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Jrgen Pudenz

Die Entstehungsgeschichte des Jenaer APQ-Objektivs1 Was ist ein APQ-Objektiv? Das APQ-Objektiv ist ein apochromatisches Fernrohrobjektiv fr die direkte Beobachtung, dessen 3 Linsen durch ein spezielles Ol miteinander verbunden sind, wobei die Mittellinse aus dem Kristall Kalziumfluorid bestellt und zwischen 2 Kronglaslinsen eingebet tet ist. Bild 1 zeigt den optischen Aufbau. Das Besondere an diesem Objektiv ist seine apochromatische Korrektion - es weist praktisch keine Farbfehler auf, trotz kurzer Brennweite. Jahrzehnte zuvor war

das Erreichen der Farbfehlerfreiheit das stets angestrebte, aber nie ganz zufriedenstellend erreichte Ziel der Fernrohrobjektiventwicklung gewesen. Schrittweise wurden Verbesserungen erreicht. Im nchsten Abschnitt werden die wichtigsten Vorlufer des APQ-Objektivs vorgestellt. 2 Die historischen Fernrohrtypen Fr die professionellen und die Amateurastronomen bot die Firma Carl Zeiss Jena in der Vergangenheit verschiedene Fernrohre -an, die sich nach Objektivdurchmesser D, Brennweite f und Objektivtyp unterschieden. Im Katalog ASTRO30 Astronomische Instrumente von 1922 findet man die Grundtypen E, A und B fr die direkte Beobachtung, spter kamen die AS-Objektive hinzu: E-Objektive. Dies sind 2-linsige Objektive Fraunhofers eher Bauart mit einem Luftspalt zwischen der Krn- und der Flintlinse und der Blendenzahl f/D = 15. Die Objektive enthielten keine Spezialglser

Bild 1: Optischer Aufbau des APQ 100/1000 Objektives

und wurden zu dieser Zeit bis 500 mm Durchmesser im Katalog angeboten. Fr groe Sternwarten sind E-Objektive mit 650 mm Durchmesser und f/D= 16 hergestellt worden. Es wurden zum Beispiel die Glser BK7 und F2 verwendet. .\-Objektive. Bei diesen 2-linsigen Objektiven mit Luftspalt kamen als Spezialglser BaLK3 und KzF2 zur Anwendung, um den Farblngsfehler stark zu verringern, deshalb wurden sie als Apochromate bezeichnet. Im Katalog sind sie bis 200 mm Durchmesser aufgefhrt bei einem Verhltnis f/D = 17,5. B-Objektive. Sie wurden von Dr. Albert Knig entwickelt und enthalten drei durch Luftspalte getrennte Linsen. Durch den Einsatz der Spezialglser BaLF4, KzF2 und K7 entstanden perfekte Apochromate mit einer Blendenzahl f/D= 15. Im Katalog ASTRO30 sind sie bis zum Durchmesser 200 mm aufgelistet. In der Druckschrift ASTRO541 Neue astronomische Gerte von 1938 wurden die B-Objektive sogar mit 250 mm Durchmesser bei Blendenzahl 18 angeboten. Leider ist die Fertigung eines B-Objektivs mit sehr groem Aufwand verbunden. Wegen der starken Brechkrfte der Einzellinsen reagiert es sehr empfindlich auf Dezentrierung und Abstandsnderung seiner Linsen. Damit die berechnete Abbildungsleistung erreicht wird, ist es erforderlich, die Glasbrechzahlen mit hchster Genauigkeit zu messen. AS-Objektive. Etwa ab 1923 begann Dr. August Sonnefeld in Jena einen Objektivtyp zu berechnen, der technologisch kostengnstig zu fertigen war. Es entstand das 2-linsige AS-Objektiv mit den Glasarten KzF2 und BK7. Mit seinem gnstigeren Verhltnis f/D= 15 lste es die A-Objektive ab. Da die Negativlinse aus dem Spezialglas KzF2 besteht, weist dieser Objektivtyp auch eine verbesserte Farbkorrektion auf. Seine Farbkurve liegt zwischen denen der E- und A-Objektive, und deshalb wurde das AS-Objektiv als Halbapochromat bezeichnet. Es war jahrzehntelang das Standardobjektiv fr astronomische Beobachtungsinstrumente. Aber die farbfehlerfreien Bilder des B-Objektivs oder eines Spiegelsystems konnte es nicht liefern. Beim Betrachten heller Sterne mit dem AS-Objektiv zeigen diese einen schwachen blauen Saum, der durch den Restfarbfehler der Glaskombination, durch

