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IUP-Exkursion Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich (21.05 bis 24.05.2018) Leitung: M.Sc. Cedric Gapinski Dr. Miguel A. Cebrián-Piqueras Dipl.Geogr. Julia Thiele Endredaktion: M.Sc. Cedric Gapinski Cand. M.Sc. Teresa Geiger M.Sc. Ole Badelt

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IUP-Exkursion

Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich

(21.05 bis 24.05.2018)

Leitung:

M.Sc. Cedric Gapinski

Dr. Miguel A. Cebrián-Piqueras

Dipl.Geogr. Julia Thiele

Endredaktion:

M.Sc. Cedric Gapinski

Cand. M.Sc. Teresa Geiger

M.Sc. Ole Badelt

Page 2: IUP-Exkursion - umwelt.uni-hannover.de · 1 Einführung und Danksagung IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 1 „Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“ 1 Einführung und

1 Einführung und Danksagung

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite II

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Inhalt

1 Einführung und Danksagung .............................................................................................. 1

2 Stadtführung in Dessau (21.05.2018, 12:30 bis 14:30) ....................................................... 1

3 Elbauen Vockerode (21.05.2018, 15:00 bis 17:30) ............................................................. 5

4 Fahrradexkursion entlang Elbe und Mulde (22.05.2018, 8:30 bis 15:00) ............................ 9

5 Dessau-Waldersee (22.05.2018, 15:00 bis 17:00) .............................................................13

6 Umweltbundesamt (23.05.2018, 9:00 bis 12:00) ................................................................16

7 Wörlitzer Anlagen (23.05.2018, 14:00 bis 17:00) ...............................................................21

8 Flussfilmabend im Kiez-Kino Dessau (23.05.2018, 20:00 bis 21:30) .................................24

9 Biosphärenreservat Mittelelbe (24.05.2018, 9:00 bis 12:00) ..............................................25

10 Oranienbaumer Heide (24.05.2018, 12:00 bis 14:00) ......................................................29

11 Weltkulturerbe „Bauhaus Dessau“ (24.05.2018, 12:00 bis 14:00) ....................................32

Fotos der Titelseite:

Oben links: Exkursionsgruppe vor der Jagdbrücke (M.A. Cebrián-Piqueras)

Oben rechts: Auf einer Fährüberfahrt in den Wörlitzer Anlagen (O. Badelt)

Mitte links: Muldeaue (O. Badelt)

Mitte rechts: Im Umweltbundesamt Dessau (O. Badelt)

Unten links: Referenzstandort „Natur“ der Mulde bei Dessau-Möst (M.A. Cebrián-Piqueras)

Unten rechts: Mulde bei Törten (O. Badelt)

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1 Einführung und Danksagung

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 1

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

1 Einführung und Danksagung

(Cedric Gapinski)

Vom 21. bis 24.05.2018 fuhren Lehrende des IUPs mit 24 Studierenden auf eine viertägige

Exkursion nach Dessau-Roßlau an die Mulde. Die Idee für eine große Exkursion nahm ihren

Ursprung im Sommer 2017, als ich dort zusammen mit meiner studentischen Hilfskraft im

Rahmen des Verbundprojektes „Wilde Mulde – Revitalisierung einer Wildflusslandschaft in

Mitteldeutschland“ Interviews mit lokalen Stakeholdern durchführte. In dem erwähnten Pro-

jekt werden durch den WWF Deutschland auf 24 Flusskilometern verteilt an mehreren Pro-

jektstandorten Renaturierungsmaßnahmen (Einbau von großen Totholzbäumen (Raubäu-

men), Wiederherstellung eines Naturufers, Anbindung eines alten Seitenarms und Initiierung

eines Hartholzauwaldes) durchgeführt. Zusammen mit dem Helmholtz-Zentrum für Umwelt-

forschung UFZ (Leipzig, Magdeburg), der Universität Leipzig, der Hochschule für Technik

und Wirtschaft Dresden und der Technischen Universität Braunschweig ist das IUP mit einer

interdisziplinären Begleitforschung zu Ökosystemleistungen beauftragt. Gefördert wird das

Projekt gemeinsam durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und

das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Natur-

schutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB). Das BMBF fördert das Projekt als Forschung für

Nachhaltige Entwicklungen (FONA); www.fona.de, Forschungskennzeichen 01LC1322BF.

Die Region verfügt auf engstem Raum über mehrere UNESCO-Welterbestätten und Schutz-

gebiete (Naturschutz-, Landschaftsschutzgebiete, Natura 2000-Gebiete). Dadurch und auf-

grund der Lage an der Elbe-Mulde-Mündung ist es ein sehr interessanter Planungsraum mit

verschiedensten Schutzgütern und Nutzungsinteressen, was sich auch im Projekt wieder-

spiegelt. Dies macht diesen Raum zu einem perfekten Ziel für eine mehrtägige studentische

Exkursion.

Die Gruppe war in der 2009 sanierten Jugendherberge Dessau-Roßlau untergebracht. Die

Anreise erfolgte mit 3 Kleinbussen. Das Programm begann am Montagmittag (21.05.) mit

einer Stadtführung durch den Dessauer Stadtkern. Anschließend besuchte die Gruppe das

nahegelegene FFH-Gebiet „Dessauer-Wörlitzer Elbauen“, wo am Sieglitzer Berg der WWF

von 2010 bis 2018 ein Life+-Projekt („Elbauen Vockerode“) durchführte. Am Dienstag war die

Gruppe mit Fahrrädern entlang Mulde und Elbe unterwegs und erfuhr an unterschiedlichen

Standorten neben den Projektinhalten auch viele weitere Einzelheiten zu den beiden Flüs-

sen. Im Anschluss schilderte der Bürgermeister von Dessau-Waldersee seine Sicht auf das

Projekt und gab Einblick in die Hochwasserproblematik des Gebietes. Am Mittwoch stand

zunächst ein Besuch beim Umweltbundesamt (UBA) mit Fachvortrag zu WRRL und Gebäu-

deführung auf dem Programm. Nachmittags erhielt die Gruppe eine Führung in den Wörlitzer

Anlagen, dem Herzstück des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches. Abschluss des Tages bildete

ein Flussfilmabend im Dessauer KiezKino. Am letzten Tag wurde schließlich das Besucherin-

formationszentrum des Biosphärenreservates (Auenhaus und Biberfreinanlage) besucht.

Mittags teilte sich die Gruppe: der eine Teil erhielt eine Führung in dem nahegelegenen Na-

turschutzgebiet „Oranienbaumer Heide“, der andere Teil besuchte das UNESCO-

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1 Einführung und Danksagung

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„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Weltkulturerbe „Bauhaus“. Die Verortung der einzelnen Exkursionspunkte ist der Karte auf

der folgenden Seite zu entnehmen.

Nachfolgend möchte ich mich im Namen der gesamten Gruppe bei einigen Personen bedan-

ken, die zum erfolgreichen Gelingen der interessanten Exkursion beigetragen haben:

Heiko Schrenner, Bearbeiter der „Wilden Mulde“ beim WWF, der uns auf Fahrrädern

durch die Muldeaue führte, uns unterwegs das Projekt näherbrachte und uns außer-

dem beim unserem Filmabend im KiezKino mit Zeit und Material unterstützte,

Brigitte Mang und Michael Keller von der Kulturstiftung DessauWörlitz für die Führung

durch die Wörlitzer Anlagen im Dessau-Wörlitzer Gartenreich,

Jens Arle und Max Bösecke für Vortrag und Führung im Umweltbundesamt,

Susanne Reinhardt und Lothar Händler aus der Verwaltung des Biosphärenreservats

Mittelelbe für ihre Führung durch Auenhaus, Biberfreianlage und in der Oranienbau-

mer Heide,

Frank Unger (Umweltamt Stadt Dessau-Roßlau) und Frank Beisitzer (Landesamt für

Hochwasserschutz) für ihre Fachbeiträge an der Mulde,

Lothar Ehm, Bürgermeister Dessau-Waldersee, für den Empfang und den Vortrag im

Vereinsheim des SG Empor Waldersee,

Alexander Boehringer, unserem Stadtführer,

Carola Schuboth (WWF) für Ihre Führung im Projektgebiet „Elbauen Vockerode“ im

Vorfeld der Exkursion,

Thomas Ohrmann und Kollegen für die Ermöglichung des Filmabends im KiezKino,

und den freundlichen und hilfsbereiten Mitarbeitern der Jugendherberge, die auch

kurzfristig Lunchpakete für die Fahrradtour zur Verfügung stellten,

Zudem bedanke ich mich bei meinen Kollegen für die Unterstützung, besonders Prof. Wol-

schke-Bulmahn vom Institut für Landschaftsarchitektur, der die Führung in den Wörlitzer An-

lagen organsiert hat und bei den Studierenden für ihre Beteiligung zu Diskussionen vor Ort,

den schriftlichen Beiträgen für diesen Reader, den problemlosen Ablauf und die gute Stim-

mung. Meinen studentischen Hilfskräften danke ich schließlich für die ergänzenden Reader-

Beiträge und die Hilfe bei der Vorbereitung.

Im Folgenden finden sich Texte zu den einzelnen Exkursionspunkten, überwiegend von den

einzelnen Studierenden verfasst. Für die Richtigkeit der Angaben wird daher keine Gewähr

übernommen, lediglich grobe Fehler wurden durch die Leitung korrigiert.

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1 Einführung und Danksagung

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 1

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

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2 Stadtführung in Dessau (21.05.2018, 12:30 bis 14:30)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 1

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

2 Stadtführung in Dessau (21.05.2018, 12:30 bis 14:30)

(Kristina Bastian, Clara Lütgendorf, Nanke Simon & Nathania Shekina Tulak)

Alexander Boehringer, Stadtführer der Touristik-

Information Dessau-Roßlau, gab zu Beginn der

Exkursion einen Einblick in die Geschichte und

aktuellen Herausforderungen der Stadt Dessau.

2.1 Geschichte der Stadt Dessau

Dessau wurde im Jahr 1213 das erstmals urkund-

lich erwähnt. Heute bildet Dessau zusammen mit

Roßlau die kreisfreie Stadt „Dessau-Roßlau“ und

liegt inmitten einer ausgedehnten Auenlandschaft

beiderseits von Elbe und Mulde. Diese Lage an

einem Gewässer war auch früher schon ein wichti-

ger wirtschaftlicher Faktor der Gegend. Dessau

diente früher als Handelsplatz, was sich durch die

gute Lage an großen Gewässern (Elbe und Mulde)

ergab. Durch diese strategisch wichtige Lage wur-

de Dessau auch Schauplatz einiger Schlachten. In

der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde es

durch Leopold III Friedrich Franz (Abb. 1) zum

Zentrum der Aufklärung von Deutschland. Diese

Zeit ist auch heute noch in vielen Teilen von Dessau nachzuempfinden. Auch das durch ihn

geschaffene, heutige Dessau-Wörlitzer Gartenreich, sorgt europaweit für Aufmerksamkeit.

Mit der Industrialisierung wurde Dessau zu einer Maschinen- und Fahrzeugbau-Stadt, aber

auch die Lebensmittelindustrie spielte eine große Rolle. Durch die Alliierten wurde Dessau

während des 2. Weltkrieges stark beschädigt, was große Auswirkungen, auch auf die Bevöl-

kerungsdichte der Stadt hatte. Nach der Wende ist die Industriebasis der Stadt größtenteils

verloren gegangen und es kam zu einer hohen Arbeitslosigkeit. Die Folge aus dieser Arbeits-

losigkeit war eine erhöhte Abwanderung der Bevölkerung vor allem in den Westen.

Tabelle 1: Eckdaten Dessau-Roßlau

Stadt Dessau-Roßlau

Einwohnerzahl

(Stand: 31.05.2018)

82.277 Einwohner,

davon 40.021 männlich (48,6%) und 42.256 weiblich (51,4%)

Durchschnittsalter 49,8 Jahre

Bevölkerungsentwicklung -5,5% in den Jahren 2010 bis 2018

Prognose der Bevölke- -16,2% in den Jahren 2012 bis 2030

Abbildung 1: Statue des Leopold III Friedrich Franz, Fürst und Herzog von Anhalt-Dessau (Foto: J. Thiele).

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2 Stadtführung in Dessau (21.05.2018, 12:30 bis 14:30)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 2

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

rungsentwicklung

UNESCO-Welterbe UNESCO-Welterbe Bauhaus & Meisterhäuser

UNESCO-Welterbe Gartenreich Dessau-Wörlitz

UNESCO-Welterbe Biosphärenreservat „Mittelelbe“

Schlösser Schloss Mosigkau (Rokoko-Schloss)

Schloss Luisium (Landsitz der Fürstin)

Schloss Großkühnau (Prinz Albert von Anhalt-Dessau)

Schloss Georgium

Gärten Georgengarten (Landschaftspark im englischen Stil)

Beckerbruch-Park (sanfter Übergang zum Georgengarten)

Park Luisium

Sieglitzer Berg (Waldpark)

Tiergarten Dessau (dieser war früher Jagdgebiet)

Schlosspark Mosigkau

Kühnauer Park

Bevölkerungsentwicklung: Schrumpfung und Alterung

Wie schon beschrieben unterlag die Stadt Dessau-Roßlau bezüglich der Bevölkerungsent-

wicklung innerhalb ihrer Geschichte starken Schwankungen. Dies veranschaulicht auch die

folgende Abbildung, welche die Einwohnerentwicklung von Dessau-Roßlau seit Beginn des

17. Jahrhunderts zeigt.

Abbildung 2: Einwohnerentwicklung von Dessau-Roßlau (Wikimedia Commons o.J.: www).

