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STRATEGISCHES RETENTION MANAGEMENT Phasenorientiertes Modell zur strategischen Bin- dung von Individuen und mitarbeiterbezogenen Ressourcen Autor: Julian Puffer ([email protected])

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STRATEGISCHES

RETENTION MANAGEMENT

Phasenorientiertes Modell zur strategischen Bin-

dung von Individuen und mitarbeiterbezogenen

Ressourcen

Autor: Julian Puffer ([email protected])

Inhaltsverzeichnis

2

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis ..................................................................... 3

Einleitung ................................................................................................................ 4

A. Phasenorientierte Mitarbeiterbindung ............................................................. 6

I. Rekrutierung ................................................................................................ 7

1. Gewinnung von Fach- und Führungskräften ......................................... 7

2. Ressourcenorientierte Bewertung des Mitarbeiters............................... 8

3. Sozialisierungsfähigkeit von potenziellen Mitarbeitern ........................ 9

4. Realistische Tätigkeitsvorschau .......................................................... 10

5. Investitionen des Mitarbeiters ............................................................. 11

II. Integrationsphase ....................................................................................... 11

1. Einarbeitung ........................................................................................ 11

2. Integration in Gruppen ........................................................................ 12

3. Integration in die Organisation ............................................................ 13

III. Konsolidierungsphase ............................................................................. 13

1. Bewertung des sozialisierten Mitarbeiters .......................................... 13

2. Bindungsstrategien für sozialisierte Mitarbeiter ................................. 14

3. Rolle der Führungskraft ...................................................................... 15

IV. Fluktuationsphase ................................................................................... 15

B. Zusammenfassung und Einordnung der Ergebnisse ...................................... 16

Literaturverzeichnis ............................................................................................... 20

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

3

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tabelle 1: Arten potentiell kritischer Ressourcen von Fach- und Führungskräften 9

Tabelle 2: Ziele der Einarbeitung .......................................................................... 12

Abbildung 1: Übersicht über Mitarbeiterbindungs- und Bewertungsprozesse ..... 18

Einleitung

4

Einleitung

„Organisations increasingly compete on the basis of their intellectual assets“1.

Diese Sichtweise impliziert für moderne Geschäftsmodelle eine Verringerung der

Abhängigkeit von materiellen Produktionsfaktoren und gleichzeitig eine höhere

Notwendigkeit der Sicherung von immateriellen Vermögensgegenständen, welche

ihnen im besonderen Maße durch Mitarbeiter zugänglich gemacht werden. Dazu

zählen individuelle Fähigkeiten, Wissen über Märkte und Technologien und soziale

Netzwerke von Individuen. In diesem Kontext und vor dem Hintergrund des knap-

per werdenden Angebots auf den Arbeitsmärkten sollte Mitarbeiterbindung die be-

stimmende Strategie von Unternehmen zur Sicherung kritischer Ressourcen sein.2

Ein weiteres Argument für professionelle Mitarbeiterbindung ist die Vermeidung

von Kosten, die durch Fluktuation entstehen. Beispielsweise verursacht ein Asses-

sment-Center einen monetären Aufwand in Höhe von ca. 15.000 Euro3, die durch-

schnittlichen Kosten zur Ersetzung eines einzelnen Mitarbeiters liegen bei etwa

10.000 US-Dollar4. Bei einer hohen Fluktuation bzw. der Wahrnehmung von eher

wenig stabilen Arbeitsverhältnissen durch die nicht betroffenen Mitarbeiter kommt

es zudem zu einer Beeinflussung von deren Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber

und zur Verbreitung von psychologischer Unsicherheit. Die nicht-monetären Aus-

wirkungen von Fluktuation sind nicht zu unterschätzen und betreffen schlimmsten-

falls das Arbeitsverhalten, die Zufriedenheit, Motivation und das Risiko- und Inno-

vationsverhalten weiter Teile der Organisation.5

Wie diese Vorüberlegungen vermuten lassen, lässt sich Mitarbeiterbindung als For-

schungsfeld aus verschiedenen (disziplinären) Sichtweisen heraus bearbeiten. Grob

unterschieden werden kann dabei zwischen zwei Perspektiven: die Sicht auf das

Individuum, also personalpsychologische Ansätze, und die Sicht auf die mitarbei-

terinduzierte Ressourcenausstattung des Unternehmens. Die zweitgenannte For-

schungsrichtung ist dabei paradigmatisch am Resource Based View ausgerichtet.

1 Klein 1998, S. 9 2 Vgl. Steel et al. 2002, S. 149 3 Vgl. Nerdinger et al. 2011, S. 222 4 Vgl. Steel, et al. 2002, S. 149 5 Vgl. Brockner 1988

Einleitung

5

Zielstellung dieser Arbeit ist es, einen Überblick über Strategien und Maßnahmen

der Mitarbeiterbindung zu geben und diese systematisch darzustellen und einzuord-

nen. Als Aggregationsdimensionen sollen dabei sowohl der zeitliche Verlauf des

Beschäftigungsverhältnisses, in Gestalt des Mitarbeiterlebenszyklus, als auch ver-

schiedene Perspektiven auf das Phänomen Mitarbeiterbindung dienen. Die aus der

Zielstellung abgeleitete Forschungsfrage lautet:

Welche Strategien existieren zur Bindung von Mitarbeitern an Organisa-

tionen? Wie lassen sich diese ablauf- und perspektivenorientiert katego-

risieren?

