konformationsmodifikationen und schmelzpunktdepression der kristallinen komponente in binären...

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Acta Polyrnerico 31 (1980) Heft 5 287 ROMANKEVI~ und FRENKEL’ : Konformationsmodifikationen und Schmelzpunktdepression der kristallinen Komponente in binaren Polymermischungen Konformationsmodifikationen und Schmelzpunktdepression der kristallinen Komponente in binaren Polymermischungen’l 0. V. ROMANICEVIE*) und S. JA. FRENKEL’**) **) AdW der UdSSR, Institut fur Hochmolekulare Verbindungen, 3 99004 Leningrad/UdSSR *) Kiewer Technologisches Institut der Leichtindustrie, Kiew/UdSSR Die thermodynamischen Parameter, die das gegenseitige Losen der Komponenten von Polymermischungen bestimmen, werden fur den Fall diskutiert, da13 eine der Komponenten kristallisiert. Dabei werden die Existenz unterschiedlicher kristalliner Konformationsmodifikationen und die Moglichkeit, da13 sich das System in einem metastabilen Zustand befindet, berucksichtigt. Weiter wird das Schmelzverhalten der Systeme Polymer/niedermolekulares Losungsmittel untersucht. Xong5opmayuonnbae wo&m&tcayuu u nonumenue memnepamypba nJcaeJcenu8 rcpucmawauvectcoeo tcomnonexma e bunap- nbzx cmecsx noauwpoe TepMonmaMHsecmie napaMeTpM, onpenenmoune B~~HMHO~ pacmopeme KoMnoHeHToB cMece$i nonHMepoB, o6cym- naI0TCR AJIR CJIyYaFI KPHCTaJIJIH3aqHII OAHOrO I13 KOMnOHeHTOB. npH aTOM J’YHTbIBaeTCH HaJIH’IHe pa3JIHYHblX KPH- CTaJIJIHqeCKHX KOH@OpMaqHOHHbIXMOAH@HKaqH$i H B03MOXHOCTb Cy~eCTBOBaHHJlCHCTeMbI B MeTaCTa6HJIbHOH COCTOHHHH. KpOMe TOrO HCCJIe~yeTCH nOBe&eHHe CHCTeM nOJIHMep-HH3KOMOJIeKyJI~pH~~ PaCTBOpMTeJIb IIpH PaC- nxaBnemn. Conformational modifications and melting point depression of the crystalline component in binary mixtures The thermodynamic parameters affecting the mutual dissolution of the components of polymer mixtures are discussed with respect to the crystallization of one of the components. Different crystalline conformational modifications and systems existing possibly in metastable state are considered. Further, the melting behaviour of the system polymer/low molecular solvent is investigated. 1. Einfiihrung Das Verhalten von Polymermischungen wahrend des Ver- arbeitungsprozesses, ihre Struktur, ihre physiko-mechanischen Eigenschaften und die zeitliche Stabilitat dieser Eigenschaften hangen von der gegenseitigen Loslichkeit der Polymere ab. Da indirekte Methoden zur Beurteilung der thermodynamischen Vertraglichkeit von Polymeren zu widerspruchlichen Ergebnissen fuhren, werden gegenwartig direkte Methoden zur Beurteilung thermodynamischer Parameter der gegenseitigen Loslichkeit von Polymeren ausgearbeitet [l, 21. Fur den Fall binarer Polymermischungen, die mindestens eine kristallisierende Komponente enthalten, ist bei Anwesenheit eines hochmolekularen Losungsmittels eine Beurteilung der gegenseitigenLoslichkeit der Polymere aus Angaben zur Schmelz- punkterniedrigung moglich. Die Berechnung der Anderung der freien Energie beim Mischen der Polymere (dGM) beruht dabei darauf, da13 in Anwesenheit eines Losungsmittels am Sclimelzpunkt der Betrag der Anderung der freien Energie der Polymerkristalle beim Schmelzen gleich dem Retrag der durch den Losungsvorgang in der Schmelze hervorgerufenen Anderung der partiellen freien Energie dieser Komponente ist. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Klarung einiger durch die polymere Natur der Komponenten bedingten Besonderheiten bei der Bestimmung thermodynamischer Parameter der gegen- seitigen Loslichkeit in Polymermischungen aus Angaben zur Schmelzpunkterniedrigung einer der Komponenten. 2. Kristalline Konformationsmodifikationen und jreie Energie oon Polymerkristallen Am Beispiel des Polyethylens sollen einige bei Kristallen niedermolekularer Verbindungen nicht anzutreffende Er- scheinungen beim Aufbau polymerer Kristalle untersucht werden. Entsprechend ihrer Kettenkonformation konnen polymere Kristalle (bei gleichen Parametern der Subzelle) zunachst in drei Typen unterteilt werden (Bild 1; zum Vergleich ist der schematische Aufbau des molekularen Kristalls eines n-Paraffins angefuhrt). Die Strukturbe- I) Der Hauptteil dieser Arbeit wurde 1978 von einem der Autoren (0. R.) wahrend eines Studienaufenthalts an der Technischen Universitat Dresden ausgefuhrt. schreibung der n-Paraffine rnit orthorhombischer Modi- fikation und des PE rnit Hilfe der Parameter der Subzelle macht die Gemeinsamkeit in ihrem Aufbau hinsichtlich der raumlichen Anordnung sich wiederholender Elemente im Kristall deutlich. Ein solches Herangehen vertuscht allerdings den wesentlichen Unterschied in der raumlichen Anordnung der Endgruppen bei Kristallgittern von n-Paraffinen mit unterschiedlichen Kettenlangen : In diesem Fall entspricht die tatsachliche Identitatsperiode (die Hauptperiode oder nach [3] der Schichtabstand) des Kristallgitters in Kettenrichtung (Lk) der Lange der Ketten (4). Bei regularer Faltung und benachbartem Verlauf der Kette sind die Polymerkristalle vom Typ Lk < L, ihrem Aufbau nach den molekularen Kristallen der n-Paraffine ahnlich, wobei die Rolle der Endgruppen einer regularen Faltung (uber mehrere -CH,-Gruppen) entspricht. Im Gegensatz zur n-Paraffin-Kette konnen die Polymerkristalle vom Typ Lk < L, bei gleicher Ketten- lange unterschiedliche Werte fur die tatsachliche Identi- tatsperiode in Richtung der Kettenachse besitzen (Bild 1). Diese Identitatsperiode charakterisiert die Translation der die Stirnflache (Schichtflache) bildenden Elemente. Dem 1 2 30 3b 3c 4 Bild 1. Schematischer Aufbau von molekularen Kristallen der n-Paraffine, z. B. C,,,H,,, (I), und von Kristallen linearer Polymere, z. B. Polyethylen (2 bis 4). Lk - Translationsperiode der Elementarzelle in Richtung der Kettenachse, L, - Kettenlange; 2 - Kristalle rnit gestreckten Makromolekulketten, Lk = L,; 3 - Kristalle mit gefalteter Kettenkonformation Lk < L,; 3a bis 3c - Kristalle rnit regu- larer Faltung mit unterschiedlichen Werten fur Lk bei gleicher GroBe von L,; 4 - Kristalle rnit irregularer Faltung