Die Bevölkerungszahlen stiegen bis etwa zum 1. Weltkrieg zunächst kontinuierlich und ab

der Mitte des 19. Jahrhunderts deutlich an. Während des 1. Weltkrieges sank die Zahl der

Einwohner zum ersten Mal, stieg nach dem Krieg aber wieder rasant. Auch der 2. Weltkrieg

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2 Stadtführung in Dessau (21.05.2018, 12:30 bis 14:30)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 3

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

ließ die Bevölkerungszahlen der Stadt sinken. Während den anschließenden Jahren konnte

die Stadt wieder an Einwohnern gewinnen, erreichte jedoch nicht mehr die Grenze von über

125.000 Einwohnern, wie vor dem 2. Weltkrieg. Nach der Wiedervereinigung begann in der

Stadt ein Schrumpfungsprozess, welcher bis heute anhält und auch durch die Eingemein-

dung Roßlaus 2007 nicht aufzuhalten ist. Heute liegt die Stadt Dessau-Roßlau bei einer Ein-

wohnerzahl von 82.277, was einer Schrumpfung um etwa 6% im Vergleich zu 2010 ent-

spricht. Auch die Prognose bis 2030 weist auf einen weiteren Bevölkerungsschwund von bis

zu 16,2 % im Vergleich zu 2012 hin (Tab. 1).

Neben seiner Bevölkerungsschrumpfung ist Dessau-Roßlau auch von Alterung betroffen. So

wies die Stadt 2015 mit knapp 30% bundesweit den höchsten Anteil an über 65-Jähriger auf.

Zudem liegt der Altersdurchschnitt in Dessau-Roßlau bei 49,5 Jahren, was höher ist als in

allen anderen deutschen Städten.

Abbildung 3: Die Tiergartenbrücke, auch „Eierschneider“ genannt, verbindet das Dessauer Zentrum für Fußgän-ger und Radfahrer mit dem Tiergarten, welcher als ehemaliges Jagdgebiet des Fürsten Franz zum Dessau-Wörlitzer Gartenreich gehört (Foto: J. Thiele).

Beziehung der Dessauer zu Elbe und Mulde in den verschiedenen Epochen

Die Beziehung zwischen den Dessauern und Elbe und Mulde sind in verschiedene Epochen

sehr unterschiedlich. Zunächst wurden durch den Bau der Muldebrücke, etwa um 1213, der

Handel und das Gewerbe in Dessau gefördert. Die wirtschaftliche und militärische Entwick-

lung der Dessauer blühte auf. Bei einer Schlacht während des Dreißigjährigen Krieges im

Frühjahr 1626 wurden die Brücken über die Elbe und Mulde zerstört, was die Stadt wirt-

schaftlich zurückwarf. Um Dessau vor den Hochwassern der Elbe und Mulde zu schützen,

wurden große Deichbauarbeiten geleistet. 1739 bekam die Elbe eine hölzerne Brücke und

1796/97 Begann der Neubau der Brücke über die Mulde.

Die 1806 bei einer Schlacht von preußischen Truppen zerstörte Elbbrücke wurde 1835/36

neu konstruiert, wodurch die zwischenzeitliche Fährverbindung zwischen den beiden Seiten

überflüssig wurde und die jeweiligen Seiten nun wieder deutlich leichter zu erreichen waren.

Auch der in den 1860er Jahren ausgebaute Wallwitzhafen mit Anbindung an den Bahnver-

kehr verbesserte die wirtschaftliche Lage der Stadt. Der Hafen entwickelte sich in den da-

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2 Stadtführung in Dessau (21.05.2018, 12:30 bis 14:30)

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„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

rauffolgenden Jahren zu einem wichtigen Umschlagplatz zwischen Eisenbahn und Elbe-

schifffahrt.

Im Bereich Naturschutz waren die Dessauer bereits früh stolz auf die ausgedehnten Natur-

landschaften, die die Stadt umgeben. Schon im Jahr 1855 wurde das Fangen und Töten des

Elbebibers durch Herzog Leopold Friedrich verboten, womit er den Grundstein für den Erhalt

dieser Tierart legte.

Tourismus (Schwerpunkt Radtourismus)

Die Region zieht jährlich zahlreiche Touristen an, vor allem aufgrund des guten Zusammen-

spiels zwischen Natur und Kultur. Die Landschaft verfügt mit dem Bauhaus und dem Garten-

reich Dessau/Wörlitz über zwei UNESCO-Welterbestätten sowie über das UNESCO-

Biosphärenreservat “Mittelelbe”. Die unterschiedlichen Sehenswürdigkeiten sind durch gut

ausgebaute Fahrradwege miteinander verbunden und in überregionale Fahrrad- und Wan-

derwege eingegliedert (z.B. Elberadweg, Europaradweg R1, u.v.m.). Insgesamt 55 abwechs-

lungsreiche Radtouren bieten sowohl interessante Entdeckungstouren durch die Stadt, zum

Beispiel entlang der Bauhausbauten und durch die freie Landschaft auf weiten, ebenerdigen

Strecken entlang von Deichen und durch Wald- und Parkanlagen (Abb. 3) Besonders beliebt

sind ebenfalls Rad-Kanu-Kombinationen auf der Elbe und durch das Gartenreich sowie

Gondelfahrten über Seen und Kanäle.

Aufgrund steigender Touristenzahlen im Vergleich zu umliegenden Regionen sind neue Un-

terkunftsmöglichkeiten in Planung.

Hochwasserereignisse

Die Region ist durch die Nähe zur Mulde und Elbe immer wieder mit Hochwasserereignissen

konfrontiert. Für BewohnerInnen der Flusslandschaften gehören Schwankungen zum jährli-

chen Zyklus der Gewässer. 1954 und 1974 gab es bereits große Hochwasserschäden.

Grund dafür ist unter anderem die Schneeschmelze der Mittelgebirge. Im August 2002 ent-

wickelte sich allerdings aufgrund extremer Niederschläge ein Jahrhunderthochwasser. Die

Pegel überstiegen alle bisher erreichen Wasserstände erheblich. Rekordstände der Elbe und

Mulde und der Zusammenstoß der beiden Flüsse in Dessau war Grund für die Zerstörung

etlicher Gebäude. Allein die privaten Schäden umfassten rund 150 Millionen Euro. Tausende

HelferInnen kämpften mit Sandsäcken und anderen Maßnahmen gegen die Flut. Im Juni

2013 wurde die Region erneut mit einem starkem Hochwasser konfrontiert. Teile der Stadt

Dessau/Roßlau wurden evakuiert, und der Katastrophenfall wurde ausgerufen, da dramati-

sche Hochwasservorhersagen der Mulde sogar einen höheren Stand als 2002 vorhergesagt

haben. Seit 2002 hat Sachsen-Anhalt 800 Millionen Euro in Hochwasserschutz investiert. Bis

2020 soll sich der Betrag auf 1 Milliarde Euro belaufen. Die Schwerpunkte der Maßnahmen

liegen dabei auf den Risikogebieten der Elbe, Mulde und Saale. Vorhandene Deiche sollen

DIN-gerecht saniert werden, zusätzlich sollen durch Deichrückverlegungen zusätzliche Über-

flutungsflächen entstehen.

Quellen:

BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2017): Deutschland altert unterschiedlich. Stand: 22.05.2017, aufgerufen am 19.06.2018, https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Service/Medien/2017/2017-alterung.html

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„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Bertelsmann Stiftung, Wegweiser Kommune (Hrsg.) (2015): Demographiebericht - Dessau-Roßlau, kreisfreie Stadt.

Kiez e.V Dessau (o.J.): Epochen und Jahre. Aufgerufen am 02.07.2018, https://gedenkkultur-dessau-rosslau.de/chronik/epochen-jahre

Stadtmarketinggesellschaft Dessau-Roßlau mbH (2017): Radfahren und Wandern. Aufgerufen am 19.06.2018, http://tourismus.dessau-rosslau.de/freizeit/radfahren-wandern.html

Stadtverwaltung Dessau-Rosslau (Hrsg.): Bevölkerungsstatistik alle Stadtbezirke. Einwohner mit Hauptwohnung am 31.05.2018. Aufgerufen am 18.06.2018, http://verwaltung.dessau-rosslau.de/stadt-buerger/wahlen-und-statistik/statistik/bevoelkerung/bevoelkerungsstatistik-alle-stadtbezirke.html

Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt (o.J.): Kreisgebietsreform am 1. Juli 2007. Aufgerufen am 19.06.2018, https://www.statistik.sachsen-anhalt.de/gk/fms/fms110111.htm

Volksstimme.de (2017): Eine Milliarde für den Flutschutz. Aufgerufen am 19.06.2018, https://www.volksstimme.de/sachsen-anhalt/hochwasservorsorge-eine-milliarde-fuer-den-flutschutz

Wikimedia Commons (o.J.): Einwohnerentwicklung von Dessau-Roßlau. Aufgerufen am 19.06.2018, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Einwohnerentwicklung_von_Dessau-Ro%C3%9Flau.svg

3 Elbauen Vockerode (21.05.2018, 15:00 bis 17:30) (Christin Busch, Nils Leithold & Julia Scholz)

Einleitung

Vockerode, ein Ortsteil der Stadt Oranienbaum-Wörlitz im Landkreis Wittenberg (Sachsen-

Anhalt), befindet sich am südlichen Ufer der Elbe. Besonders kennzeichnend ist die Zugehö-

rigkeit großer Teile des Ortes zum, von der UNESCO anerkannten, Biosphärenreservat (BR)

Mittelelbe. In einem Projektgebiet zwischen Dessau-Waldersee und Vockerode wird seit An-

fang 2010 unter der Schirmherrschaft des WWF Deutschland das Life+ Projekt Aufwertung

und langfristige Sicherstellung im Natura 2000 Gebiet „Dessau-Wörlitzer Elbauen“ (Kurztitel

„Elbauen bei Vockerode“) realisiert. Vorrangiges Ziel ist hierbei die Aufwertung, der Schutz

und Erhalt der Fluss- und Auenlandschaft sowie die Bereitstellung eines effektiven Hoch-

wasserschutzes für das Gebiet bzw. die umliegenden Gemeinden. Im Folgenden werden die

Besonderheiten des Ökosystems Aue vorgestellt, bevor das Projekt der Elbauen bei Vocker-

ode mit seinen Projektpartnern, Zielen und erfolgten Umsetzungen näher betrachtet wird.

Ökosystem Aue

Abbildung 4: Zonierung Auenvegetation (SPEKTRUM o.J.).

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3 Elbauen Vockerode (21.05.2018, 15:00 bis 17:30)

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„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Charakteristisch für Auenökosysteme sind die periodisch stattfindenden Überflutungsereig-

nisse. Diese Überschwemmungsdynamik ist Grundlage für die Entstehung eines artenrei-

chen Lebensraums für Flora und Fauna. In der allgemeinen Definition stellen Auen den „[...]

tiefste[n], ebene[n] Teil des Talbodens [...]“ dar, der von Fluvialerosion und -akkumulation

geprägt ist. Entlang der Fließgewässer kann im Überschwemmungsbereich neben den Au-

enwiesen ein Auenwald aus Wald- und Sumpfpflanzen entstehen. Zu unterscheiden gilt hier-

bei die Weichholz- und Hartholzaue als vorherrschende Auenvegetation mit ihren Haupt- und

Nebenbaumarten. Im flussnahen Bereich des Auwaldes ist die Weichholzaue mit schnell-

wüchsigen Arten aus weichem Holz – wie etwa Weiden oder Grauerlen – anzutreffen. Diese

Arten halten auch einer starken mechanischen Beanspruchung stand. Im höher gelegenen

flussferneren Bereich, welcher nur selten überflutet wird, wachsen Baumarten mit härteren

Holz – insbesondere Eschen, Ulmen und Stieleichen.

Der besonders nährstoffreiche Bo-

den mit seinen feinkörnigen Au-

ensedimenten (Auenlehm) und das

Vorhandensein von Wasser machen

Auen schon seit Generationen at-

traktiv für eine intensive anthropo-

gene Nutzung. Durch beispielsweise

Entwaldungen, Aufforstungen, Roh-

stoffgewinnungsmaßnahmen (Kies),

Umwandlungen in landwirtschaftli-

che Flächen, Weidewirtschaft auf

den Auenwiesen oder Entwässerun-

gen sind Auenökosysteme und die

in ihnen beheimateten Arten stark

gefährdet. Überdies verringern sich durch die Umwandlung oder Zerstörung der Auenland-

schaft die Retentionsflächen für den Hochwasserabfluss. Es gilt somit einen effektiven

Schutz des wertvollen Ökosystems Aue zu gewährleisten, um die Tier- und Pflanzenwelt zu

erhalten aber auch um die Schäden und Ausmaße von Hochwasserereignissen in flussna-

hen Gemeinden zu minimieren.

Elbauen Vockerode

Das rund 800 Hektar große WWF-Projektgebiet „Elbauen Vockerode“ zwischen Dessau und

Vockerode in Sachsen-Anhalt schließt den Sieglitzer Park ein und ist damit ein wesentlicher

Bestandteil des Weltkulturerbes „Gartenreich Dessau-Wörlitz“. Der östliche Teil des Gebietes

liegt im Polder Vockerode und ist so vor Hochwasser geschützt. Zwei denkmalgeschützte

Deiche im und um das Projektgebiet schützen die Einwohner der angrenzenden Ortschaften

vor Hochwasser. So verläuft der Dianenwall bis zur Hochlage des Sieglitzer Berges, von wo

aus sich der Gatzer Bergdeich (Vasenwall) nach Süden erstreckt. Dieser ist an die A9 ange-

bunden, welche schließlich die Funktion als Schutzdeich übernimmt.

Abbildung 5: Grünlandflächen im Projektgebiet (Foto: Leithold 2018).

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3 Elbauen Vockerode (21.05.2018, 15:00 bis 17:30)

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„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Zwei Drittel des Projektgebietes befinden sich im Überflutungsraum der Elbe, wodurch der

Lebensraum hier noch stark durch den Wechsel der Elbe-Gewässerhöhen geprägt ist und

somit ideale Bedingungen für einige Tier- und Pflanzenarten der FFH- und Vogelschutzricht-

linien schafft. So finden sich noch Lebensraumtypen, wie 91E0*, also dem fließgewässerbe-

gleitenden Erlen- und Eschenauenwald, der einst in vielen Teilen Deutschlands der natürli-

che Waldtyp entlang der Fließgewässer war und besondere Bedeutung im natürlichen

Hochwasserschutz spielte. Der Lebensraumtyp 91F0, also der Eichen-Eschen-Ulmen-

Hartholzauenwald gehört ebenfalls zu den schützenswerten Lebensraumtypen und zählt zu

den artenreichsten Wäldern Europas. Die im Projektgebiet liegenden Auenlebensraumtypen

feuchte (Mädesüß-) Hochstaudenfluren (LRT 6430), Brenndolden-Auenwiesen (LRT 6440)

und artenreiche, extensiv bewirtschaftete Mähwiesen (LRT 6510) sind durch intensive Be-

wirtschaftungen nur noch selten anzutreffen und stellen deswegen einen wichtigen Rückzug-

sort für Pflanzen, Insekten und Schmetterlinge dar.

