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J. S. BACH Konzert c-Moll für Oboe, Violine, Streicher und Basso continuo Concerto in C minor for Oboe, Violin, Strings and Basso continuo rekonstruiert nach / reconstructed from BWV 1060 Herausgegeben von / Edited by Wilfried Fischer Urtext der Neuen Bach-Ausgabe Urtext of the New Bach Edition Partitur / Score Bärenreiter Kassel · Basel · London · New York · Praha BA 5147

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Page 1: J. S. BACH -  · PDF fileJ. S. BACH Konzert c-Moll für Oboe, Violine, Streicher und Basso continuo Concerto in C minor for Oboe, Violin, Strings and Basso continuo rekonstruiert

J. S. BACHKonzert c-Moll

für Oboe, Violine, Streicher und Basso continuo

Concerto in C minorfor Oboe, Violin, Strings and Basso continuo

rekonstruiert nach / reconstructed from

BWV 1060

Herausgegeben von / Edited byWilfried Fischer

Urtext der Neuen Bach-AusgabeUrtext of the New Bach Edition

Partitur / Score

Bärenreiter Kassel · Basel · London · New York · PrahaBA 5147

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II

VORWORT

Das Konzert für Oboe und Violine ist in der vorliegen-den Fassung nicht überliefert; es handelt sich vielmehrum die Rekonstruktion eines verschollenen Konzertes,das lediglich als Bearbeitung für zwei Cembali (BWV1060) erhalten ist.

Dass die Cembalokonzerte Bachs fast ausnahmsloskeine Originalkompositionen, sondern Bearbeitungenteils erhaltener, teils verschollener Violin- und Oboen-konzerte sind, ist der Bachforschung seit langembekannt; vor allem Wilhelm Rust, dem Hauptredaktorder alten Bach-Ausgabe, verdanken wir hierzu wichtigeAufschlüsse (vgl. das Vorwort zu Band XVII). Es fehltauch nicht an Versuchen, die verlorenen Urformendurch Rekonstruktion zurückzugewinnen. Neben denbekanntesten Ausgaben, dem Konzert für Violine undOboe, herausgegeben von Max Schneider (in d-Moll)und Max Seiffert (in c-Moll), den Violinkonzerten ind-Moll (Robert Reitz) und g-Moll (Gustav Schreck)sowie dem Konzert für drei Violinen D-Dur (RudolfBaumgartner) sind eine ganze Reihe weiterer Rekon-struktionen, zum Teil derselben Konzerte, publiziertworden. Sie möchten alle den Eindruck erwecken, alssei mit ihnen die authentische Form, das Original desWerkes wiedergewonnen. Abgesehen von den Ausga-ben Schneiders und Seifferts handelt es sich dabei je-doch in der Regel um mehr oder minder geglückte Be-arbeitungen ohne begründete Methodik. Es verwundertdaher nicht, dass sich drei völlig verschiedene Konzertefür Violine, für Cembalo bzw. für Cembalo und Oboeals „Rekonstruktionen“ desselben verschollenen Werkesausgeben.

Im Unterschied zu den bisherigen Versuchen, die le-diglich den revisionsbedürftigen Text der alten Bach-Ausgabe zugrunde legen, stützt sich die vorliegendeRekonstruktion auf eine prinzipiell an den handschrift-lichen Quellen der Cembalofassung orientierte Methode.Den eigentlichen Anstoß gab Ulrich Siegeles Untersu-chung über Kompositionsweise und Bearbeitungstechnik inder Instrumentalmusik Johann Sebastian Bachs,1 in der erbereits die Methode der wissenschaftlichen Rekonstruk-tion verschollener Vorlagen in den Grundzügen umreißt.

Wichtigste Bedingung für die annähernde Erschlie-ßung einer verlorenen Urform ist, dass sich das Auto-graph der Bearbeitung erhalten hat. Die autographenPartituren sind deshalb besonders aufschlussreich, weil

