kultura50+ anketa befragung

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Im Auftrag von: in Zusammenarbeit mit Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift Партнер“ (Partner) “Kultura 50+ Anketa“

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Institut für Bildung und Kultur (Hrsg.) (2009): "Kultura50+ Anketa" Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift Partner.

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Page 1: Kultura50+ Anketa Befragung

Im Auftrag von:

in Zusammenarbeit mit

Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift

„Партнер“ (Partner)

“Kultura 50+ Anketa“

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

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Im Auftrag von

Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen Referat IVB3 - Zielgruppenspezifische Kulturangelegenheiten Ulla Harting Fürstenwall 25 40219 Düsseldorf Herausgegeben von

Institut für Bildung und Kultur e.V. Flavia Nebauer Küppelstein 34 42857 Remscheid [email protected] www.ibk-kubia.de In Zusammenarbeit mit

Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen Geschäftsbereich Statistik Meral Cerci, Sabine Bungert Roßstr. 76 40476 Düsseldorf [email protected] www.it.nrw.de

und dem

Partner-Verlag Partner MedienHaus GmbH & Co.KG Dr. Michail Vaysband, Dr. Simon Moutchnik, Maxim Gozman Märkische Str. 115 44141 Dortmund [email protected] www.partner-inform.de

© IBK 2009

Page 3: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

3

INHALT 1. Hintergrund und Zielsetzung ............................................................................ 4

2. Untersuchungsdesign ....................................................................................... 6

3. Ergebnisse der Befragung ................................................................................ 7

3.1 Zentrale Ergebnisse im Überblick ....................................................... 7

3.2 Empfehlungen für die Kulturpraxis ...................................................... 9

3.3 Demografische Merkmale ................................................................... 11

a) Alter und Geschlecht ................................................................. 11

b) Form der Einwanderung und Aufenthaltsdauer ........................ 12

c) Herkunftsland ............................................................................ 13

d) Wohnortgröße Herkunftsland .................................................... 13

3.4 Soziale Einbindung ............................................................................. 14

a) Familienstand und Kinder ......................................................... 14

b) Mitgliedschaft in religiösen Gemeinden ..................................... 16

c) Mitgliedschaft in einem Verein/Verband .................................... 17

3.5 Bildung ................................................................................................. 18

3.6 Berufstätigkeit ....................................................................................... 19

3.7 Deutschkenntnisse ............................................................................... 21

3.8 Materielle Absicherung ......................................................................... 22

3.9 Gesundheit ........................................................................................... 23

4. Kulturinteresse und Nutzung kultureller Angebote ............................................. 24

5. Hinderungsgründe für die Nutzung kultureller Angebote ................................... 28

6. Informationswege ............................................................................................... 32

7. Künstlerisch-kreative Aktivitäten ......................................................................... 36

8. Kritik, Anregungen, Kommentare der Befragten ................................................. 38

ANHANG: Hintergrundinformationen 40

Literatur 44

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

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1. Hintergrund und Zielsetzung

Das Institut für Bildung und Kultur (IBK) befasst sich mit dem Thema demografischer Wandel aus

kultureller Perspektive. Migration und Alterung der Bevölkerung - dies sind zwei zentrale Aspekte des

demografischen Wandels, die die Gruppe der älteren MigrantInnen zunehmend in den Fokus von Politik und Forschung rücken lässt.

Es besteht weitgehender Konsens, dass ihre Bedürfnisse stärker wahrgenommen und berücksichtigt

werden müssen. Nicht erst seit der Sinus-Studie1 weiß man, dass es sich bei den „älteren MigrantInnen“ nicht um eine homogene Bevölkerungsgruppe, sondern angesichts der Unterschiede

hinsichtlich des kulturellen und religiösen Hintergrunds, des Bildungsstands, der Einkommens-

situation, des Gesundheitszustands etc. um eine sehr heterogene handelt. Als ein Institut, das sich

besonders für die Frage interessiert, wie kulturelle Teilhabe gefördert werden kann, plädiert es dafür,

das Interesse für diese Bevölkerungsgruppe nicht nur auf die Diskussion um neue Anpassungsanfor-derungen im Kontext des Altenhilfesystems, wie etwa unter dem Stichwort interkulturelle Öffnung des

Altenhilfesystems und kultursensible Altenhilfe, zu beschränken.

Das IBK verknüpft nach Möglichkeit immer konkrete Kulturprojekte mit der Erforschung praxisrelevan-ter Fragestellungen. Diese Verschränkung von Theorie und Praxis kommt auch in dieser Befragung

zum Tragen.

Ausgangspunkt für die Befragung russischsprachiger Menschen der Generation 50+ waren die

Erfahrungen im Gesangsprojekt „Polyphonie – Stimmen der kulturellen Vielfalt“, das das IBK gemeinsam mit dem GSP (gem. Gesellschaft für Soziale Projekte mbH) des Paritätischen in

Wuppertal, dem niederländischen Euro+Songfestival und in Kooperation mit den Duisburger

Philharmonikern seit 2007 durchführt. Polyphonie ist ein Projekt an der Schnittstelle von Kultur und

Sozialem, das durch das Angebot musikpädagogischer Workshops und die Organisation von

Konzerten an Orten der Hochkultur und unter Beteiligung von professionellen Musikern die kulturellen Leistungen älterer MigrantInnen ins Blickfeld rückt.

Gleichzeitig ist ein Ziel des Projekts, mehr über die kulturellen Interessen von älteren Menschen mit

Migrationsgeschichte zu erfahren und diese Kenntnisse an Kulturpädagogen, Kulturplaner und –institutionen weiter zu geben. Das Augenmerk verstärkt auf die Zielgruppe der MigrantInnen – Jung

und Alt - zu richten, gebietet sich allein aus wirtschaftlichen Gründen für die kulturellen Institutionen,

wenn sie ihre Besucherzahlen halten wollen. Gleichzeitig lohnt es sich unter dem Gesichtspunkt der

Integration, da der kulturelle Austausch und das gemeinsame Schaffen und Erleben von Kultur als

einer der wirkungsvollsten Wege zur Verständigung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen angesehen werden kann.

Nach wie vor jedoch sind die klassischen kulturellen Institutionen wie auch die kommunale

Kulturplanung auf den wachsenden Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund unzureichend vorbereitet. Eine stärkere interkulturelle Orientierung ist dringend notwendig - eine bessere

1 Sinus Sociovision hat für die Studie „Die Milieus der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ (2007) ein Modell über acht unterschiedliche Migranten-Milieus entwickelt.

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

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Ausstattung mit Informationen, und zwar zu den einzelnen Migrantengruppen unter Berücksichtigung

der verschiedenen Milieus, tut deshalb Not.2

Warum eine Befragung von russischsprachigen Menschen der Generation 50+?

In dem Projekt Polyphonie haben wir vor allem die Teilnehmer aus der ehemaligen Sowjetunion als

sehr motiviert und kulturinteressiert erlebt. Sie finden relativ einfach Zugang zu Bildungs- und

Kulturangeboten und sind dankbar für Möglichkeiten, mit wenig Geld ihr Bedürfnis nach eigener

künstlerisch-kultureller Aktivität zu befriedigen.

Sehr hilfreich für die Durchführung der Befragung war die Kooperation mit dem Partner-Verlag in

Dortmund. Der Partner-Verlag gibt eine monatlich erscheinende Zeitschrift gleichen Namens heraus,

die mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren bundesweit, vor allem aber für russischsprachige Menschen in Nordrhein-Westfalen, zu einem der wichtigsten Medien zählt. Die Zeitschrift enthält vor

allem Artikel in den Themenbereichen Kultur, Politik, Recht, Gesellschaft und Arbeitsmarkt sowie eine

Vielzahl von Programmankündigungen und Anzeigen. Als Experte für die Zielgruppe (Aussiedler aus

der ehem. Sowjetunion sowie jüdische Kontingentflüchtlinge) hat der Verlag das IBK bei der

Entwicklung des Fragebogens beraten, die Übersetzungsarbeit übernommen und schließlich bei der Auswertung der Antworten seine Expertise beigesteuert.

Der Fragebogen wurde in der Februar-Ausgabe 2009 der Partner-Zeitschrift an 2.457 Abonnenten in

NRW (Postleitzahlengebiet 40-47) versendet. In der Januar-Ausgabe wurde in einem einseitigen Artikel die Arbeit des IBK vorgestellt und auf die bevorstehende Befragung hingewiesen. Die

Fragebögen erreichten die Abonnenten daher nicht unvorbereitet und nicht durch eine ihnen

unbekannte Institution. Um die Abonnenten nicht abzuschrecken, wurde auf einen gut handhabbaren

und in der Bearbeitung wenig zeitintensiven Fragebogen geachtet. Des Weiteren wurden als Anreiz

68 Freikarten renommierter Konzerthäuser verlost.

Die Befragungsergebnisse sind vor diesem Hintergrund zu sehen: an ihr haben sich 270 Menschen

(Rücklauf 11 %) beteiligt, denen ein tendenzielles Kulturinteresse unterstellt werden kann. Ziel der

Befragung war es nicht, Daten zu sammeln, die für diese Bevölkerungsgruppe insgesamt repräsenta-

tiv ist. Vielmehr geht es darum, Informationen zu sammeln, die es leichter machen, sich ein Bild von der Zielgruppe zu machen - den potentiellen Nutzern kultureller (Bildungs-)Angebote.

Und ein Ergebnis vorneweg: 95 % der Befragten geben an, dass sie kulturelle Angebote gerne

häufiger nutzen würden.

Zudem diente die Befragung dazu, Kontakte zu kulturinteressierten Älteren zu finden (bei Beteiligung

an der Verlosung wurde nach dem Interesse an weiteren Informationen und Aktivitäten gefragt). So

wurde z. B. speziell für die Teilnehmer an der Befragung am 19.05.09 eine Führung durch das

Wilhelm Lehmbruck Museum in Duisburg angeboten. Ein Teil der Befragten wurde dazu eingeladen,

21 Personen sind dieser Einladung gefolgt. Im Anschluss an die Führung wurden die Ergebnisse der

2 Unseres Wissens gibt es keine Studie, die sich eingehend mit der Gruppe der älteren MigrantInnen unter dem Gesichtspunkt „Kultur“ (z.B. Kulturinteressen, Kulturnutzung, kulturelle Partizipation etc.) beschäftigt. Im Rahmen des Alterssurveys wurden erstmals 2002 die in Deutschland lebenden 40- bis 85-Jährigen Nicht-Deutschen in eine umfassende Untersuchung der „zweiten Lebenshälfte“ einbezogen. Aufgrund der relativ kleinen Ausländerstichprobe ergab sich jedoch kein umfassendes und durchgängig scharfes Bild der älteren MigrantInnen. Die Expertise „Ältere Migranten in Deutschland“ vom Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (2005) ist sehr ausführlich, behandelt „Kultur im Alter“ aber nicht als Untersuchungsgegenstand. Das KulturBarometer 50+ des Zentrums für Kulturforschung lässt aufgrund der kleinen Stichprobe von Älteren nicht-deutscher Herkunft kaum verlässliche Aussagen zu.

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

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Befragung vorgestellt und diskutiert. Für die Museumspädagogen war diese Veranstaltung eine gute

Möglichkeit, diese Zielgruppe näher kennen zu lernen, sowohl über die Ergebnisse der Befragung als

auch im Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Die Befragung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Geschäftsbereich Statistik des Landesbetriebs

Information und Technik Nordrhein-Westfalen.

