,,komische wissenschaftler in einem dunklen raum‘‘

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B˛rsen-Zeitung Zeitung fˇr die Finanzmärkte Ausgabe 49 vom 12.03.2014, Seite 11 CEBIT – IM GESPRÄCH: UWE WEISS ,,Komische Wissenschaftler in einem dunklen Raum‘‘ Blue Yonder sucht fˇr Unternehmen nach Mustern in großen Datenmengen – CEO des Karlsruher Start-ups spricht Jungunternehmern in Deutschland Mut zu Von Stefan Paravicini, Hannover ....................................................... B˛rsen-Zeitung, 12.3.2014 Auf der Cebit ist Blue Yonder nicht mit einem eigenen Stand vertreten. Das bestimmende Thema auf der Leistungsschau der IT- und Telekom- munikationsbranche in Hannover, der nˇtzliche Umgang mit großen Datenmengen (,,Big Data‘‘), ist dem Softwareunternehmen aus Karlsru- he aber auf den Leib geschneidert. ,,Wir waren im Geschäft mit daten- getriebener Software frˇh dabei, ha- ben immer daran geglaubt und sind heute sehr gut positioniert‘‘, sagt Fir- menchef Uwe Weiss im Gespräch mit der B˛rsen-Zeitung. In Hannover diskutierte er unter anderem mit Vertretern der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Aca- tech) und Experten von Accenture ˇber ,,internetbasierte Dienste fˇr die Wirtschaft‘‘. Michael Otto investiert Anders als mancher Wettbewerber aus dem Silicon Valley habe das Un- ternehmen fˇr seine Dienste bereits reale Kunden, die mit der Software von Blue Yonder viel Geld sparen, sagt Weiss. Die mittlerweile gut 100 Mitarbeiter – mehr als die Hälfte da- von sind promovierte Naturwissen- schaftler – arbeiten dazu an Model- len, mit denen Blue Yonder in Kun- dendaten Muster erkennen und ge- stˇtzt darauf Vorhersagen machen kann. Sie sollen den Unternehmen helfen, bessere Entscheidungen zu treffen. Im vergangenen Turnus ka- men damit gut 10 Mill. Euro Umsatz zusammen. In den nächsten Jahren will das Unternehmen die Erl˛se je- weils verdoppeln. Bei dem 2008 von Forschern der Organisation fˇr Kernforschung (Cern) gegrˇndeten Unternehmen ist Michael Otto, frˇ- her Vorstandsvorsitzender und heute Aufsichtsratsvorsitzender der Otto Group, als Investor engagiert. Als der Grˇnder Michael Feindt – der heute neben seiner Lehrtätigkeit am Karlsruher Institut fˇr Technolo- gie als Chief Scientific Advisor von Blue Yonder fungiert – Mitte der Nullerjahre begonnen hatte, die während seiner Forschungstätigkeit am Cern entwickelten Algorithmen fˇr kommerzielle Zwecke zu nutzen, habe es noch keinen Markt fˇr da- tengetriebene Software gegeben. ,,Komische Wissenschaftler in einem dunklen Raum, die etwas tun, was Unternehmen Vorteile bringt‘‘, seien sie gewesen, erinnert sich Weiss. Mit der Verfˇgbarkeit von mehr Daten, deren Speicherung und Verarbei- tung gˇnstiger wurden, seien diese Vorteile in den Unternehmen immer stärker in den Vordergrund gerˇckt. Wahrscheinliche Vorhersage ,,Fast jedes Unternehmen m˛chte wissen, was in der Zukunft passiert‘‘, sagt Weiss. In diesem Feld, Predicti- ve Analytics, spielt Blue Yonder nach eigener Einschätzung heute in der ersten Liga und auf H˛he der eben- falls spezialisierten Wettbewerber aus dem Silicon Valley. Natˇrlich weiß auch das Karlsruher Start-up nicht, was in der Zukunft geschehen wird. Die Softwareingenieure und Naturwissenschaftler von Blue Yon- der kommen mit ihren Methoden aber zu sehr wahrscheinlichen Vor- hersagen, die Entscheidungen auto- matisierbar machen. ,,Auf Basis von extrem guten Vorhersagen das Ge- schäft planen‘‘, lautet das Angebot. Zum Einsatz kommt Blue Yonder et- wa im Qualitätsmanagement von in- dustriellen Prozessen, in der Absatz- planung von Handelsunternehmen oder bei der Vorhersage von Energie- preisen fˇr die Planung von Produk- tionskapazitäten. Auch bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen ge- be es großes Interesse, weil sich die Einsatzm˛glichkeiten direkt in Euro auszahlten. Nach Umfragen des Marktfor- schers Forrsights nutzen Unterneh- men derzeit nur etwas mehr als ein Zehntel der intern verfˇgbaren Da- ten. Nur etwa ein Fˇnftel setzt dabei Vorhersageinstrumente nach dem Vorbild von Blue Yonder ein. Der Ge- samtmarkt fˇr datengetriebene Soft- ware wird nach Einschätzung von Marktbeobachtern aber schon in den nächsten beiden Jahren auf mehr als 6 Mrd. Dollar zulegen. Auch der Branchenverband Bit- kom hofft auf Impulse durch Big Da- ta. Erst jedes zehnte Unternehmen in Deutschland setzt nach einer Umfra- ge des Verbandes Produkte fˇr den Umgang mit großen Datenmengen ein. Fast ein weiteres Drittel habe aber bereits konkrete Pläne, entspre- chende Analyseinstrumente einzu- setzen. Noch einmal knapp 30 % dis- kutieren ˇber die M˛glichkeiten von solchen Instrumenten. Im laufenden Jahr rechnet der Verband mit Bran- chenumsätzen in der Gr˛ßenord- nung von 6 Mrd. Euro rund um Big Data. Die Deutsche Bank kommt in ID: 2014049068

