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Page 1: Jim und seine besten Jungen
Page 2: Jim und seine besten Jungen

In allen Ländern der Erde liest man

UTOPIA- Großbände

SCIENCE FICTION in deutscher Sprache 96 Seiten, 1,— DM

Da Sie ein Freund der UTOPIA-Kleinbände sind, werden Sie auch ganz bestimmt von den UTOPIA-Großbänden begeistert sein. Sie bringen für Deutschland neu die besten SCIENCE FICTION-Romane (technisch-wissenschaftliche Zukunftsromane des XX. Jahrhunderts) aus Amerika und England. Im Oktober erhalten Sie bei Ihrem Zeitschriftenhändler: UTOPIA-Großband Nr.26 Auf den Monden des Saturn

UTOPIA-Großband Nr.27 Am Anfang war nur Chaos

Beachten Sie bitte das Titelverzeichnis der UTOPIA-Großbände auf der letzten Textseite dieses Bandes! VERLAG ERICH PABEL, RASTATT (BADEN)

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Jim und seine besten Jungen

Von Alf Tjörnsen Die Staffel sollte antreten.

Die Schnellwagen rasten über die Eldorado-Ebene west-wärts. Der lange Tag des Erdmondes hatte seinen Höhepunkt erreicht, und es war heiß – so unerträglich heiß, wie nur ein früher Mondnachmittag sein konnte. Aber die neunzig der Staf-fel waren guter Dinge.

Sie sollten dem Kommodore vorgestellt werden. Bret Trojan saß neben Gun Smith, der froh war, als vor. ih-

nen das breite graue Band der Fernstraße von der Einfahrt zur Vorstation 8 unterbrochen wurde. Das würde eine halbe Stunde Verschnaufpause geben, und nachher würde er sich nicht wie-der neben einen setzen, der so ausgesprochen geistlose Fragen stellte.

„Sag mal, Gun – was ist ihre Lieblingsfarbe?“ Gun Smith sah angestrengt an dem anderen vorbei und warf

seine Zigarette gegen eines der rasch rotierenden Vorderräder. „Mensch, mach mich nicht wild – sie hat keine Lieblingsfarbe, weil sie farbenblind ist, sie wird nicht auf dem Mond ankom-men, weil sie vorher noch die Grippe bekommt, sie …“

„Trauriger Spinner!“ „Ich hätte nie gedacht, daß es so anstrengend ist, eine eini-

germaßen hübsche Schwester zu haben“, grinste Gun Smith etwas abfällig. Die Kolonne rollte durch das Radarfeld der ein-samen Vorstation. Einer der Kontrollassistenten ließ sie passie-ren, und der Leiter der Station kam heran, um Captain Jenkins zu begrüßen. Die Männer der Staffel waren froh, sich die Beine

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vertreten zu können und sprangen aus den jeepartigen Fahrzeu-gen. Viel los war hier natürlich nicht. Diese Vorstationen waren eine ziemlich langweilige Sache ohne weibliche Hilfskräfte und so – aber es gab immerhin eine kleine Kantine mit eisgekühlten Getränken. Bret Trojan und Gun Smith gingen zwischen ihren Kameraden über den kahlen Stationsplatz, dann sonderte sich Bret Trojan ab und trat auf einen älteren Herrn zu, der mit eini-gen anderen Männern vor dem Haupteingang zum Stationsge-bäude stand. Es war ein feiner, schmächtiger Gelehrtentyp. Als Bret Trojan ihm lachend die Rechte hinstreckte, nahm er über-rascht die Pfeile aus dem Mund.

„Laß die Pfeife sitzen, Onkel Frank – du hast keine Erschei-nung!“

„Na, so was“, knurrte der ältere Herr, während er zögernd die Rechte ergriff, „da denkt man, dieser großgewordene Lause-bengel treibt sich auf der Venus umher, und nun rast er hier wie ein Gespensterkommando durch die Gegend.“

„Ich gehöre zur Sonderstaffel!“ Sie begrüßten sich herzlich, und Brets Onkel – Dr. Herrings

hieß er und war ein angesehener Wissenschaftler – hob die bu-schigen Augenbrauen. „Zur Sonderstaffel? Allerhand! Daß du soviel wert bist, habt ich noch nicht gewußt.“

Bret Trojan nickte ernsthaft. „Ich selber hatte auch nicht eine so hohe Meinung von mir, aber sie haben mich nun einmal für würdig befunden. Mal sehen, was daraus wird! Hast du übri-gens einen kleinen Schluck für mich?“

„Ich Esel!“ Die Pfeife wurde wieder zwischen die gelben Zähne geschoben, und eine schmale, behaarte Hand knallte auf die Schulter des jungen Raumfliegers. „Entschuldige! Aber man versauert hier mit der Zeit, weil man nichts als diese verfluchte Einsamkeit um sich herum hat. Na, komm.“

Sie gingen an den parkenden Schnellwagen vorbei und dann

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um das Stationsgebäude herum. Bret Trojan nahm seine weiße Kappe mit dem blauen Längsstreifen der neugebildeten Sonder-staffel ab und sah sich aufmerksam um. Von der Vorstation aus ging eine noch recht primitive Straße zu einem Gebäudekom-plex, der einige Meilen entfernt lag.

Die geheimnisvolle Forschungsstation „M“. „Was betreibt ihr dort eigentlich, Onkel Frank?“ „Wir untersuchen eine besondere Art der kosmischen Strah-

lungen“, erwiderte der Gelehrte. „Eine sehr zeitraubende Ange-legenheit.“

„Spannend, was?“ „Das kann ich nicht finden“, lachte Dr. Herring, und Bret

merkte, daß er nicht gern über seine Arbeit sprach. Er zeigte auf einen kleinen Schnellwagen, der am Straßenrand stand. „Ich fahre dich rasch einmal hin – ich kann dir einen ‚Doppelten Feuerteufel’ machen.“

„Wie früher in Toronto, wie?“ freute sich der Raumflieger. „Ich habe aber nur eine halbe Stunde Zeit.“

„Das reicht! Sobald werden wir uns auch nicht wiederse-hen.“

„Doch, Onkel – das werden wir“, sagte Bret Trojan lebhaft. „Wir werden heute dem Kommodore vorgestellt und dann für die nächsten Wochen unserer Ausbildung hier in der Nähe sta-tioniert.“

„Hier in der Nähe?“ fragte der Doktor verwundert und öffne-te die Hermetiktür. „Das ist …“

„… eine großartige Überraschung, wie? – Ich werde dich dann wohl öfter in deinem Strahlenzirkus besuchen können.“

„Ja, das wirst du dann wohl“, meinte der Doktor, und es wirkte nicht ganz echt, als er lächelte. Bret Trojan stieg ein. Die Hand seines Onkels lag auf dem Hermetikschlag und zitterte leicht.

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Sie zitterte sonst nicht. Gleich darauf fuhren sie davon. „Mensch, Parker!“ Major Williams vom Mond-Sicherheitsdienst konnte es nicht

fassen, daß der Kommodore neben ihm stand, seine „Maza-Blend“ rauchte und beinahe so tat, als habe es nie diesen fürch-terlichen Sturz in die Unendlichkeit gegeben.*

„Sie müssen einen ganzen Haufen Schutzengel haben, Parker!“ Selten hatte der Kommodore so ernst einen Blick erwidert.

„Sie haben recht, Williams – ich habe Schutzengel.“ „Erzählen Sie!“ „Nicht jetzt“, winkte Jim ab. „Vielleicht später einmal.“ „Aber Sie hatten doch die Gewalt über Ihren Kasten verloren

und segelten hilflos durch das Sonnensystem …“ „Bitte, fragen Sie jetzt nicht!“ Jim Packer war vor einer guten Stunde im Gebiet von „Luna

IV“ gelandet und hatte damit unter den „Mondländern“ eine Bombensensation ausgelöst. Niemand wußte, woher er eigent-lich kam. Man hatte ihn aufgegeben. Zum erstenmal schien das Weltall stärker gewesen zu sein als er, es hatte schon so oft auf den großen Sternenflieger der Erde gelauert. Jetzt endlich hatte es zupacken können. Niemand verstand, wie es möglich war, daß er in diesen Tagen aus den Tiefen des Alls zur Erde zu-rückgekehrt war, Nun wollte er die Männer einer Formation kennenlernen, die man für ihn geschaffen hatte.

„Wann soll die Staffel antreten, Williams?“ „Um 16 Uhr allgemeiner Raumzelt.“ Jim Parker nickte und trat an das große, langgestreckte Fen-

ster, das einen kleinen Ausschnitt der Eldorado-Ebene einrahm-te und den Blick auf die Amerika-Berge freigab, die im Süden verschwommen aufragten. Die Zigarette in Jims Hand glimmte weiter, ohne daß sie noch zum Mund geführt wurde. Als Fritz

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Wernicke den großen, vor kalter Sachlichkeit blitzenden Be-fehlsraum betrat, wurde sie achtlos weggeworfen.

„Die Staffel ist da, Jim!“ Jim gab dem Major ein Zeichen. Die drei Männer verließen

den Rundbau der Zentrale und traten auf den weiten, von wei-ßen, meterhohen Tastsäulen umgebenen Platz, auf dem – vor dem großen, stahlgrau in den grünlichen Mondhimmel schnei-denden Kommandoturm – neunzig Mann in drei Gliedern stan-den. Captain Jenkins machte Meldung.

Zwei Stunden waren vergangen, seit die Staffel in der einsa-men Vorstation Rast gemacht hatte, aber an der kaum zu ertra-genden, trockenen Hitze, die hier alles unbarmherzig in ihren Bann hielt, hatte sich nichts geändert. Es war alles von einer glosenden Unwirklichkeit, die die Gedanken lähmte und die Knie weichmachte. Aber dann war die ihnen allen bekannte Stimme des Kommodores da, und sie war so hart und knapp, daß sie sich zusammenrissen.

„Kameraden, ihr habt harte Wochen hinter euch, aber ich will euch gleich verraten, daß ihr an sie einmal wie an einen Erholungsurlaub zurückdenken werdet.“

Die Staffel stand im Karree, und von außen drängten viele Mondmänner von den Freiwachen heran, um das seltene militä-rische Schauspiel mitzuerleben. Die Flagge des amerikanischen „Staatlichen Atom-Territoriums“ grüßte von der Spitze des Kommandoturms herab. Für Sekunden rollte der Donner eines landenden Raumschiffes über die Mondlandschaft heran, und irgendwo kreisten mit hohem Singen Strahlhubschrauber.

„Wir gehen wieder heißen Zeiten entgegen! Ihr müßt damit rechnen, daß ihr in den nächsten Jahren pausenlos im Einsatz sein werdet. Es wird leider noch keinen Frieden im Weltall geben.“

Die Jungen sahen angespannt auf ihren neuen, berühmten Chef.

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Kein Friede im Weltall! klang es in ihren Herzen wider. Was bedeutete das? Ach, es konnte soviel bedeuten! Kamen etwa die Uraniden wieder, oder andere Feinde? Oder erhob sich die gro-ße Seele des Alls gegen den übermütigen Menschen?

Sie ahnten nicht, daß im fernen Orion-City seit einigen Ta-gen Alarmstimmung herrschte.

Die Erde war in großer Gefahr! Nur wenige wußten es, aber sie fanden keine ruhige Minute mehr.

Auch Jim Parker nicht.

* Bret Trojan strahlte.

Er war ein guter Kerl, der sein Herz immer offen zur Schau trug. Er konnte nicht verstehen, daß Gun Smith, der neben ihm stand, wieder so düster aussah. War es nicht ein geradezu un-glaubliches Glück, dieser Elitetruppe der irdischen Raumfahrt angehören zu dürfen?

„Ihr könnt noch in Ehren zurücktreten!“ Zurücktreten, Kommodore? Bret Trojan konnte sich nicht

denken, daß auch nur einer von ihnen zurücktreten würde. Von dem golden umringten Globus auf dem rechten Ärmel würde er sich nicht mehr trennen. Jim Parkers Stimme wurde noch här-ter. Wer den Kommodore kannte, der konnte daran erkennen, daß er Schweres durchgemacht hatte. Jim sagte ihnen unver-blümt, daß sie als Kommandotruppe des Weltalls Tod und Teu-fel in mancherlei Gestalt kennenlernen würden Es wurde immer stiller in der Runde. Auch die Mondmänner hielten den Atem an. Das Singen der Strahlhubschrauber wurde leiser und erstarb Der Kommodore ging mit Captain Jenkins die Reihen entlang und gab jedem die Hand.

„Petersen, Kommodore – Deutscher!“

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„Lecoultre, Kommodore – Franzose!“ „Trojan, Kommodore – Kanadier!“ „Haben wir uns nicht schon einmal gesehen, Trojan?“ Jim

Parker musterte forschend das gebräunte, schmale Gesicht, das einen Aufruhr von Gefühlen offenbarte. Jim erkannte nicht oh-ne Besorgnis, daß dieser Trojan weicher und sensibler war als seine Kameraden. Solche Charaktere waren über alle Maßen begeisterungsfähig, aber sie wären auch die ersten, mit denen man Schwierigkeiten bekam.

„Ich war dabei, Kommodore, als vor einem Jahr die ‚Merkur II’ auf Venus strandete!“

„Richtig! Sie gehörten zu Kapitän Comtes Leuten! Das war eine böse Sache, mein Lieber – haben Sie nicht die Nase voll bekommen?“

„Nein, Kommodore!“ Jim Parker nickte kurz und ging weiter.

* „Ihr Eindruck, Parker?“

„Alles fabelhafte Kerle, Boß“, antwortete Jim anerkennend, als er zwanzig Stunden später in Orion-City dem S.A.T.-Generaldirektor gegenübersaß. „Mit denen lasse ich alle bösen Geister tanzen, und – länger als zwei Jahre wird es nicht dauern.“

Der Atomboß nickte. Jim Parker hatte von seinem halsbre-cherischen Abenteuer mit jenem Raumschiff eine Nachricht mitgebracht, die sie alle wie ein Tiefschlag getroffen hafte.

Grausame Feinde rüsteten zum Krieg gegen die Erde. Sie rüsteten auf einem Planeten, den noch keiner kannte, der

von den Menschen einfach noch nicht entdeckt worden war, und sie wurden von Mächten unterstützt, die zu einem anderen Sonnensystem gehörten.

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Der Generaldirektor füllte Jims Glas. „Das ist wirklich das Tollste, was ich je gehört habe. Die Herren der hehren Astro-nomie sind wie hingeschmettert, Sie können an den unsichtba-ren Planeten nicht glauben.“

„Es wird so sein, Cunningham!“ „Ich zweifle keinen Augenblick daran.“ Er schob Jim auf-

munternd das Glas zu und sah auf seinen langen Privatsekre-tär, der eben geräuschlos eintrat und sich diskret räusperte. Cunningham verstand ihn sofort und schob den Ärmel über der Armbanduhr zurück. „Ich habe bereits die ersten Maß-nahmen ergriffen, Jim! Es soll alles so sein, wie Sie es für notwendig erachten. Kommen Sie mit – ich muß noch zur ‚R III’ hinaus.“

Sie verließen die Hauptverwaltung und stiegen in den war-tenden dunkelblauen Wagen des Generaldirektors. „Wie weit sind sie eigentlich in der Forschungsstation ‚M’?“

„Sie meinen Schäfer und seinen Verein? Ach wissen Sie, Jim, diese Experimente mit kosmischen Strahlungen sind zwar ungeheuer bedeutungsvoll, aber sie lassen mich heute noch kalt. Schäfer hat für sich und seine Mitarbeiter Ruhe und Zeit ver-langt. Er hat jetzt beides, und sogar der konfuse Dr. Herring scheint sich dem stillen Leben in der Station unterzuordnen.“

„Herring – wer ist das?“ „Ich habe ihn In meinen früheren Jahren flüchtig kennenge-

lernt. Er befaßte sich mit allerlei haltlosen Projekten, scheint aber jetzt zur Ruhe gekommen zu sein.“

*

„Herr Dr. Herring!“

Professor Schäfer blieb stehen und winkte seinem besten Mann zu, der in Shorts und mit aufgekrempelten Ärmeln um-

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herstelzte und die Hitze in ebenso unfeinen Tönen verfluchte wie die Jungen, die einige Meilen westwärts geschunden wur-den.

„Wenn ich meine Dienstjahre herumhabe, baue ich mir eine Villa am Nordpol!“

Der Stationschef schüttelte ihm die Hand und nickte ver-ständnisvoll. „Das ist wieder mal eine wahnsinnige Affenhitze! Hoffentlich läßt uns die Zentrale mit ihren Eisgetränken nicht im Stich! Wie weit ist Ihre Abteilung?“

„Immer noch bei der Versuchsreihe C.“ „Wann schalten Sie auf TC 36 um?“ „Heute abends denke ich.“ Der Professor wischte sich mit einem großen Tuch den

Schweiß aus dem breiten Gesicht und nahm eine Zigarette aus Herrings Etui. „Warten Sie damit bis morgen – wir werden heu-te abend Gäste haben.“

„Gäste?“ horchte der Gelehrte ungläubig. „Das müssen schon wildgewordene Abenteurer sein, die jetzt den Mond be-suchen.“

„Die Männer von der Sonderstaffel sind es nur“, lächelte der Professor. „Sie sollen sich den Betrieb hier einmal ansehen; das heißt – was wir ihnen zeigen können.“

In Herrings Gesicht zuckte es nervös. „Ich werde schon auf-passen, daß sie nicht zuviel sehen, Professor.“

Professor Schäfer nickte ihm verabschiedend zu. Herring ging weiter den Gang entlang, der seltsamerweise in

einer großen Spirale den turmartigen Hauptbau der Forschungs-station hinaufführte. Wieder zitterten die Hände, die das Gitter entlangglitten. Ich darf es nicht länger versuchen, grübelte er angestrengt und achtete nicht auf das unerträglich schrille Pfei-fen, das von oben aus dem Auffangraum kam. Plötzlich blieb er ruckartig stehen, sah sich scheu um. Trat dann rasch in einen

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Mittelgang, kam an einer anderen Stelle wieder auf den Haupt-gang, stieg in einen unteren Stock hinab und wurde immer un-ruhiger und scheuer. Er atmete erst auf, als sich die Tür seines Privatraums hinter ihm geschlossen hatte.

„Ich darf es nicht tun“, sagte er laut zu sich selber. Er ging an eine Seitenwand, nahm aus einem Regal ein starkes Buch, das eine Panzerkassette enthielt, die wiederum ein stecknadelkopf-großes rotes Steinchen freigab, das ungemein harmlos aussah und es doch nicht war.

Herrings konnte damit Hunderttausende umbringen. „Ich muß das Ding im Labor zersetzen und unschädlich ma-

chen“, murmelte er. „Wenn die Sonderstaffel mich damit über-rascht …“

Dann schloß er das Buch wieder.

* „Wir sollen heute abend ‚M’ besichtigen.“

„Nehmt ihr mich mit?“ „Das ist nichts für feinnervige junge Damen“, schüttelte Bret

Trojan wichtig den Kopf und ging an der Seite der rotblonden Ann Smith durch die Reihen seiner Kameraden, die an den Kantinentischen saßen und Stielaugen machten.

