hybridorbitale und ihre anwendungen in der strukturchemie

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1241 G. Winter, S. Fields. Nucleic Acids Res. 8. 1965 (1980). 1251 D. C. Shaw, J. E. Walker, F. D. Northrop, B. G. Barrell. G. N. Godson, J. 1261 G. J. SteSfeens, G. Buse, Hoppe-Seyler's Z. Physiol. Chem. 360, 613 [271 B. G. Barrell, A. T. Bankier. J. Drouin, Nature 282, 189 (1979). [281 I. G. Young. S. Anderson, Gene 12, 257 (1980). 129) G. Macino, G. Coruzzi, F. G. Nobrega, M. Li, A. Tzagoloff; Proc. Natl. [30] G. Macino, A. Tzagoloff; Proc. Natl. Acad. Sci. USA 76, 131 (1979). [31] R. Staden, Nucleic Acids Res. 8, 817 (1980). 1321 M. H. L. de Bruijn. P. H. Schreier. I. C. Eperon, B. G. Barrell, E. Y. Chen, P. W. Armstrong, J. F. H. Wong, B. A. Roe, Nucleic Acids Res. 8, 5213 (1980). C. Fiddes, Nature 272, 510 (1978). (1979). Acad. Sci. USA 76, 3784 (1979). [331 P. Arcari, G. G. Brownlee. Nucleic Acids Res. 8, 5207 (1980). 1341 B. G. Barrell, S. Anderson, A. T. Bankier, M. H. L. de Bruijn, E. Chen, A. R. Coulson. J. Drouin, I. C. Eperon, D. P. Nierlich. B. A . Roe, F. Sanger, P. H. Schreier, A . J. H. Smith, R. Staden, I. G. Young, Proc. Natl. Acad. Sci. USA 77, 3164 (1980). [35] J. E. Heckman, J. Sarnoff; B. Alzner-De Weerd, S. Yin, U. L. RajBhan- dary, Proc. Natl. Acad. Sci. USA 77, 3159 (1980). 1361 S. G. Bonitz, R. Berlini, G. Coruzzi, M. Li, G. Macino, F. G. Nobrega. M. P. Nobrega, B. E. Thalenfeld, A. Tzagoloff; Proc. Natl. Acad. Sci. USA 77, 3167 (1980). [37] J. Montoya, D. Ojala, G. Attardi, Nature 290, 465 (1980). [381 D. Ojala. J. Monloya. G. Affardi, Nature 290, 470 (1980). Hybridorbitale und ihre Anwendungen in der Strukturchemie Von Werner A. Bingel und Wolfgang Luttke[*] Professor Oskar Glemser zum 70. Geburtstag gewidmet Es wird eine einheitliche, systematische und vollstandige Ubersicht iiber die s-p-Hybridor- bitale gegeben, mit denen ein Zentralatom Z iiber o-Bindungen mit zwei bis vier Liganden L verkniipft ist. Dabei werden samtliche moglichen Symmetriefalle behandelt: bei Viererko- ordination von T,-Symmetrie bei ZL,-Molekiilen bis zum asymmetrischen Fall bei vier ver- schiedenen Liganden; bei Dreierkoordination von D,,-Symmetrie bei ZL3- bis zu C,-Sym- metrie bei ZLL'L"-Molekiilen. Fur einige Falle werden die Formeln erstmalig angegeben. Dabei wird gezeigt, daI3 die allgemeinsten sp3- und sp2-Hybride noch drei bzw. zwei freie Parameter enthalten. Das Auftreten von Hybridorbitalen beim Ubergang von der ,,delokali- sierten " zu einer ,,lokalisierten " Beschreibung der Bindungsverhaltnisse wird anhand von Beispielen erlautert. SchlieI3lich werden Anwendungsmoglichkeiten bei der Beschreibung der Bindungsverhaltnisse von Molekiilen und der Interpretation der Ergebnisse spektrosko- pischer Methoden zur Bestimmung der Molekiilstruktur aufgezeigt sowie durch einige Bei- spiele illustriert. 1. Hybridorbitale friiher und heute Die s-p-Hybridorbitale, rnit denen ein Zentralatom Z zwei, drei oder vier gleiche Ligandenatome L bindet, diirf- ten jedem Chemiker bekannt sein. Abbildungen ihrer raumlichen Anordnung und auch Formeln, mit denen sie durch das s- und die drei p-Atomorbitale (AOs) des Zen- tralatoms Z ausgedriickt werden, sind in vielen einfiihren- den Lehrbiichern der Allgemeinen, der Anorganischen und der Organischen Chemie zu finden"'. Es sind dies die spe- ziellen digonalen (sp), trigonalen (sp') und tetraedrischen (sp') Hybrid-AOs, die schon 1928 von Pauling zur Erkla- rung der gerichteten Valenz in linearen ZLz-, ebenen ZL3- und tetraedrischen ZL4-Molekiilen eingefiihrt wurden'']. Wir nennen sie speziell, weil bei ihnen die Valenz- oder Inter~rbitalwinkel~~' alle gleich sind (180°, 120" bzw. ~ [*I Prof. Dr. W. A. Bingel Lehrstuhl fur Theoretische Chemie der Universitlt TarnmannstraDe 6, D-3400 Gattingen Prof. Dr. W. Liittke Organisch-chemisches lnstitut der Universitiit TammannstralJe 2, D-3400 Gattingen 109.5"). Da damit auch der prozentuale s- und p-Charakter festgelegt ist, enthalten diese speziellen Hybrid-AOs kei- nerlei freie Parameter mehr. Sie sind auBerdem dadurch ausgezeichnet, daB bei ihnen aus Symmetriegriinden Bin- dungs- und Valen~winkel~~l iibereinstimmen miissen. Bindet das Zentralatom Z dagegen verschiedenartige Li- ganden, L, L', L" usw., so werden die Bindungswinkel je nach der Natur der Liganden mehr oder weniger stark von diesen speziellen Werten abweichen. Man benotigt allge- meinere Hybridorbitale, bei denen die Parameter (Valenz- winkel sowie s- und p-Charakter) noch - innerhalb gewis- ser Grenzen - frei variabel sind, um sie dem jeweiligen Molekiil anpassen zu konnen. Eine Reihe solcher Hybridorbitale fur ebene ZL2L'-Mo- lekiile wie F2C=0 oder pyramidale ZL3L'-Molekiile wie CH3CI wurde in den Jahren zwischen 1930 und 1950 be- s~hrieben[~-~,~~l, doch fehlt bis heute eine einheitliche und uollstundige Darstellung. Sie sol1 in diesem Beitrag gege- ben werden. Im zweiten Abschnitt werden zunachst die Formeln fur beliebige Hybridorbitale, die aus s- und p-Orbitalen erhal- ten werden, zusammengestellt, einschlieBlich der Neben- 944 0 Verlag Chemie GmbH, 0-6940 Weinheim, 1981 0044-8249/81/1111-0944 $ 02.50/0 Angew. Chem. 93, 944-956 (1981)

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Page 1: Hybridorbitale und ihre Anwendungen in der Strukturchemie

1241 G . Winter, S. Fields. Nucleic Acids Res. 8. 1965 (1980). 1251 D . C . Shaw, J . E. Walker, F. D . Northrop, B. G. Barrell. G. N. Godson, J.

1261 G . J . SteSfeens, G. Buse, Hoppe-Seyler's Z. Physiol. Chem. 360, 613

[271 B. G . Barrell, A . T. Bankier. J . Drouin, Nature 282, 189 (1979). [281 I . G. Young. S. Anderson, Gene 12, 257 (1980). 129) G . Macino, G . Coruzzi, F. G . Nobrega, M. Li, A . Tzagoloff; Proc. Natl.

[30] G . Macino, A . Tzagoloff; Proc. Natl. Acad. Sci. USA 76, 131 (1979). [31] R. Staden, Nucleic Acids Res. 8, 817 (1980). 1321 M. H. L. de Bruijn. P. H . Schreier. I . C. Eperon, B. G. Barrell, E. Y.

Chen, P. W . Armstrong, J. F. H. Wong, B. A . Roe, Nucleic Acids Res. 8, 5213 (1980).

C . Fiddes, Nature 272, 510 (1978).

(1979).

Acad. Sci. USA 76, 3784 (1979).

[331 P. Arcari, G. G. Brownlee. Nucleic Acids Res. 8, 5207 (1980).

1341 B. G. Barrell, S. Anderson, A . T. Bankier, M. H . L. de Bruijn, E. Chen, A . R . Coulson. J. Drouin, I . C . Eperon, D. P. Nierlich. B. A . Roe, F. Sanger, P. H. Schreier, A . J . H . Smith, R . Staden, I. G. Young, Proc. Natl. Acad. Sci. USA 77, 3164 (1980).

[35] J. E. Heckman, J . Sarnoff; B. Alzner-De Weerd, S. Yin, U. L. RajBhan- dary, Proc. Natl. Acad. Sci. USA 77, 3159 (1980).

1361 S. G. Bonitz, R . Berlini, G. Coruzzi, M. Li, G. Macino, F. G . Nobrega. M. P. Nobrega, B. E. Thalenfeld, A . Tzagoloff; Proc. Natl. Acad. Sci. USA 77, 3167 (1980).

[37] J. Montoya, D. Ojala, G. Attardi, Nature 290, 465 (1980).

[381 D. Ojala. J . Monloya. G . Affardi , Nature 290, 470 (1980).

Hybridorbitale und ihre Anwendungen in der Strukturchemie

Von Werner A. Bingel und Wolfgang Luttke[*]

Professor Oskar Glemser zum 70. Geburtstag gewidmet

Es wird eine einheitliche, systematische und vollstandige Ubersicht iiber die s-p-Hybridor- bitale gegeben, mit denen ein Zentralatom Z iiber o-Bindungen mit zwei bis vier Liganden L verkniipft ist. Dabei werden samtliche moglichen Symmetriefalle behandelt: bei Viererko- ordination von T,-Symmetrie bei ZL,-Molekiilen bis zum asymmetrischen Fall bei vier ver- schiedenen Liganden; bei Dreierkoordination von D,,-Symmetrie bei ZL3- bis zu C,-Sym- metrie bei ZLL'L"-Molekiilen. Fur einige Falle werden die Formeln erstmalig angegeben. Dabei wird gezeigt, daI3 die allgemeinsten sp3- und sp2-Hybride noch drei bzw. zwei freie Parameter enthalten. Das Auftreten von Hybridorbitalen beim Ubergang von der ,,delokali- sierten " zu einer ,,lokalisierten " Beschreibung der Bindungsverhaltnisse wird anhand von Beispielen erlautert. SchlieI3lich werden Anwendungsmoglichkeiten bei der Beschreibung der Bindungsverhaltnisse von Molekiilen und der Interpretation der Ergebnisse spektrosko- pischer Methoden zur Bestimmung der Molekiilstruktur aufgezeigt sowie durch einige Bei- spiele illustriert.