sie den Prozess der Bearbeitung in vielen Einzelheitenkonserviert haben: Insbesondere im Cembalopart findensich mehrere Korrekturen, die nur als Folge einer Bear-beitung zu verstehen sind. Die Auswertung dieser Kor-rekturen setzt natürlich eine genaue Kenntnis der Artund Weise voraus, in der Bach eigene Violinkonzerte fürCembalo zu transkribieren pflegte. Eine verlässliche Me-thode zur Rekonstruktion verschollener Solokonzerte istalso nur anhand jener drei autograph überlieferten Cem-balokonzerte zu gewinnen, deren Urformen ebenfallsauf uns gekommen sind: der Cembalokonzerte g-Moll(BWV 1058), D-Dur (BWV 1054) und F-Dur (BWV 1057),denen die Violinkonzerte a-Moll (BWV 1041), E-Dur(BWV 1042) und das 4. Brandenburgische Konzert zu-grunde liegen. Betrachtet man beispielsweise das Auto-graph des Cembalokonzertes D-Dur, so wird deutlich,dass Bach an mehreren Stellen die Violin-Solostimmeder Vorlage zunächst unverändert in die Cembalo-Ober-stimme übernahm und die ursprüngliche Continuo-stimme der Unterstimme des Cembalos übertrug. Daihm diese im Original für Streicher gedachten Stimmenjedoch nicht „cembalistisch“ genug erschienen, verän-derte er sie, oft mehrmals, um sie der Cembalotechnikanzupassen. Diese nachträgliche Redaktion schlägt sichin mannigfachen Korrekturen nieder, die ein lebendigesBild von der Entstehung des neuen Werkes vermitteln.Im Falle der übrigen autograph überlieferten Cembalo-konzerte, deren Vorlagen verschollen sind, gewinnendiese Spuren der Bearbeitung besondere Bedeutung, dasich mit ihrer Hilfe auch hier die originalen Lesarten mitziemlicher Sicherheit erschließen lassen. Dies gilt für dieCembalokonzerte A-Dur (BWV 1055), dem ein Konzertfür Oboe d’amore zugrunde liegt, sowie die Cembalo-konzerte d-Moll (BWV 1052) und f-Moll (BWV 1056), diebeide aus Violinkonzerten entstanden sind.

Ist eine Bearbeitung jedoch nur abschriftlich überlie-fert, fehlt dieses wichtigste Hilfsmittel. Die Chanceneiner Rekonstruktion sind dann sehr viel geringer. Sokann sich auch die Wiederherstellung des Konzertes fürOboe und Violine und des Konzertes für drei Violinennur auf indirekte Merkmale der Bearbeitung stützen, dadie Cembalofassungen BWV 1060 und BWV 1064 nur inAbschriften tradiert sind.

Anders als das Konzert für drei Cembali BWV 1064lässt jedoch das Cembalokonzert BWV 1060 seine ur-sprüngliche Gestalt deutlich erkennen, so dass die Rück-übertragung der Cembalostimmen auf die originalenSoloinstrumente Oboe und Violine keine großen Proble-me aufgibt. Allem Anschein nach hat Bach sich bei der1 Phil. Diss. Tübingen 1957.

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III

Transkription ungewöhnlich eng an die Vorlage ange-lehnt und sich im Großen und Ganzen darauf be-schränkt, die beiden Cembalobässe zu ergänzen. DieseVermutung, die natürlich nur anhand eines Autographsder Bearbeitung zu belegen wäre, gründet sich imWesentlichen auf folgende Beobachtungen. Abweichendvon seiner Gewohnheit, typische Violinfiguren bei derTranskription für ein Tasteninstrument unmittelbar oderschrittweise zu modifizieren, hat Bach in diesem Falleoffenbar originale Violinfiguren unverändert in die Be-arbeitung übernommen: so im Diskant des Cembalo ISatz III, Takt 69ff. und 125ff. Überhaupt fällt die im Ver-gleich zu den übrigen Cembalobearbeitungen sparsameVerwendung akkordischer Füllstimmen oder figurativerGegenstimmen auf, die sonst dem Cembalopart sein cha-rakteristisches Gepräge verleihen. Vergleicht man weiterdie Oberstimme des I. Cembalos in Satz I, Takt 27f. und65f. mit der des II. Cembalos in Satz I, Takt 37ff. und83ff., so zeigt sich, dass dieselben Achtelschläge im Cem-balo I akkordisch aufgefüllt sind, im II. Cembalo da-gegen nur einstimmig erscheinen. Diese eigentlichinkonsequente Einstimmigkeit ist kaum anders denn als

enge Anlehnung an den Oboenpart des Originals zu er-klären.2

Da der in den Rekonstruktionen von Max Schneiderund Max Seiffert zugrundegelegte Text der Cembalofas-sung in der alten Bach-Ausgabe kaum wesentlich zuverbessern ist, weicht die vorliegende Rekonstruktionnur geringfügig von ihren Vorgängern ab. Dennochdurfte nicht auf eine Neuausgabe verzichtet werden, daaus den für die Praxis bestimmten Ausgaben Schneidersund Seifferts nicht zu ersehen ist, welche aufführungs-praktischen Zeichen durch Quellen belegt sind und wel-che stillschweigend ergänzt wurden.