das sogenannte sekundre Spektrum, verursacht wird. Dieses sekundre Spektrum bewirkt auch, dass der Mond im AS-Objektiv gelblich erscheint, whrend er im Spiegelteleskop heller und weier aussieht. Es gab bei Zeiss viele Bestrebungen, einen verbesserten Nachfolgetyp zu schaffen. Der sollte mglichst apochromatisch sein, eine kurze Brennweite bei groer ffnung haben und natrlich kostengnstig zu produzieren sein. 1957 wurde von Dr. Walter Khn und Helmut Wolf der BS-Typ entwickelt. Er bestand aus 3 durch Luftspalte getrennte 386 Die Entstehungsgeschichte des Jena APQ-Objektivs Linsen der Glasarten BaK5, KzF2, BaK5. Nach den Optikdaten wurden Versuchsmuster unterschiedlicher Gre gebaut. Das grte Objektiv BS13O/195O ist in diesen Abmessungen noch ein Apochromat. Doch letztendlich scheiterten diese Bemhungen alle an den hheren Herstellungskosten der 3-linsigen Objektive. 3 Ein altbekanntes Medium in neuer Dimension verhilft zum Erfolg Es war Anfang 1979, als der Autor, der fr Astro optische Systeme entwickelte, und der Astro-Konstrukteur Alfred Karnapp, beide selbst Hobby-Astronomen, von den Kollegen der Kristallzchtung die Information bekamen, dass nunmehr Kalziumfluoridscheiben in optisch guter Qualitt fr Objektive groen Durchmessers zur Verfgung stehen. Kurze Zeit spter wurde der Leitung der Astro-Abteilung vorgeschlagen, 2-linsige Muster objektive mit 100 mm ffnung und 1000 mm Brennweite zu bauen, wobei die im Fernrohr innenliegende Sammellinse aus Kalziumfluorid bestehen sollte. Daraufhin wurde dieses Vorhaben in die Planung aufgenommen. Im Mai 1979 wurde das Optikdatenblatt fr das neue AP-Objektiv 100/1000 bereitgestellt. In den folgenden Jahren mehrten sich in den einschlgigen Fachzeitschriften die Verffentlichungen ber den Einsatz von Kalziumfluorid in der Astrooptik. Ende 1982 wurde in der Zeitschrift Sky and Telescope von 2linsigen Fluoridobjektiven 125/1000 berichtet. Nun entstand auch bei Carl Zeiss Jena Handhmgsbedarf, moderne Refraktorobjektive unter Verwendung des kristallinen Mediums Kalziumfluorid zu entwickeln. Im September 1983 war es soweit: Mit Hilfe des fr die Jenaer Fernrohrentwicklung neuen Mediums konnte der groe Sprung zum 2linsigen Apochromaten geschafft werden - es lagen drei AP-Musterobjektive zur Begutachtung vor. Eigentlich war das neue Medium ein altbekanntes, welches schon Prof. Ernst Abbe in den starken apochromatischen Mikroskopobjektiven verwendet hatte. Die besonderen optischen Eigenschaften von Kalziumfluorid, wie die sehr geringe Farbzerstreuung und eine relative Teildispersion, die beispielsweise mit den Kronglsern ZK2 und BaLKN3 sehr gut bereinstimmt, und zustzlich die hohe Transmission im kur7.welligen Spektralbereich, ermglichten die neue Qualitt der Fernrohrobjektive. An diesem Erfolg hatten die Mitarbeiter der Kristallzchtung von Carl Zeiss Jena den grten Anteil: Sie hatten es geschafft, Kalziumfluoridscheiben groen Durchmessers in optisch guter Qualitt fr den Objektivbau bereitzustellen. Die treibende Kraft fr die Anstrengungen in der Kristallzchtung war die Halbleiterindustrie. Zur Chipherstellung brauchte man Objektive groen Durchmessers, die im ultravioletten Spektralbereich arbeiten, und dafr war Kalziumfluorid neben Quarzglas ein geeignetes Linsenmaterial. 387