1. Hybridorbitale friiher und heute

Die s-p-Hybridorbitale, rnit denen ein Zentralatom Z zwei, drei oder vier gleiche Ligandenatome L bindet, diirf- ten jedem Chemiker bekannt sein. Abbildungen ihrer raumlichen Anordnung und auch Formeln, mit denen sie durch das s- und die drei p-Atomorbitale (AOs) des Zen- tralatoms Z ausgedriickt werden, sind in vielen einfiihren- den Lehrbiichern der Allgemeinen, der Anorganischen und der Organischen Chemie zu finden"'. Es sind dies die spe- ziellen digonalen (sp), trigonalen (sp') und tetraedrischen (sp') Hybrid-AOs, die schon 1928 von Pauling zur Erkla- rung der gerichteten Valenz in linearen ZLz-, ebenen ZL3- und tetraedrischen ZL4-Molekiilen eingefiihrt wurden''].

Wir nennen sie speziell, weil bei ihnen die Valenz- oder Inter~rbitalwinkel~~' alle gleich sind (180°, 120" bzw.

~

[*I Prof. Dr. W. A. Bingel Lehrstuhl fur Theoretische Chemie der Universitlt TarnmannstraDe 6, D-3400 Gattingen Prof. Dr. W. Liittke Organisch-chemisches lnstitut der Universitiit TammannstralJe 2, D-3400 Gattingen

109.5"). Da damit auch der prozentuale s- und p-Charakter festgelegt ist, enthalten diese speziellen Hybrid-AOs kei- nerlei freie Parameter mehr. Sie sind auBerdem dadurch ausgezeichnet, daB bei ihnen aus Symmetriegriinden Bin- dungs- und Valen~winkel~~l iibereinstimmen miissen.

Bindet das Zentralatom Z dagegen verschiedenartige Li- ganden, L, L', L" usw., so werden die Bindungswinkel je nach der Natur der Liganden mehr oder weniger stark von diesen speziellen Werten abweichen. Man benotigt allge- meinere Hybridorbitale, bei denen die Parameter (Valenz- winkel sowie s- und p-Charakter) noch - innerhalb gewis- ser Grenzen - frei variabel sind, um sie dem jeweiligen Molekiil anpassen zu konnen.

Eine Reihe solcher Hybridorbitale fur ebene ZL2L'-Mo- lekiile wie F2C=0 oder pyramidale ZL3L'-Molekiile wie CH3CI wurde in den Jahren zwischen 1930 und 1950 be- s ~ h r i e b e n [ ~ - ~ , ~ ~ l , doch fehlt bis heute eine einheitliche und uollstundige Darstellung. Sie sol1 in diesem Beitrag gege- ben werden.

Im zweiten Abschnitt werden zunachst die Formeln fur beliebige Hybridorbitale, die aus s- und p-Orbitalen erhal- ten werden, zusammengestellt, einschlieBlich der Neben-

944 0 Verlag Chemie GmbH, 0-6940 Weinheim, 1981 0044-8249/81/1111-0944 $ 02.50/0 Angew. Chem. 93, 944-956 (1981)

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bedingungen, denen die in den Hybridorbitalen vorkom- menden Parameter geniigen mussen. Es wird sich zeigen, daB die allgemeinsten sp3-Orbitale, die also die maximal mogliche Anzahl noch frei wahlbarer Parameter enthalten, bisher noch gar nicht bekannt waren. Sie werden daher in den Abschnitten 2.1-2.1 1 erstmalig angegeben; der Voll- standigkeit halber sind dort auch die Ergebnisse fur die bisher schon bekannten allgemeinsten sp- und sp2-Hybrid- orbitale envahnt. Eine Ubersicht uber alle vorkommenden Falle (mit Beispielen) gibt Tabelle 1 (Abschnitt 2).

Zur Klarung der Begriffe sei schon hier darauf hinge- wiesen, daB z. B. rnit der Bezeichnung sp2 nicht, wie dies falschlich oft geschieht, nur die drei speziellen trigonalen Hybridorbitale, sondern auch die drei allgemeinen Hybrid- orbitale bezeichnet werden, zu deren Konstruktion insge- samt ein s- und zwei p-AOs verwendet werden. Die Auftei- lung etwa des s-AOs auf die drei Hybridorbitale ist bei den speziellen gleichmaJig (mit je 33%), bei den allgemeinen je- doch ~ngleichmaJig[~~.

Die hier diskutierten Hybrid-AOs von Z werden fur die Bildung lokalisierter o-Bindungen Z-L rnit den Liganden L benotigt. Daneben konnen naturlich auch noch (lokali- sierte oder delokalisierte) n-Bindungen zwischen Z und seinen Liganden gebildet werden, sofern dafiir noch geeig- nete Orbitale sowie Valenzelektronen verfugbar sind.

AuDerdem konnen eine oder auch mehrere o-Bindungen zwischen Z und den Liganden L durch einsame oder ,,freie" Elektronenpaare E an Z ersetzt werden. So lassen sich die Hybrid-AOs von ZLzI.&Molekulen auch fur die Bindungen in ZL2E2-Molekulen wie H 2 0 , die Hybrid-AOs von ZL3L'-Molekulen fur ZL3E-Molekiile wie NH3 ver- wenden usw.

Der Leser mag kritisch fragen, ob in der heutigen Quantenchemie Hybridorbitale noch von solcher Bedeu- tung sind, daB ein eigener Artikel iiber diesen doch recht speziellen Gegenstand gerechtfertigt ist. Hybridorbitale spielen als Basisfunktionen bei Molekulberechnungen mit der ,,valence bond"-(VB-)Methode eine wichtige Rol- le[8-101. Bei den heute fast ausschlierjlich verwendeten Mo- lekulorbital-(MO-)Methoden kommen sie jedoch zunachst einmal nicht vor; die MOs werden vielmehr durch unhy- bridisierte AOs der beteiligten Atome beschrieben. Diese MOs sind delokalisiert, d. h. sie erstrecken sich uber das ganze Molekiil, und zwar auch bei gesattigten Verbindun- gen. Will man also die Ergebnisse solcher Rechnungen mit den ublichen chemischen Vorstellungen in Einklang brin- gen, so mussen die MOs durch eine geeignete Transforma- tion lokalisiert ~erden[" - '~ ] (siehe unten). In Analogie zu dem Valenzstrich des Chemikers werden so lokalisierte Zweizentren-MOs erhalten, die jetzt durch Hybrid-AOs der benachbarten Atomzentren ausgedriickt sind, sowie lo- kalisierte Einzentren-Hybridorbitale fur die ,,einsamen" oder ,,freien" Elektronenpaare. Diese Lokalisierung 1aBt sich im allgemeinen gerade furjene Molekiile durchfiihren, deren Bindungsverhaltnisse der Chemiker durch eine ein- zige Valenzstrichformel darstellt.

DaB in solchen Fallen die lokalisierte und die delokali- sierte Beschreibung vollig uquioalent sind, ist schon in der Friihzeit der Theoretischen Chemie erkannt worden. Der Grund dafur scheint jedoch auch heute noch nicht allge- mein bekannt zu sein. Deshalb sol1 an einfachen Beispie- len versucht werden, diesen Grund zumindest plausibel zu

machen. Eingehender wird dieses Problem in der theore- tisch-chemischen Literatur behandelt[''. 16].

1.1. Lokalisierte und delokalisierte Orbitale

Betrachten wir das Stickstoffmolekul N=N, so erwartet der Chemiker, die folgenden lokalisierten Orbitale vorzu- finden: 1) fur die K-Schalen der beiden Atome je ein ls- AO; 2) zwei Hybrid-AOs fur die beiden ,,freien" Elektro- nenpaare; 3) ein o- und zwei n-MOs, die zusammen die Dreifachbindung bilden. Das gibt die in (1) beschriebene MO-Konfiguration (der Exponent 2 zeigt die doppelte Be- setzung fur jedes Orbital an).

Eine MO-Rechnung fuhrt dagegen zunachst zu einer ande- ren, mehr delokalisierten Beschreibung durch ,,kanoni- sche" MOs, die alle zweizentrig sind:

Trotzdem werden alle chemischen Eigenschaften des N2- Molekiils durch (1) oder (2) in vollig aquivalenter Weise beschrieben. Betrachten wir etwa den Beitrag der beiden energetisch niedrigsten Orbitale zur Elektronendichte: In der delokalisierten Beschreibung (2) sind dieselben in gu- ter Naherung durch die LCAO-Formen

(3)

gegeben, und ihr Beitrag zur Elektronendichte ist die zwei- fache Quadratsumme

Setzt man in GI. (4) die Ausdriicke (3) ein, so ergibt sich unter Verwendung der algebraischen Identitat

(U +b)'+(u - b)'=2~'+26'

daB Ap nach GI. (4) mit Ap nach GI. ( 5 ) identisch ist.

Ap = 2(ls: + 1s;) ( 5 )

Dies ist genau der Anteil der Ladungsdichte p. den die bei- den K-Schalen von (1) zu p beitragen. Auch fur die restli- chen Orbitale von (1) und (2) IaBt sich zeigen, daB sie durch eine Verallgemeinerung der Transformationsglei- chungen (3) so ineinander umgewandelt werden konnen, daD auch ihr Beitrag zur Ladungsdichte nach beiden Bildern gleich ist.

Als zweites Beispiel betrachten wir das Wassermolekul. Die lokalisierte Beschreibung, die der Valenzstrichformel

(6 )

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entspricht, wird durch die MO-Konfiguration

beschrieben, in der b, und b2 die Zweizentren-Orbitale der beiden OH-Bindungen und n, und n2 die Einzentren-Hy- bridorbitale fur die beiden einsamen Elektronenpaare am 0-Atom sind.

