kleben statt klammern oder nageln

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HOLZTAFELBAU

Kleben statt klammern oder nagelnEine neuartige Schnellklebtechnik bietet im Fertighausbau spezifische wirtschaftliche und technische Vorteile gegenüber herkömmlicher Klebtechnik im tragenden Holzbau. Sie könnte sogar die weit verbreitete Nagel- oder Klammertechnik zum Verbinden von Holzrahmen zur Beplankung und speziell der Beplankungsplatten untereinander sinnvoll ergänzen und eine stabilere Bauweise ermöglichen.

Dr. Andreas Zillessen, Dipl.-Chem.

Maria Brodel, Dipl.-Ing. Gregor Wisner,

Dr. Fabian Fischer, Prof. Klaus Dilger

Im Fertighausbau dominiert die Holz-tafelbauweise mit Rahmenkonstruk-tionen aus Kanthölzern (Fichte oder

Kiefer) mit angefügter Beplankung aus verschiedenen Plattenwerkstoffen. Gan-ze Wand- oder Deckenmodule werden im Werk vorgefertigt, auf LKW verla-den und auf der Baustelle in kurzer Zeit zum fertigen Rohbau zusammengesetzt. Die Plattenwerkstoffe (Spanplatten, ze-mentgebundene Spanplatten oder OSB-

Platten) werden heute hauptsächlich geklammert oder genagelt, obwohl die Verwendung von ausschließlich mecha-nischen Fügetechniken die Konstruk-tion beispielsweise in Bezug auf die Brei-te der Rippenabstände einschränken und in Bezug auf die Gesamtsteifigkeit der Tafelkonstruktion nachteilig sein können. Der Einsatz von Klebtechnik bietet Ansätze für deutlich steifere Kon-struktionen oder reduzierten Material-aufwand bei gleichzeitig erhöhter Erd-bebensicherheit, wenn die Anforderun-gen des tragenden Holzbaus hinsichtlich ihrer Zulassungspflicht erfüllt werden.

Ziel eines laufenden Projektes der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) ist es, eine neue Methode zu ent-wickeln, die es ermöglicht, einfach ap-plizierbare einkomponentige Klebstoff-systeme als konduktiv elektrisch er-wärmbares Klebebandhalbzeug in der Fertigung von Holztafelbauelementen zu verwenden (Bild 1).

Der Einsatz von nur linienartig durch Wärme zu aktivierenden Kle-bebändern könnte zudem die Verwen-dung großflächiger Heizpressen ver-meiden, da die Wärme zum Härten der Klebstoffe nur noch dort erzeugt wird,

Bild 1: Klebeband aus Metallband und Klebstoffbeschichtung zur konduktiven Banderwärmung (links), Prinzip der Anordnung von Klebebändern in der Holztafel (rechts)

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wo sie benötigt wird (Klebfuge) und die Tafel ansonsten bei Umgebungstempe-ratur gepresst werden kann. Eine weite-re für die Hersteller von Holztafelkonst-ruktion interessante Anwendung ist die Schmalflächenklebung der Beplankung als Stumpfstoß. Hier könnte auch erst-mals die Beplankung strukturell durch Kleben gefügt werden. Die Stumpfstöße würden keine Unterlattung durch Kant-hölzer benötigen, was die freie Wahl der Rahmenkonstruktion erleichtern und den Verschnitt bei den Beplankungs-platten deutlich reduzieren würde. Aus den typischerweise fünf bis sieben Ein-zelsegmenten der Beplankung könnte bemessungstechnisch eine einzige gro-ße Platte mit den Abmessungen von ca. 12 m x 3 m entstehen, die deutlich bie-ge- und torsionssteifer ausfällt als her-kömmlich geklammerte Tafeln.

Materialauswahl und ExperimentellesAls Klebstoffe für das neuartige Klebe-band wurden verschiedene teils nachver-netzbare Hotmelt-Klebstoffe auf ihre Ei-genschaften bei der Holzklebung einer-seits und der ausreichenden Haftung auf den metallischen Bändern andererseits untersucht. PUR-Hotmelts, PUR-Klebdi-spersionen und Co-Polyamide kamen in die engere Wahl. Zusätzlich wurden die Klebstoffe chemisch und physikalisch charakterisiert. Basierend auf den Ergeb-nissen wurden einige Klebstoffe ausge-wählt, die auf Metallbänder oder geloch-te Strukturen wie Streckmetalle oder Drahtgewebe als Trägermaterial appli-ziert wurden. Geeignete metallische Trä-germaterialien bestehen aus sehr dünn auswalzbaren Bändern, Blechen oder Drahtgeweben (Blech- oder Drahtdicken ca. 0,1 mm). Es wurden (Edel-)Stähle, (Rein-)Aluminium und Kupfer sowie ver-schiedene Messinge untersucht und de-ren Erwärmungsverhalten mit verschie-denen elektrischen Stromquellen sowie Stromarten (Wechselstrom mit Netzfre-quenz 50 Hz und sogenannte Mittelfre-

quenzen zwischen 10 und 30 kHz) aufge-zeichnet. Weiterhin wurden die Benetz-barkeit und die Haftung verschiedener Klebbeschichtungen auf den Metallen untersucht.