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Acta Polyrnerico 31 (1980) Heft 5

287 ROMANKEVI~ und FRENKEL’ : Konformationsmodifikationen und Schmelzpunktdepression der kristallinen Komponente in binaren Polymermischungen

Konformationsmodifikationen und Schmelzpunktdepression der kristallinen Komponente in binaren Polymermischungen’l 0. V. ROMANICEVIE*) und S. JA. FRENKEL’**)

**) AdW der UdSSR, Institut fur Hochmolekulare Verbindungen, 3 99004 Leningrad/UdSSR *) Kiewer Technologisches Institut der Leichtindustrie, Kiew/UdSSR

Die thermodynamischen Parameter, die das gegenseitige Losen der Komponenten von Polymermischungen bestimmen, werden fur den Fall diskutiert, da13 eine der Komponenten kristallisiert. Dabei werden die Existenz unterschiedlicher kristalliner Konformationsmodifikationen und die Moglichkeit, da13 sich das System in einem metastabilen Zustand befindet, berucksichtigt. Weiter wird das Schmelzverhalten der Systeme Polymer/niedermolekulares Losungsmittel untersucht.

Xong5opmayuonnbae wo&m&tcayuu u nonumenue memnepamypba nJcaeJcenu8 rcpucmawauvectcoeo tcomnonexma e bunap- nbzx cmecsx noauwpoe TepMonmaMHsecmie napaMeTpM, onpenenmoune B ~ ~ H M H O ~ pacmopeme KoMnoHeHToB cMece$i nonHMepoB, o6cym- naI0TCR AJIR CJIyYaFI KPHCTaJIJIH3aqHII OAHOrO I13 KOMnOHeHTOB. npH aTOM J’YHTbIBaeTCH HaJIH’IHe pa3JIHYHblX KPH- CTaJIJIHqeCKHX KOH@OpMaqHOHHbIX MOAH@HKaqH$i H B03MOXHOCTb Cy~eCTBOBaHHJl CHCTeMbI B MeTaCTa6HJIbHOH COCTOHHHH. KpOMe TOrO HCCJIe~yeTCH nOBe&eHHe CHCTeM n O J I H M e p - H H 3 K O M O J I e K y J I ~ p H ~ ~ PaCTBOpMTeJIb IIpH PaC- nxaBnemn.

Conformational modifications and melting point depression of the crystalline component in binary mixtures The thermodynamic parameters affecting the mutual dissolution of the components of polymer mixtures are discussed with respect t o the crystallization of one of the components. Different crystalline conformational modifications and systems existing possibly in metastable state are considered. Further, the melting behaviour of the system polymer/low molecular solvent is investigated.

1. Einfiihrung

Das Verhalten von Polymermischungen wahrend des Ver- arbeitungsprozesses, ihre Struktur, ihre physiko-mechanischen Eigenschaften und die zeitliche Stabilitat dieser Eigenschaften hangen von der gegenseitigen Loslichkeit der Polymere ab. Da indirekte Methoden zur Beurteilung der thermodynamischen Vertraglichkeit von Polymeren zu widerspruchlichen Ergebnissen fuhren, werden gegenwartig direkte Methoden zur Beurteilung thermodynamischer Parameter der gegenseitigen Loslichkeit von Polymeren ausgearbeitet [l, 21.