4 Das AP-Objektiv, ein Zwischenschritt zum APQ-Objektiv Mit den AP-Objektiven war man theoretisch am Ziel, aber in der Praxis offenbarten die gefertigten Muster noch Mngel. In der optischen Prfung zeigten die Bilder von knstlichen Sternen eine leicht dreieck-ige Gestalt, die zu einer Minderung der Intensitt im Bildkern fhrte. Dieser Effekt war den Optikern seit Langem bekannt. Hier besttigte sich wieder, dass Kalziumfluorid eine spezielle Bearbeitungstechnologie erfordert, und es begann ein Jahre whrender Lernprozess. Zur damaligen Zeit war es also nicht mglich, die optisch wirksamen Flchen einer Kalziumfluoridlinse mit vertretbarem Aufwand in der gleichen Qualitt herzustellen, wie man es bei Glaslinsen konnte. Auch das Aufbringen einer Entspiegelungsschicht auf diesem Material erwies sich als problematisch. In dieser Situation wurde in einem Gesprch mit Kollegen Wolfgang Grs, einem erfahrenen Zeiss-Optikenrwiekler und Amateurastronomen, die Idee geboren, die problematische Kalziumfluoridlinse zwischen zwei passende Glaslinsen mit Hilfe eines flssigen Mediums einzubetten. Ein solcher Aufbau, von seinen Entwicklern APQ-Typ genannt, bte den groen Vorteil, dass die Brechzahldifferenz zwischen Kalziumfluorid und der Flssigkeit sehr viel kleiner wre als die Differenz zwischen Kalziumfluorid und Luft. Das wrde bedeuten, fr die Linsenflchen der Kalziumfluoridlinse wre keine so hohe Genauigkeit erforderlich, gleiches wrde fr die Innenflchen der beiden Glaslinsen gelten. Beim APQ-Typ mssten also nur die beiden Auenflchen mit hoher optischer Przision gefertigt werden, beim AP-Typ waren es alle vier Flchen. Durch die Einbettung entfiele auch die problematische Entspiegelung der Kalziumfluoridlinse. Diese vorhersehbaren Vorteile des 3-linsigen verkitteten Typs gegenber dem 2-linsigen Luftspalttyp waren so berzeugend, dass beschlossen wurde, Musterobjektive in dieser Weise zu bauen.

5 Die Realisierung des APQ-Objektivs Zunchst musste eine optische Lsung gefunden werden, wobei der Glasauswahl eine besondere Bedeutung zukam. Es gab zwei Mglichkeiten: entweder fr beide Glaslinsen die gleiche Glasart oder aber verschiedene Glasarten vorzusehen. Wird nur eine Glasart verwendet, mssen die genauen Brechzahlmessungen auch nur einmal fr die Glasschmelze durchgefhrt werden, wenn die gleiche Schmelze fr beide Linsen verwendet wird. Deshalb wurde nach einer Glasart fr beide Auenlinsen gesucht. Mit dem Jenaer Schott-Glas ZK2 ergab sich eine gute optische Lsung. Im September 1984 lag das Optikdatenblatt vor. Nun musste nach einem flssigen Medium mit folgenden Eigenschaften gesucht werden: - Brechzahl mglichst wie Kalziumfluorid, 388 Die Entstehungsgeschichte des Jenaer APQ-Objektivs - im Temperaturbereich von -45 C bis +70 C einsetzbar, - neutrales Verhalten gegenber den optischen und den Fassungsmaterialien, - Haltbarkeit von mehr als 30 Jahren, keine Transmissionsminderung, kein Verharzen, kein Verdampfen, - optimale Zhigkeit fr problemloses Fgen, - kein Kriechen, welches ja zur Folge htte, dass das flssige Medium aus dem Fgespalt austrte, auf die ueren Linsenflchen krche und so die Abbildungsleistung des Objektivs stark beeintrchtigte. Bei den Technologen stie die Idee mit dem flssigen Verbundmedium auf Vorbehalte, da hierber keine Erfahrungen vorlagen. So nahm sich der Konstrukteur Alfred Karnapp dieses technologischen Problems an. Vom chemischen Labor des Zeiss-Betriebes bereitgestellt, untersuchte er das Verhalten einer Vielzahl von lproben beim Fgen zweier Glasplatten. Nach diesen aufwndigen Tests war ein Fsterl mit der Bezeichnung XFS8A vom Hydrierwerk Zeitz das auserwhlte. Auch seine Brechzahl von 1,45193 lag dicht an der Kalziumfluoridbrechzahl 1,43496. Die Beteiligten erinnern sich, dass nach dem Fgen mit diesem l im Flssigkeitsspalt eingeschlossene Luftblschen sichtbar waren. Das sah nach einem ernsten Problem aus, denn wie sollte man das verhindern? Eine wiederholte Prfung nach einem Tag ergab zur groen Freude, dass sich dieses Problem sprichwrtlich in Wohlgefallen auflste - die Blschen waren geschrumpft und am Ende vllig verschwunden. Nachdem das optimale 01 gefunden war, entstand die Frage: Sollte man die beiden Flssigkeitsspalte lieber abdichten oder vllig auf die Kapillarwirkung der engen Spalte vertrauen? Die Antwort darauf war nicht ganz so einfach, weil bei Tempera tu rnderung der Spalt sowohl seine Form als auch sein Volumen nderte. Mit Hinblick auf eine Lebensdauer von mehr als 30 Jahren entschied man sich fr eine einfache, technologisch sichere Lsung und verzichtete auf eine aufwndige Abdichtung. Um das Herauskriechen des ls zu verhindern, sollten die angrenzenden Fasen der beiden Glaslinsen poliert werden. Jetzt waren alle Voraussetzungen fr den Bau der ersten Musterobjektive gegeben. Im September 1985 lagen drei Muster des APQ-Typs mit 100 mm ffnung und 1000 mm Brennweite zur Begutachtung vor. Die optische Prfung ergab ein rundes Beugungsbild ohne Dreieckstruktur. Wenn eine kleine Strung im Beugungsbild festzustellen war, so lag dies immer an einer der beiden Auenflchen der Glaslinsen. Und noch etwas anderes lehrte der neue Objektivtyp seine Konstrukteure: Ein auch noch so leicht angezogener Vorschraubring, der auf einen geschlitzten Federring wirkt, dessen 3 Fchen auf die 1- Flche des Linsenpakets drcken und denen die drei Auflagefchen der Fassung an der letzten Linsenflche gegenberstehen, strt iie Abbildungsleistung des Objektivs erheblich. Der Grund liegt darin. dass es in den Flssigkeitsspalten keine Abstandsplttchen wie 389