Durch eine SCF-MO-Rechnung werden dagegen fiinf doppelt-besetzte MOs erhalten, die zu einer der vier Sym- metrierassen der Symmetriegruppe Czv von (6) gehoren, was anstelle von (7) zu der MO-Konfiguration

fiihrt. Diese kanonischen MOs haben in einem ,,minima- len" AO-Basissatz die LCAO-Formen

Das energetisch niedrigste la,-MO ist nach (9a) in guter Naherung rnit dem 1s-Orbital des Sauerstoffatoms, und das Ibl-MO ist aus Symmetriegriinden exakt rnit dem senkrecht zur Molekiilebene orientierten [vgl. (6)] 2p,-A0 des 0-Atoms identisch. Die iibrigen drei MOs sind dage- gen gemaD G1. (9b, c) viillig, d. h. iiber alle drei Atome de- lokalisiert. Durch eine GI. (3) verallgemeinernde Transfor- mation konnen jedoch diese drei MOs zusammen rnit dem lb,-,,MO" von GI. (9d) durch vier weitgehend Iokalisierte MOs ersetzt werden, die rnit den vier ,,hochsten" MOs der lokalisierten Beschreibung (7) fast identisch sind. Genauer gesagt erhalt man so das eine OH-Bindungsorbital der Form

und ein dazu aquivalentes (B,) fur die andere OH-Bin- dung, das aus GI. (10) durch die Vertauschung l c t2 her- vorgeht ; daneben entstehen zwei Einzentren-Hybrid-AOs, N, und N2, fur die einsamen Elektronenpaare. Die Ein- schrankung ,,fast" zeigt sich bei dem Vergleich von B1 und b,: 1) Das Hybrid-A0 hl in GI. (10) weicht von der Bin- dungsrichtung OH' etwas ab, d. h. der Interorbital- oder Valenzwinkel ist im allgemeinen nicht rnit dem Bindungs- winkel Q H'OH2 identisch (,,gebogene" Bindungen, siehe Abschnitt 3); 2) B, ist nicht uollig in der OH'-Bindung lo- kalisiert, es besteht ein - allerdings in der Regel kleiner - ,, Lokalisationsdefekt", der in einem kleinen, aber nicht verschwindenden Wert des Koeffizienten y fur das ,,fal- sche" H-Orbital in GI. (10) zum Ausdruck kommt.

Werden diese fast immer kleinen Korrekturen ignoriert, so sind auch bei diesem Beispiel die lokalisierte und die delokalisierte Beschreibung der Bindungsverhaltnisse vol- lig aquivalent.

Vom Speziellen zum Allgemeinen gehend laBt sich sa- gen, darj diese Aquivalenz fur alle Zustande - nicht not- wendigerweise Grundzustande - von Molekiilen rnit gera- der Elektronenzahl und abgeschlossenen Schalen (doppelt- besetzten MOs) giiltig ist, die durch eine einzige Valenz-

strukturformel beschrieben werden konnen. Wenn bei sol- chen Molekiilen durch Ionisation oder Anregung eines Elektrons die Doppelbesetzung der delokalisierten MOs teilweise verlorengeht, so ist fur die so entstehenden Zu- stande des Molekiilions oder fiir angeregte Zustande des Molekiils eine lokalisierte Beschreibung im allgemeinen nicht mehr moglich. Als Beispiel hierfiir kann die Interpre- tation des ESCA-Spektrums von H 2 0 dienen"']. In den drei Zustanden von H 2 0 + , die durch Austritt eines Elek- trons aus einem der drei delokalisierten MOs 2a,, 1b2 und 3a, von (8) entstehen, laBt sich eine Transformation auf lo- kalisierte MOs von H 2 0 + nicht mehr durchfiihren. Der Grund ist einfacher bei dem Zustand von N: zu illustrie- ren, der dem 1s-,,peak" im ESCA-Spektrum von N2["] ent- spricht. Es wird hier eines der beiden, energetisch niedrig- sten, eng beieinanderliegenden (Abstand 0.1 ev) MOs von (2) ionisiert. Das entstehende hochangeregte N: be- findet sich dann in einem der Zustande

oder

rnit den folgenden Beitragen zur Elektronendichte fur (1 1) bzw. (12):

Ap = 2. (10~)' + 1 . (lou)' Ap= 1 .(lO,)'+2.(1O,)Z

Die gleiche Umrechnung, die beim N2 von GI. (4) zu G1. ( 5 ) fiihrt, gibt hier

Ap = (1 s,)' + IS^)' + (10,)' bzw. ( 1 ~ ~ ) ~ + (1sb)' + (10,)' (14)

d. h. zwei Elektronen sind in den jetzt einfach besetzten K- Schalen lokalisiert, wahrend sich das dritte in beiden Fill- len in einem delokalisierten Zweizentren-MO befindet. Dieser Sachverhalt kann auch rnit Valenzstrichformeln ge- deutet werden: Die Zustande (11) und (12) von N: kon- nen nicht mehr durch eine einzige Valenzstruktur beschrie- ben werden. Vielmehr sind die beiden Strukturen (A) und (B) erforderlich, die nur ein Elektron in jeweils einer der beiden K-Schalen enthalten.

(A) 6-N N=d (B)

,,Resonanz" oder Mesomerie zwischen diesen beiden Grenzstrukturen fiihrt dann zu den VB-Wellenfunktionen (A) + (B) und (A) - (B), die (1 1) bzw. (12) entsprechen.

Dieser Exkurs iiber die Beziehung zwischen delokali- sierter und lokalisierter Beschreibung der Bindungsver- haltnisse von Molekiilen sol1 zugleich das oben erwahnte notwendige Auftreten von Hybridorbitalen bei der Lokali- sierung illustrieren. Daher haben Hybrid-AOs auch bei den heutigen quantenchemischen Rechnungen einen fe- sten Platz, sollen diese in einer Sprache erlautert werden, die dem Chemiker vertraut ist.

Dariiber hinaus werden sie bei der Interpretation von Ergebnissen spektroskopischer Methoden der Strukturbe- stimmung benutzt: In der NMR-Spektroskopie schlieBt man von gemessenen CH- und CC-Kopplungskonstanten

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auf den prozentualen s-Charakter von Hybridorbitalen der beteiligten Bindungen['*]; aus gemessenen Kernquadrupol- kopplungskonstanten werden - unter Verwendung von Hybridorbitalen - Bindungswinkel und der prozentuale Ionencharakter von Bindungen ermittelt["]. Sie werden auch bei der Diskussion von Bindungslangen[zol, von Kraftkonstanten und Dipolmomenten[211 sowie von ande- ren Molekulkonstanten herangezogen.

Zwar sind die dabei verwendeten Zusammenhange zwi- schen gemessenen und errechneten Werten oft nur nahe- rungsweise gultig; sie sind aber die einzige Deutungsmog- lichkeit in all den Fallen - und das ist die Mehrzahl -, in denen eine direkte quantenmechanische ab-initio-Berech- nung dieser MeBgroBen mit ausreichender Genauigkeit auch heute noch nicht moglich ist. Auf diese Anwendun- gen wird in Abschnitt 3 noch naher eingegangen.

1.2. Konstruktion von s-p-Hybridorbitalen

Das Zentralatom Z stellt sein s-Orbital und die drei p- Orbitale seiner Valenzschale zur Verfugung. Dabei trans- formieren sich die drei reellen und normierten p-AOs

bei Drehungen wie Einheitsvektoren in den drei Achsen- richtungen. Daher laat sich das Orbital pi. dessen Symme- trieachse mit einer beliebigen Valenzrichtung i - beschrie- ben durch den Einheitsvektor q - zusammenfallt, in der Form

d. h. als Skalarprodukt von q mit dem Zeilen-,,Vektor" p schreiben. In Abbildung 1 ist diese Konstruktion fur den

i i

Abb. 1. p-Orbital in der xy-Ebene, dessen Valenzrichtung n mit der x-Achse den Winkel a bildet. GI. (16) hat hier die spezielle Form p = p. cOsa + p,sina.

Spezialfall eines sich in der xy-Ebene erstreckenden p-Or- bitals erlautert.

Ein s-p-Hybridorbital in der Richtung i ist dann von der Form

mit dem Hybridisierungsparameter Ai 1 O'z21, dem s-Anteil 1/(1 +At) und dem p-Anteil Af/(l Durch den Wur-

zelfaktor wird hi auf 1 normiert. Der kleinstmogliche Wert Ai = 0 gibt das reine s-Orbital und Ai = 00 das reine, d. h. unhybridisierte p-Orbital. Aus einem s- und drei p-AOs lassen sich so vier Hybrid-AOs (17) mit vier Valenzrichtun- gen ( i= 1, 2, 3, 4) bilden.

Denkt man sich - zur Veranschaulichung - das Zentral- atom Z in den Mittelpunkt einer Einheitskugel gelegt, so befinden sich die Spitzen der von Z ausgehenden vier Va- lenzrichtungsvektoren ni auf dieser Kugel und bilden dort die Ecken eines spharischen Vierecks.

Der Winkel zwischen den Valenzrichtungen i und j ist der Valenzwinkel O,, der als Seite oder Diagonale dieses spharischen Vierecks gedacht werden kann (Abb. 2).

L

Abb. 2. Das von den vier Valenzrichtungen gebildete sphtlrische Viereck und die sechs Valenz-, d. h. Interorbitalwinkel O,,.

Die vier Hybrid-AOs h, in (17) mussen - wie die unhy- bridisierten s- und p-AOs auch - zueinander orthogonal sein, d. h., daB das uber den ganzen Raum erstreckte Inte- gral

IIjh,h,dxdydz=O fur alle i+j (18)

Unter Beriicksichtigung von G1. (17) und der Normierung der AOs folgt daraus

I+A,AJIjIp,p,dxdydz=O fur alle i+j (19)

Das Integral in GI. (19) ist dabei - wie aus GI. (16) folgt - gleich cos 0,. Man erhalt so die sechs Orthogonalitatsrela- tionen (OR)

(20) cosOij= - I/A,AJ fur alle i+j

Zwei weitere Nebenbedingungen ergeben sich aus der For- derung, daB die Summe aller s-Anteile in den vier Hybrid- AOs 1 und die der p-Anteile 3 sein muB [GI. (21a, b)].

Eine vorlaufige Bilanz konnte so zu ziehen sein: Es gibt sechs 0- und vier A-Werte, insgesamt also zehn Parameter. Diese mussen noch den sechs OR von GI. (20) und den beiden Bedingungen von GI. (21a, b) genugen. Also ver- bleiben 10 - 6 - 2 = 2 unabhangige Parameter.

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Diese Uberlegung ist jedoch aus mehreren Griinden falsch: Erstens wird selbst ein allgemeines spharisches Viereck (Abb. 2) nicht durch sechs, sondern schon durch funf Parameter festgelegt: Die vier Seiten und eine Diago- nale in Abbildung 2 bestimmen bereits die zweite Diago- nale. Zweitens gibt es selbst in einem Molekul mit vier ver- schiedenen Liganden wie ZLL'L"L"' nicht funf, sondern nur drei unabhangige Valenzwinkel 0,, da die spezielle Form der OR in GI. (20) bedingt, daD die schon von uan Heck angegebene Identitat

erfullt sein mu13. Fur die Valenzwinkel 0, sind dies zwei zusatzliche Bedingungen, die die obige Reduktion von funf auf drei erklaren.