„Mein Onkel ist auf der Station tätig, und er sagt, es soll dort ein verflucht – äh, ich meine, ein außerordentlich langweiliger Betrieb herrschen.“

Ann Smith war froh, als sie draußen waren. Die Jungen dort drinnen waren sicher in Ordnung, denn sonst hätte Jim Parker sie nicht in seine Elite aufnehmen lassen, aber einem jungen Mädchen gegenüber verhielten sie sich nicht anders als viele ihrer Altersgenossen.

Sie seufzte und sah verstohlen auf Brets Ärmelabzeichen der

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Sonderstaffel. Sie wollte ihm das Herz nicht schwermachen, aber vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte die Finger da-von gelassen.

„Ann, wie meinst du das?“ drängte er besorgt, und, sein Arm schloß sich noch fester um ihre Schulter. „Das ist doch Unsinn – wir lieben uns doch!“

„Das ist es ja eben!“

* Bret war viel zu arglos.

Er verstand nicht, daß das Mädel sich Gedanken um ihn ma-chen mußte. Er hatte immerhin schon allerhand mitgemacht und sah der Zukunft ziemlich gelassen entgegen. Als sie am Abend in der großen Halle der Forschungsstation „M“ standen und ein wissenschaftlicher Assistent sich langatmig über die Bedeutung der Erforschung von kosmischen Strahlungen ausließ, stieß er triumphierend Gun Smith an.

„Sie liebt mich, du blöder Affe!“ „Ein Raumflieger von unserer Sorte sollte nicht heiraten,

Bret“, sagte der andere leise und ernst. „Denk doch mal an das, was der Kommodore mit uns vorhat.“

„Wenn schon! Wir heiraten!“ „Verflucht noch mal – wenn einer von der Sonderstaffel älter

als vierzig wird, hat er Glück gehabt …“ „Pessimist!“ „Ruhe im dritten Glied!“ bellte der Captain dazwischen. Die

beiden schwiegen betreten. Der Assistent schloß seine lichtvol-len Ausführungen, die keiner richtig verstand, mit einem unge-mein geistreichen Ausblick auf die kommenden tausend Jahre. Dann teilte Professor Schröder seine jungen Gäste in drei Gruppen ein. Bret erkannte seinen Onkel, der neben den ande-

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ren Wissenschaftlern der Station stand und zu ihm herüberlä-chelte. Er paßte auf, daß er zu seiner Gruppe kam.

„Hallo, Onkel!“ „Hatte dich schon gesehen, mein Junge“, sagte Dr. Herring

und reichte ihm die Hand. Der wunderte sich flüchtig, wie weich und schlaff und doch zittrig diese schmale, behaarte Hand war. Ging es seinem Onkel gesundheitlich nicht gut?

„Ich schlage vor, wir beide verschwinden gleich – oder inter-essiert dich der Laden sehr?“

„Was mich interessiert, kannst du mir auch auseinanderset-zen!“

„Wir gehen gleich in meinen Privatraum“, wiederholte der Doktor etwas überflüssig. Sein Blick ging unsicher über die schlanke, durchtrainierte Gestalt seines Neffen. Wieder fühlte er eine beängstigende Schwäche in der Herzgegend.

„Ich muß dir was sagen, Bret.“ Bret Trojan machte sich eigentlich nicht viel aus seinem On-

kel, den er in seiner Jugend nur hin und wieder einmal gesehen hatte. Was sollte der gute, immer etwas abwesend wirkende Frank ihm schon zu sagen haben. Es ging ihm aber doch ver-dammt nahe, als Dr. Herring ein Buch aus dem Regal nahm, es aufschlug und ihm hinreckte.

„Weißt du, was das ist?“ Bret Trojan dachte, die Welt sollte untergehen. Alles Mögli-

che war in den Labors und Versuchsanstalten des S.A.T. zu finden, nur drei Stoffe hatte man aus dem Forschungsprogramm verbannt: ein neuartiges Giftgas ein „schleichendes Feuer“, von kriegsbegeisterten Wissenschaftlern vor Jahren aus der Taufe gehoben und von Weltpolizei und S.A.T. schleunigst auf den Index gesetzt – und dieses rote, harmlos aussehende Gestein.

Dr. Herring triumphierte mit glänzenden Augen: „Tabu III!“ Bret Trojan rührte sich nicht. Er stand minutenlang und starrte

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auf den winzigen roten Stein in der schwarzen Mulde der Pan-zerkassette. In seinen Schläfen brauste eine Sinfonie des Ent-setzens auf.

„Onkel Frank, das – das – ist –“ „Das reicht für hunderttausend Menschen“, freute sich Dr.

Herring, und diese Freude und das Glitzern der Augen sagten Bret alles. Sein Onkel war krank. Auf seiner Stirn, die noch vor Stunden in der Hitze verbrannt war, perlte es kalt. Dr. Herring schüttelte das Buch etwas.

„Du sagst nichts?“ „Das ist Tabu III“, sagte Bret mit angestrengter Sachlichkeit.

„Tabu III ist ein Stoff, der nur sehr schwer in den Labors ge-wonnen werden kann – ich weiß es, Onkel Frank, aber ich weiß auch, daß es unter gewissen Voraussetzungen hochaktiv wird und dann die sogenannten kalten Strahlen verbreitet, die nicht zu kontrollieren sind.“

„Wie gut du es weißt“, freute sich der Gelehrte. „Woher hast du das Gestein?“ „Im Labor gewonnen! Die anderen haben nichts gemerkt!

Nicht einmal der neunmalkluge Schäfer!“ . „Wenn man dich damit erwischt, wird man dich festnehmen

und bestrafen“, schrie Bret Trojan auf, und dann brach die Er-regung so stark aus ihm heraus, daß er sich mit beiden Händen an den Kopf griff. „Onkel Frank, das ist furchtbar! Du mußt das Gestein sofort vernichten!“

„Ich will damit nicht morden!“ „Trotzdem …“ „In diesem Stoff schlummern ungeahnte Möglichkeiten“, un-

terbrach ihn der Doktor heftig, nahm den winzigen Stein aus der Kassette und hielt ihn liebevoll hoch. „Die Menschen sind dumm, und Cunningham ist feige! Nur, weil es schiefgehen kann! Ich lasse mir aber nichts verbieten.“

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Bret Trojan spürte sein Herz nicht mehr. „Onkel Frank, das Tabu III wurde von der Weltpolizei im

Einvernehmen mit dem Weltbund der freien Nationen zum Massenvernichtungsmittel erklärt und jede Beschäftigung damit soll als Anschlag gegen die Menschheit gewertet werden!“

Dr. Herring fuhr zurück. Das Glitzern in seinen Augen er-starb, sie weiteten sich unnatürlich und verschwammen – ein Kind wollte spielen und wurde deswegen gerügt …

Und die Angst erfaßte ihn. Die Hand, die das rote Gestein Tabu III hochhielt, fiel herun-

ter, und dann sackte er einfach zusammen. Bret packte fester zu und führte den Halbbewußtlosen zu einem Sessel, der hinter der sonnenbestrahlten Jalousie stand Die rote, gefährliche Winzig-keit lag irgendwo am Boden.

In diesem Augenblick trat Gun Smith ein.

* Gun Smith hatte eine ziemliche Wut im Leibe.

Der Captain hatte ihn eben angepfiffen, und das hatte er nur dem Unangebrachten Wortwechsel mit Bret Trojan zu verdan-ken. Gun Smith hatte allerhand auf dem Herzen, was er dem verliebten Burschen nicht vorenthalten wollte, und seine Arbeit war es, ihn zu einer netten, kleinen Aussprache hinauszubitten. Als er nach kurzem Anklopfen eintrat, führte Bret seinen Onkel zum Sessel. Gun Smith vergaß, was er wollte und sprang sei-nem Kameraden bei.

„Soll ich mit anfassen?“ „Meinem Onkel ist schlecht geworden“, sagte Bret Trojan

aufgeregt, und sah in das blasse, schlaffe Gesicht, das vor ihm auf die schmächtige Schulter hing. Gun Smith faßte mit an. Gemeinsam setzten sie den Doktor in den Sessel, Dabei fiel

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Brets Blick auf das rote Gestein, das sich deutlich von dem gelblichen Fußbodenbelag abhob, und ein eisiger Schreck ließ ihn zusammenfahren.

Wenn Gun das Zeug sah! Dann würde er Meldung machen und Onkel Frank dem

Weltgerichtshof ausliefern. Der Weltgerichtshof würde seinen geistigen Zustand berücksichtigen. Doch an der Diffamierung des Namens Herring würde das wenig ändern. Es war der Mäd-chenname seiner Mutter. Brets Gedanken jagten sich. Das durf-te nicht sein!

„Soll ich einen Arzt rufen, Trojan?“ Gun Smith sah prüfend auf den immer noch regungslosen

Gelehrten und richtete sich dann auf. Bret Trojan schüttelte den Kopf. „Danke, Smith! Ich werde schon mit ihm fertig. Es ist wohl nicht so schlimm!“

„Wie du meinst“, erwiderte der andere kurz. „In einer halben Stunde rücken wir ab. Ich wollte eigentlich noch etwas mit dir besprechen, bevor wir zur Zentrale zurückfahren.“

„Ich muß mich noch um meinen Onkel kümmern.“ Gun Smith blickte sich flüchtig um, so, wie man es in einem

fremden Raum vielleicht einmal tut. Mit angespanntem Atem folgte Bret seinem Blick. Aber es ging gut. Gun Smith nickte flüchtig und verließ den Raum. Gun war einmal sein bester Kamerad gewesen, aber jetzt hatte Bret plötzlich eine Abnei-gung gegen ihn. Er ließ seinen Onkel los, bückte sich und hob den roten Stein auf. Dann rüttelte er den Benommenen.

„Onkel!“ Der Gelehrte keuchte mit blauen Lippen. In Bret fieberte al-

les so sehr, daß er ihm keine Ruhe gönnte. „Wie kann man die-sen verfluchten Stein am besten zersetzen?“

Dr. Herring öffnete weit die Augen. „Zersetzen – muß das sein?“

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„Es gibt keine andere Möglichkeit.“ „Du mußt mir helfen!“ „Ich helfe dir am besten, wenn ich den Spuk aus deinem Ge-

hirn verjage“, lachte Bret gutmütig und sah auf die Tür, die Gun fest hinter sich geschlossen hatte. „Bis morgen mittag mußt du das Zeug beseitigt haben – sonst mache ich Meldung – ich muß es.“

Dr. Herring atmete immer noch schwer. „Wenn es denn sein muß“, sagte er enttäuscht und müde. „Ich bin ein Mensch, der sich an Niederlagen gewöhnen muß!“

„Du bist doch ein angesehener Wissenschaftler, Onkel Frank!“

„Immer nur einer der zweiten Garnitur“, stieß Dr. Herring heftig hervor. „Aber das geht nur mich etwas an! Ja, ich will dir keine Ungelegenheiten machen, ich werde das Gestein auflö-sen!“

Bret atmete tief auf „Du mußt mir dein Ehrenwort darauf ge-ben!“

„Ich gebe es dir!“

* „Bret …!“

Ann Smith stand am Portal der Nachrichtenabteilung, die der großen Funkstation von „Luna IV“ unterstand. Sie sah die mü-den Jungen aus dem Schnellwagen steigen und auf sie zukom-men. Wieder Bret Trojan neben Gun Smith, obwohl die beiden kaum noch ein Wort miteinander sprachen. Die Strahlenpistole über die rechte Schulter gehängt, kamen sie näher. Bret Trojan grinste müde.

„Magst du mich noch leiden, süßer Liebling?“ „Werde nicht gleich dramatisch“, lachte sie und streckte ih-

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nen beide Hände hin. „Ihr seid nicht die einzigen, die sich an-strengen müssen. Ich habe auch eine Schicht hinter mir!“

„Im Büro sitzen und Speiseeis vertilgen“, knurrte Gun Smith. „So gut möchte ich es auch mal haben“, nickte Bret und

wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. „Im übrigen könn-test du mir gern einen Kuß geben.“

Gun Smith fuhr herum. „Meine Schwester ist nicht für Al-bernheiten! Merk es dir gefälligst!“

„Ruhig bleiben, mein lieber Gun!“ mahnte Bret sanft. „Natürlich ist sie für Albernheiten“, sagte Ann, reckte sich

und küßte Bret. wobei sie aber ihrem Bruder herausfordernd in die Augen sah. „Wenn du das nicht sehen kannst, dreh dich ge-fälligst um!“

Gun schämte sich fürchterlich. Die Jungen drängten sich an ihnen vorbei zur nahen

Schwimmhalle, und sie waren nicht gerade sentimental und rücksichtsvoll, als sie sahen, wie es um Bret Trojan und die neue Nachrichtenassistentin stand. Ihre Bemerkungen waren wohlwollend, aber eindeutig. Ann machte sich rasch wieder los und rannte lachend davon, Gun Smith sah ihr düster nach.

„Du machst mir das Mädel noch verrückt!“ „Mensch, Gun – was hast du für eine Schwester!“ sagte Bret

überglücklich. „Laß die Finger von ihr!“ „Bah …“

* Sie traten in die großartige Schwimmhalle.

Jenkins stand mit seinen Unterführern zusammen und redete auf sie ein. In langer Kette gingen die 87, die aus der Eldorado-Ebene zurückgekehrt waren, zu den Kabinen, zogen sich aus

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und gingen weiter zum großen Schwimmbecken, das als neue-ste Errungenschaft der Mondmänner von „Luna IV“ aus den harten Felsen des Erdtrabanten herausgesprengt worden war. Das Wasser wurde aus einem weitläufigen See tief unter dem Mondboden – ungefähr 60 Meilen von der Zentrale entfernt – herangesaugt, mit allen Raffinessen gereinigt, und ergoß sich dann perlend in das weiß und rot gehaltene Becken. Die Jungen der Sonderstaffel tobten sonst umher wie Vierzehnjährige, die nichts als Dummheiten im Kopfe hatten – heute lastete auf allen eine seltsame Stimmung.

Wo würde man sie zuerst einsetzen? Gun Smith schwamm an Bret vorbei. „Wie geht es deinem

Onkel?“ fragte er, als seien nie harte Worte zwischen ihnen ge-fallen. Bret drehte sich auf den Rücken und starrte in das Filter-licht, das sich unter der Hallendecke in hellen Schwaden gegen die eindringende Sonne ballte.

„Danke, Gun – meinem Onkel geht es wieder gut.“ „Ist er noch in ‚M’?“ „Natürlich! Warum fragst du danach?“ „Ich meine nur, Bret!“ Bret Trojan wurde unruhig. Was sollte diese Fragerei? Er warf

sich herum, schwamm mit zwei, drei Stößen an die Kante und zog sich hinauf. Es fiel nicht weiter auf, daß er sich ankleidete und die Halle verließ. Als er aber auf dem Gang stand und überlegte, ob er nicht einfach zur Forschungsstation hinausfahren sollte, war plötzlich Gun Smith neben ihm. Er war noch naß, hatte seinen Bademantel übergeworfen und war noch ernster als sonst.

„Ich muß dich sprechen, Bret!“ Bret Trojan suchte seine Zigaretten. „Wegen Ann?“ fragte er

etwas unsicher und hoffte, es würde wirklich nur wieder um Ann gehen.

„Diesmal nicht, Bret.“

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Gun Smith sah etwas- komisch aus in seinem knallgelben Mantel mit den grinsenden Weltraumgespenstern und-- mit sei-nem triefenden Haar, aber sein hartes, klares Gesicht blieb da-von unberührt. Bret Trojan bemühte sich so gelassen und schnoddrig zu tun wie immer.

„Bret, hast du deine Meldung gemacht?“ Also doch! Bret Trojan, nur jetzt nicht in die Knie gehen!

„Du wirst immer ungenießbarer, mein Lieber! Ich wüßte nicht, was ich melden sollte!“

„Nun, daß dein Onkel Tabu III in seinem Privatraum hatte.“ „Tabu III? Du bist ja verrückt, Mensch!“ Gun Smith fuhr nicht auf. Er war ganz ruhig und ausge-

sprochen kameradschaftlich in diesen Minuten. „Bret, du kannst mir nichts vormachen. Wir alle wissen von unserer theoretischen Schulung her, wie Tabu III aussieht. Was ge-stern abend bei deinem Onkel auf dem Boden lag, war das rote Teufelsgestein.“

„Du erzählst Romane, Gun Smith!“ Sie gingen nebeneinander her, viel zu langsam für Gun

Smith, der innerlich fieberte. Guns nackte Fußsohlen hinterlie-ßen eine nasse Spur auf dem glatten Boden. „Du kannst dir dei-ne Manöver sparen, Bret. Ich habe es gesehen und ich kann mir auch denken, was sich vorher zwischen dir und deinem Onkel abgespielt hatte und warum ihm schlecht geworden war. Ich habe dir absichtlich Zeit bis heute vormittag gelassen.“

„Zeit?“ stieß Bret Trojan hervor. „Wozu?“ „Um Meldung zu machen!“ „Ich habe keine Meldung zu machen!“ „Du weißt, daß du als Angehöriger der Sonderstaffel und der

Einsatztruppe verpflichtet bist, eine solche Beobachtung zu melden – und ich bin es auch …“

„Du spinnst ja, Gun Smith!“ brach es verzweifelt aus dem

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Jungen hervor. „Wer weiß, was du gesehen hast! Ich habe ganz andere Sorgen, als blödsinnige Meldungen zu machen!“

„Dann muß ich es tun!“ „Wenn du dich blamieren willst“, sagte Bret Trojan wegwer-

fend, wobei er stehen blieb, seinem Kameraden die Rechte auf die Schulter legte und sich bemühte, sie ruhig zu halten. „Sei doch mal vernünftig, Gun – ich sage dir, daß mein Onkel kein Tabu III in seinem Privatraum hatte – wer weiß, was du gesehen hast.“

Gun Smith sah ihm ernst in die Augen. Dann wandte er sich schweigend ab und ging zurück in die

Schwimmhalle. Bret sah ihm nach, aber er nahm ihn nicht mehr wahr. Er wußte, daß er jetzt Meldung machen würde, und er wußte auch, daß nun alles davon abging, ob Dr. Herring sein Ehrenwort gehalten hatte.

Er mußte sich davon überzeugen. Zur Station hinausfahren konnte er nicht mehr. Das würde

auch auffallen. Er mußte seinen Onkel anrufen: Bret Trojan ging zur Kantine hinüber, trank mit der heitersten Miene von der Welt zwei scharfe „Mondkälber“, obwohl ihm das Herz bis zum Halst hinauf klopfte und rief dann in der Forschungsstation an. Er verlangte, mit Dr. Herring verbunden zu werden. Im Bü-ro der Station saß eine junge Assistentin und zwitscherte wie ein bunter Vogel. Bret hatte jetzt kein Ohr für reizvolle Mäd-chenstimmen. Er hörte nur, daß sie endlich sagte:

„Herr Dr. Herring bedauert! Er kann sich leider nicht stören lassen!“

„Aber ich muß ihn sprechen!“ drängte Bret. „Bitte, schalten Sie doch durch zu ihm.“

„Ich darf es leider nicht, Sir! Herr Dr. Herring läßt Ihnen aber herzliche Grüße bestellen und sagen, Sie sollten sich nicht beunruhigen.“

Bret Trojan stellte ab.

