hören über ein cochlea-implantat

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K. Burian et al.: H6ren fiber ein Cochlea-Implantat 569 26. K. Burian, I. J. Hochmair-Desoyer (a. G.), E. S. Hochmair (a. G.) (Wien): Hfren fiber ein Cochlea-Implantat Cochlear Implant in Use Summary. The actual type of cochlear implant used by the Viennese team is described. The indication for implantation is discussed. In two patients the praeoperative electrostimulation of the promontory is demonstrated. The surgical procedure of the implantation as well as the postoperative course is shown and reported in two cases. In a very extensive testprogramm on words and open speech the rehabilitation of understanding in two patients with heriditary and luetic deafness is demonstrated. Einleitend werden die einzelnen Teile der in Wien konzipierten und gebauten Cochlear-Prothese dargestellt. Sie besteht aus einem implantierbaren Empffin- ger/Stimulatorschaltung mit einer Mehrkanalelektrode und einem externen tragbaren Spraehprozessor. Die Wirkung dieser Prothese wird anhand sche- matischer Darstellungen aufgezeigt. Nach Besprechung der von der Wiener Arbeitsgruppe derzeit gewfihlten Indikationen ffir ein Cochlea-Implantat wird die prfioperative Elektrostimulation gezeigt, die Hinweise auf das Vorhanden- sein noch funktionsffihiger Nervenfasern erm6glicht. Anhand von einigen Operationssituationen wird das operative Vorgehen der Implantation demon- striert. Abschliegend werden an zwei Patienten, die schon einige Monate hindurch ein Implantat tragen, einige Sprachtests demonstriert und kurz zu der von der Wiener Arbeitsgruppe angewandten Methodik des H6r-Sprachtrainings Stellung genommen. C. R. Pfaltz (Basel): Haben die Autoren recruitmentfihnliche subjektive Sensationen bei Elek- trostimulation des N. cochleafis beobachtet? Ein derartiger Befund wfire in pathophysiologi~cher Hinsicht in bezug auf den Entstehungsort des Lautheitsausgleichs (cochlefir-retrocochle~r) yon Interesse. H. Weidauer (Heidelberg): Haben Sie infektbedingte negative Erfahrungen bei der Einffihrung des Cochlea-Implantats oder spfiter bei Mittelohrverfinderungen? T. Spillmann (Ziirich): Gibt es eine Kontrolle der Ergebnisse der Cochlea-Prothese ~urch Geh6rlose, bei denen die Verbesserung der Sprachverstfindlichkeit dutch Training allein, d. h. ohne Prothesenimplantation, verfolgt wurde? C. Timm, GroB-Umstadt (friiher Liibeck): Herr Heermann gibt mir das Stichwort zur Erinneru~g an den Grundversuch yon Wever und Bray (1930), der zur Entdeckung des elektrischen Cochleaeffekts geffihrt hat. Die Autoren batten damals an Versuchstieren elektrische Potentiale vom rUnden Fenster abgenommen, verstfirkt und in einem Nebenraum dutch Lautsprecher den Schall wieder h6rbar gemacht, der auf das Tier eingewirkt hatte, sodaB es schien, als wfirde die Schnecke nur als Mikrophon wirken und der Versuch als Ganzes ffir die ,,Frequenztheorie" des H6rens sprechen. Erst spfiter stellte sich dann heraus, dab es sich um den ,Reizfolgestrom" handelte, der ein elektfisches Abbild des akustischen Schwingungsvorgangs der Basilarmembran ist und dab diese ,,microphonics" ihrerseits erst die Fasern des H6rnerven reizten, wodurch es dann zur H6rempfindung kam. Jetzt zeigen die sch6nen Versuche yon Herrn Burian, dab die Zufuhr elektrischer hfrsynchroner Potenfiale via Sonde an die Nervenfaserendigungen im Innenohr diese offenbar grundsfitzlich so reizen, wie es die microphonics bei intakten Sinneszellen tun wfirden. Da diese in seinen Versuchen ototoxisch ausgefallen waren, mfissen die elektronischen Potentiale an den Faserenden des

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Page 1: Hören über ein Cochlea-Implantat

K. Burian et al.: H6ren fiber ein Cochlea-Implantat 569

26. K. Burian, I. J. Hochmair-Desoyer (a. G.), E. S. Hochmair (a. G.) (Wien): Hfren fiber ein Cochlea-Implantat

Cochlear Implant in Use

Summary. The actual type of cochlear implant used by the Viennese team is described. The indication for implantation is discussed. In two patients the praeoperative electrostimulation of the promontory is demonstrated. The surgical procedure of the implantation as well as the postoperative course is shown and reported in two cases. In a very extensive testprogramm on words and open speech the rehabilitation of understanding in two patients with heriditary and luetic deafness is demonstrated.