2. Untersuchungsdesign

Inhalte � Allgemeines Interesse an kulturellen Angeboten

� Nutzung kultureller Angebote in den letzten 6 Monaten;

Veranstalter

� Interesse kulturelle Angebote häufiger zu nutzen

� Gründe warum Angebote seltener genutzt werden � Informationswege für kulturelle Angebote

� künstlerisch-kreative Aktivitäten

� Gesamtzufriedenheit mit dem Kulturangebot in der Stadt

Methode � Schriftlicher Fragebogen in russischer Sprache

� Verschickung des Fragebogens mit der Februar-Ausgabe

an die Abonnenten der Zeitschrift „Partner“

� Befragungszeitraum: 01.02. bis 20.02.09

Zielgruppe � Russischsprachige Menschen 50 Jahre und älter

� 2.457 Abonnenten der Zeitschrift „Partner“ � wohnhaft in NRW, Postleitzahlengebiet 40-47

� Rücklauf: 270 / 11 %

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

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3. Ergebnisse der Befragung Im Folgenden werden die Ergebnisse der Befragung vorgestellt. Im Anhang werden zusätzliche Hintergrundinformationen gegeben, die die Zielgruppe der Befragung bzw. deren Lebensbedingungen

näher beschreiben. Da sich überwiegend jüdische Zuwanderer (87 %) an der Befragung beteiligt

haben, stehen sie im Fokus der Auswertung.

Die Befragungsergebnisse werden vielfach denen des KulturBarometers 50+ gegenübergestellt, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den russischsprachigen Älteren und den Gleichaltrigen

aus der Gesamtbevölkerung identifizieren zu können.

Das KulturBaromter 50+ ist eine repräsentative Umfrage zu zentralen Fragen der Akzeptanz und Nutzung kultureller (Bildungs-)Angebote bei der Generation 50+. Die Studie wurde vom Zentrum für

Kulturforschung in Bonn im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durchgeführt

und 2008 veröffentlicht.

3.1 Zentrale Ergebnisse im Überblick

„Die in Deutschland altgewordenen türkischen, italienischen, portugiesischen Arbeitsmigranten lassen sich mit den älteren „Kontingentflüchtlingen“ kaum vergleichen. In der russischsprachi-gen jüdischen Bevölkerung sind in der Altersgruppe über 55 hinreichend berufserfahrene Wissenschaftler aller Disziplinen, Literaten, Filmemacher, Lehrer, Ärzte, Ingenieure, Staats-anwälte, Musiker, Ökonomen beiderlei Geschlechts zu finden. Die post-Sowjetunion hat einen Teil ihrer Intelligentia an Deutschland verloren. Nein, kein Brain-Drain, denn niemand will sie

haben, doch Zehntausende sind schon gekommen, weitere stehen in der Tür.“ Irene Runge

Hohe Bildung und Großstadterfahrung Vor allem jüdische Einwanderer (87 %) haben sich an der Befragung beteiligt (11 % Spätaussiedler,

2 % sonstiges). Die Befragten sind überdurchschnittlich hoch gebildet: 83 % der Befragten verfügt

über einen Hochschulabschluss, 11 % hat eine Berufsschule besucht. Besondere Bedeutung erhält dieses Ergebnis vor dem Hintergrund, dass das Bildungsniveau maßgeblich Einfluss auf das

Kulturinteresse hat. So spielt der Bildungsstand bei der Nutzung von kulturellen Angeboten eine

größere Rolle als etwa das Einkommen oder Alter (vgl. Keuchel/Wiesand 2008, S. 18).

50 % der Befragten geben als Herkunftsland Ukraine, 30 % Russland an. 75 % kommen aus einer Großstadt mit 500.000 und mehr Einwohnern. Der Integrationsgrad ist in der Regel wesentlich

bildungs- und herkunftsabhängig: Je höher das Bildungsniveau und je urbaner die Herkunftsregion,

desto leichter und besser gelingt eine Integration in die Aufnahmegesellschaft, so ein Ergebnis der

Sinus-Studie (Sinus Sociovision 2007). Auf die hier Befragten dürfte dieses Ergebnis nicht zutreffen. Schwierigkeiten bei der Integration ergeben sich u.a. durch die späte Einreise und die geringen

Deutschkenntnisse.

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

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Geringe Deutschkenntnisse und geringe Aufenthaltsda uer Nur ein kleinerer Teil der Älteren spricht gut Deutsch (lediglich 17 % der Befragten schätzen ihre

mündlichen Deutschkenntnisse als gut bzw. sehr gut ein). Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt 10 Jahre. Das bedeutet, dass viele der Befragten erst

im fortgeschrittenen Alter ihr Heimatland verlassen. Dies bedeutet auch, dass sie mit den Anforde-

rungen der neuen Umgebung, allen voran dem Spracherwerb, mit dem Verlust ihrer gesellschaftlichen

Position und dem Verlust sozialer Beziehungen konfrontiert sind. Sie befinden sich in einer Orientie-

rungsphase, für die sie viel Energie aufwenden müssen. Dieser Umstand ist zu berücksichtigen, wenn man sich an die älteren russischsprachigen MigrantInnen als Kulturpublikum wendet.

Geringe finanzielle Mittel Die älteren Generationen aus den GUS-Staaten sind im Vergleich zu deutschen Gleichaltrigen im besonderen Maße von Altersarmut betroffen: 83 % geben an, Sozialleistungen zu beziehen, davon

59 % Grundsicherung. Die Mehrzahl der hier Befragten stehen in keinem Arbeitsverhältnis. Im

Unterschied zu den Spätaussiedlern haben jüdische Kontingentflüchtlinge keine Rentenansprüche.

Sie haben vermutlich reichlich zeitliche Ressourcen, müssen aber nach Wegen suchen, ihr Bedürfnis

nach Kultur trotz geringer finanzieller Mittel zu befriedigen.

Hohes Kulturinteresse Der hohe Bildungsstand, das Aufwachsen in einer Großstadt mit großem Kulturangebot und die

entsprechenden Vorerfahrungen führen zu einem hohen Kulturinteresse. 54 % geben an stark oder sehr stark an Kultur interessiert zu sein, 42 % mittelmäßig. Dieses Interesse spiegelt sich auch in den

tatsächlichen Besuchen kultureller Angebote wider. 32 % der Befragten besuchten in den letzten 6

Monaten 3-5 mal kulturelle Angebote, 22 % sogar mehr als 5 mal. Immerhin 1-2 mal suchten 33 % der

Befragten Kulturinstitutionen auf.

74 % sind selbst im künstlerisch-kreativen Bereich aktiv. Dies erhöht bekanntlich den Zugang zu

rezeptiven Kulturangeboten in signifikanter Weise (Keuchel/Wiesand 2008, S.85). 94 % würden sich

(auch) in Zukunft gerne künstlerisch-kreativ betätigen.

Sparteninteresse und Veranstalter Besonders häufig werden Angebote im Bereich Bildende Kunst/Museum (genannt von 63 % der

Befragten), Musik (58 %) sowie Theater/Oper (52 %) genutzt. Auch die Sparten Kino/Film (38 %) und

Literatur (32 %) sind beliebt. Während im Kunst-/Museumsbereich vor allem Veranstaltungen

deutscher Kulturhäuser besucht werden, treten in den Bereichen Theater, Musik und Film zunehmend russische oder jüdische Veranstalter in Erscheinung. Im Literaturbereich spielen deutsche Veranstal-

ter nur eine marginale Rolle, die Nachfrage nach Veranstaltungen in dieser Sparte wird in erster Linie

von den jüdischen Gemeinden und russischen Organisatoren bedient.

Hinderungsgründe 95 % der Befragten würden kulturelle Angebote gerne häufiger nutzen. Als Gründe für die Nichtteil-

nahme an Kulturveranstaltungen wurden insbesondere die hohen Preise für Eintritte (88 % der

Nennungen) und Fahrkarten (55 %), die weiten Wege (75 %) und mangelhaften Deutschkenntnisse

(56 %) genannt.

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

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Andererseits kann man konstatieren, dass sich viele trotz geringer Deutschkenntnisse, gesundheit-

licher Einschränkungen (53 % beschreiben ihren Gesundheitszustand als mittelmäßig, 27 % als

weniger gut) und fortgeschrittenem Alter nicht von der Nutzung kultureller Angebote abhalten lassen. Aus den Kommentaren der Befragten geht hervor, dass längere Anfahrtswege für eine gute

Veranstaltung gerne in Kauf genommen werden. All dies spricht für eine überdurchschnittlich hohe

Motivation, an Kultur und Bildung teilzuhaben.

Informationswege Die Mehrzahl der Befragten bedient sich sowohl deutscher als auch russischsprachiger Medien, um sich über das Kulturangebot zu informieren – wobei die Bedeutung russischsprachiger Medien, allen

voran Zeitungen und Zeitschriften, für die älteren Altersgruppen zunimmt.

Auch die Mund-zu-Mund-Propaganda sowie die Prospekte und sonstigen Programmankündigungen

der Veranstalter spielen als Informationsquelle eine wichtige Rolle. 3.2 Empfehlungen für die Kulturpraxis

Die Studie macht deutlich, dass ältere MigrantInnen auch in Bezug auf ihre Kulturinteressen keine

einheitliche Gruppe darstellen und Kulturinstitutionen sie nur mit einem differenzierten Angebot

erreichen können.

Im Folgenden werden aus den Befragungsergebnissen einige Schlussfolgerungen und Empfehlungen

abgeleitet, die für die Planung von Angeboten und die gezielte Ansprache der russischsprachigen

Generation 50+ hilfreich sein können. � Eine neue „Zielgruppe“ wartet darauf, entdeckt zu w erden Ein kompetenter Umgang mit neuen Zielgruppen erfordert immer zeitliche, personelle und materielle

Ressourcen. Bei der russischsprachigen Generation 50+ dürfte der Einsatz schnell Früchte tragen. Mit

Schwellenängsten ist aufgrund des Bildungsniveaus und der Vorerfahrungen mit Kulturinstitutionen kaum zu rechnen. 95 % der Befragten geben an, dass sie kulturelle Angebote gerne häufiger nutzen

würden. Es darf jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die kulturinteressierten Älteren von

selbst in die Kulturhäuser finden. Für die meisten ist die deutsche Kulturlandschaft Neuland, mit

gezielter Öffentlichkeitsarbeit und maßgeschneiderten Angeboten werden sie aber sicher schnell Zugang finden.

� Neue Strategien der Öffentlichkeitsarbeit Obwohl das Interesse an kultureller Partizipation bei der russischsprachigen Generation 50+ groß ist,

sind viele nicht mit der kulturellen Infrastruktur vertraut, ihnen fehlt die Erfahrung, wie sie sich über das Kulturangebot informieren können bzw. ist die Nutzung deutschsprachiger Medien aufgrund des

Sprachstands erschwert. Es geht daher darum, ihnen bei der Erschließung der Kulturlandschaft

behilflich zu sein, z.B. durch Anzeigen oder Beiträge in muttersprachlichen Medien, Einladungen zum

Tag der offenen Tür, Übersetzung und evtl. zielgenaue Verbreitung von Informationsbroschüren, Programmheften, Flyern oder die direkte Ansprache über Multiplikatoren. Dies macht eine Recherche

der für die Zielgruppe relevanten Medien, Institutionen, Vereine und sonstigen Anlaufstellen

notwendig. Allianzen mit Akteuren aus dem Sozial-/Migrationsbereich sind immer ein Gewinn.

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

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� Anspruchsvolle Angebote Die russischsprachige Generation 50+ , insbesondere die jüdischen Kontingentflüchtlinge, verfügen

meist über ein hohes Bildungsniveau und große Kulturaffinität. Sie erwarten qualitätsvolle und hochkulturelle Angebote, keine Folkloreveranstaltungen.