Stakeholder

Der WWF kaufte Flächen im Projektgebiet und schloss Verträge mit Landwirten ab, um Be-

wirtschaftungsformen naturverträglich anzupassen. Um die Umweltmaßnahmen im Gebiet zu

finanzieren, konnte der WWF Unterstützung aus dem EU-Finanzierungselement LIFE

(L´Instrument Financier pour I´Environnement) gewinnen, dessen Hauptaufgabe die Umset-

zung, die Aktualisierung und die Entwicklung der Umweltpolitik der EU ist und das Natur-

schutzprojekte kofinanziert. Neben LIFE unterstützen auch der Landesbetrieb für Hochwas-

serschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt und die Biosphärenreservatsverwaltung

Mittelelbe das Projekt. Zudem liegen viele Flächen im Besitz der Kulturstiftung Dessau-

Wörlitz, die wie die Gemeinde Vockerode, die Landgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH, die

Agrargenossenschaft Wörlitz eG, der Landkreis Wittenberg und die Stadt Dessau-Roßlau,

ebenfalls zu den wichtigsten Projektpartnern zählen.

Ziele und Maßnahmen

Ziele

Bis zum Jahr 2018 soll der Erhaltungszustand der einzigartigen Flusslandschaft aufgewertet

und langfristig gesichert werden. Dabei ist eine Verbindung der ökologisch-

naturschutzfachlichen Gesichtspunkte und einer nachhaltigen Flussgebietsentwicklung und

Auendynamik anzustreben. Zudem sollen durch die Maßnahmen mehr Hochwasserrückhal-

teflächen geschaffen und ehemalige Überflutungsflächen zurückgewonnen werden.

Maßnahmen

Es wurden sechs Maßnahmen durchgeführt, deren Federführung der WWF übernommen

hat. Des Weiteren sind zwei Maßnahmen (Nr. 7 und 8) durch den Projektpartner Landesbe-

trieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt (LHW) durchgeführt wor-

den.

1. Umwandlung von Ackerland

Ca. 10 ha Ackerflächen entlang der Mulde wurden vom WWF erworben und ein Großteil

dessen ist ab 2013 sukzessiv in Auengrünland umgewandelt worden. Dabei werden

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3 Elbauen Vockerode (21.05.2018, 15:00 bis 17:30)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 8

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

standorttypische Auenwiesen mit FFH-Lebensraumtypen (LRT) 6440 „Brenndolden-

Auenwiesen“, 6430 „Feuchte Hochstaudenfluren“ und 6510 „Artenreiche Mähwiesen des

Flachlandes“ entwickelt.

2. Wiederbewaldung und Waldrandgestaltung

10 ha der o.g. Ackerfläche werden wiederbewaldet und sollen sich zu „Hartholzauenwäl-

dern“ und „Erlen-Eschen- und Weichholzauenwäldern“ entwickeln. Zuvor wurde auf ei-

nem Teil der Fläche der stark verdichtete Boden durch einen Vollumbruch aufgelockert.

Zudem wird ein lichter, artenreicher, stufiger Waldrand mit standortheimischen, seltenen

Baum- und Strauch-Arten angelegt Dies fördert besonders licht- und wärmebedürftige

Schmetterlings- und Käferarten, wie z.B. den Eremiten. Das Saatgut für die Intialpflan-

zungen wird aus den Wäldern der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz gewonnen. Das Pflan-

zenmaterial ist damit heimisch und autochthon.

3. Waldumbaumaßnahmen von nicht standortheimischen Waldbeständen

Der bestehende Wald erfährt eine Umwandlung. Nicht heimische Baumarten wie Hyb-

ridpappel und amerikanische Rot-Esche (Fraxinus pennsylvanica) werden entnommen,

wodurch eine Auflichtung resultiert. Heimische Arten werden dafür im Unterbauverfahren

gepflanzt. Am Ende wird eine weitere Auflichtung über Entnahme oder Totholzanreiche-

rung umgesetzt.

4. Anlage von Feuchtbiotopen

Im Bereich der Ackerflächen wurde ein größeres Feuchtbiotop mit abgeflachten Bö-

schungen und einer Insel angelegt. Das Gewässer ist besonders für Amphibienarten, wie

die Rotbauchunke (Bombina bombina) und potentieller Brutplatz für Zugvögel, wie der

Kranich (Grus grus), geeignet.

5. Tieferlegung eines verlandeten Altarms

Ein verlandeter Altarm der Elbe wurde tiefer gelegt wodurch er nun dauerhaft Wasser

führen soll. Dadurch profitieren Fisch- und Seeadler, Rot- und Schwarzmilan sowie ver-

schiedene Fischarten.

6. Auenlehrpfad

2016 wurde ein Auenlehrpfad als 4,2 km langer Rundweg mit drei Informationstafeln

durch die Elbauen angelegt. Diese kann mit der neu entwickelten App „Biosphärenreser-

vat Elbe“ mit 14 Stationen und umfangreichen Materialien begleitet werden.

7. Schlitzung des „Vasenwalls“

Mit einer Schlitzung des „Vasenvalls“ („Gatzer Bergdeich“), einer Abtragung des Deiches

auf Geländeniveau, wurde ein zusätzlicher natürlicher Hochwasserrückhalteraum von

212 ha gewonnen.

8. Ertüchtigung des bestehenden Autobahndammes A9

Der bestehende Autobahndamm der A9 wurde 2015 ertüchtigt, wobei der Böschungsfuß

verstärkt und die Durchlässe für Wasser, Amphibien und Wild gesichert wurden. Somit

übernimmt die Trasse die Funktion des Hochwasserschutzes für Vockerode.

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4 Fahrradexkursion entlang Elbe und Mulde (22.05.2018, 8:30 bis 15:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 9

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Quellen:

Behling, A. (2017): Elbe: Einsatz für Wiesen und Auenwälder. Seit 25 Jahren laufen die Projekte zur Renaturierung der Flusslandschaft. Volks-stimme,13. Oktober. 2017, https://www.wwf.de/fileadmin/user_upload/PDF/Zerbster_Volksstimme_Elbe-_Einsatz_fuer_Wiesen_und_Auenwaelder.pdf

Leser, H (2015): Dierke Wörterbuch Geographie. (15., völlig überarbeitete Auflage). Braunschweig: Westermann, 1127 S.

LIFE (o.J.): The Life Programme. Aufgerufen am 01.06.2018, http://ec.europa.eu/environment/life/about/index.htm

Spektrum (o.J.): Aue. Aufgerufen am 30.05.2018, www.spektrum.de/lexikon/geographie/aue/560

Stadtverwaltung Oranienbaum-Wörlitz (o.J.): Vockerode. Aufgerufen am 30.05.2018, www.oranienbaum-woerlitz.de/Aktuelles-Ortsteile/Ortsteile/Vockerode?&La=1

WWF Deutschland (o.J.): Was Überschwemmungen verschlimmert. Aufgerufen am 30.05.2018, www.wwf.de/themen-projekte/fluesse-seen/hochwasser/hochwasser/

WWF Deutschland (o.J. a): Lebensraum Aue. Aufgerufen am 01.06.2018, https://www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/elbe/elbauen-vockerode/lebensraum-aue-und-hochwasserschutz/

WWF (o.J. b): Ein Naturparadies im Herzen Deutschlands. Aufgerufen am 29.05.2018, https://www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/elbe/elbauen-vockerode/

4 Fahrradexkursion entlang Elbe und Mulde (22.05.2018, 8:30 bis

15:00)

(Antonia Kachel, Arabella Knegendorf, Lena Lambers, Mareike Plinke)

Heiko Schrenner, Bearbeiter des Projektes „Wilde Mulde“ beim WWF, führte die Gruppe an

diesem Tag durch die Elbe- und Muldeaue bei Dessau.

Station 1: Elbufer

Die erste Station der Fahrrad-

tour ist (ungefähr) der Mittel-

punkt der 600 km langen Elbe.

Das Exkursionsgebiet befindet

sich im Bereich der oberen Elbe.

Die Elbe gilt als ein Juwel der

deutschen Flüsse, obwohl diese

teilweise stark verbaut ist und

sich insbesondere seit dem

Deutsch-Französischen Krieg

stark verändert hat. In der Elbe

sind ca. 6000 Buhnen angelegt.

Der Fluss ist stark von der

Schifffahrt beeinflusst und dem-

zufolge muss die Strömung

hochgehalten werden. Ein Prob-

lem stellen die jährlichen Verluste durch Sohlerosion dar (ca. 2cm pro Jahr), was gleichzeitig

mit einer Erniedrigung des Wasserstandes einhergeht.

Station 2: Wallwitzburg

Dieser Aussichtsturm wurde nach dem Krieg zerstört und infolge eines studentischen Projek-

tes mit Spenden restauriert. Heute gehört das Gelände um die Burg zum Zentrum des BR

Mittelelbe und liegt im Beckerbruch Park des Weltkulturerbes „Dessau- Wörlitzer Garten-

reich“. Auch heute ist noch eine Vielzahl an Elementen, die der Entstehungszeit des Garten-

Abbildung 6: Elbeufer unweit des Leopoldhafens nördlich von Dessau-Ziebigk (Foto: Protokollgruppe).

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4 Fahrradexkursion entlang Elbe und Mulde (22.05.2018, 8:30 bis 15:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 10

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

reiches entspringen, vorzufinden. Der Park wurde unter anderem als eine „natürliche“ Land-

schaft gestaltet, in der heute zum Beispiel der Biber sowie der Seeadler wieder heimisch

sind. Um dies zu ermöglichen werden unter anderem die Buhnen teils absichtlich durchbro-

chen.

Station 3: Jagdbrücke

Neben Herrn Schrenner gab an der Jagdbrücke auch Frank Beisitzer vom Landesamt für

Hochwasserschutz (LHW) Auskunft zur Mulde. Zum einem ist diese über weite Strecken un-

befestigt. Bäume fallen natürlich in den Flusslauf oder der Biber bringt diese zu Fall. Das Ziel

des WWF ist es, der Bevölkerung zu vermitteln, dass dieses Totholz ein natürlicher und

wichtiger Bestandteil einer Wildflusslandschaft ist und heute zu einem großen Teil fehlt.

Durch das Projekt “Wilde Mulde” sollen unter anderem an zwei Standorten des 24 km langen

Projektgebietes große Totholzbäume, auch Raubäume genannt, eingebracht werden. Dies

soll eine Erhöhung der Sohlen-

diversität zur Konsequenz haben,

jedoch hat ein Teil der Bevölke-

rung dabei Bedenken. Sie be-

fürchten, dass es durch das Tot-

holz zu höheren Hochwasser-

schäden kommen kann, wobei

Strömungsmodellierungen diese

Sorgen nicht bestätigen. An die-

sem Standort wurden bereits zwei

Raubäume eingebaut. Eine weite-

re wichtige Aufgabe ist es, das

Gewässer durchlässig für wan-

dernde Tiere, zum Beispiel Fi-

sche, zu machen. Im weiteren

Sinne sind die gute Qualität der

Gewässerökologie sowie die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie WRRL Hauptziele in

diesem Gebiet. Eine weitere wichtige Aufgabe ist aber auch der Hochwasserschutz mittels

hoher Investitionen. Darunter fallen der Ausbau der Deiche, aber auch Deichrückverlegun-

gen, das Aufforsten von Hartholzauen, etc. Insgesamt soll den Flüssen so zusätzlich Raum

gegeben werden. Erwähnenswert ist auch, dass Ausflüsse einer Chemiefabrik in Bitterfeld

die Aue vor den 1990er Jahren mit dem Stoff Beta-HCH belasteten. Dadurch sind auch heu-

te zum Beispiel die Wildschweine an der Aue meist nicht zum Verzehr geeignet und auch die

Fische zeigen, v.a. nach Hochwasserereignissen, erhöhte Konzentrationen an Beta- HCH

auf.

Station 4: Muldewehr/Fischtreppe

Die Verschmutzung von Mulde und Aue während des 20. Jahrhunderts wurde auch an die-

sem Standort thematisiert. Nach dem Niedergang der Chemieindustrie in Bitterfeld wurde die

Wasserqualität rasch besser. Mit der Zeit erholten sich auch die Fischbestände. Der Lachs

fehlt in der Mulde aber noch immer, da das Wehr in Dessau lange Zeit ein Wanderungshin-

Abbildung 7: Die überdachte Jagdbrücke bei Dessau, über die u.a. der Elberadweg führt (Foto: Protokollgruppe).

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4 Fahrradexkursion entlang Elbe und Mulde (22.05.2018, 8:30 bis 15:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 11

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

dernis zu den Laichgewässern darstellte. Erst im Zuge der 2000 beschlossenen WRRL wur-

de die Mulde für Fische durchgängig gemacht, indem eine Fischtreppe am Wehr vorbei ge-

baut wurde, womit ein Höhenunterschied von zwei Metern überwunden werden kann. Ziel ist

es, Aalen, Lachsen und den 2008 ausgesetzten Stören den Weg zu den Laichplätzen zu

erleichtern. Der Bau wurde 2017 fertigstellt.

Station 5: Törtener Muldeaue

Am anderen Ende des Tier-

gartens befindet sich eine

Radfahrer-Brücke, welche

parallel in einiger Entfernung

zur Autobahn 9 die Mulde

überquert. Auch hier sollen

Raubäume eingebaut werden.

Gegen Ende der Planungen

äußerte der dort ansässige

Ruderverein jedoch Sorgen

bezüglich der zukünftigen

Befahrung ihrer Ruderstrecke.