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*

Zwanzig Minuten später wurde er zu Major Williams gerufen.

Der Chef des „Mond-Sicherheitsdienstes“ empfing ihn nicht unfreundlich und bot ihm sogar eine Zigarette an. „Es ist eben eine ebenso alarmierende wie seltsame Meldung gemacht wor-den, Trojan, die Herrn Dr. Herring von der Station ‚M’ und in-direkt auch Sie betrifft.“

Bret Trojan nickte. „Ich weiß, Major! Die Meldung wurde vor meinem Kamera-

den Smith gemacht!“ William strich seine Zigarette ab und überflog noch einmal,

was auf dem Notizblock vor ihm stand. „Dr. Herring ist Ihr On-kel?“

„Jawohl, Major – der Bruder meiner Mutter!“ „Sie waren gestern abend bei ihm?“ „Während der Besichtigung der Station nahm mein Onkel

mich in seinen Privatraum mit, um mir diesen zu zeigen. Dabei wurde er von einem Unwohlsein befallen, und als ich ihn zu einem Sessel führte, trat Smith ein.“

„Smith will dabei ein Steinchen Tabu III gesehen haben.“ „Er sagte es mir, Major, aber er muß sich geirrt haben.“ Bret

Trojan flehte bei dieser Lüge zum Himmel, daß es gutgehen möge. Der Major sagte nichts und schien nur noch Interesse an seiner Zigarette zu haben. Es waren unbehagliche Minuten. Von draußen kam das leise Tasten einer Schreibmaschine und Fetzen eines Gesprächs hinein, das zwei Mitarbeiter des Majors miteinander führten. Durch die schmalen Fenster sah man aus-gerechnet auf die schneeweiße Wand der Nachrichtenräume, in denen Ann arbeitete. Schließlich drückte der Major die Tasten neben seinem Haussprecher und gab die Anweisung aus, in

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dem Privatraum des Doktors eine genaue Durchsuchung vorzu-nehmen und – wenn sie ergebnislos verlaufen sollte – auf die ganze Station auszudehnen.

„So, Trojan – und Sie bleiben solange hier!“ „Jawohl, Major!“ „Es tut mir leid“, sagte der Major wohlwollend, „aber ich

kann Sie natürlich nicht ’rauslassen, bevor nicht das Ergebnis der Durchsuchung vorliegt.“

„Ich verstehe, Major!“ erwiderte der Junge, und sein Herz hämmerte so laut, daß er Angst hatte, der Major würde es hö-ren. Ihm war überhaupt übel zumute. Er durchlebte die qual-vollsten Minuten seines Lebens, und in jeder Minute zerrte die beklemmende Ungewißheit seine Eingeweide so sehr, daß er sich den Magen halten mußte. Dabei fror er jämmerlich und bemühte sich, auf die freundlichen, belanglosen Bemerkungen des Majors ebenso zu antworten – und als bereits nach einer knappen Stunde ein Sergeant mit dem triumphierenden Lachen des erfolgreichen Jägers eintrat, wußte er, daß es nicht gutge-gangen war.

Der Sergeant trat an den Schreibtisch und reckte seinem Chef ein größeres Buch hin. „Ich habe den Befehl ausgeführt, Major, und dabei dieses Buch sichergestellt.“

Williams schob die Unterlippe vor. „Was ist das?“ „Sie können es öffnen, Major, aber bitte vorsichtig!“ Der

Major ließ sich viel Zeit dabei, und Bret Trojan hockte auf sei-nem Stuhl und wagte nicht, sich zu rühren. Endlich tat sich die schwarze Mulde der Kassette vor Williams auf, und in dieser Mulde lag das winzige rote Gestein. Williams sprang auf.

„Bei allen Göttern! Tabu III!“ Aus! hämmerte es in Brets Schädel. Aus! Er hat sein Ehren-

wort nicht gehalten. Er erhob sich, ohne dazu aufgefordert zu werden.

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„Major – ich – –“ „Haben Sie mich belogen, Mensch?“ Vielleicht kann ich mich noch herausreden, grübelte er und

nahm sehr steif und sehr blaß Haltung an. Niemand kann mir nachweisen, daß ich das Zeug gesehen habe. Niemand, nie-mand, jagten sich seine Gedanken, während der eisige Blick des Sicherheitschefs ihn nicht losließ – dann sagte er:

„Jawohl, Major – ich habe Sie belogen!“

* „Sie sind sich über die Folgen Ihrer Handlungsweise im klaren?“

„Jawohl, Major!“ „Daß in der Sonderstaffel für Lügner kein Platz ist, kann ich

Ihnen bereits verraten.“ Bret Trojan antwortete nicht. Er konnte nicht antworten. Ein scheußliches, unterdrücktes Schluchzen schüttelte ihn innerlich. Sein Mund war ein schmaler Strich.

„Setzen Sie sich wieder!“ Der Major schloß sorgsam das ominöse Buch mit seinem ge-

fährlichen Inhalt und legte es mit spitzen Fingern weit von sich. Dann zündete er sich wieder eine Zigarette an. Trojan erhielt diesmal keine. Einer von Williams Mitarbeitern trat ein und setzte sich an eine Schreibmaschine. Das Verhör war ausführ-lich. Bret Trojan war vernünftig genug, nichts mehr zu ver-schweigen. Er schonte seinen Onkel nicht mehr. Williams nick-te nachdenklich.

„Ihr Onkel wurde inzwischen festgenommen und einem Arzt zugeführt.“

„Er ist krank.“ „Eine schöne Dummheit haben Sie begangen, Trojan!“ Dann

erschien plötzlich Captain Jenkins, schnitt ihm das Ärmelzeichen mit dem golden umringten Globus herunter und entließ ihn.

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„Vorläufig vom Dienst ausgeschlossen“, nannte er es wut-schnaubend.

Die Entscheidung lag beim Kommodore.

* Bret Trojan war fertig.

Er ging automatisch den Gang entlang und wußte nicht, wo-hin er gehen sollte. Sogar seine Waffen würde man ihm nicht geben. Es war gut, daß er jetzt waffenlos war. Er hätte sonst Dummheiten gemacht, und nicht nur sich selber abgeschossen …

In seinem Hirn wurde ein schlimmer Gedanke geboren. Seine Kameraden kamen gerade aus der mächtigen

Schwimmhalle, als er über den weiten Platz der Zentrale ging. Sie hatten es schon gehört, und sie kamen auf ihn zu und sagten ihm allerlei, was gut gemeint war. Er machte ein paar wegwer-fende Bemerkungen, daß alles halb so schlimm sei und Jenkins ihm den Buckel runterrutschen könne, und ging weiter.

In seiner kleinen Wohnkammer legte er sich erst einmal lang auf das Ruhebett und starrte gegen die Decke.

Aus, Bret Trojan! Nerventötend summte einer der neuen Strahlhubschrauber

tief über das Dach der langgestreckten Baracke der Sonderstaf-fel hinweg. Bret hörte es nicht. Denken konnte er nicht mehr. Sein Leben stand still, und die Finger seiner Linken, die wild auf die Metallkante der Liege klopften, waren selbständige Le-bewesen, bis auch sie ruhig liegenblieben.

Das also war das Ende! Kurz nach Mittag kam Ann. Sie hatte von Gun alles erfahren

und hockte sich neben ihm nieder. Für Minuten fühlte er sich geborgen und sah nur ihren schlanken Körper neben sich und ihr schmales, helles Gesicht, das sich über ihn neigte.

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„Mach dir nur nichts daraus, Bret! Ich an deiner Stelle hätte ebenso gehandelt.“

„Du bist eine Frau!“ „Seinen Onkel zeigt man doch nicht einfach an!“ „So kann nur eine Frau reden!“ „Ich bin nicht traurig“, sagte sie leise und strich ihm lächelnd

durch das wirre, blonde Haar. „Von übersteigerten Ehrbegriffen halte ich nicht viel. Daß du etwas kannst, hast du bereits als Raumflieger bewiesen, und den Kopf können sie dir nicht we-gen dieser Sache abschlagen. Ach, Bret – ich glaube, es ist so gut, daß – –“

Er richtete sich etwas auf und sah sie groß und verständnislos an. „Wie meinst du das, Ann?“

„Du hast mich doch verstanden.“ „Wenn man mich aus der Sonderstaffel ausstößt, bringe ich

mich um – und – –“ Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn. Eine Frauenstimme

rief nach Ann Smith. Sie küßte ihn und sprang auf. „Ich komme gleich wieder“, rief sie und rannte auf die Tür zu. Bret Trojan sah ihr nach und lehnte sich dann wieder zurück.

Ihre eiligen Schritte verklangen. Sie ist nicht traurig, lächelte er bitter, sie ist nicht traurig, und

dabei haben. sie mir schon das Abzeichen abgeschnitten. Oh, Ann!

* „Was ist denn los, Mary?“

Ann Smith steuerte den rasenden Schnellwagen auf den her-annahenden Rundbau der Zentrale zu, der sich langsam in die Fahrtrichtung drehte. „Ich weiß es nicht, Ann! Mister Miller läßt das gesamte Betriebspersonal zusammenkommen!“

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„Überstunden?“ „Wahrscheinlich, Ann“, nickte Mary aufgeregt. „Irgend et-

was muß geschehen sein.“ Und bei einem zufälligen Seiten-blick: „Was ist dir, Ann?“

Ann weinte, aber sie lächelte dabei. „Ich komme von einem dummen Jungen …“

Mary fragte nicht weiter. Vor der Nachrichtenabteilung stand eine Gruppe von Offi-

zieren der Einsatztruppe. Auch Captain Jenkins war unter ihnen. Er grüßte sehr höflich, als Ann an ihm vorüberging. Dann standen sie mit zehn anderen Assistentinnen vor Miller, dem neuen Verantwortlichen für das Funkwesen von „Luna IV“.

„Wir müssen einen Dauerdienst einrichten“, sagte er in sei-ner breiten, ruhigen Art und zeigte auf die langen Arbeitstische im Betriebsraum. „Orion-City hat für uns Einsatzstufe II ange-ordnet …“

Nach der Einsatzstufe II kam nur noch der „Alarmdienst“. Ann saß auch in den nächsten Stunden neben Mary. Ihre Ge-

danken waren bei Bret Trojan, und sie rief ihn zwischendurch einmal an und erhielt von ihm eine verworrene Antwort. Wenn nur die Einsatzstufe wieder aufgehoben würde! Vorläufig ge-schah nichts. Im Sonnensystem herrschte der übliche Funkver-kehr. Nur der 4. Kanal war unruhig, und Ann und Mary, die zur Auswertung dieses Kanalsektors gehörten, waren denn auch die ersten vom ganzen Nachrichtenpersonal, die erfuhren, was „Luna IV“ aus der Tiefe der Sternenwelt auffing.

„Vier Mann verschollen. Werden weiterhin von noch fernem Atombrand bedroht. Uranus-Station.“

„Atombrand breitet sich aus.“ Dann Orion-City: „An Mond-Sicherheitsdienst für Captain

Jenkins. Ausbildungsgang unterbrechen. Sofortausbildung nach

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Richtlinie C. Sonderkommando für Einsatz in Sonnenferne bil-den. Parker.“

Ann Smith wurde das Herz noch schwerer, als sie diesen Text niederschreiben mußte.

Sie dachte an ihren Bruder.

* Die Staffel sollte ’raus.

Noch wußte es keiner, daß auf dem drittletzten Planeten des Sonnensystems ein atomarer Brand tobte, der den äußersten Vorposten der Erde zu bedrohen begann. Noch begnügte sich das S.A.T. damit, eines seiner Patrouillenschiffe auf den Uranus anzusetzen.

Aber der Zeiger rückte auf den roten Strich. In Orion-City machte man ernste Gesichter. „Meine Herren“,

sagte der Generaldirektor, warf mit beleidigter Miene seine Ha-vanna fort und zeigte auf die Projektionstafel, auf der die Karte eines kleineren, halberforschten Uranus-Gebietes zu sehen war.

„An dieser Stelle – vierzig Meilen vor der schwarzen Schlucht – ist das Feuer entstanden, nachdem sich Gase ent-zündeten, die aus der Tiefe hervordrangen – so meldet Dr. Le-derer.“

„Und die Schlucht ist für uns wichtig?“ fragte der Vertreter der amerikanischen Bundesregierung. Jim Parker, der mit Fitz Wernicke neben der Karte stand, nickte.

„In den Felswänden der Schlucht haben unsere Leute große Erzlager festgestellt, die ein kobaltähnliches Metall zu enthalten scheinen und für uns noch einmal bedeutungsvoll sein können – sehr bedeutungsvoll sogar.“

„Diese Lager sind in Gefahr?“ „Wenn sich der atomare Brand auf die Schlucht ausbreitet,

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wird von ihnen nichts übrigbleiben und vielleicht der halbe Pla-net auseinandergerissen – wir müssen alles daransetzen, um das zu verhindern.“

„Wie können Sie das Wüten einer fremden Natur eindäm-men!“ wiegte der Regierungsvertreter bedenklich den Kopf.

„Wir haben schon einmal ein atomares Feuer besiegt, Sir – denken Sie an den geheimnisvollen Atompilz über Alaska.“*

„Und wer soll Sie auf einen solchen – verzeihen Sie – Todes-flug begleiten?“

„Meine Jungen!“

* Die Staffel fluchte weiter.

Jenkins hatte sie zur Abwechslung in dichten, gegen radioak-tive Strahlungen abgeschirmten Raumanzügen durch die Son-nenglut gejagt und dann durch die kalten, dämmerigen Schächte des verlassenen Mondwerkes „Luna II“, wohin er sie mit den Schraubern transportierte.

Den Jungen blieb buchstäblich die Luft weg, aber in der fro-stigen Einsamkeit der langgestreckten, unterirdischen Schächte ahnten sie, was ihnen bevorstand, und Petersen, der lange Hamburger, meinte zu Gun: „Ich rieche was …“

„Ich auch“, nickte Gun trocken, „Sonnenferne!“ Er sprach sonst fast kein Wort mehr und war noch düsterer

und verschlossener in seinem ganzen Wesen. Einer fehlte ne-ben ihm. Nach der Übung fielen weitere vier aus und wurden ins Spital gebracht. Gun wurde in das Büro des Captains be-fohlen, der neben seinem Schreibtisch stand. Neunzehn andere mit ihm. * Siehe UTOPIA, 10. Band: „Abenteuer in Alaska“

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„Sie sind alle schon bis zur Jupiterbahn und weiter geflo-gen?“

„Jawohl, Captain!“ „Sie müssen damit rechnen, in den nächsten Tagen eingesetzt

zu werden. Sie werden vorher eine Schnellausbildung in der Bekämpfung atomarer Großbrände erhalten. Das Kommando übernimmt Leutnant Steinfelder. Ich danke.“

Sie traten weg. Nur Gun blieb stehen. Der Captain hob fra-gend die Augenbrauen.

„Captain, ich bitte eine Frage stellen zu dürfen: Was wird aus Trojan?“

„Was Trojan sich eingebrockt hat, wissen Sie doch!“ „Jawohl, Captain!“ „Dann können Sie sich auch denken, wie die nächste Zukunft

für ihn aussehen wird“, sagte Jenkins kalt. „Strafversetzung auf irgendeinen toten Posten! Von der Sonderstaffel wollen wir nicht mehr reden! Die bleibt ihm verschlossen. Auf immer! Oder – sind Sie anderer Meinung?“

Gun Smith log nicht. „Nein, Captain!“

* Er ging zu Bret Trojan.

Als er die kleine Wohnkammer betrat, mußte er erst einmal mit der flachen Hand den wogenden Zigarettenqualm wie einen Vorhang auseinanderfegen. Hinter diesem Vorhang starrte ihm vom Ruhebett aus ein blasses, unrasiertes Gesicht aus brennen-den Augen an.

„Hallo, Bret!“ „Was willst du?“ „Etwas mehr Haltung könnte dir jetzt nicht schaden“, knurrte

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Smith abfällig und schloß sorgfältig die Tür hinter sich. Seine Stimme verlor bereits den kameradschaftlichen Klang, den sie zunächst gehabt hatte.

„Was sagt meine Schwester zu deiner traurigen Erschei-nung?“

Bret Trojan schob die Hände zwischen die Knie und beugte sich vor. „Deinen Spott kannst du dir schenken, mein lieber Gun! Schließlich habe ich alles einem Streber zu verdanken, der Gun Smith heißt und ein Pflichtgefühl besitzt wie ein übergeschnapp-ter General! Und daß du von Ann anfängst, ist geradezu witzig!“

„Ich bin nicht gekommen, um Witze zu machen!“ Die Hände zwischen den Knien preßten sich immer mehr zu-

sammen, aber es sah so aus, als könnte Bret sie nur mühsam so ruhig halten. „Deine Schwester, du vorbildlicher Ehrenmann, hat sich seit zwei Tagen nicht bei mir blicken lassen – dafür genieße ich jetzt deinen Anblick!“

Gun Smith blieb ruhig. „Meine Schwester hat ununterbro-chen Dienst“, sagte er und hockte sich auf die Stahlkante eines Stuhls. „Es ist irgend etwas im Gange! Wir sollen in den näch-sten Tagen ’raus.“

Bret ruckte hoch und setzte sich sehr gerade. „Ihr sollt ’raus? Mensch, was ist denn los?“

„Wir wissen es nicht, aber es muß jenseits der Jupiterbahn sein.“

Bret gab es einen Stich. „Bist du gekommen, um mir das zu sagen?“

„Das bin ich!“ Gun Smith ließ das linke Bein hin und her pendeln und ver-

schränkte die Arme über der Brust. Bret konnte kaum noch an sich halten. Diese überlegene Selbstsicherheit des anderen war ihm schon oft genug auf die Nerven gegangen – jetzt aber reizte sie ihn unsagbar.