(Forschungsfrage)

Zunächst wird dazu in vier Phasen des Mitarbeiterlebenszyklus unterschieden, de-

nen sich verschiedene Strategien der Mitarbeiterbindung zuordnen lassen. Entlang

der Gliederung der Arbeit findet eine Einordnung dieser Bindungs- und Bewer-

tungsstrategien in die vier Phasen statt. Parallel dazu werden drei Analyseebenen

des strategischen Bindungsmanagements beschrieben:

1. Die Bewertung von Mitarbeitern bezüglich ihrer Bindungsfähigkeit

2. Strategien zur Bindung von Mitarbeitern aus individueller Sicht

3. Strategien zur Bindung von Ressourcen, die mit Mitarbeitern verknüpft sind

Nach dieser Darstellung verschiedener Mitarbeiterbindungsstrategien (Abschnitt

A) findet in Abschnitt B eine Zusammenfassung der Ergebnisse in einem über-

schaubaren Modell statt. Zudem werden weitere Gedanken aufgegriffen, welche in

der initialen Phase nicht in das vorgeschlagene Modell strategischer Mitarbeiter-

bindung eingeflossen sind.

Phasenorientierte Mitarbeiterbindung

6

A. Phasenorientierte Mitarbeiterbindung

Mitarbeiterbindung ist stets ein bilateral beeinflusstes Phänomen, welches zwi-

schen einem Individuum und einer Organisation stattfindet, und lässt sich demnach

von beiden beteiligten Seiten aus analysieren.6 Dabei spielen auf der individuellen

Analyseeben vordergründig personalpsychologische Erwägungen eine Rolle, wäh-

rend auf der Gegenseite ein Fokus auf Strategien und Maßnahmen liegt, welche

eine Organisation dazu befähigen ihre wichtigsten Mitarbeiter zu identifizieren und

an sich zu binden und Begleiterscheinungen von Fluktuation, wie z. B. den Abfluss

von Wissen, zu steuern.

Gerade im Rahmen der personalpsychologischen Untersuchungen des Phäno-

mens Mitarbeiterbindung gibt es eine wichtige paradigmatische Voraussetzungen,

nämlich die Annahme des Menschenbildes vom komplexen Menschen7. Im Gegen-

satz zur Annahme des homo oeconomicus geht das komplexe Menschenbild davon

aus, dass „es zwischen verschiedenen Menschen große Unterschiede in Bezug auf

deren Interessen, Fähigkeiten und deren Motivation gibt, und zum anderen davon,

dass dieselben Menschen ja nach sonstigen situativen Gegebenheiten die gleichen

Sachverhalte sehr unterschiedlich wahrnehmen, erleben, bewerten und darauf rea-

gieren“8.

Wichtig für eine langfristige Bindung des Mitarbeiters an die Organisation ist das

Vorhandensein von psychologischen Kontrakten.9 Diese lassen sich im Kontext von

Beschäftigungsverhältnissen als „job security in return for hard work and loya-

lity“10 beschreiben. Allgemeiner formuliert stellt ein psychologischer Vertrag das

Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dar. Er existiert pa-

rallel zu juristischen Vereinbarungen, wie dem Arbeitsvertrag, und stellt die Grund-

lage für die Leistung des Mitarbeiters dar. Die meisten Maßnahmen zur Bindung

von individuellen Mitarbeitern versuchen deren psychologischen Kontrakte positiv

zu beeinflussen. Der Terminus kontraproduktives Verhalten bezeichnet negative

Folgen einer starken Störung des psychologischen Vertrags, die das Unternehmen

6 Vgl. Grieger et al. 2010, S. 339 f. 7 Vgl. Blickle 2004 8 Nerdinger et al. 2011, S. 216 9 Vgl. Rousseau 1995 10 Grothe 1999, S. 30

Phasenorientierte Mitarbeiterbindung

7

oder die anderen Mitarbeiter betreffen. Dies kann zum Beispiel die Sabotage von

Arbeitsabläufen oder das Mobbing von Kollegen sein.11

Die organisationalen Analyse von Mitarbeiterbindung stützt sich in aller Regel

auf die ressourcenbasierte Sichtweise des Unternehmens. Im Kontext des Resource

Based View lassen sich Mitarbeiter als Zugang zu strategischen Ressourcen be-

trachten, die einen spezifischen Wert für das Unternehmen haben.12 Hier wird vor

allem die Notwendigkeit einer engen Verknüpfung zwischen strategischem Perso-

nalmanagement und strategieorientiertem Wissensmanagement deutlich.