in Luftspaltobjektiven gibt, so dass sich die Linsen an diesen drei Stellen durchdrcken, was sich als dreizahlige Strung im Beugungsbild wiederfindet. Der Vorschraub ring darf also keine Kraft ausben, und das Linsenpaket muss bei diesem Fassungsprinzip ein kleines axiales Spiel haben. Neben den optischen Prfungen wurden die ersten Musterobjektive APQ 100/1000 auch in der Klimakammer bei 25 C und +45 C auf Funktionstchtigkeit getestet und das verbleibende Spiel zwischen Linsen und Fassung kontrolliert- Zu diesem Zeitpunkt stand in den Prospekten der Kalziumfluoridhersteller fr den Ausdehnungskoeffizienten ein Wert, der dem von Aluminium entsprach. Auf Veranlassung des Konstrukteurs wurde der Ausdehnungskoeffizient im Zeiss-Messlabor gemessen - mit dem verblffenden Ergebnis, dass der richtige Wert kleiner ist und etwa dem von Messing entspricht. Eine berraschend gute bereinstimmung konnte zwischen den Kalziumfluoridbrechzahlen, die 1920 von der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt verffentlicht worden waren, und denen, die 1985 im Zeiss-Betrieb mit hoher Przision gemessen wurden, festgestellt werden. Im sichtbaren Spektralbereich unterschieden sich die Brechzahl werte meist nur um eine Einheit der sechsten Nachkommastelle. Nach dem gut berstandenen Testprogramm konnte nun die Produktion der APQ-Objektive 100/1000 aufgenommen werden. Inzwischen wurden von der Optikentwicklung und der Konstruktion die Fertigungsunterlagen fr das nchstgrere Objektiv erarbeitet, und im Mai 1989 lagen drei Muster vom APQ130/1000 vor. Neben der greren ffnung zeichnete es sich durch seine kurze Brennweite aus. Mit einem Exemplar wurde ein etwas ungewhnlicher Test vorgenommen, der die Luftdruckbedingungen einer Luftfracht simulieren sollte. Dazu wurde es in den Vakuumbehlter des Astroprfturms, in dem sonst groe Teleskopspiegel geprft wurden, gebracht und anschlieend 24 Stunden lang einem Unterdruck ausgesetzt, der dem Luftdruck in 15 km Hhe entsprach. Auch diesen Test berstand das Objektiv ohne Beanstandung. 390