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„Ich denke, es wird dich interessieren, Bret! Ich wollte über-haupt mal nach dir sehen.“

„Ich verzichte gern auf deine Anwesenheit!“ „Du bringst verschiedenes durcheinander“, sagte Gun Smith

gelassen, fischte sich eine Zigarette aus der großen Brusttasche und zündete sie an. „Ich kann mir denken, daß du eine Wut auf mich hast, aber du kannst einen anderen nicht für das verant-wortlich machen, was du dir selber eingebrockt hast.“

„Wie schön du sprichst! Wirklich ergreifend schön!“ „Wenn ich meinen Onkel mit Tabu III überrascht hätte …“ „Dann hättest du ihn persönlich zum Sicherheitsdienst ge-

schleppt und um die Todesstrafe für ihn gebeten, nur um den Herren Offizieren zu zeigen, wie du zur Stange hältst.“

„Quatsch!“ schüttelte Gun den Kopf. „Ich hätte Meldung gemacht, wie es sich gehört.“

„Bei deiner Auffassung …“ „Über Auffassungen wollen wir uns jetzt nicht streiten“, un-

terbrach ihn Gun Smith abweisend. „Das würde uns nicht wei-terbringen, Bret. Du kannst die Tatsache nicht abstreiten, daß du deine Pflicht verletzt hast, und das kann man bei der Sonder-staffel nur einmal – das sieht du wohl ein …“

Bret Trojan sprang auf und stellte sich vor seinen früheren Kameraden. Er zitterte am ganzen Leibe. Er hätte etwas darum gegeben, den anderen klein und häßlich zu sehen. „Was ich ein-sehe oder nicht, Gun Smith, geht nur mich etwas an!“

Auch Gun war schon hoch, und nun zeigte sich in seinem har-ten Gesicht eine weichere Regung. „Warte noch einen Augen-blick, bevor du mich hinauswirfst, Bret! Ich möchte dir helfen!“

„Scher dich zum Teufel!“ „Ich habe nun mal das Pech gehabt, dich mit deinem Onkel

und diesem verfluchten Tabu III sehen zu müssen! Wir müssen nun für dich eine neue Ausgangsposition finden.“

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„Wie meinst du das?“ „Ich schlage vor, du bittest schleunigst darum, den Mond ver-

lassen und nach Orion-City zurückkehren zu dürfen. Einem Dis-ziplinarverfahren wirst du zwar nicht entgehen, aber du kannst dir vielleicht dort einen Posten suchen, der nicht allzu sehr nach Strafversetzung riecht. Ich habe einige Beziehungen …“

„Und Ann hat mich nicht länger vor Augen, wie?“ höhnte Bret.

„Das auch“, nickte Gun Smith offen. „Ann wird darüber hinwegkommen, und du auch, Bret!“

Bret Trojan schlug zu. Es war eine reine Reflexbewegung, mit der sich die Span-

nung löste, unter der er seit Tagen stand, und er schlug so über-raschend zu, daß Gun Smith nicht mehr dazu kam, sie abzu-wehren.

Die nervige Faust traf genau den Punkt. Gun Smith sackte lautlos zusammen.

* „Achtung! Luna IV!“

Ann Smith sah gebannt auf die Buchstaben, die der Ein-gangsstreifen zum zweitenmal an ihr vorbeigleiten ließ.

„Befehlsübermittlung Parker an Captain Jenkins – Sonder-staffel. Kommando der Sonderstaffel wird in vierzig Stunden zur Außenstation transportiert. Einsatz: Uranus: Einsatz den Männern bekanntgeben. Ausrüstung wie vorgesehen. Eintreffe Mond. Parker.“

Das war der Einsatzbefehl. Er wurde bereits ausgeführt. Jenkins tauchte im Betriebsraum auf und unterhielt sich kurz

mit Miller, der viel aufgeregter war als er. Jenkins war kalt und

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gelassen. Er wußte, er hatte in den vergangenen Monaten ganze Arbeit geleistet. Er schlenderte an Anns Arbeitsplatz vorüber.

„Drücken Sie den Jungen die Daumen, Miß Smith!“ Ann würgte es. „Sie – sie sollen wirklich zum Uranus?“ „Das ist nun kein Geheimnis mehr, Darling!“ Eine Ordonnanz vom Sicherheitsdienst stürzte den Gang

zwischen den Arbeitstischen entlang und meldete dem Captain etwas. Jenkins verfärbte sich, verließ eilig und ohne sich von Miller zu verabschieden den Betriebsraum und warf sich drau-ßen in einen Schnellwagen.

„Ist der Kerl denn wahnsinnig geworden, sich von diesem Trojan zusammenschlagen zu lassen!“

„Einer Ihrer Leute fand ihn, Captain!“ „Und Trojan ist verschwunden?“ „Wir suchen ihn bereits!“

* Die Alarmsirenen riefen.

Sie suchten Bret Trojan, wie man einen Verbrecher sucht, und sie würden ihn jagen, bis sie ihn eingefangen hatten. Der Captain nahm sich in seinem Büro den todblassen Gun Smith vor, und er war nicht sehr freundlich dabei.

„Man läßt sich doch nicht niederschlagen, Mann!“ „Ich bedauere es, Captain! Ich hatte Trojan aufgesucht, um

ihm zu helfen und dachte nicht, daß er zu Tätlichkeiten überge-hen würde – er hatte auch gar keinen Grund dazu.“

„Haben Sie Verletzungen erlitten?“ „Nein, Captain!“ „Sie sollen in vierzig Stunden ’raus!“ Der Captain mochte

den wortkargen und düsteren Gun Smith nicht besonders gern, aber er wußte, daß er zuverlässig war und seinen Dienst über

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alles setzte. Mit betonter Freundlichkeit legte er ihm die Hand auf die Schulter. „Nehmen Sie die Schlappe nicht tragisch, Smith! An der Suche nach Trojan beteiligen Sie sich aber nicht!“

Gun Smith konnte gehen. Er ging mit zusammengebissenen Zähnen. Die Hände tief in

die Taschen geschoben. Der Faustschlag des früheren Kamera-den schmerzte ihn nicht, wohl aber der Gedanke, daß Trojan seine eigene Dummheit nicht einsehen konnte.

Bret Trojan hatte versagt. Schade, Bret – warst kein schlechter Kerl … Gun Smith schüttelte das Grübeln von sich ab und horchte

auf, als durch den langsam vorschreitenden Mondtag, hinter dem bereits die eisige Schwärze der kommenden Nacht lauerte, ein immer mächtiger werdendes Heulen herantobte.

Ein großes Raumschiff!

* Auch Bret Trojan hörte es.

Das unheimliche Heulen packte ihn und ließ ihn nicht wieder hochkommen aus der flachen Mulde, die ihn in der Einsamkeit der Eldorado-Ebene bergen sollte, die erst weit im Süden gegen die verschwommen in den glasigen Himmel ragenden Amerika-Berge stieß. Bret sah mit weitaufgerissenen Augen auf das blit-zende Ding, das über die Ebene dahinschoß. Irgendwo vor ihm mußten die Raketenfelder liegen.

Was habe ich getan, dachte der Junge verzweifelt und kaute den feinen Staub, der ihm aus der Ebene entgegenrieselte. Sonst war nichts um ihn. Nur irgendwo ein Motorensingen. Oder sang die Stille dieser Verlorenheit so?

Bret Trojan rührte sich nicht. Minutenlang nicht.

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Das Heulen erstarb, aber das Singen kam näher. Bret fuhr hoch. Da kam etwas heran! Das konnte nur eines

der schweren Spezialkrads der Einsatztruppe sein. Er duckte sich wieder tiefer in den Mondboden, wandte aber den Kopf, sah angestrengt auf einen kleinen Punkt, der von der Zentrale herüberjagte. Es war wirklich ein Krad! Jetzt hatten sie ihn! Drei Stunden waren sie durch die Ebene gebraust, ohne seine kleine Mulde zu finden. Jetzt jagte ein Krad direkt auf ihn zu. Was nun kam, war klar: Verhaftung! Ehrengericht! Strafe we-gen Tätlichkeit gegen einen Angehörigen der uniformierten S.A.T.-Streitkräfte. Schimpf und Schande ohne Ende!

Bret schrie auf. Das wollte er nicht! Er wollte sich nicht fangen und einsper-

ren lassen! Er wollte frei sein! Das Krad kam heran. Der Fahrer war ein untersetzter Bursche, der die Jagd auf ei-

nen, dem die Nerven durchgegangen waren, nicht ernst nahm. Als er die verstaubte Gestalt erblickte, grinste er nur und pfiff vor sich hin. Er wollte um Bret Trojan noch ein paar schneidige Kurven fahren, und das war sein Fehler. Er sah wohl noch, daß Trojan plötzlich aufsprang und sich einfach gegen sein Krad warf, aber dann wurden schon die Räder unter ihm fortgerissen, und der Felsboden kreiste über ihn weg. Der Kradfahrer schlug hart mit dem Schädel auf.

Als er wieder zu sich kam, war er allein. Fluchend und blutend rappelte er sich auf und sah Bret Tro-

jan nach, der in rasendem Tempo dem nächsten Ringwall zu-steuerte, der sich im Westen über den Horizont schob. Der arme Teufel wischte sich das Blut von der aufgerissenen Wange, während er über seinen Taschensprecher die zuständige Leit-stelle benachrichtigte.

Bret Trojan verschwand in der flimmernden Ferne.

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*

Die „Uranus“ war gelandet.

Sie war das Neueste, was S.A.T. aufbieten konnte: Ein über-schlanker, aerodynamischer Flitzer, nach den Erfahrungen der europäischen Forschungsunion gebaut und mit dem gleichen Aktionsradius wie die mächtigen, unförmigen Kästen der Au-ßenstation.

Jim Parker und Fritz Wernicke fuhren unverzüglich zur Zen-trale und fanden einen Captain Jenkins vor, der gerade die Nachricht von dem Überfall auf den Kradfahrer erhalten hatte und sich in einer entsprechenden Stimmung befand.

„Ich könnte mich für diesen Trojan in Grund und Boden schämen!“

„Trinken Sie lieber einen“, riet ihm der kleine Steuermann weisheitsvoll und hielt ihm eine flache Taschenflasche unter die Nase. „Nichts ist geeigneter, die seelische Ausgeglichenheit eines Mannes wiederherzustellen, als dieser Wundertrank.“

„Sie können ruhig einen Schluck nehmen“, nickte Jim freundlich. „Das ist ein guter Schottischer!“

Der Captain nahm mehr als nur einen Schluck und trat dabei an den Tisch, auf dem der Kommodore eine längliche Spezial-karte des gefährdeten Uranus-Gebietes entrollte. Ein baumlan-ger Leutnant der Sonderstaffel trat ein und meldete sich. Der Captain stellte die Flasche weg.

„Leutnant Steinfelder übernimmt das Kommando!“ Jim gab ihm die Hand. „Sie haben Trojan immer noch nicht“, berichtete der Leut-

nant. Jim Parker wandte sich an Jenkins. „Wenn Trojan festgenommen ist, schicken Sie ihn mit der

nächsten Ablösung und unter Bewachung nach Orion-City!“

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„Jawohl, Kommodore!“ nickte der Captain und räusperte sich „Haben Sie über den Fall Trojan bereits entschieden?“

„Ich stoße Trojan aus der Sonderstaffel aus“, sagte Jim ruhig. „Wegen seiner Tätlichkeiten wird er sich außerdem vor einem Ehrengericht und einem ordentlichen Gericht zu verantworten haben.“

Captain Jenkins sah sehr finster aus. Die kühlen Worte des Kommodore brachten ihm erst recht zum Bewußtsein, was Tro-jan sich da eingebrockt hatte. „Trojan war eigentlich nicht schlechter als die anderen“, meinte er vorsichtig, „doch auch ich habe ihm bereits keine Hoffnung gelassen.“

Jim schüttelte ernst den Kopf. „Es gibt auch keine Hoffnung für ihn, Captain! Ich will dem

Jungen wegen einer Dummheit nicht seine ganze Zukunft verbauen, doch die Sonderstaffel wird für ihn tabu bleiben müs-sen. – Wernicke!“

Fritz Wernicke beugte sich über die Karte und zeigte auf ei-nen Punkt, der rot eingekreist war. „An dieser Stelle vor der Uranus-Schlucht werden wir landen. Wir haben das Unterneh-men folgendermaßen ausgearbeitet: Parker und ich fliegen be-reits heute mit der ‚Uranus’ ab. Wir fliegen mit dem Varras-Wilken-Antrieb und werden voraussichtlich in drei Wochen da sein. Das Kommando der Sonderstaffel –“

Leutnant Steinfelder sah gespannt auf. „– fliegt morgen früh zur Außenstation und geht an Bord des

Varras-Schiffes ‚S.A.T. 38’. Es wird mit dem TXT ausgerüstet und hat in breiter Front gegen den Brand vorzugehen. Wir müs-sen versuchen, ihn an seinem Ausgangspunkt – es handelt sich um eine nur einige Meter große Höhle – einzudämmen.“

„Wie lauten die letzten Meldungen von Uranus?“ „Schlecht! Dr. Lederer hat den Fehler gemacht, drei seiner

Leute – auf deren Wunsch allerdings – in die Feuerfront zu

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schicken, um eine Möglichkeit zu finden, diese aufzuhalten. Sie sind nicht zurückgekehrt.“

„Und die Erzlager?“ „Sind in größter Gefahr!“ „Ich glaube, das wäre es in großen Umrissen! Die letzten

Anweisungen gebe ich vor dem Uranus!“ sagte Jim und sah auf seine Armbanduhr. Die große Müdigkeit war gewichen, die ihn in den ersten Tagen nach seiner Rückkehr so gequält hatte. Al-les an ihm war gespannt, und er konzentrierte sich ganz auf sei-ne Aufgabe.

„Ich möchte zur Staffel sprechen, Captain!“ „Soll ich sie antreten lassen, Kommodore?“ „Sind die Mannschaften im Lager?“ „Jawohl, Kommodore!“ „Dann schalten Sie bitte den Werkverkehr ein.“

* Gleich darauf sprach Jim zu seinen Jungen.

Sie saßen im Gemeinschaftsraum zusammen oder hockten auf den Ruhebetten, und vor ihrem geistigen Auge entstand ein Bild des fernen, in ewige Dämmerung gehüllten Uranus, auf dem das schauerliche Atomfeuer tobte. Die Staffel sollte es ein-dämmen! Zwanzig von ihnen! Zum erstenmal spürten sie jenen Korpsgeist, der in den nächsten Jahren die Sonderstaffel so be-rühmt werden lassen sollte.

Nur einer war ausgeschlossen. Bret Trojan jagte auf den gewaltigen Ringwall zu, der im-

mer näher kam. Er wußte selber noch nicht, was er wollte. Nur frei sein wollte er. Lieber sterben, als ehrlos in der Haft sitzen. Er raste und raste. Der Motor war überhitzt und sang schwer und’ fiebrig. Der Staub der Ebene war der Vorhang zum

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Nichts, das sich dem Dahinjagenden immer noch nicht öffnen wollte.

Doch plötzlich nahm Trojan Gas weg, fuhr einige Meilen langsamer Und bremste schließlich ganz. Er war allein. Vor ihm ragte es grau und drohend und rissig auf. Aber als er an dem Wall vorbeisah, konnte er – weit weg noch – einen Turm erkennen, der pfeilartig in den Himmel schoß.

Der Befehlsturm der Raketenfelder. Dort lagen die Raumschiffe, dort war der große kosmische

Hafen der Mondwerke, auf den das Weltall herabstieß. Zwanzig Meilen waren es noch, doch man konnte im Schutze der Ring-wälle bis auf zehn Meilen herankommen.

Man konnte herankommen! Ein Gedanke packte den Ausgestoßenen. Und ein Gebet kam

über seine aufgesprungenen Lippen: „O Ann – vergiß mich nicht!“

* „Ich wünsche Miß Smith zu sprechen.“

„Miß Smith?“ dehnte der alte Miller und sah sich den Ange-hörigen der Sonderstaffel prüfend an. „Miß Smith ist im Dienst, junger Mann!“

„Ich bin ihr Bruder“, unterbrach ihn Gun hart, „und ich fliege morgen früh zum Uranus!“

„Verzeihung!“ bat Miller. „Ich werde sie herausholen.“ Das Uranus-Kommando der Sonderstaffel brach auf. In fünf

großen Schnellwagen sollte es gleich zu den Raketenfeldern rollen, und die Jungen, die nicht dazu gehörten, würden ihnen das Geleit geben – das war Ehrensache.

Die Sonne änderte langsam ihre Stellung am Mondhimmel. Der Mondtag hatte seinen späten Nachmittag erreicht, und

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Jenkins hatte der Sonderstaffel versprochen, sie in der kom-menden Nacht noch mehr heranzukriegen. Die Jungen vom Kommando grinsten – sie konnte das nicht mehr erschüttern.

Ann Smith trat aus dem Betriebsraum. „Komm“, sagte Gun ruhig, schob seine Rechte unter ihren

Arm und führte sie hinaus. Sie zitterte und wollte etwas sagen und konnte es nicht.

„Du mußt dir nichts dabei denken“, sagte er ziemlich unbe-holfen. „Ich komme bestimmt wieder. Die anderen auch. So halsbrecherisch ist das nun auch wieder nicht – denk mal …“

„Schon gut, Gun“, lächelte sie mühsam, „ich bin kein kleines Kind, aber ich werde jetzt ganz allein sein.“

Sie weinte auf und lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. Mit seiner scheuen, brüderlichen Zärtlichkeit strich er ihr über das helle Haar.

„Ich komme zurück, Ann!“ „Und – Bret?“ Gun wußte nicht, was er antworten sollte. Sie hatte anschei-

nend noch nicht gehört, daß zwischen ihnen etwas gewesen war. Es war gut, daß sie es noch nicht gehört hatte.

„Ich liebe ihn, Gun! Hörst du? Ich werde ihn immer lieber!“ „Ja, Ann!“

* „Ja, Ann!“

Mehr konnte Gun Smith nicht sagen, und er sagte diese bei-den Worte immer wieder vor sich hin, als er mit der „S.A.T. 38“ unterwegs war. Das Schiff raste auf einem genau festgeleg-ten Kurs der noch unendlich fernen Bahn des Uranus zu.

Gun Smith war das Herz schwer. Daß Ann diesen gottverlassenen Trojan immer noch lieben

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mußte! Hoffentlich fingen sie den Burschen, bevor er noch einmal mit ihr sprechen konnte. Ich hätte zu Ann viel deutlicher werden müssen, dachte Gun unzufrieden.

Nun war es zu spät. Vor ihnen lag das Schiff des Kommodores, und die Nach-

richten, die vom Uranus kamen, klangen immer bedrohlicher. „Wir halten die Schlucht nicht mehr lange!“ „Kommt! Kommt!“

* Dr. Lederer lehnte gegen die Felswand.

Das Feuer stand noch etwa dreißig Meilen vor ihnen, das wa-ren noch rund fünfzehn Meilen vor dem äußersten Ausläufer der Schlucht. Fünfzehn Meilen waren viel. Hier bedeuteten sie nichts.

Das große Feuer war ohne Gnade. Es hatte bereits vier von ihnen verschlungen. Nun war auch

Gardner in der roten Hölle umgekommen. Dr. Lederer konnte es nicht fassen, doch Brinkmann setzte sich auf eine Instrumen-tenkiste und riß sich die Kombination auf.

„Er war mein bester Freund, aber das ist wohl nebensäch-lich …“

„Warum haben Sie ihn denn gehen lassen, zum Teufel?“ „Ich wußte von nichts“, hob Brinkmann müde die Schultern.

„Gardner hatte die Gebietskontrolle. Er horchte den Südsektor ab, ob Hylton und die anderen noch Zeichen gaben. Ich bin dann weggegangen, um nach der Bohrstelle zu sehen. Als ich zurückkehrte, war es geschehen. Gardner hatte seine Geräte einfach im Stich gelassen und war in das Feuer gegangen.“

„Aber die vom Turm hätten doch …“ „Wir müssen die Vorschriften noch verschärfen, Chef!“

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„Bleiben Sie hier!“ nickte Dr. Lederer entschlossen und rich-tete sich auf. „Trinken Sie einen! Noch ist was das. Die Freiwa-che schläft. Ich gehe selber zum Turm. Wie ist die Luft?“

„Nehmen Sie lieber ein doppeltes C-Filter, Chef!“ Dr. Lederer setzte sich seine Maske auf und schob ein Dop-

pelfilter unter. Dann nickte er seinem Mitarbeiter zu und verließ das kleine Baukastenhaus am Rande der Schlucht. Er zögerte, die Schritte ins Freie zu tun. Seit elf Monaten hatten sie das Vergnügen, sich den äußersten Vorposten der Erde nennen zu dürfen, aber er zögerte noch immer, wenn er die stählerne Tür aufschieben sollte. Der Uranus war fürchterlich.