Andererseits gibt es auch nicht 4 - 2 = 2 unabhangige Werte fur A, sondern ebenfalls derer drei, da auch die bei- den Nebenbedingungen (21a, b) nicht voneinander unab- hangig sind. 1st die eine erfullt, so gilt auch die andere au- tomatisch.

Wenn es nun moglich ist, zum einen aus drei voneinan- der unabhangigen Valenzwinkeln 0 die restlichen drei Winkel sowie alle Werte fur il und zum anderen bei Vor-

gabe von drei unabhangigen Werten fur il den vierten und alle sechs Winkel 0 zu bestimmen, so sollten die allgemein- sten sp3-Hybridorbitale in jedem Fall drei unabhiingige Pa- rameter enthalten. DaB dies in der Tat der Fall ist, wird im Abschnitt 2.1 gezeigt.

Neben den Gleichungen (20) bis (22) mussen die Hybri- disierungsparameter ili auch noch die folgenden Unglei- chungen erfullen:

A, 2 0 fur alle i A , A i 2 1 fur alle Paare i, j mit i + j

Die Ungleichung (23) wurde schon vorher als Konvention eingefiihrt[*'I. GI. (24) folgt aus den GI. (20), d a der cos fur reelle Winkel 0 nur Werte zwischen -1 und +1 anneh- men kann. Hierdurch werden die zulassigen 1-Werte auf gewisse Intervalle der positiven A- Achse beschrankt. SchlieDlich folgt aus G1. (20) und (24), daD cosOij negativ ist, die Valenzwinkel

Mit Kenntnis obiger Beziehungen konnen wir nun in den folgenden Abschnitten die allgemeinsten Hybridorbi- tale und deren Spezialfalle ableiten.

c

selbst also 290' sein mussen.

In Tabelle 1 sind alle moglichen sich so ergebenden Falle zusammengefaflt.

Tabelle 1. Zusammenstellung aller moglichen HybridisierungsRlle mit der Zahl der unabhdngigen Bindungs- (a) und Valenzwinkel (a'"') sowie der Hybridisie- rungsparameter A.

Hybri- Fall Sym- Molekul disierung [bl metrie

Zahl der unabhhngigen Werte fur a a"rl A

Beispiele

SP

SP2

1 2

3

C," LZL' D-h LZL

C, ,z-L L'\

L"

0 0 0 0

2 2

1 OCS, N20, HCN 0 OCO, NT

Me

F 2 o=c:

4 C2" 2-L' 1 1 1 H2C=CH2, H 2 C = 0 L\

L'

5 D3 h z-L 0 0 0 CO:-, BF3 L\

L'

6 L L" \Z'

L , / 'L,'

L , ,L"

L , / \ z

L"'

5

4

3

3

3

3 ?

8 C, ,z\ 3 2 2 CH,CIBI L\ ,L'

L L"

9

L 10 C3" L ~ Z - L ' 1 1 1 CH,CI

L'

I I Td 0 0 0 CHI, NH:, C(Me)4 L\ ,L

L"\L

[a] In diesem (hypothetischen?) Fall ist der Diederwinkel zwischen den Ebenen LZL"' und L'ZL" gleich 90". [b] Die Fallbezeichnungen stimmen mit denen der entsprechenden Teile des zweiten Abschnitts iiberein.

948 Angew. Chem. 93, 944-956 (1981)

Page 6: Hybridorbitale und ihre Anwendungen in der Strukturchemie

2. Typen von Hybridorbitalen

2.1. Die allgemeinsten digonalen sp-Hybridorbitale der Symmetrie C,,

hinzu tritt h4=pr, also A,= 03 (siehe Abschnitt 2.1). Daher sind die drei OR

Die Form von zwei allgemeinen, d. h. nicht aquivalenten kollinearen Hybridorbitalen ist seit langem bekannt[’]. Das Hybridorbital

d. h. p, = pz, wird durch das ,,Ortho-Hybrid“ mit p, = - p, und A,= l / A l (nur ein freier Parameter)

so erganzt, daB sich die s- und die p-Anteile beider zu 1 addieren. Die beiden noch nicht beanspruchten p-AOs, h3 = px und h4 = py, des Zentralatoms Z stehen zur Bildung von n-Bindungen rnit den beiden Liganden in linearen LZL’-Molekulen, z. B. OCS, zur Verfugung. Da fur die rei- nen p-AOs A3=A4= 03 (siehe Abschnitt 1.2), sind sowohl die sechs OR [Gl. (20)] und die beiden Nebenbedingungen (21a, b) als auch die Ungleichungen (23) und (24) erfullt. Dabei sind die Valenzwinkel in GI. (20) und (22) bei der hier vorliegenden linearen Anordnung OI2 = 180” und fur alle anderen Paare 0, = 90”.

2.2. Die speziellen digonalen sp-Hybridorbitale der Symmetrie Dmh

Bei zwei gleichen Liganden, wie im CO,-Molekul, erhoht sich die Symmetriegruppe auf Dmh, und die beiden Hy- brid-AOs (25a, b) mussen uquiualent werden, d. h. A, = l /A, oder A:= 1, was nach GI. (23) A1 = + 1 zur Folge hat. Man erhalt so die beiden digonalen sp-Hybridorbitale di, und di,:

2.3. Die allgemeinsten sp’-Hybridorbitale der Symmetrie C.

Sie treten bei planaren Molekulen rnit drei verschiede- nen Liganden (ZLL’L’’) auf. Die drei Hybrid-AOs in der x,y-Ebene (Abb. 3a) sind alle von der Form der GI. (17);

b)

, !

L

Abb. 3. a) Die drei allgemeinsten planaren spZ-Hybride mit C,-Symmetne. b) Spezielle sp2-Hybride fur L2ZL’-Molekiile mit C2,-Symmetne.

cosOi4=O i = l , 2, 3

ebenso wie die van-Vleck-Identitat [Gl. (22)] automatisch erfullt. Von den verbleibenden drei OR

sind nur zwei voneinander unabhangig, da

Die Bedingungen (21a, b) nehmen, da A,= m, hier die fol- gende Form an:

In diesem Falle existieren also nur zwei unabhangige Hy- bridisierungsparameter, z. B. A, und A,. Sind diese vorgege- ben, so sind die drei Valenzwinkel rnit GI. (27a-c) zu be- rechnen.

Sind umgekehrt zwei unabhangige Valenzwinkel 0 be- kannt, so lassen sich die drei A-Werte aus den Ausdriik-

a:= -coso23/cos~lzcos~lj a:= - coso31/cos~z3cos~z1 a:= -coso,z/cos~31 c o s ~ 3 2

bestimmen, die aus den Gleichungen (27) durch Auflosen nach den einzelnen Ai erhalten werden. Alle drei Hybridi- sierungsparameter A genugen dabei den Nebenbedingun- gen (28a, b). Damit ist die in der Einleitung aufgestellte Behauptung bewiesen, dab die allgemeinsten sp2-Hybrid- AOs zwei freie Parameter enthalten.

Aus den Gleichungen (29) laDt sich noch ein expliziter Ausdruck fur das allgemeinste Hybridorbital h, ableiten:

rnit der Abkurzung

N = (- cos 0 1 2 cos 0 2 3 cos 0 3 , ) ’ / 2 (30b)

Die expliziten Ausdriicke fur h2 und h3 folgen aus den Gleichungen (30a, b) durch ein- bzw. zweimalige cyclische Vertauschung der Indices 1-+2-+3+1.

2.4. Die sp’-Hybridorbitale fur LZL-Molekiile mit C2,-Symmetrie

Diesen Spezialfall rnit zwei iiquiualenten Hybrid-AOs fur die beiden gleichen Liganden erhalt man aus den Formeln von Abschnitt 2.3 mit A2=A3=A. Dann folgt aus G1. (27a-c), da13 @ 2 3 = 2 d und @12=@31= 180” -a, d. h., daB die beiden aquivalenten Hybridorbitale h2 und h3 gleiche Winkel mit der Symmetrieachse einschlie13en (Abb. 3b).

Angew. Chem. 93, 944-956 (1981) 949

Page 7: Hybridorbitale und ihre Anwendungen in der Strukturchemie

Insgesamt ergeben sich fur diese einparametrigen Hybrid- AOs folgende explizite F~rmeln~’~:

atom ware dann trotz nur dreier verschiedener Liganden- sorten chiral, bei symmetrischer Lage der beiden gleichen Liganden prochiral.

h , = (cosa . s + (- cos 2a)”’ p,)/sina hi = (( - c0s2a)”~. s + pi) / l /Zsina i = 2, 3

2.8. sp3-Hybridorbitale fur L,ZL’L”-Molekule mit C,-Symmetrie

2.5. Die speziellen trigonalen sp2-Hybridorbitale mit D3,-Symmetrie

Sie werden aus den Gleichungen (31a, b) fur a=60° er- halten, und sie enthalten keinen freien Parameter mehr. Ihre Form istI2]:

2.6. Die allgemeinsten sp3-Hybridorbitale der Symmetrie C,

Fur sie gelten die Gleichungen (20) bis (22) von Ab- schnitt 1.2. Dort wurde auch gezeigt, daI3 es nur drei unab- hangige Valenzwinkel 0, oder Hybridisierungsparameter ili gibt. Es bleibt zu beweisen, daI3 es bei Vorgabe des einen oder anderen Parametersatzes moglich ist, alle ubrigen Pa- rameter eindeutig zu bestimmen.

Wenn vier Werte fur il, die der einen Nebenbedingung (21a) sowie den Ungleichungen (23) und (24) geniigen

Normalerweise sind die beiden gleichen Liganden L spiegelbildlich zu der durch L‘, Z und L“ definierten Ebene angeordnet, d. h. sie befinden sich an aquivalenten Positio- nen im Molekiil. Das spharische Viereck von Abbildung 2 nimmt dann die spezielle Form an, wie sie in Abbildung 4a dargestellt ist, woraus sich ergibt, daI3 OI2 = 0 1 3 = 0 und @24=@34=8 ist. Von den sechs OR von G1. (20) werden je zwei Paare identisch:

cos@= -1/A,A2= -1/A,A3 cos$= - 1/A2A4= - I/A3A4

d. h., es ist i12 = A 3 =A. Den beiden gleichen Liganden sind natiirlich auch aqui- valente Hybrid-AOs zugeordnet. Die zwei freien Parameter sind entweder die beiden Winkel 0 und 8, aus denen man die Werte von ili nach GI. (32) unter Erfiillung von GI. (21a) bestimmen kann, oder die beiden Hybridisierungspa- rameteril, aus denen die beiden Winkel nach GI. (21a) und (33a, b) erhalten werden konnen.

mussen, vorgegeben sind, so lassen sich alle sechs Valenz- winkel aus den OR nach GI. (20) bestimmen. Die Identitat a) (22), die ja eine Konsequenz der speziellen Form der OR ist, ist dabei automatisch erfiillt.