Mit den ausgewählten Beschichtun-gen wurden Holzklebungen mit konduk-tiv erwärmten Klebfugen zunächst auf Buchenholz und für Kantenstumpfstoß-klebungen auf Spanplatten und OSB-Platten durchgeführt.

Die Klebproben-Prüfungen erfolgten nach Absprache mit dem projektbeglei-tenden Ausschuss, der als Industriear-beitskreis das Forschungsprojekt fach-lich unterstützt, entsprechend der Anfor-derung im tragenden Holzbau nach EN 15425 für 1K-PUR Klebstoffe. Dabei stan-den die Behandlungen gemäß EN 302-1 nach A1 (7 Tage 20 °C / 65 % rel. F., Zug-prüfung „trocken“) und A4 (6 h Koch-wasserlagerung plus 2 h Kaltwasserla-gerung, Zugprüfung „feucht“) im Mit-telpunkt. Buchenholzbrettchen (Dicke 5 mm) wurden vollflächig geklebt und daraus Scherzugprüfkörper nach EN 302-1 hergestellt. Aus Kantenstoßkle-bungen mit Spanplatten und OSB-Platten wurden Zugprüfkörper und Blockscher-Prüfkörper gefertigt, um das Festig-keits- und Bruchverhalten zu ermitteln.

Erste ErgebnisseUm zunächst die Eignung verschiede-ner Schmelzklebstoffe (Hotmelts) für die Holzklebung im Vergleich zu den Anfor-derungen für tragende Klebungen zu un-tersuchen, wurden zwei feuchtigkeitsver-netzende PUR-Hotmelts, eine reaktive PUR-Dispersion, ein mit IPDI thermisch vernetzender Hotmelt und ein nicht re-aktiver Co-Polyamid-Hotmelt auf Bu-chenholz geprüft. Außer bei der PUR-Dispersion wurde auch der Einfluss der Klebschichtdicke auf die Festigkeit er-mittelt. Zusätzlich wurden bei verschie-denen Schichtdicken Kochwasserlage-rungen der Prüfkörper gemäß EN 302-1 A4 vor der Prüfung durchgeführt, um die Beständigkeit der Klebung zu ermit-

teln. Mit den am besten geeigneten Kleb-stoffen konnten Trockenfestigkeiten von 15,5 N/mm² und Kochwasserbeständig-keiten von 7,9 N/mm² erzielt werden. Ei-ne mikroskopische Untersuchung des Eindringverhaltens und der Benetzung der Holzfügeteile durch die Klebstoffe zeigte, dass viele der Hotmelts wenig ins Holz eindringen, was das oft beobachtete adhäsive Versagen der Klebstoffe erklärt.

Die Festigkeiten sind jedoch auch stark abhängig von den Schichtdicken der Klebungen und fallen bei Schichtdi-cken über 1 mm auf ca. 40 Prozent der Werte von dünnen Klebfugen im Bereich von 0,1 mm ab. Bei Holz als naturgewach-senen Werkstoff müssen Maßtoleranzen einkalkuliert werden, die sich in unter-schiedlichen Klebfugendicken auswir-ken. Die neuartigen Klebebänder benö-tigen daher eine ausreichende Klebstoff-auflage, um die Spaltüberbrückbarkeit zu gewährleisten. Die Struktur des metalli-schen Trägers als gelochtes Streckmetall oder Drahtgitter kann diese Fähigkeit zur Spaltüberbrückbarkeit zusätzlich unter-stützen und den Festigkeitsabfall in di-cken Klebfugen durch ein Einprägen in die Holzoberfläche kompensieren.