Der Uranus wollte die Menschen nicht. Was waren dagegen Mars oder Venus? Sie waren freundli-

che Planeten, auf denen man leben und atmen konnte. Der Ura-nus war grau in grau, und das Lebewesen Sonne nichts als ein dahinschleichendes Phantom der Müdigkeit – am immer düste-ren und wolkenverhangenen Uranushimmel.

Dr. Lederer haßte diese sonnenferne Welt. Er gab sich einen Ruck, ließ die Schottür weggleiten und trat

rasch hinaus, um sie hinter sich wieder zu schließen. Aus dieser scheußlichen, feuchten Dämmerung glühte es dü-

sterrot heran. Das Feuer. Keiner von ihnen wußte, welche Kraft es geboren hatte; nun

aber, da es lebte, verbreitete es sich aus eigener Kraft, und es hatte eine erschreckende Gewalt: es fraß Felsen und überwand alle Hindernisse dieser Dämonenlandschaft.

Wie ein träges, sattes Raubtier hockte es auf der Ebene, die sich südlich der Schlucht hinter drei mittelhohen Bergausläu-fern dehnte und ihm bereits verfallen war. Wann würde es aus seiner Schläfrigkeit erwachen und wieder zuspringen? Dr. Le-derer wußte, daß es nur Stunden dauern würde. Es war still. So

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still, daß seine Schritte wie harte Schüsse klangen. Knapp eine Stunde würde er zum Stahlturm zu gehen haben, aber nach zwanzig Minuten spürte er eine Beklemmung, die ihm das At-men schwer machte und seine Schritte lähmte. Er war bisher an der Schluchtwand entlanggegangen, die aus einem schwarzen, glatten Gestein bestand, das in dem Schein des fernen Brandes unwirklich aufleuchtete. Nun blieb er stehen und sah nach Sü-den, und was er sah, was so schrecklich, daß er laut aufschrie.

Das rote Untier begann wieder, sich zu regen. Der graue Himmel flammte auf unter seinem wilden Atem.

In diesem Aufflammen war eine rätselhafte Kraft. Sie lockte den einsamen Mann. Und eine Stimme hallte plötzlich durch die Schlucht und rief verzweifelt und flehend …

War es Gardners Stimme? In panischer Angst jagte Dr. Lederer davon.

* „Noch fünfzehn Tage!“

Jim Parker nickte. Er hatte eben vom Erdmond die Nachricht erhalten, daß man die Suche nach Bret Trojan ergebnislos ab-gebrochen hatte. Jim schüttelte den Kopf. Es war doch eigent-lich ausgeschlossen, daß einer sich auf dem Erdmond verborgen halten konnte, wenn er nicht gerade Selbstmord begehen wollte oder gut ausgerüstet war.

Jim hatte andere Sorgen. Er ging durch den Kontrollraum, winkte Wernicke zu, der

vorn im Führerstand der „Uranus“ mit seiner Flasche salutierte und nahm den Streifen entgegen, den ihm sein Bordfunker aus der gläsernen Box herausreichte.

„Dr. Lederer mit schweren Verletzungen aufgefunden. Beeilt euch. Schneider, stellvertretender Stationsleiter.“

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Jim riß den Streifen ab und sah an dem regungslosen Gesicht des jungen Funkers vorbei. Als er wieder zurücktrat, stand mit-ten im Kontrollraum ein kleiner, schmächtiger Mann, der die Uniform eines Majors der S.A.T.-Raumflotte trug und etwas unglücklich auf den Steuermann starrte, der inzwischen seine Flasche angesetzt hatte und sie leerte, ohne einmal abzusetzen.

„Das ist ja unheimlich“, sagte der kleine Mann tief beein-druckt. „Wo läßt er das nur?“

„Oh, das trinkt mein Freund nur, um sich Appetit zu ma-chen“, erwiderte Jim ernst. Der Schmächtige, der Astronom war und trotz seines höheren Ranges die Weltraumfahrt nur von seinem sicheren Observatorium aus kennengelernt hatte – Dr. Philippo hieß er übrigens – machte zum erstenmal eine Fern-fahrt mit. Von Wernicke hatte er bereits erstaunliche Sagen vernommen, und nun schnappte er erschüttert nach Luft.

„Nur, um sich Appetit zu machen, Kommodore?“ stammelte er. „Heißt das etwa, daß er heute noch mehr trinken wird?“

„Seine acht bis zehn Flaschen muß er haben“, nickte Jim. „Ich fühle mich heute nicht gut“, mischte sich Wernicke da-

zwischen, „ich werde mit sechs aufhören …“ Dr. Philippo verließ fluchtartig den Kontrollraum – er war

Abstinenzler und flehte im stillen die Gnade des Himmels auf das sündige Schiff herab. Wernicke aber freute sich.

„Ein Glück, daß du wieder flachsen kannst!“ „Wenn wir beide zusammen sind, kann doch nichts schief-

gehen“, sagte Jim herzlich und wollte zu ihm nach vorn, um den rasenden Flug des Schiffes zu kontrollieren. Er kam aber nicht dazu. Über den Bordlautsprecher rief der erste Bordinge-nieur den Kommodore an, und was er meldete, war toll genug:

„In der TK II soeben einen blinden Passagier entdeckt.“ Wernicke ließ seine Flasche fallen. Jim wirbelte herum. „Ich komme!“

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*

„Trojan?“

Bret Trojan wollte sich aufrichten und so etwas wie Haltung annehmen, aber es blieb bei der guten Absicht. Er sah den Kommodore in die Kabine des Ingenieurs treten. Der Ingenieur schloß sorgfältig die Tür hinter ihm.

„Ich melde mich an Bord, Kommodore!“ „Werden Sie gefälligst nicht witzig, mein Lieber!“ sagte Jim

Parker scharf und sah auf den mitgenommenen Burschen herab, der auch jetzt nichts trug als das leichte, grüne Hemd der Son-derstaffel und die ebenso leichte Leinenhose und darin jämmer-lich fror.

„Wie sind Sie an Bord gekommen?“ „Kommodore – als Raumflieger kennt man die richtigen

Verstecke!“ „Und was wollen Sie?“ „Zum Uranus!“ „Wir sind kein Auswandererschiff!“ „Ich weiß, Kommodore – trotzdem …“ „Trojan, ich glaube, Sie sind verrückt“, schüttelte der Kom-

modore den Kopf und verschränkte die Arme über der Brust. Er hatte eine noch schärfere Bemerkung bereit, aber der arme Kerl tat ihm doch leid.

„Tun Sie mir einen Gefallen und verschonen Sie mich mit gutgemeinten Vorschlägen. Ich kann mir denken, daß Sie sich rehabilitieren wollen.“

In Trojans Augen leuchtete eine Hoffnung auf. „Jawohl, Kommodore!“ „Ich muß Sie enttäuschen, Trojan“, sagte Jim trocken. „Die

Sonderstaffel ist eine Eliteformation, die von ihren Angehöri-

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gen nicht nur unbedingte Zuverlässigkeit, sondern auch eine gerade Linie in ihrer Handlungsweise fordern muß. Beides ließen Sie vermissen, als Sie bei Ihrem Onkel Tabu III fan-den. Ich habe Sie aus der Staffel ausstoßen müssen. Schlagen Sie sich den Gedanken an eine Rückkehr zu ihr aus dem Kopf.“

Bret Trojan warf es zurück. „Kommodore“, preßte er zwischen den Lippen hervor, die

scharf und verzerrt in dem weißen Gesicht standen, „das – ich bin kein Verbrecher.“

„Das behauptet auch keiner!“ „Geben Sie mir eine Chance!“ „Nein, Trojan!“

* „Ich kann es nicht, Fritz!“

Fritz Wernicke nickte, als Jim eine Viertelstunde später doch neben ihm im Führerstand saß und ihm berichtete.

„Es geht um das Prinzip!“ „Der Junge kann mir leid tun!“ „Die Sonderstaffel bleibt ihm verschlossen“, sagte Jim kurz,

„und wegen seiner sinnlosen Abenteuer muß er sich noch in Orion-City verantworten, aber vielleicht kann man doch etwas für ihn tun …“

„Ich bin dabei!“ „Cunningham wird vielleicht ein Einsehen haben.“ „Wenn du mit ihm redest, bestimmt!“ Ein Klingelzeichen erklang, und gleich darauf ertönte die

Stimme des Bordfunkers aus dem kleinen, grünen Kasten: „Uranus meldet sich wieder, Kommodore! Ich gebe den Text

durch: ‚Beeilt euch! Das Feuer frißt sich uns mit immer größer

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werdender Geschwindigkeit entgegen. Der Zustand Dr. Lede-rers verschlechtert sich zusehends. Schneider’.“

„Die armen Teufel!“ „Hoffentlich halten sie noch durch!“

* „Doktor!“

Schneider sprang auf. Rannte über die Plattform dem Mann nach, der sich kaum noch auf den Beinen halten konnte und doch vom Turm heruntersteigen wollte. Er faßte den Leiter der Uranus-Station, als er sehr unsicher und wackelig seinen Fuß auf die stählerne Leiter setzen wollte, die in die Schlucht führte.

„Doktor – um Gottes willen!“ „Ich muß hinunter, Schneider!“ wehrte er sich. Seine Hände

umklammerten das Geländer. Dann aber fielen sie kraftlos her-ab, und sein Oberkörper klatschte auf die Stahlplatte. Schneider und einige andere, die- noch hinzusprangen, konnten ihn vor dem Sturz von der 30 Meter hohen Plattform bewahren. Sie schleppten ihn zu der provisorischen Hütte, die sie auf der Platt-form errichtet hatten.

„Ich will zu den roten Teufeln, die uns vor der Nase herum-tanzen“, murrte Dr. Lederer und sackte schlaff in den Armen seiner Männer zusammen. Innerlich fertig. Ausgebrannt. Mit versagendem Herzen. Nur in den grauen Augen ein fanatisches Leuchten.

„Ich habe es wieder gehört, Schneider! Sie rufen mich!“ „Das sind die Nerven, Doktor!“ Natürlich, es waren die Nerven! Waren sie nicht alle soweit,

daß eine weinende, kindliche Furcht ihre Herzen jagte und es oft genug in ihren Kehlen heiß und hilflos aufsteigen ließ?

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Brüllend und mit zuckenden Geifern schob sich der Höllenra-chen des großen Brandes an sie heran.

Noch fünf Tage – oder vier … Dort, wo die schwarzen Felswände der Schlucht in einen

Ausläufer übergingen, der sich weit nach Süden in die dämme-rige Unwirklichkeit dieses Jahrzehnte dauernden Planetentages erstreckte, züngelte bereits ein totes Geisterheer von zahllosen kleinen Flammen auf – sie waren die Vorboten des kommenden Schreckens.

Dr. Lederer konnte sich nicht mehr halten. „Legen Sie sich hin, Doktor!“ Schneider kam nicht mehr dazu, seinen Chef auf das Ma-

tratzenlager zu betten, denn aus der Not und der Qual des in-nerlichen Verbrennens brach plötzlich die hellsichtige Klar-heit der letzten Minuten, und seine Augen weiteten sich unna-türlich.

„Ihr – ihr müßt sie heraushauen …“ „Sie sollten nicht sprechen, Doktor“, stammelte Schneider

ratlos, während die anderen erschüttert herandrängten, „es strengt Sie zu sehr an.“

„Ich muß sprechen, Schneider! Ich weiß, daß sie leben!“ „Wer, Doktor?“ „Gardner und Hylton und –“, setzte Dr. Lederer mit letzter

Kraft an, aber dann war es schon vorbei. Er war tot. Schneider nahm ihm unendlich langsam und hoffnungslos die Haube ab und drückte ihm die Augen zu. Vom Süden her raste und brüllte und höhnte es heran. Elf waren sie nun noch. Und der Himmel war düsterrot und von rasenden Geistern gepeitscht. Noch fünf Tage – oder vier …

Schneider legte den Toten zurück. „Wenn sie nicht bald kommen …“

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* Parkers Raumschiffe rasten heran.

Jim Parker ließ den Uranus nicht los, der jetzt rechts von ih-nen vor dem Sternenfirmament stand und ihnen mit unvorstell-barer Geschwindigkeit entgegenwuchs. Als der Tagesmesser vor ihm auf 17,5 stand, sah er zum erstenmal den Höllenbrand auf dem düsteren Planeten. Gleich darauf rief er die S.A.T. 38, die hinter ihnen folgte.

„Bei Ihnen alles klar, Steinfelder?“ „Die Jungen werden schon ungeduldig!“ „Ich habe das Uranus-Feuer im Glas!“ „Sieht wohl toll aus, Kommodore?“ „Es ist die Hölle!“

* „Dr. Lederer ist tot!“

Auf der Erde ließ Generaldirektor Cunningham seinen Si-cherheitschef kommen und zeigte auf die Hiobsbotschaften vom Uranus, die ihm laufend über die Funkwege des Sonnen-systems übermittelt wurden.

„Das ist fürchterlich, Mortimer!“ Der lange Oberst nickte. „Parker sollte sich darauf beschrän-

ken, die armen Kerle aus ihrer schrecklichen Lage zu befreien, aber so wie ich ihn kenne, wird er auch noch das Feuer ein-dämmen wollen.“

Cunningham machte eine hilflose Geste. „Natürlich will er das! Er muß es sogar! Denken Sie an die Erzlager in der Schlucht!“

„Wir kennen die Natur des Brandes nicht.“ „Atomaren Ursprungs wird er sein. Parker will es mit TXT

versuchen.. In Alaska hatte er damit Erfolg!“

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„Ich weiß! Dazu braucht er aber alle Mann, die er überhaupt nur greifbar hat.“ Der Sicherheitschef überflog die Meldungen und verglich sie mit der Karte. Sein Gesicht verfinsterte sich immer mehr. „Das ist schlimmer als ich es mir vorstellen konn-te! Da muß jeder Mann 'ran! Auch dieser Trojan! Parker wird ihn kaum an Bord halten können, vielleicht noch mit einer Wa-che! Oder hätten Sie was dagegen …“

Cunningham winkte ab. „Er soll von mir aus auch Trojan einsetzen!“ „Dann müßte aber der Haftbefehl aufgehoben werden.“ „Vorläufig, Mortimer!“

* Brinkmann rannte und rannte.

Sie sahen ihn schon von der Plattform des Stahlturms aus, als er durch das ungewisse Zwielicht der Schlucht auf sie zuge-rannt kam. Hinter ihm drei oder vier, die noch im Baukasten-haus am Ende der Schlucht geblieben waren.

Er brachte eine neue Schreckensnachricht. „Aus dem Westen kommt eine zweite Feuerfront“, stammelte

er, als sie die Erschöpften oben hatten. „Whisky – verflucht – habt ihr Whisky?“

Sie machten eine der letzten Flaschen auf. Graue Gesichter drängten sich um die Männer.’ Brinkmann

erholte sich als erster wieder. „Wir sind verloren, Leute! Macht euch nichts vor! Die roten Flammen waren bereits über uns, als wir losrannten.“

„Darum also schwieg die Verbindung mit euch“, sagte der Funker von der Gebietskontrolle.

„Bei uns ist alles verseucht!“ Schneider reckte sich. Es war soweit! Schon fiel ihnen das

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Atmen schwerer, trotz der C-Filter-Masken, und um sie knister-te die Luft so unheimlich und so drohend, wie sie es noch nie gehört hatten.

„Es ist gut, daß ihr gekommen seid, Brinkmann! Dann kön-nen wir gemeinsam sterben! Wann wird das sein?“

„In 40 Stunden haben wir das Feuer hier!“ Der Fernfunker schrie gellend auf. Federte aus seinem Sitz

hoch. Starrte auf seine Geräte, die plötzlich in sich zusammen-sackten und wegschmolzen. Sie packten ihn und wollten ihn beruhigen, aber das Grauen ließ sein Schreien immer furchtba-rer werden – er riß sich los und sprang über das Geländer. Sein Körper tauchte mit rudernden Armen und Beinen in der Däm-merung unter.

Irgendwo klatschte er auf.

* „Uranus schweigt!“

„Wahrscheinlich sind ihre Geräte ausgefallen“, sagte der Kommodore ernst und zeigte auf die große Karte, die er so an-gebracht hatte, daß sie von Leutnant Steinfelder auf der S.A.T. 38 gesehen werden konnte.

„Wir gehen mit Landungsraketen auf der Ebene vor der Schlucht nieder, fahren mit Kettenwagen in die Schlucht hinein und holen zunächst die Leute von ihrem Stahlturm herunter. Stellen Sie dazu einen Unterführer und drei Mann ab. Die ande-ren werden in zwei Angriffsgruppen geteilt, die mit unseren Schraubern gegen die Feuerfront fliegen. Noch Fragen, Stein-felder?“

„Wir treffen uns auf der Ebene!“ „Jawohl, Kommodore!“

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* Der Funker von der Gebietskontrolle winkte Schneider heran.

„Hören Sie mal …“ Schneider zog sich die Kopfhörer über die Haube und schloß

sie an den Muscheln an. Das widerliche Knistern in der Luft, das immer schlimmer wurde, war nicht mehr da. Dafür das Summen des Empfängers.

„Ihre Gebietskontrolle können Sie sich für die restlichen Stunden schenken“, lachte er grimmig und sah auf die Feuer-front, die noch etwa zehn Meilen vor ihnen stand und eine Marschgeschwindigkeit von über 150 Metern in der Stunde hat-te. „Die letzten zehn der stolzen Uranus-Station sind auf dieser armseligen Plattform versammelt! Was für schöne Melodien haben Sie denn aufgefangen?“

„Hören Sie nichts, Schneider?“ „Ach wo – keine Spur – das heißt – Mensch!“ Er ruckte vor,

und sein Blick heftete sich an dem Anzeiger fest, der unter der rötlich leuchtenden Scheibe auspendelte.

„Das – das ist doch unser Kennwort! Mensch, Brown! Das kann nur Gardner oder einer der anderen sein!“

Aber dann schüttelte er den Kopf und horchte minutenlang. „Nichts! Wir lassen uns alle zum Narren halten! Sie können nicht mehr leben! Was unser armer Doktor gehört haben will, ist nichts als die Ausgeburt einer überreizten Phantasie gewe-sen!“

„Was will er denn gehört haben?“ fragte einer dazwischen. „Gardners Stimme!“ „Als er durch die Schlucht gegangen ist, will er Hilferufe

von Gardner vernommen haben.“ „Quatsch, Schneider!“

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* Schneider nahm den Kopfhörer wieder ab.

Sie schwiegen wieder. Tranken etwas, Einer betete. Ein an-derer fluchte, weil er das Beten nicht ertragen konnte und wur-de deswegen von Schneider zur Ordnung gerufen. Das war al-les, was in den nächsten Stunden geschah.