Sind umgekehrt drei Valenzwinkel, z. B. eI2, 0 2 3 und 03,, vorgegeben, so lassen sich zunachst die Werte fur il aus den die Gleichungen (29a-c) verallgemeinernden Re- 3 lationen

(I bl I I I I

X A: = - cos @,k/cos @(I cos @,k (32)

bestimmen. Hierbei ist das Indextripel i, j , k irgendeine Auswahl von drei Zahlen aus der Indexmenge 1, 2, 3, 4. Die restlichen drei Valenzwinkel rnit i = 1, 2, 3 erhalt man dann aus den OR nach GI. (20).

Aus den Gleichungen (20) bis (22) und (32) lassen sich speziellere sp3-Hybridorbitale ableiten (Abschnitte 2.7- 2.1 1).

2.7. Allgemeine sp3-Hybridorbitale fur ,,senkrechte“ ZLLL’L”-Molekule rnit C,-Symmetrie

Dieser Spezialfall, bei dem die beiden Ebenen LZL”’ und L‘ZL” zueinander senkrecht sind, ist nur der Vollstan- digkeit halber erwahnt. Beispiele sind nicht bekannt, daher wird auf Formeln verzichtet. Man erhalt sie - falls notig - aus denen des Abschnitts 2.6, wenn die beiden ,,digona- len“ Valenzwinkel O I 4 und 02, von Abbildung 2 senkrecht zueinander sind.

Eine rnogliche Realisierung ergabe sich bei den L2ZL’L”- Molekulen des nachsten Abschnitts, wenn die beiden glei- chen Liganden L nicht - wie dort angenommen - spiegel- bildlich, sondern unsymmetrisch zu der von L‘,Z,L” aufge- spannten Ebene angeordnet waren. Ein solches Zentral-

I I

Abb. 4. sp’-Hybride fur L,ZL’L”-Molekille mit C,-Symmetne. a) Die Valenz- winkel im spharischen Viereck. Die L-, L‘-, L”-Liganden befinden sich an den Ecken 2 und 3, 1, 4. b) Raumliche Onentierung im xyz-Koordinatensy- stem.

Fur eine Berechnung ist dieser Weg allerdings unzweck- maI3ig, da man in jedem Fall erst noch die beiden anderen Winkel 0 1 4 und 0 2 3 mit trigonometrischen Umformungen bestimmen muI3. Es fuhrt schneller zum Ziel, von den ex- pliziten Formeln (3 la, b) fur L2ZL’-Molekule auszugehen. Man mischt das hl-Hybrid von GI. (31a) in unsymmetri- scher Weise mit dem dort noch nicht benutzten pZ-AO, fiihrt also in Analogie zu den Gleichungen (25a, b) die neuen Hybridorbitale

und

950 Angew. Chem. 93, 944-956 (1981)

Page 8: Hybridorbitale und ihre Anwendungen in der Strukturchemie

rnit dem Mischungsparameter B (kein Valenz- oder Bin- dungswinkel!) ein. Zur Unterscheidung von den hi von GI. (31a, b) sind sie rnit Grorjbuchstaben bezeichnet.

Einsetzen von (31a) gibt die folgenden beiden nichtdqui- vafenten Hybridorbitale:

Die Valenzrichtungen n , und n4 beider Orbitale liegen in der xz-Ebene (vgl. Abb. 4b), die gleichzeitig die Spiegel- ebene des Molekuls ist, bilden aber unterschiedfich grorje Winkel mit der x-Achse:

sina (- cos2a)'/2

tg Ox4 = - ctgs

(354

Die beiden aquivalenten Hybridorbitale werden ungean- dert aus GI. (31b) ubernommen und jetzt, urn Ubereinstim- mung mit GI. (34a, b) zu haben, auch rnit Grorjbuchstaben bezeichnet :

Hi =(( - cos 2a)'/* . s + p,)/flsina i= 2, 3 (34c, d)

Ihre Valenzrichtungen n2 und n3 liegen in der xy-Ebene, spiegelbildlich zu der ox,-Spiegelebene (Abb. 4b).

Torkington hatte im Anhang I1 einer ArbeiP aus dem Jahre 1951 behauptet, es gebe ,,keinen Satz von vier sp3- Hybridorbitalen der Symmetrie C,". DaB diese Behaup- tung sowie der dafur gegebene Beweis falsch sind, wird durch die Gleichungen (34) explizit gezeigt. Die vier sp3- Hybridorbitale enthalten auch - wie behauptet - zwei Pa- rameter, den Bindungswinkel LZL = 023 = 2a sowie den Mischungsparameter p (der auf den Bereich 0 bis 45" be- schrankt werden kann).

Fur den Valenzwinkel 0 1 4 in Abbildung 4b erhalt man aus den Gleichungen (35a, b):

Folgende Spezialfalle sind - auch zur Uberpriifung der Richtigkeit der abgeleiteten Formeln - fur spezielle Werte des Mischungsparameters B von Interesse: 1) p = 0, also keine Mischung von h, und pz, gibt die ur-

spriinglichen sp2-Hybridorbitale (3 1) und das p,-Orbi- tal :

H,+h,, H4+pr, H2=h2 und H3=h3

2) 8=45", hier werden HI und H4 aquivalent und bilden nach GI. (35a, b) den gleichen Winkel rnit der x-Achse; so werden die Hybridorbitale von GI. (39) fur L2ZL2- Molekule erhalten.

2.9. sp'-Hybridorbitale fur L,ZL~-Molekule mit Czv-Symmetrie

4 Abb. 5. sp'-Hybride fur L2ZL;-Molekule mit C2,-Symmetrie. a) Darstellung des spharischen Vierecks; Q,2 = 180" - 20, Q34 - 180" - 20'. b) FUumliche Darstellung (0-Modell von van yleek [41).

Hier werden zwei Paare von je zwei aquivalenten Hy- brid-AOs benotigt. Daher setzt man A, =A2 =A, As =A4 = p und erhalt aus GI. (21a) folgende Beziehungen:

(37)

Von den OR bleiben drei ubrig, je eine fur die beiden ZL- und ZL'-Bindungen (Abb. 5a, b)

und eine zwischen beiden Gruppen, also fur den QLZL'=@

Eine langere Zwischenrechnung gibt die Endf~rmeln[~'

sowie die aus den Gleichungen (37) und (38) ableitbare Winkelbeziehung

aus der noch

folgt. Wieder ist alles durch einen Winkel, etwa w, festge- legt. Zu beachten ist zum einen, da13 nach GI. (41) IwI und 10'1 < 45" gelten murj, was bedeutet, darj rnit Hybriden aus s- und p-AOs Valenzwinkel <90° nicht ,,machbar" sind (siehe Abschnitt 1.2).

Die Winkel w und d sind - abweichend von van Vle~k[~] - so definiert, darj sie beide positiv sind. In Abbildung 5b muB also ein Hybridpaar in Richtung der negativen z- Achse w e i ~ e n [ ~ ~ ] .

Wird das Hybridorbital h, von GI. (31a) symmetrisch mit dem pZ-AO gemischt, so geben die beiden neuen Orbitale, (h, +pz)/$? und (h, -pz)/fl, zusammen rnit h2 und h3 von

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Page 9: Hybridorbitale und ihre Anwendungen in der Strukturchemie

G1. (31b) das gleiche Ergebnis (39a, b) wie obige Ablei- tung.

Setzt man A = p = 0, so erhalten wir den in Abschnitt 2.11 beschriebenen Spezialfall der tetraedrischen sp3-Hy- brid-AOs ohne freien Parameter (tgw =tgw'= l/fl).

2.10. sp3-Hybridorbitale fur L,ZL-Molekule mit C3,-Symmetrie

3

Abb. 6. sp'-Hybride fur L,ZL'-Molekiile mit C,,-Symmetrie. Es ist 2 cos 0 = 3 COS'3 - 1.

Dieser Fall erfordert drei aquivalente Hybridorbitale. Setzt man daher A, =i12=i13=12 und i14=p, so ergibt G1. (2 1 4

p = ( L ) ' I 2 und A=(,,) 3+2p2 A 2 - 2

Von den OR [Gl. (20)] werden je drei identisch; mit 0,2=023=03,=0 und Oi4=8 fur i = l , 2, 3 folgt

coso= - i/a2 cos8= - i/ap

sowie aus (42) und (43a, b) die Relation

2 cos 0 = 3 cos23- 1 (44)

die man aus dem spharischen Dreieck 1, 2, 4 von Abbil- dung 6 abliest. Nach kurzer Zwischenrechnung ergibt sichL4]

Alle Groljen sind damit durch den einen Valenzwinkel 9 ausgedriickt, der andere wird aus GI. (44) erhalten. Gibt man umgekehrt einen der beiden Hybridisierungsparame- ter il oder p vor, so ergibt sich der andere aus G1. (42) und die beiden Winkel aus (43a, b)["]. Wird A=p =fi gesetzt, so folgen aus den obigen Gleichungen die speziellen tetra- edrischen sp3-Hybridorbitale (siehe Abschnitt 2.1 l), da nach G1. (43) cosO=cos8= - 1/2 wird.

2.11. Die speziellen tetraedrischen sp3-Hybridorbitale fur Z4-Molekule der Symmetrie Td

Sie werden z. B. durch die am Ende von Abschnitt 2.10 angegebene Spezialisierung erhalten und haben die be- kannte Form:

(46) hi = 2 (1 + fi p,)

Die p-Orbitale des Zentralatoms weisen zu den Ecken ei- nes Tetraeders.

1 i = 1, 2, 3, 4

3. Anwendungen : Beispiele und Moglichkeiten

Da die Struktureigenschaften eines Molekuls durch des- sen Elektronenverteilung bedingt sind, und da die konsti- tuierenden Atome ihre Individualitat im Molekiilverband naherungsweise beibehalten (,,atoms in molecules"[261), tragt jedes Atom Z zur Gesamtstruktur des Molekiils ent- sprechend der Hybridisierung seiner Elektronenanord- nung bei. Daher sollten sich alle StrukturgroBen (beson- ders Geometrie, Energetik, Ladungsverteilung und folglich auch die Reaktivitat) durch den Charakter der an den Bin- dungen beteiligten Hybridorbitale beschreiben las- sen[lO. 16,271

3.1. Molekulgeometrie

Kovalente Molekiile zeichnen sich durch eine bestimmte geometrische Struktur aus, die sich im Auftreten gerichte- ter Bindungen und definierter Atomabstande auBert. Dies hat seine Ursache darin, da8 jeweils einer bestimmten raumlichen Anordnung der Kerne und der Elektronen eine Minimalenergie zukommt.