Die Herstellung doppelseitiger Klebe-bänder aus den Hotmelts auf verschiede-nen metallischen Trägern erfolgte mittels verschiedener Verfahren wie Lamellie-rung und Pulvertechnik. Die Beschich-tungsergebnisse erwiesen sich je nach Methode als unterschiedlich reprodu-zierbar. So konnten Applikationen von Hotmelts in Folienform und Pulverform sehr gut reproduzierbar in unterschied-lichen Schichtstärken von 126 g/m² bis 260 g/m² pro Seite hergestellt werden. Nach Produktion verschiedener Verbund-klebebänder wurden Buchenbretter ge-klebt, wobei die Erwärmung der Kleb-schicht ausschließlich konduktiv erfolgte.

Die konduktive Widerstandserwär-mung durch Erzeugung von Coulomb-scher Wärme am stromdurchflossenen Leiterquerschnitt wurde in verschiede-nen Kombinationen aus Metallen, band-

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förmigen Querschnitten und Stromar-ten untersucht. Dabei kamen dünn aus-walzbare Metalle (Größenordnung 0,1 mm Blech- oder Drahtstärke) auf Stahl-, Aluminium- und Kupferbasis zum Ein-satz, die einen möglichst ausgewogenen Kompromiss aus spezifischem elektri-schen Widerstand und Stromtragfähig-keit in den Abmessungen einer typischen Holztafel darstellen können. Ziel der Un-tersuchung war eine möglichst schnelle Erwärmung auf den optimalen Tempera-turbereich zwischen 150 °C und 180 °C ohne starkes Überschwingen der Tempe-ratur bei möglichst homogener Tempera-turverteilung an der gesamten Oberflä-che des Klebebandes während der Hal-tephase. Dabei sollte aus Gründen des elektrischen Berührschutzes mit Klein-spannungen bei hohen Strömen gearbei-tet werden. Überall verfügbarer industri-eller Wechselstrom mit Netzfrequenz (50 Hz) wurde neben höherfrequenten Wech-selströmen im Mittelfrequenzbereich (10 bis 30 kHz) zur Untersuchung des Ein-flusses von Skineffekten eingesetzt. Ei-ne starke Frequenzabhängigkeit konn-te bei den Mittelfrequenz-Experimenten beobachtet werden, niedrige Frequenzen um 10 kHz erzielten die höchsten Heiz-

raten, wobei für die Temperaturregelung auch aus Sicherheitsgründen ausreichend schnell reagierende Messmethoden noch weiter untersucht werden müssen. Kon-ventionelle berührungslose Temperatur-messmethoden (z. B. Pyrometer) erwei-sen sich innerhalb der Holzfuge wegen fehlender Zugänglichkeit als schwierig. Thermoelementmessungen können nur mittelbar die tatsächlichen Temperaturen in der Klebfuge erfassen, da sie wegen der hohen Ströme im Klebeband galvanisch getrennt (elek trisch isoliert) sein müssen.

Mit einigen Verbundklebebändern konnten sehr gute Klebungen bei kur-zen Erwärmungszeiten erzielt werden. In abgestuften Erwärmungsversuchen (Variation der Haltezeit der Tempera-tur nach Erreichen des Zieltemperatur-bereichs zwischen 150 °C und 180 °C) wurden völlig ausreichende Festigkei-ten schon nach nur 60 Sekunden Halte-zeit (der Temperatur) ermittelt.

Die so geklebten Proben wurden zu Prüfkörpern in Anlehnung an EN 302-1 geschnitten und im Zugscherversuch nach Lagerung im Normklima (20 °C, 65 % rel. Luftfeuchte) und nach Koch-wasserlagerung geprüft. Einige der ver-wendeten Klebstoffsysteme erscheinen

sehr gut geeignet, Holz und Holzwerk-stoffe sehr schnell zu kleben. Es konn-te gezeigt werden, dass sich sehr gute Scherfestigkeiten über den normativ ge-forderten 10 N/mm² mit konduktiv ge-klebten Proben erreichen lassen. Von den untersuchten metallischen Trägern fielen die Ergebnisse mit verschiedenen Messingsorten (CuZn15 und CuZn37) bisher am besten aus. Hier stehen noch weitere Versuche mit Aluminium und Edelstahl aus. Kupfer erwies sich als ungeeignet für diese Technik und stellt auch vom Materialpreis her die teuers-te Lösung dar. Auftragsmengen von ≈ 160 g/mm² sind ausreichend bei der Klebung von Buchenvollholz. Teilwei-se kam es durch zu starke Erwärmung des Holzes zur leichten Verkohlung und Schwächung des Fügeteils. Das Ver-sagensbild zeigte meist 100 % Holz-bruch oder adhäsives Versagen auf dem Metall. Adhäsives Versagen auf dem Holz oder kohäsives Versagen des Kleb-stoffs wurden gar nicht beobachtet (sie-he Bild 2). Mikro skopisch lässt sich nachweisen, dass einige Hotmelts im Vergleich zum Heißverpressen die Holz-struktur in der Klebfuge bei kondukti-ver Erwärmung deutlich besser benet-