Einleitend werden die einzelnen Teile der in Wien konzipierten und gebauten Cochlear-Prothese dargestellt. Sie besteht aus einem implantierbaren Empffin- ger/Stimulatorschaltung mit einer Mehrkanalelektrode und einem externen tragbaren Spraehprozessor. Die Wirkung dieser Prothese wird anhand sche- matischer Darstellungen aufgezeigt. Nach Besprechung der von der Wiener Arbeitsgruppe derzeit gewfihlten Indikationen ffir ein Cochlea-Implantat wird die prfioperative Elektrostimulation gezeigt, die Hinweise auf das Vorhanden- sein noch funktionsffihiger Nervenfasern erm6glicht. Anhand von einigen Operationssituationen wird das operative Vorgehen der Implantation demon- striert. Abschliegend werden an zwei Patienten, die schon einige Monate hindurch ein Implantat tragen, einige Sprachtests demonstriert und kurz zu der von der Wiener Arbeitsgruppe angewandten Methodik des H6r-Sprachtrainings Stellung genommen.

C. R. Pfaltz (Basel): Haben die Autoren recruitmentfihnliche subjektive Sensationen bei Elek- trostimulation des N. cochleafis beobachtet? Ein derartiger Befund wfire in pathophysiologi~cher Hinsicht in bezug auf den Entstehungsort des Lautheitsausgleichs (cochlefir-retrocochle~r) yon Interesse.

H. Weidauer (Heidelberg): Haben Sie infektbedingte negative Erfahrungen bei der Einffihrung des Cochlea-Implantats oder spfiter bei Mittelohrverfinderungen?

T. Spillmann (Ziirich): Gibt es eine Kontrolle der Ergebnisse der Cochlea-Prothese ~urch Geh6rlose, bei denen die Verbesserung der Sprachverstfindlichkeit dutch Training allein, d. h. ohne Prothesenimplantation, verfolgt wurde?

C. Timm, GroB-Umstadt (friiher Liibeck): Herr Heermann gibt mir das Stichwort zur Erinneru~g an den Grundversuch yon Wever und Bray (1930), der zur Entdeckung des elektrischen Cochleaeffekts geffihrt hat. Die Autoren batten damals an Versuchstieren elektrische Potentiale vom rUnden Fenster abgenommen, verstfirkt und in einem Nebenraum dutch Lautsprecher den Schall wieder h6rbar gemacht, der auf das Tier eingewirkt hatte, sodaB es schien, als wfirde die Schnecke nur als Mikrophon wirken und der Versuch als Ganzes ffir die ,,Frequenztheorie" des H6rens sprechen. Erst spfiter stellte sich dann heraus, dab es sich um den ,Reizfolgestrom" handelte, der ein elektfisches Abbild des akustischen Schwingungsvorgangs der Basilarmembran ist und dab diese ,,microphonics" ihrerseits erst die Fasern des H6rnerven reizten, wodurch es dann zur H6rempfindung kam. Jetzt zeigen die sch6nen Versuche yon Herrn Burian, dab die Zufuhr elektrischer hfrsynchroner Potenfiale via Sonde an die Nervenfaserendigungen im Innenohr diese offenbar grundsfitzlich so reizen, wie es die microphonics bei intakten Sinneszellen tun wfirden. Da diese in seinen Versuchen ototoxisch ausgefallen waren, mfissen die elektronischen Potentiale an den Faserenden des

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Acusticus angegriffen haben - sofern nicht einzelne Sinneszellen doch noch funktio~lsffihig geblieben sein sollten.