Daraufhin wurden sie von

Herrn Schrenner beim Rudern

begleitet und es konnte die Lage der Raubäume gemeinsam abgestimmt werden. Der

Standort weist besondere Arten, wie beispielsweise den Flutenden Hahnenfuß (Abb. 8) und

einen Schwarzpappel-Bestand, auf. 2013 sammelte sich in der Aue Kies an, der sich hier

aufgrund des Druckes durch die Verengung der A9 anhäufte. Der Einbau der Raubäume ist,

abhängig von geeigneten Wasserständen, für Anfang September 2018 geplant.

Standort 6: Referenzstelle Naturufer

Bis vor einigen Jahren verlief die Mulde ca. 40 m weiter westlich. Durch Ufererosion und Ab-

brüche fließt die Mulde nun bis an den vitalen Hartholzauwald. Die Bäume bilden hier einen

natürlichen Uferschutz und schützen die Hänge teilweise vor Erosion. Die umgefallenen und

abgestorbenen Bäume bilden natürliches Totholz (Abb. 9). Flora und Fauna sind hier sehr

vielfältig. Untersuchungen zufolge siedeln auf der Kiesbank am Prallufer sehr viele Pionierar-

ten. Das letzte Hochwasser sorgte für eine Erosion am Steilhang. Der darunterliegende Kies

wurde unterspült, die Grasdecke brach ein. Aufgrund der Erosion konnte sich in diesem Be-

reich eine große Uferschwalbenkolonie in der Steilwand ansiedeln. Bei diesem Standort

handelt es sich um den Referenzstandort „Natur“ der begleitenden Forschung. Hier werden,

ebenso wie an den Maßnahmenstandorten, umfangreiche Erhebungen zur Schad- und

Nährstoffkonzentrationen, zur Sedimentation, zur terrestrischen und aquatischen Vegetation,

sowie zu verschiedenen Artenbeständen (z.B. Makrozoobenthos, Libellen, Laufkäfer) durch-

geführt.

Abbildung 8: Mulde bei Dessau-Törten mit zahlreichen Exemplaren des flutenden Hahnenfußes (Ranunculus fluitans) (Foto: O. Badelt).

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4 Fahrradexkursion entlang Elbe und Mulde (22.05.2018, 8:30 bis 15:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 12

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Standort 7: Jonitzer Mühle

Die letzte Station war die Jonitzer Mühle, wo durch Frank Unger vom Umweltamt Dessau

(untere Wasser- und Naturschutzbehörde) mehr über den Hochwasserschutz erzählt wurde.

Die letzten großen Hochwasser in den Jahren 2002 und 2013 sorgen für Angst in der Bevöl-

kerung. Neben den Raubäumen ist es vor allem die geplante Wiederherstellung eines Natu-

rufers bei Dessau-Sollnitz, welches insbesondere Anwohner in den Ortsteilen entlang der

Mulde skeptisch sehen. Daher wurden und werden auch zukünftig im Rahmen der Planun-

gen seitens des WWF zahlreiche öffentliche Informationsveranstaltungen für alle interessier-

ten Bürger durchgeführt, darunter sog. Scoping-Termine, die eigentlich in Planfeststellungs-

verfahren vorgesehen sind und damit freiwillig waren, Exkursionen an Maßnahmenstandorte,

populärwissenschaftliche Vorträge, Projektfilme, Projektarbeiten mit Schulklassen und die

jährlich stattfindenden Muldeflusstage. Für die Maßnahmen, die bereits genehmigt sind

(Raubäume) oder bereits im Genehmigungsverfahren sind (Naturufer und Seitenarm) sind

naturschutz- und wasserrechtliche Genehmigungen erforderlich. Die untere Wasser- und

Naturschutzbehörde des Umweltamtes in Dessau-Roßlau ist die Genehmigungsbehörde.

Dies gilt mittlerweile auch für die Wiederherstellung des Naturufers, die nun als Sonderun-

terhaltungsmaßnahme eingestuft ist. Bestandteil der Planungsunterlagen sind bzw. waren

neben der Ingenieurplanung eine umfangreiche Naturschutzfachplanung (mit Verträglich-

keitsprüfung zu Natura 2000-Gebieten, Landschaftspflegerischeren Fachbeitrag und Arten-

schutz-Fachbeitrag), Strömungsmodellierungen zum Nachweis der Hochwasserneutralität

der Maßnahmen und der Fachbeitrag zur WRRL. Außerdem trafen der WWF und das LHW

Vereinbarungen zur dauerhaften Beobachtung der Raubäume und der Verlagerung des

Flusslaufes infolge der Uferwiederherstellung bei Sollnitz, damit auch langfristig keine Gefah-

ren für die Anwohner auftreten.

Abbildung 9: Referenz-Standort "Natur" mit naturnahem Ufer und natürlich in den Fluss gelangten Totholzbäu-men zwischen Sollnitz und Möst (Foto: M. Cebrián).

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5 Dessau-Waldersee (22.05.2018, 15:00 bis 17:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 13

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Den Strömungsmodellierungen zufolge beeinflussen die Maßnahmen den Wasserstand lokal

nur um ca. 7 cm, während in den Deichbereichen die geforderte Hochwasserneutralität

nachgewiesen wurde. Der umliegende Forst ist hat keinen hohen naturschutzfachlichen

Wert. Dessen Bäume werden mit der Zeit in die Mulde stürzen. Eine genaue Abschätzung

der Laufentwicklung ist jedoch nicht möglich, da diese stark vom Abfluss der Mulde abhän-

gen wird. Problematisch könnte die Schadstoffbelastung der Uferbereiche werden. Eine sich

ausweitende Mulde könnte mit der verbundenen Ufererosion erneut Schadstoffe mobilisie-

ren. Untersuchungen zufolge weisen die Prallhänge jedoch keine starke Schadstoffbelastung

auf.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir durch die Exkursion einen tiefgreifenden Ein-

blick in das Renaturierungsprojekt „Wilde Mulde“ bekommen haben, indem wir aus unter-

schiedlichen Blickwinkeln auf das Projekt geschaut haben. Diesbezüglich durften wir feststel-

len, dass naturschutzfachliche Projekte nicht nur auf positive Resonanz stoßen. Ein wichtiger

Faktor ist somit das Beteiligungsverfahren, um das Verständnis und die Akzeptanz für das

Projekt zu fördern. Zusätzlich ist uns bewusst geworden, wie viele Akteure an solch einem

Projekt beteiligt sind: Ein Unternehmenszusammenschluss aus Forschungs- und Praxispart-

nern, die ein gemeinsames Verbundprojekt durchführen. Diese müssen aufeinander zuge-

hen und miteinander kommunizieren, um schlussendlich ein Ziel zu erreichen. Das hat uns

gezeigt, dass wir bereits im Studium unsere Teamfähigkeit fördern sollten, um mit einer gu-

ten Grundlage in das Arbeitsleben einzusteigen. Ein weiterer Punkt, den wir für unser weite-

res Studium mitnehmen, ist, dass es Zeit braucht, um naturschutzfachliche Projekte umzu-

setzen, auszuführen und erste Erfolge zu erzielen.

Quellen:

Beisitzer, F. (Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft, 2018): Mündlicher Vortrag zur Fahrradexkursion am 22.05.2018 an der

Mulde (Dessau-Roßlau).

Gapinski, C. (2018): Mündlicher Vortrag zur Fahrradexkursion am 22.05.2018 an der Mulde (Dessau-Roßlau).

Schrenner, H. (WWF Deutschland, 2018): Mündlicher Vortrag zur Fahrradexkursion am 22.05.2018 an der Mulde (Dessau-Roßlau).

Unger, F. (Umweltamt Dessau-Roßlau, 2018): Mündlicher Vortrag zur Fahrradexkursion am 22.05.2018 an der Mulde (Dessau-Roßlau).

5 Dessau-Waldersee (22.05.2018, 15:00 bis 17:00)

(Moritz Krueger, Ksenia Schumacher, Kim Wetzelt)

Im Anschluss an die Fahrradexkursion lud der langjährige Ortsbürgermeister von Dessau-

Waldersee, Lothar Ehm, die Gruppe ins Vereinshaus vom SG Empor Waldersee ein. In dem

ebenfalls von der Flut betroffenen Gebäude hielt er einen Vortrag über die Geschichte des

Hochwasserschutzes während seiner bis in 1990er Jahre zurückreichende, weiterhin andau-

ernde Amtszeit. Außerdem schilderte er seine Sicht zum Projekt „Wilde Mulde“.

Um die Sorgen des Bürgermeisters bezüglich der Renaturierung der Mulde besser einordnen

zu können ist es wichtig, die Geschehnisse rund um den 18. August 2002 zu erläutern. Sie-

ben Tage zuvor, am 11. August 2002, veröffentlichte der Leipziger Wetterdienst eine Unwet-

terwarnung für große Teile Sachen-Anhalts raus. Innerhalb der nächsten 12 Stunden sollten

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5 Dessau-Waldersee (22.05.2018, 15:00 bis 17:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 14

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

allein in Dessau über 40 Liter/m2 fallen. Erste Keller liefen in der Region über und die Frei-

willige Feuerwehr musste ausrücken, um diese abzupumpen. Durch die erhöhten Regen-

massen in der gesamten Region stiegen auch die Wasserstände der Elbe und der Mulde an.

Abbildung 10: Bürgermeister Lothar Ehm referiert über die Hochwasserereignisse 2002 und 2013 in Dessau-Roßlau. Der rote Kreis markiert eine kleine Gedenktafel, welche die Wasserstands-Linie des Hochwassers 2002 im Vereinshaus verdeutlicht (Foto: K. Schumacher).

Da sich die Wetterverhältnisse immer noch nicht gebessert haben und die Pegelstände der

Elbe und Mulde bedrohlich anstiegen, sah sich der Bürgermeister Jürgen Kessing dazu ge-

zwungen den Katastrophenalarm auszurufen und im gleichen Zuge die Stadtteile Waldersee,

Mildensee und Wasserstadt zu evakuieren.

In der Nacht zum 15. August errich-

tete die Mulde die Rekordmarke von

6,25 Meter, die Elbe nur wenige Ta-

ge später den historischen Höchst-

stand von 7,16 Meter. Diesen enor-

men Wassermassen hielt der maro-

de Schwedenwall in Waldersee am

18. August um 11.00 Uhr nicht mehr

stand und brach auf einer Länge von

14 Meter. Trotz zahlreicher HelferIn-

nen, die unermüdlich den Deich mit

Sandsäcken stabilisierten, konnte die Abbildung 11: Hochwasser an der Elbe bei Roßlau, Juni 2013 (Quelle: Künzelmann / UFZ).

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5 Dessau-Waldersee (22.05.2018, 15:00 bis 17:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 15

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Katastrophe nicht verhindert werden. Waldersee wurde vollständig überflutet und stand bis

zu 2 Meter unter Wasser. Auch einzelne im Ort aufgebaute Sandsackwälle wurden unter den

Flutmassen begraben und weggespült. Dies führte zu enormen Schäden an den Häusern

und in der gesamten Ortschaft. Mehr als 150 Wildtiere fielen den Wassermassen zum Opfer.

Defekte Heizölanlagen wurden überspült und verteilten 250 000 Liter Heizöl in der Ortschaft.

Das vergangene Hochwasserereignis hat zu vielen Schäden geführt, sowohl materiell, als

auch emotional. Dadurch stehen die Anwohner dem Fluss und dem Hochwasser beängstigt

gegenüber. Viele befürchten erneute Überflutungen mit ähnlichen Folgen. Daher hat ein

hochwassersicherer Deichbau höchste Priorität und ungewisse Bauweisen werden nicht ak-

zeptiert.

Aus diesem Grund hat sich in Walder-

see eine grundsätzlich negative Hal-

tung gegenüber dem Projekt „Wilde

Mulde“ gebildet. Die Befürchtungen,

dass die Renaturierungen sich nach-

teilig auf den Hochwasserschutz aus-

wirken, sind zu groß. Daher wären

aufklärende Informationen zu den Ein-

griffen und den daraus resultierenden

positiven Effekten für die Retentions-

fähigkeit von Anfang an notwendig

gewesen. Stattdessen haben die An-

wohner von dem Projekt über die Me-

dien erfahren, welche die Inhalte und

Maßnahmen dieses Projektes nicht ausreichend dargestellt haben. So kam es zu Fehlinfor-

mationen und zu dem Gefühl übergangen worden zu sein. Zudem haben die Medien hervor-

gehoben, dass es sich bei dem Projekt „Wilde Mulde“ um ein Forschungsprojekt handelt.

Dies führte zu dem Bild eines unerforschten Eingriffs mit ungewissen Folgen für den Hoch-

wasserschutz. So steigerte sich der Unmut gegenüber dem Projekt und förderte die ableh-

nende Haltung seitens der Anwohner.

Bis heute sind noch nicht alle Akteure von der Sinnhaftigkeit der Renaturierungsmaßnahmen

überzeugt. Besonders in Waldersee lehnen einige Personen das Projekt weiter strikt ab.

Trotz mehrfacher Beteiligungsverfahren und Infovorträgen zu den Maßnahmen des Projekts

entsteht wenig Verständnis seitens der Anwohner. Auch nachdem die ersten Raubäume im

Fluss verankert wurden, bleibt noch immer die Meinung bestehen, dass diese zu Schäden

am Deich führen könnten. Sogar zu Demonstrationen und Unterschriftensammlungen gegen

das Projekt kam es in der Anfangsphase.

Der Vortrag des Bürgermeisters hat verdeutlicht wie wichtig die Partizipation in Planungsver-

fahren ist. Besonders wenn bereits eine Vorbelastung besteht, wie das Hochwasserereignis

in Dessau-Waldersee, ist eine noch intensivere Aufklärungsarbeit notwendig. Gleichzeitig

zeigt das Projekt „Wilde Mulde“ auch, dass oft trotz intensiver Öffentlichkeitsarbeit einige

Anwohner nicht zu überzeugen sind.