� Brücken durch Vermittlung bauen Die durchschnittlich geringen Sprachkenntnisse können eine große Barriere für die Kulturnutzung

sein. Bei kulturellen Vermittlungsangeboten besteht die Herausforderung darin, anspruchsvolle Inhalte leicht verständlich zu vermitteln und die TeilnehmerInnen trotz Sprachproblemen zu aktiver Beteili-

gung zu ermuntern. Der Einsatz von Dolmetschern oder von russischsprachigen Kulturvermittlern

wäre ideal, mit muttersprachlichen Vermittlungsangeboten rennt man offene Türen ein.

� Russischsprachigen Künstlern mehr Raum im deutschen Kulturleben bieten Generell wünschen sich die Älteren, dass die Kultur des Herkunftslandes auch im hiesigen

Kulturprogramm ihren Niederschlag findet und mehr Angebote in russischer Sprache, vor allem im

Theater-, Literatur- und Filmbereich stattfinden, z. B. durch Gastspiele von russischsprachigen Künstlern. Großen Anklang würden aber auch Veranstaltungen finden, bei denen der deutsch-

russische Austausch im Mittelpunkt steht.

� Moderate Preisgestaltung Die Einkommenssituation macht für viele die Nutzung des „normalen“ Kulturangebots schwierig bis unmöglich. Wo Ermäßigungen für SeniorInnen oder Sozialhilfeempfänger möglich sind, müssen diese

gut kommuniziert werden – dies gilt auch für kostenlose Veranstaltungen.

� Kulturteilhabe durch Ehrenamt Ehrenamtliche Tätigkeit könnte eine Möglichkeit sein, einkommensschwache ältere Zuwanderer (mit

ausreichenden Deutschkenntnissen) am Kulturleben stärker teilhaben zu lassen. Entsprechende

Vorhaben erfordern allerdings intensive Informationsarbeit, denn es kann nicht davon ausgegangen

werden, dass das „Konzept“ Bürgerschaftliches Engagement als eine aktive Form der Beteiligung

unter Menschen aus den GUS-Staaten bekannt ist.

� Selbstorganisierte Kultur- und Bildungsangebote unt erstützen Die Befragung zeigt, dass die russischsprachigen Älteren über große Erfahrungsschätze und

Wissensressourcen verfügen. Sie wären dankbar für jede Möglichkeit, diese einzubringen. Sie könnten Initiatoren von Angeboten für ihre Landsleute sein oder für Angebote, die den Austausch mit

Deutschen zum Ziel haben. Einige eignen sich vielleicht als Kulturvermittler. Dies erfordert Schulung,

sowohl der ehrenamtlich Aktiven als auch der hauptamtlichen Mitarbeiter. Die Investition lohnt sich:

Die Älteren sind gute Multiplikatoren und werden neue Besucher ins Haus locken!

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

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3.3 Demografische Merkmale a) Alter und Geschlecht

Der Großteil der Befragten (73 %) ist zwischen 56 und 75 Jahre alt. 17 % sind zwischen 50 und 55

Jahre alt und immerhin 10 % der Befragten geben an, über 76 Jahre alt zu sein.

10 17

3835

50 - 55 Jahre

56 - 65 Jahre

66 - 75 Jahre

76 - 85 Jahre

in %, N = 270

Frage: Bitte geben Sie Ihr Alter an. 50 – 55 J., 56 – 65 J., 66 – 75 J., 76 – 85 J., über 85 J.

Abb. 1: Alter

Es haben sich deutlich mehr Frauen (62 %) als Männer (38 %) an der Befragung beteiligt.

Nur zum Teil kann diese Ungleichverteilung auf einen allgemeinen Frauenüberhang innerhalb der

Gruppe der aus den GUS-Staaten Zugewanderten zurückgeführt werden3 und darauf, dass Frauen, jüngere wie auch ältere, sich tendenziell stärker für das Kulturleben vor Ort interessieren

(Keuchel/Wiesand 2008, S. 18).

3 Faktisch wird heute der Begriff GUS oft nur noch umgangssprachlich benutzt, um die ehemaligen Mitgliedstaaten der Sowjetunion (ohne die baltischen Staaten Litauen, Lettland, Estland) zu bezeichnen. Der Zuwanderungsstatistik NRW 2006 ist zu entnehmen, dass es – hier bezogen auf die Gruppe der aus der russischen Föderation (Russland) Zugewanderten - einen Frauenüberhang gibt. Von den insgesamt 41.385 Personen sind 16.900 männlich (41 %) und 24.485 weiblich (59 %), bei der Altersgruppe 60 Jahre und älter sind 45 % Männer, 55 % Frauen.

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

12

b) Form der Einwanderung und Aufenthaltsdauer

Vor allem Abonnenten, die als jüdische Kontingentflüchtlinge nach Deutschland eingereist sind, haben sich an der Befragung beteiligt (87 %). Lediglich 11 % sind Spätaussiedler, 2 % gaben „Sonstiges“ an.

Eine aktuelle Leserstatistik der Zeitschrift „Partner“ liegt dem Verlag nicht vor, es wird jedoch

geschätzt, dass ca. 70 % der Leser jüdische Zuwanderer und 30 % Spätaussiedler sind.

Ihre durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt 10 Jahre. Das bedeutet, dass viele der Befragten erst

im fortgeschrittenen Alter ihr Heimatland verlassen haben.

in %, N = 270

Frage: Seit wie vielen Jahren wohnen Sie in Deutschland?

Abb. 2: Aufenthaltsdauer

42

12

35

11

11 bis 15 Jahre

16 bis 20 Jahre

6 bis 10 Jahre

1 bis 5 Jahre

Mehr zu diesem Thema im Anhang „Hintergrundinformationen“, S. 43

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

13

c) Herkunftsland

50 % der Befragten kommt aus der Ukraine, 30 % aus Russland. Auch laut Zuwanderungsstatistik NRW aus dem Jahr 2006 ist die Ukraine, was die jüdische Zuwanderung angeht, das wichtigste

Herkunftsland.

in %, N = 270

Frage: Welches ist Ihr Herkunftsland?

Abb. 3: Herkunftsland

6

4

4

2

2

2

30

50Ukraine

Kasachstan

Moldawien

Baltische Staaten (Estland, Lettland)

Russland

Kirgisien, Turk-menistan, Usbekistan

ehemalige Sowjetunion

Weißrussland

d) Wohnortgröße Herkunftsland

Bei dem Gros der Befragten handelt es sich um Großstadtmenschen: 59 % haben den größten Teil ihres Lebens in einer Stadt mit über 1 Mio. Einwohnern gewohnt, 16 % in einer Stadt mit 500.000 bis

1 Mio. Einwohnern (siehe Abb. 4). 4

Es ist daher davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Befragten in ihrer Stadt eine gute kulturelle

Infrastruktur vorgefunden haben, die sie wahrscheinlich - aufgrund ihrer Bildungskarriere – auch zu nutzen wussten.

4 Ein Blick auf die Städtelandschaft in der Ukraine und Russland, wo 80 % der Befragten zu Hause waren, erklärt diese hohe Quote von Großstadtmenschen. Als Großstadt gelten gemäß der Definition der Internationalen Statistikkonferenz von 1887 Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Um ein Vielfaches größer sind in der Ukraine die fünf Millionenstädte Kiew, Donezk, Charkiw, Dnipropetrowsk und Odessa. In Russland gibt es sogar zehn Millionenstädte, darunter Sankt Petersburg mit 4,6 Mio. und Moskau mit 10 Mio. Einwohnern.

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

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in %, N = 270

Frage: Die Stadt, in der Sie den größten Teil Ihres Lebens außerhalb Deutschlands gelebt haben, ist eine ...

Abb. 4: Wohnortgröße in Herkunftsland

4

59

21

16

Stadt mit über 1 Mio. Einwohnern

Stadt mit 500.000 bis 1 Mio. Einwohnern

Stadt mit 100.000 bis 500.000 Einwohnern

Stadt / Dorf mit unter 100.000 Einwohnern

3.4 Soziale Einbindung

Im Folgenden sind die Ergebnisse hinsichtlich Familienstand und Kindern sowie hinsichtlich einer

Mitgliedschaft in einer religiösen Gemeinde oder in einem Verein/Verband zusammengefasst. Die

Antworten können Hinweis auf die soziale Einbindung der Befragten geben. Relevant ist dies vor dem

Hintergrund, dass Personen, die sozial eingebunden sind, also Partner, Familie und Freunde haben, in stärkerem Maße am Kulturleben teilhaben als Personen, die eher isoliert leben. Auch Netzwerke

können eine gute Basis für kulturelle Partizipation sein (vgl. auch Keuchel/Wiesand 2008, S. 24f.).

Eine Korrelationsanalyse wurde in dieser Befragung allerdings nicht durchgeführt, um den tatsäch-lichen Einfluss dieser Variablen auf die Kulturnutzung zu überprüfen. Aus der Frage nach den

Hinderungsgründen für die Nutzung von Kulturangeboten (siehe Kap. 5) wird jedoch deutlich, dass

viele keine Begleitung finden und deshalb zu Hause bleiben.

a) Familienstand und Kinder

Eine Migration von Familienverbänden über alle Altersstufen ist typisch für die jüdischen Zuwanderer

ebenso wie für die Spätaussiedler (Haug 2007, S. 16).5

5 Die Auswanderung wird für alle Angehörigen der erweiterten Familie beantragt und erfolgt in der Regel gemeinsam. Bereits emigrierte Verwandte werden bei der Wohnortzuweisung berücksichtigt. Die Folge ist eine häufig gute Einbettung in lokale Verwandschaftsnetzwerke.

Page 15: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

15

Der folgenden Grafik kann entnommen werden, dass 70 % der Befragten verheiratet oder in einer

Partnerschaft leben. Des Weiteren haben 89 % der Befragten Kinder, 75 % von ihnen gaben an, dass

ihr Kind bzw. ihre Kinder an ihrem jetzigen Wohnort oder im Umkreis von 30 km wohnen.

in %, N = 270

Frage: Welchen Familienstand haben Sie?

Abb. 5: Familienstand

4 4

66

14

12

verheiratet

verwitwet

geschieden/ getrennt lebend

ledigmit Partner lebend

Betrachtet man die Gesamtbevölkerung Deutschlands nach Altersgruppen und Familienstand, so kann eine etwas bessere Einbindung der hier Befragten in familiäre Strukturen festgestellt werden. Die

Quote der Verheirateten, die 50 Jahre und älter sind, beträgt in der Gesamtbevölkerung 65 %. Ledig,

verwitwet oder geschieden sind demnach 35 % der Generation 50+ (im Vergleich: 30 % der russisch-

sprachigen Generation 50+). Eigene Kinder haben 74 % der Generation 50+ (im Vergleich: 89 % der

russischsprachigen Generation 50+).6

6 Die Zahlen zum Familienstand wurden am 31.12.2006 vom Statistischen Bundesamt erhoben. Die Kinderanzahl nach Altersgruppen wurde nicht erhoben. Das KulturBaromter 50+ hat jedoch bei ihrer Stichprobe die hier zitierte Zahl von 74 % ermittelt.

Page 16: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

16

b) Mitgliedschaft in religiösen Gemeinden

Da religiöse Gemeinden zum einen als Kulturanbieter eine Rolle spielen können, zum anderen auch sozialer Treffpunkt sind, an dem man Gleichgesinnte für gemeinsame Aktivitäten finden kann, wurde

nach einer Mitgliedschaft in einer religiösen Gemeinde gefragt.

