaszone mit individuell selektierbarenTeleskoparmen ab. Das innovativeHandling-Gerät beseitigt selbst hart-näckige Wassernester, die sich gern imInnern eines Kunststoffteils ver-stecken.

Der Lohn solch aufwändiger Maß-nahmen drückt sich in der First-Run-i.-O.-Rate aus, die der neuen Peguform-Lackiererei auch in punkto Qualitätden ersten Platz sichert. In Neustadtfällt das Ergebnis so klar aus, dassRückläufer oder intensive Nacharbeitfast schon als Fremdwort gelten, wieSchmid anmerkt: „Unsere Anlage er-zielt eine hervorragende First-Run-Quote.“ Er führt dieses positive Resul-tat auch auf die in den Spritzkabinenvorherrschenden konstanten Klimabe-dingungen zurück. „Stabile Prozess-zustände bezüglich Temperatur undFeuchte tragen zum perfekten Finishder Kunststoffkomponenten bei.“

Energie-Optimierung senkt Betriebskosten

Die von Eisenmann favorisierteUmluftführung spart Betriebs- und

Investitionskosten. Gleichzeitig er-weist sie sich als zentraler Baustein fürdas Energiekonzept, mit dem die Neu-städter Anlage – last but not least –auch in ökologischer Hinsicht punktet.„Neben minimalem Lackverbrauchreizten wir auch alle Möglichkeiten zurEnergieeinsparung aus. Ich glaube, dasist uns gelungen“, freut sich der Ver-kaufsleiter von Eisenmann.

In Zahlen ausgedrückt: Der Anteilder Wärmerückgewinnung beträgt ins-gesamt 2500 Kilowatt. Er liegt so hoch,dass sich nicht nur die Anlagenteileuntereinander im gegenseitigen Ener-gieaustausch versorgen können, son-dern dass sogar noch ein Überschussfür die Hallenbelüftung anfällt. DieUmluftanlage gibt dem System 1800Kilowatt an Wärme zurück, die aus derbesonders effizienten Kälteerzeugungüber Direktverdampfer resultiert.

Wie bei der Energie-Rückgewin-nung spielt das Umluftsystem auch beider Entsorgung flüchtiger Lösemitteleine entscheidende Rolle. Peguformverwendet in allen drei Lackierschrit-ten lösemittelarmen Wasserlack, undzwar 2-K-Hydro-Primer, 1-K-Hydro-Basislack und 2-K-PUR-Clearcoat.Deren Lösemittelanteile – sie betragen

noch 10, 15 und 55 Prozent – entsorgtdie Eisenmann-Umwelttechnik.

Der besondere Clou: Die zur Abluf-treinigung eingesetzte RegenerativeNachverbrennung (RNV) funktioniertautotherm. Die über die Umluftanlagezugeführten Lösemittel aus dem Ab-luftstrom von Abdunstzonen, Spritzka-binen und Trocknern reichen aus, umden gewünschten Oxidationsprozess inGang zu setzen.

Ein weiterer Energieeintrag istnicht erforderlich. Zum Starten derRNV benötigt der Anlagenbetreiberweder Gas noch sonstigen Primär-Brennstoff. Und: Mit ihrem Wirkungs-grad von 99 Prozent arbeitet die RNVso gründlich, dass die Emissionendeutlich den Wert unterschreiten, dender Gesetzgeber in seiner neuestenVOC-Richtlinie zulässt. Angesichts alldieser Kennzahlen ist die Lackierereifür die hohe Produktqualität von Pegu-form bestens gerüstet. ■

Kontakt: Eisenmann, Böblingen, Tel. 0 70 31 / 78 - 0,

e-mail: [email protected]

Nicht nur für den gesamten Lackierbereich von Peguform, sondern auch für das Gebäude der neuen Lackiererei warEisenmann als Generalunternehmer verantwortlich

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