Abbildung 12: Eingebauter Raubaum in der Mulde an der Jagd-brücke (Foto: K. Schumacher)

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6 Umweltbundesamt (23.05.2018, 9:00 bis 12:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 16

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Quellen:

Ehm, Lothar (Ortsbürgermeister Dessau-Waldersee, 2018): Mündlicher Vortrag zu den Hochwasserereignissen in Dessau 2002 und 2013 und

persönliche Einschätzung zum Projekt „Wilde Mulde“ am 22.05.2018 an der Mulde (Dessau-Roßlau).

Helbig, B (Hrsg., 2003): Die Hochwasserkatastrophe im August 2002 in Dessau. 2. Auflage, Dessau: Rupa-Druck, 151 S.

6 Umweltbundesamt (23.05.2018, 9:00 bis 12:00)

(Anna-Lena Vollheyde, Jana Brenner, Jan Wildenhues)

EU-Wasserrahmenrichtlinie

In Deutschland gibt es circa 25 Fließgewässer- und 20 Seentypen, die sich z.B. nach Größe,

Wasserchemie, Klima etc. unterscheiden. Die sieben größten Belastungsfaktoren der deut-

schen Gewässer sind die hohe Bevölkerungsdichte, Industrie und intensive Landwirtschaft

sowie die damit verbundenen stofflichen Belastungen, die Nutzung der Gewässer für die

Wasserwege der Schifffahrt, Wasserkraft sowie die Verbauung der Ufer und die Freizeit- und

Erholungsnutzung von Flüssen. Jens Arle (Biologe, seit 10 Jahren im UBA in der Fachgrup-

pe Binnengewässer, verantwortlich für die biologischen Bewertungsverfahren unter der

WRRL) hielt anknüpfend an diese Problematik für unsere Gruppe einen Input-Vortrag zum

Thema Gewässerschutz in Deutschland und WRRL.

Im Jahr 2000 wurde die EU-WRRL als „Rückgrat“ des europäischen Gewässerschutzes ver-

abschiedet und drei Jahre später, nach einem langwierigen und kostenintensiven Prozess, in

Deutschland in nationales Recht umgesetzt. Das formulierte Ziel bezogen auf Oberflächen-

gewässer der Richtlinie ist es, dass bis 2027 alle „natürlichen Wasserkörper“ in einem laut

EU-Norm „guten Zustand“ sind und alle „erheblich veränderten“ und „künstlichen Wasserkör-

per“ ein „gutes ökologisches Potenzial“ aufweisen, sowie keine weiteren Verschlechterungen

des Gewässerzustandes. Besonderheit der EU-WRRL ist, dass das Gewässermanagement

erstmals „flussgebietsbezogen“ und europaweit einheitlich erfolgt. Außerdem beinhaltet sie

Instrumente zur Öffentlichkeitsbeteiligung (z.B. „Gewässertyp des Jahres“).

Die Umsetzung der WRRL erfolgt dabei in drei Bewirtschaftungszyklen à 6 Jahre. Hierbei

werden Daten zur Biologie, Chemie und Hydrologie erhoben (in jedem Wasserkörper liegt

mindestens eine Messstelle) und basierend darauf ein Maßnahmenprogramm zur Zustands-

verbesserung durch konkrete Vorhaben in den Wasserkörpern entwickelt und umgesetzt,

welches durch ein regelmäßiges Monitoring begleitet wird.

Das Bewertungskonzept unter der WRRL basiert auf einem Indikator-gestützten Bewer-

tungsverfahren. Dabei werden Fließgewässer in erster Linie anhand von biologischen Quali-

tätskomponenten bewertet, wofür die Organismengruppen Phytoplankton, Makrophyten und

Phytobenthos, Makrozoobenthos und Fische als Indikatoren dienen. Ergänzt wird die Bewer-

tung der Fließgewässer durch unterstützende Qualitätskomponenten, die sich in hydromor-

phologische (Wasserhaushalt, Durchgängigkeit und Morphologie) und physikalisch-

chemische Komponenten (flussgebietsspezifische Schadstoffe, Temperatur, Sauerstoffgeh-

alt, pH-Wert uvm.) gliedern. Nähere Informationen zu den Komponenten und Parametern

sind der Internetseite http://gewaesser-bewertung.de zu entnehmen. Die Bewertung wird

nach dem „one out all out“-Prinzip zu einer Gesamtbewertung aggregiert. Hierbei entscheidet

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6 Umweltbundesamt (23.05.2018, 9:00 bis 12:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 17

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

das schlechteste Element über das Endergebnis der Bewertung, dass in einer fünfstufigen

ordinalen Skala angegeben wird (Tab. 2).

Abbildung 13: Wasserkörperdatenblatt der Mulde (Quelle: BfG 2015).

Auf dem Geoportal der Bundesanstalt für Gewässerkunde sind die gemeldeten WRRL-

Bewertungen aus dem 2. Bewirtschaftungszyklus – wie in Abbildung 13 dargestellt – einseh-

bar. Im Jahr 2027 läuft die EU-WRRL aus, allerdings wird bereits eine Fortschreibung ge-

plant.

Die Mulde ist in ihrem ökologischen Zustand als unbefriedigend eingestuft, was nach dem

Bewertungsprinzip der EU-WRRL, auf die Qualitätskomponente Makrophyten/Phytobenthos

zurück zu führen ist. Die biologischen Qualitätskomponenten Makrozoobenthos und Phyto-

plankton sind hingegen als gut, die Qualitätskomponente Fische als mäßig eingestuft. Der

chemische Zustand ist in der Gesamtbewertung als „nicht gut“ eingestuft. Gründe hierfür sind

insbesondere Überschreitungen der Umweltqualitätsnormen für die nachfolgend aufgeführ-

ten Stoffe: Cadmium und Cadmiumverbindungen, Fluoranthen, Hexachlorcyclohexan,

Quecksilber und Quecksilberverbindungen, Tributylzinnverbindungen (Tributylzinn-Kation).

Auch die Schadstoffproblematik, die in den Ablagerungen der Auen auftritt und im Rahmen

des Projektes „Wilde Mulde“ diskutiert wird, ist dem UBA bekannt. Allerdings sind dem UBA

keine gängigen Verfahren bekannt, mit denen sich die Beseitigung der Schadstoffe realisie-

ren lässt.

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6 Umweltbundesamt (23.05.2018, 9:00 bis 12:00)

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„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Tabelle 2: Bewertungsskala unter der EU-WRRL (Quelle: UBA & LAWA 2014).

Bewertung des Projektes „Wilde Mulde“

Das Projekt „Wilde Mulde“ wird seitens des UBAs durchaus begrüßt und mit Interesse ver-

folgt. Im Rahmen der Untersuchungen für die Berichterstattung nach EU-WRRL werden in

der Regel größere Koordinierungs- und Planungsräume bearbeitet und betrachtet. Aufgrund

der zahlreichen wissenschaftlich begleiteten Untersuchungen im Rahmen des Projektes be-

steht die Möglichkeit, kleinräumige Zusammenhänge ganzheitlich noch besser abzubilden.

Die Gefahr bzw. die Bedenken in Teilen der lokalen Bevölkerung, dass durch die Umsetzung

verschiedener Projektmaßnahmen die Hochwassergefahr steigt bzw. die Schutzmaßnahmen

aufgeweicht werden, werden vonseiten des UBAs nicht geteilt. So wird beispielsweise die

Einbringung von einzelnen Raubäumen zu wissenschaftlichen Zwecken als nicht erheblich,

im Vergleich zu den natürlicherweise vorkommenden Totholzbeständen innerhalb des Ge-

wässerquerschnittes, angesehen.

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6 Umweltbundesamt (23.05.2018, 9:00 bis 12:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 19

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Bewertung des Ansatzes der Ökosystemleistungen

Der Stand der Forschung und aktuelle Projektvorhaben zum Thema Ökosystemleistungen

sind dem UBA durchaus bekannt und werde mit Interesse verfolgt. Aus Sicht des UBAs ist

der Ansatz ein gutes und geeignetes Instrument, um Sachverhalte oder Maßnahmenplanun-

gen gegenüber der Öffentlichkeit zu kommunizieren.

Zu der Frage, ob der Ansatz der Ökosystemleistungen nicht in irgendeiner Art und Weise in

die Bewertung nach EU-WRRL mit einfließen sollte, gab das UBA zu bedenken, dass das

Bewertungsverfahren bereits jetzt sehr komplex ist und sich alle Beteiligten derzeit noch in

der Lernphase bzw. der Datenerhebung befinden. Vor diesem Hintergrund wird davor ge-

warnt, weitere Aspekte mit in das Bewertungsverfahren einfließen zu lassen, von denen nicht

genau klar ist, wie Sie in den Bewertungsprozess miteinfließen sollen, wie sie erhoben wer-

den sollen und welcher Arbeitsaufwand damit verbunden wäre. Schon jetzt ist durch eine

inzwischen erfolgte Anpassung der Bewertung der Vergleich des jetzigen Zustandes der

Fließgewässer mit früheren Jahren stark erschwert. Eine weitere Änderung mit derartigem

Umfang wäre hier besonders der Kommunikation mit Politik und Öffentlichkeit nicht zuträg-

lich.

Gebäudeführung

Bei einer Führung durch das Gebäude des UBA Haupt-

sitzes in Dessau konnten wir hinter die Kulissen Blicken

und wurden über die Besonderheiten der Architektur und

Technik des Gebäudes informiert. Die Planung für das

Gebäude wurde über eine internationale Ausschreibung

vergeben und von dem Architekturbüro Sauerbruch &

Hutton Architekten gewonnen. Mit dem Baubeginn im

Jahre 2002 wurde bis zur Fertigstellung 2005 ein Gebäu-

de mit ca. 900 Arbeitsplätzen für das UBA geschaffen.

Der Standort in Dessau hat sich aus verschiedenen

Gründen angeboten. Zur Stärkung der neuen Bundes-

länder und als Projekt der EXPO 2000 wurde die Bun-

desbehörde in Dessau, Sachsen-Anhalt angesiedelt. Das

Gelände des heutigen UBAs ist das ehemalige Gasviertel

der Stadt. Aufgrund der historischen industriellen Nut-

zung war das Gebiet kontaminiert und musste vor Baubeginn aufwendig saniert werden (Ent-

fernung von Schadstoffen in Form von Schwermetallen, Ölen, etc. und somit erforderliche

Sanierung von Boden und Grundwasser). Durch diese umfänglichen Maßnahmen konnte

das UBA aktiv belegen, dass sie nicht nur in der Theorie Umweltschutz betreiben. Das UBA-

Gelände wurde mit großzügigen Freiflächen ausgestaltet, welche der städtebaulichen Anbin-

dung an den Bahnhof und die angrenzenden Siedlungsbereiche sowie als öffentlicher Raum

zur Erholung dienen. Ein weiterer Punkt, der die Standortwahl begünstigt ist die Tatsache,

dass alle größeren Städte im Umkreis (wie z.B. Magdeburg und Leipzig) innerhalb ca. einer

Stunde Fahrtzeit zu erreichen sind.

Abbildung 14: Gebäude und Außenge-lände (Foto: A.-L. Vollheyde).

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6 Umweltbundesamt (23.05.2018, 9:00 bis 12:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 20

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Eine Besonderheit des UBAs in Dessau ist die Zugäng-

lichkeit des Geländes und auch Gebäudes für die Öffent-

lichkeit. Die Fachbibliothek Umwelt (welches bis dato die

größte im deutschsprachigen Raum ist), ein Zentrum für

Umweltinformation, ein Ausstellungsbereich für Kunst

und Umweltthemen sowie ein Hörsaal wurden in den

Komplex integriert und können genutzt werden. Die

Technik des Gebäudes zeichnet sich vor allem über die

Nutzung von Erneuerbaren Energien sowie seiner Ge-

staltung aus. Die Verwendung Regenerativer Energien

beinhalten Geothermie für Heizung und Kühlung des

Gebäudes mittels eines Erdwärmetauschers und Solar-

thermie. Ein an das Gebäude angepasstes Belüftungs-

system dient einem angenehmen Klima sowie dem

Schutz der Baustoffe, da es zu Beginn Probleme durch

Kondensation innerhalb des Gebäudes gab. Die Energiegewinnung für Strom erfolgt über

Photovoltaiknutzung. Im Jahr 2009 hat das Gebäude das Deutsche Gütesiegel für nachhalti-

ges Bauen in Gold bekommen, welches ökologische, ökonomische und soziokulturelle Krite-

rien wie Standort, Planung und Ausführung berücksichtigt. Neben der technischen und ener-

getischen Planung ist die Gestaltung eine weitere Besonderheit.

Das gesamte Gebäude ist barrierefrei und mit einem taktilen Leitsystem ausgestattet. Dazu

kommt die moderne, geschwungene Fassade, die „Schlange“, welche sich aus Lärchenholz-

bändern und Glaselementen zusammensetzt. Die in die Fassade integrierten Farbelemente

greifen mit sieben Farbfamilien das Umfeld des Gebäudes auf und spiegeln dieses wieder

(z.B. Blau für den Teich und Himmel, Rot für angrenzende Mauerwerksgebäude und Grün

für den angrenzenden Park). Durch den großflächigen Einsatz der Glaselemente kann das

Gebäude zu großen Teilen mit natürlichem Tageslicht ausgestattet werden, was eine natürli-

che Atmosphäre und Kontakt zum Außenbereich schafft sowie zur Einsparung von Energie-

kosten beiträgt. Das Außengelände, wie auch der Innenraum wurden mit Vegetation, Was-

ser- und Kunstobjekten gestaltet. Diese Elemente stellen eine angenehme Atmosphäre und

im Innenraum ein gutes Raumklima her.

Zusätzlich zum bestehenden Gebäude ist aktuell ein Erweiterungsbau in Arbeit. Dieser wur-

de von den Architekten Anderhalten Architekten aus Berlin entworfen und in seiner Gestal-

tung an den Bestand angepasst. Der Baubeginn hierfür war im April 2016 und die geplante

Fertigstellung im März 2018, jedoch konnte diese aufgrund von Verzögerungen bei der Her-

stellung der Fassade nicht eingehalten werden. Der Neubau bietet Platz für weitere 111 Ar-

beitsplätze. Auch bei diesem Bau liegt der Fokus auf nachhaltigem Bauen und ökologischen

Qualitäten. So besteht das Gebäude aus etwa 60% Recyclingbeton, was bisher selten ist.