Fur den Fall binarer Polymermischungen, die mindestens eine kristallisierende Komponente enthalten, ist bei Anwesenheit eines hochmolekularen Losungsmittels eine Beurteilung der gegenseitigen Loslichkeit der Polymere aus Angaben zur Schmelz- punkterniedrigung moglich. Die Berechnung der Anderung der freien Energie beim Mischen der Polymere (dGM) beruht dabei darauf, da13 in Anwesenheit eines Losungsmittels am Sclimelzpunkt der Betrag der Anderung der freien Energie der Polymerkristalle beim Schmelzen gleich dem Retrag der durch den Losungsvorgang in der Schmelze hervorgerufenen Anderung der partiellen freien Energie dieser Komponente ist. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Klarung einiger durch die polymere Natur der Komponenten bedingten Besonderheiten bei der Bestimmung thermodynamischer Parameter der gegen- seitigen Loslichkeit in Polymermischungen aus Angaben zur Schmelzpunkterniedrigung einer der Komponenten.

2. Kristalline Konformationsmodifikationen und jreie Energie oon Polymerkristallen

Am Beispiel des Polyethylens sollen einige bei Kristallen niedermolekularer Verbindungen nicht anzutreffende Er- scheinungen beim Aufbau polymerer Kristalle untersucht werden. Entsprechend ihrer Kettenkonformation konnen polymere Kristalle (bei gleichen Parametern der Subzelle) zunachst in drei Typen unterteilt werden (Bild 1; zum Vergleich ist der schematische Aufbau des molekularen Kristalls eines n-Paraffins angefuhrt). Die Strukturbe-

I) Der Hauptteil dieser Arbeit wurde 1978 von einem der Autoren (0. R.) wahrend eines Studienaufenthalts an der Technischen Universitat Dresden ausgefuhrt.

schreibung der n-Paraffine rnit orthorhombischer Modi- fikation und des PE rnit Hilfe der Parameter der Subzelle macht die Gemeinsamkeit in ihrem Aufbau hinsichtlich der raumlichen Anordnung sich wiederholender Elemente im Kristall deutlich. Ein solches Herangehen vertuscht allerdings den wesentlichen Unterschied in der raumlichen Anordnung der Endgruppen bei Kristallgittern von n-Paraffinen mit unterschiedlichen Kettenlangen : In diesem Fall entspricht die tatsachliche Identitatsperiode (die Hauptperiode oder nach [3] der Schichtabstand) des Kristallgitters i n Kettenrichtung (Lk) der Lange der Ketten (4). Bei regularer Faltung und benachbartem Verlauf der Kette sind die Polymerkristalle vom Typ Lk < L, ihrem Aufbau nach den molekularen Kristallen der n-Paraffine ahnlich, wobei die Rolle der Endgruppen einer regularen Faltung (uber mehrere -CH,-Gruppen) entspricht. Im Gegensatz zur n-Paraffin-Kette konnen die Polymerkristalle vom Typ Lk < L, bei gleicher Ketten- lange unterschiedliche Werte fur die tatsachliche Identi- tatsperiode in Richtung der Kettenachse besitzen (Bild 1). Diese Identitatsperiode charakterisiert die Translation der die Stirnflache (Schichtflache) bildenden Elemente. Dem

1 2 30 3b 3c 4

Bild 1. Schematischer Aufbau von molekularen Kristallen der n-Paraffine, z. B. C,,,H,,, (I), und von Kristallen linearer

Polymere, z. B. Polyethylen (2 bis 4 ) . Lk - Translationsperiode der Elementarzelle in Richtung der Kettenachse, L, - Kettenlange; 2 - Kristalle rnit gestreckten Makromolekulketten, Lk = L,; 3 - Kristalle mit gefalteter Kettenkonformation Lk < L,; 3a bis 3c - Kristalle rnit regu- larer Faltung mit unterschiedlichen Werten fur Lk bei gleicher

GroBe von L,; 4 - Kristalle rnit irregularer Faltung

Acta Polymerica 31 (1980) Heft 5 ROMANKEVIE und FRENEEL' : Konformationsmodifikationen und

Schmelzpunktdepression der kristallinen Komponente in binaren Polymermischungen 288

rontgenographischen Unterscheidungskriterium zwischen zwei Kristallmodifikationen - hinsichtlich der GroBe der Translationsperiode entlang der Kettenachse - entspricht ein thermodynamisches Kriterium, wonach jeder Kristall- modifikation vom Typ L, < L, ein spezifischer Verlauf der Temperaturabhangigkeit der molaren freien Energie der Kristalle entspricht.

Im Unterschied zu niedermolekularen Verbindungen findet man bei polymeren Kristallen zusatzlich zur durch den unterschiedlichen Aufbau der Subzelle bestimmten Morphologie noch einen weiteren Polymorphismus, der durch die unterschiedliche Konformation der Kette als Ganzes im Kristall bedingt ist. Eine Kristallisation rnit Kettenfaltung fuhrt zu kristallinen Konformationsmodi- fikationen (KKM), die sich bei gleichem Strukturtyp Lk < L, und gleichen Parametern der Subzelle hinsicht- lich der Translationsperiode entlang der Kettenachse ( i ) und des Aufbaus der Stirnflachen ( j ) unterscheiden. Dies fuhrt zu einer unterschiedlichen Temperaturabhangig- keit der freien Encrgie der Kristalle vom ij-KKM-Typ und schliefilich zu unterschiedlichen Werten fur den Schmelzpunkt jeder ij-KKM (Bild 2). Die im Bild 2 angefuhrten Kurven I bis 5 beziehen sich auf monotrope ij-KKM, wobei sich die Grofie der freien Energie der Kristalle von Kurve I zu Kurve 5 verringert. Die Moglich- keit der Existenz sich in ihrer freien Energie unterschei- dender Kristalle vom Typ Lk < L, bei geringerer freier Energie der Kristalle rnit gestreckten Makromolekul- ketten l a B t sich durch ein thermodynamisches Herangehen erklaren [4-61. Bild 2 zeigt, daB der Unterschied zwischen den Schmelzpunkten in der Polymermischung und im reinen Polymer nicht nur durch die Loslichkeit der zweiten Polymerkomponente, sondern auch durch den Unter- schied in der freien Energie der ij-KKM des reinen Poly- mers und des rnit einer zweiten Komponente gemischten Polymers bedingt sein kann.