Das Feuer brüllte. Dämonen brüllten! Teufel lachten! Und immer näher kam ihr

wilder Atem, der die armseligen Geschöpfe bannte, die Men-schen der fernen Erde waren und sich jetzt kaum noch zu rüh-ren wagten.

Dämonen brüllten. Sie waren aufgestanden aus den geheimnisvollen Gefilden

des Planeten der ewigen Dämmerung. Doch dann stieß das Brüllen auf Widerstand. Ein Laut klang auf; der aus den reinen Sternenwelten kam

und anschwoll und zu einem machtvollen Singen wurde und sich dem Toben der entfesselten Naturkräfte entgegenwarf. Die Männer auf der weltenverlassenen Plattform hörten diese harte Singen noch nicht, und doch galt es nur ihnen.

Zwei Raumschiffe der Erde waren am Uranus. In der Stunde, da ihre Führer zum Landungsmanöver ansetzten, gab Schneider den Befehl, die Strahlenpistolen zu verteilen.

„Wartet noch zehn Stunden, Leute – aber dann –“ Sie wußten, was er meinte.

* Bret Trojan stand vor dem Kommodore.

„Ich habe eine Anweisung aus Orion-City erhalten“, sagte Jim, während Fritz Wernicke die „Uranus“ in weiten Schleifen

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um den grauen Riesenplaneten steuerte und die „S.A.T. 38“ ihnen folgte.

„Sie haben Gelegenheit, sich zu bewähren, Trojan!“ Bret reckte sich und hielt Parkers prüfendem Blick stand. „Darum hatte ich bereits früher gebeten, Kommodore!“ „Ihre Bewährung gilt nicht Ihrer Rückkehr zur Sonderstaf-

fel“, erklärte Jim gelassen und sah aufmerksam auf Wernicke, der es schwer hatte, seinen Kasten in Ausgangsposition für die Landungsraketen zu bringen.

„Eine solche Rückkehr gibt es nicht, Trojan“, sagte Jim ent-schieden, „Sie können sich aber trotzdem freiwillig melden! Ihr Ansehen als Mann hängt schließlich nicht von Ihrer Zugehörig-keit zur Sonderstaffel ab!“

Er wandte sich wieder Bret Trojan zu. Trojan erkannte, daß die Entscheidung des Kommodores endgültig war und die Son-derstaffel ihm verschlossen bleiben würde. Er erkannte es und faßte trotzdem einen Entschluß.

„Ich melde mich freiwillig, Kommodore!“ „Aber nur für den Abtransport der Uranus-Männer!“ „Ich bitte um Bewährung bei der Bekämpfung des Feuers!“ „Wir werden sehen, Trojan!“ Er reichte dem Jungen die Hand und entließ ihn. Zum er-

stenmal seit Wochen konnte Bret als freier Mann gehen, ohne gejagt zu werden oder eine Wache neben sich zu haben. Jim sah ihm nach und ging dann nach vorn zu Wernicke.

Der Steuermann biß die Zähne zusammen. Verfluchter Ura-nus! Nicht einmal heranlassen wollte er die Erdenmenschen. Jim hielt sich an den Seilen fest. Dann war es auch schon so-weit. Die Schiffe liefen in einer geschlossenen Kreisbahn. Kurz und routiniert überprüfte Jim die Zahlen, die auf dem grün-schimmernden Armaturenbrett tanzten. Dann legte er einen He-bel um.

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Die Landungsraketen schossen in die Kammern. Gleich darauf auch auf der „S.A.T. 38“.

* Wieder ein Befehl.

Von der „S.A.T. 38“ lösten sich fünf Landungsraketen und tauchten, mit der Spitze schräg nach unten, in das Wolkenmeer ein, das über der brennenden Landschaft rot und gespenstisch wogte. Gun Smith stemmte sich in der ersten Rakete dem mör-derischen Widerstand entgegen, den die Bremsdüsen ihrem Fall setzten. Jetzt erfuhr er es – in diesen Minuten vor dem langer-warteten Einsatz.

„Du, Gun“, stieß ihm einer zwischen die Schulterblätter, „weißt du, daß der Kommodore Trojan an Bord hat?“

Gurt Smith zerrte an seiner Kombination. Ganze Garben rot-glühender Steinchen, die das Atomfeuer hoch in die Atmosphäre schleuderte, prasselten um die Rakete und tauchten sekunden-schnell alles in rote Glut. Gun erfaßte nicht gleich, was sein Kamerad sagte, dann aber schrie er in das Brausen des rasenden Antriebs hinein:

„Ich will den Namen Trojan nicht mehr hören, verstehst du?“ „Es tut mir leid, Gun – aber es ist wirklich so!“ „Was?“ „Steinfelder hat es eben vorn bekanntgegeben“, schrie der

andere’ zurück und duckte sich noch tiefer in die Hocke. Noch acht Minuten, noch sieben, noch …

„Er hat sich auf der ‚Uranus’ eingeschmuggelt, und Jim Par-ker will ihn einsetzen! Bewährung nennt man das!“

„Ich begreife es nicht! Sie sollen mir mit diesem Burschen vom Leibe bleiben!“

„Wir werden ihn vielleicht treffen, Smith!“

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Gun Smith wandte sich ab. Über den Lautsprecher der kleinen, schnittigen Landungsra-

kete wurde er nach vorn gerufen. Ein Unterführer klammerte seine beiden Fäuste um die Griffe neben der Sichtscheibe. „Smith! Sehen Sie sich die Schweinerei dort an! Schneider und seine Leute haben eine zweite Feuerfront vor der Nase!“

Die Ebene wurde ihnen entgegengerissen. Mit dem ganzen Chaos der brüllenden Flammen, die auch

den schmalen Riß der Stationsschlucht am Rande des giganti-schen Massivs bald verschlungen haben würden. Gun Smith war so gebannt von dem schauerlichen Anblick, daß er Bret Trojan wieder vergaß. Der Unterführer nahm einen Befehl ent-gegen, der ihn über den Sprechfunk erreichte und sah wieder auf Smith.

„Wir sollen dort drüben ’rein!“ Er zeigte auf einen Punkt, der sich auch noch von dem glühenden Riesenmeer durch sein in-tensives, dunkelrotes Flammen abhob.

„Dort, wo der Dreck am dicksten ist!“ „Geht der Zauber von dem Punkt aus?“ „Scheint so.“

* Der Punkt war ein Abgrund.

Aus ihm brodelte ununterbrochen rasendes Feuer herauf und ergoß sich brüllend über die Uranus-Landschaft. Hunderte von Metern tief war er und mündete in einer riesigen Höhle.

An diesem Punkt mußte Jim Parker seinen entscheidenden Schlag landen.

Aber noch lachte die Hölle. Was sollten diese kleinen Dinger, die aus der rotangestrahl-

ten obersten Schicht der zähen Atmosphäre herunterrasten, ge-

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gen die flammende Feier übermütiger Dämone ausrichten? Sie waren nur Erdenmenschen! Und ihre Brüder hockten auf einer Plattform und zählten nicht mehr die Stunden, sondern nur noch die Minuten.

Brinkmann riß als erster seine Strahlenpistole hoch. Schneider warf sich gegen ihn, weil er sonst die letzte Ver-

zweiflung seiner Leute, die Hitze und Durst langsam wahnsin-nig werden ließ, nicht länger aufgehalten hätte. Während er Brinkmann die Strahlenpistole aus der Faust wand, schrie er über den Haufen der Erschöpften hin, daß sie immer noch unter seinem Befehl stünden.

„Schneider, machen Sie die Augen weit auf!“ rief ihm einer zu und zeigte auf die Feuerwand, die herantobte.

„Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben.“ „Dann werden Sie sie in einer halben Stunde aufgeben müs-

sen!“ stöhnte einer verzweifelt, der sich auf dem Stahlboden wand und zu spüren glaubte, wie die mächtigen Träger des Stahlturms langsam zu wanken begannen.

Auch Schneider stellte es fest, ließ sich aber noch nichts an-merken. Er sagte nur kurz: „In einer halben Stunde überlasse ich jedem von euch die letzte Entscheidung!“

Als er das ausgesprochen hatte, war diese Spanne bereits auf 29 Minuten zusammengeschrumpft, und jede dieser 29 Minuten würde furchtbar sein. Setzt ihr euch halbverrückt auf einer 20 mal 20 Meter großen Plattform zusammen und laßt den Tod mit Feuerarmen nach euch greifen! Die Männer murrten. Sie muß-ten durchhalten, und es wäre alles so einfach gewesen – ein Druck auf die Strahlenpistole, und sie hätten nichts mehr ge-spürt.

Schneider wollte ihnen eine letzte Spanne zur Selbstbesin-nung geben. An eine Rettung glaubte auch er nicht mehr.

Sie zählten die Minuten. Beteten. Besahen sich Familienbil-

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der. Zwei von ihnen spielten Karten, in der 19. Minute legten sie die Karten hin und sprangen auf.

„Verfluchte Schweinerei – der ganze Turm –“ Jetzt hatte das Feuer sie erreicht. Es schickte seine millionenfachen kleinen Geisterflammen

an die Träger des Stahlturms und begann damit zu spielen. Er schüttelte sie und zersetzte langsam die Substanz seiner Mate-rie. Auf der Plattform standen sie alle auf. Bleich. Ruhig. Sehr ruhig und gefaßt. Und sie dachten, der gute Schneider wäre ver-rückt geworden, als er plötzlich aufbrüllte wie ein Tier und nach Osten winkte, wo die Schlucht in die große Ebene über-ging.

„Sie kommen“, schluchzte er, „sie kommen!“ Wahrhaftig! Aus der Ebene heraus schossen mit starkleuchtenden Bug-

scheinwerfern drei braune, längliche Gebilde auf sie zu, die sie alle schon einmal gesehen hatten. Es waren Kettenwagen. Und die Gestalten auf ihnen waren Menschen. Menschen!

Nun brüllten sie alle. Nun tobten sie, daß sie den schwankenden Turm nicht mehr

spürten. Aber sie verstanden gleich, was der Mann ihnen sagen wollte, der im ersten der heranjagenden Wagen stand und mit den Armen ruderte.

„Turm verlassen!“ Schneider winkte Brinkmann und dem Funker der Gebiets-

kontrolle. Die beiden stiegen hinunter in das Zwielicht der Schlucht. Sie sahen von oben, wie die Kettenwagen über den geröllbedeckten Felsboden in die Schlucht hineinrasselten, wendeten und stoppten. Zwei, drei Männer sprangen heraus und stürzten auf den Turm zu.

„Hallo! Könnt ihr allein absteigen?“ Schneider rannen die Tränen über das schmutzige Gesicht.

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„Wir können noch viel mehr!“ lachte er Überlaut. „Die Nächsten! Los!“

„Beeilt euch! Das komische Gestell wackelt ja schon!“ „Das hier ist ein solide gebauter Beobachtungsturm!“ „Wenn schon!“ Sie kamen herunter. Wurden von den Männern der Sonder-

staffel aufgefangen. Als letzter Schneider. Er schüttelte dem ersten besten beide Hände. „Das war Rettung in letzter Minute! Wir werden euch das nicht vergessen! Übrigens: Schneider ist mein Name! Ich bin im Augenblick verantwortlich für den gan-zen Laden hier.“

„Trojan!“ „Freut mich mächtig!“ sagte Schneider ziemlich unpassend,

aber er war so erregt, daß er selber nicht wußte, was er sagte. Wahrscheinlich erging es auch seinen Leuten so. Sie beeilten sich auch jetzt noch. Bret Trojan half ihm, in den letzten Ket-tenwagen zu steigen, und als sie hinter den breiten Lichtbal-ken ihrer Scheinwerfer herrasten und das Grauen der todge-weihten Schlucht hinter sich ließen, brach der Stahlturm zu-sammen.

Schneider wandte sich ab. Die Sonderstaffel war gelandet. Vor den Landungsraketen auf der Ebene hatten sie in flie-

gender Eile ein Baukastenhaus aufgestellt. Die Leitstelle wurde dort untergebracht, von der aus ein Fachmann für atomare Ka-tastrophenbekämpfung den Einsatz leitete und mit Parker in Verbindung stand. Der Kommodore war bereits mit seiner Gruppe zum Ausgangspunkt des Feuers abgeflogen.

Bret Trojan brachte Schneider und seine Leute in einem der aufgebauten „Klimazelte“ unter und meldete sich dann bei dem zuständigen Unterführer.

„Ich bitte um weiteren Einsatz!“

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„Sie sollen hier warten!“ Bret Trojans Gesicht verfinsterte sich. Er hatte getan, was er

sollte. Im Klimazelt lagen sie jetzt langgestreckt auf den Luft-matratzen. Ausgedörrt vom Feuer und doch vor ihm gerettet.

Aber: die anderen flogen jetzt ihren ersten großen Einsatz. Er war nicht dabei!

* Noch spie der Abgrund.

Die Dämonen des Feuers hatten die Schrauber gepackt, die gegen sie flogen und spielten auch mit ihnen. Nur – ein Jim Parker ließ nicht lange mit sich spielen.

Er mußte an den Herd heran! In 13000 Meter Höhe kämpften sich die vier Maschinen sei-

ner Gruppe über die Bergketten nach Süden und mußten sich immer wieder gegen die unheimliche Kraft stemmen, die sie ins Verderben ziehen wollte. 13000 Meter war auch für diese robu-sten Spezialmaschinen eine zu große Höhe, aber sie hatten we-nigstens das eigentliche Feuermeer unter sich.

Jim Parker hatte das Mikrophon vor seinem Mund. Neben ihm Fritz Wernicke mit dem Steuerknüppel in der

Hand, und weiter zurück der Funker, der das Gebiet kontrollier-te. Die sechs, die zur eigentlichen Kampfgruppe gehörten, stan-den in ihren dicken, aber außerordentlich beweglichen Wulst-panzern mit roten Gummibehältern bereit, um sich in das Feuer des Abgrunds fallen zu lassen, wenn die Großstreuung nicht half.

Auch der Kommodore trug einen Wulstpanzer. Der Funker horchte angestrengt in seine Kopfhörer, machte

ein Zeichen nach vorn und schaltete durch. Wernicke konnte in einem wilden Durcheinander von Brausen und Knattern und

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Geistersingen etwas hören, was ihm den Atem nahm. Menschli-che Stimmen! Sprachfetzen! Hilferufe! In englischer Sprache und dann auf deutsch.

„… ihr müßt in den zweiten Querspalt …“ „Helft uns! Helft uns doch!“ Dann nichts mehr. Wernicke beugte sich erregt zum Funker

und fragte nach der Frequenz. Dann sahen sie sich an. Das konnte keiner von der Sonderstaffel sein. Wernicke wollte den Kommodore anstoßen, der aber sah so konzentriert auf die brennende Landschaft, die unter der Kontrollscheibe wegglitt, daß er es nicht wagte.

Jim hob die Rechte. Es war soweit! Die Maschinen rückten zu einer Kette auf

und verhielten mit sausenden Flügeln. Jim Parker ging als erster herunter. Auf 6000 Meter. Als das nicht ausreichte, auf 4000. Dann schwebten ähnliche Behälter auf den Schlund der Hölle zu, wie sie die Männer neben sich stehen hatten. Jeder wurde von drei Fallschirmen getragen.

Sekunden vergingen. Zu sehen waren die roten Gummibehälter nicht mehr. Still

war es an Bord. Ernst und unbewegt das Gesicht Jim Parkers. Würde das TXT den rasenden Brand eindämmen können oder mußten sie ’raus?

Der Abgrund schluckte das TXT.

* Sekunden –

Was sind sie? Sie können Ewigkeiten sein und waren es auch für Jim und seine Jungen.

Das Feuer tobte weiter. Dann geschah etwas Unheimliche«.

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Das Brüllen und Heulen – diese höhnischen Stimmen der Dämonen einer gespenstischen Planetenlandschaft – schwieg. Urplötzlich. Aus dem abbrechenden Toben entstand eine Stille, die mindestens ebenso fürchterlich war.

Denn das Feuer loderte weiter aus dem Schoß der Tiefe auf – der Abgrund spie es weiter aus über das Land – doch ohne ei-nen Laut.

Die Jungen wurden blaß. „Mensch, Mondrakete!“ ächzte der Steuermann. „Das geht

doch nicht mit rechten Dingen zu!“ Jims Augen leuchteten. „Wir schaffen es, Whiskytöter! Auf

2000!“ Wieder kletterte der Schrauber hinab.

* Wieder fiel TXT.

Diesmal war noch unheimlicher, was nach genau 53 Sekun-den folgte. Die Männer in Parkers Maschine fuhren entsetzt zurück.

Das Feuer heulte wieder auf. Wie sie gekommen, so brach die fürchterliche Stille – brach

unter dem erneuten, knallartigen Einsetzen der gigantischen Feuerorgeln, die ihr brausendes Hohngelächter dem Kommodo-re und seinen Jungen entgegenwarfen.

Mit eiskalter Unerschrockenheit kontrollierte Jim die grün-lich leuchtenden Meßtafeln. Hinter ihm gingen kräftige Män-nerfäuste prüfend über die Wulstpanzer.

Mußten sie gleich ’raus? Der Funker ließ sieh in seiner Gebietskontrolle nicht stören,

hörte aber nichts mehr – das Brausen war so fürchterlich, daß es alles überklang.

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Und doch riefen diese fernen Stimmen noch. „… antwortet doch, ihr müßt uns helfen …“ „… holt uns heraus …“ Jim Parker tat etwas Unglaubliches. Mit einer geradezu

wahnwitzigen Tollkühnheit ließ er die Maschine weiter fallen. Auf 200 Meter. Die Jungen duckten sich. Nun mußte Freund Hein kommen. Aber er kam noch nicht. Er ließ soviel Toll-kühnheit einen kurzen Spielraum, und Jim nutzte ihn –

Zum drittenmal fiel TXT.

* Nach Minuten sahen es alle.

Das Feuer starb. Von der Ebene aus sahen sie es, und von den Maschinen der

Gruppe Steinfelder, die gegen die westliche Feuerfront flogen und versuchten, aus ihren Bordkanonen TXT zu verschießen, doch nicht viel Erfolg damit hatten.

Sie jubelten auf. Schon verlor das Feuer an Intensität – schon stockte es in

seinem Vorwärtsstürmen – Einer stürzte ins Zelt. „Jim Parker siegt!“ schrie er und schüttelte Schneider, der

langausgestreckt auf einer Matratze lag. Schneider riß verständ-nislos die Augen auf. Der Bursche war schon beim nächsten, schüttelte ihn und schrie immerzu:

„Jim Parker siegt!“ Dann rannte er ihnen voran ins Freie. Schneider blieb am

Zelteingang stehen, als sei er gegen eine Stahlwand gerannt. Was er erblickte, war so wunderbar, daß er es einfach nicht fas-sen konnte. Das flammende Phantom kroch in sich zusammen. Drüben vor der Leitstelle der Sonderstaffel sangen sie ein Lied,

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das seit einiger Zeit die Runde machte und von einem chinesi-schen Raumflieger stammte:

„… wenn der Mensch es will, wird er neben der Sonne stehen … wird er neben der Sonne stehen …“ Schneider wischte sich die Augen und folgte seinen Leuten,

die an ihm vorbeidrängten. Der Uranustag wurde langsam wie-der so grau und so müde, wie sie es nicht anders kannten. Wohl knisterte es noch über ihnen und um sie, aber die Erlösung war gekommen.