Im nachfolgenden Versuch einer Übersicht über Ansätze zur Mitarbeiterbindung

geht es weniger um die Trennung zwischen dem Initiator der Bindung bzw. der

Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses, sondern um eine Einordnung entlang ver-

schiedener Phasen des Mitarbeiterlebenszyklus13. Dabei werden beide Seiten der

Beziehung beachtet. Dieses Vorgehen ist sinnvoll vor dem Hintergrund, dass eine

Maßnahme der Organisation (z. B. Mentoring-Programme) in aller Regel einen un-

mittelbaren oder mittelbaren Einfluss auf die Einstellung des Individuums (z. B.

seinen psychologischen Kontrakt) zu seinem Arbeitgeber hat.

Die vier Phasen, die im Folgenden unterschieden werden, sind die Rekrutierung,

welche Personalmarketing-, als auch Personalbeschaffungsprozesse beinhaltet, die

Einführungsphase, also die der initialen Sozialisation im Unternehmen, die Konso-

lidierungsphase, welche alle Mitarbeiterbindungsstrategien zusammenfasst, die den

erstmalig sozialisierten Mitarbeiter betreffen und abschließend die Fluktuations-

phase.

I. Rekrutierung

1. Gewinnung von Fach- und Führungskräften

Die Maßnahme der Gewinnung von Fach- und Führungskräften beschreibt einer-

seits das Recruiting im engeren Sinne. Recruiting-Prozesse, welche mit der Mitar-

beiterbindungsstrategie abgestimmt ist, sollten darauf ausgerichtet sein, den lang-

fristigen Zugang der Organisation zu kritischen Ressourcen sicherzustellen (siehe

11 Vgl. Martinko et al. 2002 12 Vgl. u. a. Barney/Wright 1998 13 unterschiedliche Beschreibungen von Mitarbeiterlebenszyklen finden sich etwa bei Kienbaum

2013 und Schroff 2010.

Phasenorientierte Mitarbeiterbindung

8

auch Abschnitt A.I.2) sowie Mitarbeiter einzustellen, die sich gut binden lassen

(siehe auch Abschnitt A.I.3) und von der Persönlichkeit her zur Organisation pas-

sen. Recruiting im strategischen Sinn ist vor allem dann erfolgreich, wenn die an-

gebotenen Karriereoptionen dazu führen, dass das Unternehmen als attraktiver Ar-

beitsgeber wahrgenommen wird. Andererseits spielen bei der Gewinnung von

Fach- und Führungskräften auch Maßnahmen eine Rolle, bei denen das Unterneh-

men unmittelbar oder mittelbar auf potenzielle Mitarbeiter zugeht um wichtige Po-

sitionen zu besetzen (Sourcing oder Headhunting).14

2. Ressourcenorientierte Bewertung des Mitarbeiters

Maßnahmen der Mitarbeiterbindung verursachen, wie nahezu alle Aktivitäten eines

Unternehmens, Kosten. Mit der reinen Stimulierung des Verhältnisses zwischen

Mitarbeiter und Organisation entsteht allerdings noch kein konkreter Nutzen für das

Unternehmen. Vielmehr ergibt sich der Nutzen von Retention Management-Werk-

zeugen mittelbar aus dem Nutzen, welcher davon ausgeht, dass ein spezifischer

Mitarbeiter vertraglich (rechtlich und psychologisch) an das Unternehmen gebun-

den ist. Nach der Logik der ressourcenbasierten Sichtweise auf die Organisation

dient die Beschäftigung eines Mitarbeiters dem Zugang zu (möglichst kritischen)

Ressourcen, wie etwa seinem Wissen oder seinen Fähigkeiten. Ob Anstrengungen

zur langfristigen Mitarbeiterbindung unternommen werden sollen, sollte demnach

insbesondere eine Frage des spezifischen Wertes des Mitarbeiters im Sinne des Zu-

gangs zu Ressourcen sein.15

Die Bewertung des Mitarbeiters ist – abgesehen von den Personalbindungsbeauf-

tragten der Organisation – eine mögliche Aufgabe der Führungskraft sowie der Per-

sonalentwicklung und umfasst unter anderem die Betrachtung von formalen und

informellen Qualifikationen, relevantem Wissen und sozialen Kontakten. In wis-

sensintensiven Geschäftsmodellen kann der spezifische Wert einer Fachkraft häufig

über seinen Beitrag zur Wissenslandschaft des Unternehmens eingeschätzt werden.

Das Social Creativity-Konzept beschreibt das individuelle Wissen eines Mitarbei-

ters und die Abwesenheit von Wissenslücken in Arbeitsgruppen als Basis für die

Innovationsfähigkeit von Organisationen.16

14 Grieger et al. 2010, S. 345 15 Vgl. Grieger et al. 2010, S. 342 f. 16 Vgl. Fischer et al. 2005

Phasenorientierte Mitarbeiterbindung

9

Die ressourcenbasierte Bewertung von Mitarbeitern im Unternehmen zur Wahl von

Bindungsstrategien lässt sich zusammenfassend wie folgt beschreiben: „Organisa-

tionale Entscheidungsträger wählen solche Bindungsstrategien, die sie als am bes-

ten geeignet erachten, den Zufluss und den Erhalt kritischer Ressourcen zu gewähr-

leisten“17. Arten von solchen kritischen Ressourcen sind in Tabelle 1 dargestellt.