Weniger als die Hälfte der Befragten (41 %) sind aktives Mitglied einer religiösen Gemeinde. Da sich

in erster Linie jüdische Zuwanderer an der Befragung beteiligt haben, ist nicht verwunderlich, dass es sich vor allem um Gemeinden jüdisch-orthodoxer und jüdisch-liberaler Glaubensausrichtung handelt.

in %, N = 270

Frage: Sind Sie aktives Mitglied in einer religiösen Gemeinde? Falls ja: russisch-orthodox, jüdisch-orthodox, jüdisch-liberal, katholisch, evangelisch, muslimisch oder andere

Abb. 6: Aktiv in religiöser Gemeinde

4159

janein

43

33

2

4

7

11

Aktives Mitglied einer religiösen Gemeinde?

Wenn ja, welche religiöse Gemeinde?

jüdisch-liberal

russisch-orthodox

jüdisch-orthodox

katholisch

evangelisch

andere

Mehr zu diesem Thema im Anhang „Hintergrundinformationen“, S. 41

Page 17: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

17

c) Mitgliedschaft in einem Verein/Verband

Nur ein geringerer Teil der Befragten (18 %) gibt an, Vereins-/Verbandsmitglied zu sein. Ob von dieser Zahl auch auf eine relativ geringe Bedeutung von z. B. Kulturvereinen in den Communities geschlos-

sen werden kann, ist fraglich. Ein interessantes Ergebnis ist hier, dass es sich bei mehr als der Hälfte

der Vereine (54 %) um deutsche Organisationen handelt. 46 % derjenigen, die Vereinsmitglieder sind,

haben einen russischsprachigen Verein/Verband gewählt.

in %, N = 270

Frage: Sind Sie Mitglied in einem Verein oder Verband?

Abb. 7: Mitgliedschaft in Verein / Verband

46

54

18

82

janein

russischsprachiger Verein / Verband

deutscher Verein / Verband

Mitglied eines Vereins / Verbands? Wenn ja, welcher Art?

Page 18: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

18

3.5 Bildung

„Nennen wir es den „Noach-Komplex im Exil“: Noach ist der Emigrant, der seine Familie gerettet hat, doch in der neuen Heimat wird er allmählich zum Gespött seines Sohnes Cham. Der Emigrant, gerade noch Arzt oder Ingenieur, ist plötzlich unwissender als sein Enkel, der ein Schulkind ist. Noach ist sprachlich entblößt. Der Flüchtling war Lehrer mit fehlerfreier Grammatik, und die Sprache war Ausdruck seines geistigen Lebens und zeugte von seiner Bildung. Jetzt ist sie ihm genommen. Für seine Kinder ist er der, der die Grammatik verschandelt.“ Elena Burlina

Die Befragten weisen einen sehr hohen Bildungsstand auf: 83 % haben einen Hochschulabschluss,

11 % sind Absolventen einer Berufsschule. Hierzu muss man wissen, dass es in der ehemaligen

Sowjetunion nur die zentralistische Einheitsschule gab, die 11 Schuljahre umfasste. Eine normale Bildungskarriere sah dann die Aufnahme eines 5-jährigen Diplomstudiengangs vor. Wenn nicht in

Vollzeit an einer Hochschule, so wurde ein Abschluss im Rahmen eines Abend- oder Fernstudiums

erworben.

2 4

77

6

11

Hochschule

Berufsschule

Akademischer Grad

MittelschuleSonstiges

in %, N = 270

Frage: Was ist Ihre höchste Schul-Ausbildung? Grundschule, Mittelschule, Berufsschule, Hochschule, Akademischer Grad, Sonstiges

Abb. 8: Bildungsstand

Die Ergebnisse decken sich mit denen anderer Studien, derer zufolge jüdische Zuwanderer ein relativ hohes Bildungs- und Qualifikationsniveau aufweisen (Haug 2007, Gruber/Rüßler 2002, Otto Benecke

Stiftung 2005). Auffallend hoch ist das Bildungsniveau insbesondere, wenn man es mit dem der

gleichaltrigen Deutschen und anderen ausländischen Bezugsgruppen vergleicht.

So hat das KulturBaromter 50+ ermittelt, dass 65 % der Generation 50+ eine niedrige, 22 % eine

mittlere und 12 % eine hohe Schulbildung haben und somit im Vergleich zur Gesamtbevölkerung über

eine verhältnismäßig niedrige Schulbildung verfügen (Keuchel/Wiesand 2008, S. 16).

Page 19: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

19

Das Bildungsniveau der Älteren aus den GUS-Staaten hebt sich noch deutlicher ab, wenn man

Gleichaltrige ausländischer Herkunft als Bezugsgruppe nimmt. Insbesondere bei den Arbeits-

migranten der ersten Generation ist das Bildungsniveau niedrig. Dies hängt sowohl mit dem geringeren Ausbildungsniveau in den Anwerbeländern der Arbeitsmigranten zusammen, aus denen

die Mehrzahl der Ausländer in Deutschland stammen, als auch damit, dass sie für unqualifizierte

Tätigkeiten angeworben wurden, für die eine Berufsausbildung nicht vorausgesetzt wurde (Haug

2007, S. 22).

3.6 Berufstätigkeit Der hohe Bildungsstand spiegelt sich im beruflichen Status im Herkunftsland wider.7

in %, N = 270

Frage: Welche der folgenden Tätigkeiten/Berufsaktivitäten haben Sie in Ihrem Herkunftsland ausgeübt? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Abb. 9: Berufliche Stellung in Herkunftsland

50

37

7

7

2

2

1

1

Angestellter / Beamterin leitender Funktion

Rentner

Inhaber / Leiter eines Unternehmens

Arbeiter in leitender Funktion

Angestellter / Beamter

Arbeiter

Hausfrau / Hausmann

keine

Es wurde bei der Partner-Befragung nicht die aktuelle berufliche Stellung in Deutschland abgefragt,

sondern lediglich danach gefragt, ob sie derzeit berufstätig sind und wenn ja, in welchem Umfang.

Aus anderen Studien ist bekannt, dass jüdische Zuwanderer relativ häufig von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Probleme bei der Arbeitsmarktintegration, die bei den Menschen über 50 Jahren

besonders gravierend sind, hängen unter anderem mit mangelnden Deutschkenntnissen, der Nicht-

7 Eine vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durchgeführte Analyse der ausgeübten Berufe vor der Einreise nach Deutschland ergibt, dass ein hoher Prozentsatz der jüdischen Zuwanderer, nämlich 32 %, als Wissenschaftler gearbeitet haben. 20 % haben als Techniker, 10 % als Bürokräfte oder kaufmännische Angestellte, 10 % als Verkäufer oder in Dienstleistungsberufen und 13 % im Handwerk gearbeitet. Die Daten beziehen sich auf Neuzuwanderer, die 2005 nach Bayern eingereist sind (Haug 2007, S. 24).

Page 20: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

20

Anerkennung von mitgebrachten Berufsqualifikationen und dem Fehlen beruflicher Weiterqualifikation

zusammen (Gruber/Rüßler 2002).

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass lediglich 25 % der Befragten die Frage, ob sie derzeit

beruflich aktiv sind, mit „Ja“ beantwortet haben.

Zur Erinnerung: 17 % der Befragten sind zum Zeitpunkt der Befragung zwischen 50 und 55 Jahre alt,

35 % zwischen 56 und 65 Jahren, und somit fast 52 % - zumindest nach der offiziellen Definition – im

erwerbsfähigen Alter.

in %, N = 270

Fortsetzung Frage: Sind Sie derzeit beruflich aktiv? (25 % ja, 75 % nein)Falls derzeit beruflich aktiv ... (Mehrfachnennungen sind möglich), falls derzeit nicht aktiv ...

Abb. 10: Form der Berufstätigkeit aktuell

ja nein

angestellt in Vollzeitbeschäftigung

selbstständig

angestellt in Teilzeitbeschäftigung

Minijob / Beschäftigung auf 400 €-Basis

Gelegenheitsjobs

29

28

19

9

6

53

24

13

9Arbeitsamt-Maßnahme

11

Rentner

arbeitslos

Hausfrau/-mann

Sonstiges

Page 21: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

21

3.7 Deutschkenntnisse

Die Befragten wurden nach einer Selbsteinschätzung ihrer Deutschkenntnisse gebeten. Es wurde

zwischen mündlichen und schriftlichen Deutschkenntnissen unterschieden, da vielleicht Deutsch im

Unterricht oder im Selbststudium gelernt wurde, aber die Gelegenheiten für eine mündliche

Anwendung fehlen.

in %, N = 270

Frage: Wie würden Sie selbst Ihre (schriftlichen/mündlichen) Deutschkenntnisse einschätzen?

Abb. 11: Deutschkenntnisse (Selbsteinschätzung)

35

9

40

142

weniger gut

mittelmäßig

schriftliche Deutschkenntnisse

36

11

36

152

mündliche Deutschkenntnisse

sehr gut

gut

überhaupt nicht gut

weniger gut

mittelmäßig

sehr gut

gut

überhaupt nicht gut

Die Antworten bestätigten die Vorannahme, dass Deutschkenntnisse häufig in nur begrenztem Maße

vorhanden sind. Inwieweit bei der Bewertung der Antworten berücksichtigt werden sollte, dass es sich

hier möglicherweise um selbstkritische Akademiker mit hohen Ansprüchen an die eigene Leistung

handelt, sei dahin gestellt.

Fest steht, dass es eine Diskrepanz zwischen dem allgemeinen Bildungsstand und dem Niveau der

Deutschkenntnisse gibt. Es können mehrere Gründe hierfür angeführt werden: bis 2005 war es

möglich, auch ohne oder mit nur geringen Deutschkenntnissen einzureisen. Viele sind erst seit relativ kurzer Zeit in Deutschland, aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters besucht nur ein Teil einen

Sprachkurs.8 Die Mehrzahl ist nicht in ein berufliches Umfeld eingebunden, das ein Lernen der

8 Seit Januar 2005 haben Neuzuwanderer, Spätaussiedler und Ausländer, die trotz längeren Aufenthaltes in Deutschland nicht ausreichend Deutsch sprechen, Anspruch auf 600 Stunden Deutschunterricht. Vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) finanzierte Integrationskurse, die auf die Bedürfnisse älterer Lerner zugeschnitten sind, gibt es sehr selten. Viele der Älteren fühlen sich nicht in der Lage, in einem mehrmals die Woche stattfindenden Kurs mit den anderen Mitschülern mitzuhalten. Fernbleiben vom Kurs kann Sanktionen nach sich ziehen, so dass viele auf ihren Anspruch auf bezahlten Deutschunterricht verzichten. Da sie dem Arbeitsmarkt ohnehin nicht mehr zur Verfügung stehen, können sie zu einem Kursbesuch nicht verpflichtet werden. Vor 2005 wurde Spätaussiedlern und Kontingentflüchtlingen, sofern sie im erwerbsfähigen Alter waren, ein 6-monatiger Sprachkurs finanziert.

Page 22: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

22

deutschen Sprache befördert, auch macht das Vorhandensein großer russischsprachiger

Communities mit entsprechender Infrastruktur – zumindest in den größeren Städten - das Erlernen

der deutschen Sprache nicht zu einer vordringlichen Aufgabe.

3.8 Materielle Absicherung Die älteren Generationen aus den GUS-Staaten sind im Vergleich zu deutschen Gleichaltrigen in

besonderem Maße von Altersarmut betroffen: 83 % geben an, Sozialleistungen zu beziehen, davon

59 % Grundsicherung. Laut Statistischem Bundesamt bezogen Ende 2006 2,3 % der bundes-

deutschen Bevölkerung im Alter ab 65 Jahren Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

in %, N = 270

Frage: Beziehen Sie derzeit Sozialleistungen? Falls Ja: ALG I, ALG II, Grundsicherung, Sozialhilfe, andere

Abb. 12: Sozialleistungen

83

17

janein

59

36

1

1

3

ALG2

Sozialhilfe

Grundsicherung

andere

ALG1

Beziehen Sie Sozialleistungen? Art der Sozialleistungen

Mehr zu diesem Thema im Anhang „Hintergrundinformationen“, S. 43

Page 23: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

23

3.9 Gesundheit Etwa die Hälfte der Befragten (53 %) beschreiben ihren Gesundheitszustand als mittelmäßig. Nur eine

Person fühlt sich sehr gesund, 16 % sprechen von einem guten Gesundheitszustand. 31 % schätzen

ihre Gesundheit als weniger gut oder überhaupt nicht gut ein.

in %, N = 270

Frage: Wie würden Sie selbst Ihren aktuellen Gesundheitszustand beschreiben?