Schneider trat zu Bret Trojan, der abseits von seinen Kame-raden stand.

„Trojan – ihr seid doch Teufelskerle!“ „Die dort oben“, sagte Trojan mürrisch und zeigte auf die

kleinen Schrauber der Gruppe Steinfelder, die unentwegt weiter ihren Einsatz flogen und von der Ebene aus gut zu beobachten waren.

„Die dort oben, Mister Schneider – ich gehöre nicht dazu –“ „Ich denke, ihr gehört alle dieser neuen Sonderstaffel an?“ „Wenn man meine Wenigkeit davon ausnimmt, stimmt es

auch.“ Schneider horchte dem Klang der Stimme nach. „Sie sagen das – so – bitter, Mister Trojan?“ „Man hat mich aus der Staffel ausgestoßen!“ Schneider betrachtete nachdenklich das schmale Gesicht, das

unter der Sichtscheibe der Haube seltsam verzerrt war. Trojan hatte ihm vor dem Stahlturm geholfen. Er hatte seinen festen Zugriff gespürt wie etwas Gutes, Zuverlässiges, als er ihn in den Kettenwagen schob. Wenn er gekonnt hätte, hätte er Trojan jetzt eine Zigarette angeboten – aber das ging nicht.

„Ich habe es mir selber eingebrockt“, sagte Trojan gelassen. „Eine Dummheit, was?“

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„Das kann man wohl sagen“, nickte Trojan, hob grüßend die Linke und ging zur Leitstelle hinüber.

Schneider sah ihm nach.

* „Das hat eingeschlagen, wie?“

Der Unterführer von der Leitstelle ließ Bret Trojan eintreten, aber er war ziemlich herablassend dabei und zeigte ihm offen, daß er ihn für eine zweitklassige Erscheinung hielt.

„Ihre Arbeit ist getan, Trojan!“ „Hoffentlich kann ich irgendwo noch einen Schlag ’reinhau-

en“, grinste Bret Trojan etwas unsicher und sah sich neugierig in dem niedrigen Rundzelt mit der eingebauten und jetzt ausge-fahrenen Antennenanlage um. Der Unterführer nahm einen Be-fehl entgegen, der über den Sprechfunk kam. Parker ordnete den Rückflug der Gruppe Steinfelder an. Der Unterführer gab den Befehl weiter und machte dabei eine wegwerfende Hand-bewegung.

„Sie haben sich mit der ersten aufsteigenden Landungsrakete an Bord der ‚Uranus’ zurückzubegeben.“

„Darüber entscheidet der Kommodore“, reckte sich Bret Tro-jan. Die Jungen an den Karten und Geräten sahen flüchtig hin und nickten Trojan zu. Nur der Unterführer musterte ihn iro-nisch.

„Sie können gehen, Trojan!“ Trojan ging. Beschämt und mit hämmernden Schläfen. Das

immer schwächer werdende Feuer über dem Uranusland rückte weit von ihm ab. Er sah es gar nicht. Er grübelte nur darüber nach, warum man einen, der einmal eine Dummheit begangen hatte, so kaltschnäuzig und überlegen behandelte. Dann aber fiel ihm ein, daß er diesen Unterführer öfter mit Gun Smith zu-

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sammengesehen hatte. Wahrscheinlich hatte Gun ihn aufge-hetzt.

Langsam schlenderte Trojan weiter. Nach zwei Stunden kehrte auch die Gruppe Parker zurück. Bret Trojan stand abseits von den anderen. Die Schrauber kreisten über der Ebene ein und landeten. Auf

ihren Schultern trugen die Jungen ihren Kommodore über die Ebene zur Leitstelle. Weit im Südosten verkroch sich das Feuer, um langsam zu sterben. Im Empfänger von Parkers Maschine wurden wieder die Hilferufe laut.

„… holt uns heraus! Verlaßt den Planeten nicht ohne uns …“ Der Funker rief Wernicke zurück.

* Bret Trojan war der einsamste Mann der Welt.

Die anderen jubelten und zeigten nach Südosten, wo das Feuer – unheimlich und unfaßbar – auf seinen Ausgangspunkt zurückkroch und das schon todgeweihte Land wieder aus sei-nen Klauen ließ. Sie jubelten, und irgendeiner hatte ein Ton-band mit dem Marsch der Einsatztruppe eingelegt.

Um Trojan kümmerte sich keiner. Er ließ den Haufen mit dem Kommodore an sich vorbeiziehen und schlenderte dann langsam und mit den Händen in den großen Taschen der Kom-bination zum nächsten Klimazelt hin.

Ihm war jämmerlich zumute. Wie vor Wochen auf dem Erdmond, als Captain Jenkins ihm

das Abzeichen abgeschnitten hatte, fühlte er sich wieder. Im Zelt war niemand. Die aufgepumpten Matratzen lagen ziemlich wüst durcheinander. Dazwischen eine halbvolle Zigaretten-schachtel. Bret Trojan nahm sich eine Zigarette und setzte sich auf eine Matratze. Als er sie anzünden wollte, trat noch einer

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ins Zelt und ging durch die Reihe. Er wischte sich mit einem Tuch die verschmutzten Unterarme ab und achtete nicht auf Bret Trojan. Bret fuhr zusammen. Es war Gun Smith. Wütend warf er die Zigarette fort und stand auf. Gun Smith wandte sich um.

„Verflucht noch mal“, sagte er leise und an einem Erfri-schungsgummi kauend, „sieht man deine beglückende Erschei-nung schon wieder?“

Bret Trojan schnippte mit den Fingern. „Warst du vorn bei diesem Abgrund?“

„Warum fragst du?“ „Es tut mir leid, daß du zurückgekommen bist“, stieß Bret

Trojan hervor, „das kannst du mir glauben.“ In Gun Smiths Augen stand eine abgrundtiefe Verachtung.

„Solche Gesänge kannst du dir sparen, Trojan!“ „Ich stehe zu deiner Verfügung!“ „Wie theatralisch, mein Lieber“, lächelte Gun Smith, „aber

vielleicht erfaßt dein Kinderhirn doch einmal, wie unmöglich du dich in den letzten Wochen gemacht hast.“

„Ich tue hier, was ich kann – und was man mir erlaubt.“ „Erwartest du dafür einen Orden?“ höhnte Gun Smith kalt

und warf sein Tuch weg. „Sei froh, daß du hier in der Ebene hocken darfst. Vorn war etwas mehr los, da wärst du wahr-scheinlich fehl am Platze gewesen, du mit deinen erbärmlichen Gefühlsduseleien!“

Wieder war nichts als Haß zwischen ihnen. . Ein sinnloser Haß, ausgelöst durch Mißverständnisse und ei-

nen unüberlegten Faustschlag – aber was tat es … Bret Trojan trat zur Seite. „Eben haben sie mich aus der Leit-

stelle hinausgeworfen, und dieses Zelt ist für Schneider und seine Leute bestimmt.“

„Ich gehe schon, Trojan!“

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* Fritz Wernicke knallte die Hermetiktür hinter sich zu.

„Jim, wir müssen wieder ’raus!“ Der Kommodore stand neben dem Funker der Leitstelle und

ließ die Siegesmeldungen an alle S.A.T.-Stationen im Weltall und auf der Erde absetzen. Neben ihm der Fachmann für Ura-nus-Erze und Schneider, mit denen er gleich die Höhlen unter dem Abgrund untersuchen wollte.

Wernicke war in voller Fahrt. Er achtete nicht einmal auf die Schnapsflaschen, die auf einem kleinen Klapptisch neben den Männern standen.

„Schneider! Wer von Ihren Leuten ist unterwegs?“ Schneider wirbelte herum. Er wurde sehr blaß unter der

Haube. „Fünf sind seit dem Ausbruch des Feuers aus der Schlucht gegangen“, sagte er nach kurzem Nachdenken, „war-um fragen Sie, Mister Wernicke?“

Wernicke sah ihn ernst an. „Ist es möglich, daß sie noch leben?“ „Wernicke“, schrie Schneider auf, und seine Fäuste packten

den Steuermann am Wulstpanzer, „haben Sie es etwa auch ge-hört?“

„Ja! Hilferufe aus dem Auffangsraum der Gebietskontrolle! Ich weiß nicht, was sie bedeuten!“

„Barmherziger Himmel“, ächzte Schneider, „dann ist es doch wahr, was Dr. Lederer sagte!“

„Was ist los?“ fragte Jim Parker, legte seinen Notizblock hin und wandte sich den beiden zu. Wernicke berichtete. Der Kommodore zog die Augenbrauen zusammen.

„Hast du den Kanal festgestellt?“ „Ja – die Rufe kamen aus südwestlicher Richtung – von T 47

– also mehr vom Westen her –“

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„Mister Schneider?“ „Ich kann mir nur denken, daß Hylton, Gardner und die an-

deren durch den weißen Spalt gingen und durch die nächste Querspalte gerannt sind. Von dort an wird das Gelände sehr unübersichtlich und ist von uns noch nicht erforscht worden. Vielleicht gibt es dort Höhen oder …“

„Aber das Feuer müßte sie doch getötet haben!“ warf der Erzfachmann ein. Schneider hob die Schultern. Er flog am gan-zen Körper, so hatte ihn die Nachricht gepackt. Wernicke war voll Entschlossenheit.

„Ich nehme mir drei Mann mit, Jim.“ Jim Parker überlegte kurz. „Am liebsten würde ich sofort losfliegen, mein Alter, aber

ich muß mit den Herren möglichst rasch zum Abgrund zurück, um noch einiges von dem Wesen des Feuers ausmachen zu können“, sagte er dann und legte Fritz die Hand auf die Schul-ter. „Wenn du das übernehmen willst …“

„Wir können in einer Viertelstunde starten.“ „Such dir aus, wen du mitnehmen willst!“ „Ich denke an Smith, Jessen und Petersen …“ „Einverstanden!“

* Der Kommodore flog zum Abgrund.

Mit Schneider und dem Fachmann für Uranus-Erze stieg er in die Höhlen ein. Die Untersuchungen waren sehr gefährlich und dauerten über vier Stunden. Aber sie endeten doch mit der Gewißheit, daß das furchtbare Feuer vorläufig nicht wieder auf-flammen würde. Als sie schließlich erschöpft in das Lager zu-rückkehrten, erwartete sie eine Nachricht, die Jim stark beunru-higte.

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Die Gruppe Wernicke meldete sich nicht. Der Steuermann war mit Smith und Jessen und Petersen vor

reichlich drei Stunden aufgebrochen. Sie waren mit einem Schrauber geflogen. Die Leitstelle fing 39 Minuten lang die üblichen Streckenmeldungen auf. Die letzte dieser Meldungen lautete:

„Befinden uns im Planquadrat UT 28. Hilferufe über den SW-Kanal kommen hier wesentlich stärker durch. Versuchen, in einer sehr unzugänglichen Schlucht zu landen.“

Seitdem schwieg Wernicke.

* Nur die Hilferufe schwiegen noch nicht.

„… wann holt ihr uns heraus? Wir können nicht mehr …“ Und dann: „… Gardner hat einen Koller. Versuchte, zwei

Mann umzubringen …“ „Also doch Gardner!“ trommelte Schneider mit den Fäusten

auf einen Ledersack. „Wir müssen Wernicke folgen, Kommo-dore!“

Jim Parker traf bereits seine Anweisungen. „Schrauber III steigt auf und sucht das Gebiet ab, das von

Wernicke beflogen wurde. Nach Ermittlung der Maschine Wernickes sofort Meldung an Leitstelle. Schrauber II in Start-bereitschaft.“

„Nehmen Sie mich mit!“ bettelte Schneider geradezu und versuchte, die erbärmliche Schwäche zu vertuschen, die ihm immer noch in den Knochen steckte.

Jim Parker antwortete nicht. Er gab gleich darauf von einer der Landungsraketen aus ei-

nen genauen Bericht an Orion-City ab und wartete ungeduldig auf Nachricht vom Schrauber III, der jetzt über den südlicher

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gelegenen Seitenschluchten kreiste. Er rauchte dabei zahllose „Maza Blends“ und dachte an Wernicke und Smith und die an-deren, die von der grauen, gespenstischen Uranus-Landschaft verschlungen worden waren wie vorher die Männer, denen sie helfen wollten.

Wieder vergingen drei Stunden. Da endlich meldete sich der Schrauber III: „Wernickes

Schrauber in der Schlucht UT 28/18 B nach Planskizze C neben einer Felsspalte aufgefunden. Schrauber ist verlassen, doch ord-nungsgemäß gelandet. Von der Besatzung fehlt jede Spur. Wir vermuten jedoch, daß sie in die Felsspalte eingedrungen ist.“

Der Kommodore ging zum Lager hinüber.

* Hier feierten sie den Sieg über das große Feuer.

Die Jungen der Sonderstaffel hatten gute Sachen mitge-bracht, und Schneiders Leute erfaßten erst jetzt ganz das Wun-der, das ihnen widerfahren war. Die Flaschen kreisten, die Männer hatten glänzende Augen und fanden die Worte nicht, den Jungen zu danken. Und doch lag eine seltsam bedrückende Stimmung über allen. Als der Kommodore mit Schneider er-schien, wurde es sofort still.

„Es tut mir leid, daß ich euch stören muß.“ Sie standen schon auf. „Ist es wegen der Gruppe Wernicke?“ „Wernicke schweigt noch immer! Wir haben aber seine Ma-

schine gefunden.“ „Und die Hilferufe?“ fragte Brinkmann erregt. „Seit 40 Minuten schweigen auch sie“, sagte der Kommodo-

re ernst und sah den Männern in die Gesichter. „Wir wissen nicht, was sich ereignet hat und woher die Hilferufe kamen. Ich brauche fünf Freiwillige!“

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33 Mann waren im Zeltraum. 33 drängten sich heran und wollten mit und waren bereit, mit

dem Kommodore durch tausend Höllen zu gehen, um Wernicke und die anderen herauszuhauen. Sie waren so erregt und ergrif-fen, daß sie nicht merkten, wie Trojan eintrat. Er hatte versucht, in einem Nebenraum zu schlafen, hatte sich die Ohren zugehal-ten und doch jedes Lied und jedes Wort mitanhören müssen, auch das, was Jim Parker den Männern sagte. Es geht mich ei-nen Dreck an, hatte er sich gesagt – und war dann doch aufge-standen.

„Kommodore!“ Jim Parker wandte sich um. „Trojan?“ „Ich hörte eben, daß einige von uns – ich meine, von der

Sonderstaffel irgendwo in der Patsche sitzen …“ „Ja, das stimmt!“ „Nehmen Sie mich bitte mit, Kommodore!“

* Ann Smith sprang auf.

Mary und die anderen Assistentinnen von der zweiten Schicht sahen sie erschreckt an. Mary war sofort hoch und faßte ihre Schulter.

„Ann – was ist denn?“ „Es geschieht etwas Furchtbares“, stammelte sie und wurde

bleich dabei, „ich weiß nicht, wo – aber sie sind dabei …“ „Wer denn, Ann?“ „Laß mich bitte hinaus“, sagte sie leise und blickte aus

angstvollen Kinderaugen auf den alten Miller, der aus seinem Büro in den Betriebsraum trat und mißbilligend den Kopf schüttelte. Er wußte aber, daß Ann Smith allerlei Schweres zu tragen hatte in diesen Wochen und ließ sie gehen. Mary blieb

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bei ihr. Sie verließen die Nachrichtenabteilung und fuhren in Anns Schnellwagen durch die harte, klare und eisige Mond-nacht, die mit einem sternen-übersäten Firmament hoch über dem scharf aufragenden Kommandoturm der Zentrale von „Lu-na IV“ blaute.

Mary mußte den Schnellwagen steuern, denn Ann saß vor-nübergeneigt und preßte die Hände auf ihrem Schoß zusammen.

„Sie suchen Gun …“ „Ann – wie kannst du wissen, was jetzt auf Uranus ge-

schieht?“ lächelte Mary. Aber Ann hörte nicht. Sie sah auch nicht, was um sie war – sie sah nur ihren Bruder, der schwer-verletzt war und sich gegen einen Mann wehren mußte, der ihn wie ein Tier ansprang. Ann warf die Arme hoch und zerwühlte ihr schönes, blondes Haar. Dann rutschte sie zusammen und wimmerte vor sich hin.

„Er wirft ihn den Abgrund hinunter! Oh, Gun wird sterben!“ „Ann – du phantasierst ja!“ „Nein, nein! Mary, ich sehe es deutlich! Sie sind ganz allein

in einer unheimlichen Landschaft! Gun und der schreckliche Mann! Sie kämpfen! Der andere muß wahnsinnig sein. Er sticht mit einem Dolch nach Gun. Oh …“

Mary schüttelt sie. Gab es so etwas? Konnte ein vernünftiger und moderner

Mensch wie Ann Smith so hellsichtig sein? „Ann, du legst dich gleich hin! Ich bleibe noch eine Stunde bei dir, bis du es ver-gessen hast.“

Vorn tauchte der Komplex der Wohngebäude auf. „Ich phantasiere ja nicht, Mary!“ Anns Stimme war ganz

ruhig und traurig, als sie es sagte. Doch dann war es plötzlich aus. In einem gellenden Aufschrei rief sie nach Gun und nach dem Mann, den sie liebte. Dann fiel sie hart gegen Marys Schulter.

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Mary riß den Schnellwagen herum, raste auf das Werkspital zu und bremste scharf. Ann war ohnmächtig.

Sie trugen sie hinein.

* Gun Smith wurde verfolgt.

Er lief um sein Leben. Über ihm war der feuchtkalte Himmel des Uranus, der noch immer den sengenden Atem des großen Feuers trug. Hinter ihm nur Felsen und ein scharf abfallendes Geröllfeld. Sein rechter Arm hing schlaff und zerhauen herunter und blutete so stark, daß er eine deutlich sichtbare Spur hinter-ließ.

Gun Smith rannte und rannte … Das Geröllfeld hatte er passiert und jagte in eine Schlucht

hinein, die zwischen hochaufragenden, grauschwarzen Wänden südwärts führte.

Südwärts? Gun Smith versuchte, es herauszubekommen, sich irgendwie

zu orientieren. Es gelang ihm nicht. Er wußte nicht einmal mehr, wie lange es her war, seit sie mit Wernicke unter den Felssturz geraten waren und er fortrannte, um Hilfe zu holen.

Seine Schritte hämmerten hart und dröhnten über den rissi-gen, nackten Felsen. Plötzlich blieb er ruckartig stehen und horchte angespannt. Die Schritte hämmerten weiter. Seine Schritte? Sie waren keine hundert Meter hinter ihm, und es konnte nur sein Verfolger sein.

Der Mann mit dem Gesicht eines Wahnsinnigen. Und Gun war waffenlos.

*

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„Dort, Kommodore!“ Jim Parker hatte die Maschine bereits gesehen, die sauber an

der schwarzglänzenden Wand der ersten großen Querschlucht gelandet worden war. Der Schrauber verhielt über dem Massiv. An einer Strickleiter stiegen sie hinunter.