Die Bestimmung thermodynamischer Parameter des Losungsvorgangs aus Angaben zur Schmelzpunkter-

G t

I i I 1 1 1 - I I I - 1' 2' 3' r, 4' 5' 501 rs' T

Bild 2. Temperaturabhangigkeit der molaren freien Energie (G) fur verschiedene kristalline Konformationsmodifikationen des Polymers. Kurven 1 bis 5 - Kristalle rnit einer Struktur vom Typ L k < L,, Kurve 6 - Kristalle rnit Lk = L,, Kurve 7 - die reine Schmelze, Kurve 8 - partielle molare freie Energie der kristallinen Komponente in der Losung. 1' bis 5' - Schmelz- punkte verschiedener KKM in Anwesenheit eines Losungs- mittels (eine Festphasenlosung bildet sich nicht). T," und T,OJ - maximal mogliche Schmelzpunkte (fur die Struktur vom Typ L, = L k ) des reinen Polymers bzw. seiner Mischung mit dem Losungsmittel; T, - Schmelzpunkt der ij-KKM ohne Losungs-

mit,tel

-40

-9,0

- l0,O L Bild 3. Abhangigkeit von AB, von der Zusammensetzung der Polymermischung. 1 - das System isotaktisches PP/ataktisches PP, Gleichgewichtsschmelzpunkt; 2 - das gleiche System, die Schmelzpunkte sind im direkten Experiment bestimmt ; 3 - das System Polyvinylidenfluorid/Polymethylmethacrylat, Gleichgewichtsschmelzpunkte; 4 - das gleiche System, die Schmelzpunkte sind im direkten Experiment bestimmt (y2 -

Masseanteile Polymer/Losungsmittel)

niedrigung in binaren Mischungen niedermolekularer Verbindungen ist dann moglich, wenn die Anwesenheit der zweiten Komponente nicht zur Bildung von Kristallen einer anderen Kristallmodifikation fuhrt. Die Besonder- heit der Polymere - der wesentliche EinfluB der Makro- molekule auf die Eigenschaften - fuhrt zu einer zusatz- lichen Bedingung fur die Anwendbarkeit dieser Methode zur Bestimmung der freien Mischungsenergie. Die Struktur und demzufolge auch die freie Energie der ij-KKM muB fur die Kristalle im reinen Polymer und in der Polymer- mischung gleich sein; nur fur diesen Fall ist eine Gegen- uberstellung der Schmelzpunkte sinnvoll.

Bei der Gegenuberstellung der Gleichgewichtsschmelz- punkte von Kristallen des Typs L, = L, werden die oben formulierten Identitatsbedingungen fur die Parameter der Subzelle und der Kettenkonformat,ion (einschliefilich der Stiniflache) fur die Kristalle des Polymers im reinen Zustand und in der Polymermischung eingehalten. Wenn sich in der festen Phase keine Losung bildet, gilt folgende Beziehung :

(Tso - TsoL) AG, = - AH,vm. T*O

Darin sind AB, die Anderung der partiellen molaren freien Energie beim Losen der unterkuhlten Schmelze (der Index 1 bezieht sich hier und im weiteren auf diejenige kristalline Komponente der binaren Polymermischung, deren Angaben zur Schmelzpunkterniedrigung zur Berech- nung von AG, herangezogen werden), TSo und T8OL sind die Gleichgewichtsschmelzpunkte der Kristalle rnit bzw. ohne Losungsmittel; ist die Enthalpieanderung beim Schmelzen eines idealen Kristalls unendlicher GroBe (bezogen auf ein Mol der Kette). Bild 3 zeigt die Abhangig- keit AB, von der Zusammensetzung der Mischung in den Systemen Polyvinylidenfluorid/Polymethylmethacrylat und isotaktisches Polypropylen/ataktisches Polypropylen (die Werte fur T,O und TsOL dieser Systeme sind in [8, 91 angegeben).

Acta Polyrnerica 31 (1980) Heft 5

289 ROMANKEVI~ und FRENKEL' : Konformationsmodifikationen und Schmelzpunktdepression der kristallinen Komponente in binaren Polymerrnischungen

I I I

I I I I

Tabelle 1. Therm_odynamische Mischungsparamegr i n System isotaktischesPP (bl, = 174 . 103)/ataktischesPP (bl, = 5,7.lO3)

AB,

J/g

Anteil des iso- taktischen PP in der Mischung

%

AG,

Jig nicht mehr

als

T, bzw. Ts0L

K

477,4 471,5 466,4 463,O 460,O

- - -3,2 -4,6 -6,O -4,85 -7,8 -3,5 -9,5 -1,05

AG, * lo-'