Im November 1991 lag das Optikdatenblatt fr das damals grte APQ-Objektiv 150/1200 vor, und einen Monat spter waren die Daten fr das lichtstarke APQ100/640 entstanden. 6 Das APQ-Objektiv im Vergleich mit seinen Vorgngern In der Grafik Farblngsfehlervergleich (Bild 2) werden 5 auskorrigierte Objektivtypen, die reale Linsen enthalten, miteinander verglichen. Es sind die historischen E-, A-, B- und AS-Objektive und das moderne APQ-Objektiv, die alle fr 100 mm ffnung berechnet wurden. Wegen der Vergleichbarkeit wurde, wo es mglich war, die Brennweite 1000 mm realisiert. Fr den A- und B-Typ musste eine Brennweite von 1750 beziehungsweise 1500 mm gewhlt werden, um den Offnungsfehler ausreichend klein zu halten. Aus dem gleichen Grund besitzt das AS-Objektiv 100/1000 eine leicht asphrische Auenflche. In dieser Ausfhrung wurde es jahrzehntelang in der Jenaer Astrofertigung hergestellt. In der vorliegenden Farblngsfehlerdarstellung ist die Fokusablage in Einheiten der wcllcnoptischen Schrfentiefe T ber der Wellenlnge aufgetragen. Als Apochromat kann man die Objektive bezeichnen, deren Fokusablage im Wellenlngenintervall von 480 bis 644 nm maximal 1 Einheit der wellenoptischen Schrfentiefe betrgt. Diese Bedingung erfllen nur das B-Objektiv und das APQ-Objektiv. Setzt man fr einen Halbapochromaten die Obergrenze auf 2T, so wre das A-Objektiv 100/1750 ein guter Halbapochromat. Das AS-Objektiv liegt zwischen A- und E-Typ und ist kein Halbapochromat. Das E-Objektiv ohne Spezialglas hat den grten Farblngsfehler. Das APQ-Objektiv mit Kalziumfluoridlinse hat im gesamten Wellenlngenbereich von 436 bis 706 nm eine Fokusablage, die kleiner als die wellenoptische Schrfentiefe ist. Auch das lichtstrkere APQ 100/640 wrde in dieser Darstellung leicht die apochromatische Norm erfllen. Bild 3 veranschaulicht die Abbildungsleistung der Objektive AS100/1000 und APQ100/1000. Die Queraberrationen

und die Spotfiguren sind im gleichen Mastab dargestellt. Die gekrmmten Queraberrationskurven des ASObjektivs zeigen zustzlich zum Farblngsfehler eine Abhngigkeit des Offhungsfehlers von der Wellenlnge. In der Tabelle 1 sind die optischen Daten des APQ 100/1000 aufgefhrt.

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7 Vorlufer des APQ-Objektivs Bei Patentrecherchen wurde festgestellt, dass in einem US-Patent von 1980 zu einem 5-linsigen Optiksystem die optische Lage fr das Partnerglas zum Kalziumfluorid beansprucht wird. Deshalb wurden die beiden ZK2-Linsen des APQ-Ohjektivs durch BaK2 und Kl 1 ersetzt. Whrend des Literaturstudiums wurde auch eine umfangreiche theoretische Abhandlung ber Refraktoren bis 500 mm Durchmesser zur Beobachtung von Planeten ausgewertet. Diese Studie von James G. Baker erschien unter dem Titel Planetary Telescopes in der Fachzeitschrift Applied Optics im Februar 1963. Interessant ist, dass darin die ersten Objektive des APQ-Typs beschrieben wurden. So entstand schon 1943 der erste Prototyp aus Kalziumfluorid und den beiden Auenglsern BK7 und K10. Im Jahr 1955 wurde nach diesem Vorbild ein leicht verbessertes Objektiv mit 75 mm ffnung und 750 mm Brennweite gebaut. Wie beim Jenaer APQ waren auch hier die 3 optischen Bauteile mit 01 verbunden. Wenn damit auch feststand, dass der APQ-Typ in den 392