Bild 2: Zugscherprüfkörper aus Buche, geklebt durch konduktive Banderwärmung mit einem Klebeband aus Messingblech mit Hotmelt-Beschichtung (links), Schliff der Klebfuge (Mikroskopie-Bild rechts)

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zen. Gleichwohl zeigten sich noch Haf-tungsprobleme auf einigen metallischen Trägern nach den für Klebstoffe generell sehr ungünstigen Wasser- und Koch-wasserlagerungen. An dieser Stelle sind noch weitere Arbeiten im laufenden Vor-haben hinsichtlich einer Vorbehandlung der metallischen Seite vor der Klebstoff-beschichtung erforderlich.

Neben Buchenholzklebungen erfolg-ten auch Schmalflächenklebungen mit OSB- und Spanplatten. Auch hier wurde die Erwärmung der Hotmelts rein kon-duktiv durch den metallischen Leiter er-reicht. Zugprüfungen an schmalflächen-geklebten OSB-Platten und Spanplatten lieferten Festigkeitswerte, die den Fes-tigkeiten der Platten entsprechen. Alle Proben versagten im Fügeteil und nicht in der Klebung. Auch bei Blockscherprü-fungen an konduktiv geklebten OSB wur-den die Festigkeiten der Platten erreicht und Versagen im Fügeteil beobachtet. Klebstoffmengen von 126 g/m² und Hal-tezeiten von 60 s sind ausreichend. Die Art des metallischen Trägers hat einen signifikanten Einfluss auf die Gesamt-festigkeit.

Ausblick Neben der Entwicklung von Klebebän-dern in Form von Halbzeugen ist auch

eine Prozessoptimierung für die beiden Stoßarten geplant. Weiterhin sollen Un-tersuchungen bei Variation der folgen-den Parameter unternommen werden:

● Klebstoff und Metall: Vernetzungs-dichte, Haftung und notwendiger Anpressdruck

● Stromquellen und Stromarten mit dem Ziel einer möglichst homoge-nen Temperaturverteilung ohne ge-fährliche Hotspots (Verkohlungsge-fahr) in der Klebfuge.

Den Abschluss dieses Projekte bilden Fes-tigkeits- und Beständigkeitsprüfungen an geklebten Modell-Holztafeln aus Na-delholzrippen (Fichte, Kiefer) und Holz-werkstoffplanken (OSB, Spanplatten). ¢

DankDas IFS und das WKI danken den Mitgliedern

des projektbegleitenden Ausschusses für ihr

großes Interesse und die vielfältigen Hinwei-

se. Das IGF-Vorhaben Nr. 17.311 N der For-

schungsvereinigung Internationaler Verein

für technische Holzfragen (iVTH) wird über die

AiF im Rahmen des Programms zur Förderung

der Industriellen Gemeinschaftsforschung

(IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft

und Technologie aufgrund eines Beschlusses

des Deutschen Bundestages gefördert. Die Ver-

fasser bedanken sich ausdrücklich für diese

Unterstützung.

Bild 3: Stumpfstoßklebung von OSB-Platten durch konduktive Banderwärmung mit einem Klebeband aus Messingblech mit Hotmelt-Beschichtung (links), Schliff der Klebfuge (Mikroskopie-Bild rechts)

Die Autoren

Dr. Andreas Zillessen

(Tel. 0531 2155 206, andreas.zil-

[email protected]) ist Pro-

jektmanager für den Bereich Kleb-

stoffforschung im Fachbereich

Qualitätsprüfung und -bewertung

am Fraunhofer Institut für Holzfor-

schung (Wilhelm Klauditz Institut –

WKI) in Braunschweig.

Dipl.-Chem. Maria Brodel

ist im Bereich Klebstoffforschung

im Fachbereich Qualitätsprüfung

und -bewertung des Fraunhofer

WKI tätig.

Dipl.-Ing. Gregor Wisner

(Tel. 0531 391 7850, g.wisner@

tu-braunschweig.de) ist wissen-

schaftlicher Mitarbeiter am Insti-

tut für Füge- und Schweißtechnik

(IFS) der Technischen Universität

Braunschweig.

Dr. Fabian Fischer

leitet die Abteilungen Klebtechnik

und Faserverbund am IFS.

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus Dilger

leitet seit 2002 das Institut für

Füge- und Schweißtechnik der

TU Braunschweig.

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