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Blue Yonder sucht fˇr Unternehmen nach Mustern in groÞen Datenmengen  CEO des Karlsruher Start-ups spricht Jungunternehmern in Deutschland Mut zu.

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Page 1: ,,Komische Wissenschaftler in einem dunklen Raum‘‘

B˛rsen-ZeitungZeitung fˇr die Finanzmärkte Ausgabe 49 vom 12.03.2014, Seite 11

CEBIT – IM GESPRÄCH: UWE WEISS

,,Komische Wissenschaftler ineinem dunklen Raum‘‘

Blue Yonder sucht fˇr Unternehmen nach Mustern in großen Datenmengen – CEO desKarlsruher Start-ups spricht Jungunternehmern in Deutschland Mut zu

Von Stefan Paravicini, Hannover.......................................................

B˛rsen-Zeitung, 12.3.2014Auf der Cebit ist Blue Yonder nichtmit einem eigenen Stand vertreten.Das bestimmende Thema auf derLeistungsschau der IT- und Telekom-munikationsbranche in Hannover,der nˇtzliche Umgang mit großenDatenmengen (,,Big Data‘‘), ist demSoftwareunternehmen aus Karlsru-he aber auf den Leib geschneidert.,,Wir waren im Geschäft mit daten-getriebener Software frˇh dabei, ha-ben immer daran geglaubt und sindheute sehr gut positioniert‘‘, sagt Fir-menchef UweWeiss imGesprächmitder B˛rsen-Zeitung. In Hannoverdiskutierte er unter anderem mitVertretern der Deutschen Akademieder Technikwissenschaften (Aca-tech) und Experten von Accentureˇber ,,internetbasierte Dienste fˇrdie Wirtschaft‘‘.

Michael Otto investiert

Anders als mancher Wettbewerberaus dem Silicon Valley habe das Un-ternehmen fˇr seine Dienste bereitsreale Kunden, die mit der Softwarevon Blue Yonder viel Geld sparen,sagt Weiss. Die mittlerweile gut 100Mitarbeiter – mehr als die Hälfte da-von sind promovierte Naturwissen-schaftler – arbeiten dazu an Model-len, mit denen Blue Yonder in Kun-dendaten Muster erkennen und ge-stˇtzt darauf Vorhersagen machenkann. Sie sollen den Unternehmenhelfen, bessere Entscheidungen zutreffen. Im vergangenen Turnus ka-men damit gut 10Mill. Euro Umsatzzusammen. In den nächsten Jahrenwill das Unternehmen die Erl˛se je-weils verdoppeln. Bei dem 2008 vonForschern der Organisation fˇrKernforschung (Cern) gegrˇndetenUnternehmen ist Michael Otto, frˇ-her Vorstandsvorsitzender undheute Aufsichtsratsvorsitzender derOtto Group, als Investor engagiert.Als der Grˇnder Michael Feindt –

der heute neben seiner Lehrtätigkeitam Karlsruher Institut fˇr Technolo-gie als Chief Scientific Advisor vonBlue Yonder fungiert – Mitte derNullerjahre begonnen hatte, diewährend seiner Forschungstätigkeitam Cern entwickelten Algorithmen

fˇr kommerzielle Zwecke zu nutzen,habe es noch keinen Markt fˇr da-tengetriebene Software gegeben.