J/mol nicht mehr

als

100 80 60 40 20

- -1,2 -0,6 -0,3 - 0,07

Die Anderung der partiellen molaren freien Energie der zweiten Komponente wahrend des Losungsvorgangs kann, bis auf eine negative Konstante, uber die bekannte GroDe AB, durch eine graphische Integrationsmethode bestimmt werden [ l ] . Aus diesem Grund besitzt die aus Angaben zur Schmelzpunkterniedrigung berechnete GroDe AG, zweier Polymere einen erhohten, dem Vorzeichen nach aber richtigen Wert. Die Schmelzpunkterniedrigung eines idealen Polymerkristalls bei Anwesenheit eines anderen Polymers gestattet es somit, ihre gegenseitige Loslichkeit i n der Schmelze zu beurteilen. Die aus AB, berechnete GriiSe AG, bestimmt dabei den bei einer gegebenen Zusammensetzung der Polymermischung maxi- mal moglichen Betrag der freien Mischungsenergie in einem dem Schmelzpunkt des kristallinen Polymers nahe- gelegenen Temperaturbereich (Tabelle 1 ) . Die erhaltenen Ergebnisse zeugen von der gegenseitigen Loslichkeit der isotaktischen und der ataktischen PP-Schmelze und stimmen mit den Angaben der Arbeit [lo] uberein, in der eine Konzentrierung des ataktischen PP in der die PP- Spharolithe umgebenden Schmelze beobachtet wurde. Dieser Effekt ist eine Folge der Komponententrennung wahrend des Kristallisationsprozesses.

Die Moglichkeit einer eindeutigen Vorzeichenbestim- mung fur die GroBen AG, und AG, aus Angaben zur Er- niedrigung des Gleichgewichtsschmelzpunktes wird da- durch eingeschrankt, daB die Bestimmung von T,O nach unterschiedlichen Methoden nicht zu einem eindeutigen Resultat fuhrt. Als Beispiel kann eine Reihe von Arbeiten zur Bestimmung von Tso des Polyoxymethylens angefuhrt werden, i n denen T,Ovon 175°C bis 215°C variiert [11--171. Deshalb bedarf die Frage der Vorzeichenbestimmung der GroRe AG, aus Angaben zur Schmelzpunkterniedrigung der Polymerkristalle vom Typ Lk < L, i n Anwesenheit eines Polymers als Losungsmittel einer eingehenden Untersuchung.

3. Sctinaelzenthalpie yon Kristallen endlicher Ausdehnung in Polymergemischen

Im folgenden sol1 das Schmelzen von Kristallen end- licher Ausdehnung mit einer Struktur vom Typ Lk < L, in Anwesenheit eines Polymers als Losungsmittel unter- sucht werden. Die Lange eines n-Paraffinkristalls und eines Polymerkristalls mit der Struktur vom Typ Lk < L, kann sich in Richtung der Kettenachse wesentlich von der GroBe der Langperiode (des Zwischenschichtabstandes) unterscheiden. So zeigen insbesondere elektronenmikrosko- pische Aufnahmen, daB die Lange in Richtung der Ketten- achse bei einem gefalteten Kristall, der aus einer ver- dunnten Losung nach dem Mechanismus der Schrauben-

dislokation gewachsen ist, wesentlich groSer als die Langperiode ist [21 , 221. Die Lange eines Kristalls in Richtung der Kettenachse betragt x . L,, wobei x 2 1 ist (x = 1 gilt fur die gewohnlich getroffene Annahme, daD die Lange des Kristalls vom Typ Lk < L, in Richtung der Kettenachse gleich dem Wert fur die Langperiode ist

Der Beitrag der freien Oberflachenenergie zur molaren freien Energie der Kristalle vom Typ Lk < L, kann durch folgende Beziehung beschrieben werden:

[21-241).

Darin sind a2xLk - Volumen eines Kristalls, a - Volumen- anteil der Kristalle im kristallinen Polymer, V - Mol- volumen des kristallinen Polymers, u, und d - freie Ober- flachenenergien der Stirn- bzw. Seitenflachen an der Phasengrenze Kristall/Schmelze.

Fur Kristalle endlicher Ausdehnung, die sich im Gleich- gewicht rnit der Losung befinden, und bei T,L-Schmelzen gilt :

40 20 aAB, - aV - + -2 + aAG, = 0, a xLk (3)

wobei

(4) ABs = AH,"(T,O - T 8 L )/TS0*

Hieraus ergibt sich:

AB, = -AH,"(TS0 - TsL)/Tso + V(4o/a + 2@,/xLk). (5)

Berucksichtigt man den Beitrag innerkristalliner Defekte ( D ) zur freien Energie der Kristalle, so fuhrt dies zu folgendem Ausdruck:

A 6 1 = -AH,"(Tso-TT,L)/T,o+ V(40/a+2u,/xLk)+D. (6 )

Die Beschreibung der Abhangigkeiten der Enthalpie- anderung beim Schmelzen, des Schmelzpunktes und der Dichte von Kristallen endlicher Ausdehnung von der Lange der Kristalle i n Richtung der Kettenachse ist uber folgende Beziehungen moglich [ 2 l , 25-28] :

( 7 )

(8)

Q = - AIL. (9)

AHs = &(AH:' - 20,/L),

T,, = Tso(l - 2de/AH?o * Lk) ,

Diese Gleichungen zeigen den unbedeutenden Beitrag der GroWen 4a/a und D zur Anderung der freien Energie polymerer Kristalle endlicher Ausdehnung beim Schmelzen (og - Oberflachenenthalpie der Stirnflache, AHTO - En- thalpieanderung beim Schmelzen einer Volumeneinheit des idealen Kristalls vom Typ Lk < L,, A - Konstante, p und p; - Dichte des realen und des idealen Polymer- kristalls). Deshalb kann die Beziehung (6) in folgende Form iiberfiihrt werden:

AG, = - AHy(Tso - Ts")/Tso + V 2u,/xLk (10a) oder

= - AH~o(Tso - Tsz)/TSo + 2u,/xLk ( lob)

Darin ist AF,,, die Anderung der partiellen freien Energie bei der Losung einer Volumeneinheit der unterkuhlten Polymerschmelze.