H. Heermann (Essen): Das Satzverstfindnis durch gleichzeitige elektrische Reizung aller noch funktionsffihigen Nervenfasern in der Cochlea mit einer langen in die Scala tympani geschobenen Elektrode ist nicht nur ein erstaunlicher therapeutischer sondern auch ein ebenso groger physiologischer Fortschritt. Er beweist die yon mir 1979 aufgestellte Theorie, dab die Cochlea fihnliche ,,neurophysiologische Resonatoren" besitzt, wie sie von Galambos, Keidel, Schwartzkopff u. a. im Thalamus nachgewiesen wurden. Das schon viele Jahrmillionen u. a. bei Knochenfischen bestehende ,,neurophysiologische Resonanzh6ren" ist bei der Entwicklung der Cochlea, des Cortiorgans, der Fensterdruckdifferenz und der Wanderwelle nur verbessert aber niclat ersetzt worden.

F. Wustrow (K01n): In dem sehr sch6nen und demonstrativen Film zeigen Sie, wie die Elektrode in die Cochlea vom runden Fenster aus v611ig bis nach oben zum Helicotrema vorgeschoben wird. Zweifelsohne ist hierdurch eine L/ision der feinen Strukturen im Innenohr kaum zu vermeiden. Ob hier der Fremdk6rper lang und anhaltend toleriert wird, mug noch abgewartet werdefl. Da wir beztiglich entsprechend auftretender Ver/inderungen im Inncnohr Bedenken haben, appli~ieren wir unsere Systeme in die Labyrinthkapsel im Bereich des Promontoriums. Ebenso wie House, Chouard u. a. verwenden Sie praktisch eine Monoelektrode. Ihre Ergebnisse unterscheiden sich:aber ganz wesentlich von denen der vorgenannten Autoren, wie erklfiren Sie dies? Nach elektrophysiolo- gischen Erkenntnissen mtil3te eine m6glichst vielkanalige Elektrode appliziert werded. Wir sind gerade dabei, entsprechende Systeme zu entwickeln, um bis zu 36 Elektroden an den Cochlearis heranzubringen. Unser System hat auch den Vorteil, dab es jederzeit durch ein besseres ausgewechselt werden kann. Es bedeutet schon einen grol3en Fortschritt, dab wit in die stille Welt der Tauben bzw. Ertaubten ein Erkennen von Tonh6hen, ein Rhythmuserkennen, Laut- und Leise-Empfindungen und ein gewisses Wortverstfindnis einbringen k6nnen. Trotzdem sollten wir, bis nicht technisch alle Probleme gel6st sind, mit der Anempfehlung einer routinemggigen Versorgung dieser Geh6flosen zurfickhaltend sein. Um all diese Fragen abzukl~iren, beabsichtige ich im November d. J., zusammen mit Herrn Banfai, eine Arbeitstagung in K61n/Dfiren durchzuftihren. Zu dieser m6chte ich Sie, Herr Burian, herzlich einladen. Dort k6nnen wir dann wohl die Probleme weiter diskutieren.

K. W. Hommerich (Berlin): Nach den Beispielen in dem Film hatten die mit einem Kochlearim- plantat versorgten Kranken eine relativ gute sprachliche Artikulation. Gibt es bereits Erfahrungen fiber die Sprachanbildung bei Frfihertaubtcn, nachdem Elektroden in die Schnecke implantiert worden waren?

K. Burian (Wien), Schlufiwort: Aufsteigende Infektionen infolge Einffihrens der Elektroden in die Schnecke haben wir weder kurz- noch langfristig gesehen. Ebenso keinen Tinnitus oder Nystagmus und Schwindel. Die ausnehmend guten Ergebnisse, die wit mit Reizung nur einer Elektrode erreichen konnten, sind wahrscheinlich auf die Konzeption unseres Sprachprozesses zuriJckzufiih- ren. Auf diesbez/igliche Details mtil3te ich auf die Technik unseres Teams verweisen, entsprechende Publikationen liegen vor. Die Sprache postlingual ertaubter Patienten, so sie vor der Implantation schlecht war, verbessert sich zusehends, abhfingig vonder I]bungsdauer. Prfilingual taube Patienten haben wir nur ausnahmsweise in unserem Patientengut, da wir im derzeitigen Forschungsstadium auf die Angaben und Empfindungen angewiesen sind und diese Angaben von Menschen, die schon akustische Erfahrungen hatten, aufschlui3reicher sind.