,,Komische Wissenschaftler in einemdunklen Raum, die etwas tun, wasUnternehmen Vorteile bringt‘‘, seiensie gewesen, erinnert sich Weiss. Mitder Verfˇgbarkeit von mehr Daten,deren Speicherung und Verarbei-tung gˇnstiger wurden, seien dieseVorteile in den Unternehmen immerstärker in den Vordergrund gerˇckt.

Wahrscheinliche Vorhersage

,,Fast jedes Unternehmen m˛chtewissen, was in der Zukunft passiert‘‘,sagt Weiss. In diesem Feld, Predicti-ve Analytics, spielt Blue Yonder nacheigener Einschätzung heute in derersten Liga und auf H˛he der eben-falls spezialisierten Wettbewerberaus dem Silicon Valley. Natˇrlichweiß auch das Karlsruher Start-upnicht, was in der Zukunft geschehenwird. Die Softwareingenieure undNaturwissenschaftler von Blue Yon-der kommen mit ihren Methodenaber zu sehr wahrscheinlichen Vor-hersagen, die Entscheidungen auto-matisierbar machen. ,,Auf Basis vonextrem guten Vorhersagen das Ge-schäft planen‘‘, lautet das Angebot.Zum Einsatz kommt Blue Yonder et-wa im Qualitätsmanagement von in-dustriellen Prozessen, in der Absatz-

planung von Handelsunternehmenoder bei der Vorhersage von Energie-preisen fˇr die Planung von Produk-

tionskapazitäten. Auch bei kleinenund mittelgroßen Unternehmen ge-be es großes Interesse, weil sich dieEinsatzm˛glichkeiten direkt in Euroauszahlten.Nach Umfragen des Marktfor-

schers Forrsights nutzen Unterneh-men derzeit nur etwas mehr als einZehntel der intern verfˇgbaren Da-ten. Nur etwa ein Fˇnftel setzt dabeiVorhersageinstrumente nach demVorbild von Blue Yonder ein. Der Ge-samtmarkt fˇr datengetriebene Soft-ware wird nach Einschätzung vonMarktbeobachtern aber schon inden nächsten beiden Jahren aufmehr als 6Mrd. Dollar zulegen.Auch der Branchenverband Bit-

kom hofft auf Impulse durch Big Da-ta. Erst jedes zehnte Unternehmen inDeutschland setzt nach einer Umfra-ge des Verbandes Produkte fˇr denUmgang mit großen Datenmengenein. Fast ein weiteres Drittel habeaber bereits konkrete Pläne, entspre-chende Analyseinstrumente einzu-setzen. Noch einmal knapp 30% dis-kutieren ˇber die M˛glichkeiten vonsolchen Instrumenten. Im laufendenJahr rechnet der Verband mit Bran-chenumsätzen in der Gr˛ßenord-nung von 6Mrd. Euro rund um BigData. Die Deutsche Bank kommt in

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einer aktuellen Studie zu etwas kon-servativeren Werten (siehe Grafik),auch die Analysten von DeutscheBank Research sehen das Themaaber als Milliardenmarkt.,,Hier k˛nnen sich noch hundert

Start-ups in Deutschland grˇnden‘‘,sagt Weiss, der sich auch pers˛nlichin der Grˇnderszene engagiert.Zwar sei es in Deutschland schwererals im Silicon Valley, mit einem Soft-wareunternehmen erfolgreich zusein, nicht zuletzt weil Großkundenhierzulande nur sehr z˛gerlich eineIdee von einem jungen Unterneh-

men ausprobieren und der Schrittin den innovationsfreundlicherenUS-Markt ein großer ist. ,,Kurs hal-ten, Mut nicht verlieren‘‘, rät Weissden Jungunternehmern in deut-schen Softwareclustern. Noch fehlees an erfolgreichen Rollenmodellen,die die Top-Talente fˇr die Grˇnder-szene in Deutschland begeistern.

IPO in weiter Ferne

Blue Yonder traut Weiss zu, irgend-wann auch mit einem erfolgreichen

B˛rsengang ein Vorbild fˇr die deut-sche Start-up-Szene abzugeben.Doch anders als bei der Frage einesm˛glichen Initial Public Offeringvon Blue Yonder – Wagniskapitalge-ber aus dem Silicon Valley stehen inKarlsruhe Schlange – drängt fˇrNachahmer und ihre Ideen rund umdatengetriebene Unternehmenssoft-ware die Zeit. ,,Und wer will bei die-sem Thema, das fˇr den Industrie-standort enorme Bedeutung hat,dem Silicon Valley ernsthaft 90%des Marktes ˇberlassen?‘‘

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