Soweit die Stereochemie eines Molekiils durch seine Bindungswinkel gegeben ist, wird sie durch die im Ab- schnitt 1.2 zusammengefaBten Beziehungen zwischen dem s- und p-Charakter der Hybridorbitale einerseits und den Valenzwinkeln andererseits beschrieben. Bekanntlich sind danach die Winkel der von einem Atom Z ausgehenden Bindungen umso groBer, je hoher der s-Charakter seiner Hybridorbitale ist. Fur sterisch spannungsfreie Verbindun- gen kommen nach neueren theoretischen Untersuchun- gen[27'281 die Bindungswinkel den Valenzwinkeln sehr nahe oder sind ihnen sogar gleich.

In Molekiilen mit Ringspannung weichen jedoch - nach Rechnung und Experiment - die Richtungen der Achsen der Hybridorbitale von denen der Atomverbindungslinien wesentlich ab (,,bent so hat man z. B. beim Cy- clopropan und seinen Derivaten Winkelabweichungen von etwa 22" e r r e ~ h n e t [ ~ ~ . ~ ~ - ~ ~ ] und durch Rontgen-Bestim- mung der sogenannten Deformationsdichte der Elektronen g e m e ~ s e n [ ~ ~ - ~ ~ ] . Es liegt auf der Hand, die GroBe dieser Winkelabweichungen zur Ringspannungsenergie in Bezie- hung zu setzen.

Das Vorkommen definierter, aber je nach Stoffklasse unterschiedlicher CC- und CH-Bindungdungen bei organi- schen Verbindungen, besonders bei Kohlenwasserstoffen, haben zuerst Coul~on[~'], dann besonders nachdriicklich Dewar und S~hmeising[~~] darauf zuriickgefuhrt, da8 dem C-Atom ein Kovalenzradius R, zukommt, der vom Charak- ter des Hybridorbitals abhangt: R, ist um so kleiner, je gro- Ber der s-Charakter des an der Bindung beteiligten C-Orbi- tals ist. Als Faustregel gilt, da8 die Lange beim Ubergang von einer sp3-sp3- zur sp2-sp2- und schlieBlich zur sp-sp- Bindung jeweils um ca. 0.04 A abnimmt; werden die CC- o-Bindungen au8erdem noch durch eine oder zwei n-Bin- dungen iiberlagert, so tritt eine zusatzliche Kontraktion

952 Angew. Chem. 93, 944-956 (1981)

Page 10: Hybridorbitale und ihre Anwendungen in der Strukturchemie

ein, die sich in konjugierten Verbindungen in schwache- rem MaDe auch auf formale Einfachbindungen erstreckt.

Fur die Abhangigkeit des Kovalenzradius R, des Atoms vom Hybridisierungsparameter A gilt nach Co~lson[~'~:

(47)

Diese Beziehung gilt nur fur die CC-Bindungen unge- spannter Verbindungen; sie gibt aber nicht die ungewohn- lich kleinen Bindungslangen gespannter Verbindungen rnit anomaler Hybridisierung (z. B. von Cyclopropan oder Bi- cyclobutan) wieder; deshalb haben MaksiC und Eckert- M a k ~ i C [ ~ ~ ] hierfur eine andersartige Gleichung vorgeschla- gen, die die Strecke langs der ,,bent bonds" durch eine Pa- rabel approximiert. Weitere Beziehungen fur R, = f(A) ha- ben Brown[401, Sornayajult~[~'~, Zeil et a1.[20a3421, Bak et a1.[20b~43,""1, M i k h a i l ~ d ~ ~ ~ , Dewar und Schrnei~ing[~~], Basti- ansen und Traetteberg[&I und andere angegeben. Im ubri- gen sei auf den Symposiumsbericht ,,An Epistologue on Carbon Bonds" v e r w i e ~ e d ~ ~ ] .

3.2. Molekulenergie

DaB nicht nur die Molekulgeometrie, sondern auch die Energie der einzelnen Bindungen vom Charakter der Hy- bridorbitale der an der Bindung beteiligten Atome ab- hlngt, hat Fiirster[81 schon 1939 am Beispiel gespannter und ungespannter Kohlenwasserstoffe dargelegt. Als Ursa- che unterschiedlicher Bindungsenergie erkannte er die je nach der Hybridisierung unterschiedliche Elektronen- dichte zwischen den gebundenen Atomen: Danach ent- sprechen einem hoheren s-Charakter starkere und schwe- rer dehnbare CC- und CH-Bindungen. Dies erklart sich als Folge des Prinzips der maximalen Uberlappung der Hybrid~rbitale[ '~.~~]. Besonders uberzeugend ist Forsters Analyse der Beobachtung, daB die Energie von CH-Bin- dungen und somit auch CH-Kraftkonstanten und Schwin- g u n g s f r e q ~ e n z e n [ ~ ~ * ~ ~ ~ durch den Hybridcharakter der an der Bindung beteiligten Orbitale der C-Atome bedingt sind.

3.3. Bindungspolaritiiten

Eine weitere wichtige Eigenschaft chemischer Bindun- gen ist ihre Po1aritut[16~51~521 , eine GroBe, die wesentlich durch die Elektronegatiuitut der beteiligten Atome be- stimmt wird. Wie besonders W a l ~ h ' ~ ~ ~ 1948 zeigte und Zeil(20aJ experimentell nachwies, ist die Elektronegativitat, die ein Atom in einer Bindung hat, umso hoher, je gr6Ber der s-Charakter seines an der Bindung beteiligten Hybrid- orbitals ist. Nach Hinze und Jaffh et a1.[54,551 wachst die Elektronegativitat eines C-Orbitals linear rnit seinem s- Charakter. Diesem neuerdings durch quantenchemische Analyse[561 bestatigten Prinzip entspricht es, daR bei An- gliederung eines elektronegativeren Substituenten an ein Kohlenstoff-Atom dessen Hybridorbitale derart polarisiert werden, daB der p-Charakter des auf den Substituenten ge- richteten C-Orbitals zunimmt. Nach GI. (21a) mu13 dann der p-Charakter der ubrigen Hybridorbitale dieses C- Atoms entsprechend ab- und ihr s-Charakter zunehmen.

Hierdurch andern sich nicht nur die Polaritaten, sondern auch die Langen und Winkel der Bindungen. Domenicano, Vaciago und Coulson[57~581 haben dies fur unterschiedlich substituierte Benzol-Derivate an vielen Beispielen uber- zeugend nachgewiesen.

3.4. NMR-Kopplungskonstanten

Die Hybridisierung pragt weitgehend auch die charakte- ristischen GroBen der Kernresonanzspektren. So konzen- trieren sich die 'H- und die '3C-NMR-Signale organischer Verbindungen nach ihrer chemischen Verschiebung in cha- rakteristischen, durch die Hybridisierung des C-Atoms be- stimmten Bereichen. Das gilt analog auch fur die HH-, die CH- und die CC-Kopplungskonstanten - dadurch bedingt, daB die Spin-Spin-Kopplung maBgeblich durch den s-An- teil der Bindungselektronen am Kernort vermittelt wird. Dementsprechend ist 'JcH nach GI. (48) dem s-Charakter des an der CH-Bindung beteiligten Hybridorbitals des C- Atoms[59~601, 'Jcc nach GI. (49) dem Produkt der s-Anteile der an der CC-Bindung beteiligten Hybridorbitale der C- Atome[28. 61-64 proportional. Die theoretische Begriindung dieser Beziehungen haben Pople et al. gegeben[64-66,'81.

Auf weitere rnit der Hybridisierung verknupfte Strukturei- genschaften kann hier nicht eingegangen werden; es sei dazu auf Ubersichtsartikel v e r w i e ~ e n [ ~ ~ . ~ ~ ] .

Bisher war dargelegt worden, wie sich Struktureigen- schaften durch die jeweilige Hybridisierung erklaren las- sen. Nun ist die umgekehrte Zielsetzung, die quantitative Kennzeichnung der Elektronenanordnung anhand experi- mentell bestimmter StrukturgroBen ins Auge zu fassen. Hierzu sind explizite Beziehungen Struktur-d (oder s- Charakter des jeweiligen Hybridorbitals) erforderlich, die es ermoglichen, aus Experimentaldaten Zahlenwerte etwa fur den s-Charakter aller Hybridorbitale eines Zentral- atoms Z oder fur die Abweichung zwischen Bindungs- und Valenzwinkeln zu gewinnen.

Quantitative Verknupfungen wie (47) sind - teils eher empirischer Natur, teils durch die Theorie begriindet - bis- her nur fur manche, nicht fur alle wichtigen und gut meB- baren StrukturgroBen bekannt. Auskunft uber die A-Werte erhalt man aus Bindungslangen rnit Formeln wie (47) und aus Bindungswinkeln rnit den Formeln des Abschnitts 2. Dabei werden am vorteilhaftesten die CCH-, HCH- oder CH3-Winkel benutzt, weil sich diese selbst bei gespannten Verbindungen im allgemeinen nur geringfugig von den fur den Hybridcharakter wesentlichen Valenzwinkeln unter- scheiden.

Der groBte Variationsbereich der Daten bei guter MeB- genauigkeit ist bei den NMR-Kopplungskonstanten 1J~~[59'601 und 'Jcc[18s631 zu finden; von diesen sind die CH-Kopplungskonstanten als Hybridisierungsindikatoren vorzuziehen, da sie nahezu nur durch den - von der C-Hy- bridisierung abhangigen - Fermi-Kontakt-Term bestimmt

wahrend sich auf 'Jcc alle drei moglichen Kopplungsmechanismen a ~ s w i r k e n [ ~ ~ - ~ ~ ] .

Angew. Chem. 93, 944-956 (1981) 953

Page 11: Hybridorbitale und ihre Anwendungen in der Strukturchemie

So lassen sich aus 'H-NMR-Messungen an Molekulen rnit natiirlicher 13C-Haufigkeit Kopplungskonstanten 'JCH erhalten, die in erstaunlich guter Weise gemM der empiri- schen Relation (48) dem s-Anteil 1/(1 +A2) des sp-Hybrid- orbitals des C-Atoms fur die lokalisierte CH-Bindung pro- portional sind159,60.661 . Es werden so experimentelle Werte fur A erhalten, aus denen mittels der hier zusammengestell- ten Formeln experimentelle Valenzwinkel ava' errechnet werden konnen, die dann rnit den aus anderen Experimen- ten erhaltenen Bindungswinkeln a zu vergleichen sind.