Das energetische Konzept des Gebäudes ist die Funktion als Plus-Energie-Gebäude (es

stellt die im Laufe des Jahres benötigte Energie selbst her und produziert sogar einen Über-

schuss für die Liegenschaft). Dieses Konzept basiert auf der Ausstattung der Fassade und

des Daches mit PV-Anlagen, welche das Kraftwerk des Gebäudes darstellen. Dazu kommt

Abbildung 15: Atrium mit Begrünung und Fassaden (Foto: A.-L. Vollheyde).

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7 Wörlitzer Anlagen (23.05.2018, 14:00 bis 17:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 21

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

die Nutzung von geothermischem Potential durch über 30 Erdwärmesonden und einer Wär-

mepumpe sowie einer speziell an das Gebäude und Klima angepassten, automatischen Lüf-

tung durch motorisierte Schwingflügelfenster. Zwei Atrien bringen Tageslicht ins Gebäude

und sorgen für einen Kamineffekt, der einer anlagenfreien Belüftung dient. Die weitere Be-

leuchtung wird energiesparend mit LEDs erreicht.

Persönliches Fazit

Der Besuch beim UBA mit dem Vortrag zur WRRL und der Führung durch das Gebäude war

für uns als Studenten der Umweltplanung und Landschaftswissenschaften sehr interessant

und aufschlussreich. Besonders die Details zum Bewertungsverfahren unter der WRRL ha-

ben unser Fachwissen sinnvoll erweitert. In Anbetracht des Gewässerschutzes und dem im-

mer wichtiger werdenden Modell der Ökosystemleistungen wird die WRRL auch in unserer

baldigen Berufspraxis ein wichtiges Instrument zum Naturschutz und zur Öffentlichkeits-

kommunikation. Es war besonders anschaulich und einprägsam an den realen Beispielen

Elbe und Mulde, die wir vorher vor Ort besichtigt haben, die konkrete Anwendung der WRRL

vermittelt zu bekommen. Zudem war es für uns Studenten mit landschaftsarchitektonischer

Grundausbildung besonders spannend das moderne Gebäude des UBA mit seinen innovati-

ven Technologien besichtigen zu können.

Quellen:

BfG – Bundesanstalt für Gewässerkunde (2015): Mulde - von Mündung bis Muldestausee (Fließgewässer). Wasserkörpersteckbrief Oberflächen-

wasserkörper 2. Bewirtschaftungsplan.Geoportal der BfG,

http://geoportal.bafg.de/birt_viewer/frameset?__report=RW_WKSB.rptdesign&__navigationbar=false&param_wasserkoerper=DE_RW_DEST_VM

02OW01-00, aufgerufen am 26.05.2018.

Tornow, S. (2018): Erweiterungsbau für das Umweltbundesamt in Dessau. Saubere Bilanz. in bba, bau beratung architektur 05/2018.

UBA (Umweltbundesamt) (2014): Das Umweltbundesamt am Standort Dessau im Praxisbetrieb. Hält der Gebäudekomplex, was die Planung

verspricht? Broschüre, 12 S.

UBA - Umweltbundesamt (2014): Die Landschaftsarchitektur. Gebäude und Grünanlagen als Elemente einer nachhaltigen Stadtentwicklung.

Broschüre, 12 S.

UBA - Umweltbundesamt (2017): UBA baut Antworten. Ein Plus-Energie-Gebäude als Erweiterung in Dessau, Faltblatt 12 S.

UBA – Umweltbundesamt (2018: Standorte und Gebäude, https://www.umweltbundesamt.de/das-uba/standorte-gebaeude, zuletzt aufgerufen am:

26.05.18.

UBA - Umweltbundesamt & LAWA - Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (2014): gewaesser-bewertung.de, Informationsportal zur Bewer-

tung der Oberflächengewässer gemäß Europäischer Wasserrahmenrichtlinie. http://gewaesser-bewertung.de/index.php?article_id=425&clang=0,

aufgerufen am 26.05.2018.

7 Wörlitzer Anlagen (23.05.2018, 14:00 bis 17:00)

(Rosella Tesser, Linda Klüver, Theresa Noeke, Ewa Heider)

Brigitte Mang, erste Direktorin der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, und Michael Keller, Abtei-

lungsleiter Gärten und Gewässer, führten die Gruppe an diesem Nachmittag durch die Wör-

litzer Anlagen.

Die Wörlitzer Anlagen sind ein im Stile des englischen Landschaftsgartens gegen Ende des

18. Jahrhunderts entstandener Landschaftspark und Herzstück des Dessau-Wörlitzer Gar-

tenreiches. Da die Anlage einen der frühesten und bedeutendsten Landschaftsparks auf eu-

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7 Wörlitzer Anlagen (23.05.2018, 14:00 bis 17:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 22

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

ropäischem Festland beherbergt, ist sie innerhalb der Landschaftsarchitektur und Freiraum-

planung international bekannt und zeitgleich ein begehrtes Tourismusziel.

Sie bestehen aus fünf insgesamt 112 ha großen Gartenanlagen, die um den Wörlitzer See

herum angelegt sind. Die einzelnen Areale sind nicht alle landläufig miteinander verbunden,

sodass mithilfe von Brücken, Gondeln und Fähren zu erreichen sind. Das Gartenreich wurde

von Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau angelegt und galt in damaliger Zeit

als herausragend innovativ. Es sollte nicht bloß dekorativ, sondern auch lehrreich und nütz-

lich für die Öffentlichkeit und die Bürger der Stadt sein. Mit seinen vielfältigen Reformen

strebte der Fürst eine intensive Verbindung von Natur und Mensch an und bettete Schlösser,

Gärten, Alleen und Denkmäler harmonisch in die sie umgebende Auenlandschaft ein. Das

verleiht dem Park seinen heutigen Charakter von unendlich anmutender Weite.

Abbildung 16: Schloss Wörlitz (links) und Blick auf die Gartenanlagen um den Wörlitzer See (rechts) (Fotos: E. Heider).

Seit 1988 gehören große Teile des Gartenreichs zum BR Mittelelbe. Wie der neue Direktor

bei der Einleitung zur Führung durch die Wörlitzer Anlagen andeutet, ist die Kooperation zwi-

schen Vertretenden des Naturschutz und der Kulturstiftung DessauWörlitz nicht unproblema-

tisch. Vor allem in der naturnahen Entwicklung der Flussauen, wo die Kulturstiftung weite

Flächen besitzt, steckt das größte Konfliktpotenzial zwischen Renaturierungsmaßnahmen

und Erhaltung der historischen Kulturlandschaft. Das Projekt Wilde Mulde beinhaltet bei-

spielsweise unter anderem Aufforstungsmaßnahmen, die Anbindung eines Seitenarmes der

Mulde und die Anlage eines Wildrettungshügel im Bereich Jagdbrücke und Braunsche La-

che. Für diesen Bereich hat die Kulturstiftung auf Basis historischer Karten ein Leitbild in

einem Denkmalrahmenplan entwickelt. Eine frühzeitige Kooperation bei der Erarbeitung der

Renaturierungsmaßnahmen hat leider nicht stattgefunden. Infolgedessen bemängelt die Kul-

turstiftung einige Aspekte der Herangehensweise des Projektes. Die Projektinitiatoren verfol-

gen eine Methodik, die die Kulturstiftung stark kritisiert: Man dürfe nicht vom Ergebnis her

denken, sondern aus der landschaftlichen Analyse heraus arbeiten. Eine von Anfang an ko-

operative Zusammenarbeit zwischen den involvierten Behörden hätte nach der Meinung der

Kulturstiftung zu einem besseren Projekt geführt, weil sich zum Beispiel Größe und Form des

Wildrettungshügels an existierenden Elementen hätte orientieren und die zu vertiefende Alt-

armtrasse sich auf Basis historischer Karten hätte bilden können.

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7 Wörlitzer Anlagen (23.05.2018, 14:00 bis 17:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 23

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Abbildung 17: Beltwalk auf dem Damm (links), Blickbeziehung zum Garten (mittig) und zur Auenlandschaft (links) (Fotos: E. Heider).

Der Denkmalrahmenplan der Wörlitzer Anlagen beinhaltet kein offensichtliches Konzept zur

Förderung der aus Sicht des Naturschutzes relevanten Aspekte in der Gartenpflege und -

entwicklung. Die an die Anlagen grenzende naturnahe Aulandschaft wurde trotzdem als we-

sentlicher Bestandteil zur Erhaltung der historischen Kulturlandschaft erkannt, besonders an

Orten, an denen sich die Sichtachsen vom Park aus in die Auenlandschaft richten. Im Park

selbst wurden von Anfang an Elemente der umliegenden Landschaft eingebunden, wie

Obstpflanzungen, Ackerbau und Viehzucht. Der Elbwall im Norden der historischen Anlagen

schützt sie vor Hochwasser, setzt aber keine harte Grenze zur offenen Auenlandschaft, da

der Damm zeitgleich als Beltwalk mit schönen Ausblicken in alle Richtungen nutzbar ist. Die

Eichen, welche in den Auen vor den Wällen zum Schutz der Dämme vor Hochwasser und

Treibeis angepflanzt wurden, wurden als Besonderheit im Denkmalrahmenplan erkannt und

bewusst erhalten. Aktuell und in Zukunft wird der Obstbaumbestand in den Wörlitzer Anlagen

gefördert, weil er sich im Laufe der Zeit reduziert hatte. Bei einer Führung oder einem Spa-

ziergang durch den Park können neu angepflanzte Obstbaumwiesen beobachtet werden. Ein

Baumschutz an jungen Bäumen ist erforderlich wegen der in der Umgebung lebenden Biber,

eine geschützte Tierart und Wappentier des BR Mittelelbe.

Auch die Nutzung durch Ackerbau sowie die Gehölzbestände der Weiden haben sich in den

letzten Jahren reduziert: Aktuell wird nur ein geringer Teil der bestehenden Wiesen aus öko-

nomischen Gründen verpachtet und landwirtschaftlich genutzt. Aus Zeit- und Kostengründen

kann die Mahd der von der Kulturstiftung gepflegten Wiesen nach Angabe des Gartendirek-

tors leider kein die Naturvielfalt schonendes Konzept verfolgen. Alle Wiesen werden dem-

nach in kurzer Zeit gemäht, ohne dass sich naturnähere Bereiche entwickeln können. Der

Nachwuchs von qualifizierten Gärtnern stellt sich außerdem problematisch dar. Das Hoch-

wasser im Sommer 2002 sowie ein Sturm im Jahr 2007 haben schwere Schäden an den

Wörlitzer Anlagen verursacht. Herr Keller blickt den in Zukunft drohenden Hoch- und Nied-

rigwasserereignissen mit Sorge entgegen. Er berichtet, dass sich Niedrigwasserereignisse

bisher zwar noch nicht erwiesen haben, sie aber bei einem Eintritt den Tourismus stark be-

einträchtigen würden, da die Gondelfahrten eingestellt werden müssten

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8 Flussfilmabend im Kiez-Kino Dessau (23.05.2018, 20:00 bis 21:30)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 24

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Aus Sicht der Landschaftsarchitektur

und Umweltplanung könnte insgesamt

ein ökologischerer Ansatz verfolgt wer-

den, indem mehr in die landwirtschaftli-

chen und Gartenbauflächen sowie in die

Beweidung und einen ökologischen

Pflegeplan für die Wiesen investiert

würde. Das würde das Verständnis für

das Leitkonzept des Schönen und Nütz-

lichen in diesem Beispiel eines engli-

schen Landschaftsgarten bei den Nut-

zern begünstigen, sowie auch ein poten-

tielles Lehr- und Experimentierfeld dar-

stellen. Ein erfolgreiches Beispiel in die-

sen Sinne stellt der Potager du Roi in

Versailles dar: Dort werden ca. 450

Obstbaum- und 400 Gemüsesorten so-

wie 40 alte Anbaumethoden gezeigt.

Gleichzeitig ist die Museumfunktion mit

der Lehr- und Experimentierfunktion

gekoppelt, indem seit 2000 Begleitpflan-

zen neben den Anzuchtpflanzen einge-

fügt wurden. Diese fördern die Artenviel-

falt und verringern den Gebrauch von

Pestiziden. Die L‘Ecole Superiore du Paisage und entwickeln zusammen mit qualifizierten

Gärtnern den Garten.

Quellen:

ARGE LPR / FRANZ (2007): Denkmalrahmenplan Gartenreich Dessau-Wörlitz. Historische Gartenanlagen. G 18.1 Wörlitzer Anlagen. 61 S. mit Anhängen und Karten.

ENSP – ecole nationale superieeure de paysage (2010): Un jardin du XXIe siècle, http://www.potager-du-roi.fr/site/pot_aujourdhui/, aufgerufen am 04.06.2018).

TOURISTINFORMATION LUTHERSTADT WITTENBERG (o.J.): Das Gartenreich Dessau-Wörlitz (https://lutherstadt-wittenberg.de/kultur/unesco-weltkulturerbe/gartenreich-dessau-woerlitz/, aufgerufen am 05.06.18).

8 Flussfilmabend im Kiez-Kino Dessau (23.05.2018, 20:00 bis 21:30)

(Cedric Gapinski)

Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit zum Projekt „Wilde Mulde“ fand im Oktober 2017 ein

„Flussfilmabend“ für die interessierte Öffentlichkeit im örtlichen KiezKino statt. Nach positiver

Abstimmung der mitfahrenden Studierenden wurde diese einmal andere Form der Umwelt-

bildung auch für unsere Gruppe organisiert (Abb. 20). Neben dem ersten Projekt-Kurzfilm zur

Forschung (https://www.youtube.com/watch?v=M30hpBe5yVs) wurden weitere kleinere

Filmbeiträge, wie der Mitschnitt einer Paddelfahrt oder ein Musikvideo zur Gewässerrenatu-

rierung (Knuts Koffer: „Flussfisch“ https://www.youtube.com/watch?v=f3MuXRkK180) ge-

spielt. Hauptfilm des Abends war die Simank-Elbe-Dokumentation „Wildes Leben am großen

Abbildung 18: Neu gepflanzte Obstbaumwiese (Foto: R. Tes-ser)

Abbildung 19: Durch Ackerbau genutzte Fläche (Foto: E. Heider).