Tabelle 1: Arten potentiell kritischer Ressourcen von Fach- und Führungskräften

Ressourcen, nach innen gerichtet

Kompetenzen, intern

Kompetenzen zur Mitarbeiterführung und –motivation

Betriebsspezifisches Wissen

Arbeitsleistung zur Erledigung fachspezifischer Aufgaben

Motivation und Engagement

Flexibilität und Einsatzbereitschaft

Loyalität und Engagement für die Unternehmensziele

Ressourcen, nach außen gerichtet

Kompetenzen, extern

Kompetenzen zur Verhandlung mit Geschäftspartnern

Wissen (z. B. über Märkte und Technologien)

Beziehungen und Reputation

Persönliche Netzwerke und Kontakte zu Geldgebern, Kunden, Lieferanten, Netzwerkpartnern, Arbeitskräften

Bekanntheit und Reputation

Quelle: Grieger et al. 2010, S. 343 nach Burgoyne/Stuart 1976, Castanias/Helfat 1991, Boyatzis 1992, Spencer/ Spencer 1993

3. Sozialisierungsfähigkeit von potenziellen Mitarbeitern

Eine Bewertung des Mitarbeiters bezüglich seiner Neigung zu häufigen Stellen-

wechseln spielt vor allem eine Rolle bei der Einschätzung des Sozialisierungs-

17 Grieger et al. 2010, S. 342

Phasenorientierte Mitarbeiterbindung

10

drangs von Seiten des Mitarbeiters. Obschon Karriereplanung ein vorrangig indivi-

duelles Verhalten ist, lassen sich vier grobe Muster von Laufbahnen (nach Super)

darstellen.18 Die vier grundlegenden Karrieremuster sind:

1. Stable career pattern: Unmittelbarer Einstieg nach Beendigung der Ausbil-

dung; keine Erprobungsphase; Wille zur kontinuierlichen Ausübung des

Berufs.

2. Conventional career pattern: Erprobungsphase mit interindividuell variie-

renden Stationen; anschließend permanente Ausübung eines Berufs.

3. Unstable career pattern: Abwechslung von Erprobungsphasen und konti-

nuierlichen Stadien.

4. Multiple-trial career pattern: Häufiger Beschäftigungswechsel; keine be-

rufliche Festlegung. 19

Die Neigung eines potenziellen Mitarbeiters zu einer bestimmten Art der Karriere

lässt sich im regulären Rekrutierungsprozess vor allem im Screening von Unterla-

gen und Interviews feststellen. Aufwändiger ist das durchführen von Persönlich-

keitstest.20

Wird bei einem Mitarbeiter eine Neigung zu häufigen Arbeitgeber-Wechseln ange-

nommen, lassen sich zwei Strategien ableiten: entweder wird der Mitarbeiter nicht

eingestellt, da die Gefahr einer fehlgeschlagenen Bindung zu hoch ist und das Un-

ternehmen negative Effekte vermeiden möchte, oder der Mitarbeiter wird einge-

stellt und als besonders bindungsbedürftig eingestuft, was in Konsequenz hohe An-

strengungen zur Mitarbeiterbindung nach sich ziehen sollte.

4. Realistische Tätigkeitsvorschau

Eine realistische Tätigkeitsvorschau (Realistic Job Preview) dient vor allem dazu

die frühzeitige Abwanderung des Mitarbeiters zu verhindern und ist Teil des Rek-

rutierungs- bzw. Einstellungsprozesses. Sie hat das Ziel, das Erwartungsniveau des

neuen Mitarbeiters auf ein realistisches Level zu bringen, was in der Regel bedeutet

es zu senken. Die Vertreter der einstellenden Organisation sollten es vermeiden

18 Die ursprüngliche klare Trennung des Modells in männliche und weibliche Karriereprozesse wird

in dieser Arbeit außer Acht gelassen, da ihre Gültigkeit aus heutiger Sicht fraglich erscheint; empi-

risch signifikant ist wiederum, dass Frauen häufiger aufgrund von familiären Erwägungen das Un-

ternehmen verlassen als Männer (vgl. hierzu Sichermann 1996). 19 Vgl. Scheller 1976, S. 41 20 Vgl. Steel et al. 2002, S. 158

Phasenorientierte Mitarbeiterbindung

11

vage Hoffnungen des Bewerbers zu stimulieren und vielmehr auch die negativen

Aspekte der spezifischen Stelle darstellen.21 Eine aktuell diskutierte Weiterverfol-

gung dieses Gedankens ist der Einsatz von speziellen Trainingsmaßnahmen, die die

Erwartungen der Mitarbeiter senken sollen (expectation lowering training).22

Realistische Tätigkeitsvorschauen sollten systematisch, etwa in Interviews, einge-

setzt werden, um zwei mögliche negative Effekte zu vermeiden: Die frühzeitige

Abwanderung des Mitarbeiters aufgrund von falschen Vorstellungen über seine Po-

sition bzw. eine folgenreiche Demotivation aufgrund von enttäuschten Erwartun-

gen.