In ahnlicher Weise 1aBt sich - bei Beachtung der oben- genannten Einschrankungen - aus gemessenen CC-Kopp- lungskonstanten direkt gebundener C-Atome auf das Pro- dukt der s-Anteile der beiden an der CC-Bindung beteilig- ten Hybrid-AOs ~ c h l i e B e n [ ~ ' - ~ ~ , ~ ~ ] .

Hybridorbital-Daten, die so experimentell gewonnen werden, lassen sich zur Priifung von Theorien der chemi- schen Bindung und damit zusammenhangender Rechen- methoden verwenden, indem sie den durch quantenchemi- sche Rechnung (etwa nach dem Maximum-Overlap-Ver- fahren["I, nach der INDO-Meth~de[ '~l oder nach einer ab- initio-Methode rnit anschliefiender Lokali~ierung[~~]) ge- wonnenen Daten gegenubergestellt werden.

Bei der Suche nach Zusammenhangen zwischen Struk- tur und Hybridisierung haben Kleinring-Kohlenwasser- stoffe und unter ihnen die Bi-, Tri- und Tetracyclen stets das Interesse der The~re t iker l~~] , der Spektroskopiker und der praparativ arbeitenden Chemiker[73-s'1 herausgefor- dert, weil man es hier in der Hand hat, durch Variation der RinggroBe die Hybridisierung in weiten Grenzen und bis zu ,,abnormen" Werten zu verandern. Als weitere ,,Struk- tur-Variable" kann die Substitution durch polare Gruppen dienen, deren Effekte auf die o-Bindungen sich nach Walsh153,561 ebenfalls durch Hybridisierungsanderung er- klaren lassen.

Die Forderung, daI3 alle molekularen Strukturgrofien durch die Elektronenverteilung, bei Benutzung lokalisier- ter Orbitale also durch deren Hybrid-Charakter, bestimmt werden, kann schliefilich auch dazu verhelfen, daB zum Teil schon lange bekannte empirische Korrelationen zwi- schen experimentellen GroBen von der Theorie her verstandlich und damit besser nutzbar gemacht werden konnen.

Uber die empirischen Regeln der Molekiilspektroskopie fur zweiatomige Molekiile, anwendbar auch auf die ent- sprechenden Gruppen vielatomiger Molekule, berichteten Miiller und Brauer1821 zusammenfassend. Fur CH-Bindun- gen hat M ~ K e a n [ ' ~ ] vielfaltige, fur die Strukturbestimmung wertvolle Korrelationen zwischen den Schwingungsfre- quenzen und den Bindungslangen, Dissoziationsenergien und Kopplungskonstanten erarbeitet. Besondere Beach- tung verdient der neuerdings von Kamien~ka-Trela~~'~ auf- gefundene Zusammenhang zwischen CC-Kraftkonstanten und den CC-Kopplungskonstanten 'Jcc.

3.5. Bindungs- und Valenzwinkel

Was die Bindungswinkel und ihre Beziehung zu den Va- lenzwinkeln angeht, so lassen sich die in Tabelle l zusam- mengefaBten Falle in drei Gruppen einteilen:

1) In der ersten Gruppe findet man die speziellen Hy- bridorbitale der Falle 2, 5 und 11. Wie schon in der Einlei-

tung erwahnt, enthalten sie keine freien Parameter mehr. AuBerdem mussen bei ihnen aus Symmetriegriinden die Bindungswinkel a rnit den Valenzwinkeln aval uberein- stimmen und die speziellen Werte 180", 120" bzw. 109.5" haben18s1. Nur in diesen Fallen sind wir sicher, dafi die Bindungen ungespannt sind.

Bei allen anderen Fallen besteht zunachst kein zwingen- der Grund fur exakte Gleichheit dieser beiden Winkel. Wie schon erwahnt, ist hier rnit mehr oder weniger groBen Ab- weichungen 6a =a- aval zu rechnen, die ,,gebogenen" B i n d ~ n g e n ~ ~ ~ I entsprechen. Solche Abweichungen miissen naturlich immer dann auftreten, wenn in der Gleichge- wichtsgeometrie eines Molekuls Bindungswinkel 590" auftreten, wie z. B. bei den Kleinring-Kohlenwasserstoffen (CHz), und (CHz),.

Man wird - wenn auch geringere - Abweichungen er- warten bei Molekulen mit stark polaren Bindungen wie CH2Cl2 und CH2Br2 (Nr. 3 und 1 in Tabelle 2). SchlieBlich sollten auch sterische Behinderungen zu derartigen Abwei- chungen fuhren. Wenn jedoch keiner dieser Griinde vor- liegt, so ist weitgehende Gleichheit von Bindungs- und Va- lenzwinkel zu envarten, wie bei dem Beispiel Nr. 8 in Ta- belle 2, dem Propan.

2) Zur zweiten Gruppe gehoren die Falle 3 , 4 und 10 rnit zwei bzw. einem freien Parameter und der gleichen Anzahl unabhangiger Bindungs- und Valenzwinkel. Daher helfen die hier angegebenen Formeln zunachst nicht bei der Be- antwortung der Frage, ob ein bestimmtes Molekul dieser Gruppe ,,gespannte" Bindungen enthalt. Vielmehr sind zu- nachst auf anderem Wege Werte fur aval zu bestimmen. Das kann auf theoretischem Wege geschehen, indem quan- tenchemische MO-Rechnungen, optimiert fur die energe- tisch gunstigste Konfiguration des jeweiligen Molekuls, einem Lokalisierungsverfahren unterzogen ~ e r d e n [ ' ~ - ' ~ ~ (siehe Abschnitt 1). Aus den lokalisierten Bindungsorbita- len sowie den Orbitalen einsamer Elektronenpaare konnen dann die Hybrid-AOs der beteiligten Atome abgelesen werden. Allerdings ist dieses Vorgehen nur beschrankt an- wendbar, da es - besonders bei Molekulen mit niedriger Symmetrie - nicht immer eindeutige Ergebnisse liefertr861.

Tabelle 2. Bindungswinkel und deren Abweichungen von den Valenzwinkeln fur einige L2ZU2-Molekule.

Nr. Molekul L2ZL; Nr. nach [a] 4 LZL=a Q L'ZL'=p SF p ]

1 2 3 4 4 5 5 6 7 7 8 8 9 9

10 10

68 316

70 140 140 74 74

299 152 152 428 428 314 314 350 350

113.6 112.7 135.0 101.2 113.0 111.8 108.1 114.4 114.4 108.1 113.7 108.3 108.3 113.7 121.0 103.3 107.7 113.0 113.0 107.7 106.1 112.8 112.8 106.1 108.5 110.0 110.0 108.5 109.4 108.7 108.7 109.4

6.9 5.8 5.5 3.5 2.9 2.6 3.0 2.3 1.7 1.4

- 0.4 - 0.7 -0.5 -0.5 - 0.8 - 0.9

[a] Aus K. H. Hellwege, A . M . Hellwege: Landolt-Bijmstein, Neue Serie Bd. 7 (Strukturdaten freier mehratomiger Molekiile), Springer, Berlin 1976, sind die experimentellen Bindungswinkel der vierten und fiinften Spalte entnom- men. [b] Berechnete Winkelabweichungen (siehe Text), nach abnehmenden Werten geordnet.

954 Angew. Chem. 93, 944-956 (1981)

Page 12: Hybridorbitale und ihre Anwendungen in der Strukturchemie

Fur groBere Molekiile von chemischem Interesse durften in vielen Fallen noch keine ausreichend genauen MO- Rechnungen zur Verfiigung stehen.

3) In die dritte Gruppe schliel3lich gehoren die Falle 6-9 rnit einem bis maximal drei freien Parametern, bei denen die Anzahl der unabhangigen Bindungswinkel groJer ist als die Zahl der unabhangigen Valenzwinkel. Auch hier konnen naturlich die fur die zweite Gruppe beschriebenen Methoden verwendet werden. Dariiber hinaus besteht hier aber auch die Moglichkeit, allein aus den experimentell be- stimmten Bindungswinkeln auf das Vorhandensein ge- spannter Bindungen zu schlieBen. Betrachten wir als Bei- spiel die in Tabelle 2 aufgefiihrten L,ZL;-Molekiile.

Fur diesen Fall 9 von Tabelle 1 (vgl. Abschnitt 2.9) sind die beiden Bindungswinkel a und p voneinander unab- hangig. Dagegen gibt es nur einen unabhangigen Valenz- winkel, da ava'= 180" - 2 w und BVa'= 180" -2w' (vgl. Abb. 5 ) durch die aus GI. (41) folgende Beziehung

B'"' ctg* - + ctg2 - = 1 a"al

2 2

miteinander verknupft sind. In Abbildung 7 ist dieser Zu- sammenhang graphisch dargestellt.

- P2 O0 10 7 6 5 4 r I

'P3

Abb. 7. Die beiden Valenzwinkel a"='= OB2 und p'=& von Abbildung 5, in Abhgngigkeit von 1' (=A:=A:) und p2 (=A: =A:).

Es ist zu sehen, daB - ausgehend von dem gemeinsamen Wert avaL=/P'=109.5' (rechte Seite der Abb. 7) - eine VergroDerung des einen Winkels automatisch eine Verklei- nerung des anderen zur Folge haben muB. Bei den Beispie- len 2 und 3 in Tabelle 2, bei denen beide Bindungswinkel groBer als der Tetraederwinkel von 109.5' sind, kann man

daher auf das Vorliegen von ,,gespannten" Bindungen auch ohne quantenchemische Berechnungen der Valenz- winkel allein aus den experimentellen Werten der Bin- dungswinkel s~hlieBen[~'~. Bei den anderen Beispielen der Tabelle 2 ist mit den dort zusammengestellten Bindungs- winkeln a und p aus Abbildung 7 abzulesen, ob unge- spannte Bindungen vorliegen. Dies ist nur dann der Fall, wenn die beiden Punkte a und p auf den beiden Kurven- asten senkrecht ubereinanderliegen, also zum gleichen un- teren Abszissenwert A2 gehoren. Dieser gibt dann, zusam- men mit dem,d-Wert der oberen Abszisse die s-Anteile fur die ZL- oder ZL'-Bindungen.

Wenn diese Konstruktion nicht moglich ist, mussen fur mindestens einen - wahrscheinlich sogar beide - Bin- dungswinkel Abweichungen, 6a und @, auftreten. Rech- nerisch 1aBt sich die Summe der Abweichungen wie folgt ermitteln: Man setzt zunachst aval=a aus der vierten Spalte von Tabelle 2 (setzt also Sa=O) und errechnet aus G1. (50) den zugehbrigen Wert von P I . Dessen Differenz zu dem Bindungswinkel B aus Spalte funf gibt dann den in der sechsten Spalte angegebenen Wert SF =p-/P' . Wird dieser Wert zu gleichen Teilen auf beide Winkel verteilt, so ergeben sich rnit Sa = 6s = 6P/2 Naherungswerte fur die Winkelabweichungen. Sol1 die diesem Verfahren anhaf- tende Unsymmetrie vermieden werden, so kannen obige einfachere Rechnungen unter Vertauschung von a und f l wiederholt (bei Nr. 4, 5,7-10 geschehen) und beide Resul- tate gemittelt werden.