Acta Polymerica 31 (1980) Heft 5

290 ROMANHEVIE. und FRENKEL’ : Konformationsmodifikationen und Schmelzpunktdepression der kristallinen Komponente in binaren Polymermischungen

Im realen kristallinen Polymer befinden sich Kristalle, deren Werte fur die GroSen Lk und u, um einen mittleren Wert schwanken. Eine Beriicksichtigung der Verteilung der GroDen Lk und u, an Stelle der Mittelwerte andert jedoch nichts an folgender Tatsache : Bei Berechnungen von AG1 aus Untersuchungsergebnissen an Polymerkri- stallen vom Typ Lk < L, ist das Glied 2ae/xLk, das in der Beziehung (1) fehlt, unbedingt zu berucksichtigen. Dies sol1 am Beispiel von PE-Kristallen unter Verwendung folgender Angaben demonstriert werden: XLk = 10 nm, u, = 100 erg/cm2, AHFo = 2,s - loB erg/cm, Tso = 415 K und (Tso - T s A ) = 30 K. Bei diesen Parametern sind das erste und das zweite Glied der rechten Seite der Gleichung (lob) ihrer GroSe nach vergleichbar.

Der Ausdruck ( lob) kann bei Anwendung der Beziehung (8) umgeformt werden in

AGI.0 = - AH~o(T8 - TSL)/Tao. (11)

Darin ist T, der Schmelzpunkt von Polymerkristallen ohne Losungsmittel, deren Parameter u, und x . Lk ihrer GroDe nach rnit analogen Parametern von Kristallen ubereinstimmen, die in Anwesenheit eines Losungsmittgs schmelzen. Eine korrekte Berechnung der GroDe AG1 im Temperaturbereich nahe dem Schmelzpunkt rnit und ohne Losungsmittel ist moglich, wenn die oben auf der Grundlage einer Gegenuberstellung der Kristallstruktur eines Polymers vom Typ Lk < L, und der n-Paraffine formulierte Bedingung gilt, daS die Schmelzpunktdepres- sion in Anwesenheit eines Losungsmittels fur Polymer- kristalle hestimmt werden muS, die zur gleichen kristalli- nen Konformationsmodifikation gehoren.

In der Beziehung (10) beeinflufit die GroDe von Tso das Vorzeichen von At?& nicht. Aus diesem Grund wirken sich Ungenauigkeiten bei der Bestimmung von Ta0 nicht auf die qualitativen Ergebnisse zur gegenseitigen Loslich- keit zweier Polymere in der Schmelze aus. Bei Ta0 = 400 K ruft eine Unbestimmtheit von 10 K fur den Wert von T,O eine quantitative Abweichung fur den Wert von AGl von etwa 2,5% hervor. Obwohl die Gleichheit von ue und Lk des reinen Polymers und seiner Kristalle in der Mischung mit einem Losungsmittel moglich ist (z. B. beim mechanischen Mischen zweier Polymerpulver und anschlieDender Schmelzpunktbestimmung), konnen die GroDen der Parameter ue und Lk des Polymers im Aus- gangszustand und in der Mischung bei vielen real ange- wandten Methoden zum Mischen von Polymeren unter- schiedlich sein. Deshalb ist bei Untersuchungen zur gegen- seitigen Loslichkeit von Polymeren an Hand der experi- mentell bestimmten Schmelzpunktanderung in der Mi- schung eine Kontrolle der Werte der groDen Periode des kristallinen Polymers im Ausgangszustand und in der Polymermischung notwendig. Bei nahegelegenen Werten der freien Oberflachenenergie der Stirnflache sind zur Berechnung von AG, unbedingt die Schmelzpunkte solcher Proben des Ausgangspolymers zu verwenden, deren Wert fur die groSe Periode gleich oder kleiner als beim selben Polymer in der Mischung ist. In diesem Fall ist die Schmelz- punkterniedrigung in Anwesenheit eines hochmolekularen Losungsmittels ein Nachweis fur den negativen Wert von AG,.

Der Einsatz von vorher hinsichtlich der GroDe L, des Ausgangspolymers und seiner Mischung rnit der zweiten Komponente charakterisierten Proben zur Bestimmung der Schmelzpunktdepression setzt voraus, dab die GroSen T, und TaL unter Bedingungen bestimmt werden, die eine

Veranderung der thermodynamischen Eigenschaften der Kristalle ausschlieDen. Dies kann durch die Arbeitsweise von WUNDERLICH [29] erreicht werden. Die Forderung nach einem Ausbleiben von Rekristallisations- und Reor- ganisationsprozessen sollte auch bei der Schmelzpunkt- bestimmung nach [IS, 191 erfullt sein. Die Extrapolation experimentell bestimmter Schmelzpunkte von Kristallen endlicher Ausdehnung zu T80 hin hasiert auf der Beziehung [20] :

wobei a = u,/ux, n = L/L*, Tk die Kristallisationstem- peratur, uB die freie Oberflachenenergie der Stirnflache des homogenen Keims, L* die Lange des homogenen Keims kritischer GroDe in Richtung der Kettenachse sind. Eine lineare Abhangigkeit T, von Tk ist moglich, wenn die Grofie a/2n nicht von der Kristallisationstemperatur abhangt und sich wahrend der Ermittlung von a/2n nicht andert. Die Ergebnisse der Arbeiten [8, 9, 11-16, 18-20] zeigen, daS fur ausreichend hochmolekulare Polymere die Anwendung gewohnlicher Untersuchungs- methoden des Schmelzvorgangs die Konstanz von a/2n (u,, Lk) im experimentell bestimmten Schmelzpunktbereich gesichert werden kann.