Abb. 13: Gesundheitszustand

27

4

53

16weniger gut

mittelmäßig

gut

überhaupt nicht gut

Die Befragten schätzen somit ihren Gesundheitszustand deutlich schlechter ein als die Befragten des

KulturBarometer 50+ (Keuchel/Wiesand 2008, S.17).

Zu berücksichtigen ist hier allerdings, dass die soziodemographische Zusammensetzung der

Stichprobe des KulturBarometers 50+ etwas, aber nicht übermäßig, von der Vergleichsgruppe der

Partner-Befragung abweicht. Die Alterszusammensetzung dürfte sich annähern, jedoch wurden im KulturBarometer 50+ 46 % Männer und 54 % Frauen befragt.

Abb. 14: Aktueller Gesundheitszustand (Einschätzung ) KulturBarometer 50+ im Vergleich zur Partner-Befrag ung

Aktueller

Gesundheitszustand

KulturBarometer

50+

Partner-

Befragung

Ausgezeichnet 11 % 0,4 %

Ganz gut 38 % 16 %

Mittelmäßig 28 % 53 %

Nicht so gut 16 % 27 %

Gar nicht gut 6 % 4 %

insgesamt (2.000) 100 % (270) 100 %

Page 24: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

24

4. Kulturinteresse und Nutzung kultureller Angebote

Was viele der Zuwanderer aus den GUS-Staaten brauchen, ist, so Elena Burlina, Vitamin ‚K’: „Das ‚K’ steht für Kultur, dieses Lebenselexier für Emigranten, die Russisch sprechen. Für sie ist die Kultur eines der wichtigsten Mittel zur Selbstidentifizierung. Unter ihnen sind viele gebildete Menschen, Intellektuelle und Experten. Sie brauchen mehr als Brot und ein Dach über dem Kopf, sie brauchen Vitamin ‚K’ – die kulturelle Integration.“

Das Kulturinteresse der Befragten ist erstaunlich hoch. 54 % geben an, sich stark bis sehr stark für

Kultur zu interessieren.

in %, N = 270

Frage: Wie stark interessieren Sie sich für kulturelle Angebote (z.B. Theater, Museen, Konzerte, Literaturabende, Tanz, Kultur-Festivals etc.)?

Abb. 15: Kulturinteresse

13

42

39

15

sehr stark

stark

mittelmäßig

weniger stark überhaupt nicht

Wie hoch dieses Interesse ist, wird vor allem im Vergleich zu den Ergebnissen des KulturBarometer

50+ deutlich. Hier geben 30 % der Generation 50+ an, sehr stark bzw. stark am Kulturgeschehen

interessiert zu sein, 39 % einigermaßen und 31 % wenig bzw. überhaupt nicht.

Ein etwas anderes Bild ergibt sich, wenn man nur die Antworten der Personen mit höherem

Berufsstatus (Leitende Angestellte und Beamte; Inhaber, Leiter von Unternehmen; Freiberufliche

Selbstständige; andere Angestellte und Beamte) für einen Vergleich heranzieht:

49 % interessieren sich sehr stark bzw. stark (Partner-Befragung: 54 %), 34 % interessieren sich mittelmäßig (Partner-Befragung: 42 %),

12 % wenig bzw. überhaupt nicht (Partner-Befragung: 4 %). Das hohe Kulturinteresse äußert sich auch in der tatsächlichen Kulturnutzung: 32 % der Befragten besuchten in den letzten 6 Monaten 3-5 mal kulturelle Angebote, 22 % sogar mehr als 5 mal.

Immerhin 1-2 mal suchten 33 % der Befragten Kulturinstitutionen auf.

Page 25: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

25

in %, N = 270

Frage: Wie oft haben Sie in den letzten 6 Monaten kulturelle Angebote in Deutschland besucht?

Abb. 16: Kulturnutzung

33

13

32

22

1-2 mal

etwa 3-5 mal

mehr als 5 mal

gar nicht

Bei der Auswertung der Antworten ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Personen, die sich an

der Befragung beteiligt haben, nicht – wie es beim KulturBarometer 50+ der Fall ist – um einen

repräsentativen Querschnitt der Generation 50+ handelt. Es kann vielmehr angenommen werden,

dass sich viele an der Befragung aufgrund ihres Interesses für Kultur und aufgrund ihres Wunsches, dass sich die Bedingungen für eine kulturelle Teilhabe verbessern, beteiligt haben.

Besonders beliebt sind Angebote im Bereich Bildende Kunst/Museum (genannt von 63 % der

Befragten), Musik (58 %) sowie Theater/Oper (52 %). Literatur steht mit 32 % an fünfter Stelle. Dass die (eigentätige) Beschäftigung mit Literatur einen hohen Stellenwert hat, tritt auch bei der Frage nach

den eigenen künstlerisch-kulturellen Aktivitäten zu Tage (siehe Kap. 7). Hier nimmt „Schreiben von

Geschichten, Gedichten, Artikeln etc.“ einen Spitzenplatz ein. Gäbe es noch mehr Angebote in diesem

Bereich, vor allem auch in russischer Sprache, so würden diese mit Sicherheit gerne angenommen.

Page 26: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

26

in %, N = 270

Frage: Wenn Sie an die Angebote / Veranstaltungen denken, die Sie in den letzten 6 Monaten in Deutschland besucht haben: Welchem Bereich sind diese zuzuordnen? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Abb. 17: Besuchte kulturelle Angebote/Veranstaltung en

52

38

32

16

17

58

63Bildende Kunst / Museum

Theater / Oper

Literatur

Kino / Film

Musik

Andere

Tanz

Den Kommentaren zur Antwortkategorie „Andere“ ist zu entnehmen, dass auch organisierte Ausflüge

auf großes Interesse stoßen. Diese Ausflüge führen u. a. zu Sehenswürdigkeiten und in Museen benachbarter Städte. Genannt wurden auch Vorlesungen zu z. B. kulturhistorischen Themen.

Da aufgrund der durchschnittlich eher geringen Deutschkenntnisse davon auszugehen ist, dass sehr

gerne Angebote in russischer Sprache genutzt werden, wurde nach den Veranstaltern gefragt.

in %, N = 270

Frage: Wenn Sie an die Angebote / Veranstaltungen denken, die Sie in den letzten 6 Monaten in Deutschland besucht haben: Welchem Bereich sind diese zuzuordnen und von wem wurden sie angeboten? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Abb. 18: Sparten und Veranstalter (1/3)

Russischer Veranstalter

Jüdische Gemeinde

Organisation der Spätaussiedler

Deutscher Veranstalter

Sonstige

47

15

9

5

Bildende Kunst / Museum

1

Russischer Veranstalter

Jüdische Gemeinde

Organisation der Spätaussiedler

Deutscher Veranstalter

Sonstige

36

21

12

2

Theater / Oper

Page 27: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

27

in %, N = 270

Frage: Wenn Sie an die Angebote / Veranstaltungen denken, die Sie in den letzten 6 Monaten in Deutschland besucht haben: Welchem Bereich sind diese zuzuordnen und von wem wurden sie angeboten? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Abb. 19: Sparten und Veranstalter (2/3)

Musik

Russischer Veranstalter

Jüdische Gemeinde

Organisation der Spätaussiedler

Deutscher Veranstalter

Sonstige

34

24

20

1

3

Kino / Film

Russischer Veranstalter

Jüdische Gemeinde

Organisation der Spätaussiedler

Deutscher Veranstalter

Sonstige

19

11

11

3

in %, N = 270

Frage: Wenn Sie an die Angebote / Veranstaltungen denken, die Sie in den letzten 6 Monaten in Deutschland besucht haben: Welchem Bereich sind diese zuzuordnen und von wem wurden sie angeboten? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Abb. 20: Sparten und Veranstalter (3/3)

Russischer Veranstalter

Jüdische Gemeinde

Organisation der Spätaussiedler

Deutscher Veranstalter

Sonstige

18

14

4

3

Literatur Tanz

Russischer Veranstalter

Jüdische Gemeinde

Organisation der Spätaussiedler

Deutscher Veranstalter

Sonstige

7

6

5

1

1

Page 28: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

28

5. Hinderungsgründe für die Nutzung kultureller An gebote

95 % der Befragten geben an, dass sie kulturelle Angebote gerne häufiger nutzen würden.

Als Gründe für die Nichtteilnahme an Kulturveranstaltungen wurden insbesondere die hohen Preise

für Eintritte (88 % der Nennungen) und Fahrkarten (55 %), die weiten Wege (75 %) und mangelhafte

Deutschkenntnisse (56 %) genannt.

in %, N = 270

Frage: Welche Gründe spielen bei Ihnen eine Rolle, weswegen Sie kulturelle Angebote nicht häufiger nutzen, obwohl Sie sich dafür interessieren?

Abb. 21: Hinderungsgründe für Nutzung kultureller A ngebote

Top-Two Nennungen- trifft voll und ganz zu- trifft eher zu

7

13

25

26

33

34

38

41

41

50

55

56

75

88

andere Gründe

Es ist sehr aufwendig, Eintrittskarten zu kaufen

Ich habe keine Zeit

Die Kulturangebote sprechen eher jüngere Menschen an

Die Veranstaltungstermine bzw. Öffnungszeiten sind ungünstig

Ich bin gesundheitlich eingeschränkt

Der abendliche Nachhauseweg ist unsicher

Ich gehe ungern allein zu einer Veranstaltung

Die Kulturangebote sprechen eher deutsches Publikum an

Es gibt zu wenig Informationen

Die Fahrkarten, um zur Veranstaltung zu kommen, sind zu teuer

Meine Deutschkenntnisse sind nicht gut genug

Die Verkehrsanbindung ist ungünstig/die Wege sind zu weit

Die Eintrittspreise sind zu hoch

Beim Vergleich zwischen den Ergebnissen des KulturBarometers 50+ und der Partner-Befragung

finden sich sowohl interessante Parallelen als auch Abweichungen (siehe Abb. 22).

So stehen bei allen der Generation 50+ als Hinderungsgrund die hohen Eintrittspreise an erster Stelle. Wobei dieser Aspekt natürlich angesichts der hohen Quote an Sozialhilfebeziehern bei den

russischsprachigen Älteren besondere Relevanz erhält.

Für alle Älteren sind die weiten Wege, verbunden eventuell mit späten Veranstaltungszeiten, ein Grund zu Hause zu bleiben. Bei den hier Befragten muss mit bedacht werden – dies wird in den

Kommentaren deutlich - , dass sie zwar häufig bereit wären, längere Wege auf sich zu nehmen, um

z.B. das Gastspiel eines russischen Theaterensembles in einer anderen Stadt im Ruhrgebiet zu

besuchen, sich dies aber aufgrund der noch zusätzlich anfallenden Fahrtkosten nicht leisten können.

Ein wichtiger Hinderungsgrund ist für viele auch das Fehlen von Informationen zum aktuellen

Kulturprogramm. Nicht nur das „Auf-dem-Laufenden-Sein“ kann ein Problem sein, viele müssen sich

auch erst noch die Kulturlandschaft erschließen.