5. Investitionen des Mitarbeiters

Die personalpsychologische Literatur beobachtet weiterhin ein höheres sogenann-

tes kalkulatives Commitment des Mitarbeiters als Folge von hohen Investitionen,

die dieser im Bewerbungsprozess getätigt hat. Diese Investitionen sind vor allem

der subjektiv empfundene Aufwand, welcher bis zum Antritt einer Stelle aufge-

bracht wurde. Wenn ein Bewerber aufwändige Auswahlverfahren mit mehreren Ite-

rationen durchlaufen musste und/oder zu der Einschätzung gelangt, es sei besonders

schwierig gewesen, vom betreffenden Unternehmen eingestellt worden zu sein, ent-

spricht das einer hohen (psychologischen) Investition in die aktuelle Position. Die

Opportunitätskosten des Stellenwechsels sind ceteris paribus entsprechend hoch,

weil einhergehend mit der Kündigung die Investition in die Stelle wertlos würde.23

II. Integrationsphase

1. Einarbeitung

Eine (systematische) Einarbeitung des Mitarbeiters hat unterschiedliche Absichten.

Aus ökonomischer Sicht ist es zweckmäßig, die anfänglich durch Koordinations-

schwierigkeiten und Wissensdefizite (bezüglich der Organisation) verminderte

Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters auf den intendierten Stand zu bringen. Eine

Übersicht zu den Zielen der Einarbeitung aus Sicht der beiden beteiligten Parteien

findet sich in Tabelle 2.

21 Vgl. Nerdinger et al. 2011, S. 221 f. 22 Vgl. Steel et al., 2002, S. 158 ff. 23 Vgl. Nerdinger et al. 2011, S. 77; die These wirkt schlüssiger, wenn - wie in dieser Arbeit - ein

komplexer Mensch angenommen wird, da man argumentieren könnte, dass ein homo oeconomicus

die Investitionen als (psychologische) „sunk costs“ betrachten würden.

Phasenorientierte Mitarbeiterbindung

12

Tabelle 2: Ziele der Einarbeitung

Sicht des Unternehmens Sicht des Mitarbeiters

Kenntnis der eigenen Stelle und

der damit verbundenen Aufgaben

Ausgleich anfänglicher Defizite in

Kenntnissen und Fähigkeiten

motivierte Aufgabenerledigung

Bereitschaft sich auf neue Anfor-

derungen einzustellen

Loyalität und starke Bindung an

das Unternehmen

Internalisierung von Normen und

Werten der Arbeitsgruppe und des

Unternehmens

genaues Wissen darüber, was das

Unternehmen erwartet

souveräne Bewältigung der Aufga-

ben

bedürfnisgerechte Aufgabenge-

staltung

Vereinbarkeit der Normen und

Werte der Arbeitsgruppe bzw. des

Unternehmens mit dem eigenen

Wertesystem

Quelle: Nerdinger et al. 2011, S. 75

Insgesamt führen die aufgeführten Maßnahmen der Einarbeitung dazu, dass der

Mitarbeiter seine Aufgaben effizient und nach den Maßgaben des Arbeitgebers er-

ledigen kann, was zu einer höheren Zufriedenheit und Motivation führt. Zusätzlich

sollte der Aufbau von Loyalität und einer ersten stärkeren Bindung an das Unter-

nehmen bei der Einarbeitung zu erreichen versucht werden, genauso wie die Inter-

nalisierung der im Unternehmen bzw. im Team geltenden Normen und Werte. Die

Sozialisierung in Organisationen und Arbeitsgruppen ist in der initialen Phase der

Anstellung ein Teilaspekt der Einarbeitung, wird aber in den folgenden beiden Ab-

schnitten noch einmal im Detail betrachtet.

2. Integration in Gruppen

Man kann zwei Extreme von Gruppenkonstellationen beschreiben, nämlich dieje-

nigen mit niedrigem Zusammenhalt und damit hohem Konfliktpotenzial und dieje-

nigen mit hoher Kohäsion. Gerade in Gruppen, die sich durch einen sehr starken

Zusammenhalt unter den Mitgliedern auszeichnen, ist die Integration von neuen

Mitgliedern oftmals schwierig. Die Integration in den Mikrokosmos Arbeitsgruppe

ist in der Regel wichtiger als die Integration in die Gesamtorganisation, und wird

demnach als hilfreichste Sozialisationsmethode beschrieben.24

24 Vgl. Anderson/Thomas 1996

Phasenorientierte Mitarbeiterbindung

13

3. Integration in die Organisation

Neben der Integration in die Arbeitsgruppe ist auch die Integration des Mitarbeiters

in die gesamte Organisation ein wichtiger Schritt zur Mitarbeiterbindung. Typische

Maßnahmen zur Integration in die Organisation sind:

formale Orientierungsveranstaltungen,

Schulungen außerhalb der Organisation,

Schulungen innerhalb der Organisation,

Patensysteme,

Mentoring,

Traineeprogramme,

soziale Aktivitäten mit den Kollegen.25

Traineeprogramme nehmen hier eine Sonderstellung ein, weil sie per Konzept in

der Regel nur Berufseinsteigern und Akademikern zugänglich sind. Das Wissen um

die positive Sozialisierungswirkung von Traineeprogrammen ist dann wichtig,

wenn Unternehmen vor der konkreten Entscheidung für ein Training on oder into

the job stehen.