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9 Biosphärenreservat Mittelelbe (24.05.2018, 9:00 bis 12:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 25

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Strom". Diese gab nochmal einen allumfassenden Überblick über das BR Mittelelbe und er-

gänzte das Programm um bewegte Bilder des Gebietes aus anderen Jahreszeiten und von

nicht im Feld angetroffenen Arten.

Abbildung 20: Die Exkursions-Gruppe bei der Kinovorstellung (Foto: O. Badelt).

9 Biosphärenreservat Mittelelbe (24.05.2018, 9:00 bis 12:00)

(Lars Nolting, Menina Schwerl, Ronja Torkler)

Am letzten Tag der Exkursion stand der Besuch des UNESCO-Biosphärenreservates (BR)

Mittelelbe an. Dort gaben Susanne Reinhardt und der Ranger Lothar Händler einen Über-

blick über das Gebiet und die Aufgaben der Verwaltung.

BRs gingen aus dem Programm „man and the biosphere (MAB)“ der UNESCO hervor. Im

Unterschied zum Nationalpark steht im BR die menschliche Nutzung auf 97 % der Fläche im

Vordergrund. Diese teilt sich auf in die Pflegezone (hauptsächlich Naturschutzgebiete) und

Entwicklungszone (hauptsächlich Landschaftsschutzgebiete), welche die restlichen 3 % der

Fläche, die sogenannte Kernzone umschließen, in welcher keine Nutzung stattfindet.

Heute eines von 16 in Deutschland, wurde das länderübergreifende BR Flusslandschaft Elbe

Ende 1997 von der UNESCO anerkannt. Das erste deutsche UNESCO-Biosphärenreservat

ist mit insgesamt ca. 282.250 ha das Größte im deutschen Binnenland.

Das BR Mittelelbe ist ein Teil des BR Flusslandschaft Elbe und erstreckt sich entlang dieser

in Sachsen-Anhalt und ist naturräumlich dem Elbe-Mulde-Tiefland, sowie der Elbtalniederung

zuzuordnen. Die größten noch zusammenhängenden Hartholzauenwälder Mitteleuropas,

artenreiche wechselfeuchte Mähwiesen und Altarme sind Alleinstellungsmerkmale.

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9 Biosphärenreservat Mittelelbe (24.05.2018, 9:00 bis 12:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 26

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Elbe

Im zentralen Bereich liegt das heutige Stromtal, das durch Deichlinien begrenzt wird. Obwohl

die Elbe im Laufe der Jahrzehnte über 80 % ihrer Ausdehnungsfläche eingebüßt hat, gilt sie

als einer der letzten naturnahen Flüsse Mitteleuropas und verfügt trotz der Bündelung in ei-

nem Bett über einen naturnahen nur durch Buhnen stabilisierten Verlauf und durch das weit-

gehend unbefestigte Ufer einen ausgeprägten wechselnassen Bereich. Vor allem das natür-

liche Überschwemmungsgebiet ist noch in Teilen erhalten.

Weite Wiesen und Auenwälder bieten zahlreichen, teilweise geschützten Tier- und Pflanzen-

arten einen dauerhaften Lebensraum. Auf einer Länge von 400 km finden sich seltene Pflan-

zen- und Tierarten in den Auenwiesen und Auenwäldern. Einschließlich der Ufervegetation

bieten sie ideale Standorte und Brutplätze, für z.B. den Schwimmfarn, die Sibirische

Schwertlilie, Seeadler, Kraniche, Schwarzstörche und Rotmilan. Dabei sind einige Arten nur

an der Elbe verbreitet und sind damit endemisch. Diese Tiere benötigen einen für sich ange-

passten Lebensraum, welchen sie durch den Schutz und die Pflege im BR Mittelelbe erhal-

ten.

Elbebiber

Zu diesen in dem Naturraum ansässigen Tierarten gehört der Elbebiber (Castor fiber albi-

cus). Dieser ist das Wappentier dieser Landschaft und zählt als das größte Nagetier Euro-

pas. Ausgewachsen kann er eine Größe von bis zu 1,40 m und ein Gewicht von 35 kg errei-

chen und übertrifft hierbei sogar seinen Artgenossen, den Kanadischen Biber.

Seinen natürlichen Lebensraum hat der Elbebiber im Gebiet der Mittelelbe, in Sachsen-

Anhalt. Diese Auenbereiche erweisen sich für den Biber als ein ideales Habitat. Hier findet er

neben einem artgerechten Lebensraum Futter, wie Weiden, Rinde und dünne Zweige. Als

einziges Nagetier schafft der Biber es Bäume zu fällen und Dämme zu bauen, mit welchen

die Wasserstände der Reviere geregelt werden können.

Abbildung 21: Skulptur und Informationstafel zum Biber im Besucherzentrum des Biosphärenreservates (Foto: M: Schwertl).

Hierdurch entstehen auch gleichzeitig neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Um die

Erhaltung des Elbebibers zu fördern, wurden seit den 70er Jahren erfolgreich zahlreiche

Wiederansiedlungsmaßnahmen ergriffen, da dieser bis in die 20er/30er Jahre als Nahrungs-

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9 Biosphärenreservat Mittelelbe (24.05.2018, 9:00 bis 12:00)

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„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

und Rohstoffquelle für den Menschen galt und dadurch fasst ausgerottet worden wäre. Da-

neben führten auch Krankheiten und Seuchen zum starken Rückgang der Individuenzahl.

Heutige Zahlen sprechen von über 1250 Bibern die ihr Quartier im Mittelelbegebiet aufge-

schlagen haben (ca.10.000 in Deutschland).

Auch wenn der Biber heute seinen Lebensraum immer mehr mit dem Menschen teilt, so ist

er doch ein sehr scheues Tier geblieben. Daher sollte man bitte den Hinweisschildern Folge

leisten und Biberburgen weder erkunden noch einen hohen Geräuschpegel verursachen.

Die Biberfreianlage

Abbildung 22: Biberfreianlage auf dem Besuchergelände des Biosphärenreservates (Foto: R. Torkler).

Um die Umweltbildung und die Akzeptanz des Bibers im BR zu fördern, existiert nahe der

BR-Verwaltung eine 2 ha große Biberfreianlage. Die Größe und Ausstattung ist einem natür-

lichen Biberrevier nachempfunden und eine künstlich angelegte Biberburg gibt den Besu-

chern die Möglichkeit, die Tiere von nahem zu beobachten. Im Gebiet ist die typische Nah-

rung vorhanden. Außerdem befindet sich ein Altarm in der Anlage, an den auch die Biber-

burg grenzt.

Bis Ostern 2018 lebte dort, von einem „biberfesten“ Zaun umgeben, eine vierköpfige Biber-

familie. Von diesen ist jedoch heute nur noch einer vorhanden, da die anderen ausgebro-

chen sind. Da der Zurückgebliebene noch zu jung für die Auswilderung war, wird dieser erst

im Herbst in die Freiheit entlassen und eine neue Biberfamilie soll das Revier beziehen, so-

dass die Biberfreianalage wieder dazu dienen kann die Akzeptanz des Bibers in der Bevölke-

rung zu erhöhen und wieder eine Anlaufstelle für den Umwelttourismus in der Region bietet.

Projekte

Schwerpunkte im BR Mittelelbe liegen durch den Biber-, Hartholzauen- und Altarmschutz im

Bereich des Wasserbaus, Hochwasserschutz und dem Schutz der Auenlandschaft. Für diese

gehören regelmäßige Hochwasser zum natürlichen Zyklus, welcher u.a. auch dafür sorgt,

dass sich standortfremde Arten nicht ausbreiten können. Um diese natürliche Dynamik zu

fördern werden im Gebiet Deiche rückverlegt um die Fläche des Auwaldes zu vergrößern.

Dabei kam es zur größten Deichrückverlegung Deutschlands. Der WWF war Projektträger

der 7 km langen Deichrückverlegung. Die 600 ha zusätzliche Überflutungsfläche in Form

eines Auwaldes war größtenteils in Landesbesitz. Zunächst galt es jedoch die Ängste der

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9 Biosphärenreservat Mittelelbe (24.05.2018, 9:00 bis 12:00)

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„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Bevölkerung vor einer erhöhten Hochwassergefahr zu beseitigen. Die neue Deichanlage

rückt zwar näher an die Orte, jedoch ist diese nach dem neuesten Stand der Technik errich-

tet.

Abbildung 23: Elbebiber in der Biberfreianlage (Foto: L. Nolting).

Es sind noch zwei weitere Rückverlegungen geplant. Da die BR-Verwaltung als staatliche

Einrichtung jedoch keine Fördermittel beantragen kann, braucht sie Projektpartner wie den

WWF oder NABU als Projektträger, sowie genügend Geld und vor allem die Akzeptanz der

Bevölkerung.

Die Menschen sollen im BR Mittelelbe leben können. Durch das Partnerbetriebsprojekt wird

u.a. die Vermarktung regionaler Produkte gefördert. Durch das Projekt wurden schon mehr

als 30 Betriebe zertifiziert.

Weitere wichtige Projekte sind die Anbindungen von Altarmen an den Fluss. Diese sind

ehemalige Seitenarme, welche vom Fließgewässer abgeschnitten wurden um die Fließge-

schwindigkeit für die Schifffahrt zu erhöhen oder entstanden bei Durchbrüchen von Mäan-

dern auf natürliche Weise. Da heute keine Altwässer mehr entstehen können, ist es wichtig

die bestehenden Altwässer zu erhalten um den Lebensraum für angepasste, besondere Ar-

ten zu erhalten.

Die Aufgaben der BRs liegen neben der regionalen Entwicklung und Forschung auch im Be-

reich Umweltbildung. Zu diesem Zweck gibt es neben der Biberfreianlage das Auenhaus.

Dieses wurde zur Expo2000 erbaut. Die Ausstellung wurde seitdem nicht mehr geändert,

weshalb die Besucherzahlen zurückgehen. Deshalb soll das Auenhaus umgebaut werden.

Im Westen werden ein Multimedienraum, Sanitäranlagen und eine Küche angebaut. Eine

neue Ausstellung wird von einer Werbeagentur erarbeitet und wird auch eine Wechselaus-

stellung umfassen an welcher z.B. Naturfotografen interessiert sind. Zusätzlich gibt es 19

sogenannte Auenpfade im BR, welche selbständig von den Besuchern genutzt werden kön-

nen. Auf Tafeln werden alle wichtigen Informationen bereitgestellt.

Das Wörlitzer Gartenreich und die landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaft gehört genau-

so zum Reservat wie die Oranienbaumer Heide, welche sich auf einem ehemaligen Trup-

penübungsplatz befindet.

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10 Oranienbaumer Heide (24.05.2018, 12:00 bis 14:00)

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„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Quellen:

PROJEKTGRUPPE RAHMENKONZEPT DER BIOSPHÄRENRESERVATSVERWALTUNGEN (2006): Rahmenkonzept für das länderübergrei-fende UNESCO-Biosphärenreservat „Flusslandschaft Elbe“, Hrsg.: Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg Vorpommern; Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, Magdeburg; Ministerium für ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, Potsdam; Niedersächsisches Umweltministerium, Hannover; Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein, Kiel; Schwerin

EUROPARC (2018): Weltkultur an wilden Ufern. Aufgerufen am 25.05.2018, http://www.nationale-naturlandschaften.de/gebiete/biosphaerenreservat-mittelelbe/

10 Oranienbaumer Heide (24.05.2018, 12:00 bis 14:00)

(Teresa Geiger)

Nach der Führung im Besucherzentrum des Biosphärenreservates teilte sich die Gruppe auf,

da einige Teilnehmer noch das Weltkulturerbe Bauhaus besuchen wollten. Der andere Teil

der Gruppe nahm das Angebot der Mitarbeiter des Biosphärenreservates, eine Führung

durch die nahegelegene Oranienbaumer Heide, dankend an.

Die Oranienbaumer Heide befindet sich östlich von Dessau-Roßlau bei Oranienbaum, einem

Ortsteil der Stadt Oranienbaum-Wörlitz im Landkreis Wittenberg. Aufgrund ihrer Lage im

Grenzbereich der Großlandschaft „Elbe-Elster-Tiefland“ zur Großlandschaft „Dahlen-

Dübener Heide“ weist sie eine hohe floristische Vielfalt auf, da hier Arten beider Landschaf-

ten aufeinandertreffen und so die Vielfalt erhöhen. Man findet aufgrund der besonderen Lage

in diesem Gebiet eine Vielzahl unterschiedlicher geologischer und pedologischer Standort-

verhältnisse, welche ein kleinräumiges Mosaik bilden und unterschiedlichste Lebensräume

entstehen lassen. Weitere Gründe für die besondere Ausprägung des Gebietes sind eine

breite Pufferzone um die Oranienbaumer Heide zu den angrenzenden, intensiver genutzten

Flächen sowie die besondere Nutzungsgeschichte des Gebietes. Insgesamt konnte sich so

eine der biotop- und artenreichsten Gebiete Sachsen-Anhalts bilden.

Abbildung 24: Die wechselvolle Geschichte der Oranienbaumer Heide wird den Besuchern auf mit Informationsta-feln nähergebracht (Foto: J. Thiele).

Die Oranienbaumer Heide unterlag innerhalb der Geschichte einer vielfältigen Nutzung. Bis

in das 18. Jahrhundert hinein wurde hier Brenn- sowie Bauholz gewonnen, Streu für die Tie-

re der Gegend entnommen und gejagt. Auch ist für Teile des Gebietes eine Nutzung als Hu-

tewald bestätigt. Diese historische Waldform entsteht durch eine langjährige Nutzung des

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10 Oranienbaumer Heide (24.05.2018, 12:00 bis 14:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 30

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Waldes als Weidefläche für Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen zusätzlich zur forstwirt-

schaftlichen Holznutzung. So entsteht mit der Zeit eine besonders offene Waldstruktur und

mit ihr eine große Artenvielfalt. Im späten 19. Jahrhundert hielt man auf den Flächen auch

Rot- und Dammwild in Gattern. Anfang des 20. Jahrhunderts fand ein großflächiger Nut-

zungswechsel hin zu Kiefernforsten statt. Nach Beendigung des 2. Weltkrieges diente die

Oranienbaumer Heide als militärischer Übungsplatz für sowjetische Truppen. Durch Abhol-

zung und Brand wurden bis 1964 etwa 1.000 ha Freifläche geschaffen, sodass ein Schieß-

platz, kleinkalibrige Artillerie und Panzerfahrbetrieb Platz auf dem Gelände fanden. Auch in

den nächsten Jahren wurde das Gelände erweitert und auf bis zu 4.000 ha vergrößert.