USA erfunden worden war, so ist diese Tatsache immerhin als Besttigung fr eine gute optische Lsung zu werten, die zeitlich versetzt und unabhngig voneinander noch einmal in Jena entstand und hier weiterentwickelt wurde. 8 Viele Verbesserungen rhrten zur hohen Qualitt der Jenaer APQ-Objektive Es stand von Anfang an fest: Die APQ-Objektive wrden kein Billigprodukt sein, denn dagegen sprachen der 3linsige Aufbau und die hheren Kosten fr das Kalziumfluorid. Um ihren Preis zu rechtfertigen, mussten diese Objektive hchsten Ansprchen gengen. Deshalb wurden die Musterobjektive vor Produktionsbeginn Rttel- und Falltests unterzogen. Sie wurden in der Klimakammer von -45 C bis +70 C bei wechselnder Temperatur und Luftfeuchtigkeit gestresst. Ihre einwandfreie Funktion wurde in der Klte bei -25C und in der Wrme bei +45 C nachgewiesen. Besondere Beachtung musste der Ausbildung des Fgespaltes geschenkt werden. Zu jener Zeit gab es zwar eine mehr als zehnjhrige gute Erfahrung mit den halbapo-chromatischen Objektiven nach Wolfgang Busch aus Ahrensburg bei Hamburg, die bis 150 mm Durchmesser gebaut wurden, aber zwischen Kalziumfluorid und Glas ist der Ausdehnungsunterschied um ein Vielfaches grer als der zwischen zwei Glasarten. Das bedeutet: Whrend der Temperaturnderung bleibt der Spalt nicht parallel. Liegt bei +20 C ein paralleler Fgespalt zwischen Glas- und Kalziunifluoridlinse vor, so hat dieser bei -45 C eine solche Gestalt, dass sich die Fgeflchen in der Mitte vielleicht schon berhren, wogegen sich der Abstand am Rand vergrert hat. Wenn sich bei Abkhlung des Objektivs die Linsenflchen in der Mitte berhren und die Temperatur weiter fllt, dann wird das Spaltvolumen grer als die vorhandene Olmenge und der lfilm reit, was die Abbildungsleistung stark schdigt. Wenn dieser Defekt bei hherer Temperatur nicht von selbst verschwindet, dann mussten die Linsen neu gergt werden. Um eine solche Havarie zu verhindern, wird die Kalziunifluoridlinse so gefertigt, dass bei +20 C der Fgespalt einen Bauch hat. Optisch ergibt sich daraus kein Nachteil, weil das Verbindungsl etwa die gleiche Brechzahl wie Kalziumfluorid besitzt. Wichtig ist auch die exakte Dosierung der Olmenge pro Fgespalt. Zum Beispiel werden fr das APQ-Objekriv 100/1000 zwei Tropfen l bentigt, die einem Volumen von 40 mmJ entsprechen und einen parallelen Spalt von 5 um Breite erzeugen. Um das Problem mit der Andruckkraft des Vorschraubringes zu beheben, wurde eine spezielle Objektivfassung fr

die APQ-Objektive konstruiert. Die Fassung ist so gestaltet, dass die erste Linse, die einen greren Durchmesser als die nachfolgenden hat, mit Vorschraub- und Federring gegen 3 Fchen im Fassungsbund gedrckt wird. An dieser fest eingebauten Linse hngen die anderen beiden, nur vom lfilm gehalten, wenn das Fernrohr senkrecht nach oben 393

Bild 4: Die temperaturkompensierte Optikfassung des APQ15Q/120Q

Bild 5: Temperaturkompensierte Optikfassung (Scbnittzeichnung)

gerichtet ist. Fr das groe APQ15/1200 und das APQ130/1000 wurde die Fassung zustzlich mit einer Temperaturkompensation ausgestattet. Im 120-Takt wirken je 3 Kunststoffstcke von der Messinggfassung auf den Randzylinder jeder Glaslinse. Die Teile sind so dimensioniert, dass die Linsen bei Temperaturschwankungen zentriert in der Fassung gehalten werden. Bild 4 zeigt die temperaturkompensierte Fassung mit der Optik des APQ150/1200. In Bild 5 ist ein Schnitt durch das Objektiv gezeigt, und im Bild 6 ist ein komplettes Fernrohr zu sehen. All diese Verbesserungen und die dargestellte Fertigungsweise haben sich in der Praxis gut bewhrt und ermglichten es erst, auf die verkauften APQ-Objektive eine Garantie von 30 Jahren zu gewhren. Teilweise sind sie Gegenstand von Patentanmeldungen, so zum Beispiel die spezielle APQ-Fassung oder die Technologie der Olverbindung. F.ine andere Besonderheit war die Ausfertigung einer Prfurkundc, die der Kunde fr sein Exemplar bekam. Sie war der Qualittsnachweis und enthielt unter anderem das Bild der interferometri.sch gemessenen Wellenfiche des speziellen Objektivs und den daraus berechneten Wert der Definitionshelligkeit (Bild 7). Die

Definitionshelligkeit ist eine geeignete Bewertungsgre fr 394

die Abbildungsleistung von Fernrohrobjektiven. Im Idealfall wrde sie 100% erreichen. Fr die APQ-Objektive war nach den guten Ergebnissen der Musterobjektive ein Mindestwert von 95 % festgesetzt worden. Das war eine sehr hohe Qualittsschranke, auch fr die internationale Konkurrenz. Die Erfahrungen aus der Praxis lehrten: Wenn Glas und Kalziumfluorid in guter Qualitt vorliegen und die beiden Auenflchen der 1. und 3. Linse korrekt nach Zeichnungsvorgaben gefertigt und am Interferometer berprft werden, dann ist das hochgesteckte Qualittsziel sofort nach dem ersten Zusammenbau zu erreichen.