Es existieren häufig spezifische Charakteristika einer Organisation, welche die Mit-

arbeiterbindung insgesamt beeinflussen können. Diese Stärken der Organisation

lassen sich effektiv durch Erhebungen bei ausscheidenden Mitarbeitern, etwa im

Rahmen von Abschluss-Interviews, identifizieren.26

III. Konsolidierungsphase

1. Bewertung des sozialisierten Mitarbeiters

Nachdem ein Mitarbeiter im Unternehmen etabliert ist, ist es spätestens möglich,

ihn auf Grundlage seiner Leistung zu bewerten. Individuelle Leistungsbeurteilun-

gen finden zum Beispiel im Rahmen von Zielvereinbarungen oder Mitarbeiterge-

sprächen statt. Die Leistungsbeurteilung und eine damit einhergehende (grobe) Ka-

tegorisierung der Mitarbeiter (beispielsweise in low, average und high performer)

macht es möglich, einerseits den Wert des Mitarbeiters aus Ressourcensicht zu er-

25 Vgl. Moser/Schmook 2001, S. 242 26 Vgl. Steel et al. 2002, S. 153

Phasenorientierte Mitarbeiterbindung

14

mitteln, und andererseits eine Entscheidung darüber zu treffen, wie viele Anstren-

gungen das Unternehmen zur Bindung des individuellen Mitarbeiters in Kauf neh-

men sollte. Weiterhin ist eine Organisation, die ihre high performer identifiziert hat,

in der Lage, in weiteren Schritten ermitteln zu können, wann, wie und warum diese

das Unternehmen verlassen.27

2. Bindungsstrategien für sozialisierte Mitarbeiter

Die Bindung durch Anreize beschreibt diejenigen Maßnahmen, die den Mitarbei-

ter extrinsisch dazu motivieren sollen, seiner derzeitigen Arbeit nachzugehen. Bei

Fach- und Führungskräften zählen hierzu insbesondere ein attraktives Gehalt und

Aufstiegsmöglichkeiten sowie „nicht direkt mit der Tätigkeit verbundene An-

reize“28 wie die Nutzung von Firmenwagen, Kinderbetreuung usw. Der Nachteil

solcher Anreize ist die leichte Imitierbarkeit durch andere Unternehmen. Demnach

sollte bei Mitarbeitern, die einen Zugang zu kritischen Ressourcen darstellen, da-

rauf geachtet werden, dass sie adäquat vergütet werden und ihnen die Aufgabe der

erhaltenen Anreize, z. B. des Firmenwagens, möglichst schwerfällt.

Eine weitere Möglichkeit der Mitarbeiterbindung ist die Bindung durch Normen.

Sie umfasst Maßnahmen wie Leistungsbeurteilungen, welche dem Mitarbeiter An-

erkennung und Prestige verschaffen sowie Methoden, die der Identifikation des

Mitarbeiters mit den Unternehmenszielen, der Stärkung der Unternehmenskultur,

oder der Verbesserung von sozialen Beziehungen innerhalb der Organisation die-

nen. Die Bindung durch Normen zielt besonders auf eine positive Beeinflussung

der Ressourcen-Dimension Motivation und Engagement (vgl. hierzu Tabelle 1)

ab.29

Während die beiden vorangestellten Strategien der Mitarbeiterbindung den Mitar-

beiter positiv beeinflussen um eine mittelbare Steigerung seiner Zufriedenheit bzw.

der Opportunitätskosten des Beschäftigungswechsels herbeizuführen, fasst die

Strategie Bindung durch Zwang diejenigen Maßnahmen zusammen, mit denen

eine formale Absicherung des Ressourcenzugangs erreicht werden kann. Dies sind

zum Beispiel vertraglich vereinbarte Sanktionen und Geheimhaltungsvereinbarun-

gen.

27 Vgl. Steel et al. 2002, S. 154 f. 28 Grieger et. al 2010, S. 344 29 Vgl. Grieger et al. 2010, S. 344

Phasenorientierte Mitarbeiterbindung

15

3. Rolle der Führungskraft

Führungskräfte haben auf personalpsychologischer Ebene ebenfalls einen Einfluss

auf die Bindung von Mitarbeitern und zwar in Form von relationalen Kontrakten.

Vorgesetzte, die zur Entwicklung eines relationalen Kontraktes zwischen ihnen und

dem Mitarbeiter beitragen möchten, verhalten sich (1) wertschätzend gegenüber

diesen, räumen (2) Mitsprachemöglichkeiten für sie ein, beteiligen sich (3) aktiv an

der Weiterqualifizierung dieser und sind (4) bemüht ein Vertrauensverhältnis zu

ihnen aufzubauen.30

Steel und Kollegen sehen einen entscheidenden Einfluss der Führungskraft auf die

Moral ihrer Mitarbeiter. Eine niedrige Moral ist zur selben Zeit ein häufiger Kün-

digungsgrund und ein guter Indikator für Mitarbeiter mit Kündigungsabsichten.