Fur die Systeme isotaktisches PP/ataktisches PP sowie Polyvinylidenfluorid/Polymethylmethacrylat sind die aus experimentellen Angaben fur T, nach Gleichung (11) berechneten Werte von AGl kleiner Null (Bild 4). Hierbei muD bemerkt werden, daS die Verwendung von Angaben uber in der Polymermischung bestimmte Schmelzpunkte der Kristalle mit einer Struktur vom Typ Lk < L, in einem weiten Konzentrationsbereich zu keinerlei wesentlicher Erhohung des absoluten Betrages von ABl im Vergleich zu den nach Tso und TsL berechneten Werten fuhrt. Offen- sichtlich ist bei diesen beiden binaren Polymermischungen der Unterschied in den GroSen XLk und u, zwischen dem Ausgangspolymer und dem in der Polymermischung kristallisierten Polymer nicht groB genug, um einen wesent- lichen EinfluB auf die GroBenordnung des absoluten Betrages und das Vorzeichen von AB, auszuuben.

91 0 0,2 4 4 0,6 4 8 LO

I I I I

-2;o 1 -2,2 L

Bild 4. Abhangigkeit von AGM vom Masseanteil (ql) des Poly- vinylidenfluorids in der Mischung mit Polymethylmethacrylat

(im Temperaturbereich von 147 bis 170 K)

Acta Polymerica 31 (1980) Heft 5 ROMANKEVIE und FRENKEL' : Konformationsmodifikationen 291 und Schmelzpunlctdepression der kristallinen Komponente in binaren Polymermischungen

4. Schmelzverhalten der Systeme Polynierlniederniolekulares Losungsmittel

Zur Beschreibung des Schmelzverhaltens von Systemen Polymer/niedermolekulares Losungsmittel [30, 311 wird eine Gleichung eingesetzt, die die Schmelzpunkterniedri- gung mit dem Volumenanteil des Polymers in der Losung und dem Charakter der Wechselwirkung des Polymers rnit dem Losungsmittel verbindet :

v2 ist der Volumenanteil des Polymers, x charakterisiert die Wechselwirkung des Polymers rnit dem Losungsmittel, VM und V , sind die Molvolumina des monomeren Gliedes bzw. des Losungsmittels, A H , ist die Enthalpieanderung beim Schmelzen (pro Mol der sich wiederholenden Glieder), R ist die Gaskonstante. Diese Gleichung wurde aus Glei- chung (1) durch Einsetzen eines Ausdrucks fur die partielle molare freie Energie des Polymers in der Losung erhalten. Daher ist die Gleichung (13) nur zur Beschreibung der Schmelzpunkterniedrigung eines idealen Kristalls un- endlicher Ausdehnung in Anwesenheit eines niedermoleku- laren Losungsmittels geeignet. Da FLORY [30] annahm, daS bei geniigend kleiner Aufheizgeschwindigkeit am Ende des Schmelzvorganges realer kristalliner Polymere das Schmelzen von Kristallen unendlicher Ausdehnung erfolgt, wurde die Gleichung (13) in einer Vielzahl von Arbeiten zur Bestimmung der GroDen AHM und x aus experimentell ermittelten Schmelzpunkten angewandt. Heute ist jedoch bekannt, daD bei einem geniigend hochmolekularen Polymer selbst bei den kleinsten experimentell zu realisierenden Aufheizgeschwindigkeiten ein Schmelzen von Kristallen endlicher Ausdehnung erfolgt [20, 32, 331. Deshalb er- scheint die Einfuhrung eines Gliedes, das die endliche Abmessung der in Anwesenheit eines Losungsmittels schmelzenden Kristalle beriicksichtigt, hinreichend be- griindet. Unter Beriicksichtigung der endlichen Abmessung der Kristalle in Richtung der Kettenachse verandert sich Gleichung (13) zu

1 1 2 0 , v , 1 _ _ - _ TSL Tso A H , * x + L k ' v

oder

Hierbei ist T, (wie auch in Gleichung (11)) der Schmelz- punkt ohne niedermolekulares Losungsmittel von Polymer- kristallen, deren Parameter be und Lk ihrer GroBe nach rnit den analogen Parametern der Kristalle iibereinstim- men, die in Anwesenheit eines Losungsmittels schmelzen. Die Auswertung von Angaben zur Schmelzpunkterniedri- gung eines Polymers in Anwesenheit eines niedermolekula- ren Losungsmittels nach FLORY und MANDELKERN [31] ist fur den Fall von Polymeren mit Kristallen vom Typ Lk < L, dann anwendbar, aenn die Kristalle des Aus- gangspolymers und die in Anwesenheit des niedermole- kularen Losungsmittels schmelzenden Kristalle zu ein und derselben kristallinen Konformationsmodifikation gehoren.