Page 29: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

29

Eine interessante Abweichung: Während 55 % der Befragten des KulturBarometer 50+ der Meinung

sind, dass es „Interessantes nur für Jüngere“ gibt, geben bei den russischsprachigen Befragten nur

26 % dies als Hinderungsgrund an.

Aus den Kommentaren der Befragten geht zudem hervor, dass es nicht genügend Angebote in

russischer Sprache gibt bzw. dass die angebotenen Veranstaltungen häufig als nicht qualitätsvoll

erlebt werden. Aus vereinzelten Kommentaren kann auch herausgelesen werden, dass das fehlende

Verständnis für moderne Kunst, modernes Theater etc. den Besuch entsprechender Veranstaltungen schwierig macht.

Abb. 22: Hinderungsgründe für Nutzung kultureller A ngebote Kulturbarometer 50+ im Vergleich zu Partner-Befragung

Hinderungsgründe

Kulturbarometer 50+

Trifft „allgemein“ oder

„punktuell“ zu

Partner-Befragung

(Ranking)

Eintrittspreise zu hoch 73 % 88 % (1)

Interessantes nur für Jüngere 55 % 26 % (11)

Die Wege sind zu weit 51 % 75 % (2)

Keine Einführung für Nichtkenner 47 % ---

Keine Kenntnis von Kultur 46 % ---

Zu wenig Orientierungshilfen 45 % ---

Veranstaltungsinfos fehlen 44 % 50 % (5)

Desinteresse im Bekanntenkreis 44 % ---

Gesundheitlich eingeschränkt 42 % 34 % (9)

Verkehrsanbindung ungünstig 41 % 75 % (2)9

Angebote nicht seniorenfreundlich 38 % ---

Nachhauseweg abends unsicher 38 % 38 % (8)

(Öffnungs-)Zeiten ungünstig 34 % 33 % (10)

Ticketkauf zu zeitaufwendig 32 % 13 % (13)

Finde keine Begleitung 30 % 41 % (7)

Ein naheliegender Hinderungsgrund, der für 56 % der hier Befragten eine Rolle spielt, sind die

fehlenden Deutschkenntnisse. Viele sehen sich nicht in der Lage das „deutsche“ Angebot zu nutzen,

zumindest nicht in dem für sie wünschenswerten Maße. Dadurch gewinnen die Angebote in russischer

Sprache an Bedeutung.

Wie das Niveau der Deutschkenntnisse mit der Kulturnutzung korreliert zeigt die folgende Abbildung.

Gute Deutschkenntnisse erhöhen die Kulturpartizipation, fehlende Deutschkenntnisse verhindern sie

andererseits nicht.

9 „Die Verkehrsanbindung ist ungünstig“ und „die Wege sind zu weit“ wurde in einer Frage zusammengefasst.

Page 30: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

30

in %, N = 270

Frage: Wie oft haben Sie in den letzten 6 Monaten kulturelle Angebote in Deutschland besucht? Wie würden Sie selbst Ihre mündlichen Deutschkenntnisse einschätzen? (sehr gut, gut, mittelmäßig, überhaupt nicht gut)

Abb. 23: Häufigkeit kultureller Besuche / mündliche Deutschkenntnisse

28

26

16

19

44

32

32

19

2 3

34

3 2

39

8

20

23

5gute mündliche

Deutschkenntnisse

mittelmäßige mündliche Deutschkenntnisse

weniger gute mündlicheDeutschkenntnisse

überhaupt nicht gute mündliche

Deutschkenntnisse

1-2 mal besucht

gar nicht besucht

etwa 3-5 mal besucht

mehr als 5 mal

besucht

Des weiteren wurde das Alter mit der Häufigkeit kultureller Besuche korreliert. Das KulturBarometer 50+ hat einen deutlichen Bruch zwischen Aktivitäten der 50- bis 59-Jährigen und der älteren

Bevölkerung ab etwa 60 Jahre sowie verstärkt ab ca. 70 Jahren konstatiert (Keuchel/Wiesand 2008,

S. 43). Von einer auffallenden Diskrepanz hinsichtlich des Ausmaßes der kulturellen Partizipation

innerhalb der hier befragten Generation 50+ kann hingegen nicht gesprochen werden.

in %, N = 270

Frage: Wie oft haben Sie in den letzten 6 Monaten kulturelle Angebote in Deutschland besucht? Bitte geben Sie Ihr Alter an. 50 – 55 J., 56 – 65 J., 66 – 75 J, 76 – 85 J., über 85 J.

Abb. 24: Häufigkeit kultureller Besuche nach Alter

20

13

29

31

3 9

4 4

30

33

31

2

15

16

17

26

21 3 3

1-2 mal besucht

gar nicht besucht

50 bis 55 Jahre

56 bis 65 Jahre

66 bis 75 Jahre

76 bis 85 Jahre

etwa 3-5 mal besucht

mehr als 5 mal

besucht

Page 31: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

31

Auch ein mittelmäßiger oder eher schlechter Gesundheitszustand hält die Älteren nicht vom mehr

oder weniger regelmäßigen Besuch kultureller Angebote ab.

in %, N = 270

Frage: Wie oft haben Sie in den letzten 6 Monaten kulturelle Angebote in Deutschland besucht? Wie würden Sie selbst Ihren aktuellen Gesundheitszustand beschreiben? (sehr gut, gut, mittelmäßig, überhaupt nicht gut)

Abb. 25: Häufigkeit kultureller Besuche / Gesundhei tszustand

31

21

20

43

31

26

1 9

38

32

10

22

7guter

Gesundheitszustand

mittelmäßigerGesundheitszustand

weniger guter Gesundheitszustand

1-2 mal besucht

gar nicht besucht

etwa 3-5 mal besucht

mehr als 5 mal

besucht

Page 32: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

32

6. Informationswege Sowohl deutsche als auch russischsprachige Medien spielen bei der Frage, wie sich die Befragten über das kulturelle Angebot in ihrer Stadt informieren, eine Rolle. Antwortkategorien waren:

Zeitung/Zeitschrift, Radio, Fernsehen und Internet. 59 % der Befragten geben an, deutsche Medien

als Informationsquellen zu nutzen, für 41 % spielen diese keine Rolle. Bezogen auf russische Medien

gilt dies nur für 10 % der Befragten – sie bedienen sich keiner russischsprachigen Medien, um sich

über das Kulturangebot zu informieren.

Bemerkenswert ist, dass sich ein großer Teil der Befragten ganz offensichtlich sowohl deutscher als

auch russischsprachiger Medien bedient.

in %, N = 270

Frage: Auf welchem Weg informieren Sie sich über das kulturelle Angebot in Ihrer Stadt?(Mehrfachnennungen sind möglich)

Abb. 26: Mediennutzung

41

59

deutsche Medien

10

90

russische Medien

nein

nein

ja ja

Zeitung und Zeitschriften spielen als Informationsmedium eine herausragende Rolle. Es ist davon

auszugehen, dass die Deutschkenntnisse über die Lesegewohnheiten entscheiden. Es gibt in NRW ein gutes Angebot an Zeitungen und Kulturzeitschriften in russischer Sprache. Auch die, die gut

Deutsch können, lesen ab und zu russischsprachige Zeitungen, um sich über das russische Leben in

Deutschland zu informieren.

Page 33: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

33

in %, N = 270

Frage: Auf welchem Weg informieren Sie sich über das kulturelle Angebot in Ihrer Stadt? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Abb. 27: Informationswege / Kulturangebot

89

28

12

3

52

21

16

11

46

54

2

Zeitung/Zeitschrift

Radio

Fernsehen

Internet

gar nicht

deutsch

russisch

deutsch

deutsch

Mund-zu-Mund-Propaganda

Prospekte, Spielpläne, Plakate der Kultureinrichtungen und Veranstalter

russisch

russisch

deutsch

russisch

Während die jüngeren Altersgruppen (50 bis 55 Jahre) sowohl deutsche als auch russischsprachige

Zeitungen bzw. Zeitschriften lesen, nimmt die Bedeutung russischsprachiger Medien für die älteren

Altersgruppen zu.

in %, N = 270

Frage: Auf welchem Weg informieren Sie sich über das kulturelle Angebot in Ihrer Stadt? (Mehrfachnennungen sind möglich). Bitte geben Sie Ihr Alter an: 50 – 55 J., 56 – 65 J., 66 – 75 J, 76 – 85 J., über 85 J.

Abb. 28: Informationswege / Kulturangebot

russisch- und deutschsprachige Zeitschrift/Zeitung – nach Alter

7 1

9 7

6 3

8 8

4 1

8 0

3 2

2 9

3

3 7

1 2

5 9

2 0

6 8

8 6 1 4

genannt nicht genannt

50 bis 55 Jahre

56 bis 65 Jahre

66 bis 75 Jahre

76 bis 85 Jahre

russischsprachigdeutschsprachig

russischsprachigdeutschsprachig

russischsprachigdeutschsprachig

russischsprachig

deutschsprachig

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

34

Die Nutzung von Computer und Internet ist, wie nicht anders zu erwarten, altersabhängig.10 Die 50-

bis 55-Jährigen haben durch ihre Berufstätigkeit einen besseren Zugang zu neuen Medien und

bedienen sich des Internets als Informationsquelle. Die Einkommenssituation dürfte für die Nutzung von Computer und Internet bei den Befragten auch eine Rolle spielen, so dass sich nur ein Teil der

Haushalte, vermutlich insbesondere die mit älteren Kindern, einen Computer leisten wollen und

können.

in %, N = 270

Frage: Auf welchem Weg informieren Sie sich über das kulturelle Angebot in Ihrer Stadt? (Mehrfachnennungen sind möglich). Bitte geben Sie Ihr Alter an: 50 – 55 J., 56 – 65 J., 66 – 75 J, 76 – 85 J., über 85 J.

Abb. 29: Informationswege / Kulturangebot

russisch- und deutschsprachiges Internet – nach Alter

41

11

16

6

10

4

59

89

84

94

90

96

100

32 68

genannt nicht genannt

50 bis 55 Jahre

56 bis 65 Jahre

66 bis 75 Jahre

76 bis 85 Jahre

russischsprachigdeutschsprachig

russischsprachigdeutschsprachig

russischsprachigdeutschsprachig

russischsprachig

deutschsprachig

Neben den klassischen Medien spielen auch die Mund-zu-Mund-Propaganda sowie die Prospekte

und sonstigen Programmankündigungen der Veranstalter eine wichtige Rolle.

10 Laut KulturBarometer 50+ nutzen nur 35 % der Generation 50+ das Internet. Während noch 65 % der 50- bis 59-Jährigen zu den Internetnutzern gehören, sind dies in der Altersgruppe 60-69 J. nur noch 32 %, in der Altersgruppe 70-79 J. 12 % und bei den über 80-Jährigen 6 % (Keuchel/Wiesand 2008, S. 36).

Page 35: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

35

in %, N = 270

Frage: Auf welchem Weg informieren Sie sich über das kulturelle Angebot in Ihrer Stadt? (Mehrfachnennungen sind möglich). Bitte geben Sie Ihr Alter an: 50 – 55 J., 56 – 65 J., 66 – 75 J, 76 – 85 J., über 85 J.

Abb. 30: Informationswege / Kulturangebot

Mund-zu-Mund-Propaganda – nach Alter

genannt nicht genannt

50 bis 55 Jahre

56 bis 65 Jahre

66 bis 75 Jahre

76 bis 85 Jahre

56

50

48

44

50

52

73 27

in %, N = 270

Frage: Auf welchem Weg informieren Sie sich über das kulturelle Angebot in Ihrer Stadt? (Mehrfachnennungen sind möglich). Bitte geben Sie Ihr Alter an: 50 – 55 J., 56 – 65 J., 66 – 75 J, 76 – 85 J., über 85 J.