Maßnahmen von Führungskräften zur Steigerung der Mitarbeiter-Moral sind zum

Beispiel Jobenrichment, die aktive Etablierung einer Bottom-up-Kommunikations-

kultur und das regelmäßige Einholen von Feedback im Rahmen von standardisier-

ten Umfragen31. Jobenrichment nimmt hier eine Sonderstellung ein, da es häufig

nicht ausschließlich durch die Führungskraft induziert sein dürfte.

Führungskräfte, die einen positiven Einfluss auf die relationalen Kontrakte zu ihren

Mitarbeitern nehmen möchten, sollten zudem Wert auf eine wertschätzende Infor-

mationstätigkeit legen. Informationen sollten demnach offen, wahr, rechtzeitig und

für alle Betroffenen zugänglich sowie verständlich sein. Ein widersprüchliches

Kommunikationsverhalten der Führungskraft führt zu Misstrauen bei den Mitarbei-

tern, welches wiederum zu subjektiven (negativen) Interpretationen von Informati-

onen und Handlungen führen kann.32

IV. Fluktuationsphase

Die Fluktuationsrate misst direkt die Anzahl der Mitarbeiter, die das Unternehmen

verlassen und damit scheinbar nicht genügend an die Organisation gebunden waren.

Die Erschließung des Grunds der individuellen Fluktuation ist allerdings eine nicht-

triviale Aufgabe, da die Validität der angegebenen Fluktuationsgründe fraglich ist

30 Vgl. Nerdinger et al. 2011, S. 216 31 Vgl. Steel et al. 2002, S. 156 f. 32 Vgl. Alter 2008, S. 114

Zusammenfassung und Einordnung der Ergebnisse

16

und insbesondere häufig keine klare Trennung zwischen freiwilliger und unfreiwil-

liger Fluktuation vorgenommen werden kann.33 In vielen Fällen gibt es einen Zu-

sammenhang zwischen Unzufriedenheit und schlechter Leistung des Mitarbeiters,

was den Auslöser der Kündigung (mitarbeiter- oder führungskraftinduziert) zu ei-

ner eher zeitlichen oder taktischen Frage macht. Taktisch Gründe für das Nicht-

Kündigen durch den Mitarbeiter sind etwa rechtlicher Natur und beabsichtigen den

Zugang zu Abfindungen oder Arbeitslosengeld. Beide Arten der Fluktuation eignen

sich als Indikator für die Effektivität der Mitarbeiterbindungsprozesse. Moser und

Schmook argumentieren, dass unfreiwillige Fluktuation ein Zeichen für eine beid-

seitig misslungene Sozialisation ist und freiwillige Fluktuation eher für eine einsei-

tig unzureichende Mitarbeiterbindung durch das Unternehmen spricht.34

In der Fluktuationsphase spielt das Individuum aus ökonomischer Sicht nur noch

eine untergeordnete Rolle. Eine erfolgreiche Ressourcenbindungsstrategie sollte ei-

nen wichtigen Mitarbeiter bereits vor der Fluktuation weitestgehend ersetzbar ge-

macht haben. Spätestens wenn eine Trennung vorhersehbar wird, sollte das Unter-

nehmen versuchen alle mit dem Mitarbeiter verbundenen kritischen Ressourcen

vom Individuum zu lösen und der Organisation nachhaltig zugänglich zu machen.

Dies betrifft vor allem das Wissen des Mitarbeiters, welches rechtzeitig gespeichert

oder auf andere Mitarbeiter transferiert werden sollte. Ein strategisches Wissens-

management und effektiv implementierte und von den Mitarbeitern akzeptierte

Wissensmanagement-Technologien sind also unumgängliche Bestandteile einer

ausgereiften Mitarbeiterbindungsstrategie.35

B. Zusammenfassung und Einordnung der Ergeb-

nisse

Bei der Bewertung von Mitarbeitern spielt in der initialen Auswahlphase (Rekru-

tierung) vor allem ihre Sozialisierungsfähigkeit eine Rolle, also inwiefern sie sich

auf einer psychologischen Ebene gut an das Unternehmen binden lassen. Außerdem

sollte aus strategischer Sicht darauf geachtet werden, dass Mitarbeiter ausgewählt

werden, welche einen Zugriff auf die jeweils benötigen Ressourcen für eine spezi-

fische Stelle/Funktion im Unternehmen ermöglichen. Die Bindung von Individuen

33 Vgl. Campion 1991 34 Vgl. Moser/Schmook 2001, S. 246 f. 35 Vgl. Grieger et al. 2010, S. 345

Zusammenfassung und Einordnung der Ergebnisse

17

erreicht das Unternehmen in dieser Phase insbesondere durch das Verwenden von

realistischen Tätigkeitsvorschauen und durch Auswahlverfahren, die hohe subjek-

tive Investitionen des Mitarbeiters erfordern.

Die Einführungsphase im Unternehmen ist durch eine individuelle Sozialisation

des Mitarbeiters, also psychologische Prozesse, geprägt. Hier spielen seine Res-

sourcenbindungsmöglichkeiten und seine Bewertung eine untergeordnete Rolle.

Neben einer fachlichen Einarbeitung sollte hier auf eine mehrere Aspekte (Kultur,

Prozesse, etc.) umfassende Integration in die Organisation und eine Integration in

das jeweilige Team geachtet werden.