Über Einzelheiten informiert der Kritische Berichtzum Supplementband der Neuen Bach-Ausgabe (VII/7 =BA 5034) Verschollene Solokonzerte in Rekonstruktionen, dernicht nur Bedingungen und Möglichkeiten der Rekon-struktion, sondern auch ihre Grenzen umreißt.

Wilfried Fischer

2 Vgl. dazu Woldemar Voigt, „Über die Originalgestalt von J. S.Bachs Konzert für zwei Klaviere in c-moll (Nr. 1)“, in: Vierteljahrs-schrift für Musikwissenschaft II, 1886, S. 486.

PREFACE

The present concerto for oboe and violin has not sur-vived in this form. Rather, this edition is a reconstruc-tion of a lost concerto which has come down to us onlyin an arrangement, as is the case with the concerto fortwo harpsichords (BWV 1060).

It has long been recognized by Bach scholars thatBach’s keyboard concertos, almost without exception,are not original compositions but arrangements of con-certos for violin and for oboe, some of which have sur-vived and some not. It is above all to Wilhelm Rust, theeditor of the old collected edition of Bach’s works, thatwe owe important information on this matter (Vorwortto Vol. XVII). Some modern reconstructions are familiarenough: the double concerto for violin and oboe, editedby Max Schneider (in D minor) and Max Seiffert (inC minor), the violin concertos in D minor (Robert Reitz)and G minor (Gustav Schreck), and the concerto forthree violins in D major (Rudolf Baumgartner). But

apart from these, the best-known examples, a wholeseries of further reconstructions has been published,partly of the same concertos. The reconstructions listedabove all aim at creating the impression of having re-claimed the authentic version of the work in its originalform. With the exception of the editions by Schneiderand Seiffert, however, they generally amount to more orless successful arrangements based on no systematicprinciples. It is therefore no wonder that three quite dif-ferent concertos – one for violin, one for harpsichord,and one for harpsichord and oboe – can be published as“reconstructions” of one and the same lost work.

Unlike all previous attempts, which have been basedpurely on the text of the old Bach edition, however muchin need of revision they may have been, the present re-construction relies on a method which has as its founda-tion the manuscript sources of the harpsichord version.It owes its original stimulus to Ulrich Siegele’s examina-

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IV

tion of the method of composition and technique of ar-rangement in Bach’s instrumental music,1 in which thescholarly reconstruction of lost models was discussed inits essentials.

The most important condition for arriving at an ap-proximation of a lost original version is that the auto-graph of the arrangement has survived. The autographscores are especially informative since in them manydetails of the process of arrangement have been pre-served. The harpsichord part, in particular, contains sev-eral alterations which are comprehensible only as theresult of an arrangement. The evaluation of these altera-tions requires an exact knowledge of the way in whichBach set about transcribing his own violin concertos forharpsichord. A reliable method for the reconstruction oflost solo concertos can therefore be made based on theevidence of the three keyboard concertos surviving inautograph whose original versions have also comedown to us – the harpsichord concertos in G minor(BWV 1058), D major (BWV 1054) and F major (BWV1057), which are based respectively on the violin con-certos in A minor (BWV 1041) and E major (BWV 1042)and the Fourth Brandenburg Concerto. If one examinesthe autograph of the D major harpsichord concerto, forinstance, it is clear that in many passages Bach initiallytook over the original solo violin part into the uppervoice of the harpsichord without alteration, and simi-larly the original continuo line into the left hand of theharpsichord part. But evidently finding these parts,originally designed for strings, insufficiently idiomaticof the harpsichord, he then altered them, often morethan once, to make them better suited to keyboard tech-nique. This process of revision gave rise to numerouschanges, which provide a living picture of the new workcoming into being. In the case of the other keyboardconcertos surviving in autograph whose models are notpreserved, these traces of Bach’s reworking take on aspecial significance, since with their help the originaltext of these works too can be established with a fairdegree of certainty. This applies to the harpsichord con-certo in A major (BWV 1055), arranged from a concertofor oboe d’amore, and to the harpsichord concertos inD minor (BWV 1052) and F minor (BWV 1056), both ofwhich are based on violin concertos.