Der Faktor T,O/Ts in Gleichung (15) nahert sich eins, wenn T, unter Verwendung sehr kleiner Aufheiz- geschwindigkeiten nach FLORY und MANDELKERN be- stimmt wird. So sind z. B. auf ahnliche Weise fur lineares Polyethylen T, zu 410,5 bis 411,5 K [31] und Tso/T8 = 1,Ol (bei T, = 415 K) bestimmt worden.

In vielen Arbeiten stimmt der Wert fur AH,, erhalten aus der Schmelzpunktdepression in Anwesenheit eines niedermolekularen Losungsmittels, rnit Angaben aus anderen Methoden iiberein [31]. Diese Tatsache spricht dafiir, daD unter den Bedingungen eines geniigend lang- samen Aufheizens nach FLORY und MANDELKERN bei der Schmelzpunktbestimmung an hochmolekularen Polymer- proben im Schmelzpunktbereich eine Struktur rnit geniigend naheliegenden Parametern der kristallinen Konformations- modifikationen des urspriinglichen und des in Anwesenheit des Losungsmittels kristallisierten Polymers realisiert wird. In diesem Sinne ist die Anwendung kleiner Aufheiz- geschwindigkeiten einer der moglichen Wege zur Bestim- mung der GroSe AQ, aus Angaben zur Schmelzpunkter- niedrigung von Kristallen der Struktur vom Typ L k < L, in Polymermischungen.

5. Metastabile kristalline Zustande

Eine Untersuchung der Anwendbarkeit der Bestimmungs- methode von AQ, und AG, aus der Sc,hmelzpunktdepression in Polymermischungen fiihrt zu der SchluBfolgerung, daS die zweite zu beriicksichtigende Besonderheit von Poly- mermischungen gegeniiber niedermolekularen Systemen in der Moglichkeit besteht, daS sich das System Polymer/ Polymer in einem der vielen stabilen Zustande befindet, die durch einen Wert von AGM zwischen AGM = 0 und dGMmin < 0, das Minimum der freien Energie des Systems (der Zustand des absoluten thermodynamischen Gleich- gewichts), charakterisiert werden.

Als Beispiel eines solchen Zwischenzustandes des Sy- stems Polymer/Polymer mit 0 > AGMt > AGMmin kann eine Polymermischung mit einer Ubergangs- oder diffusen Schicht, die sich auf Grund der gegenseitigen Loslichkeit der Makromolekiile bildet, dienen [34]. Die Dauer des Losungsprozesses in einer Polymermischung mit minde- stens einer kristallisierenden Komponente kann kleiner, vergleichbar oder groSer als die Dauer des Experiments zur Bestimmung des Schmelzpunktes sein [35]. Im letzt- genannten Fall ist das System Polymer/Polymer unge- achtet dessen, daS im Zustand des absoluten thermodyna- mischen Gleichgewichts A GMmin < 0 gilt, hinsichtlich des wechselseitigen Losungsprozesses im Temperaturbereich nahe T, metastabil, und sein Verhalten beim Schmelzen ist vom Verhalten eines thermodynamisch stabilen Systems rnit dGM 2 0 nicht zu unterscheiden. Der im Experi- ment bestimmte Schmelzpunkt der kristallinen Komponente in der Mischung wird dem Schmelzpunkt Gerselben Komponente im reinen Zustand entsprechen. Aus diesem Grunde kann das Ausbleiben einer Schmelzpunkterniedri- gung der kristallisierenden Komponente in der Poly- mermischung nicht als eindeutiges Anzeichen einer fehlen- den gegenseitigen Loslichkeit des untersuchten Polymer- paares in der Schmelze gewertet werden.

Erkennt man die Moglichkeit der zeitlichen Stabilitat verschiedener Zustande der Polymermischung (meta- stabil untereinander und hinsichtlich des absoluten ther- modynamischen Gleichgewichts) an, so fiihrt dies, wenn man konsequent ist, zu der SchluBfolgerung, daS der Beweis einer thermodynamischen Unvertraglichkeit von

Acta Polymerica 31 (1980) Heft 5

292 ROMANKEVI~ und FRENKEL’ : Konformationsmodifikationen und Schmelzpunktdepression der kristallinen Komponente in binaren Polymermischungen

Polymeren in binaren Systemen mit Hilfe indirekter Methoden, die auf der Unveranderlichkeit der Glastem- peratur oder anderer Eigenschaften der Komponenten im Vergleich zu den Eigenschaften der Ausgangspolymere oder auf Strukturheterogenitaten und der Trubheit der Polymermischung beruhen, nicht als eindeutig angesehen werden kann. Die zu untersuchende Mischungsprobe kann sich unter den Bedingungen des Experiments in einem metastabilen Zustand hinsichtlich des gegenseitigen Lo- sungsprozesses befinden.

Deshalb ist bei der Bestimmung thermodyamischer Parameter des gegenseitigen Losungsprozesses in einer Polymermischung nach Angaben zur Schmelzpunkt- erniedrigung einer der Komponenten unbedingt folgendes zu berucksichtigen : 1) die Existenzmoglichkeit sich in der molaren freien Energie der Kristalle unterscheidender kristalliner Konformationsmodifikationen der Polymere; 2) die Moglichkeit, daB sich das System Polymer/Polymer in einem der vielen stabilen Zustande befindet, wobei der in diesem oder jenem ProzeB erreichte stabile Zustand der Polymermischung nicht unbedingt mit dem Zustand des absoluten thermodynamischen Gleichgewichts uber- einstimmt.

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