In aller Regel wird die Konsolidierungsphase die längste Phase im Mitarbeiterle-

benszyklus sein. Hier ist er für die Organisation wiederum vor allem aus Ressour-

censicht interessant. Während Individuen sich eher durch Anreize binden lassen,

bietet sich insbesondere bei kritischen Ressourcen eine Bindungsstrategie an, die

auch auf Normen und Zwang als bindende Elemente setzt. Bindung durch Zwang

ist gerade bei kritischem Wissen des Mitarbeiters wirkungsvoll, wohingegen sich

die Bindung durch Normen vordergründig für Mitarbeiter eignet, welche etwa eine

hohe Reputation oder ein ausgeprägtes soziales Netzwerk besitzen. Sie haben oft-

mals einen hohen Marktwert und sind kaum nur durch Anreize wie ein hohes Gehalt

an die Organisation zu binden. Auf individueller Ebene ist zudem auf einer Pflege

der psychologischen Kontrakte der Mitarbeiter zu achten.

Die Fluktuationsphase eignet sich per definitionem nicht zur Bindung von Indivi-

duen. Hier kommt es aus strategischer Sicht darauf an, dass die mit dem Mitarbeiter

verknüpften Ressourcen nachhaltig in der Organisation verbleiben. Dies kann im

Fall von Wissen durch Maßnahmen des strategischen Wissensmanagements erfol-

gen. Die nicht durch Speicherung oder Transfer zu erhaltenden Ressourcen des Mit-

arbeiters sollten dann möglichst durch die Rekrutierung von neuen Mitarbeitern er-

setzt werden, was einen neuen Lebenszyklus in Gang setzte, wohingegen der indi-

viduelle Mitarbeiterlebenszyklus mit der Fluktuation aus dem Unternehmen endet.

Abbildung 1 zeigt alle vorangehend dargestellten Maßnahmen in einem Modell,

welches horizontal die vier vorgestellten Phasen des Mitarbeiterlebenszyklus be-

rücksichtigt und auf der vertikalen Achse die Maßnahmen nach drei Gesichtspunk-

ten aggregiert: Bewertung des Mitarbeiters, Bindungsstrategien für Individuen und

Bindung von Ressourcen.

Zusammenfassung und Einordnung der Ergebnisse

18

Abbildung 1: Übersicht über Mitarbeiterbindungs- und Bewertungsprozesse

Quelle: Eigene Darstellung

Das in dieser Arbeit entworfene Modell strategischer Mitarbeiterbindung ist

exemplarisch zu interpretieren und lässt sich mit weiteren Maßnahmen und

Strategien füllen. Die Kombination von personalpsychologischen und

ressourcenorientierten Maßnahmen ist bewusst geschehen, da es in der Praxis

erheblich Überschneidungspunkte bzw. Trade-Offs zwischen den Ebenen gibt.

Beispielsweise unterliegt eine Bindung durch Zwang immer der Prämisse einer

möglichen Beschädigung des psychologischen Kontrakts des so gebundenen

Individuums. Im Einstellungsgespräch mit einem aus Ressourcensicht dringend

benötigten Bewerber riskiert ein Recruiter gegebenenfalls dessen Desinteresse,

wenn seine Tätigkeitsvorschau allzu realistisch ausfällt. Eine Analyse dieser

Wechselbeziehungen würde das hier skizzierte Modell weiter vervollständigen.

Genauso ist in der praktischen Umsetzung von Mitarbeiterbindungsprozessen die

Formulierung und Implementierung einer unternehemnsübergreifenden „retention-

policy“36 empfehlenswert. Darüberhinaus erscheint eine Zurdnung von

Bindungsmaßnahmen zu spezifischen Unternehmensfunktionen sinnvoll sowie

eine detaillierte Betrachtung der Synergien, die sich aus dem Zuwammenwirken

36 Vgl. Steel et al. 2002, S. 150

Zusammenfassung und Einordnung der Ergebnisse

19

verschiedener Funktionsbereiche (wie z. B. Personalabteilung, Wissens- und

Innovationsmanagement) ergeben können sowie eine Bewertung der Effektivität

der Maßnahmen bzw. Strategien zur Mitarbeiterbindung37.

Zusammenfassend ist feststellbar, dass effektive und umfassende

Mitarbeiterbindung eine komplexe Aufgabe ist, derer sich Unternehmen,

insbesondere mit dem Ziel der Sicherung von kritischen Ressourcen, professionell

und mit strategischen Motiven annehmen sollten. Für die Zukunft wird

angenommen, dass sich der Arbeitsmarkt weiter zu einem Anbietermarkt

entwickeln wird. Gleichzeitig werden die Bedeutung von bilateralen

Arbeitsverhältnissen und der Wunsch nach kontinuierlicher Beschäftigung nicht

abnehmen.38 Beide Prognosen unterstreichen die zukünftige Relevanz von

professionellem Personalbindungsmanagement, welches in der vorliegenden Arbeit

skizziert wurde.

37 eine Bewertung von sieben Maßnahmen findet sich bei Steel et al. 2002, S. 160 38 Vgl. Stock-Homburg 2013, S. 618 f.

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20

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