Abbildung 25: Das Landschaftsbild der Oranienbaumer Heide wurde durch verschiedenste Nutzungen geprägt (Foto: J. Thiele).

Als die sowjetischen Truppen 1992 die Fläche verließen, hinterließen sie große Offenlandbe-

reiche. Innerhalb dieser befanden sich Sand-Heide-Biotope und, aufgrund des durchgeführ-

ten Übungsbetriebes, viele offene Bodenstellen. Diese offene und halboffene Landschaft

bildete die Grundlage für die heutige Nutzung des Gebietes als Heide. Allerdings kamen

nach genauerer Betrachtung des Gebietes auch Risiken auf, welche mit dem militärischen

Betrieb des Geländes verbunden waren. So gab es munitionsbelastete Flächen, nur unter

Gefahren begehbare Wege sowie eine Belastung der oberen Bodenschichten durch Öl oder

Treibstoffe. Eine forstwirtschaftliche Nutzung des Gebietes war aus diesen Gründen ausge-

schlossen, was die Anlage eines Naturschutzgebietes ermöglichte.

Die wechselhafte Geschichte hat maßgeblich zum heutigen Biotop- und Artenreichtum bei-

getragen. Im zentralen Bereich der Heide, der etwa 1.200 ha umfasst, findet man heute ein

dichtes Netz aus seltenen und wertvollen Lebensräumen, wie trockene europäische Heiden,

basenreiche Sandrasen, Silbergraspionierfluren und Sandheiden auf Binnendünen. Weiter

finden sich im Umfeld Landreitgras-Fluren, Gras-Krautfluren, thermophile Säume, Gebüsch-

strukturen und Pionierwaldstadien. Durch dieses Mosaik an unterschiedlichen Strukturen und

Lebensräumen finden sich im gesamten Gebiet der Oranienbaumer Heide mehr als 800

Pflanzenarten wieder. Viele davon sind gefährdet und auf der Roten Listen des Landes

Sachsen-Anhalt zu finden, so zum Beispiel Flügelginster (Genista sagittalis), Heide-Segge

(Carex ericetorum) oder die Echte Mondraute (Botrychium lunaria). Auch die Fauna ist viel-

fältig. So finden hier beispielsweise die Vogelarten Wiedehopf, Heidelerche und Ziegenmel-

ker aber auch mindestens 30 Heuschreckenarten, wie der Warzenbeißer, einen Lebens-

raum. Auch der Wolf durchstreifte das Gebiet in den letzten Jahren, was als großer Erfolg für

den Naturschutz vor Ort gilt.

Aufgrund der genannten wertvollen Lebensräume und Arten vor Ort ist das Gebiet als Natur-

schutzgebiet sowie als FFH- und Vogelschutzgebiet ausgewiesen. Zusätzlich liegen Teile

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10 Oranienbaumer Heide (24.05.2018, 12:00 bis 14:00)

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„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

der Oranienbaumer Heide im Biosphärenreservat „Mittelelbe“ und gelten als „Nationales Na-

turerbe“.

Um die Fläche jedoch in ihrem momentanen

Zustand zu erhalten ist ein aufwändiges Pflege-

regime notwendig. Nach der Nutzungsaufgabe

des Truppenübungsplatzes kam es zur fort-

schreitenden Verbuschung der Offenlandle-

bensräume mit Birke, Zitter-Pappel und Kiefer

sowie zur Vergrasung mit Land-Reitgras. Dies

gefährdete jedoch die dort vorkommenden, auf

offene Standorte angewiesenen Arten. So er-

schwerte die fortschreitende Sukzession bei-

spielsweise die Keimung der Besenheide,

wodurch ihr Bestand im Gebiet bedroht war.

Seit 2008 wird mit Hilfe eines Beweidungskon-

zeptes versucht diesem Trend entgegenzuwir-

ken. Auf der Fläche werden nun ganzjährig Heckrinder und Konik-Pferde (Abb. 7) gehalten,

welche als Landschaftspfleger die Heideflächen offenhalten sollen. Die eingesetzten Tiere

sind an sich widerstandsfähig, benötigen kaum Betreuung und können das ganze Jahr über

im Freien verbringen, was sie besonders für diese Aufgabe eignet. Heute befinden sich etwa

140 Tiere im Gebiet der Oranienbaumer Heide.

Die Weidefläche wurde über die Jahre sukzessive erweitert und nimmt heute etwa 800 ha

der Oranienbaumer Heide ein. Zusätzlich zu dieser Ganzjahresstandweide wurden große

Teile entbuscht und gemäht. Das Material, dass dabei anfiel, wurde regional zum Bau von

Reetdächern verwendet.

Nach den ersten Jahren der Beweidung zeigten sich bereits positive Entwicklungen im Ge-

biet. Die Streuauflage konnte deutlich reduziert werden, wodurch die Strukturvielfalt in der

Krautschicht erhöht wurde. Auch das eigentlich konkurrenzstarke Land-Reitgras wurde von

den Tieren verbissen und damit reduziert. Insgesamt konnte die vegetative Verjüngung des

Heidekrauts wieder vermehrt aufgefunden werden, was die allgemeine Struktur der Heide

aufwertet. Um die positiven Entwicklungen jedoch weiter voranzutreiben, ist es notwendig

das Pflegemuster beizubehalten. Nur so kann ein günstiger Erhaltungszustand der Flächen

gewährleistet werden.

Das weitergehende Entwicklungsziel des Gebietes ist es, einen großen und unzerschnitte-

nen Naturraum zu erhalten oder zu entwickeln. Hier sollen u.a. Zwergstrauchheiden, Sand-

trockenrasen und offenen Pionierfluren entstehen. Zudem stehen der Schutz und die Erhal-

tung der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten im Vordergrund (vgl. § 3 der NSG-

Verordnung). In den Wäldern des Gebietes soll eine naturnahe Bewirtschaftung stattfinden

und eine Entwicklung standortangepasster Waldgesellschaften mit ausreichend großen Alt-

holzblöcken wird angestrebt. Besonders zur Erhaltung der Spechtpopulation, allen voran des

Mittelspechts, ist es wichtig die Alteichen- und Eschenbestände der Wälder zu bewahren.

Abbildung 26: Grasende Konik-Pferde in der Orani-enbaumer Heide (Foto: J.Thiele)

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11 Weltkulturerbe „Bauhaus Dessau“ (24.05.2018, 12:00 bis 14:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 32

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Zukünftig sollten weitere Altholzbereiche entwickelt, der Laubholzanteil der Wälder erhöht

und stehendes Totholz mit Horst- und Höhlenbäumen gefördert werden, um den Erhaltungs-

zustand der Spechtbestände im Gebiet zu sichern oder weiter zu verbessern.

Quellen:

Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe (o.J.): Oranienbaumer Heide. Aufgerufen am 12.06.2018, https://www.mittelelbe.com/mittelelbe/front_content.php?idcat=159&lang=1

DBU Naturerbe GmbH (o.J.): Naturerbe Oranienbaumer Heide. Aufgerufen am 12.06.2018, https://www.dbu.de/nnn/media/010217023040_287187.pdf

Interessengemeinschaft Stadtinformation Oranienbaum e. V. (o.J.): Oranienbaumer Heide. Nationales Naturerbe und ein Glücksfall für den Natur-schutz. Aufgerufen am 12.06.2018, http://www.oranienbaum.de/herzlich-willkommen-in-oranienbaum/oranienbaumer-heide

Mammen, K.; Mammen, U.; Dornbusch, G.; Fischer, S. (2013): Die Europäischen Vogelschutzgebiete des Landes Sachsen-Anhalt. Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt – Heft 10/2013, Halle (Saale).

Primigenius gGmbH (o.J.): Naturschutz und Landschaftspflege. Die Oranienbaumer Heide. Aufgerufen am 12.06.2018, https://www.primigenius.de/standort-oranienbaumer-heide/

Verordnung des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt über das Naturschutzgebiet „Oranienbaumer Heide“ vom 23.05.2014, Halle (Saale).

Zweckverband Naturpark Solling-Vogler (o.J.): Hutewald – Historische Aspekte. Aufgerufen am 12.06.2018, https://www.naturpark-solling-vogler.de/index.php/historische-aspekte.html

11 Weltkulturerbe „Bauhaus Dessau“ (24.05.2018, 12:00 bis 14:00)

(Ole Badelt)

Der andere Teil der Gruppe besuchte das Bauhaus Dessau, welches seit 1996 zum UNE-

SCO-Welterbe gehört. Die 1919 in Weimar gegründete, staatliche Hochschule für Gestaltung

führte erstmalig Kunst und Handwerk zusammen und beeinflusste Architektur, Kunst und

Design des 20. Jahrhunderts nachhaltig. Dadurch gilt sie weltweit als Vorreiter der Moderne.

Durch den Aufschwung der Nationalsozialisten in Deutschland sah sich der Gründer und

Direktor des Bauhauses, Walter Gropius (1883-1969), jedoch schon 1925 gezwungen, den

Bauhausstandort von Weimar in die Industriestadt Dessau zu verlegen. Die endgültige

Schließung der Bauhausschule erfolgte durch andauernden Druck der Nationalsozialisten

1933 und ging einher mit Diffamierungen als „entartete Künstler“, Berufsverbot und Emigrati-

on vieler Bauhäusler.

Abbildung 27: Bauhaus in Dessau (Foto: von Dr. Volkmar Rudolf/Tilman2007 [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], vom Wikimedia Commons).

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11 Weltkulturerbe „Bauhaus Dessau“ (24.05.2018, 12:00 bis 14:00)

IUP-Exkursion, (21.-24.05.2018): Seite 33

„Untere Mulde & Dessau-Wörlitzer Gartenreich“

Neben einer Sonderausstellung über den Architekten Carl Fieger (1893-1960) war es vor

allem die Dauerausstellung, welche die Exkursionsteilnehmer anzog. Hier konnten etwa 100

ausgewählte Exponate aus der Sammlung der Stiftung Bauhaus Dessau begutachtet wer-

den, wie z.B. der Stahlrohrstuhl von Marcel Breuer, die Schreibtischleuchte von Christian

Dell und die Bauhaus Tapete von Emil Rasch. Gleichzeitig bot die Ausstellung Einblick in die

damals neuartige Schulform, welche als „richtungsweisende Einheit von Lehre, Künsten,

Architektur und Produktgestaltung“ zu verstehen ist. Unter Gropius als Bauhausleiter durch-

liefen die Studenten zunächst eine einjährige Vorlehre, in der sie durch eigenes Experimen-

tieren an Farbe, Form und Material herangeführt wurden aber auch technischen Fragen zu

Konstruktion, Gleichgewicht und Material sowie handwerklichen Techniken nachgingen. Je

nach Eignung begann daraufhin die Ausbildung als Lehrling in den Werkstätten und ihren

Begleitfächern. Die Lehre wurde von renommierten Künstlern wie Paul Klee und Wassily

Kandinsky durchgeführt.

Auch der durch zahlreiche Fotografien der damaligen Studenten festgehaltene Alltag an der

Bauhausschule konnte nachempfunden werden. Dieser zeichnete sich unter anderem durch

gemeinschaftliches und modernes Arbeiten und Leben aus, was auch als Grundsatz des

Bauhaus-Manifest galt: „Pflege freundschaftlichen Verkehrs zwischen Meistern und Studie-

renden außerhalb der Arbeit; dabei Theater, Vorträge, Dichtkunst, Musik, Kostümfeste. Auf-

bau eines heiteren Zeremoniells bei diesen Zusammenkünften“. Bei den sogenannten Bau-

hausfesten konnten die Studenten sich kreativ entfalten und an Organisation und Gestaltung

thematischer Feste arbeiten. Ziel dieser Feste war es, „den Kontakt zwischen der Schule und

der Öffentlichkeit, den Gemeinschaftsgeist und die Entfaltung des ‚Spieltriebs‘“ zu fördern.

Insgesamt bot der Besuch des Bauhauses Dessau eine gute Möglichkeit, die damalige Wirk-

stätte der modernen Architektur und Kunst vor Ort zu besichtigen und einen Einblick in den

damaligen Arbeitsalltag der Bauhausmeister und –schüler zu gewinnen. Als letzter Pro-

grammpunkt der Exkursion rundete es das Gesamtbild der Stadt Dessau-Roßlau gelungen

ab und gab interessante Impulse für das eigene Verständnis als Planer und Architekt.

Quellen:

Bauhaus-Archiv e.V. /  Museum für Gestaltung (2018a): Unterricht. Aufgerufen am 13.06.2018, https://www.bauhaus.de/de/das_bauhaus/45_unterricht/

Bauhaus-Archiv e.V. /  Museum für Gestaltung (2018b): Leben am Bauhaus. Aufgerufen am 13.06.2018, https://www.bauhaus.de/de/das_bauhaus/46_leben_am_bauhaus/

Deutsche Stiftung Denkmalschutz (2018): Meisterhaus Feininger. Heim der Lehrer der Bauhaus-Schule. Aufgerufen am 13.06.2018, https://www.denkmalschutz.de/denkmal/Meisterhaus-Feininger.html

Gropius, W., (1919): Bauhaus-Manifest. Weimar: April 1919.

Maasberg, U. (2012): Feininger-Meisterhaus Der Schrei nach Farbe. Stand 04.2012, aufgerufen am 13.06.2018, https://www.goethe.de/de/kul/arc/20362661.htmlw

UNESCO, (2018): Bauhaus and its Sites in Weimar, Dessau and Bernau. Aufgerufen am 13.06.2018, http://whc.unesco.org/en/list/729