If an arrangement has only survived as a copy, how-ever, then this most important element is lacking, andthe chances of a faithful reconstruction are questionable.Thus the restoration of the concerto for oboe and violin,and of the triple violin concerto, can rely only on indi-rect signs of reworking, since the harpsichord versions

(BWV 1060 and BWV 1064) have come down to us onlyin the form of copies.

Unlike the triple violin concerto, however, the firststate of the concerto for oboe and violin is clearly recog-nizable from the harpsichord version (BWV 1060), sothat the restoration of the keyboard parts to their origi-nal solo instruments presents no great problems. Bachappears to have kept unusually close to his model inmaking the transcription, for the most part confininghimself to supplying the harpsichord bass lines. Thisconjecture – which of course could only be proved withthe aid of an autograph of the arrangement – is larglybased on the following considerations. Departing fromhis usual practice of modifying idiomatic violin figura-tion (either at once or in several stages) when transcrib-ing it for keyboard, in this case, Bach evidently tookoriginal violin writing into the arrangement without al-teration (cf. the right hand of harpsichord I, 1st move-ment, bars 69ff. and 125ff.). And in comparison with theother harpsichord arrangements it is striking how littleuse is made of chordal writing to fill out the texture,and of figural counterpoints, which normally give theharpsichord part its distinctive character. Furthermore,if one compares the right hand of harpsichord I in the1st movement, bars 27f. and 65f., with that of harpsi-chord II in bars 37ff. and 83ff., it can be seen that thesame eighth-beats are filled out as chords in harpsi-chord I, whereas in harpsichord II they appear only assingle notes. There can hardly be any explanation forthis inconsistent use of monophonic texture other thana close adherence to the oboe part of the original.2

Since the text of the old collected edition, which wasused as the basis for the reconstructions of Max Schnei-der and Max Seiffert, can in general scarcely be bettered,the present reconstruction differs only slightly from itspredecessors. But this does not mean that a new editioncould be dispensed with, since the performing editionsof Schneider and Seiffert make no distinction betweenthe markings that are authenticated by the sources andthose that have been supplied by the editors.

Detailed information will be found in the KritischerBericht to the supplementary volume Verschollene Solo-konzerte in Rekonstruktionen of the Neue Bach-Ausgabe(VII/7 = BA 5034), where not only the conditions andpossibilities, but also the limitations of reconstructionare discussed.

Wilfried Fischer

1 Kompositionsweise und Bearbeitungstechnik in der Instrumental-musik Johann Sebastian Bachs, Ph. D. dissertation, Tübingen, 1957.

2 Cf. Woldemar Voigt, “Über die Originalgestalt von J. S. BachsKonzert für zwei Klaviere in c-moll (Nr. 1)”, Vierteljahrsschrift fürMusikwissenschaft, II (1886), 486.

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Urtextausgabe aus: Johann Sebastian Bach, Neue Ausgabe sämtlicher Werke, herausgegeben vomJohann-Sebastian-Bach-Institut Göttingen und vom Bach-Archiv Leipzig, Serie VII, Band 7 (Supplement):

Verschollene Solokonzerte in Rekonstruktionen (BA 5034), vorgelegt von Wilfried Fischer.

Urtext Edition taken from: Johann Sebastian Bach, Neue Ausgabe sämtlicher Werke, issued by theJohann-Sebastian-Bach-Institut Göttingen and the Bach-Archiv Leipzig, Series VII, Volume 7 (Supplement):

Verschollene Solokonzerte in Rekonstruktionen (BA 5034), edited by Wilfried Fischer.

© 1970 by Bärenreiter-Verlag Karl Vötterle GmbH & Co. KG, Kassel10. Auflage / 10th Printing 2007

Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved / Printed in GermanyVervielfältigungen jeglicher Art sind gesetzlich verboten.

Any unauthorized reproduction is prohibited by law.ISMN M-006-46571-2

Aufführungsdauer / Duration: ca. 20 min.

ORCHESTRA

Oboe concertato, Violino concertato;Violino I, II, Viola, Continuo (Violoncello, Basso, Cembalo)

Zu vorliegender Ausgabe sind das Aufführungsmaterial (BA 5147)und der Klavierauszug (BA 5147a) erhältlich.

In addition to this score, the orchestral parts (BA 5147)and the piano reduction (BA 5147a) are available.