Bild 6: Komplettes Amateurfernrohr mit parallaktischer Montierung und APQ-Objektiv. 395

9 Reaktionen der Konkurrenz Als die ersten APQ-Objektive auf den Markt kamen und sehr gute Testberichte darber in den einschlgigen Fachzeitschriften erschienen, dauerte es nicht lange, bis die Konkurrenz Artikel verffentlichte, die darauf abzielten, durch Falschinformationen potentielle Kunden vom Kauf eines APQ-Objektivs abzubringen und sie auf ihre eigenen Produkte hinzulenken. Diese Konkurrenzprodukte enthielten als Sondermedium kalziumfluoridhnliches Glas und waren als 2-linsige Systeme mit Luftspalt ausgefhrt. Nachfolgend einige Beispiele von falschen oder negativen Behauptungen: - Kalziuinfluorid ist hygroskopisch und deshalb haben diese Objektive keine lange Lebensdauer. - Kalziumfluoridobjektive sind nicht fr die Beobachtung der Sonne geeignet. - Das l wird ausflieen. - Objektive hchster Leistung mssen einen Luftspalt haben. - Das kristalline Material Kalziumfluorid dehnt sich viel strker aus als kalziumfluoridhnliches Glas. Die ersten vier Aussagen sind falsch und die letzte spielt darauf an, dass sich Kalziumfluorid um ca. 30% strker gegenber den in ihren optischen Eigenschaften vergleichbaren Glsern FK54 oder FPL53 ausdehnt. Auf diese gezielten Falschinformationen ber die Kalzium-fiuoridapochromate mussten die APQ-Entwickler mit einer Richtigstellung reagieren. Aber ein weit besserer Beweis fr Qualitt und Stabilitt der APQ-Objektive als jede theoretische Errterung waren neben den Ausstellungen auf Messen die praktischen Vorfhrungen auf den Treffen der Amateurastronomen. Die Beobachtungen an Himmelsobjekten und der direkte Vergleich mit Konkurrenzprodukten berzeugten die fachkundigen Besucher. Sehr oft wurde beim Beobachten bemerkt, dass die Zeiss-Objektive farbreinere Bilder lieferten. Diese Eigenschaft hangt sowohl von der Glasauswahl als auch von der Sorgfalt im Fertigungsprozess ab. So mssen bei den langen Brennweiten der Fernrohrobjektive die Brechzahlen auf wenige Einheiten der sechsten Nachkommastelle bekannt sein, damit die Bilder fr Rot und Blau einen gemeinsamen Fokus haben. An Messprismen - das sind przise bearbeitete geometrische Krper aus genau den Glasschmelzen, die fr die Linsen vorgesehen sind - mssen die Brechzahlen mit der erwhnten Genauigkeit bestimmt werden. Mit diesen Brechzahlen werden die optimalen Radien und, wenn vorhanden, die Luftabstnde des optischen Systems neu berechnet und nach diesen Daten die Glaslinsen gefertigt. Fr die Kalziumfluoridlinse entfllt dieser Messaufwand, denn die Brechzahlen des Kristallmediums sind konstante und mit hoher Genauigkeit bekannte Gren. Aus diesem Grund reagieren die Kalziumfluoridobjektive nur halb so empfindlich auf Brechzahlunsicherheiten wie Objektive, die kalziumfluoridhnliches Glas enthalten. 397 Die von Zeiss Jena angebotene APQ-Standardreihe fr die Amateurastronomie umfasste vier verschiedene Objektive: - APQ100/1000 - APQ 100/640 - APQ 13 0/1000 - APQ15O/12OO Obwohl ffnung und Brennweite beibehalten wurden, nderten sich von 1985 bis 1994 mehrmals die Partnerglser zum Kalziumfluorid. Die hufigsten Ursachen waren die Sortimentsbereinigungen der Hersteller fr optisches Glas. Von der Optikentwicklung musste nach gleichwertigen Kombinationen gesucht werden. Folgende Paarungen kamen nach der ursprnglichen ZK2/ZK2-Kombination zur Anwendung: BaK2/Kl 1, BaLKN3/BaLKN3, spter auch NBK7/K10. Die Auswahl unter den zur Verfgung stehenden Glsern wurde mit Einschrnkung des Glassortiments immer schwieriger. Zwei gleiche Partnerglser wie beispielsweise ZK2 oder BaLKN3 zu finden, ist fast aussichtslos, und deshalb bestehen die spteren Kombinationen aus zwei verschiedenen Glasarten. Neben den oben aufgefhrten Standardobjektiven wurden noch Muster von APQ8O/5OO und APQ80/840 gebaut, die aber nicht in Serie produziert wurden.