Bret Trojan war dabei. Neben der Maschine klaffte ein Spalt, der wie ein enger, rau-

her Gang in die Schluchtwand führte. Dunkel war der Spalt al-lerdings nicht. Als sie sich hinter dem Kommodore hinein-zwängten, sahen sie in einen hellen, ruhigen Schein, der aus der Wand in den Spalt drang und wesentlich stärker war als das scheußliche Zwielicht des grauen Uranustages.

„Das Atomfeuer?“ rief einer besorgt. Jim schüttelte den Kopf. „Das atomare Feuer könnte nur aus

den Höhlen unter dem großen Abgrund wieder entstehen, und die liegen einige Hundert Meilen von hier. Vorsicht, Trojan!“

Trojan stieg als letzter ein. Der Kommodore prüfte den sich plötzlich stark verengenden

Gang. Es ging. Sie konnten sich seitlich hineinzwängen, langsam – fast Zen-

timeter um Zentimeter. Nach einer Viertelstunde wurde es besser. Der Spalt ging in einen langgestreckten Hohlraum über,

der weit vor ihnen zylinderartig spitz zulief und aus einem weißen, beinahe durchsichtigen Gestein bestand, das den ru-higen, wohltuenden Schein ausstrahlte. Jims Begleiter stießen Rufe der Überraschung aus. Jim besah sich den Zauber nur flüchtig.

„Los, Jungens – schneller!“ Die Sorge packte ihn. Sie rannten durch den Hohlraum, der

einige Hundert Meter lang war. Hier konnten Wernicke und seine Jungen nicht sein. Dieser Hohlraum war nichts als ein

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glatter Durchgang zu einer anderen Schlucht. Als Jim ihn durchquert hatte, pfiff er draußen laut ihr Warnsignal.

Die neue Schlucht führte nach einigen Metern an einen Ab-hang, den sie hinunter mußten und der im magischen Schein aus dem Hohlraum drohend und ungewiß vor ihnen lag. Vor-sichtig stiegen sie ab. Die Strahlenpistolen unter der rechten Schulter. Nach wenigen Minuten packte Trojan den Kommodo-re.

„Kommodore – hören Sie nichts?“ Jim Parker winkte. Sie blieben stehen. Nur Trojan selber setzte noch ein paarmal

die Stiefel auf. Dann Stille. Aber aus ihr brach ein Laut auf. Eine Stimme. Ein wütender Hilferuf.

„Bei allen Planeten! Wo bleiben diese Schlafmützen! Das müssen die doch riechen können, daß wir hier unrasiert und fern der Heimat herumliegen! Hilfe! Wenn nur meine ver-dammte Flasche ganz geblieben wäre.“

„Das ist Wernicke!“ Jim atmete dreimal tief auf. Trojan ließ den Lichtbalken sei-

nes Taschenscheinwerfers den Abhang hinunterschießen. Der Lichtbalken strich über die Dämmerung, die ihn weiter unten einhüllte und stieß auf ein Bild, das sie alle laut und erschreckt auffluchen ließ.

Ein Anzahl Männer unter Geröllmassen. Sie lagen und rührten sich nicht. Nur einer hatte sich aufge-

setzt, winkte heftig und zeigte dann auf seine Beine, die wie eingemauert waren. Wernicke!

„Hast du meine Medizin mitgebracht?“ Jim rannte bereits los. Nach einer knappen halben Stunde

hatten sie es geschafft. Die ausgestreckten und aufgeregten Ar-me des Steuermannes kamen nicht zur Ruhe. Die anderen rühr-ten sich noch immer nicht.

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„Tot?“ „Einige“, nickte Wernicke betrübt. „Auch zwei von uns! Jes-

sen und Petersen. Einer ist verschwunden. Er wollte Hilfe ho-len.“

„Wer?“ „Smith!“

* Die Hilfe war da.

Gun Smith wußte es nicht. Er wußte nur, daß sein rechter Arm hinüber war. Den würden sie abnehmen müssen. Aber es war wenig wahrscheinlich, daß es noch soweit kam, denn sein treuer Verfolger blieb hinter ihm.

Der Mann mit dem Gesicht des Wahnsinnigen. Wer war das? Ich kann nicht mehr, dachte Gun Smith verzweifelt und

dachte auch an Ann, als sein vergiftetes Blut die schmerzenden Schläfen zu sprengen drohte. Er hat Waffen bei sich. Strahlen-pistole und eine Art Hirschfänger.

Wer konnte es sein? Gun rannte. Rannte. Und hörte auf die. Schritte hinter ihm. Sie kamen immer näher an ihn heran. Gun keuchte. Ich will mich ihm nicht stellen, grübelte sein fieberheißes

Gehirn, ich muß hier irgendwie einen Ausweg finden. Aber diese erbärmliche Schlucht war fast so eng wie ein Spalt, und man wußte nicht, wohin man rannte.

In diesem Augenblick beugte sich der Kommodore zu Wer-nicke herab, während seine Jungen sich um die armen Kerle kümmerten, die unter den Geröllmassen lagen. Wernicke sah mit traurigen Augen zu.

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„Wir waren bis auf wenige Meter an sie heran, als der ganze Zauber von der Felsnase dort oben herabkam. Au – bist du ver-rückt? Gebrochen habe ich nichts, wie?“

Jim hatte den Steuermann befreit. Seine Hände tasteten die Beine ab, schnitten den Wulstpanzer auf und prüften noch ein-mal nach. „Du hast wieder mal ein Glück gehabt, wie es nur unschuldigen Kindern geschenkt wird“, grinste er flüchtig, fuhr aber herum, als hinter ihm einer der Schwerverletzten aufstöhn-te.

„Los, Wernicke – ich muß alles wissen …“ „Wenn du schon keinen Anständigen bei dir hast, du alter

Esel“, murrte Wernicke und legte sich lang zurück, um die stei-fen Beine zu bewegen, „muß ich dir alkoholfrei alles auseinan-dersetzen. Kinder, ist dieser Uranus ein lausiger Bursche! Der dort drüben bei Trojan ist übrigens Hylton.“

Jim wandte sich wieder um. Trojan verband einem der Ura-nusmänner den aufgeschlagenen Schädel. Der Mann starrte ihn aus glasigen Augen an.

„Warum sie in das Feuer gerannt sind wie die Tiere, weiß ich nicht“, berichtete der Steuermann. „Jedenfalls sind sie zunächst nicht weiter als bis zu dem Hohlraum gekommen, den ihr eben passiert habt, und haben sich natürlich elendig verfranst. Dieser Hylton soll einer der ersten gewesen sein. Er hatte noch einen kleinen Sender bei sich, mit dem er die Stationsschlucht er-reichte. Sie haben im Hohlraum das Feuer überstanden und sind dann leider – blind, wie diese Wissenschaftler nun einmal sind – nach der falschen Seite ausgestiegen. Allerdings – das muß ich zu ihrer Entschuldigung sagen – hatte inzwischen dieser Gard-ner seinen Koller bekommen.“

„Gardner?“ „Einer von denen da! Brinkmann kennt ihn gut. Oder

Schneider. Genau weiß ich es nicht. Wo ist Schneider?“

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Schneider kam mit blutverschmierten Händen herüber. „Gardner kenne ich! Ist er weg?“ „Koller! Wahrscheinlich durch das Atomfeuer! Versuchte

seine eigenen Kameraden umzubringen und türmte dann.“ „Wir müssen ihn suchen!“ sagte Schneider erregt. „Nachher! Weiter, Wernicke!“ „Als wir durch den Hohlraum kamen, fanden wir Spuren von

Hylton und seinen Leuten. Wir fanden uns gleich zurecht. Hat-ten dann aber Pech mit unserem Sender. Petersen rutschte aus, knallte gegen den Felsen, und mit ihm der kleine Kasten. Na ja! Wir sind dann trotzdem weitergegangen. Als wir den Abhang hinunterstiegen, sahen wir auf dem Felsvorsprung einen Mann stehen …“

„Gardner?“ „Weiß ich nicht. Jedenfalls hockten die anderen Herren hier

ziemlich erledigt umher, und als wir einige Meter vor ihnen waren, kam das Zeug herunter.“

„Dann hat es Gardner losgelassen.“ „Möglich. Wir stürzten vor, konnten ihnen aber nicht mehr

helfen, sondern gerieten selber in den Zauber hinein.“ Wernicke ruderte mit den Beinen in der Luft herum und stand dann auf. „Ein Glück, daß ihr unsere gute Nase hattet!“

Trojan half Hylton auf und sah, wie zwei Jungen der Sonder-staffel abseits getragen wurden. Sie waren sehr steif und sehr still, und sie würden die Erde und die Sonne nicht wiedersehen. Bret kannte sie gut. Er war mit ihnen durch den Staub der Eldo-rado-Ebene gekrochen. Jessen und Petersen. Das Herz war ihm schwer.

„Wenn nun dieser Gardner auf Smith stößt?“ Schneider rieb sich flüchtig die Hände an seiner sowieso

schon verdreckten Kombination ab und zog mit spitzen Fingern ein Skizzenblatt aus der Brusttasche.

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„Welchen Weg hat Smith eingeschlagen?“ Wernicke sah sich prüfend um.

* Die Schritte kamen näher.

Und als Gun Smith über den feinpulverigen, grauen Sand vorwärtsstürmte, der den blanken Felsen ablöste, sah er, daß vor ihm die Schlucht endete.

Steil ging es hinab. So steil, daß man mit zwei gesunden Händen Mühe gehabt

hätte, die 30 oder 40 Meter heil herunterzukommen. Für ihn war es aussichtslos. Gun Smith erkannte das schon, als er den Abgrund noch nicht ganz erreicht hatte. Er hielt in seinem Da-hinstürmen inne und ließ sich Zeit. Für ihn gab es keine Hoff-nung mehr. Nur noch einen letzten, ehrlichen Kampf gegen ei-nen Wahnsinnigen, dem die Begriffe Offenheit und Ritterlich-keit bereits versunken waren. Der würde nicht auf Guns rechten Arm sehen, auf diesen traurigen, zerschlagenen Fleischfetzen.

Gun Smith spürte diesen Arm nicht mehr. Die Knie waren wie aus Gummi, und lange konnte er sich

sowieso nicht mehr halten. Schade, Ann! Liebe, gute Ann, was wirst du sagen? Und Bret Trojan! Der wird sich natürlich freu-en! Gun Smith weinte vor Zorn und Hoffnungslosigkeit, als der Unbekannte zwischen den hohen Steinwänden auftauchte und verdutzt stehenblieb.

Gun Smith warf sich ihm entgegen. Aber als Gun mit ihm zusammenprallte, packten die rasen-

den Hände des Wahnsinnigen zu, hoben Gun einfach hoch und schleppten ihn auf den Abhang zu. Gun versuchte, sich so schwer wie nur möglich zu machen. Seine Stiefel hämmerten dem anderen in die Magengrube. Was half es? Nichts! Der

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Mann war toll, der sah und hörte nichts mehr, der spürte nur, wie sein Blut, vom Atomfeuer zersetzt und verseucht, sich in diesen Sekunden noch einmal Luft schaffen konnte.

Über ihnen tauchte ein Schrauber auf. Es war der Schrauber II. der von Schneider gesteuert wurde.

Er kam mit surrenden Flügeln heruntergeschossen. Die Strick-leiter fuhr aus.

Jim Parker war als erster draußen. Dann Bret Trojan. Gun Smith hatte die scheußliche Tiefe im Rücken und wurde

herumgerissen, als Bret Trojan dazwischenkam. Der Abgrund drehte sich und glitt an seinen Augen vorbei. Dann fiel er hin-tenüber auf den Felsen. Bret hatte sich von dem Wahnsinnigen gelöst und wollte Gun Smith überspringen. Aber der andere packte ihn und stieß zu.

Er traf Bret Trojan vor die Brust, daß der zurücktaumelte. In-einander verkrampft stürzten sie den Abhang hinunter.

Der Wahnsinnige brüllte noch einmal auf, knallte im Fallen mit dem Kopf gegen die Felswand und war schon tot, als sie unten aufklatschten.

Es war Gardner.

* Bret Trojan holten sie wieder heraus.

Er lebte, doch es dauerte Monate, bis er sich dessen bewußt wurde. In diesen Monaten dämmerte er dahin, wurde mit der „Uranus“ zur Erde und nach Orion-City transportiert, und als er zum erstenmal die Augen aufschlug, beugte sich Ann Smith über ihn.

In diesen Monaten geschah aber noch mehr. Als die Sonderstaffel vom Uranus zurückkam, gab es einen

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ziemlichen Wirbel. Die Sonderstaffel wurde für die breite Öf-fentlichkeit zu einem Liebling, den süße Damen gern verhät-schelt hätten. Man feierte die Jungen, bis es dem Kommodore zu bunt wurde und er in der Atomstadt ein Machtwort sprach. Der Generaldirektor des S.A.T., Ted S. Cunningham, ließ es sich aber nicht nehmen, über alle großen Sender der Erde noch einmal auszusprechen, was Milliarden empfanden:

„… wir sind stolz auf Jim Parkers beste Jungen, die sich in der grenzenlosen Öde des Uranus so tapfer geschlagen haben. Was uns in den nächsten Jahren bevorsteht, wissen wir nicht, doch diese jungen Männer, die von allen Kontinenten stammen, die englisch und deutsch und französisch und noch viele andere Sprachen sprechen, werden den Teufel von der Erde fernhalten, wenn es sein muß …“

Das war ein großer Tag für die Staffel. Und doch standen die Jungen mit ernsten Gesichtern: Zwei waren nicht zurückge-kehrt.

*

An einem Apriltag des nächsten Jahres wurde über den „Fall Trojan“ verhandelt.

Bret Trojan war erschienen. Gestützt von Ann Smith und ei-ner Krankenschwester. Als Zeuge neben Gun Smith, der den leeren rechten Uniformärmel in die Tasche geschoben hatte. Der Vorsitzende – ein hochgewachsener Raumflieger mit Kapi-tänsrang – bemühte sich, Trojan in jeder Weise entgegenzu-kommen.

Die goldene Brücke konnte auch er ihm nicht bauen. Das Ehrengericht der S.A.T.-Raumflotte fällte folgenden

Spruch: „Der bereits von Kommodore Parker als dem Chef der Son-

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derstaffel ausgesprochene Ausschluß des Raumfliegers Bret Trojan aus der Truppe wird bestätigt. Andererseits hat Trojan sich durch sein Verhalten auf Uranus rehabilitiert. Trojan bleibt weiterhin Mitglied der S.A.T.-Raumflotte mit dem Recht der Beförderung und des Tragens der entsprechenden Uniform. Das Ehrengericht empfiehlt, Trojan einen Aufgabenbereich zu ge-ben, der seinen überdurchschnittlichen geistigen Fähigkeiten entspricht.“

Mehr konnte Bret Trojan nicht erwarten.

* Zwei Monate später meldete er sich in der Hauptverwaltung.

Der Kommodore begrüßte ihn und ging dann mit ihm zu Generaldirektor Cunningham und von diesem zur Abteilung „F F 33“, wo sie die nötigen Formalitäten erledigten. Bret Tro-jan wurde neben Prof. Körner der zweite Mann beim Aufbau einer Teilwerft für interstellare Raumschiffe auf dem Mond. –

Als Bret Trojan entlassen worden war und über den Haupt-korridor ging, traf er auf Gun Smith. Mit Gun hatte er seit der Auseinandersetzung im Klimazelt noch keine zehn Worte ge-wechselt. Als Gun ihn einmal im Krankenhaus aufgesucht hatte, war er noch nicht soweit gewesen. Dann hatten sie Gun Smith zur Erholung nach Europa geschickt. Sie begrüßten sich ziem-lich steif, und Gun Smith schloß sich Bret an, als er weiterging.

„Ich habe dir noch zu danken, Bret!“ sagte er zögernd. „Ich glaube, die Rechnung zwischen uns geht auf“, erwiderte

Bret Trojan knapp. „Das schon! Was wird aus dir?“ „Irgendeine Sache auf dem Mond. Habe eben mit dem

Kommodore darüber gesprochen. Aber du bist ziemlich übel dran mit deinem einen Arm, wie?“

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„Man gewöhnt sich daran“, knurrte Gun Smith. „Ich bleibe trotzdem bei der Sonderstaffel. Als Werkstattleiter. – Fährst du zu Ann?“

„Du kannst mitfahren, wenn du Lust hast.“ So wurden sie wieder, was sie waren: gute Kameraden.

– Ende –

UTOPIA-Kleinband – SCIENCE FICTION in deutscher Sprache – Copyright by Erich Pabel Verlag, Rastatt (Baden). – Mitglied des Verbandes deutscher Zeitschriftenverleger e.V. – Herausgeber und Verleger sowie Gesamtherstellung und Auslieferung: Druck- und Verlags-haus Erich Pabel, Rastatt (Baden). – Alleinauslieferung für Österreich: Eduard Verbik, Salzburg, Gaswerkgasse 7 – Erscheint vierzehntäglich. – Zur Zeit ist Anzeigenpreisliste Nr. 4 vom 15. Juli 1955 gültig. – Gewerbsmäßige Weiterverbreitung dieses Heftes in Lesezirkeln nur mit vorheriger Zustimmung des Verlegers zulässig. – Gewerbsmäßiger Umtausch, Verleih oder Handel unter Ladenpreis vom Verleger untersagt. – Zuwiderhandlungen ver-pflichten zum Schadenersatz. – Scan by Brrazo 11/2010

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Sie lesen im nächsten (52.) UTOPIA-Kleinband:

Das Grauen von Edom

von James Norton

Rätselhafte und aufregende Abenteuer sind es, in die eine Raumschiffexpedition zum Mars in der fremdartigen Welt des kalten Planeten verstrickt wird. Das un-heimlichste Abenteuer erwartet die Forscher jedoch, als sie in der Landschaft Edom auf einen bisher unbekannten, geheim-nisvollen See stoßen.

Mit Spannung erwartet man auf der Erde die Rückkehr der Expedition. Noch weiß man nichts von der furchtbaren Gefahr, die im Geleit der Raumschiffe mit jeder Stunde der Erde näherkommt. UTOPIA-Kleinbände erscheinen vierzehntäglich SCIENCE-FICTION-Zukunftsromane, 48 Seiten, Preis 50 Pf UTOPIA-Großbände erscheinen jetzt vierzehntäglich SCIENCE-FICTION in deutscher Sprache, 96 Seiten, 1.– DM Wissenschaftliche Zukunftsromane des XX. Jahrhunderts Sämtliche bisher erschienenen UTOPIA-Kleinbände (Jim Parkers Abenteuer im Weltraum) von Nr. 1–50 und UTOPIA-Großbände SCIENCE FICTION in deutscher Sprache Nr. 1–25 sind beim Ver-lag noch vorrätig. Sollten Sie die gewünschten Nummern durch Ihren Zeitschriftenhändler nicht beziehen können, dann wenden Sie sich bitte direkt (verwenden Sie hierfür bitte den umseitigen Bestellzettel) an den Verlag Erich Pabel, Rastatt (Baden).

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