Abb. 31: Informationswege / Kulturangebot

Prospekte, Pläne der Veranstalter – nach Alter

53

45

44

47

55

56

46 54

genannt nicht genannt

50 bis 55 Jahre

56 bis 65 Jahre

66 bis 75 Jahre

76 bis 85 Jahre

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

36

7. Künstlerisch-kreative Aktivitäten Auch bei diesem Fragenkomplex ist bei der Bewertung der Antworten in besonderer Weise zu berücksichtigen, dass die Antworten von Abonnenten der „Partner“-Zeitschrift stammen. „Kultur“ ist

zwar in der Zeitschrift eines unter mehreren Themen, aber doch, auch aufgrund der vielen

Programmankündigungen, ein Thema mit besonderem Stellenwert.

Nichtsdestotrotz ist das Ergebnis der Partner-Befragung bemerkenswert: 74 % sind im künstlerisch-kreativen Bereich aktiv. Selbst wenn man vorsichtiger rechnen möchte und „Fotografie, Video“

ausklammert, hat man es mit einer erstaunlichen Zahl an kulturell Aktiven zu tun.

in %, N = 270

Frage: Wir interessieren uns im Folgenden für Ihre künstlerisch-kreativen Aktivitäten, unabhängig davon, ob Sie diese regelmäßig oder nur ab und zu ausüben. Welche künstlerisch-kreativen Aktivitäten üben Sie heute (aktuell) aus? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Abb. 32: Künstlerisch-kreative Aktivitäten - aktuell

74

26

aktivnicht aktiv

41

24

22

21

18

12

10

8

7

Theater spielen

Schreiben von Geschichten, Gedichten, Artikeln etc.

Singen (alleine, im Chor, in Musikgruppen)

Fotografie, Video

Musikinstrument spielen

Handarbeit, Gestalten

Tanzen

Aktiv / nicht aktiv? Art der kulturellen Aktivitäten

Malerei, Bildende Kunst

andere künstlerisch-kreative Tätigkeit

Die Ergebnisse des KulturBarometer 50+ zum Vergleich: 22 % der Generation 50+ gehen aktuell einem künstlerischen Hobby nach. Am häufigsten geben die Befragten als Hobby „Basteln, Gestalten“

an (9 % der Nennungen), es folgen mit jeweils 6 % „Musikinstrument spielen“, „Singen“ und

„Fotografieren“. Weniger häufig wählt die Generation 50+ „Malerei, Bildende Kunst“ als Betätigungs-

feld (5 %), das „Schreiben von Geschichten, etc.“ und „Tanzen“ (jeweils 3 %) und das „Theater spielen“ (2 %).

Die Erfahrung lautet: wer in Kindheit und Jugend ein Hobby im künstlerisch-kulturellen Bereich ver-

folgt, wird auch eher im (Erwachsenen-)Alter eine Aktivität in diesem Bereich fortführen oder wieder

aufgreifen. Umgekehrt tun sich Menschen schwer, wenn sie erst im fortgeschrittenen Alter ein solches Hobby beginnen wollen.

Bei den hier Befragten kann man von einer gewissen Kontinuität sprechen, was die kulturelle Aktivität

früher, aktuell und auch mit Blick auf zukünftige Pläne angeht.

Page 37: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

37

in %, N = 270

Frage: Wir interessieren uns im Folgenden für Ihre künstlerisch-kreativen Aktivitäten, unabhängig davon, ob Sie diese regelmäßig oder nur ab und zu ausüben. Welche haben Sie früher ausgeübt? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Abb. 33: Künstlerisch-kreative Aktivitäten - früher

74

26

aktivnicht aktiv

Aktiv / nicht aktiv? Art der kulturellen Aktivitäten

27

27

25

22

21

19

16

14

6

Theater spielen

Schreiben von Geschichten, Gedichten, Artikeln etc.

Singen (alleine, im Chor, in Musikgruppen)

Fotografie, Video

Musikinstrument spielen

Handarbeit, Gestalten

Tanzen

andere künstlerisch-kreative Tätigkeit

Malerei, Bildende Kunst

in %, N = 270

Frage: Wir interessieren uns im Folgenden für Ihre künstlerisch-kreativen Aktivitäten, unabhängig davon, ob Sie diese regelmäßig oder nur ab und zu ausüben. Würden Sie sich in der Zukunft gerne künstlerisch-kreativ betätigen (Wunsch für Zukunft)? (Mehrfachnennungen sind möglich)

Abb. 34: Künstlerisch-kreative Aktivitäten – Wunsch für Zukunft

94

6ja

nein

Wunsch? Art der kulturellen Aktivitäten

34

28

25

23

15

13

13

11

9

Theater spielen

Schreiben von Geschichten, Gedichten, Artikeln etc.

Singen (alleine, im Chor, in Musikgruppen)

Fotografie, Video

Musikinstrument spielen

Handarbeit, Gestalten

Tanzen

andere künstlerisch-kreative Tätigkeit

Malerei, Bildende Kunst

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

38

8. Kritik, Anregungen, Kommentare der Befragten

Auf die Frage, wie zufrieden sie insgesamt mit dem kulturellen Angebot ihrer Stadt sind, haben 33 % der Befragten mit „zufrieden“/“sehr zufrieden“ geantwortet. 34 % geben an, sie seien „teils/teils“

zufrieden, 26 % sind unzufrieden oder sehr unzufrieden mit der aktuellen Situation.

Die offenen Fragen wurden von vielen Befragten für eigene Kommentare und Verbesserungsvor-

schläge genutzt. Diese machen deutlich, wie wichtig ihnen das Thema ist. Sie wünschen sich mehr Möglichkeiten und bessere Bedingungen, um am kulturellen Leben teilhaben zu können.

Es wurden hauptsächlich folgende Probleme genannt (die Zitate sind Übersetzungen aus dem

Russischen):

1. Die Eintrittskarten und/oder die Fahrt zum Vera nstaltungsort sind zu teuer.

„Unsere Sozialhilfe ist viel zu klein, deshalb können wir nicht so oft ins Theater gehen, aber ich

versuche kostenlose Veranstaltungen, z. B. in der Tonhalle, in Museen, Kirchen und Musikhoch-schulen zu finden. Ich besuche sie auch mit großem Vergnügen und informiere meine Bekannte.

Ich bin dankbar, dass es so etwas gibt.“

Die Fahrtkosten sind vor allem dann relevant, wenn Befragte unzufrieden mit dem Angebot in ihrer

Stadt sind und daher das Angebot anderer Städte in NRW nutzen möchten. Für viele scheint – als (ehemalige) Großstädter – die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel kein

Problem zu sein, sie nehmen für eine gute Veranstaltung längere Anfahrtswege gerne auf sich.

„Es wäre schön, wenn die Eintrittskarte auch als Fahrkarte gilt, egal in welcher Zone man fährt.“

Es wird erläutert, dass der Sozialpass zwar am Wohnort, nicht aber in benachbarten Städten gilt.

„Es wäre schön, das Angebot für Aufführungen und Konzerte, für die man Eintrittskarten mit Rabatt

(z.B. mit dem Sozialpass oder für Menschen ab 60 Jahren) kaufen kann, zu erweitern.“

2. Das Angebot ist nicht zufriedenstellend – vor al lem in Bezug auf Veranstaltungen mit russischsprachigen Künstlern. „Die Stadt ist klein und hat kein spannendes Kulturleben.“

Da die Sprachkenntnisse für den Besuch deutscher Theateraufführungen als nicht gut genug

eingeschätzt wird, wünscht man sich mehr Möglichkeiten, Aufführungen in russischer Sprache besuchen zu können. Hier werden jedoch das Qualitätsniveau und die Rahmenbedingungen

bemängelt.

„Ich wünsche mir mehr Gastspiele russischer Kulturschaffender. Wenn es Angebote gibt, dann finden

diese häufig in nicht adäquaten Räumlichkeiten statt.“

„Ich wünsche mir mehr deutsch-russische Abende, die man der deutschen Kultur, Literatur und Poesie

widmen könnte.“

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

39

3. Es gibt zu wenig Informationen über das Kultura ngebot.

Vor allem für diejenigen, die sich für russischsprachige Angebote interessieren bzw. sich über russischsprachige Medien über das Kulturangebot informieren, scheint die Versorgung mit aktuellen

Informationen ein Problem zu sein.

„Man hat in Essen einmal russische Filme im Kino gezeigt, ich habe davon aber erst danach aus der

Zeitung erfahren. Es gab vorher keine Information in den Medien, und das ist nicht zum ersten Mal so passiert.“

„Ich wünsche mir mehr Werbung von Kulturveranstaltungen in religiösen Gemeinden (jüdischen und

russischen) und in sozialen Einrichtungen (besonders wo auch Russen tätig sind), da diese für ältere Menschen nichts kosten.“

„Ich besuche einen Deutschkurs und es wäre schön, wenn sie da Werbung für Kulturveranstaltungen

machen würden und uns dahin einladen würden.“

„Man hätte gern mehr Informationen in russischen Zeitungen, aber nicht nur über russische, sondern

auch deutsche Veranstaltungen. Es wäre schön, wenn man Karten über den Partner-Verlag kaufen

könnte, weil ich selbst nicht so gut Deutsch spreche.“

„Gut wäre ein Email-Newsletter mit Informationen über Kulturveranstaltungen in NRW – auf Russisch.“

Einige Vorschläge bzw. Erwartungen gehen weiter, sie zielen auf eine Veränderung der kulturellen Infrastruktur ab:

„Man muss Bedingungen für die Gründung russischer Zentren schaffen, wo man das kulturelle Leben

entwickeln kann, unabhängig von der Größe der Stadt.“

„Ein Informations- und Kulturzentrum für Russischsprachige gründen, wo es zahlreiche verschiedene Studios für Malen, Tanzen und Kunstgewerbe geben würde, außerdem eine Bibliothek mit

Computerklassen“

„Eine Kulturabteilung beim Rathaus oder bei den Sozialämtern ist nötig. Die kreativen Russischsprachigen, die auch Deutschkenntnisse haben, würden sich da mit der Organisation von

Ausstellungen, Kulturtreffen und mit der Suche und Anwerbung kreativer Menschen beschäftigen.“

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

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ANHANG: Hintergrundinformationen Zielgruppe: Spätaussiedler und jüdische Zuwanderer in Deutschland Seit dem Beginn der Perestroika 1986 zogen erste größere Gruppen von Bürgern der Sowjetunion

nach Deutschland. Dabei wird zwischen deutschen Aussiedlern (seit dem 1. Januar 1993

Spätaussiedler) auf der einen Seite und jüdischen Kontingentflüchtlingen auf der anderen Seite

unterschieden. Spätaussiedler: Die ausgesiedelten Russlanddeutschen und ihre nicht-deutschen Familienangehörigen werden als

Deutsche im Sinne des Grundgesetzes behandelt. Sie haben daher unmittelbar nach der Einreise einen Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft. Seit 2001 müssen infolge einer Reform des

Vertriebenenrechts Ausreisewillige, die als Spätaussiedler anerkannt werden wollen, ausreichende

Deutschkenntnisse nachweisen können. Die Einreise-Anträge von Deutschstämmigen werden

inzwischen in der deutschen Botschaft des Ausreiselandes gestellt. Die Bearbeitungszeit kann dabei

bis zu einigen Jahren betragen. Angesichts der eher schlechten bis gar nicht vorhandenen Deutsch-kenntnisse werden nur noch wenige als Spätaussiedler anerkannt.

Nordrhein-Westfalen nahm und nimmt viele AussiedlerInnen bzw. SpätaussiedlerInnen auf. Von 1989

bis 2005 zogen laut Zuwanderungsstatistik NRW 2006 642.058 Personen zu, vorwiegend aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Die Aussiedlerzuwanderung ist seit langem stark rückläufig.