398 Die Entstehungsgeschichte des Jenaer APQ-Objektivs Wegen der apochromatischen Eigenschaften sind APQ-Objektive 150/1200 in wenigen Exemplaren fr Prfkollimatoren gefertigt worden. Fr LIDAR-Anwendungen kamen speziell fr die Wellenlngen 1064, 532 und 355 nm berechnete APQ-Typen als Laser-Sendeoptik zum Einsatz, sogar in der Antarktis. Bild 8 zeigt eine Auswahl von unterschiedlichen APQ-Objektiven: APQ80/500, APQ100/640 und APQI30/1000. 11 Das Ende der APQ-Objektive bei Zeiss So erfolgversprechend Produktion und Verkauf der Objektive im Sortiment der Warengruppe Astroamateurgerte auch waren, so wurde trotzdem 1994 bei Zeiss beschlossen, diese Warengruppe auf Empfehlung einer teuren Beraterfirma wegen zu geringen Profits aufzulsen. Dieselben Experten rieten brigens auch zur Einstellung der Produktion der weltbekannten Zeiss-Planetarien, aus gleichen Grnden. Zum Glck entschied in letzter Minute der damalige Zeiss-Jena-Chef Dr. Peter Grassmann nach einer beeindruckenden Gertevorfhrung, dass die Planetariumsgruppe bestehen bleibt. So ein Wunder geschah leider nicht fr die Astroamateurgerte-gruppe. Viele Zeiss-Kunden bedauerten mndlich und schriftlich das Ende der Astroamateurgerate-Entwicklung in Jena, aber mindestens die Mitarbeiter einer Firma, die Fernglser und Beobachtungsfernrohre produzierte, waren darber eher froh, denn sie hatten einige Zeit zuvor von den Astrokonstrukteuren verlangt, die Astrofemrohre mssen so ausgelegt und verkauft werden, dass sie nicht zur Beobachtung von Erdzielen geeignet sind. 12 Ausblick Bis heute werden Objektive vom Typ APQ von mehreren Firmen in der Welt produziert. In Jena wurden auch nach 1994 noch APQ-Objektive fr die Firma Baader Planetarium gefertigt. Sie hatte den Kundendienst fr die verkauften Astroamateurprodukte bernommen. Inzwischen werden auch APQ-Objektive mit 200 mm Durchmesser hergestellt, leider nicht bei Zeiss. Ein solches Objektiv mit 2000 mm Brennweite ist intensiv getestet worden. Die optische Prfung am Interferometer weist eine Definitionshelligkeit von 97 % aus. Den praktischen Einsatz unter wechselnden Beobachtungsbedingungen hat es erfolgreich bestanden. Im Bild 9 ist ein Fernrohr zu sehen, das mit einem APQ-Objektiv 200/2000 ausgestattet ist. Dieses Bild und die nachfolgenden Aufnahmen, die mit dem abgebildeten Refraktor gewonnen wurden, stellte Herr Ralf Mndlein aus Lindelbach bei Wrzburg freundlicherweise dem Autor fr diesen Beitrag zur Verfgung. Bild 11, Bild 12 und Bild 10 zeigen den Riesenplaneten Jupiter mit einem Mond und seinem tiefschwarzen Schatten auf der Jupiteroberflche, den Saturn mit seinem Ringsystem und der Lcke 399 Jrgen Piudenz Bild 9: Herr Ralf Mndlein aus Lindelbach bei Wrzburg vor seinem selbstgebauten Fernrohr, das mit einem APQObjektiv 200/2000 bestckt ist.

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Die Entstehungsgeschichte des Jenaer APQ-Objektivs zwischen den beiden ueren Ringen, Cassinische Teilung genannt, sowie die beiden Galaxien NGC4725 und NGC4712, deren schner Anblick einer aufwndigen Bildbearbeitung aus vielen berlagerten Einzelbildern, ausgefhrt von Herrn Wolfgang Kloehr aus Schwein-urt, zu verdanken ist. Ausgehend von den guten Erfahrungen mit dem APQ200/2000 kann man einen fundierten Ausblick in Richtung Weiterentwicklung der groen APQ-Objektive geben: Es bestehen heute alle Voraussetzungen, um z.B. ein APQObjektiv mit mindestens 250 mm ffnung und einer Brennweite zwischen 2500 und 3000 mm zu realisieren.

Bild 11: Der Planet Jupiter mit eine?// seiner Monde und dem von letzterem erzeugten Schatten auf der Jupiter mit

Objektiv APQ 200/2000. 401