Die Ergebnisse in Tabelle 2 bestatigen im allgemeinen die vorangestellten Behauptungen bezuglich der Griinde fur das Auftreten von gespannten Bindungen. Die klein- sten GP-Werte haben erwartungsgemaB Propan (Nr. 8) und die analoge Germanium-Verbindung (Nr. 9). Aber auch bei diesen iiblich'erweise als ungespannt angesehenen Ver- bindungen sind kleine, aul3erhalb der Fehlergrenze der Bindungswinkel liegende Abweichungen festzustellen.

3.6. SchluDbemerkung

AbschlieBend sei hervorgehoben, daB der Experimenta- tor die hier verdeutlichte Moglichkeit mehr oder weniger gespannter Bindungen auch in solchen Fallen, in denen er sie vielleicht nicht erwartet, bei der Interpretation seiner Daten rnit Hybrid-AOs beriicksichtigen muB.

Insgesamt hat sich die Venvendung lokalisierter Hybrid- orbitale dadurch bewahrt, daD sie einerseits dem Formalis- mus der Quantenchemie eine Fassung gab, die der Vorstel- lungsweise des Experimentalchemikers entgegenkommt, andererseits eine theoretisch fundierte und zugleich an- schauliche Korrelation von ExperimentalgroBen der Struk- turchemie eroffnet.

Herrn Dr. B. KIahn (Gottingen) danken wir fur seine hilfeiche Unterstiitzung durch numerische Rechnungen und bei der Literatursuche, Herm ProJ M. Klessinger (Miinster) f i r die kritische Durchsicht des Manuskripts. Dem Fonds der Chemischen Industrie sei fur seine fortwahrende Forderung unserer Arbeiten gedankt.

Eingegangen am 27. Februat 1980, in geiinderter Fassung am 5. MBrz 1981 [A 3871

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111 So z. B. die stereoskopischen Bilder I bis 6 in der Beilage zu A . F. Holle- man. E. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie, 71.-80. Aufl., de Gruyter, Berlin 1971.

[21 L. Pauling. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 14, 359 (1928); J. Am. Chem. SOC. 53. 1367 (1931).

[31 Wir verwenden Valenzwinkel also nicht als Synonym fur Bindungs- oder Interatomwinkel und folgen hierin Fiirsfer [8].

141 J. H . van neck, J. Chem. Phys. 1, 219 (1933). [51 W. G. Penney, Proc. R. SOC. London A 144, 166 (1934); A 146, 233

(1934). [61 P. Torkington, J. Chem. Phys. 19, 528 (1951). [71 Abweichend von diesem Sprachgebrauch wird in der Literatur das ein-

zelne Hybrid-A0 von GI. (3) haufig auch als sp*'-Hybrid bezeichnet, wobei ,I2 jetzt nicht mehr ganzzahlig zu sein braucht.

[8] 771. Forster, Z. Phys. Chem. B 43, 58 (1939). (9) L. Pauling: Die Natur der chemischen Bindung, 2. Aufl., Verlag Che-

1101 R. McWeeny: Coulson's Valence, 3. Aufl., Oxford University Press, Ox-

1111 J. E. Lennnrd-Jones. J . A . Pople, Proc. R. SOC. London A 210, 190

[I21 J. M . Fosrer. S . F. Boys, Rev. Mod. Phys. 32, 296 (1960). 1131 W. England. L. S Salmon, K . Ruedenberg. Fortschr. Chem. Forsch. 23,

1141 J. P. Foster. F. Weinhold, J. Am. Chem. SOC. 102, 7211 (1980). (151 0. Chaluer, R . Daudel, S. Diner, J . P. Malrieu: Localisation and Deloca-

lisation in Quantum Chemistry, Vol. I: Atoms and Molecules in the Ground State, Reidel, Boston 1975.

[I61 W. Kutzelnigg: Einfiihrung in die Theoretische Chemie, Bd. 2: Die che- mische Bindung, Verlag Chemie, Weinheim 1978, spez. Kap. 10.

[I71 K . Siegbahn et al.: ESCA Applied to Free Molecules, North Holland, Amsterdam 1971.

(181 Ubersicht iiber die Theorie der Kernspin-Kopplungskonstanten: J. Ko- walewski, Prog. NMR-Spectrosc. 11, I (1977).

[I91 C. H. Townes. A . L. Schawlow: Microwave Spectroscopy, McGraw-Hill, New York 1955; E. A . C. Lucken; Nuclear Quadrupole Coupling Con- stants, Academic Press, London 1969.

[20] Aus der Vielzahl von Arbeiten seien nur zwei exemplarisch zitiert: a) W. Zeil, Angew. Chem. 73, 751 (1961); b) B. Bak, J. J . Led, J. Mol. Struct. 3, 379 (1969).

1211 Siehe z. B. W. J. Oruil/e-Thomas: The Structure of Small Molecules, EI- sevier, Amsterdam 1966.

[22] Dies ist keine Einschrankung der Allgemeinheit, sondern laDt sich durch Wahl des Vorzeichens von p, immer erreichen.

1231 Das Hundertfache dieser GraDen wird auch als prozentualer s- bzw. p- Cbarakter bezeichnet.

[241 Diese Beziehungen scheinen erstmals bei C. A. Coulson: Victor Henri Memorial Volume, Contribution a I'Etude de la Structure Moleculaire, Maison Desoer, Libge 1947-48, angegeben zu sein.

[25] Die von Torkington [6] envahnte zweire Lasung, bei der alle vier h wie die Rippen eines Regenschirms angeordnet sind, ist irreal, da sie zu Va- lenzwinkeln < 90" fiihrt, was fur reelle s-p-Hybridorbitale nicht mdglich ist.

[26] W. Moffirt, Proc. R. SOC. London A 210, 245 (1951). (271 M . D . Newron: ,,Strained Organic Molecules" in H. F. Schaefer I l l : Mo-

dern Theoretical Chemistry, Vol. 4 (Applications of Electronic Structure Theory), Plenum Press, New York 1977, Kap. 6.

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[52] Lit. [lo], S. 153ff., S. 171ff. [53] A . D. Walsh, Discuss. Faraday SOC. 2, 18 (1947). I541 J. Hinze, H . H . Jaflk, J. Am. Chem. SOC. 84, 540 (1962). [55] J. Hinze, M. whitehead, H . H. Jafle, J. Am. Chem. SOC. 85, 148

(1963). [56] E. Shustorovifch, P. A . Dobosh. J. Am. Chem. SOC. 100, 7513 (1978); 101,

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221, 1630 (1978); B 35, 1382 (1979). I581 Vgl. auch Z. V. Zuonkoua, Russ. Chem. Rev. 46, 479 (1977). I591 N . Muller, D . E. Pritchard, J. Chem. Phys. 31, 768, 1471 (1959). I601 Ubersicht: P. E. Hansen, Prog. NMR Spectrosc. 15, 65 (1981). [611 N . Sheppard, R . M. Lynden-Bell, Proc. R. SOC. London A 269, 385

I621 K. Frei. H . J. Bernsfein. J. Chem. Phys. 38, 1216 (1963). 1631 Ubersichten: a) V. Wray, Prog. NMR-Spectrosc. 13, 177 (1979); b) siehe

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[661 G. E. Maciel, J . W. Meher, N. S . Ostlund, J. A . Pople, J. Am. Chem.

[67] H. A . Bent, Chem. Rev. 61, 276 (1961). [68] H. A . Bent, J. Chem. Educ. 37, 616 (1960). I691 A. C. Blizzard, D. P. Sanfry, J. Chem. Phys. 55, 950 (1971); 58, 4714

1701 J. M . Schulman, M . D . Newron, J. Am. Chem. SOC. 96, 6295 (1974). 1711 a) J. M. Schulman. T. Venanzi, J. Am. Chem. SOC. 98,6739 (1976); b) W.

S. Lee, J. M. Schulman, ibid. 101, 3182 (1979); 102. 5184 (1980). [721 M. RandiC, Z . B. MaksiC. Chem. Rev. 72, 43 (1972). [73] E. Vogel, Angew. Chem. 72, 4 (1960). I741 G. Maier, S. pfriem, U. Schafer, R . Matusch. Angew. Chem. 90, 552

I751 A. de Meuere, Angew. Chem. 91, 867 (1979); Angew. Chem. Int. Ed.

I761 H. Musso, U. Biethan. Chem. Ber. 100, 119 (1967). [77] K. B. Wiberg, Adv. Alicyclic Chem. 2, 185 (1965). [78] K. B. Wiberg, J. Am. Chem. SOC. 102, 7467 (1980). I791 K. B. Wiberg. G . B. Ellison. Tetrahedron 30, 1573 (1974). [SO] L. N. Ferguson, J. Chem. Educ. 46, 404 (1969). 1811 A . Greenberg. J . F. Liebman: Strained Organic Molecules, Academic

[82] H. Muller, P. Bruuer, Z. Chem. 5, 241 (1965). I831 D. C. McKean, Chem. SOC. Rev. 7, 399 (1978). I841 K. Kamienska-Trela, Spectrochim. Acta, Part A 36, 239 (1980). [85] Der Fall 1 hat auch den speziellen Wert von a=ava'= 180", enthalt aber

mit dem Hybridisierungsparameter A noch einen freien Parameter. [86] Ein Beispiel hierfiir gibt die folgende Arbeit: D. Pefers, J. Chem. SOC.

London 1%3. 4017, in der fur die Molekule H20, NH, und HICO je- weils ein Satz delokalisierter MOs auf zwei Arten lokalisiert wurde. Man beachte in der dortigen Abb. I , daO hierbei unter Urnstanden auch Va- lenzwinkel <90" auftreten kannen, da die in den orthogonalen lokali- sierten MOs enthaltenen Hybrid-AOs selbst nicht mehr orthogonal zu sein brauchen.

[871 Hierauf haben schon R. J . Myers und W. D. Gwinn (J. Chem. Phys. 20, 1420 (1952)) hingewiesen.

[881 Einige der in diesem Beitrag zusammengestellten Gleichungen fur Hy- bridorbitale findet man schon bei K. Mislow: Einfiihrung in die Stereo- chemie, Kap. I, Verlag Chemie, Weinheim 1972.

Engl. 9, 500 (1970).

(1962).

auch [60].

(1968).

SOC. 92, 1 (1970).

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(1978); Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 17, 520 (1978).

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