2005 wanderten nur noch 7.845 zu, 2004 waren es 13.008 und 2003 waren es 16.130.

Jüdische Kontingentflüchtlinge: Seit 1991 haben jüdische Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion die Möglichkeit, als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland einzureisen. Kontingentflüchtlinge sind im Rahmen

humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge. Ihnen wird eine unbefristete Aufenthalts- und

Arbeitserlaubnis gewährt. Auf eine zahlenmäßige Kontingentierung wurde verzichtet. Eine wesentliche

Rolle bei der großzügigen Ausgestaltung dieser Zuzugsregelung, deren wesentlicher Kern übrigens

ein Erbe aus DDR-Zeiten ist, spielte der Wunsch, den jüdischen Gemeinden in Deutschland - im Bewusstsein historischer Verantwortung - neue Mitglieder zuzuführen und somit deren

Lebensfähigkeit zu erhalten.

Mit dem In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes zum 1. Januar 2005 entfiel das Kontingent-flüchtlingsgesetz (HumHAG) als Rechtsgrundlage. Seitdem müssen jüdische Zuwanderer ihre

Einreise und Aufnahme in Deutschland auf der Rechtsgrundlage des Aufenthaltsgesetzes beantragen.

Bis neue Regelungen gefunden wurden und in Kraft treten konnten, vergingen 18 Monate. Nach

monatelangen Verhandlungen des Zentralrats der Juden und der Union Progressiver Juden mit den Innenministern der Ländern wurden zunächst Übergangsregelungen beschlossen. Wer seinen

Aufnahmeantrag vor dem 1. Januar 2005 gestellt hatte, brauchte in Härtefällen (etwa bei der

Familienzusammenführung) weder Sprachkenntnisse nachzuweisen, noch musste er seinen

Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten können.

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

41

Mit Beschlüssen der Innenministerkonferenz im Juni und November 2005 wurde das Aufnahme-

verfahren für jüdische Zuwanderer neu ausgerichtet (erst am 1. Juli 2006 treten die neuen

Regelungen in Kraft). Antragsteller müssen neben bisherigen Kriterien auch folgende erfüllen:

- Deutschkenntnisse nachweisen, die mindestens der Niveaustufe A1 des Gemeinsamen Europä-

ischen Referenzrahmens für Sprachen (GERR) entsprechen. Diese Verpflichtung besteht auch für

die mitreisenden Familienangehörigen (ab 14 Jahren);

- dauerhaft selbst für ihren Lebensunterhalt in Deutschland sorgen können; - den Nachweis zur Aufnahmemöglichkeit in einer jüdischen Gemeinde im Bundesgebiet erbringen.

Bei Opfern nationalsozialistischer Verfolgung wird auf die Integrationsprognose und den Nachweis der

Deutschkenntnisse verzichtet. Das Gleiche gilt für Härtefälle.

Nordrhein-Westfalen nimmt dem Königsteiner Schlüssel11 gemäß die meisten jüdischen Zuwanderer

auf, es folgt an zweiter Stelle Bayern, an dritter Baden-Württemberg.

Abb. 35: Eingereiste jüdische Zuwanderer 1993-2006

1993-2003 2004 2005 2006

absolut in % absolut in % absolut in % absolut in %

Deutschland insg. 179.934 100,0 11.208 100,0 5.968 100,0 1.079 100,0

Nordrhein-Westfalen 44.452 24,7 3.259 29,1 1.545 25,9 227 21,0

Bayern 27.848 15,5 1.702 15,2 1.165 19,5 69 6,4

Baden-Württemberg 14.378 8,0 859 7,7 766 12,8 493 45,7

Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Warum nach Deutschland?

Als Gründe, die sowjetische Juden zum Auswandern veranlasst (hat), nennt Kessler:

„Nationalitätenkonflikte, Umweltkatastrophen, Perspektivlosigkeit für die nachwachsende Generation,

fehlende soziale Absicherung der Älteren, berufliche Beschränkungen oder die instabile wirtschaftliche

und politische Lage, und auf der anderen Seite hohe Erwartungen an Deutschland und die Zuversicht auf eine sichere Zukunft. Der bleibende Zustrom ist daneben der Sogwirkung durch bereits migrierte

Angehörige und Freunde bzw. dem Wunsch, in ihrer Nähe zu leben, zu verdanken.“

Deutschland ist zu einem attraktiven Auswanderungsland geworden: „Da die USA, das Traumland sowjetischer Juden, die Einwanderung stark beschränkt hat und Israel von vielen als politisch/ wirt-

schaftlich zu unsicher oder als zu fremd/orientalisch angesehen wird, bleibt Deutschland in der

Wahrnehmung (bzw. Erwartung) der Zuwanderer die günstigste Alternative: reich, weltoffen,

europäisch, ähnlich“ (Kessler 2001).

11 Der sog. Königsteiner Schlüssel ist ein Finanzierungsschlüssel, mit dem „Lasten“ auf die einzelnen Bundesländer verteilt werden. Er berechnet sich aus dem Steueraufkommen und der Bevölkerungszahl eines Bundeslandes.

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„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

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Hintergrundinformationen: Aufenthalt / Aufenthaltsd auer Jüdische Zuwanderer und Spätaussiedler unterscheiden sich aufgrund der historisch-ethnischen

Dimension von allen anderen Zuwanderergruppen. Sie sind auch die einzigen beiden Gruppen, denen

aufgrund ethnischer Abstammung auf Anhieb eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis gewährt wird. Sie

verlassen deshalb auch in der Regel ihre Heimat, um sich auf Dauer in Deutschland nieder zu lassen (Haug 2007, S. 16). Aus Studien über türkische und italienische Migranten ist bekannt, dass im Alter

häufig eine Pendelmigration zwischen dem Wohnort in Deutschland und einem Zweitsitz im

Herkunftsland gelebt wird.

Die durchschnittlichen Aufenthaltsdauer der insgesamt 10,4 Millionen Zugewanderten in Deutschland beträgt 18,8 Jahre. Diejenigen mit deutscher Staatsangehörigkeit leben seit 20,1 Jahren in Deutsch-

land, diejenigen mit ausländischer Staatsanghörigkeit leben mit 17,6 Jahren etwas unter dem

Durchschnitt hier (Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2006, Wiesbaden 2008).

Ein genauerer Blick auf die Zuwanderungsstatistik NRW 2006 zeigt, dass es unter den verschiedenen Migrantengruppen hinsichtlich der Aufenthaltsdauer große Unterschiede gibt. In der nachfolgenden

Tabelle werden Zuwanderer aus Russland denen aus Italien und der Türkei, den klassischen

Anwerbeländern, gegenüber gestellt. Arbeitskräfte wurden ab 1955 aus Italien bzw. 1961 aus der

Türkei angeworben, so dass eine Aufenthaltsdauer von 20 und mehr Jahren völlig normal ist.

Abb. 36: Ausländerinnen und Ausländer am 31.12.2005 nach Aufenthaltsdauer, Staatsangehörigkeit und Altersgruppen

Ausländische Bevölkerung am 31.12.2005

25 bis unter 65 Jahren

davon aus

Aufenthaltsdauer von ... bis unter ... Jahren

insgesamt Russische Föderation

Türkei Italien

0 – 6 219.724 16.139 25.849 4.150

6 – 10 130.116 7.346 24.548 4.620

10 – 20 285.856 3.080 72.783 12.761

20 und mehr 524.907 69 221.469 65.381

zusammen 1.160.603 26.634 344.649 86.912

Ausländische Bevölkerung am 31.12.2005

65 Jahre und älter

davon aus

Aufenthaltsdauer von ... bis unter ... Jahren

insgesamt Russische

Förderation Türkei Italien

0 – 6 7.157 1.427 402 225

6 – 10 6.655 1.475 263 148

10 – 20 12.620 761 1.999 353

20 und mehr 102.447 16 34.924 10.923

zusammen 128.879 3.679 37.588 11.649

Quelle: Zuwanderungsstatisik NRW 2006

Page 43: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

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Hintergrundinformationen: jüdische Religion / jüdis che Gemeinden Für die Aufnahme als jüdischer Kontingentflüchtling spielt die jüdische Volkzugehörigkeit bzw.

Nationalität, nicht aber das Bekenntnis zur jüdischen Religion eine Rolle. Familienangehörige nicht-

jüdischer Abstammung können mit einreisen.

Häufig fühlen sich jüdische Zuwanderer nicht der jüdischen Religion verbunden, sie waren in über 70

Jahren Sowjetmacht größtenteils vom Judentum abgeschnitten. Auch wenn sich aufgrund dieser

Entfremdung zum jüdischen Glauben die Integration in das jüdische Gemeindeleben mitunter

schwierig gestaltet, haben viele jüdischen Gemeinden durch den Zustrom neuer Mitglieder eine

willkommene Renaissance erlebt.

Gemäß Mitgliederstatistik (2004) der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland ist die Alters-

struktur in den jüdischen Gemeinden in Deutschland von den höheren Altersgruppen dominiert, der

Frauenanteil ist überdurchschnittlich hoch. 36 % der Gemeindemitglieder sind über 60 Jahre alt.

Hintergrundinformationen: Materielle Absicherung / Grundsicherung Die hohe Quote an Beziehern von Grundsicherung ist dadurch zu erklären, dass jüdische Zuwanderer

nur dann einen Anspruch auf Rente haben, wenn sie in Deutschland erwerbstätig waren und Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Als Zuwanderer im Rentenalter können sie keine Rente

erhalten. Nach Vollendung des 65. Lebensjahrs steht jüdischen Zuwanderern daher laut Sozialgesetz-

buch (SGB XII) eine Grundsicherung zu. Die Grundsicherung ist eine bedarfsabhängige Sozialhilfe-

leistung, die den grundlegenden Bedarf für den Lebensunterhalt von Menschen absichert, die wegen

Alters oder auf Grund voller Erwerbsminderung endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind.

Spätaussiedler hingegen erhalten ihre Rente grundsätzlich nach den gleichen Regeln wie andere

Deutsche, wenn auch bei Einreise ab 1996 nur bis zu einer bestimmten Höchstgrenze. Die Renten-

ansprüche regelt seit Jahrzehnten das Fremdrentengesetz. Es sorgt dafür, dass auch Rentenbeiträge,

die im Herkunftsland der deutschstämmigen Zuwanderer gezahlt wurden, für die Rente in Deutsch-land angerechnet werden. Zu den versicherungsrelevanten Zeiten gehören neben versicherten

Beschäftigungszeiten auch Kindererziehungszeiten sowie Zeiten des Grundwehr- oder Zivildienstes.

Page 44: Kultura50+ Anketa Befragung

„Kultura 50+ Anketa“ Befragung der Abonnenten der russischsprachigen Zeitschrift „Партнер“

44

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Gruber, Sabine/Rüßler, Harald (2002): Hochqualifiziert und arbeitslos. Jüdische Kontingentflüchtlinge in Nordrhein-Westfalen. Wiesbaden Haug, Sonja unter Mitarbeit von Wolf, Michael (2007): Soziodemographische Merkmale, Berufs-struktur und Verwandtschaftsnetzwerke jüdischer Zuwanderer, Working Paper, Nr. 8. Nürnberg http://www.bamf.de/cln_092/SharedDocs/Anlagen/DE/Migration/Publikationen/Forschung/WorkingPapers/wp8-merkmale-juedische-zuwanderer,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/wp8-merkmale-juedische-zuwanderer.pdf (Stand: 09.07.09) Kessler, Judith (1995): Jüdische Migration aus der ehemaligen Sowjetunion seit 1990.

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Heidelberg